OC 8 Struktur, Eigenschaften und Reaktivität organischer Moleküle - bplaced
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OC 8 Struktur, Eigenschaften und Reaktivität organischer Moleküle Reaktive Zwischenstufen Chemische Verschiebungsrekorde im 13C NMR CIP (contact ion pair) und PRE (persistent radical effect) An der Grenze von SN1 und SN2: merging mechanisms Glycosidaseinhibitoren: transition state analogs Armin Geyer Fachbereich Chemie SS 2019 Philipps-Universität Marburg molecularbionic.bplaced.net
Zur Einstimmung zwei scheinbar einfache Reaktionen Radikale Die thermische Zersetzung von Phenylazo- triphenylmethan (1) setzt gleichzeitig identische Mengen zweier unterschiedlich reaktiver radikalischer Zwischenstufen frei. Warum führt die Dimerisierung der Radikale hauptsächlich zum Heterodimer und nicht auch zu den homodimeren Reaktionsprodukten? Carbeniumionen Die Protonierung von Propen sowie die Dehydratisierung von Propanol führen über die gemeinsame Zwischenstufe des sekundären Propylkations zu Folgeprodukten. Wie kann es sein, dass in TFA als Lösungsmittel unter Zusatz von p-Brom- benzolsulfonsäure einmal der Sulfon- säureester und im anderen Fall der Trifluoressigsäureester gebildet wird? Erklärung in der VL: Oben PRE, unten CIP
Reaktive Zwischenstufen in Lösung stabilisieren Carbeniumionen werden in der OC häufig als reaktive Zwischenstufen formuliert. Erzeugt man sie im NMR-Röhrchen, kann man sie als Hauptprodukt vermessen. Der Elektronenmangel führt zur Entschirmung der Signale im 1H-NMR und die Hyperkonjugation wird als 4J-Kopplung beobachtet. Mit dem Stichwort Meerwein-Umlagerung können Sie das Spektrum zuordnen und die Multiplettstruktur erklären. (CH3)2CCH2CH3SbF6 in SO2/SbF5 bei -30°C (60 MHz) G. Olah 1964 Machen Sie eine Multiplettanalyse!
Chemische Verschiebungsrekorde Carbene und Carbide sind hochreaktive organische Moleküle. Beide Strukturen haben Bedeutung als Liganden. N-heterocyclische Carbene (NHC) sind gängige Katalysatoren. Als Elektronenmangel- verbindungen sind alle stark entschirmt. Der Verschiebungsrekord liegt bei 675 ppm. NHC Carbid Dd 79 ppm Dd 296 ppm JACS 2014, 136, 15889−15892 A Geyer OC8 2019
Kopie aus einem alten Lehrbuch Bei sekundären Alkylbromiden verschmelzen die Reaktionsmechanismen Was bedeuten die punktiert gezeichneten Linien? The most difficult problems in the diagnosis of reaction mechanisms arise in the region of so-called borderline or merging mechanisms. (ACR80, 161) A Geyer OC8 2019
Merging mechanisms werden anschaulich durch O´Ferrall-Jencks-Diagramme beschrieben. Produkt An Stelle der vereinfachten graphischen Darstellung der transition state theory (Marcus theory) mit Reaktions- fortschritt (x-Achse) und Energie (y-Achse) werden für ein O´Ferrall-Jencks-Diagramm zwei Bindungslängen in einem x,y-Koordinatensystem aufgetragen. Die z-Achse ist die Energie (rechts nicht dargestellt). Die nukleophile Substitution verläuft über die Diagonale (rot, SN2, prim C) oder zweistufig über die Ecke (blau, SN1, tert. C). Am sekundären C liegt der ÜZ dazwischen (grün). Edukt SN2-Mechanismus (rot) SN1-Mechanismus (blau) A Geyer OC8 2019
Merging mechanisms DH Wenn die nucleophile Substitution eines enantiomerenreinen sekundäreren Tosylats (>99% ee) zu einem Produkt mit nur noch ≠ 40% ee führt, bedeutet nicht, dass dieses zu 60% nach SN1 und 40 % nach SN2 reagiert, sondern dass der transition state im 40 % SN2 O´Ferrall-Jencks Diagramm seitlich versetzt vom Idealfall der Diagonale (SN2) liegt. Zum Vergleich: Mesomerie DH Mesomerie: Die C-N-Bindung eines (1.47 Å) (1.25 Å) sekundären Amids ist weder eine 1.32 Å Einfach- noch eine Doppelbindung. “The N–C bond has about 40 % double- bond character (bond length 1.32 Å). The amide group is planar, and it has been found to have the trans configuration in all substances studied...” Linus Pauling A Geyer OC8 2019
Enzymkatalyse Lysozym hydrolysiert das b-glycosidisch verknüpfte Substrat zum b-Halbacetal (Retention = doppelte Inversion) Ist die Zwischenstufe ein Kontakt- ionenpaar (SN1) oder ist sie kovalent gebunden (SN2)? BC-Lehrbücher preisen den Phillips- Mechanismus d.h. keine kovalente Zwischenstufe als „bewiesen“ an. Diese scheinbar unterschiedlichen Reaktionsmechanismen sind die beiden Grenzfälle eines „merging mechanism“. ≠ Die Zwischenstufe hat daher auf jeden Fall einen teils kovalenten Charakter (Whithers 2001). A Geyer OC8 2019
Zwischenstufen der enzymatischen Hydrolyse von Acetalen Mechanismusvorschläge für die Katalyse durch b-Glycosidasen: (a) Invertierende und (b) die anomere Konfiguration erhaltender Enzyme. a) Protonierung des exocyclischen O und direkte Addition von H2O von der Unterseite. Mit diesem Mechanismus arbeiten nur wenige Enzyme. b) Carboxylat stabilisiert das Oxocarbeniumion von der Unterseite und bildet eine Zwischenstufe mit kovalenter Bindung zwischen Substrat und Enzym aus. Danach erfolgt die zweite SN2-artige Substitution. Was hier für b-Glycosidasen gezeigt ist, gilt analog für a- Glycosidasen. Dazu muss man nur die Worte Unter/Oberseite vertauschen. Welche Konfiguration hat die kovalente Zwischenstufe einer invertierenden a-Glycosidase? A Geyer OC8 2019
Von der reaktiven Zwischenstufe zum Medikament Eine Glycosidase hydrolysiert die a-glycosidische Bindung des Substrats Amylose (Stärke). Ein Glycosidaseinhibitor ähnelt dem Enzymsubstrat. Das Enzym verwechselt den Inhibitor mit Amylose. Je fester (gemessen als Verhältnis von on- zur off-Rate, nicht Bindungsstärke) der Inhibitor gebunden wird, umso besser ist dieser Inhibitor, denn umso geringer ist die verbleibende katalytische Aktivität des Enzyms. Einige dieser Inhibitoren sind Medikamente zur Behandlung von Stoffwechselkrankheiten, wie z.B. Diabetes. Linus Pauling: „A transition state analog mimics the transition state of an enzymatic reaction.“ Das ist die Theorie. In der Praxis sind die meisten Inhibitoren sind wohl eher reaction path analogs. Aber was ist molekulare Ähnlichkeit? Diese drei Moleküle sind zweifellos „ähnlich“. Aber nur zwei davon sind Enzyminhibitoren. Eines ist ungeeignet! Pauling spricht von mimicry = nachahmen, tarnen, um zu täuschen. Welche molekulare Ähnlichkeit ist entscheidend für die Eignung als Glycosidaseinhibitor? Diskutieren Sie dazu funktionelle Gruppen, Ladung und Ringkonformation. Ist es wirklich der ÜZ oder eine reaktive Zwischenstufe, die durch einen Glycosidaseinhibitor nachgeahmt wird?
Glycosidaseinhibitoren Medikamente Acarbose ist ein bakterielles Stoffwechselprodukt. Man kann es als Pseudotetrasaccharid, Alkaloid oder Desoxyzucker einstufen. Acarbose hemmt eine a-Glucosidase in unserem Dünndarm. Als Medikament Glucobay ist es zur Senkung des Blutzuckerspiegels auf dem Markt. Neben den zwei D-Glucosen enthält es einen Deoxyzucker und einen Aminocyclopenten-Ring (Valienamin). Das Alkaloid Kifunensin ist ein Aminal, welches mit Oxalsäure acyliert ist und daher nicht basisch ist. Kifunensin ist ein Inhibitor des Enzyms Mannosidase I. Glycosidaseinhibitoren Zielstrukturen der Synthese Welche strukturellen Gemeinsamkeiten Syntheseübung haben die vier auf dieser Seite vom 09.05.19 gezeigten Glycosidaseinhibitoren? Stellen Sie einen Zusammenhang zwischen Struktur und Wirkung her. Syntheseübung vom 23.05.19
David Phillips klärt erstmals den Katalysezyklus eines Enzyms auf Was für Enzyme postuliert wurde, gilt allgemein bei der Entwicklung neuer Katalysatoren. “Here was the first structural explanation of how an enzyme speeds up a chemical reaction. The proposals contained suggestions for essentially every structural contribution to the catalytic power of enzymes that has since been detected - proximity, ground-state distortion, alteration of catalytic-group pKa by the unique environment of the enzyme, general acid–base catalysis, and transition-state stabilization by electrostatic and hydrogen-bonding interactions. The extrapolation from inhibitor binding to substrate binding was a remarkable feat of deductive reasoning.” https://www.nature.com/articles/19878.pdf ground-state distortion und transition-state stabilization werden uns in der VL noch mehrfach unter der Bezeichnung Reaktivkonformation begegnen. Zum Beispiel bei der entarteten Valenzisomerisierung von Bullvalen. Cope-Umlagerung: langsam schnell sehr schnell
Reaktionsmechanismen im Abschlußgespräch Wo vermuten Sie das Oxocarbeniumion (die reaktive Zwischenstufe der Acetalspaltung) im 13C NMR? Geben Sie ein Beispiel für eine Reaktion, bei der ein Kontaktionenpaar auftritt. Begründen Sie mit dem Mechanismus der sauren Acetalspaltung, warum ein guter b-Glycosidase- Inhibitor auch a-Glycosidasen inhibiert. Andere Inhibitoren sind Valerolactone oder Cyclohexenderivate. Erklären Sie dies mit Pauling´s transition state mimicry. Syntheseübung Glycosidaseinhibitoren Tipp: Nehmen Sie sich ein leeres Blatt Papier und zeichnen Sie Moleküle und Mechanismusvorschläge. Sessel haben immer klar unterscheidbare ax und eq Substituenten. Literatur Lehrbuch: Lowry u. Richardson, Mechanismen und Theorie in der OC O´Ferrall-Jencks-Diagramme: W.P. Jencks ACR80,161 Kovalente Zwischenstufe der Glycolyse durch Lysozym Nature Struct. Biol.10, 737 Weitere Literatur Mechanisms of inverting and retaining glycosidases: G. J. Davis et al., Biochem. Soc. Transactions (2003) Vol. 31, part 3, 523 Hypothesen sind nicht beweisbar, nur widerlegbar: (Science 1964, 347) A Geyer OC8 2019
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