Rauchen und psychiatrische Erkrankungen: Ein Überblick - www.kup.at/ - Krause ...

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Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Rauchen und psychiatrische
                                                                               Homepage:
Erkrankungen: Ein Überblick
                                                                       www.kup.at/
Winterer C                                                       JNeurolNeurochirPsychiatr

Journal für Neurologie                                                 Online-Datenbank
                                                                         mit Autoren-
Neurochirurgie und Psychiatrie
                                                                      und Stichwortsuche
2013; 14 (3), 119-125

                                                                                            Indexed in
                                                               EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS

 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz
 P.b.b. 02Z031117M,            Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21           Preis : EUR 10,–
Unsere Räucherkegel fertigen wir aus den feinsten Kräutern und
Hölzern, vermischt mit dem wohlriechenden Harz der Schwarzföhre,
ihrem »Pech«. Vieles sammeln wir wild in den Wiesen und Wäldern
unseres Bio-Bauernhofes am Fuß der Hohen Wand, manches bauen wir
eigens an. Für unsere Räucherkegel verwenden wir reine Holzkohle aus
traditioneller österreichischer Köhlerei.

»Eure Räucherkegel sind einfach wunderbar.
 Bessere Räucherkegel als Eure sind mir nicht bekannt.«
– Wolf-Dieter Storl
                                                    e tis c h

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»Feines Räucherwerk
         aus dem              «

                                                                       www.waldweihrauch.at
Rauchen und psychiatrische Erkrankungen

               Rauchen und psychiatrische Erkrankungen:
                            Ein Überblick
                                                                           G. Winterer

   Kurzfassung: Bei 1/4 –1/3 aller nikotinab-             kurzer Überblick zum gegenwärtigen Wis-               tine-dependent smokers from the general
   hängigen Personen besteht gleichzeitig eine            sensstand vermittelt.                                 population and patients primarily referred to
   psychiatrische Störung. Dieses Faktum bleibt                                                                 treatment because of another psychiatric di-
   bis heute häufig unberücksichtigt – und zwar           Schlüsselwörter:      Rauchen,     Nikotin-           agnosis. Since the medical relevance of this
   sowohl in der Forschung als auch bei der Be-           abhängigkeit, psychiatrische Komorbidität,            particular comorbidity is increasingly ac-
   handlung von nikotinabhängigen Rauchern                Epidemiologie, Neurobiologie, Therapie                knowledged, we provide a short review of the
   aus der Allgemeinbevölkerung und von Pati-                                                                   current knowledge on this topic. J Neurol
   enten, die primär wegen einer psychiatri-              Abstract: Smoking and Psychiatric Dis-                Neurochir Psychiatr 2013; 14 (3): 119–25.
   schen Störung behandelt werden. Aufgrund               orders: An Overview. It is a fact that psy-
   der zunehmend erkannten medizinischen Re-              chiatric comorbidity is present in 1/4 –1/3 of all    Key words: smoking, nicotine dependence,
   levanz der Komorbidität von Nikotinabhän-              nicotine-dependent individuals. Until very re-        psychiatric comorbidity, epidemiology, neuro-
   gigkeit und anderweitigen psychiatrischen              cently, this fact was largely neglected both in       biology, treatment
   Störungen wird in dieser Übersichtsarbeit ein          research as well as in the treatment of nico-

 Rauchen und psychiatrische Diagnose:                                               valenz der Nikotinabhängigkeit besonders hoch und liegt bei
  Epidemiologie                                                                      ca. 60 % für Patienten mit affektiven Störungen bzw. bei 60–
                                                                                     90 % für Patienten mit schizophrener Erkrankung, während
Der Konsum von Tabak ist der wichtigste vermeidbare Grund                            sie in der Allgemeinbevölkerung mit 30 % vergleichsweise
für Krankheit und Tod. Nach Schätzungen der Welt-                                    niedrig ist [4–6].
gesundheitsorganisation (WHO) werden in den kommenden
25 Jahren etwa 150 Millionen Menschen weltweit aufgrund                              Umgekehrt besteht bei der Gesamtheit aller Raucher ein 3-
ihres Tabakkonsums sterben. Die weit überwiegende Zahl                               fach erhöhtes Risiko, im Laufe des Lebens an einer
von Rauchern betreibt einen täglichen Tabakkonsum mit                                depressiven Störung zu erkranken, d. h. die Lebenszeit-
physischer Abhängigkeit von Nikotin – der primär süchtig                             prävalenz einer depressiven Störung ist bei Rauchern etwa
machenden Substanz in der Zigarette [1]. Aus diesem Grund                            30–60 % [7]. Klinisch bedeutsam ist in diesem Zusammen-
werden die Begriffe Nikotinabhängigkeit und Tabakabhän-                              hang, dass ca. 10–20 % aller Raucher während einer 12-
gigkeit auch häufig synonym verwendet. In der Internatio-                            monatigen Abstinenz eine depressive Störung entwickeln,
nalen Klassifikation Psychischer Störungen (ICD-10) wird                             davon der überwiegende Teil während der ersten 3 Monate
allerdings gegenüber dem Diagnostic and Statistical Manual                           nach Beendigung des Nikotinkonsums. Dies betrifft offenbar
of Mental Disorders (DSM-IV) der Begriff der Tabak-                                  v. a. Personen, die sehr früh (< 15 Jahre) mit dem Rauchen
abhängigkeit bevorzugt, u. a. da psychosoziale Faktoren im                           begonnen haben (2-faches Risiko) [8]. Anders ausgedrückt:
Rahmen der Abhängigkeitserkrankung zu berücksichtigen                                Rauchen ist ein Prädiktor für Depression und umgekehrt, wie
sind [2] und zudem im Tabak > 4000 chemische Substanzen                              in einer kürzlich erschienenen systematischen Übersichts-
enthalten sind, deren Relevanz für die Entwicklung der                               arbeit longitudinaler Studien von nicht-klinischen Jugendli-
Tabakabhängigkeit im Einzelnen noch nicht geklärt ist.                               chen eindrücklich gezeigt werden konnte [9].

Basierend auf Schätzungen des „National Epidemiologic                                Damit vergesellschaftet ist ein höheres Suizidrisiko. Bekannt
Survey on Alcohol and Related Conditions“ in den USA (US-                            ist, dass bei Personen mit psychiatrischen Erkrankungen, wie
NESARC) ist davon auszugehen, dass etwa 1/4 –1/3 aller Perso-                        der Depression oder der Schizophrenie, ein erhöhtes Suizid-
nen mit Nikotinabhängigkeit gleichzeitig eine psychiatrische                         risiko besteht. Suizidalität stellt selbst eine psychiatrische
Diagnose aufweisen [3]. Ein weiteres Ergebnis dieser Umfra-                          Störung dar. Bei Rauchern finden sich häufiger Suizid-
ge war, dass psychiatrische Patienten vergleichsweise starke                         gedanken oder -versuche (Odds Ratio [OR]: 1,82; 95 %-
Raucher sind. Während lediglich 7 % aller befragten Perso-                           Konfidenzintervall [CI]: 1,22–2,69), selbst noch wenn de-
nen eine psychiatrische Diagnose angaben, konsumierte diese                          pressive Symptome oder anderweitiger Substanzmissbrauch
Gruppe 34 % aller in den USA verkauften Zigaretten. Bei be-                          als Kovariaten berücksichtigt werden [10]. In einer prospekti-
stimmten Gruppen psychiatrischer Patienten ist dabei die Prä-                        ven Studie mit Jugendlichen konnte außerdem gezeigt wer-
                                                                                     den, dass Rauchen das zukünftige Risiko, Suizidgedanken zu
                                                                                     entwickeln, erhöht [11]. Aus einer jüngsten bevölkerungs-
Eingelangt am 31. März 2011; angenommen nach Revision am 14. Oktober 2011;           basierten Untersuchung wurde ferner deutlich, dass Nikotin-
Pre-Publishing Online am 16. November 2011                                           abhängigkeit per se mit einem etwa 8-fach erhöhten Suizid-
Aus dem Cologne Center for Genomics, Universität zu Köln und dem Institut für        risiko einhergeht – also vergleichbar hoch ist wie bei depres-
Medizin und Neurowissenschaften, Helmholtz-Forschungszentrum Jülich, Deutsch-
                                                                                     siven Störungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung und
land
Korrespondenzadresse: Dr. med. habil. Georg Winterer, Cologne Center for             posttraumatischer Belastungsstörung [12]. Bislang un-
Genomics (CCG), Universität zu Köln, D-50931 Köln, Weyertal-Straße 115b; E-Mail:     klar ist dabei allerdings, ob hier eine direkte kausale Verbin-
georg.winterer@uni-koeln.de                                                          dung zwischen Rauchen und Suizidalität besteht oder ob eine

                                                                                                               J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2013; 14 (3)   119
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Rauchen und psychiatrische Erkrankungen

dritte Variable („hidden variable“), wie z. B. eine latente      stark eingeschränkt. Die täglichen Aufwendungen für den
depressive Symptomatik, diesen Zusammenhang erklärt.             Tabakkonsum verschlimmern diese Situation noch zusätzlich.
                                                                 Beispielsweise ergab sich aus einer US-amerikanischen Un-
Nur am Rande sei im Rahmen der aktuellen Übersichtsarbeit        tersuchung von Steinberg et al. [21], dass schizophrene Pati-
erwähnt, dass neben der erhöhten Prävalenz der Nikotin- bzw.     enten nahezu 30 % ihres verfügbaren Einkommens für Tabak-
Tabakabhängigkeit bei depressiven und schizophrenen Pati-        konsum aufwenden, wobei der überwiegende Teil dieser Pati-
enten darüber hinaus zahlreiche Studien existieren, die auch     enten sein geringes Einkommen aus öffentlichen Unter-
bei weiteren psychiatrischen (Achse-I-) Störungen, z. B.         stützungsmaßnahmen (Sozialhilfe o. ä.) bezieht. Zu erwähnen
Angststörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Störungen, post-          ist auch in diesem Zusammenhang, dass nikotinabhängige
traumatischer Belastungsstörung u. a., erhöhte Nikotinab-        psychiatrische Patienten mit größerer Wahrscheinlichkeit ei-
hängigkeitsprävalenzraten nahelegen. Hinlänglich bekannt ist     nen niedrigeren sozialen Status aufweisen [22] und häufiger
auch, dass Patienten mit anderweitigen Abhängigkeits-            illegalen Drogenkonsum betreiben [23]. Vor diesem Hinter-
erkrankungen (z. B. Alkoholabhängigkeit) häufig gleichzeitig     grund muss es als besonders problematisch angesehen wer-
Raucher sind [13]. Weniger gut bekannt ist jedoch, dass be-      den, dass im Hinblick auf die Prävalenzraten des Tabak-
stimmte Formen der Persönlichkeitsstörungen bzw. -varian-        konsums die Kluft zwischen psychiatrischen Patienten und
ten eine erhöhte Prävalenz der Nikotinabhängigkeit aufwei-       der Allgemeinbevölkerung derzeit zunimmt. Mittels erfolg-
sen. So konnten wir beispielsweise in einer erstmals in dieser   reichen Anti-Rauch-Kampagnen sowie Nikotinentwöhnungs-
Form durchgeführten, bevölkerungsbasierten und deutsch-          programmen ist es mittlerweile gelungen, den Anteil der Rau-
landweiten Studie an 2400 Rauchern und Niemals-Rauchern          cher in westlichen Industrienationen von 43 % im Jahr 1960
zeigen, dass ca. 1/5 aller Raucher (aber nur etwa 1/10 aller     auf 23–30 % im vergangenen Jahrzehnt zu senken, ohne dass
Niemals-Raucher) in der Allgemeinbevölkerung (ohne psy-          gleichzeitig vergleichbare Erfolge bei psychiatrischen Patien-
chiatrische Achse-I-Störung) einem „Persönlichkeitscluster“      ten erzielt werden konnten [24–27]. Teilweise ist dies darauf
zugeordnet werden können, der durch erhöhte Werte auf meh-       zurückzuführen, dass Nikotinentwöhnungsprogramme gera-
reren quantitativen Skalen zur Erfassung der Befindlichkeit      de schwer erkrankten psychiatrischen Patienten erst seit weni-
und Persönlichkeit charakterisiert ist (Depressivität, Ängst-    gen Jahren und nur in wenigen Einrichtungen angeboten wer-
lichkeit, Aufmerksamkeitsdefizite, subjektive körperliche Be-    den [28, 29] und Rauchen in psychiatrischen Kliniken –
schwerden und Stressbelastung) [14]. Im Zusammenhang mit         anders als in nicht-psychiatrischen Kliniken – häufig eher to-
theoretischen Modellen zur Abhängigkeitserkrankung häufig        leriert oder gar im klinischen Alltag verstärkt wird [30, 31].
diskutierte Persönlichkeitseigenschaften wie erhöhte Risiko-     Die Beachtung und Behandlung von Tabakkonsum-bezoge-
bereitschaft oder Belohnungsabhängigkeit waren demgegen-         nen Gesundheitsproblemen bei psychiatrischen Patienten
über von untergeordneter Relevanz.                               stellt daher eine besondere Verpflichtung für das klinisch täti-
                                                                 ge Personal dar – und zwar sowohl in der psychiatrischen Ver-
 Folgen des Tabakkonsums bei psychia-                           sorgung als auch in der somatischen Medizin. Ein besseres
                                                                 Verständnis der Faktoren, die die Nikotinabhängigkeit bei
  trischen Patienten: Sozialmedizinische                         psychiatrischen Patienten verursachen und aufrechterhalten
  Relevanz                                                       [20, 32, 33], ist hierbei eine wesentliche Voraussetzung zur
Die körperlichen Folgeerscheinungen langjährigen Rauchens        erfolgreichen Umsetzung entsprechender Bemühungen.
sind hinlänglich bekannt. Bei psychiatrischen Patienten findet
sich jedoch eine Reihe weiterer sozialer und medizinischer        Nikotinabhängigkeit bei psychiatrischen
Faktoren, die in Verbindung mit chronischem Tabakkonsum
                                                                   Patienten: Neurobiologie
als besonders ungünstig zu werten sind: Beispielsweise ist
bekannt, dass bei schizophrenen und depressiven Patienten        Einige der 4000 im Tabak enthaltenen Substanzen, darunter
ohnehin eine höhere Mortalitätsrate durch Erkrankungen des       vor allem das Nikotin, tragen zur Entwicklung und Auf-
kardiovaskulären Systems sowie des Respirationstrakts be-        rechterhaltung der Tabakabhängigkeit bei [34]. Nach Inhala-
steht und auch die Prävalenz für Karzinomerkrankungen er-        tion des Tabakrauchs bindet Nikotin innerhalb weniger Se-
höht ist [15, 16]. Hinzu kommen negative Konsequenzen, die       kunden im Gehirn an vorwiegend präsynaptisch lokalisierte
sich aus der Verbindung zwischen Tabakkonsum und psychia-        Nikotinrezeptoren (nAChR), was zu einer raschen Frei-
trischer Erkrankung ergeben. Hierzu zählen ein insgesamt         setzung verschiedener Neurotransmitter führt. Insbesondere
schlechterer körperlicher Gesundheitszustand [17], eine ge-      die Freisetzung von Dopamin durch nikotinische Stimulation
ringere Behandlungscompliance im Hinblick auf die Medi-          im mesolimbischen Belohnungssystem wurde dabei seit Län-
kamenteneinnahme [18], eine schlechtere medizinische Ver-        gerem als zentraler Mechanismus bei der Entstehung der
sorgung bei kardiovaskulären Erkrankungen [15] sowie ein         Nikotinabhängigkeit – wie auch bei anderen Abhängigkeits-
insgesamt ungünstigerer (psychiatrischer) Krankheitsverlauf      erkrankungen – diskutiert [35]. Die dadurch ausgelösten Ge-
[19]. Letzteres mag zum Teil dadurch erklärbar sein, dass po-    fühle der Belohnung und positiven Verstärkung führen zur
lyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe im Tabakrauch         Aufrechterhaltung des Nikotinkonsums, wobei bei fortge-
zu einer Enzyminduktion (CYP1A2, UGT) führen und damit           setztem Konsum Toleranz gegenüber den Nikotineffekten
den Abbau zahlreicher Psychopharmaka, insbesondere               auftritt, was wiederum von einer Hochregulierung nikoti-
Antipsychotika, beschleunigen [20].                              nischer Rezeptoren begleitet wird. In den vergangenen Jahren
                                                                 wurden aber auch zunehmend weitere neurobiologische Pro-
Zahlreiche Patienten mit einer ernsthaften psychiatrischen       zesse mit der Entwicklung der Nikotinabhängigkeit in Verbin-
Störung sind außerdem in ihren finanziellen Möglichkeiten        dung gebracht. Hierzu zählt die aktivierende oder auch

120   J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2013; 14 (3)
Rauchen und psychiatrische Erkrankungen

desensitivierende Wirkung des Nikotins an glutamatergen          hen könnte zwischen einer verminderten Aktivität des
und GABAergen Neuronen [36] sowie die Interaktion des            dopaminergen Belohnungssystems bei depressiven Affektzu-
Nikotins mit dem opiodergen System [37].                         ständen, welche kompensatorisch durch Nikotin normalisiert
                                                                 werden könnten [53, 54]. Es gibt allerdings auch umgekehrte
Die zentralnervösen Effekte von Nikotin werden direkt über       Überlegungen: Ausgehend von der cholinerg-adrenergen Hy-
nAChRs vermittelt. Dabei handelt es sich um Ionenkanäle          pothese der Depression [55] verbessert eine verminderte
mit schneller synaptischer Neurotransmission. Neuronale          cholinerge Neurotransmission, wie sie z. B. aus der langan-
nAChRs setzen sich homomer oder heteromer zusammen aus           haltenden Desensitivierung von nAChRs durch Nikotin resul-
α- (α2–α10-) und β- (β2–β4-) Untereinheiten. Welche spezi-       tiert, depressive Stimmungszustände. Mit dieser Überlegung
fische Rolle einzelne Untereinheiten bei der Entwicklung der     in Einklang stehen jüngere Befunde, wonach der nAChR-An-
Nikotinabhängigkeit spielen, ist bislang weitgehend unge-        tagonist Mecylamin sowie Partialagonisten die klinischen Ef-
klärt. Jüngste genomweite Assoziationsuntersuchungen legen       fekte von Antidepressiva verstärken können [56–58].
nahe, dass α3-, α5- und β4-Untereinheiten bedeutsam sein
könnten [38]. Allerdings erklären diese Befunde nur einen        Auch Überlegungen, wonach eine Verbindung zwischen De-
geringen Anteil der genetischen Varianz (ca. 5 %). Beachtens-    pressivität und der häufig beeinträchtigten Stressregulation
wert ist daher, dass Untersuchungen in transgenen Mäusen         sowie Nikotinkonsum bestehen könnte, müssen als vorläufig
zufolge α2- und α4-Untereinheiten ebenfalls die verstärken-      betrachtet werden. Aber auch hier existiert eine Reihe von
den Effekt von Nikotin vermitteln können [39, 40]. Außerdem      Befunden, die an dieser Stelle erwähnenswert erscheinen: So
spricht auch eine Reihe von Studien dafür, dass nahezu alle      wurde beispielsweise berichtet, dass psychischer Stress in der
Untereinheiten, darunter α3, α4, α5, α6, α7, β3 and β4,          Kindheit das Ausmaß der Nikotinabhängigkeit bei späteren
ebenfalls eine mögliche Rolle bei der Nikotinabhängigkeit        Rauchern verstärkt [59]. Bekannt ist auch, dass Personen mit
spielen könnten [41, 42].                                        posttraumatischer Belastungsstörung („posttraumatic stress
                                                                 disorder“) häufig stark nikotinabhängig sind [60]. Eigene
                                                                 populationsbasierte Daten weisen wiederum darauf hin, dass
Schizophrenie
                                                                 bei einem substanziellen Teil aller Raucher das subjektive
Mittlerweile existiert eine Reihe von Hinweisen dafür, dass
                                                                 Stressempfinden gegenüber Nicht-Rauchern erhöht ist [14].
sich die zentralen Nikotineffekte bei psychiatrischen Patien-
                                                                 Erste humanexperimentelle Untersuchungen deuten darauf
ten von den Effekten bei nicht-psychiatrischen Personen un-
                                                                 hin, dass eine vergleichsweise starke (negative) Affekt-
terscheiden. Am besten wurde dies bislang bei schizophrenen
                                                                 reaktion auf äußere Stressoren Nikotinkonsum im Sinne eines
Patienten untersucht. Beispielsweise konnten verschiedene
                                                                 kausalen Zusammenhangs begünstigt [61]. Tierexperimen-
Untersuchungen nachweisen, dass bei schizophrenen Patien-
                                                                 telle Untersuchungen unterstützen dabei die Vorstellung, dass
ten stärkere Nikotineffekte als bei Gesunden auf kognitive
                                                                 Nikotin zur Stressregulierung konsumiert wird. So zeigen
Leistungsparameter der Aufmerksamkeit und des Arbeitszeit-
                                                                 stresssensitive Mäuse eine höhere Rückfallrate der Selbst-
gedächtnis sowie damit verbundenen zentralen Funktions-
                                                                 applikation von Nikotin als stressinsensitive Mäuse [62]. Von
systemen existieren, was als weiterer Beleg für die Hypothese
                                                                 Bedeutung könnte dabei sein, dass die im mesolimbischen
der Selbstmedikation mit Nikotin zur Verbesserung kogniti-
                                                                 System via nAChRs vermittelte Sensitivität gegenüber Niko-
ver Defizite gewertet wurde [43, 44]. Ungeklärt ist dabei, in-
                                                                 tin direkt mit der hormonellen (ACTH) Stressreaktion korre-
wieweit dies mit einer weiteren Auffälligkeit bei schizophre-
                                                                 liert ist [63]. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang
nen Patienten zusammenhängt, d. h. dem mittlerweile mehr-
                                                                 auch Befunde, wonach chronischer Nikotinkonsum die Reak-
fach replizierten Befund, wonach sowohl in Post-mortem-
                                                                 tion des Gehirns auf äußere Stressoren verändert und letztlich
Gehirngewebe als auch peripheren Lymphozyten/Lympho-
                                                                 zu einer beeinträchtigten Stressregulation führt [64]. Auf der
blasten die Zahl der Nikotinrezeptoren bei (rauchenden) schi-
                                                                 Grundlage dieser Daten erscheint die Überlegung durchaus
zophrenen Patienten im Vergleich zu gesunden Rauchern re-
                                                                 plausibel, dass die durch chronischen Nikotinkonsum resul-
duziert ist [45–47]. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen,
                                                                 tierende Fehlfunktion im ZNS möglicherweise durch akute
dass aufgrund von Befunden aus Post-mortem-, PET (Positro-
                                                                 Nikotinexposition wiederum kurzfristig normalisiert werden
nen-Emissionstomographie-) sowie SPECT- (Single-Photon
                                                                 kann und sich ein Circulus vitiosus entwickelt: Erhöhte
Emission Computed Tomography-) Untersuchungen bekannt
                                                                 Stresssensitivität (z. B. bei bestehender Prädisposition für
ist, dass bei psychiatrisch gesunden Rauchern die Zahl der
                                                                 depressive Erkrankungen) – Selbstmedikation der gestörten
Nikotinrezeptoren erhöht ist, mit der Zahl der konsumierten
                                                                 Stressregulation durch (akuten) Nikotinkonsum – zunehmen-
Zigaretten positiv korreliert und sich bei mehrwöchigem Ent-
                                                                 de Beeinträchtigung der Stressregulation durch chronischen
zug wieder normalisiert [48–50]. Bei schizophrenen Patien-
                                                                 Nikotinkonsum und damit Aufrechterhaltung der Nikotin-
ten findet sich interessanterweise eine negative Korrelation
                                                                 abhängigkeit bzw. erhöhte Rückfallgefahr bei Abstinenz in
zwischen der Anzahl der Nikotinrezeptoren einerseits und
                                                                 Gegenwart von äußeren Stressoren.
Negativsymptomen bzw. globaler klinischer Beeinträchti-
gung andererseits [51, 52].
                                                                  Nikotinabhängigkeit bei psychiatrischen
Affektive Erkrankungen                                             Patienten: Therapie
Vergleichsweise wenig bekannt ist zum neurobiologischen          Entsprechend den Leitlinien des „US Department of Health
Zusammenhang von Rauchen bzw. Nikotinkonsum und De-              and Human Services“ aus dem Jahr 2008 sollte die Raucher-
pression/Suizidalität. Bislang eher spekulative Überlegungen     entwöhnungsbehandlung bei psychiatrischen Patienten
basierten auf der Vorstellung, dass ein Zusammenhang beste-      grundsätzlich nach demselben Schema erfolgen wie bei Rau

                                                                                     J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2013; 14 (3)   121
Rauchen und psychiatrische Erkrankungen

chern in der Allgemeinbevölkerung, wobei gleichzeitig die       Department of Health and Human Services“ [65] oder in
behandelnden Kliniker dazu ermutigt werden sollten, ihre        Cochrane-Übersichtsarbeiten [67, 70, 72] dargestellt und dis-
psychiatrischen Patienten entsprechend zu behandeln [65].       kutiert wird, basiert jedoch auf Studien in der Allgemein-
                                                                bevölkerung. Relativ wenig ist demgegenüber bekannt zur
In den entsprechenden Leitlinien des „US Department of          Frage der Wirksamkeit entsprechender Behandlungsstrate-
Health and Human Services“ wird eine Reihe von Empfeh-          gien bei psychiatrischen Patienten bzw. es existieren kaum
lungen ausgesprochen, wie die Entwöhnungsbehandlung von         direkte Vergleiche von Rauchern mit und ohne psychiatrische
Rauchern durchzuführen ist. Im Einzelnen zählen hierzu:         Komorbidität. In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse
Ärztliche Beratung sowie Entwöhnungsbehandlungen im             von 8 randomisierten kontrollierten Studien konnte jedoch
Rahmen einer individuellen oder Gruppentherapie mit dem         bestätigt werden, dass NRT in Verbindung mit Verhaltens-
Ziel der Verhaltensmodifikation. Auch entsprechend adaptier-    intervention und Bupropion in psychiatrischen Patienten ähn-
te telephonische Interventionen werden empfohlen. Der Er-       lich wirksam ist wie bei Rauchern aus der Allgemein-
folg dieser Behandlungsmaßnahmen steht dabei in einem di-       bevölkerung. Allerdings handelt es sich hierbei um relativ
rekten Verhältnis zur Intensität der Behandlung. Wesentliche    kleine Studien und die Varianz der Abstinenzraten ist hoch
Bestandteile der Behandlung sind: praktische Beratung (ge-      [73]. Ein ähnliches Ergebnis konnte allerdings auch in einer
meinsame Entwicklung von Problemlösungsstrategien,              unizentrischen Studien mit Vareniclin erzielt werden, ohne
„skills training“) sowie bei Notwendigkeit soziale Unterstüt-   dass sich ein Unterschied zwischen dem Behandlungserfolg
zung. Auch wenn ein Raucher aktuell keine Entwöhnungs-          bei Rauchern mit und ohne psychiatrische Komorbidität fand
behandlung wünscht, sollte er wiederholt dazu motiviert wer-    [74]. Allerdings könnten spezifische, mit bestimmten psychia-
den. In den deutschen „Leitlinien der Tabakentwöhnung“          trischen Diagnosen assoziierte Faktoren von Bedeutung sein.
(www.leitlinien.net) wird demgegenüber der Nutzen der indi-
viduellen, wiederholten, ärztlichen und verhaltenstherapeu-
                                                                Schizophrenie
tischen Behandlung hervorgehoben – typischerweise 8 Sit-
                                                                Beratung sowie gruppentherapeutische Interventionen bei
zungen à 15–45 Min. [66, 67].
                                                                Raucherentwöhnung in Verbindung mit Medikamenten der
                                                                ersten Wahl sind grundsätzlich auch bei schizophrenen Pati-
Idealerweise sollte eine entsprechende Verhaltensmodi-
                                                                enten einsetzbar. Unklar ist derzeit jedoch, inwieweit Bera-
fikation in Kombination mit einer verhaltenstherapeutischen
                                                                tung und gruppentherapeutische Interventionen im Rahmen
Intervention erfolgen, da hiermit die Erfolgsaussichten der
                                                                von Raucherentwöhnungsprogrammen eine Anpassung an
Behandlung gegenüber einer alleinigen verhaltensthera-
                                                                die spezifischen Gegebenheiten bei schizophrenen Patienten
peutischen Intervention etwa um 50 % erhöht werden können
                                                                (z. B. verminderte kognitive Leistungsfähigkeit, akute vs. kli-
[65]. Bei der medikamentösen Behandlung sollte entspre-
                                                                nisch stabile Erkrankung u. a.) erfordern. Bedenken bestehen
chend den Leitlinien des „US Department of Health and Hu-
                                                                vor allem im Hinblick auf eine gemeinsame gruppenthera-
man Services“ die Behandlung je nach klinischer Notwendig-
                                                                peutische Intervention von schizophrenen Patienten mit psy-
keit sowie unter Berücksichtigung etwaiger Kontraindikatio-
                                                                chiatrisch gesunden Rauchern oder Patienten mit weniger
nen mit einem Medikament oder im Rahmen einer medika-
                                                                ernsthaften psychiatrischen Störungen. Hierbei kann nicht
mentösen Kombinationsbehandlung erfolgen. Als Medika-
                                                                ausgeschlossen werden, dass in gemischten Patientensettings
ment der ersten Wahl bei der Raucherentwöhnung wird ge-
                                                                aufseiten der Patienten, vor allem der schwer gestörten Pati-
genwärtig eine Nikotinersatztherapie („nicotine replacement
                                                                enten, Ängste auftreten [75]. Hinzu kommt, dass die Unter-
therapy“ [NRT]) vorgeschlagen (vgl. [66]). Hierzu zählen:
                                                                schiedlichkeit der Teilnehmer an der Gruppentherapie die
Nikotinpflaster, Nikotinkaugummi, Nikotin-Nasenspray,
                                                                Realisierung einheitlicher Therapieziele erheblich erschwe-
Nikotininhalatoren oder Nikotin-Lutschtabletten. Alternativ
                                                                ren würde. Insgesamt besteht hier noch erheblicher Klärungs-
bzw. in Kombination ist eine auch die seit Längerem einge-
                                                                bedarf, vor allem auch im Hinblick auf mögliche Kontraindi-
führte Behandlung mit dem Medikament Bupropion möglich.
                                                                kationen.
Vareniclin stellt eine neue medikamentöse Behandlungs-
option dar. Das Ziel der unterschiedlichen NRTs besteht
darin, Entzugssymptome und das Verlangen nach Nikotin           In einer kürzlich erschienen Cochrane-Metaanalyse werden
(„craving“) zu mildern. Damit können Abstinenzraten von         die Ergebnisse von 7 Studien zusammengefasst, in denen bei
50–70 % erreicht werden [67]. Bupropion ist ein Antidepres-     schizophrenen Patienten eine Raucherentwöhnungsbehand-
sivum, welches die Wiederaufnahme von Dopamin sowie             lung mit Bupropion im Vergleich zu Placebo durchgeführt
Noradrenalin hemmt und nAChRs blockiert, wobei allerdings       wurde. Unter Bupropion war die Abstinenzrate nach 6 Mona-
der genaue Wirkmechanismus bei der Raucherentwöhnung            ten nahezu 3× höher als unter der Placebo (Risk Ratio: 2,78;
unklar ist [65]. Die Erfolgsraten bei der Raucherentwöhnung     95 %-CI: 1,02–7,58). Die psychopathologische Symptomatik
sind mit denen der NRTs vergleichbar [68]. Vareniclin ist       einschließlich depressiver Beschwerden blieb dabei beein-
demgegenüber ein Partialagonist am α4β2-nAChR [69] und          flusst [76]. Interessanterweise fanden sich in diesen Studien
führt zu 2–3-fach erhöhten Abstinenzraten [65, 70]. Bei er-     keine Hinweise für einen Vorteil durch die kombinierte Gabe
folgloser Entwöhnungsbehandlung mittels dieser Medika-          von NRTs und Bupropion. Nicht abschließend geklärt werden
mente der ersten Wahl besteht auch die Möglichkeit der Be-      konnte in dieser Metaanalyse außerdem die Frage, inwieweit
handlung mit Nortriptylin bzw. Clonidin [71, 72].               verhaltenstherapeutische Maßnahmen von Nutzen sind.

Der überwiegende Anteil an Forschungsergebnissen zur            Zur Entwöhnungsbehandlung von schizophrenen Patienten
Entwöhnungsbehandlung, der in den Leitlinien des „US            mit Vareniclin existieren derzeit kaum Daten aus kontrollier

122   J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2013; 14 (3)
Rauchen und psychiatrische Erkrankungen

ten Studien. Stapelton et al. [74] verglichen Vareniclin (n =     Ähnlich wie im Falle der Schizophrenie ist die Datenlage zu
204) mit NRT (n = 208) bei gleichzeitiger gruppenthera-           Vareniclin bei der Entwöhnungsbehandlung von Patienten
peutischer Intervention in einer Raucherentwöhnungsklinik.        mit depressiver Komorbidität bislang spärlich. Stapelton et al.
Für beide Behandlungsgruppen konnten keine Unterschiede           [74] berichteten in einer kleinen Studie (64 Raucher mit ge-
in der Wirksamkeit und bezüglich unerwünschter Ereignisse         genwärtiger depressiver Störung), dass Vareniclin wirksam ist
festgestellt werden. Dies galt bei separater Betrachtung so-      und sich dabei kein Anhalt für ein erhöhtes Risiko uner-
wohl für die nicht-psychiatrisch erkrankten Raucher als auch      wünschter Ereignisse im Sinne psychiatrischer Symptome er-
für Raucher mit psychiatrischer Störung (n = 111, davon 31        gab. McClure et al. [77] verglichen wiederum nicht-psychia-
mit psychotischer Störung). In einer jüngeren Studie mit 6-       trisch erkrankte Raucher mit Rauchern, bei denen eine
monatiger Gabe von Vareniclin berichten McClure et al. [77]       depressive Vorgeschichte bekannt war (n = 235) und fanden
eine vergleichbare Wirksamkeit und ein ähnliches Profil von       keinen Unterschied in der Wirksamkeit von Vareniclin. Kürz-
unerwünschten Ereignissen bei psychiatrischen Patienten (n =      lich wurde vom Hersteller von Vareniclin eine große placebo-
271, davon 15 Patienten mit psychotischer oder bipolarer Stö-     kontrollierte Entwöhnungsstudie mit 500 depressiven Rau-
rung) wie bei nicht-psychiatrischen Patienten (n = 271). Be-      chern begonnen (NCT01078298).
tont sei an dieser Stelle, dass ein ausführlicher Fallbericht,
wonach es unter Vareniclin zu einer Exazerbation psychoti-
scher Symptome bei einem schizophrenen Patienten gekom-            Pharmakologische Entwöhnungs-
men sei [78], durch mehrere kleinere Studien mit allerdings         behandlung bei psychiatrischen Patien-
jeweils begrenzter Fallzahl nicht gestützt wird (vgl. zusam-
menfassende Darstellung der Studienergebnisse bei Aubin et
                                                                    ten: Sicherheit
al. [33]).                                                        Die Frage der Sicherheit einer psychopharmakologischen
                                                                  Entwöhnungsbehandlung bei Rauchern im Hinblick auf eine
                                                                  unerwünschte psychiatrische Symptomentwicklung (Suizi-
Depression                                                        dalität u. a.) wird derzeit intensiv diskutiert. Verschiedene ak-
Mehrere Studien berichten übereinstimmend, dass die               tuelle Post-Marketing-Berichte beschrieben beispielsweise
Entwöhnungsbehandlung von Rauchern mit komorbider De-             für Vareniclin ein erhöhtes Risiko für depressive Symptome,
pression ähnlich erfolgreich ist wie bei nicht-psychiatrisch      Agitiertheit sowie Suizidalität [83–85]. Ähnliche Berichte
erkrankten Rauchern [33]. Hervorgehoben sei an dieser Stelle      existieren auch zu verschiedenen Antidepressiva [86–89],
eine Metaanalyse des „US Department of Health and Human           was u. a. im Fall von Bupropion und Vareniclin zu Warnhin-
Services“ aus dem Jahr 2008, welche sich in den dort ausge-       weisen seitens der US Food and Drug Administration (FDA)
sprochenen Empfehlungen niederschlug [65]. Verglichen             führte. Gleichzeitig erkennt die FDA jedoch an, dass es
wurden bei Rauchern mit einer bekannten depressiven Stö-          schwierig ist, entsprechende unerwünschte Ereignisse in eine
rung in der Vergangenheit die 2 antidepressiven Medikamente       kausale Beziehung zur Medikamenteneinnahme zu stellen, da
Bupropion und Nortriptylin mit NRT und Placebo. Beide An-         die Nikotinentwöhnung selbst (unabhängig von der Medi-
tidepressiva erwiesen sich dabei als erfolgreich im Hinblick      kamenteneinnahme) ursächlich infrage kommt [85]. Von
auf Langzeitabstinenz (OR: 3,42; 95 %-CI: 1,70–7,84) [65].        Interesse ist daher eine kürzlich von der FDA durchgeführte
Ein Spezifikum der Entwöhnungsbehandlung bei depressiven          Analyse von Daten aus randomisierten placebokontrollierten
Patienten besteht darin, dass hierbei meist eine intensivere      Studien mit dem Antidepressivum Bupropion bei erwachse-
psychosoziale Intervention erfolgt als bei nicht-psychiatrisch    nen Patienten (n = 15.473), wobei unterschiedliche Be-
erkrankten Rauchern. Dies erscheint schon aufgrund grund-         handlungsindikationen bestanden. Aus dieser Analyse ergab
sätzlicher Überlegungen sinnvoll zu sein, da beispielsweise       sich kein Hinweis auf ein erhöhtes Suizidalitätsrisiko für
eine depressive Stimmungslage Teil der Nikotinentzugs-            Bupropion [86]. Dieses günstige Ergebnis für Bupropion ent-
symptomatik darstellen kann [79, 80]. Hinzu kommt, dass           spricht nicht ganz den Erwartungen, da seit Langem bekannt
Studiendaten diese Strategie der Entwöhnungsbehandlung            ist, dass besonders in den ersten Wochen einer antidepres-
unterstützen. Haas et al. [80] beschrieben beispielsweise, dass   siven Behandlung das Suizidalitätsrisiko erhöht ist [87–89].
Patienten mit einer depressiven Störung in der Vergangenheit      Vergleichbare Ergebnisse wurden auch für Vareniclin berich-
höhere Abstinenzraten aufwiesen, wenn eine kognitiv-              tet. Eine kürzlich publizierte Analyse gepoolter Daten von
verhaltenstherapeutische Behandlung durchgeführt wurde im         5000 Rauchern ohne gegenwärtige psychiatrische Diagnose,
Vergleich zu edukativen Maßnahmen. Hall et al. [81] berich-       die mit Vareniclin bzw. Placebo behandelt wurden, ergab kei-
teten, dass eine kombinierte pharmakologische Behandlung          ne Hinweise für vermehrt auftretende, unerwünschte psychia-
in Verbindung mit verhaltenstherapeutischer Intervention und      trische Ereignisse mit Ausnahme von Schlafstörungen [90].
psychologischer Beratung zu höheren Abstinenzraten führt          Eine retrospektive Analyse von 80.600 Patienten aus der „UK
als wenn keine entsprechenden psychotherapeutischen Inter-        General Research Database“, die mit Vareniclin behandelt
ventionen erfolgen. Unklar ist bislang allerdings, welche         wurden, ergab keinen Hinweis darauf, dass das Risiko von
Entwöhnungsstrategie bei Patienten mit gegenwärtiger              Depressivität und Suizidalität gegenüber NRT oder Bu-
depressiver Episode den größten Erfolg verspricht. Ferner gilt    propion erhöht ist [91]. Die aktuelle Studienlage lässt somit
es bei der Entwöhnungsbehandlung zu beachten, dass bei            kaum die Schlussfolgerung zu, dass die medikamentöse
Rauchern mit einer depressiven Vorgeschichte unter Umstän-        Raucherentwöhnungsbehandlung mit Vareniclin oder Bu-
den depressive Symptome erneut auftreten, die dann gege-          propion in einer kausalen Beziehung mit unerwünschten psy-
benenfalls wiederum einer antidepressiven Behandlung be-          chiatrischen Ereignissen und hier insbesondere mit der
dürfen [82].                                                      Suizidalität steht.

                                                                                       J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2013; 14 (3)   123
Rauchen und psychiatrische Erkrankungen

                                                                                                13. Falk DE, Yi HY, Hiller-Sturmhöfel S. An     ease: A review. Neurosci Biobehav Rev
   Relevanz für die Praxis                                                                     epidemiologic analysis of co-occurring alco-
                                                                                                hol and tobacco use and disorders: findings
                                                                                                                                                2012; 36: 271–84.
                                                                                                                                                34. U. S. Department of Health and Human
  Anamnese, Diagnostik und Therapie des Tabakkonsums                                            from the National Epidemiologic Survey on       Services. How tobacco smoke causes dis-
                                                                                                Alcohol and Related Conditions. Alcohol Res     ease: the biology and behavioral basis for
  bei psychiatrischen Patienten sind aus unterschiedlichen                                      Health 2006; 29: 162–71.                        smoking-attributable disease: a report of the
  Gründen von großer praktischer Relevanz. Die körperli-                                        14. Lindenberg A, Brinkmeyer J, Dahmen N,       Surgeon General. U. S. Department of
                                                                                                et al. The German multi-centre study on         Health and Human Services, Public Health
  chen Folgeerscheinungen des langjährigen Rauchens sind                                        smoking-related behavior-description of a       Service, Office of Surgeon General, Rock-
  dabei von großer Bedeutung – insbesondere im Hinblick                                         population-based case-control study. Addict     ville, MD, 2010.
                                                                                                Biol 2011; 16: 638–53.
  auf das bei diesen Patienten ohnehin erhöhte Risiko für                                                                                       35. Di Chiara G. Role of dopamine in the be-
                                                                                                15. Hennekens CH, Hennekens AR, Hollar D,       havioural actions of nicotine related to ad-
  kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen. Hinzu                                             et al. Schizophrenia and increased risks of     diction. Eur J Pharmacol 2000; 393: 295–
  kommt, dass Tabakkonsum partiell einen ungünstigen                                            cardiovascular disease. Am Heart J 2005;        314.
                                                                                                150: 1115–21.                                   36. Laviolette SR, van der Kooy D. The neu-
  Therapieverlauf bei der Behandlung der psychiatrischen
                                                                                                16. Kisely S, Sadek J, MacKenzie A, et al.      robiology of nicotine addiction: bridging the
  Störung bedingen kann. Umgekehrt gilt, dass sich im Rah-                                      Excess cancer mortality in psychiatric pa-      gap from molecules to behaviour. Nature
  men der Tabakentwöhnung psychiatrische Symptome, wie                                          tients. Can J Psychiatry 2008; 53: 753–61.      Rev 2004; 5: 55–65.
                                                                                                                                                37. McGehee DS. Nicotinic and opioid re-
  Depressivität und Suizidalität, manifestieren können, die                                     17. Pack S. Poor physical health and mortal-
                                                                                                                                                ceptor interactions in nicotine addiction.
                                                                                                ity in patients with schizophrenia. Nurs
  der Behandlung bedürfen. Aktuell dringend notwendig ist                                       Stand 2009; 23: 41–5.                           Mol Intervent 2006; 6: 311–4.
  es, Tabakentwöhnungsprogramme einem größeren Kreis                                            18. Marder SR. Overview of partial compli-      38. Winterer G. Risk gene variants for nico-
                                                                                                ance. J Clin Psychiatry 2003; 64 (Suppl 16):    tine dependence: a success story in neuro-
  von psychiatrischen Patienten zugänglich zu machen.                                                                                           psychiatric genetics with possible applica-
                                                                                                3–9.
  Hierbei gilt es, die für die Allgemeinbevölkerung entwi-                                                                                      tions to drug development. Pharmacogeno-
                                                                                                19. Dodd S, Brnabic AJ, Berk L, et al. A pro-   mics 2010; 11: 1353–7.
  ckelten Therapiestrategien an die spezifischen Bedingun-                                      spective study of the impact of smoking on
                                                                                                outcomes in bipolar and schizoaffective dis-    39. Marubio LM, Gardier AM, Durier S, et al.
  gen bei psychiatrischen Patienten anzupassen.                                                                                                 Effects of nicotine in the dopaminergic sys-
                                                                                                order. Compr Psychiatry 2010; 51: 504–9.
                                                                                                                                                tem of mice lacking the α4 subunit of neu-
                                                                                                20. Winterer G. Why do patients with            ronal nicotinic acetylcholine receptors. Eur J
                                                                                                schizophrenia smoke? Curr Opin Psychiatry       Neurosci 2003; 17: 1329–37.
 Quellenangabe und Interessenkonflikte                                                         2010; 23: 112–9.
                                                                                                21. Steinberg ML, Williams JM, Ziedonis
                                                                                                                                                40. Maskos U, Molles BE, Pons S, et al. Ni-
                                                                                                                                                cotine reinforcement and cognition restored
Bei der vorliegenden Übersichtsarbeit handelt es sich um eine                                   DM. Financial implications of cigarette smo-    by targeted expression of nicotinic recep-
                                                                                                king among individuals with schizophrenia.      tors. Nature 2005; 436: 103–7.
Zusammenfassung aktueller englischsprachiger Übersichts-                                        Tob Control 2004; 13: 206.
                                                                                                                                                41. Exley R, Clements MA, Hartung H, et al.
arbeiten des Autors [20, 32, 33]. Der interessierte Leser sei                                   22. Montoya ID, Herbeck DM, Svikis DS, et       α6-containing nicotinic acetylcholine recep-
auf diese Arbeiten verwiesen. Gefördert wurden die entspre-                                     al. Identification and treatment of patients    tors dominate the nicotine control of dopa-
                                                                                                with nicotine problems in routine clinical      mine neurotransmission in nucleus accum-
chenden Arbeiten durch die Deutsche Forschungs-                                                 psychiatry practice. Am J Addict 2005; 14:      bens. Neuropsychopharmacology 2008; 33:
gemeinschaft (DFG) im Rahmen des Nationalen                                                     441–54.                                         2158–66.

Schwerpunktprogramms SPP1226 „Nikotin: Molekulare und                                           23. Brown RA, Lewinsohn PM, Seeley JR, et       42. Hildebrand BE, Nomikos GG, Hertel P, et
                                                                                                al. Cigarette smoking, major depression,        al. Reduced dopamine output in the nucleus
Physiologische Effekte im ZNS“ (Wi1316/6-1, 6-2 Koordina-                                       and other psychiatric disorders among ado-      accumbens but not in the medial prefrontal
tor: G. Winterer) sowie Pfizer Inc.                                                             lescents. J Am Acad Child Adolesc Psychia-      cortex in rats displaying a mecamylamine-
                                                                                                try 1996; 35: 1602–10.                          precipitated nicotine withdrawal syndrome.
                                                                                                                                                Brain Res 1998; 779: 214–25.
                                                                                                24. de Leon J, Diaz FJ. A meta-analysis of
Der Autor ist bzw. war als Vortragender und Berater inklusive                                   worldwide studies demonstrates an asso-         43. Barr RS, Culhane MA, Jubelt LE, et al.
                                                                                                ciation between schizophrenia and tobacco       The effects of transdermal nicotine on cog-
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                                                                                                                                                macology 2008; 33: 480–90.
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                                                                                                27. Dervaux A, Laqueille X. [Smoking and        tinic receptors in subjects with schizophre-
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62. Bilkei-Gorzo A, Rácz I, Michel K, et al. A   Smoking outcome by psychiatric history af-         Köln sowie seit 2007 Assoziierter Wissenschaftler am Institut für
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