Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media - MedTech Update 2022 - Taylor Wessing
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Rechtsfragen zur Bewerbung von Medizinprodukten in Social Media MedTech Update 2022 17. Februar 2022 | Dr. Daniel Tietjen Private & Confidential
Inhalt 1 Schleichwerbung auf Instagram mittels Influencer „Tap Tags“ 3 2 Werbung durch prominente Influencer 21 3 Treuepunkte für ein „Like“ auf Facebook 27 2
Schleichwerbung auf Instagram 1 mittels Influencer „Tap Tags“ 1.1 Was sind „Tap Tags“? 1.2 „Tap Tags“ gegen Entgelt oder sonstige Vergütung 1.3 „Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung 1.4 Änderung des UWG zum 28. Mai 2022
Was sind „Tap Tags“? ▪ Influencer auf Instagram verlinken die Produkte in ihren Bildbeiträgen direkt mit den Namen der Hersteller bzw. den zugehörigen Marken ▪ Nutzer klicken auf den Bildbeitrag und über den Produkten in den Bildbeiträgen werden Icons mit den entsprechenden Links sichtbar (engl. „Tap Tags“) ▪ Nutzer klicken bei Interesse auf diese „Tap Tags“ und werden oft unmittelbar auf die Herstellerwebsite weitergeleitet ▪ Auf der Herstellerwebsite kann das identische Produkt oft direkt bestellt werden 5
„Tap Tags“ gegen Entgelt oder sonstige Vergütung (P) Welche Vorschriften kommen in Betracht, wenn der Influencer den Beitrag bzw. die „Tap Tags“ nicht mit dem Begriff „Werbung“ kennzeichnet? Irreführung durch Unterlassen (+) gem. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 a Abs. 6 UWG: „(6) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ ✓ Kommerzieller Zweck (+) (Geld, aber auch Ermäßigungen) ✓ Nicht erkennbar aus Umständen (+) Bei Medizinprodukten zusätzlich: ✓ Eignung zur Verbraucherbeeinflussung (+) • § 3 S. 2 Nr. 2 lit c) HWG • § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 HWG (nur bei Publikumswerbung außerhalb der Fachkreise) 7
„Tap Tags“ gegen Entgelt oder sonstige Vergütung Weitere Vorschriften zur Schleichwerbung ▪ § 6 Abs. 1 S. 1 TMG i.V.m. § 3a UWG (wenn audiovisueller Inhalt) ▪ § 22 Abs. 1 S. 1 MStV (bis April 2020 § 58 RStV) i.V.m. § 3a UWG (zumeist fehlt es an der Linearität des Sendeformats) 8
„Tap Tags“ ohne Entgelt 1.3 oder sonstige Vergütung
„Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung (P) Liegt auch dann ein Verstoß vor, wenn der Aber: ungekennzeichnete „Tap Tag“ sogar ohne Entgelt oder sonstige Vergütung erfolgt? §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 a Abs. 6 UWG (+/–) Bei der Frage, ob eine Irreführung durch Unterlassen Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (–), gem. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 a Abs. 6 UWG vorliegt, da es an einem „finanzierten Einsatz redaktioneller Inhalte“ kam die obergerichtliche Rechtsprechung in den letzten fehlt. Jahren zu unterschiedlichen Ergebnissen. KG Berlin v. 08.01.2019 - 5 U 83/18 (Vreni Frost) § 6 Abs. 1 S. 1 TMG i.V.m. § 3a UWG (–), denn § 2 S. 1 Nr. 5 lit. b) TMG macht eine „kommerzielle OLG Braunschweig v. 13.05.2020 - 2 U 78/19 (Luisa-Maxime Kommunikation“ von einer Gegenleistung abhängig. Huss) OLG München v. 25.06.2020 - 29 U 2333/19 (Cathy Hummels) § 22 Abs. 1 S. 1 MStV i.V.m. § 3a UWG (–), § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV OLG Hamburg v. 02.07.2020 - 15 U 142/19 (Leonie Hanne) erfasst im Anwendungsbereich zwar auch Eigenwerbung, in Frage steht jedoch die Linearität. OLG Karlsruhe v. 09.09.2020 - 6 U 38/19 (Pamela Reif) OLG Köln v. 19.02.2021 - 6 U 103/20 (Diana von der Löwen) 10
„Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung e. A. kein Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG a. A. Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG 1. Keine geschäftliche Handlung 1. Geschäftliche Handlung mit kommerziellem Zweck ▪ Arg: Keine Absatzförderung eigenes Unternehmen, da zwar ▪ Arg: Absatzförderung eigenes Unternehmen, da ein subjektive Intention zur Akquirierung bezahlter objektiver Zusammenhang durch die Steigerung der Partnerschaften besteht, dadurch aber nicht der erforderliche Attraktivität für künftige Partner vorliegt; Teilweise sogar objektive Zusammenhang zwischen Publikation & konsequente Ausgestaltung als „Business-Account“; Absatzförderung erfüllt wird Influencer profitieren von Auflösung optischer und akustischer (OLG München - Cathy Hummels) Trennlinien von redaktionellen und kommerziellen Inhalten ▪ Arg: Keine Absatzförderung verlinktes Unternehmen, (OLG Karlsruhe - Pamela Reif); sondern vorrangige Informationsbefriedigung; „Tap Tags“ ▪ Arg: Absatzförderung verlinktes Unternehmen, da gehören zum redaktionellen Teil der Beiträge und sind wie redaktioneller Beitrag durch die direkt verlinkte Einkaufs- Modezeitschriften zu behandeln; Absatzförderung ist bloßer möglichkeit einen Werbeüberschuss aufweist; Reflex der Selbstdarstellung Keine redaktionellen Antworten, da die wirtschaftlichen (OLG München - Cathy Hummels) Bedürfnisse der Verbraucher durch die Influencer selbst geweckt wurden (OLG Karlsruhe - Pamela Reif) 11
„Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung e. A. kein Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG a. A. Verstoß gegen § 5 Abs. 6 UWG 2. Werbung erkennbar aus den Umständen 2. Werbung nicht erkennbar aus den Umständen ▪ Arg: Durchschnittsverbraucher weiß, dass Influencer ▪ Arg: Selbst followerstarke Profile sind nicht stets kommerziell Werbeverträge abschließen und erkennt auf den ersten Blick, und die vermeintliche Authentizität lässt Verbraucher ganz dass „Tap Tags“ der Steigerung des Marktwerts dienen im Gegensatz zu offen werbefinanzierten Beiträgen (OLG München - Cathy Hummels) unkritisch; Zum Schutz der Verbraucher ist deswegen anders ▪ Arg: Einkleidung kommerzieller Interessen in vorgeblich als bei herkömmlicher Printwerbung eine Kennzeichnung Privates wird deutlich: Verifizierter Account mit „blauem erforderlich (OLG Köln - Diana zur Löwen) Haken“ und 1,7 Mio. Followern als Indiz für Imagepflege und ▪ Arg: Absatzförderung für verlinktes Unternehmen ist nicht den Betrieb aus kommerziellen Erwägungen; Verbraucher erkennbar, da Verbraucher nicht für sämtliche erkennbare wissen, dass ein öffentlicher Auftritt und kein privater Produkte von einem kommerziellen Zweck ausgeht; Ziel ein Austausch mit Freunden vorliegt und steuern den Auftritt über privat anmutendes Näheverhältnis zu schaffen; Auch „blauer den Account-Namen gezielt an; Hohe Qualität der Bilder Haken“ und Followerzahl dokumentieren lediglich, dass spricht gegen private Schnappschüsse; Große mediale Influencer eigene Unternehmen sind; „Tap Tags“ führen nicht Aufmerksamkeit und Omnipräsenz des Influencer-Marketings stets zu Produkten, sondern auch zu anderen Accounts (OLG Hamburg - Leonie Hanne) (OLG Karlsruhe - Pamela Reif; Das Gericht differenziert aber und erachtet die Eigenwerbung für künftige Partnerschaften als für Verbraucher offensichtlich und bekannt) 12
„Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung e. A. kein Verstoß gegen § 5 a Abs. 6 UWG a. A. Verstoß gegen § 5 a Abs. 6 UWG 3. Ungeeignet Verbraucher zu Entscheidung zu veranlassen 3. Geeignet Verbraucher zu Entscheidung zu veranlassen ▪ Arg: Erst das Anklicken des „Tap Tags“ ist geschäftliche ▪ Arg: Gerade wegen der mangelnden Kennzeichnung als Handlung; Verbraucher rechnen aber mit Werbung und Werbung werden die Verbraucher zunächst veranlasst, wollen die gleichen Produkte haben; Aus welchen Gründen dem Beitrag überhaupt in größerem Maße Beachtung zu Influencer Produkt vorstellt, ist zweitrangig schenken als im Fall seiner Kennzeichnung; Verlinkung (OLG Hamburg - Leonie Hanne) führt direkt oder mittelbar zu Bestellmöglichkeit (OLG Karlsruhe - Pamela Reif) ▪ Arg: Verbraucher verstehen Influencer als Vorbild und folgen ihrem Beispiel bei einer Empfehlung, welcher sie auf Grund ihrer scheinbar privaten Natur eine größere Objektivität und Neutralität beimessen (OLG Braunschweig - Luisa-Maxime Huss) ▪ Arg: Verbraucher misst den „Tap Tags“ eine Bedeutung als authentische redaktionelle Mitteilung zu, obgleich aber der Werbecharakter überwiegt (OLG Köln - Diana zur Löwen) 13
„Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung Aktuell: BGH, Urteil vom 9.9.2021 - I ZR 125/20, 126/20, 90/20 - Influencer I, II , III ▪ Eine Influencerin, die Waren und Dienstleistungen anbietet und über ihren Auftritt in sozialen Medien (hier: Instagram) bewirbt, nimmt mit ihren in diesem Auftritt veröffentlichten Beiträgen regelmäßig geschäftliche Handlungen zugunsten ihres eigenen Unternehmens vor. ▪ Erhält eine Influencerin für einen werblichen Beitrag in sozialen Medien eine Gegenleistung, stellt diese Veröffentlichung eine geschäftliche Handlung zugunsten des beworbenen Unternehmens dar. ▪ Erhält eine Influencerin für einen in sozialen Medien veröffentlichten Beitrag mit Bezug zu einem Drittunternehmen keine Gegenleistung, stellt diese Veröffentlichung eine geschäftliche Handlung zugunsten des Drittunternehmens dar, wenn der Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, also einen werblichen Überschuss enthält, so dass die Förderung fremden Wettbewerbs eine größere als nur eine notwendigerweise begleitende Rolle spielt (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. Februar 2006 - I ZR 124/03, GRUR 2006, 875 Rn. 23 = WRP 2006, 1109 - Rechtsanwalts-Ranglisten). 14
„Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung Aktuell: BGH, Urteil vom 9.9.2021 - I ZR 125/20, 126/20, 90/20 - Influencer I, II , III (P) Wann ist ein Beitrag werblich übertrieben? Nicht ausreichend für Ob ein Beitrag einer Influencerin in sozialen Medien einen zur Annahme einer werblichen Überschuss: geschäftlichen Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens erforderlichen werblichen Überschuss enthält, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der Alleinige Verwendung von „Tap gesamten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der Tags“ Gestaltungsmerkmale (z.B. gepostete Produktfotos, redaktioneller Kontext, Verlinkung auf Internetseiten von Drittunternehmen) zu beurteilen. Der Umstand, dass die Influencerin Bilder mit "Tap Tags" versehen hat, um die Hersteller der abgebildeten In der Regel ausreichend für Waren zu bezeichnen, genügt als solcher nicht, um einen werblichen Überschuss der werblichen Überschuss: Instagram-Beiträge anzunehmen. Die Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts beinhaltet hingegen regelmäßig einen Verlinkung auf eine Internetseite werblichen Überschuss, auch wenn auf der verlinkten Seite des Herstellers der des Herstellers des abgebildeten Erwerb von Produkten nicht unmittelbar möglich ist. Produkts genügt in der Regel 15
„Tap Tags“ ohne Entgelt oder sonstige Vergütung Aktuell: BGH, Urteil vom 9.9.2021 - I ZR 125/20, 126/20, 90/20 - Influencer I, II , III (P) Wie muss der kommerzielle Zweck gekennzeichnet werden? Der nach § 5a Abs. 6 UWG erforderliche Hinweis auf den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung muss so deutlich erfolgen, dass er aus der Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der zur angesprochenen Gruppe gehört, auf den ersten Blick und zweifelsfrei hervortritt. Der im Textteil eines in sozialen Medien veröffentlichten Beitrags erscheinende Hinweis auf den kommerziellen Zweck reicht regelmäßig nicht aus, um den kommerziellen Zweck eines auf der neben dem Text angeordneten Abbildung erscheinenden "Tap Tags" als Werbung zu kennzeichnen. Der kommerzielle Zweck eines in sozialen Medien veröffentlichten werblichen Beitrags einer Influencerin zugunsten eines Drittunternehmens ergibt sich nicht im Sinne des § 5a Abs. 6 UWG unmittelbar aus dem Umstand, dass die Influencerin nicht nur zu rein privaten Zwecken, sondern auch zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Es reicht nicht aus, dass sich für die Adressaten aus den Umständen überhaupt eine kommerzielle Zweckverfolgung ergibt, sondern es muss jeder mit einem Kommunikationsakt verfolgte kommerzielle Zweck erkennbar sein. Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines die Verlinkung auf die Internetseite eines Drittunternehmens enthaltenden "Tap Tags" ist regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung - das Anklicken des Links - zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. 16
Anpassung des UWG 1.4 zum 28. Mai 2022
Anpassung des UWG zum 28. Mai 2022 (P) Verbraucher werden durch überobligatorische Kennzeichnungen in den Sozialen Medien getäuscht; Warnwirkung der Kennzeichnung geht verloren Reaktion des Gesetzgebers in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union („New Deal for Consumers“) Am 28. Mai 2022 tritt das Gesetz zur Stärkung des Verbraucher- schutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht in Kraft: ▪ Ergänzung der Definition zur geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ▪ Neufassung § 5a UWG durch Regelungen zur Kenntlichmachung von Handlungen ohne Gegenleistung in § 5a Abs. 4, S. 2 und 3 UWG n.F. 18
Anpassung des UWG zum 28. Mai 2022 § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F.: „‚geschäftliche Handlung‘ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen;“ ▪ Für eine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen ▪ Die bloße Hoffnung auf eine Gegenleistung ist ebenso nicht Unternehmens braucht es den unmittelbaren Zusammenhang „unmittelbar“. zwischen Verhalten und Absatzförderung. ▪ Eine geschäftliche Handlung zugunsten des fremden ▪ Unentgeltliche Empfehlungen im Hinblick auf die Steigerung Unternehmens liegt weiter vor. der eigenen Bekanntheit / Attraktivität für künftige Partnerunternehmen reichen ausweislich der Gesetzesbegründung nicht mehr aus. 19
Anpassung des UWG zum 28. Mai 2022 § 5a Abs. 4 UWG n.F.: „Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.“ ▪ Der geschäftlichen Handlung zugunsten des fremden ▪ Beweislast beim Influencer: Unternehmens durch Empfehlungen liegt jedoch kein Kaufbeleg oder eidesstattliche Versicherung kommerzieller Zweck zugrunde, sofern die Empfehlung unentgeltlich erfolgt. 20
Anpassung des UWG zum 28. Mai 2022 Kritik: ▪ Konflikt mit Art. 7 II UGP-RL: ▪ Der sowieso anzustellenden Einzelfallbetrachtung ist durch Dort ist eine Gegenleistung für die Annahme für eines höchstrichterliche Rechtsprechung und Fallgruppenbildung kommerziellen Zwecks nicht Voraussetzung eher geholfen, als durch die abstrakte Novellierung des UWG. Gem. § 543 II S. 1 Nr. 2 ZPO obliegt die „Fortbildung ▪ Laut Gesetzesbegründung ist kein zeitlich unmittelbarer des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Zusammenhang zwischen Post und Gegenleistung Rechtsprechung“ dem Bundesgerichtshof. Die Influencer- notwendig: Liegt ein kommerzieller Zweck vor, wenn Entscheidungen belegen eindrucksvoll, wie dies gelingen Unternehmen unentgeltlichen Influencern ihre Produkte kann. anschließend unaufgefordert Produkte mit der Hoffnung der weiteren Bewerbung zusenden? Stellt die Zusendung sogar eine nachträgliche Gegenleistung für den ersten Post dar? ▪ Glaubhaftmachung zur Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung im dem Strengbeweis unterliegenden Hauptsacheverfahren eigentlich systemwidrig 21
2 Werbung durch prominente Influencer 1.1 Prominentenwerbung für OTC-Arzneimittel 1.2 § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder 11 HWG?
Prominentenwerbung 1.1 für OTC-Arzneimittel
Prominentenwerbung für OTC-Arzneimittel ▪ Influencer sprechen über Gesundheitsthemen, wie z.B. Diabetes: #diabetes hat 6,3 Mio Beiträge auf Instagram ▪ Medizinproduktehersteller oder Pharmaunternehmen vergüten Influencer, um passende Medizinprodukte/OTC-Arzneimittel im Kontext zu erwähnen ▪ Für verschreibungspflichtige Arzneimittel besteht gem. § 10 HWG ein Werbeverbot gegenüber Laienpublikum, so dass Werbung in Social Media insoweit ausscheidet ▪ Teilweise sind die Influencer sogar selbst betroffen und sprechen über ihre Krankheitsgeschichte 24
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 1.2 oder Nr. 11 HWG?
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 11 HWG? (P) Liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 11 HWG vor, wenn ein Influencer auf Instagram oder anderen Plattformen Werbung für OTC-Arzneimittel macht? Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel nicht geworben werden: „mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittel- verbrauch anregen können, beziehen“ Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel nicht geworben werden: „mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiebn, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbrächlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen“ 26
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 11 HWG? (P) Mega-Influencer mit großer Reichweite als Prominente? (P) Mikro-Influencer in Nischenbereichen als Prominente? ▪ Glaubwürdigkeit von Prominenten ist größer als von ▪ Influencer mit geringen Followerzahlen und starkem Fokus „Jedermann“. auf ausgewählte Themen sind wegen ihrer gesteigerten Authentizität (teilweise durch eigene Erkrankungen) ebenso ▪ Arzneimittelnachfrage der Verbraucher wird nicht durch glaubwürdig für Verbraucher. sachliche Information, sondern durch unsachliche, vermeintlich neutrale Empfehlungen gesteuert. ▪ Es besteht eine ähnliche Gefährdungslage durch unsachliche Beeinflussung. ▪ Laienpublikum kann Arzneimittel nicht mit eigener Sachkunde bewerten und ist durch eigene Krankheitsgeschichte umso ▪ Trotzdem erfolgt eine Einordnung als Prominente nur bei anfälliger für Werbung. enorm hohen Interaktionsquote und Marktdurchdringung innerhalb gewisser Zielgruppen. Mega-Influencer sind Prominente. Weiterhin ist zu unter- scheiden, ob prominente Person als reines Werbegesicht Im Regelfall sind Mikro-Influencer daher keine Prominenten: (kein Werbeverbot) oder individuelle Gewährsperson für konkrete Arzneimittel (Werbeverbot) auftritt (OLG Karlsruhe - § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG (-) Ursula Karven). Für prominente Influencer liegt fast immer ein konkreter Produktbezug nahe. Aber: § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG (+/-) bei missbräuchlichen Empfehlungen (anwendbar bei Medizinprodukten) § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG (+); aber (-) bei Medizinprodukten, da nicht anwendbar (vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 HWG; BGH v. 1 Februar 2018, Az I ZR 82 17 Gefäßgerüst) 27
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 11 HWG? (P) Werbung für Medizinprodukte mit prominenten Ärzten zulässig? Ärzten ist es gemäß §3 Abs, 1 M-BO verboten, ihren Namen in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben. Ebenso wenig dürfen sie zulassen, dass von ihrem Namen oder vom beruflichen Ansehen der Ärztinnen und Ärzte in solcher Weise Gebrauch gemacht wird. Des Weiteren ist gemäß § 27 Abs. 3 S. 4 M-BO eine Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit ist unzulässig. 28
Treuepunkte 3 für ein „Like“auf Facebook
Treuepunkte für ein „Like“ auf Facebook LG Bonn, Urteil vom 04.12.2020, Az. 14 O 82/19 Sachverhalt ▪ Apotheke veranstaltet Treuepunkte-Aktion für Verbraucher ▪ Treuepunkte konnten gegen Prämien eingetauscht werden ▪ Apotheke vergibt für ein „Like“ der unternehmenseigenen Facebook-Seite zwei Treupunkte ▪ Die „Likes“ der unternehmenseigenen Facebook-Seite bestehen also zu einem Teil aus Bewertungen von Nutzern, die ein „Like“ nur aufgrund der Gewinnmöglichkeit vergeben haben ▪ Abmahnung durch die Wettbewerbszentrale 30
Treuepunkte für ein „Like“ auf Facebook (P) Liegt ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG insoweit vor, als dass mit bezahlten Empfehlungen Werbung gemacht wurde? Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG (+) ▪ Bei „Likes“ auf unternehmenseigener Facebook-Seite handelt es sich um bezahlte Empfehlungen, wenn die „Likes“ aufgrund einer Werbeaktion getätigt wurden ▪ Der Durchschnittverbraucher geht bei Facebook-Seiten davon aus, dass die vorhandenen „Likes“ neutral und unbeeinflusst zustande gekommen sind. ▪ Äußerungen Dritter wirken in der Werbung objektiv und werden daher im Allgemeinen höher bewertet als eigene Aussagen des Werbenden. ▪ Durch die fehlende Offenlegung auf der Facebook- Seite werden die Verbraucher getäuscht ▪ Das Urteil liegt auf einer Linie mit LG Stuttgart, Beschluss vom 06.08.2014, Az. 37 O 34/14, juris; sowie OLG Frankfurt, Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 U 14/19 , MMR 2019, 529, die Werbung mit gekauften „Likes“ als auch der Kauf von „Likes“ ebenfalls als wettbewerbswidrig ansehen ▪ a.A.: LG Hamburg v. 10.01.2013, Az. 327 O 438/11 zu Facebook-Gewinnspiel: Betätigung des "Gefällt mir"-Buttons ist rein unverbindliche Gefallensäußerung 31
Ihr Ansprechpartner Dr. Daniel Tietjen ist auf die Beratung und Vertretung nationaler und internationaler Unternehmen aus der Life Sciences-Branche spezialisiert. Seine Expertise erstreckt sich unter anderem auf alle Bereiche des Pharma-, Medizinprodukte-, Heilmittelwerbe-, Lauterkeits- und Markenrechts. Seit mehr als zehn Jahren koordiniert und begleitet er Dr. Daniel Tietjen wettbewerbsrechtliche und markenrechtliche Streitigkeiten für seine Mandanten und er verfügt neben diesem besonderen Partner Litigation-Fokus auch über große Erfahrung in der München +49 89 21038-155 regulatorischen sowie der Compliance-Beratung, gerade auch in d.tietj en@taylorw essing.com den genannten Rechtsgebieten. Beratungsschwerpunkte Im Rahmen der Prozessführung und der Beratung seiner ▪ Patents Technology & Life Sciences Mandanten zeichnet sich Daniel Tietjens Beratungsstil durch eine ▪ Life Sciences & Healthcare große Mandantenorientierung und seine Fähigkeit aus, sachgerechte und effiziente Lösungen für rechtliche Problemstellungen zu finden. Private and Confidential 32
Europa > Mittlerer Osten > Asien taylorwessing.com © Taylor Wessing 2022 Diese Publikation stellt keine Rechtsberatung dar. Die unter der Bezeichnung Taylor Wessing tätigen Einheiten handeln unter einem gemeinsamen Markennamen, sind jedoch rechtlich unabhängig voneinander; sie sind Mitglie der des Taylor Wessing Vereins bzw. mit einem solchen Mitglied verbunden. Der Taylor Wessing Verein selbst erbringt keine rechtlichen Dienstleistungen. Weiterführende Informationen sind in unserem Impressum unter taylo rwessing.com/de/legal/regulatory-information zu finden.
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