RAUBFISCH-PRAXIS - Martin Friedrichs

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RAUBFISCH-PRAXIS - Martin Friedrichs
PRAXIS  RAUBFISCH-PRAXIS

       Wels-
 Wahrheiten
       Ultimativer Zielfisch oder unheilvolle Fressmaschine? Die Meinungen der Angler über den Wels
       gehen weit auseinander. Martin Friedrichs hat sich einige wissenschaftliche Studien zu
       dem Thema angeschaut.

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RAUBFISCH-PRAXIS - Martin Friedrichs
Fotos: T. Seufert (1), A. Funk (1), S. Seuß (1), R. Kohring (1), M. Roggo (1), Shutterstock (1)
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                                                                                             sich auf ganz bestimmte Beutetiere
                                                                                                                zu spezialisieren.

K
      aum eine Fischart wird so kontrovers diskutiert wie der   Dnieper und Wolga. Somit zählt auch Deutschland, zumindest
      Wels. Für etliche Raubfischangler zählt er zu den größ-   teilweise, zu seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet. In
      ten Herausforderungen, während andere Angler ihn als      Elbe und Donau ist die Art als heimisch anerkannt, im Rhein
      eine gebietsfremde Fressmaschine verteufeln, die an-      zum Beispiel sieht das ganz anders aus. Dort gilt sie als ge-
dere Fischarten in ihrer Existenz bedroht. Doch was steckt      bietsfremd, auch invasiv genannt. Die vielen, teilweise sehr
dahinter? Sicher ist, dass sich die Fänge von Zwei-Meter-Wel-   kleinen Gewässer, in denen zunehmend Welse auftauchen,
sen auch in Deutschland immer mehr häufen und immer neue        zählen aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht zum natür-
Gewässer zur Heimat dieser Fischart werden.                     lichen Verbreitungsgebiet.

Seine evolutionären Wurzeln hat der Wels (Silurus glanis) in    Wie rasant der Wels es schafft, ganze Ökosysteme zu erobern,
Asien. Von hier aus breitete er sich in Richtung Westen aus.    sieht man besonders deutlich in Spanien. Hier hat sich der
Im Wesentlichen nutzte er dafür die großen Flüsse Donau,        Räuber innerhalb weniger Jahre im ganzen Land verbreitet,

                                                                                                                      RAUBFISCH 02/2019   35
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     mit teilweise dramatischen Folgen. Auf
     der iberischen Halbinsel waren die Fisch-
     gemeinschaften nicht auf einen großen
     Raubfisch eingestellt. Die dortigen natür-
     lichen Fischgemeinschaften sind durch
     eher kleinere Weißfischarten gekennzeich-
     net. Ein Paradies für Welse, und der Ver-
     gleich mit dem Fuchs im Hühnerstall
                                                  Man kann sich natürlich fragen, ob die
                                                  Verbreitung des Welses innerhalb von
                                                  Deutschland ähnliche Folgen haben kann.
                                                  Sicher weiß das niemand, aber man kann
                                                  sich die Biologie der Fische genauer an-
                                                  schauen.

                                                  Im Vergleich zum Hecht oder Zander ist
                                                                                                   in denen der Wels eingebracht wurde,
                                                                                                   konnte er sich erfolgreich etablieren und
                                                                                                   vermehren. Generell geht man davon aus,
                                                                                                   dass er ein eher unspezifischer Räuber ist.
                                                                                                   Insgesamt wurden circa 50 verschiedene
                                                                                                   Fischarten in Mägen von Welsen nachge-
                                                                                                   wiesen. Dabei hat es kaum eine Rolle ge-
                                                                                                   spielt, ob es sich bei der Beute um hei-
     drängt sich auf.                             das Beutespektrum des Welses wesentlich          mische oder ebenfalls invasive Fischarten
                                                  größer - vermutlich auch ein Grund, wa-          handelte. Versuche haben aber auch ge-
                                                  rum er als invasive Art so erfolgreich ist. In   zeigt, dass es Präferenzen für Rotfedern,
                                                  sechs von sieben europäischen Ländern,           Bitterlinge und Rapfen im Beutespektrum
                                                                                                   des Welses gibt.

                                                                                  Körpergröße und Kampfkraft machen
                                                                                   den Wels für etliche Raubfischangler
                                                                                        zu einem attraktiven Zielfisch.

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In Bezug auf Beute, haben insbesondere
die „Tauben-Welse“ auf sich aufmerksam
gemacht. Im Fluss Tarn in der südfranzö-
sischen Stadt Albi - auch hier ist der Wels
invasiv - hat sich eine Population von Wel-
sen darauf spezialisiert, Tauben zu jagen,
und zwar an Land. Die Welse pirschen sich
gezielt an und stranden dann kurzzeitig,
um an der Uferlinie trinkende Tauben zu
erbeuten. Auch von Hechten weiß man,
dass sie immer wieder kleinere Wasservö-
gel attackieren, aber dass ein Fisch stran-
det, um Beute zu machen, ist schon sehr
außergewöhnlich.

NAHRUNGSSPEZIALISTEN
Wissenschaftliche Untersuchungen weisen
darauf hin, dass es sehr wahrscheinlich ist,
dass Welse nicht nur Wasservögel, son-
dern eben auch andere Vögel regelmäßig
auf dem Speiseplan haben. Dazu kommen
kleinere Säugetiere. Diese Spezialisierung
der Räuber auf eine ganz bestimmte Beu-
te kann nun auch in Bezug auf die Wieder-
ansiedlung des Lachses zu einem echten
Problem werden.

Für den Fluss Garonne im Südwesten Frank-
reichs konnte gezeigt werden, dass Welse
dort ihre Wanderungen mit den Laichwan-            Bei diesem 89 Zentimeter langen Lachsrogner verrät die halbkreisförmige
derungen von Lachsen synchronisiert ha-            Bissspur einen Wels als Übeltäter.
ben. Sie ziehen zur gleichen Zeit wie die
Salmoniden flussauf, um dann innerhalb
von Fischtreppen gezielt Jagd auf die
Lachse zu machen. Das ist eine der ersten       die sich davon ernähren, und die können         ne invasive Art mit einer anderen zu kon-
Studien dieser Art, und es bleibt offen, ob     so möglicherweise ein echtes Problem für        trollieren, bleibt aber sicher fraglich.
das ein Einzelfall ist oder ob Welse wirklich   die Barschbestände werden.
sehr schnell lernen, wo und wann sie am                                                         Die schnelle Verbreitung des Welses in
einfachsten Beute machen können.

Ein ganz anderes Problem, und ein viel
                                                BEI UNS KEIN REGULATOR                          den großen französischen, spanischen
                                                                                                und teilweise deutschen Flüssen, wäre oh-
                                                                                                ne Zutun des Menschen kaum möglich ge-
greifbareres für viele deutsche Gewässer,       Allerdings sollte auch nicht unerwähnt          wesen. Der Mensch verändert Ökosysteme
hat eine weitere Studie aufgezeigt. Dabei       bleiben, dass die Wissenschaft bisher da-       so nachhaltig, dass ursprünglich sehr gut
geht es um Barsche, und speziell um deren       von ausgeht, dass der Einfluss des Welses       angepasste Arten eben nicht mehr zu hun-
Laich. Der Laich von Barschen ist eigent-       auf Fischartengemeinschaften, die an das        dert Prozent in diese veränderten Lebens-
lich ziemlich robust. Weder Fische noch         Vorkommen von Räubern angepasst sind,           räume passen. Das schafft Freiräume für
Wasserinsekten können mit diesem Materi-        eher als gering einzuschätzen ist. Das ist      neue Arten, wie eben den Wels.
al als Nahrungsquelle viel anfangen. Daher      beispielsweise bei uns in Deutschland der
ging man eigentlich auch davon aus, dass        Fall. Hechte wirken hier von jeher als Räu-     Einem aktuellen Report des WWF zufolge,
der Fraßdruck auf Barschlaich in Bezug          ber auf die Weißfischbestände in nahezu         gehören Binnengewässer zu den Lebens-
auf die Bestandsentwicklung der Fische          allen Gewässern. Daher wird auch davon          räumen weltweit, in denen am meisten Ar-
zu vernachlässigen ist. Allerdings haben        abgeraten, den Wels als Top-Prädator ein-       ten aussterben und in denen die Populati-
Wissenschaftler aus Tschechien immer            zusetzen, um Weißfischbestände zu regu-         onsgrößen der vorkommenden Arten am
wieder Barschlaich in den Mägen von Wel-        lieren. Man geht allerdings davon aus, dass     dramatischsten abnehmen. Die Folge ist,
sen gefunden. Untersuchungen an ver-            der Wels in Einzelfällen dazu beitragen         dass sich invasive Arten umso einfacher in
schiedenen Seen haben nun gezeigt, dass         kann, andere invasive Arten, wie Krebse         diesen geschädigten Ökosystemen etablie-
Barschlaich regelmäßig von Welsen gefres-       oder Grundeln, zumindest teilweise unter        ren und ausbreiten können.
sen wurde. Meist sind es kleinere Welse,        Kontrolle zu halten. Wie sinnvoll es ist, ei-

                                                                                                                             RAUBFISCH 02/2019   37
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     FASZINATION IST
     VERSTÄNDLICH
     Auch in Deutschland sind viele Fließgewäs-
     ser extrem verbaut, und dieser naturferne
     Zustand bietet auch gebietsfremden Arten
     bessere Möglichlichkeiten sich zu verbrei-
     ten. Beispiele sind hier die verschiedenen
     Schwarzmeergrundeln oder eben auch der
     Wels im Rhein. Auf lange Sicht bedeutet
     das wiederum, dass unsere Binnengewäs-
     ser möglicherweise immer gleichförmiger
     in ihrer Artzusammensetzung werden.
     Diese sogenannte Homogenisierung von
     Fischartengemeinschaften ist mittlerwei-
     le ein globales Problem.

     Neben dieser eher indirekten Ausbrei-           Auch bei diesem Lachs hat eindeutig ein Wels zugebissen.
     tungshilfe, haben besonders in Spanien
     und Frankreich Angler aktiv Welse in di-
     verse Gewässer eingebracht. Eine Ursache
     dafür ist sicher die Faszination, die von    gen von zwei Metern und mehr gehören         Der Fisch war 273 Zentimeter lang und
     diesem Fisch ausgeht. Die Kampfkraft und     immer mehr zum Alltag, auch in den deut-     130 Kilogramm schwer. Aus dem Fluss Po
     Größe dieser Räuber sucht, nachdem viele     schen Gewässern.                             ist ein Fisch bekannt mit 267 Zentimetern
     Störarten vom Aussterben bedroht oder                                                     und 127 Kilogramm Gewicht und aus dem
     bereits ausgestorben sind, in heutigen       Europas größter bisher bestätigter Wels      Ebro in Spanien immerhin ein Fisch mit
     Gewässern ihresgleichen. Welse mit Län-      stammt aus der Rhone in Frankreich.          258 Zentimetern Länge und ebenfalls 127

     Wels und Wandermuschel (Dreissena
     polymorpha), FISCH & FANG-Autor Michel
     Roggo hat am Grund der Aare gleich zwei
     invasive Arten entdeckt. Die Aare ist der
     wasserreichste Nebenfluss des Rheins
     in der Schweiz.

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Weißfische werden gern ge-
   nommen, dennoch ist der Wels-
   besatz bei uns kein geeignetes
   Mittel, um große Bestände zu
   regulieren.

Kilogramm. Auch wenn das schon sehr beein-            Gewässern gesammelt. Das Ergebnis zeigte,
druckende Zahlen sind, hört man häufig Er-            dass ein fünf Meter langer Wels circa 800 Kilo-
zählungen von Welsen, die noch weitaus grö-           gramm wiegen müsste, umgekehrt wäre ein
ßer sind.                                             Fisch mit 300 Kilogramm „nur“ 370 Zentime-
                                                      ter lang. Diese Ergebnisse deuten darauf hin,
Eine der bekanntesten Geschichten handelt             dass es sich bei dem Fisch mit sehr hoher
von einem angeblich fünf Meter langen und             Wahrscheinlichkeit nicht um einen Wels han-
300 Kilogramm schweren Fisch aus dem                  delt.
Dnieper in der Ukraine. Allerdings haben Wis-
senschaftler in einer kürzlich veröffentlichten       Auch wenn Welse vielleicht keine fünf Meter
Studie zeigen können, dass es sich bei diesem         lang werden können, bleiben sie doch beein-
Fisch sehr wahrscheinlich um einen Stör han-          druckende Kreaturen, die uns Angler häufig
delt. Da die Originalaufnahme des Tieres keine        in ihren Bann ziehen. Bei all der Faszination
eindeutigen Schlüsse zuließ, haben die Wissen-        sollte man allerdings auch immer den Einfluss
schaftler Gewichts- und Größenangaben von             eines solchen Tieres auf das Ökosystem im
Welsen aus verschiedensten europäischen               Auge haben.
ZUM NACHLESEN

                Bouletreau, S., Gaillagot, A., Carry,      Cucherousset, J., Bouletreau, S.,
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