Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing

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Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
Rechtsfragen zur Bewerbung von
Medizinprodukten in Social Media
MedTech Update 2022

17. Februar 2022 | Dr. Daniel Tietjen

Private & Confidential
Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
Inhalt

1   Schleichwerbung auf Instagram mittels Influencer „Tap Tags“    3

2   Werbung durch prominente Influencer                           21

3   Treuepunkte für ein „Like“ auf Facebook                       27

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Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
Schleichwerbung auf Instagram
1   mittels Influencer „Tap Tags“
    1.1 Was sind „Tap Tags“?
    1.2 „Tap Tags“ gegen Entgelt oder sonstige Vergütung
    1.3 „Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung
    1.4 Änderung des UWG zum 28. Mai 2022
Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
1.1   Was sind „Tap Tags“?
Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
Was sind
„Tap Tags“?

▪ Influencer auf Instagram verlinken die Produkte in ihren
  Bildbeiträgen direkt mit den Namen der Hersteller bzw. den
  zugehörigen Marken
▪ Nutzer klicken auf den Bildbeitrag und über den Produkten
  in den Bildbeiträgen werden Icons mit den entsprechenden
  Links sichtbar (engl. „Tap Tags“)
▪ Nutzer klicken bei Interesse auf diese „Tap Tags“ und werden
  oft unmittelbar auf die Herstellerwebsite weitergeleitet
▪ Auf der Herstellerwebsite kann das identische Produkt oft
  direkt bestellt werden

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Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
„Tap Tags“ gegen Entgelt
1.2    oder sonstige Vergütung
Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
„Tap Tags“ gegen Entgelt
    oder sonstige Vergütung
(P) Welche Vorschriften kommen in Betracht, wenn der Influencer den Beitrag
bzw. die „Tap Tags“ nicht mit dem Begriff „Werbung“ kennzeichnet?

Irreführung durch Unterlassen (+)
gem. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 a Abs. 6 UWG:
„(6) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen
Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar
aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den
Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er
andernfalls nicht getroffen hätte.“
                                          ✓ Kommerzieller Zweck (+) (Geld, aber auch Ermäßigungen)
                                          ✓ Nicht erkennbar aus Umständen (+)

Bei Medizinprodukten zusätzlich:          ✓ Eignung zur Verbraucherbeeinflussung (+)

•   § 3 S. 2 Nr. 2 lit c) HWG

•   § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 HWG (nur bei Publikumswerbung außerhalb der
    Fachkreise)

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Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
„Tap Tags“ gegen Entgelt
oder sonstige Vergütung

Weitere Vorschriften zur Schleichwerbung

▪ § 6 Abs. 1 S. 1 TMG i.V.m. § 3a UWG (wenn audiovisueller Inhalt)
▪ § 22 Abs. 1 S. 1 MStV (bis April 2020 § 58 RStV) i.V.m. § 3a UWG
  (zumeist fehlt es an der Linearität des Sendeformats)

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„Tap Tags“ ohne Entgelt
1.3    oder sonstige Vergütung
„Tap Tags“
 ohne Entgelt oder sonstige Vergütung

(P) Liegt auch dann ein Verstoß vor, wenn der                  Aber:
ungekennzeichnete „Tap Tag“ sogar ohne Entgelt
oder sonstige Vergütung erfolgt?                               §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 a Abs. 6 UWG (+/–)
                                                               Bei der Frage, ob eine Irreführung durch Unterlassen
Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (–),                      gem. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 a Abs. 6 UWG vorliegt,
da es an einem „finanzierten Einsatz redaktioneller Inhalte“   kam die obergerichtliche Rechtsprechung in den letzten
fehlt.                                                         Jahren zu unterschiedlichen Ergebnissen.
                                                               KG Berlin v. 08.01.2019 - 5 U 83/18 (Vreni Frost)
§ 6 Abs. 1 S. 1 TMG i.V.m. § 3a UWG (–),
denn § 2 S. 1 Nr. 5 lit. b) TMG macht eine „kommerzielle       OLG Braunschweig v. 13.05.2020 - 2 U 78/19 (Luisa-Maxime
Kommunikation“ von einer Gegenleistung abhängig.               Huss)
                                                               OLG München v. 25.06.2020 - 29 U 2333/19 (Cathy Hummels)
§ 22 Abs. 1 S. 1 MStV i.V.m. § 3a UWG (–),
§ 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV                                          OLG Hamburg v. 02.07.2020 - 15 U 142/19 (Leonie Hanne)
erfasst im Anwendungsbereich zwar auch Eigenwerbung,
in Frage steht jedoch die Linearität.                          OLG Karlsruhe v. 09.09.2020 - 6 U 38/19 (Pamela Reif)
                                                               OLG Köln v. 19.02.2021 - 6 U 103/20 (Diana von der Löwen)

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„Tap Tags“
 ohne Entgelt oder sonstige Vergütung

       e. A. kein Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG                              a. A. Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG

1. Keine geschäftliche Handlung                                   1. Geschäftliche Handlung mit kommerziellem Zweck
▪ Arg: Keine Absatzförderung eigenes Unternehmen, da zwar         ▪ Arg: Absatzförderung eigenes Unternehmen, da ein
  subjektive Intention zur Akquirierung bezahlter                   objektiver Zusammenhang durch die Steigerung der
  Partnerschaften besteht, dadurch aber nicht der erforderliche     Attraktivität für künftige Partner vorliegt; Teilweise sogar
  objektive Zusammenhang zwischen Publikation &                     konsequente Ausgestaltung als „Business-Account“;
  Absatzförderung erfüllt wird                                      Influencer profitieren von Auflösung optischer und akustischer
  (OLG München - Cathy Hummels)                                     Trennlinien von redaktionellen und kommerziellen Inhalten
▪ Arg: Keine Absatzförderung verlinktes Unternehmen,                (OLG Karlsruhe - Pamela Reif);
  sondern vorrangige Informationsbefriedigung; „Tap Tags“         ▪ Arg: Absatzförderung verlinktes Unternehmen, da
  gehören zum redaktionellen Teil der Beiträge und sind wie         redaktioneller Beitrag durch die direkt verlinkte Einkaufs-
  Modezeitschriften zu behandeln; Absatzförderung ist bloßer        möglichkeit einen Werbeüberschuss aufweist;
  Reflex der Selbstdarstellung                                      Keine redaktionellen Antworten, da die wirtschaftlichen
  (OLG München - Cathy Hummels)                                     Bedürfnisse der Verbraucher durch die Influencer selbst
                                                                    geweckt wurden (OLG Karlsruhe - Pamela Reif)

                                                                                                                                  11
„Tap Tags“
 ohne Entgelt oder sonstige Vergütung

       e. A. kein Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG                              a. A. Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG

2. Werbung erkennbar aus den Umständen                            2. Werbung nicht erkennbar aus den Umständen
▪ Arg: Durchschnittsverbraucher weiß, dass Influencer             ▪ Arg: Selbst followerstarke Profile sind nicht stets kommerziell
  Werbeverträge abschließen und erkennt auf den ersten Blick,       und die vermeintliche Authentizität lässt Verbraucher ganz
  dass „Tap Tags“ der Steigerung des Marktwerts dienen              im Gegensatz zu offen werbefinanzierten Beiträgen
  (OLG München - Cathy Hummels)                                     unkritisch; Zum Schutz der Verbraucher ist deswegen anders
▪ Arg: Einkleidung kommerzieller Interessen in vorgeblich           als bei herkömmlicher Printwerbung eine Kennzeichnung
  Privates wird deutlich: Verifizierter Account mit „blauem         erforderlich (OLG Köln - Diana zur Löwen)
  Haken“ und 1,7 Mio. Followern als Indiz für Imagepflege und     ▪ Arg: Absatzförderung für verlinktes Unternehmen ist nicht
  den Betrieb aus kommerziellen Erwägungen; Verbraucher             erkennbar, da Verbraucher nicht für sämtliche erkennbare
  wissen, dass ein öffentlicher Auftritt und kein privater          Produkte von einem kommerziellen Zweck ausgeht; Ziel ein
  Austausch mit Freunden vorliegt und steuern den Auftritt über     privat anmutendes Näheverhältnis zu schaffen; Auch „blauer
  den Account-Namen gezielt an; Hohe Qualität der Bilder            Haken“ und Followerzahl dokumentieren lediglich, dass
  spricht gegen private Schnappschüsse; Große mediale               Influencer eigene Unternehmen sind; „Tap Tags“ führen nicht
  Aufmerksamkeit und Omnipräsenz des Influencer-Marketings          stets zu Produkten, sondern auch zu anderen Accounts
  (OLG Hamburg - Leonie Hanne)                                      (OLG Karlsruhe - Pamela Reif; Das Gericht differenziert aber
                                                                    und erachtet die Eigenwerbung für künftige Partnerschaften
                                                                    als für Verbraucher offensichtlich und bekannt)

                                                                                                                                  12
„Tap Tags“
 ohne Entgelt oder sonstige Vergütung

      e. A. kein Verstoß gegen § 5 a Abs. 6 UWG                       a. A. Verstoß gegen § 5 a Abs. 6 UWG

3. Ungeeignet Verbraucher zu Entscheidung zu veranlassen     3. Geeignet Verbraucher zu Entscheidung zu veranlassen
▪ Arg: Erst das Anklicken des „Tap Tags“ ist geschäftliche   ▪ Arg: Gerade wegen der mangelnden Kennzeichnung als
  Handlung; Verbraucher rechnen aber mit Werbung und           Werbung werden die Verbraucher zunächst veranlasst,
  wollen die gleichen Produkte haben; Aus welchen Gründen      dem Beitrag überhaupt in größerem Maße Beachtung zu
  Influencer Produkt vorstellt, ist zweitrangig                schenken als im Fall seiner Kennzeichnung; Verlinkung
  (OLG Hamburg - Leonie Hanne)                                 führt direkt oder mittelbar zu Bestellmöglichkeit
                                                               (OLG Karlsruhe - Pamela Reif)
                                                             ▪ Arg: Verbraucher verstehen Influencer als Vorbild und folgen
                                                               ihrem Beispiel bei einer Empfehlung, welcher sie auf Grund
                                                               ihrer scheinbar privaten Natur eine größere Objektivität und
                                                               Neutralität beimessen
                                                               (OLG Braunschweig - Luisa-Maxime Huss)
                                                             ▪ Arg: Verbraucher misst den „Tap Tags“ eine Bedeutung als
                                                               authentische redaktionelle Mitteilung zu, obgleich aber der
                                                               Werbecharakter überwiegt
                                                               (OLG Köln - Diana zur Löwen)

                                                                                                                          13
„Tap Tags“
 ohne Entgelt oder sonstige Vergütung
 Aktuell: BGH, Urteil vom 9.9.2021 - I ZR 125/20, 126/20, 90/20 - Influencer I, II , III

▪ Eine Influencerin, die Waren und Dienstleistungen anbietet und über ihren Auftritt in sozialen Medien (hier: Instagram) bewirbt,
  nimmt mit ihren in diesem Auftritt veröffentlichten Beiträgen regelmäßig geschäftliche Handlungen zugunsten ihres eigenen
  Unternehmens vor.
▪ Erhält eine Influencerin für einen werblichen Beitrag in sozialen Medien eine Gegenleistung, stellt diese Veröffentlichung eine
  geschäftliche Handlung zugunsten des beworbenen Unternehmens dar.
▪ Erhält eine Influencerin für einen in sozialen Medien veröffentlichten Beitrag mit Bezug zu einem Drittunternehmen keine
  Gegenleistung, stellt diese Veröffentlichung eine geschäftliche Handlung zugunsten des Drittunternehmens dar, wenn der
  Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, also einen werblichen Überschuss enthält, so dass die
  Förderung fremden Wettbewerbs eine größere als nur eine notwendigerweise begleitende Rolle spielt (Fortführung von BGH,
  Urteil vom 9. Februar 2006 - I ZR 124/03, GRUR 2006, 875 Rn. 23 = WRP 2006, 1109 - Rechtsanwalts-Ranglisten).

                                                                                                                                     14
„Tap Tags“
 ohne Entgelt oder sonstige Vergütung

Aktuell: BGH, Urteil vom 9.9.2021 - I ZR 125/20, 126/20, 90/20 - Influencer I, II , III

(P) Wann ist ein Beitrag werblich übertrieben?
                                                                                          Nicht ausreichend für
Ob ein Beitrag einer Influencerin in sozialen Medien einen zur Annahme einer              werblichen Überschuss:
geschäftlichen Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens erforderlichen
werblichen Überschuss enthält, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der               Alleinige Verwendung von „Tap
gesamten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der          Tags“
Gestaltungsmerkmale (z.B. gepostete Produktfotos, redaktioneller Kontext, Verlinkung
auf Internetseiten von Drittunternehmen) zu beurteilen. Der Umstand, dass die
Influencerin Bilder mit "Tap Tags" versehen hat, um die Hersteller der abgebildeten       In der Regel ausreichend für
Waren zu bezeichnen, genügt als solcher nicht, um einen werblichen Überschuss der         werblichen Überschuss:
Instagram-Beiträge anzunehmen. Die Verlinkung auf eine Internetseite des
Herstellers des abgebildeten Produkts beinhaltet hingegen regelmäßig einen                Verlinkung auf eine Internetseite
werblichen Überschuss, auch wenn auf der verlinkten Seite des Herstellers der             des Herstellers des abgebildeten
Erwerb von Produkten nicht unmittelbar möglich ist.                                       Produkts genügt in der Regel

                                                                                                                              15
„Tap Tags“
  ohne Entgelt oder sonstige Vergütung

 Aktuell: BGH, Urteil vom 9.9.2021 - I ZR 125/20, 126/20, 90/20 - Influencer I, II , III

(P) Wie muss der kommerzielle Zweck gekennzeichnet werden?

Der nach § 5a Abs. 6 UWG erforderliche Hinweis auf den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung muss so deutlich
erfolgen, dass er aus der Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers,
der zur angesprochenen Gruppe gehört, auf den ersten Blick und zweifelsfrei hervortritt. Der im Textteil eines in sozialen
Medien veröffentlichten Beitrags erscheinende Hinweis auf den kommerziellen Zweck reicht regelmäßig nicht aus, um den
kommerziellen Zweck eines auf der neben dem Text angeordneten Abbildung erscheinenden "Tap Tags" als Werbung zu
kennzeichnen.

Der kommerzielle Zweck eines in sozialen Medien veröffentlichten werblichen Beitrags einer Influencerin zugunsten eines
Drittunternehmens ergibt sich nicht im Sinne des § 5a Abs. 6 UWG unmittelbar aus dem Umstand, dass die Influencerin nicht nur zu
rein privaten Zwecken, sondern auch zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Es reicht nicht aus, dass sich für die
Adressaten aus den Umständen überhaupt eine kommerzielle Zweckverfolgung ergibt, sondern es muss jeder mit einem
Kommunikationsakt verfolgte kommerzielle Zweck erkennbar sein.

Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines die Verlinkung auf die Internetseite eines Drittunternehmens
enthaltenden "Tap Tags" ist regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung - das Anklicken des Links -
zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

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Anpassung des UWG
1.4   zum 28. Mai 2022
Anpassung des UWG
zum 28. Mai 2022

(P) Verbraucher werden durch überobligatorische
Kennzeichnungen in den Sozialen Medien getäuscht;
Warnwirkung der Kennzeichnung geht verloren
 Reaktion des Gesetzgebers in Umsetzung der Richtlinie (EU)
  2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates
  vom 27. November 2019 zur besseren Durchsetzung und
  Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union
  („New Deal for Consumers“)

Am 28. Mai 2022 tritt das Gesetz zur Stärkung des Verbraucher-
schutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht in Kraft:
▪ Ergänzung der Definition zur geschäftlichen Handlung in
  § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG
▪ Neufassung § 5a UWG durch Regelungen zur Kenntlichmachung
  von Handlungen ohne Gegenleistung in § 5a Abs. 4, S. 2 und 3
  UWG n.F.

                                                                 18
Anpassung des UWG
zum 28. Mai 2022

§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F.:
„‚geschäftliche Handlung‘ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder
eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das
mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen
oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder
Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch
Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale
Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen;“

▪ Für eine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen        ▪ Die bloße Hoffnung auf eine Gegenleistung ist ebenso nicht
  Unternehmens braucht es den unmittelbaren Zusammenhang         „unmittelbar“.
  zwischen Verhalten und Absatzförderung.                      ▪ Eine geschäftliche Handlung zugunsten des fremden
▪ Unentgeltliche Empfehlungen im Hinblick auf die Steigerung     Unternehmens liegt weiter vor.
  der eigenen Bekanntheit / Attraktivität für künftige
  Partnerunternehmen reichen ausweislich der
  Gesetzesbegründung nicht mehr aus.

                                                                                                                              19
Anpassung des UWG
zum 28. Mai 2022

§ 5a Abs. 4 UWG n.F.:
„Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung
nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt,
und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen
Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls
nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten
eines fremden Unternehmers nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder
keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer
erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer
Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er
eine solche nicht erhalten hat.“

▪ Der geschäftlichen Handlung zugunsten des fremden               ▪ Beweislast beim Influencer:
  Unternehmens durch Empfehlungen liegt jedoch kein                 Kaufbeleg oder eidesstattliche Versicherung
  kommerzieller Zweck zugrunde, sofern die Empfehlung
  unentgeltlich erfolgt.

                                                                                                                  20
Anpassung des UWG
zum 28. Mai 2022

Kritik:
▪ Konflikt mit Art. 7 II UGP-RL:                              ▪ Der sowieso anzustellenden Einzelfallbetrachtung ist durch
  Dort ist eine Gegenleistung für die Annahme für eines         höchstrichterliche Rechtsprechung und Fallgruppenbildung
  kommerziellen Zwecks nicht Voraussetzung                      eher geholfen, als durch die abstrakte Novellierung des
                                                                UWG. Gem. § 543 II S. 1 Nr. 2 ZPO obliegt die „Fortbildung
▪ Laut Gesetzesbegründung ist kein zeitlich unmittelbarer       des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
  Zusammenhang zwischen Post und Gegenleistung                  Rechtsprechung“ dem Bundesgerichtshof. Die Influencer-
  notwendig: Liegt ein kommerzieller Zweck vor, wenn            Entscheidungen belegen eindrucksvoll, wie dies gelingen
  Unternehmen unentgeltlichen Influencern ihre Produkte         kann.
  anschließend unaufgefordert Produkte mit der Hoffnung der
  weiteren Bewerbung zusenden? Stellt die Zusendung sogar
  eine nachträgliche Gegenleistung für den ersten Post dar?
▪ Glaubhaftmachung zur Widerlegung einer gesetzlichen
  Vermutung im dem Strengbeweis unterliegenden
  Hauptsacheverfahren eigentlich systemwidrig

                                                                                                                         21
2   Werbung durch prominente Influencer
    1.1 Prominentenwerbung für OTC-Arzneimittel
    1.2 § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder 11 HWG?
Prominentenwerbung
1.1   für OTC-Arzneimittel
Prominentenwerbung
für OTC-Arzneimittel

▪ Influencer sprechen über Gesundheitsthemen, wie z.B.
  Diabetes: #diabetes hat 6,3 Mio Beiträge auf Instagram

▪ Medizinproduktehersteller oder Pharmaunternehmen vergüten
  Influencer, um passende Medizinprodukte/OTC-Arzneimittel im
  Kontext zu erwähnen

▪ Für verschreibungspflichtige Arzneimittel besteht
  gem. § 10 HWG ein Werbeverbot gegenüber Laienpublikum,
  so dass Werbung in Social Media insoweit ausscheidet

▪ Teilweise sind die Influencer sogar selbst betroffen
  und sprechen über ihre Krankheitsgeschichte

                                                                24
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
1.2   oder Nr. 11 HWG?
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
oder Nr. 11 HWG?

(P) Liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 11 HWG vor,
wenn ein Influencer auf Instagram oder anderen Plattformen Werbung
für OTC-Arzneimittel macht?

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG darf außerhalb der Fachkreise
für Arzneimittel nicht geworben werden:
   „mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von
   Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen,
   von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen
   Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittel-
   verbrauch anregen können, beziehen“

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG darf außerhalb der Fachkreise
für Arzneimittel nicht geworben werden:
   „mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit dank-, Anerkennungs- oder
   Empfehlungsschreiebn, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen,
   wenn diese in missbrächlicher, abstoßender oder irreführender Weise
   erfolgen“

                                                                          26
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
oder Nr. 11 HWG?
(P) Mega-Influencer mit großer Reichweite als Prominente?        (P) Mikro-Influencer in Nischenbereichen als Prominente?
▪ Glaubwürdigkeit von Prominenten ist größer als von             ▪ Influencer mit geringen Followerzahlen und starkem Fokus
  „Jedermann“.                                                     auf ausgewählte Themen sind wegen ihrer gesteigerten
                                                                   Authentizität (teilweise durch eigene Erkrankungen) ebenso
▪ Arzneimittelnachfrage der Verbraucher wird nicht durch
                                                                   glaubwürdig für Verbraucher.
  sachliche Information, sondern durch unsachliche,
  vermeintlich neutrale Empfehlungen gesteuert.                  ▪ Es besteht eine ähnliche Gefährdungslage durch unsachliche
                                                                   Beeinflussung.
▪ Laienpublikum kann Arzneimittel nicht mit eigener Sachkunde
  bewerten und ist durch eigene Krankheitsgeschichte umso        ▪ Trotzdem erfolgt eine Einordnung als Prominente nur bei
  anfälliger für Werbung.                                          enorm hohen Interaktionsquote und Marktdurchdringung
                                                                   innerhalb gewisser Zielgruppen.
Mega-Influencer sind Prominente. Weiterhin ist zu unter-
scheiden, ob prominente Person als reines Werbegesicht           Im Regelfall sind Mikro-Influencer daher keine Prominenten:
(kein Werbeverbot) oder individuelle Gewährsperson für
konkrete Arzneimittel (Werbeverbot) auftritt (OLG Karlsruhe -    § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG (-)
Ursula Karven). Für prominente Influencer liegt fast immer ein
konkreter Produktbezug nahe.                                     Aber: § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG (+/-) bei missbräuchlichen
                                                                 Empfehlungen (anwendbar bei Medizinprodukten)
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG (+); aber (-) bei
Medizinprodukten, da nicht anwendbar (vgl. § 11 Abs. 1 S. 2
HWG; BGH v. 1 Februar 2018, Az I ZR 82 17 Gefäßgerüst)

                                                                                                                                27
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
oder Nr. 11 HWG?
(P) Werbung für Medizinprodukte mit prominenten Ärzten
zulässig?

Ärzten ist es gemäß §3 Abs, 1 M-BO verboten, ihren Namen
in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung in
unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben.
Ebenso wenig dürfen sie zulassen, dass von ihrem Namen
oder vom beruflichen Ansehen der Ärztinnen und Ärzte in
solcher Weise Gebrauch gemacht wird. Des Weiteren ist
gemäß § 27 Abs. 3 S. 4 M-BO eine Werbung für eigene oder
fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte im
Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit ist unzulässig.

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Treuepunkte
3   für ein „Like“auf Facebook
Treuepunkte
für ein „Like“ auf Facebook

LG Bonn, Urteil vom 04.12.2020,
Az. 14 O 82/19

Sachverhalt
▪ Apotheke veranstaltet Treuepunkte-Aktion für Verbraucher
▪ Treuepunkte konnten gegen Prämien eingetauscht werden
▪ Apotheke vergibt für ein „Like“ der unternehmenseigenen
  Facebook-Seite zwei Treupunkte
▪ Die „Likes“ der unternehmenseigenen Facebook-Seite bestehen
  also zu einem Teil aus Bewertungen von Nutzern, die ein
  „Like“ nur aufgrund der Gewinnmöglichkeit vergeben haben
▪ Abmahnung durch die Wettbewerbszentrale

                                                                30
Treuepunkte
für ein „Like“ auf Facebook
(P) Liegt ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG insoweit vor, als dass mit
bezahlten Empfehlungen Werbung gemacht wurde?

Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG (+)
▪ Bei „Likes“ auf unternehmenseigener Facebook-Seite handelt es sich um bezahlte
  Empfehlungen, wenn die „Likes“ aufgrund einer Werbeaktion getätigt wurden
▪ Der Durchschnittverbraucher geht bei Facebook-Seiten davon aus, dass die
  vorhandenen „Likes“ neutral und unbeeinflusst zustande gekommen sind.
▪ Äußerungen Dritter wirken in der Werbung objektiv und werden daher im
  Allgemeinen höher bewertet als eigene Aussagen des Werbenden.
▪ Durch die fehlende Offenlegung auf der Facebook- Seite werden die Verbraucher
  getäuscht
▪ Das Urteil liegt auf einer Linie mit LG Stuttgart, Beschluss vom 06.08.2014, Az. 37
  O 34/14, juris; sowie OLG Frankfurt, Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 U 14/19 , MMR
  2019, 529, die Werbung mit gekauften „Likes“ als auch der Kauf von „Likes“
  ebenfalls als wettbewerbswidrig ansehen
▪ a.A.: LG Hamburg v. 10.01.2013, Az. 327 O 438/11 zu Facebook-Gewinnspiel:
  Betätigung des "Gefällt mir"-Buttons ist rein unverbindliche Gefallensäußerung

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Ihr Ansprechpartner

Dr. Daniel Tietjen ist auf die Beratung und Vertretung nationaler
und internationaler Unternehmen aus der Life Sciences-Branche
spezialisiert. Seine Expertise erstreckt sich unter anderem auf
alle Bereiche des Pharma-, Medizinprodukte-, Heilmittelwerbe-,
Lauterkeits- und Markenrechts.
Seit mehr als zehn Jahren koordiniert und begleitet er
                                                                    Dr. Daniel Tietjen
wettbewerbsrechtliche und markenrechtliche Streitigkeiten für
seine Mandanten und er verfügt neben diesem besonderen              Partner
Litigation-Fokus auch über große Erfahrung in der                   München
                                                                    +49 89 21038-155
regulatorischen sowie der Compliance-Beratung, gerade auch in       d.tietj en@taylorw essing.com

den genannten Rechtsgebieten.
                                                                    Beratungsschwerpunkte
Im Rahmen der Prozessführung und der Beratung seiner
                                                                    ▪ Patents Technology & Life Sciences
Mandanten zeichnet sich Daniel Tietjens Beratungsstil durch eine    ▪ Life Sciences & Healthcare
große Mandantenorientierung und seine Fähigkeit aus,
sachgerechte und effiziente Lösungen für rechtliche
Problemstellungen zu finden.

                    Private and Confidential                                                               32
Europa > Mittlerer Osten > Asien                                                                                                                                                                                            taylorwessing.com
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