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HERAUSGEBER -Pandemie ur Corona Hans-Jürgen Lange Mit B eiträgen z Joachim Laux Holger Münch AUS DEM INHALT REDAKTION Dieter Müller (Schriftleitung) Aufsätze Ralph Berthel Meißelbach/Melcher/Schöne/Thieme Einstellungen zur Corona-Krise in der sächsischen Polizei. Michael Knape Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung im Herbst 2020 S. 513 Sabrina Schönrock Koerner/Staller Einsatztraining repräsentativ gestalten. Der Constraints-led Approach S. 525 Ullrich/Staar/Reichelt Die polizeiliche Verhinderung von Selbsttötungen im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Suizid S. 533 Adam/Becker Die Befragung und Untersuchung von Kindern als Opfer-Zeugen im Strafverfahren in Israel und Deutschland S. 538 Gegenwart Der Mensch im Mittelpunkt S. 541 Herrmann Clans, Mafia, Rocker und RÄGs S. 545 Gutschmidt Humor in der Polizei – Eine psychologische Betrachtung positiver und negativer Wirkungen S. 548 Colsmann Vorbeugende Gefahrenabwehr von lebensbedrohlichen Gewalttaten – die VDI-Richtlinie 4062 Blatt 2 S. 553 12 Heft 12 Dezember 2021 Seiten 513–560 112. Jahrgang Art.-Nr. 56244112 PVSt 5624
Die FACHZEITSCHRIFT FÜR DIE ÖFFENTLICHE POLIZEI SICHERHEIT MIT BEITRÄGEN AUS DER DEUTSCHEN HOCHSCHULE DER POLIZEI INHALT 12 ∙ 2021 Editorial Liebe Leserinnen, zungsmodell. Im Rahmen ihrer Betrachtung des aktuellen Stands dieser polizeiinternen Interventionsmaßnahme stellt liebe Leser, sie auch mit deutlich erkennbarer Sympathie und autobio- diese Ausgabe Ihrer POLIZEI beginnt gleich mit einem Pau- graphischen Zügen dessen strukturierten Ablauf am Beispiel kenschlag in Form einer kritischen Untersuchung der Einstel- der Polizeidirektion Braunschweig vor. lungen und Motivationen sächsischer Polizeibeamter, die sie Ein gänzlich anderes Thema bearbeitet der Lübecker Politolo- während der Bewältigung der Corona-Krise (neu) gewonnen ge Herrmann mit einem abrissartigen Einblick in die aktuel- haben. Die vier sächsischen Polizeiwissenschaftler Meißel- len Strukturen der OK in Deutschland. Mit seinem insbeson- bach, Melcher, Schöne und Thieme des polizeieigenen Sächsi- dere für die polizeilichen Berufseinsteiger lehrreichen Fokus schen Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) und spitzer Feder greift er in seinem Diskussionsbeitrag auch haben durch ein prägnantes Forschungsdesign teilweise über- gesellschaftspolitisch relevante Konflikte auf und weist auf raschende Ergebnisse erzielt, die sie in ihrem deutschlandweit erste Lösungsansätze für einen verbesserten polizeilichen Um- einmaligen polizeiinternen Forschungsbeitrag sorgfältig ent- gang mit der Thematik hin. wickeln und bewerten. In diesem Dezemberheft der thematischen Gegensätze nutzen Auch die beiden Polizeiforscher Koerner und Staller stellen mit ihrem Konzept eines »Constraints-led Approach« ein Verlag und Redaktion die Gelegenheit, zum Jahresausklang fachlich anspruchsvolles Konzept zur Fortentwicklung des auch auf vermeintliche Randthemen hinzuweisen wie es etwa polizeilichen Einsatztrainings vor, das eine vertiefte Diskus- der Beitrag von Gutschmidt mit der Rolle des Humors in der sion wert ist. Das Konzept dieser beiden in dieser Thematik Polizei aufgreift. Die an der DHPol tätige Wissenschaftlerin deutschlandweit renommiertesten Wissenschaftler geht tief greift damit ein wichtiges Thema der sozialen Hygiene inner- in die Trainingspädagogik und -didaktik hinein und stellt die halb des oft steif daherkommenden Polizeiapparats auf und systematischen Zusammenhänge der Trainingspraxis wissen- analysiert feinfühlig das Zusammenspiel der verschiedenen schaftlich fundiert in ein neues Licht. Aspekte des Humors als kleinen Beitrag zum Konzept der Problembewältigung, und zwar im Kleinen wie im Großen. In einem weiteren Beitrag aus NRW widmen sich die beiden Duisburger Hochschullehrer Ulrich und Staar dem ethische Ganz technisch wird es im letzten Fachbeitrag des Heftes anspruchsvollen Thema der polizeilichen Aufgaben rund um von Colsmann, der aus Sicht eines Ingenieurs die Vorzüge das jüngst vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Recht der VDI-Richtlinie 4062 Blatt 2 beschreibt, deren Aufgabe auf Selbsttötung. Aus psychologischer und rechtswissen- es ist, über eine fachkundige Bestandsaufnahme mögliche schaftlicher Sicht beleuchten die Wissenschaftler einfühlsam Gefährdungen ganzheitlich zu ermitteln und zu beurteilen, und ideenreich die polizeirechtlichen und strafrechtlichen welcher Handlungsbedarf auch unter solchen Voraussetzun- Implikationen rund um freiverantwortliche Selbsttötungen. gen besteht und ob und in welchem Umfang hierfür eine Notfallplanung zu erstellen ist. Sehr plastisch stellt er dabei Auch der gemeinsame Beitrag der israelischen Konfliktfor- die praktischen Reaktionsmöglichkeiten, resultierend aus die- scherin Adam und des früheren Hochschuldozenten Becker ser Denkschule, vor dem Hintergrund möglicher Amokläufe greift mit Kindern als Opfer-Zeugen im Strafverfahren ein oder Attentate dar. nicht minder virulentes Thema auf. Bei diesem rechtsver- gleichenden Problemaufriss stellen sie das israelische Modell Eine polizeirelevante Pressemitteilung des BVerfG sowie drei von Kinderermittler*innen vor, dessen Vorgehensweise sich Buchrezensionen, die durchaus als kreative Geschenkeratge- vom in Deutschland praktizierten Ermittlungsverfahren ins- ber verstanden werden können, runden diese Ausgabe ab. besondere dadurch unterscheidet, dass zunächst fachlich be- Viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe und ein gesegnetes sonders qualifizierte Sozialarbeiter*innen anstatt von Polizei- Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr 2022 beamt*innen tätig werden und Kinder auch sonst über einen wünscht Ihnen, selbstredend auch für Herausgeber, Redak- besonderen Schutzstatus behutsam behandelt werden. tion und Verlag In einem weiteren Beitrag beschreibt die Braunschweiger Ihr Polizeibeamtin Gegenwart die den Werdegang des in Nie- dersachsen praktizierten Coaching als besonderes Unterstüt- Dieter Müller Die POLIZEI 12 · 2021 I
Aufsätze Einstellungen zur Corona-Krise in der sächsischen Polizei. Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung im Herbst 2020 von Dr. Christoph Meißelbach, Dr. Reinhold Melcher, Prof. Dr. Marcel Schöne und Prof. Dr. habil. Tom Thieme, Rothenburg/Oberlausitz S. 513 Einsatztraining repräsentativ gestalten. Der Jetzt Constraints-led Approach von Univ.-Prof. Dr. Swen Koerner, Prof. Dr. mult. Mario S. Staller, Aachen/Köln S. 525 einfach Die polizeiliche Verhinderung von Selbsttötungen im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts zum Suizid von Prof. Dr. Norbert Ullrich, Prof. Dr. Henning digital Staar, Matthias Reichelt, Duisburg S. 533 Die Befragung und Untersuchung von Kindern als Opfer-Zeugen im Strafverfahren in Israel und arbeiten. Deutschland von Prof. Dr. Keren-Miriam Adam, Wernigerode und Rainer Becker, Wilhelmshaven S. 538 Der Mensch im Mittelpunkt von Nicoline Gegenwart, Braunschweig S. 541 Clans, Mafia, Rocker und RÄGs von Dr. Christian Herrmann, Lübeck S. 545 Humor in der Polizei – Eine psychologische Betrachtung positiver und negativer Wirkungen von Daniela Gutschmidt, Münster-Hiltrup S. 548 Vorbeugende Gefahrenabwehr von lebensbedroh- lichen Gewalttaten – die VDI-Richtlinie 4062 Blatt 2 von Bernd Colsmann, Ulm S. 553 Aktuelles Pressemitteilung BVerfG vom 04.02.2021 S. 556 Buchbesprechungen Emmas und Tims Geheimnisse, Katharina Böhmer- Kastens und Michale Bögle Joachim Albrecht S. 558 Tausendfache Vergeltung, Frank Ebert Prof. Dr. jur. Dieter Müller S. 559 Blueline Familys – Kurzgeschichten Prof. Dr. jur. Dieter Müller S. 560 Impressum III Beilagenhinweis: Mit dieser Ausgabe verteilen wir Beilagen folgender Unternehmen: Hottinger Brüel & Kjaer GmbH Mercedes-Benz wolterskluwer-online.de Wir bitten freundlich um Beachtung. ALLES, WAS EXPERTEN BEWEGT.
Die FACHZEITSCHRIFT FÜR DIE ÖFFENTLICHE POLIZEI SICHERHEIT MIT BEITRÄGEN AUS DER DEUTSCHEN HOCHSCHULE DER POLIZEI Redaktion Prof. Dr. Dieter Müller, Hochschule der Sächsischen Polizei (FH), Rothen- burg/O. L. und Bad Dürrenberg (Schriftleitung) · Ltd. Kriminaldirektor a.D. Prof. Ralph Berthel, Frankenberg · Direktor beim Polizeipräsidenten a.D. Prof. Michael Knape, Fachhochschule der Polizei Brandenburg, Oranienburg · Heft 12/2021 · 112. Jahrgang · Seiten 513–560 Prof. Dr. Sabrina Schönrock, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin Aufsätze Einstellungen zur Corona-Krise in der sächsischen Polizei. Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung im Herbst 2020.1 von Dr. Christoph Meißelbach, Dr. Reinhold Melcher, Prof. Dr. Marcel Schöne und Prof. Dr. habil. Tom Thieme, Rothenburg/Oberlausitz* I. Die Befragung: Erkenntnisziele und Untersu- des Virus und den gesellschaftlichen sowie medialen Umgang chungsanlage mit der Pandemie? Wie stehen sie zu den Maßnahmen zur Als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie über Deutsch- Eindämmung des Infektionsgeschehens – einerseits persön- land hereinbrach, stellte das die Exekutivorgane des Landes lich sowie andererseits im Hinblick auf ihre Dienstaufgaben? vor nie dagewesene Herausforderungen. Und so wurde die Und wie hat sich all das auf ihre mentale Belastung und ihre Pandemie sowohl für die Polizei als Institution als auch für dienstliche Handlungssicherheit ausgewirkt? ihre Beschäftigten zu einer besonderen Bewährungsprobe. Die Organisation Polizei hatte sich samt ihren Führungskräf- Merkmal Ausprägung Grundge- Stichprobe ten und Bediensteten auf die Gegebenheiten einer massiven samtheit der der Befra- sächsischen gung Krise nicht nur in sehr kurzer Zeit einzustellen, sie prägte mit Polizei ihrem Handeln die einschneidende Veränderung der gesell- Geschlecht männlich 68,9 % 70,0 % schaftlichen Wirklichkeit zudem entscheidend mit. Zugleich erlebten die Beschäftigten diese Entwicklungen nicht nur als weiblich 31,1 % 30,0 % Angehörige der Polizei, sondern auch als Bürgerinnen und Alter unter 18 0,3 % 0,04 % Bürger eines demokratischen Staates. Sie entwickelten indivi- 18–24 9,7 % 6,1 % duelle Vorstellungen und Einstellungen zur gesellschaftlichen 25–34 21,8 % 21,6 % Relevanz des Virus sowie zu den politischen Maßnahmen im 35–44 23,4 % 29,5 % Rahmen der Pandemiebekämpfung. 45–59 38,7 % 39,6 % Diese Situation birgt Potenzial für erhebliche innere Span- 60 und älter 6,2 % 3,2 % nungen in der Organisation und bei ihren Angehörigen. Laufbahn- Laufbahngruppe 1 51,5 % 45,0 % Schließlich können Polizistinnen und Polizisten durchaus gruppe Laufbahngruppe 2 30,7 % 45,4 % sehr unterschiedliche politische Auffassungen zu jenen gel- tenden Regeln haben, welche sie im Rahmen ihrer Dienst- sonstige Bedienstete 17,8 % 9,6 % pflichten umzusetzen haben. Gerade unter den Bedingungen Tabelle 1: Soziodemographische Zusammensetzung von der Corona-Pandemie konnte diese Gemengelage Spreng- Grundgesamtheit und Stichprobe kraft entwickeln, zumal es an einschneidenden Beschrän- kungen von bisher als ganz selbstverständlich angesehenen Differenzierte Antworten auf diese Fragen bieten nun erst- Grundrechten mitzuwirken galt. Zudem gab es auch in der mals Daten aus einer Umfrage des Sächsischen Instituts für öffentlichen Debatte und selbst unter Experten unterschied- Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) unter den Beschäf- liche Auffassungen zur Angemessenheit solcher Maßnahmen. tigten der sächsischen Polizei. Die Datenerhebung erfolgte Und all dies stand im Kontext zunehmender Polarisierung vom 20. Oktober bis zum 17.11.2020 als anonyme Online- sowie Verschärfung politischer Auseinandersetzungen, die Umfrage. Insgesamt nahmen 2.829 der knapp 15.000 Be- konstruktiven gesellschaftlichen Dialog ebenso wie als legitim empfundenes Polizieren insgesamt zunehmend erschwert. 1 Dieser Beitrag ist ein überarbeiteter Auszug aus Meißelbach u.a. (2021). Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die persönli- * Dr. Christoph Meißelbach und Dr. Reinhold Melcher sind Wissenschaftliche chen Einstellungen zur Corona-Krise in der Polizei differen- Mitarbeiter am Sächsischen Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS). Prof. Dr. Marcel Schöne ist Direktor des SIPS und Professor für Kri- ziert zu untersuchen. Welche persönlichen Einstellungen und minologie an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH). Prof. Dr. Tom Sichtweisen prägen den Blick von Polizeibediensteten auf die Thieme ist stellvertretender Direktor des SIPS und Professor für Gesell- Pandemiebekämpfung? Wie bewerten sie die Gefährlichkeit schaftspolitische Bildung an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH). Die POLIZEI 12 · 2021 513
Aufsätze Meißelbach/Melcher/Schöne/Thieme · Einstellungen zur Corona-Krise ... schäftigten daran teil. Letztendlich konnten 2323 ausgefüllte fung mit. Zu der Frage, ob die zum Zeitpunkt der Befragung Fragebögen in der Auswertung berücksichtigt werden.2 Die im Herbst 2020 geltenden Maßnahmen angemessen waren, effektive Ausschöpfung beträgt somit 15 %. Dieser Wert liegt bietet sich unter den Befragten jedoch ein uneinheitliches zwar deutlich unterhalb der üblichen Rücklaufquoten bei Be- Stimmungsbild. Ein Drittel der Befragten gab an, die gelten- schäftigtenbefragungen. Dort können die Befragten jedoch den Maßnahmen seien »gerade richtig«. Ein weiteres knap- in der Regel persönlich per E-Mail kontaktiert und erinnert pes Drittel fand jedoch, die Maßnahmen »gehen zu weit«, werden. Im vorliegenden Fall war das aufgrund der hohen während ein Viertel fand, sie »gehen nicht weit genug«. Gut Datenschutzstandards zumal innerhalb der Polizei nicht um- jeder Zehnte gab zudem an, das nicht beurteilen zu können. setzbar. Stattdessen wurden zum einen mehrfach Aufrufe zur Teilnahme im Intranet der sächsischen Polizei veröffentlicht; Diese Meinungsvielfalt unter Bediensteten der sächsischen zum anderen erhielten die Leitungen aller sächsischen Poli- Polizei spiegelt im Wesentlichen jenes Spektrum von Sicht- zeidirektionen eine E-Mail mit der Bitte, den Aufruf an ihre weisen wider, welches sich im Befragungszeitraum auch in Untergebenen weiterzuleiten. Sachsen und der bundesdeutschen Öffentlichkeit zeigte.4 Letzteres verdeutlicht Abbildung 1. Sie offenbart darüber Dennoch bieten die Befragungsdaten eine robuste Grundlage hinaus, dass die Polarisierung zur Frage der Angemessenheit für Rückschlüsse von der Befragungsstichprobe auf die säch- der Maßnahmen in der sächsischen Polizei klar größer war sische Polizei als Ganzes. Wie Tabelle 1 zeigt, bildet die Stich- als in der Gesamtbevölkerung: Während über die Hälfte der probe die soziodemographische Struktur der Grundgesamtheit deutschlandweit Befragten die geltenden Maßnahmen für nach Alter, Geschlecht und Laufbahngruppe ziemlich gut ab. »angemessen« bzw. »gerade richtig so« hielten, tat dies nur Einige Verzerrungen der Stichprobe waren zwar schon auf- ein Drittel der sächsischen Polizeibediensteten. Folgerichtig grund von unterschiedlich hohen Teilnahmehürden der ver- war in der Polizei einesteils der Anteil derer im Vergleich zur schiedenen Dienstbereiche nicht gänzlich zu vermeiden. Bspw. Gesamtbevölkerung besonders hoch, welchen die Maßnah- hatten Bedienstete mit häufigem dienstlichem Internetzugang men nicht weit genug gingen. Andernteils war vor allem die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu gelan- Ansicht, die Corona-Maßnahmen gingen zu weit, unter den gen. Solche Stichprobenverzerrungen konnten jedoch außer Befragten der sächsischen Polizei augenscheinlich weiter ver- im Fall von Verwaltungsbeamten und Tarifbeschäftigten mit breitet als in der Bevölkerung. Allerdings ist bei solchen ver- Anpassungsgewichten auf der Grundlage der objektiven Daten gleichenden Analysen im Hinterkopf zu behalten, dass die zur soziodemographischen Zusammensetzung der sächsischen Einstellungen zu diesem Thema über die Zeit stark variieren, Polizei weitgehend ausgeglichen werden. Nicht zuletzt wurden zumal sich auch die Maßnahmenlage immer wieder ändert. dennoch zu befürchtende Verzerrungen bei der Interpretation der Befunde berücksichtigt, und wo immer das möglich war, wurden die eigenen Ergebnisse zudem mit anderen Studien abgeglichen. Auch ausweislich der durchweg plausiblen Be- 2 Der Datensatz wurde um Daten aus Fragebögen bereinigt, die zu weniger als 75 % oder in einer unrealistisch kurzen Zeit (hier: weniger als vierein- funde ist deshalb davon auszugehen, dass die gefundenen Ein- halb Minuten) ausgefüllt worden waren. stellungsmuster und Häufigkeitsverteilungen so auch in der 3 Für detaillierte Informationen zum methodischen Vorgehen siehe Meißel- Grundgesamtheit der sächsischen Polizei vorliegen.3 bach u.a. (2021). 4 Für Sachsen liegen nur Daten vor, die zu den in Abbildung 1 gezeigten Be- II. Die Befunde: Persönliche Einstellungen zu funden zwar gut passen, wegen einer anders formulierten Fragestellung aber Coronavirus und Pandemiebekämpfung nicht unmittelbar vergleichbar sind: In einer Umfrage von INSA (2020) Anfang November 2020 hielten 38 % der befragten Sachsen die geltenden 1. Persönliche Einstellungen: Coronavirus und Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen in Anbetracht der Infektionszah- len für »insgesamt angemessen«. Weitere 16 % waren der Ansicht, sie seien Pandemiebekämpfung »insgesamt überzogen«, während 28 % nur »manche« der Maßnahmen in Fast alle Beschäftigten der Polizei wirken direkt oder indirekt Anbetracht der Zahlen als überzogen empfanden; 13 % fanden, die Maß- an der Durchsetzung der Maßnahmen zur Pandemiebekämp- nahmen »sollten verschärft werden«. Einstellungen zu den Corona-Maßnahmen im Vergleich »Sind die geltenden Corona-Maßnahmen in Sachsen/Deutschland alles in allem ausreichend/angemessen, gehen sie zu weit oder gehen sie nicht weit genug?« Beschäftigtenbefragung in der sächsischen Polizei 25% 32% 31% 12% (20.10.-17.11.2020) Deutschlandweite Bevölkerungsumfrage von 16% 56% 24% 4% infratest dimap (2020c) (02.-04.11.2020) Deutschlandweite Bevölkerungsumfrage von 27% 59% 11% 3% infratest dimap (2020b) (22.-24.10.2020) 0% 25% 50% 75% 100% gehen nicht weit genug gerade richtig/ gehen zu weit weiß nicht/keine Angabe angemessen Abbildung 1: Die Darstellung basiert auf den Angaben von 2323, 1002 bzw. 1004 Personen. Quelle: eigene Darstellung. 514 Die POLIZEI 12 · 2021
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