RAUBFISCH-PRAXIS - Martin Friedrichs
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
PRAXIS RAUBFISCH-PRAXIS Wels- Wahrheiten Ultimativer Zielfisch oder unheilvolle Fressmaschine? Die Meinungen der Angler über den Wels gehen weit auseinander. Martin Friedrichs hat sich einige wissenschaftliche Studien zu dem Thema angeschaut. 34 RAUBFISCH 02/2019
Fotos: T. Seufert (1), A. Funk (1), S. Seuß (1), R. Kohring (1), M. Roggo (1), Shutterstock (1) Welse sind zweifelsfrei in der Lage, sich auf ganz bestimmte Beutetiere zu spezialisieren. K aum eine Fischart wird so kontrovers diskutiert wie der Dnieper und Wolga. Somit zählt auch Deutschland, zumindest Wels. Für etliche Raubfischangler zählt er zu den größ- teilweise, zu seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet. In ten Herausforderungen, während andere Angler ihn als Elbe und Donau ist die Art als heimisch anerkannt, im Rhein eine gebietsfremde Fressmaschine verteufeln, die an- zum Beispiel sieht das ganz anders aus. Dort gilt sie als ge- dere Fischarten in ihrer Existenz bedroht. Doch was steckt bietsfremd, auch invasiv genannt. Die vielen, teilweise sehr dahinter? Sicher ist, dass sich die Fänge von Zwei-Meter-Wel- kleinen Gewässer, in denen zunehmend Welse auftauchen, sen auch in Deutschland immer mehr häufen und immer neue zählen aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht zum natür- Gewässer zur Heimat dieser Fischart werden. lichen Verbreitungsgebiet. Seine evolutionären Wurzeln hat der Wels (Silurus glanis) in Wie rasant der Wels es schafft, ganze Ökosysteme zu erobern, Asien. Von hier aus breitete er sich in Richtung Westen aus. sieht man besonders deutlich in Spanien. Hier hat sich der Im Wesentlichen nutzte er dafür die großen Flüsse Donau, Räuber innerhalb weniger Jahre im ganzen Land verbreitet, RAUBFISCH 02/2019 35
PRAXIS mit teilweise dramatischen Folgen. Auf der iberischen Halbinsel waren die Fisch- gemeinschaften nicht auf einen großen Raubfisch eingestellt. Die dortigen natür- lichen Fischgemeinschaften sind durch eher kleinere Weißfischarten gekennzeich- net. Ein Paradies für Welse, und der Ver- gleich mit dem Fuchs im Hühnerstall Man kann sich natürlich fragen, ob die Verbreitung des Welses innerhalb von Deutschland ähnliche Folgen haben kann. Sicher weiß das niemand, aber man kann sich die Biologie der Fische genauer an- schauen. Im Vergleich zum Hecht oder Zander ist in denen der Wels eingebracht wurde, konnte er sich erfolgreich etablieren und vermehren. Generell geht man davon aus, dass er ein eher unspezifischer Räuber ist. Insgesamt wurden circa 50 verschiedene Fischarten in Mägen von Welsen nachge- wiesen. Dabei hat es kaum eine Rolle ge- spielt, ob es sich bei der Beute um hei- drängt sich auf. das Beutespektrum des Welses wesentlich mische oder ebenfalls invasive Fischarten größer - vermutlich auch ein Grund, wa- handelte. Versuche haben aber auch ge- rum er als invasive Art so erfolgreich ist. In zeigt, dass es Präferenzen für Rotfedern, sechs von sieben europäischen Ländern, Bitterlinge und Rapfen im Beutespektrum des Welses gibt. Körpergröße und Kampfkraft machen den Wels für etliche Raubfischangler zu einem attraktiven Zielfisch. 36 RAUBFISCH 02/2019
In Bezug auf Beute, haben insbesondere die „Tauben-Welse“ auf sich aufmerksam gemacht. Im Fluss Tarn in der südfranzö- sischen Stadt Albi - auch hier ist der Wels invasiv - hat sich eine Population von Wel- sen darauf spezialisiert, Tauben zu jagen, und zwar an Land. Die Welse pirschen sich gezielt an und stranden dann kurzzeitig, um an der Uferlinie trinkende Tauben zu erbeuten. Auch von Hechten weiß man, dass sie immer wieder kleinere Wasservö- gel attackieren, aber dass ein Fisch stran- det, um Beute zu machen, ist schon sehr außergewöhnlich. NAHRUNGSSPEZIALISTEN Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Welse nicht nur Wasservögel, son- dern eben auch andere Vögel regelmäßig auf dem Speiseplan haben. Dazu kommen kleinere Säugetiere. Diese Spezialisierung der Räuber auf eine ganz bestimmte Beu- te kann nun auch in Bezug auf die Wieder- ansiedlung des Lachses zu einem echten Problem werden. Für den Fluss Garonne im Südwesten Frank- reichs konnte gezeigt werden, dass Welse dort ihre Wanderungen mit den Laichwan- Bei diesem 89 Zentimeter langen Lachsrogner verrät die halbkreisförmige derungen von Lachsen synchronisiert ha- Bissspur einen Wels als Übeltäter. ben. Sie ziehen zur gleichen Zeit wie die Salmoniden flussauf, um dann innerhalb von Fischtreppen gezielt Jagd auf die Lachse zu machen. Das ist eine der ersten die sich davon ernähren, und die können ne invasive Art mit einer anderen zu kon- Studien dieser Art, und es bleibt offen, ob so möglicherweise ein echtes Problem für trollieren, bleibt aber sicher fraglich. das ein Einzelfall ist oder ob Welse wirklich die Barschbestände werden. sehr schnell lernen, wo und wann sie am Die schnelle Verbreitung des Welses in einfachsten Beute machen können. Ein ganz anderes Problem, und ein viel BEI UNS KEIN REGULATOR den großen französischen, spanischen und teilweise deutschen Flüssen, wäre oh- ne Zutun des Menschen kaum möglich ge- greifbareres für viele deutsche Gewässer, Allerdings sollte auch nicht unerwähnt wesen. Der Mensch verändert Ökosysteme hat eine weitere Studie aufgezeigt. Dabei bleiben, dass die Wissenschaft bisher da- so nachhaltig, dass ursprünglich sehr gut geht es um Barsche, und speziell um deren von ausgeht, dass der Einfluss des Welses angepasste Arten eben nicht mehr zu hun- Laich. Der Laich von Barschen ist eigent- auf Fischartengemeinschaften, die an das dert Prozent in diese veränderten Lebens- lich ziemlich robust. Weder Fische noch Vorkommen von Räubern angepasst sind, räume passen. Das schafft Freiräume für Wasserinsekten können mit diesem Materi- eher als gering einzuschätzen ist. Das ist neue Arten, wie eben den Wels. al als Nahrungsquelle viel anfangen. Daher beispielsweise bei uns in Deutschland der ging man eigentlich auch davon aus, dass Fall. Hechte wirken hier von jeher als Räu- Einem aktuellen Report des WWF zufolge, der Fraßdruck auf Barschlaich in Bezug ber auf die Weißfischbestände in nahezu gehören Binnengewässer zu den Lebens- auf die Bestandsentwicklung der Fische allen Gewässern. Daher wird auch davon räumen weltweit, in denen am meisten Ar- zu vernachlässigen ist. Allerdings haben abgeraten, den Wels als Top-Prädator ein- ten aussterben und in denen die Populati- Wissenschaftler aus Tschechien immer zusetzen, um Weißfischbestände zu regu- onsgrößen der vorkommenden Arten am wieder Barschlaich in den Mägen von Wel- lieren. Man geht allerdings davon aus, dass dramatischsten abnehmen. Die Folge ist, sen gefunden. Untersuchungen an ver- der Wels in Einzelfällen dazu beitragen dass sich invasive Arten umso einfacher in schiedenen Seen haben nun gezeigt, dass kann, andere invasive Arten, wie Krebse diesen geschädigten Ökosystemen etablie- Barschlaich regelmäßig von Welsen gefres- oder Grundeln, zumindest teilweise unter ren und ausbreiten können. sen wurde. Meist sind es kleinere Welse, Kontrolle zu halten. Wie sinnvoll es ist, ei- RAUBFISCH 02/2019 37
PRAXIS FASZINATION IST VERSTÄNDLICH Auch in Deutschland sind viele Fließgewäs- ser extrem verbaut, und dieser naturferne Zustand bietet auch gebietsfremden Arten bessere Möglichlichkeiten sich zu verbrei- ten. Beispiele sind hier die verschiedenen Schwarzmeergrundeln oder eben auch der Wels im Rhein. Auf lange Sicht bedeutet das wiederum, dass unsere Binnengewäs- ser möglicherweise immer gleichförmiger in ihrer Artzusammensetzung werden. Diese sogenannte Homogenisierung von Fischartengemeinschaften ist mittlerwei- le ein globales Problem. Neben dieser eher indirekten Ausbrei- Auch bei diesem Lachs hat eindeutig ein Wels zugebissen. tungshilfe, haben besonders in Spanien und Frankreich Angler aktiv Welse in di- verse Gewässer eingebracht. Eine Ursache dafür ist sicher die Faszination, die von gen von zwei Metern und mehr gehören Der Fisch war 273 Zentimeter lang und diesem Fisch ausgeht. Die Kampfkraft und immer mehr zum Alltag, auch in den deut- 130 Kilogramm schwer. Aus dem Fluss Po Größe dieser Räuber sucht, nachdem viele schen Gewässern. ist ein Fisch bekannt mit 267 Zentimetern Störarten vom Aussterben bedroht oder und 127 Kilogramm Gewicht und aus dem bereits ausgestorben sind, in heutigen Europas größter bisher bestätigter Wels Ebro in Spanien immerhin ein Fisch mit Gewässern ihresgleichen. Welse mit Län- stammt aus der Rhone in Frankreich. 258 Zentimetern Länge und ebenfalls 127 Wels und Wandermuschel (Dreissena polymorpha), FISCH & FANG-Autor Michel Roggo hat am Grund der Aare gleich zwei invasive Arten entdeckt. Die Aare ist der wasserreichste Nebenfluss des Rheins in der Schweiz. 38 RAUBFISCH 02/2019
Weißfische werden gern ge- nommen, dennoch ist der Wels- besatz bei uns kein geeignetes Mittel, um große Bestände zu regulieren. Kilogramm. Auch wenn das schon sehr beein- Gewässern gesammelt. Das Ergebnis zeigte, druckende Zahlen sind, hört man häufig Er- dass ein fünf Meter langer Wels circa 800 Kilo- zählungen von Welsen, die noch weitaus grö- gramm wiegen müsste, umgekehrt wäre ein ßer sind. Fisch mit 300 Kilogramm „nur“ 370 Zentime- ter lang. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, Eine der bekanntesten Geschichten handelt dass es sich bei dem Fisch mit sehr hoher von einem angeblich fünf Meter langen und Wahrscheinlichkeit nicht um einen Wels han- 300 Kilogramm schweren Fisch aus dem delt. Dnieper in der Ukraine. Allerdings haben Wis- senschaftler in einer kürzlich veröffentlichten Auch wenn Welse vielleicht keine fünf Meter Studie zeigen können, dass es sich bei diesem lang werden können, bleiben sie doch beein- Fisch sehr wahrscheinlich um einen Stör han- druckende Kreaturen, die uns Angler häufig delt. Da die Originalaufnahme des Tieres keine in ihren Bann ziehen. Bei all der Faszination eindeutigen Schlüsse zuließ, haben die Wissen- sollte man allerdings auch immer den Einfluss schaftler Gewichts- und Größenangaben von eines solchen Tieres auf das Ökosystem im Welsen aus verschiedensten europäischen Auge haben. ZUM NACHLESEN Bouletreau, S., Gaillagot, A., Carry, Cucherousset, J., Bouletreau, S., L., Tetard, S., De Oliveira, E., & San- Azemar, F., Compin, A., Guillaume, toul, F. (2018). Adult Atlantic sal- M., & Santoul, F. (2012). „Freshwater mon have a new freshwater preda- killer whales“: beaching behavior of tor. PloS ONE, 13(4), e0196046. an alien fish to hunt land birds. PloS doi:10.1371/journal.pone.0196046 ONE, 7(12), e50840. doi:10.1371/ Carol, J., Benejam, L., Benito, J., & journal.pone.0050840 García-Berthou, E. (2009). Growth Syväranta, J., Cucherousset, J., and diet of European catfish (Silur- Kopp, D., Crivelli, A., Céréghino, R., us glanis) in early and late invasion & Santoul, F. (2010). Dietary breadth stages. Fundamental and Applied and trophic position of introduced Limnology / Archiv für Hydrobio- European catfish Silurus glanis in logie, 174(4), 317-328. doi:10.1127/ the River Tarn (Garonne River ba- 1863-9135/2009/0174-0317 sin), southwest France. Aquatic Bio- Copp, G. H., Robert Britton, J., Cu- logy, 8, 137-144. doi:10.3354/ cherousset, J., García-Berthou, E., ab00220 Kirk, R., Peeler, E., et al. (2009). Vejrik, L., Vejrikova, I., Kocvara, L., Voracious invader or benign feline? Sajdlova, Z., Hoang The, S. C., Smej- A review of the environmental biolo- kal, M., et al. (2017). Thirty-Year-Old gy of European catfishSilurus glani- Paradigm about Unpalatable Perch sin its native and introduced ranges. Egg Strands Disclaimed by the Fish and Fisheries, 10(3), 252-282. Freshwater Top-Predator, the Euro- doi:10.1111/j.1467-2979.2008.00321.x pean Catfish (Silurus glanis). PloS
Sie können auch lesen