Rechtspopulismus in Europa - Fragen und Antworten ALEXANDER BOETTCHER - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
PERSPEKTIVE Rechtspopulismus in Europa Fragen und Antworten ALEXANDER BOETTCHER August 2011 Worum geht es? Die rechtspopulistische Fortschrittspartei (FrP) Norwegens als Tat eines verrückten Einzelnen abgetan werden kann distanziert sich mit deutlichen Worten von ihrem ehema- oder ob die rechtspopulistische Stimmung im Land, die ligen Parteimitglied Anders Behring Breivik, der am 22. die FrP mitgeschaffen hat, ihren Teil dazu beigetragen Juli 2011 die Anschläge von Oslo und Utøya verübte und hat. Doch Norwegen ist kein Sonderfall. Europaweit fin- dabei mehr als 70 Menschen ermordete. In einem über den rechtspopulistische Parteien steigende Zustimmung 1500 Seiten langen Manifest rechtfertigt der Norweger in der Bevölkerung und etablieren sich zunehmend in seine Tat und legt sein islamfeindliches und europakriti- den nationalen Parlamenten. Darum ist eine differen- sches Weltbild dar, das den Stempel rechtspopulistischer zierte Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtspopu- Propaganda trägt. Daher konfrontiert sich Norwegen lismus, seiner europaweiten Ausbreitung und möglichen momentan mit der Frage, ob das grausame Massaker Gegenstrategien längst notwendig geworden. Populismus, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus – wo ist der Unterschied? Populismus bezeichnet einen Politikstil, der sich volks- Rechtspopulismus setzt zwar auch auf eine vertikale nah gibt, Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölke- Volk-Elite Dichotomie (»die da oben«), bedient sich aber rung für eigene Zwecke und Ziele schürt und vermeint- auf horizontaler Ebene verstärkt der Ausgrenzung und lich einfache und klare Lösungen für politische Probleme Beleidigung bestimmter (Rand-) Gruppen in der Gesell- anbietet (schwarz-weiß Schema). Populismus ist originär schaft (»Überfremdung«). »Populistische Bewegungen ohne politische Zuordnung (»Ideologie ohne Weltan- sind ein Phänomen gesellschaftlicher Modernisierungs- schauung«, Frank Decker 2006: 11) und damit sowohl krisen«, erklärt der Politikwissenschaftler Frank Decker, links als auch rechts der politischen Mitte zu finden. »sie treten auf, wenn infolge zu raschen Wandels oder zu Durch eine aggressive agitatorische und exklusorische großer Verwerfungen bestimmte Bevölkerungsgruppie- Identitäts- und Nationalpolitik sowie der Bedienung von rungen die Orientierung verlieren und von Zukunftsangst Ressentiments wird Populismus zum Rechtspopulismus geplagt werden« (Frank Decker 2009). Insofern leben (vgl. Bauer 2011: 6ff). Rechtspopulisten von Krisen und ihr Ziel ist der kurzfris- tige Erfolg (vgl. Bauer 2011: 9f).
Alexander Boettcher | Rechtspopulismus in Europa Rechtsextremismus ist eine Steigerung des Rechtspo- ethnisch homogene Gemeinschaft, die in einem totalitär pulismus, indem diesem eine antidemokratische Ideolo- regierten Nationalstaat aufgeht, propagiert. Insofern gie inhärent ist, welche von rassisch oder ethnisch be- kann Rechtspopulismus als salonfähige oder moderni- dingten sozialen Ungleichheiten der Menschen ausgeht. sierte Form von Rechtsextremismus bezeichnet werden Im Rechtsextremismus wird der Individualismus aufge- (vgl. Bauer 2010: 5f). geben und stattdessen wird eine kollektivistisch und Wie äußert sich Rechtspopulismus? Die Mehrheit der rechtspopulistischen Parteien in Europa postfaschistischen (italienische Alleanza Nazionale), post- gehört dem kulturalistischen Rechtspopulismus an (ex- modernen und radikal-libertären (Partij voor de Vrijheijd) klusorischer Identitäts- oder Nationalpopulismus), wo- Parteien ein (vgl. ebd.: 6). Dennoch gibt es auch Fälle bei die Übergänge zur gemäßigten Rechten, aber auch von Rechtspopulismus, die weniger leicht zu klassifi- zum Rechtsextremismus nicht selten verschwimmen zieren sind. Diese Bandbreite ist einerseits mit national (vgl. Bauer 2010: 5). Das rechtspopulistische Spektrum bedingten Faktoren, quasi dem politischen und gesell- schließt sowohl eindeutig extremistische Parteien, wie schaftlichen Zeitgeist, zu erklären, andererseits mit dem den französischen Front National oder die deutsche NPD, jeweiligen historischen und kulturellen Kontext. Dennoch als auch regional-separatistische (flämische Vlaams Be- weisen rechtspopulistische Bewegungen auf transnati- lang, italienische Lega Nord) und »gemäßigt« rechtspo- onaler Ebene charakteristische gemeinsame Merkmale pulistische Parteien (schweizerische SVP, österreichische auf, die sie zu einer – wenn auch häufig zerstrittenen – FPÖ) bis zu ultrakatholischen (Liga Polnischer Familien), »politischen Parteienfamilie« machen (vgl. ebd.: 6). Woran erkennt man rechtspopulistische Parteien? Rechtspopulistische Parteien leben von öffentlicher und Die Inszenierung des Populisten ist das Spiel mit den medialer Inszenierung und Aufmerksamkeit. Durch ge- Ängsten und der Aufbau von Feindbildern (»Islamis- zielte Tabubrüche betonen Rechtspopulisten ihre Außen- mus«) innerhalb eines Schwarz-Weiß-Schema, das von seiterrolle und machen deutlich: »der traut sich was«. einem ständigen Bedrohungsszenario ausgeht. Um ihre Insofern stellt Rechtspopulismus vielmehr eine politische Überzeugungen zu verbreiten, benötigen Populisten die Strategie als eine Ideologie dar. Durch Simplifizierungen, Boulevardpresse, die als Massenmedium die Kanalisie- provokante, demagogische Parolen und durch Über- rung und Transportierung der Botschaften übernimmt treibungen präsentiert sich der populistische Führer als und dadurch wiederum selber profitiert. In diesem Sinne »Mann des Volkes«. Dabei werden oftmals entweder ra- sind die Rechtspopulisten auch ein Produkt des modernen dikal autoritäre Lösungen oder aber Volksabstimmungen Medienzeitalters und ihre Beziehung zu den Massenme- über politische Entscheidungen gefordert, die zwar kom- dien ist eine durchaus symbiotische (vgl. Bauer 2010: 7). plexen Sachlagen nicht gerecht werden, jedoch Ausdruck eines Gegensatzes des »faulen Kompromisses« sind (vgl. Geden 8ff / Bauer 2011: 12f). 2
Alexander Boettcher | Rechtspopulismus in Europa Gegen wen richten sich rechtspopulistische Parteien? Feindbilder und Motive rechtspopulistischer Parteien sind und angegriffen. Neben der Parteien(staats)verdrossen- variabel und richten sich vor allem nach der politischen heit spielt das Thema »Immigration« beim Erfolg der Lage. Dennoch identifiziert Werner Bauer in einer Studie Rechtspopulisten die wahrscheinlich wichtigste Rolle (vgl. Bauer 2010) eine Reihe von Mustern bzw. Gemein- (»Fremd im eigenen Land«). Gerne verbreiten rechtspo- samkeiten, die bei rechtspopulistischen Bewegungen pulistische Parteien unter dem Stichwort der »Islamisie- erkennbar sind. So ist der Hauptfeind: rung Europas« Angst und Schrecken. nnDas Establishment, die politische Elite. Ihnen wirft der nnEin weiteres Feindbild stellt der Staat Israel und sein Populist Machtbesessenheit, Vetternwirtschaft sowie den Verhalten gegenüber den Palästinensern dar. Die Politik Verrat von Interessen des Volkes vor. Israels wird von den Rechtspopulisten missbraucht, um antisemitische Stimmung zu schüren (vgl. Bauer 2011: nnFernerwird auch die »Eurobürokratie« der Europäi- 8ff). schen Union von Seiten der Rechtspopulisten kritisiert Ist Rechtspopulismus ein europaweites Phänomen? Rechtspopulistische Parteien und Strömungen richten sich Während Rechtspopulismus in Osteuropa also fester Be- vor allem nach dem nationalen und kulturellen Kontext. standteil der politischen Systeme zu werden scheint, ist Deshalb muss von Fall zu Fall untersucht und differenziert dies für Westeuropa nur partiell festzustellen. Und auch werden, ob man es mit Rechtspopulismus zu tun hat, hier muss zwischen nationaler und europäischer Ebene denn dieser kann extremistische und systemfeindliche, differenziert werden. aber auch nichtextremistische und eindeutig demokra- tische Züge annehmen. Insofern ist es schwer, ein euro- paweites Phänomen feststellen zu können. Ein Blick auf die nationalen Wahlergebnisse in Westeuropa zeigt, dass rechtsextreme Parteien in Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Österreich und der Schweiz zu häufi- gen Erfolgen kommen. Nur gelegentliche Erfolge lassen sich in Deutschland, Finnland, Griechenland, Großbritan- nien, den Niederlanden und Schweden feststellen. Bisher erfolglos waren sie dagegen in Irland, Luxemburg, Spa- nien und Portugal (vgl. Bauer 2011: 21f). Für Osteuropa jedoch gilt: »Der osteuropäische Populismus steht heute im Zentrum und nicht an der Peripherie des Parteiensys- tems. Seine elektorale Basis findet er bei den »Verlierern der zweiten Modernisierung«, die sowohl Vertreter der alten Nomenklatura, große Teile der Arbeiterschaft, Teile der neuen Kleinunternehmer, aber auch viele Frauen und mittlere Angestellte umfasst« (Bauer 2010: 14). Und: »In Osteuropa ist das Bedrohungspotential keineswegs nur ›gefühlt‹, sondern sehr real« (Bauer 2010: 14). Dies und die antipolitische und antiliberale Grundstimmung sowie der Mangel an Übung in Demokratie bieten dem osteu- ropäischen Nationalpopulismus beste Entwicklungsmög- lichkeiten (Bauer 2011: 27). 3
Alexander Boettcher | Rechtspopulismus in Europa Wie stark sind Rechtspopulisten auf nationaler Ebene? Die voranschreitende Ausbreitung rechtspopulistischer In den Niederlanden konnten populistische Parteien Parteien in den nationalen Parlamenten der europäi- in den letzten Jahren immer wieder Erfolge feiern, den- schen Nationen ist drastisch und muss darum ernst ge- noch war das Ausmaß des Wahlerfolgs der Partij voor de nommen werden. Europaweit zeichnet sich ein stetiger Vrijheid (PVV) überraschend. Während sie im Jahr 2006 Machtausbau rechtspopulistischer Parteien ab, bis hin nur 5,9 Prozent der Stimmen gewinnen konnte, wurde zur Regierungsbeteiligung. So ist die rechtspopulistische sie vier Jahre später mit 15,5 Prozent zur drittstärksten Lega Nord (LN) sogar an der italienischen Regierungs Partei im Land gewählt und besetzt aktuell 24 Sitze im koalition mit Silvio Berlusconi’s Il Popolo della Libertà niederländischen Parlament. (PDL) beteiligt. Auch in den skandinavischen Ländern ist ein Rechtsruck In Bulgarien ist die Lage ähnlich beängstigend, denn spürbar. Insbesondere in Dänemark und Norwegen sind hier wird die konservative Minderheitsregierung durch rechtspopulistische Parteien längst ein fester und umfas- die rechtspopulistisch-rechtsextreme Ataka, welche sender Bestandteil des Parlaments. In Norwegen konnte über 21 Abgeordnete im Parlament verfügt, toleriert. In die Fremskrittspartiet (FrP) bei den Parlamentswahlen im Österreich (FPÖ+BZÖ) und Flandern (Vlaams Belang) Jahr 2009 22,9 Prozent der Wähler für sich gewinnen erreichen rechtspopulistische Parteien regelmäßig Wahl- und ist seitdem als zweitstärkste Partei des Landes mit ergebnisse jenseits der zehn Prozent. 41 Abgeordneten im Parlament vertreten. In Finnland ist die Unterstützung der rechtspopulistischen Partei von Länder Partei Rolle Mandate Seiten der Bevölkerung zwar etwas geringer als in Nor- Bulgarien ATAKA Tolerierung 9,4% (21) wegen, jedoch trotzdem erschreckend hoch. Im Wahljahr Dänemark DF Tolerierung 13,9% (25) 2011 konnte die Partei Perussuomalaiset (PS) 19 Prozent der Bevölkerung von ihrem Programm überzeugen. In Finnland PS Opposition 19% (39) Dänemark wird die rechtsliberale/konservative Minder- Flandern VB Opposition 15,3% (21) heitsregierung momentan von der rechtspopulistischen (Belgien) Dansk Folkeparti (DF) unterstützt. Aufgrund vorgezo- Italien LN Regierungs- 8,3/81% beteiligung (60/26*) gener Vorwahlen könnten sich die Machtverhältnisse im Land ändern. Allerdings gehen aktuelle Prognosen Niederlande PVV Tolerierung 15,5% (24) davon aus, dass die DF mit knapp 14 Prozent1 in etwa Norwegen FRP Opposition 22,9% (41) die gleiche Zustimmung erfahren wird wie auch schon Österreich FPÖ Opposition 17,5% (34) 2007. In Schweden ist der rechtspopulistische Rückhalt BZÖ Opposition 10,7% (21) in der Bevölkerung zwar noch nicht so etabliert wie in Ungarn JOBBIK Opposition 16,7% (47) Norwegen oder Dänemark, doch auch hier schaffte die * Abgeordnetenhaus und Senat Sverigedemokraterna (SD) im Jahr 2010 den Einzug ins Parlament. Seitdem repräsentieren zwanzig rechtspopu- listische Abgeordnete im schwedischen Reichstag ihre 5,7 Prozent schwedischer Wähler. 1. Vgl. Gallup-Prognosen, Juli 2011 (http://politiken.dk/politik/menings- maaleren/), abgerufen am 1.8.2011. 4
Alexander Boettcher | Rechtspopulismus in Europa Wie haben Rechtspopulistische Parteien bei der Europawahl 2009 abgeschnitten? Bei dieser Wahl bauten Rechtspopulisten vor allem auf Sitzverteilung im Europäischen Parlament Europaskepsis, Islamophobie und Nationalkonservatis- nach Fraktionen Stand: 16. Juli 2009 mus. Während sie damit besonders in England, Italien, Europäische Volkspartei Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Allianz der Liberalen und (Christdemokraten) 265 Demokraten für Europa Dänemark, Finnland und den Niederlanden Erfolge fei- 84 erten, blieb der Erfolg in Deutschland, Spanien oder Grüne / Freie Europäische Allianz Portugal aus. Dies ist auf eine Reihe nationalspezifischer 55 Faktoren zurückzuführen. In den Niederlanden schaffte es der Populist Geert Wilders der Partei für die Freiheit Europäische 736 Sitze Konservative (PVV) mit seiner euroskeptischen Haltung sowie seinem und Reformisten 54 Bedrohungsszenario einer wachsenden Islamisierung Progressive Allianz Europa der Freiheit Europas, 17 Prozent der Wählerstimmen zu gewinnen. der Sozialisten und der Demokratie und Demokraten Dabei half Wilders auch seine eigene Popularität als 184 32 charismatischer Führer, der gegen den Strom schwimmt. Vereinigte Europäische Linke / fraktionslos Nordische Grüne Linke 35 27 In Großbritannien profitierten die Rechtspopulisten zum einen von der natürlichen und stark ausgeprägten Quelle: TNS opinion in Zusammenarbeit mit dem EP britischen Euroskepsis, vor allem aber von innenpoliti- Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de schen Problemen, ausgelöst durch die Wirtschaftskrise. Bundeszentrale für politische Bildung, 2009, www.bpb.de So war es für die rechtsradikale British National Party (BNP) leicht, in Labour-Hochburgen mit Slogans wie »British Jobs for British Workers« auf Kosten von Im- sind. Europapolitische Themen waren in Rumänien, migranten Stimmen zu gewinnen. In Österreich profi- Bulgarien und Griechenland bei der Europawahl nicht tierte der Rechtspopulist Hans-Peter Martin von seiner besonders von Bedeutung. Vielmehr ist der Erfolg der anti-europäischen Haltung und erhielt damit 16 Prozent Großrumänienpartei (PRM) mit 8,65 Prozent, der bul- der Stimmen. Dafür instrumentalisierte auch Martin die garischen Ataka (11,96 Prozent) sowie der griechischen Angst vor dem Islam und betrieb einen regelrechten Kul- LAOS (7,15 Prozent) als »Denkzettel« für das nationale turwahlkampf. In Dänemark und Finnland profitierten Krisenmanagement zu verstehen. Ungarn ist insofern die Rechtspopulisten Morten Messerschmidt, Chef der das einzige Land, dass aus dem Rahmen zu fallen scheint, dänischen Dansk Folkeparti (DF), und Timo Soni, Chef denn hier ist der Wahlerfolg der national konservativen der Partei Perussuomalaiset (PS), auf deutsch »Wahre Fidesz (56 Prozent) und der rechtsradikalen Jobbik (15 Finnen«, vor allem von ihren hohen Popularitätswerten. Prozent) vor allem mit innenpolitischen und wirtschaftli- Beide sind charismatische Führer und beide gehören zu chen Missständen, aber auch deren radikalen Hetze ge- Parteien, die bereits in nationalen Parlamenten etabliert gen Immigranten, Homosexuelle und Juden zu erklären. Gibt es politische Strategien gegen Rechtspopulismus? Es gibt keinen Königsweg, um Rechtspopulisten erfolg- ner kontinuierlichen, kontroversen, aber auch sachlich reich zu bekämpfen. Genau wie Rechtspopulisten Pro- geführten Debatte. Zu erkennen, was die Gesellschaft dukte des nationalen Zeitgeistes sind, genauso können bewegt, gehört zur Aufgabe ihrer demokratischen immer nur individuelle länderspezifische Antworten ge- Vertreter. Auch darf rechtspopulistische »Eliten-Kritik« geben werden. Entgegen ihrer eigenen politischen Ant- nicht per se als falsch dargestellt werden, sondern muss worten, ist das Phänomen Rechtspopulismus zu komplex sorgfältig reflektiert werden – es darf kein Eindruck von für simple Bekämpfungsstrategien. Die gesellschaftlichen Ignoranz entstehen. Ängste und Befürchtungen, derer sich Rechtspopulisten bedienen, sind auch ohne ihre Präsenz vorhanden und Bei der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten ist müssen ernstgenommen werden. Insofern bedarf es ei- die Bekämpfung einer bestimmten Organisationsform 5
Alexander Boettcher | Rechtspopulismus in Europa oder eines einzelnen Aspekts von Rechtsradikalismus ten besetzten Themen entschärfen, indem sie sachliche nicht ausreichend. Es ist vielmehr wichtiger, die sozialen Lösungen anbieten. Diese Lösungen müssen dann auch Verwurzelungen zu analysieren und dort entsprechend die Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen, ohne dass mit der Problemlösung zu beginnen. Dabei kann es auch Rechtsradikale dies als ein Entgegenkommen ihrer Politik helfen, selber Verantwortung zu übernehmen: Wichtig reklamieren können. Die demokratischen Parteien dürfen ist, dass Spitzenpolitiker und Führungspersonen sich ih- Rechtspopulisten nicht die Möglichkeit geben, sich als rer Vorbildfunktion bewusst sind und öffentlich entspre- unschuldig Ausgegrenzte des Systems darzustellen. Zu- chend verhalten. Der Umgang mit Rechtspopulisten ist sammengefasst bedeutet »offensive Eindämmung« also dennoch sehr schwierig. Weder politische Quarantäne, die Entkräftung der rechtspopulistischen Behauptungen noch partielle oder volle Kooperation sind als grundsätz- und Forderungen, ohne sie dabei inhaltlich oder politisch liche Lösung zu betrachten (vgl. Geden 2007: 12f). aufzuwerten (vgl. ebd. 17f). Das Dilemma liegt in der Natur des Populismus – bei Insbesondere die Sozialdemokratie muss sich der Aus- Nichtbeachtung, aber genauso bei Kooperation, profi- breitung rechtspopulistischer Parteien und Werte mit al- tiert letztlich der Rechtspopulismus. Insofern müssen ler Kraft entgegenstellen. Nicht nur weil ihre Gesinnung nationale und politische Umstände und Konstellationen stark von den rechtspopulistischen Anschauungen ab- analysiert und bewertet werden. Unabhängig davon ver- weicht, sondern vor allem auch aufgrund des gemein- spricht der Ansatz einer »offensiven Eindämmung« den samen Wählerstamms. Denn besonders Arbeiter, als die größten Erfolg. Das bedeutet konkret, dass innerhalb der Stammwählerschaft der Sozialdemokraten, verfallen politischen Arena zwischen Nichtbeachtung und Koope- gerne rechtspopulistischer Schwarzmalerei (vgl. Lodenius ration abgewägt werden muss, ohne der populistischen et al. 2011: 3). Ferner trägt die Sozialdemokratie eine Rechten Einfluss oder inhaltliche Deutungshoheit zu er- herausragende Verantwortung, da sie im Verbund mit möglichen (vgl. Kösemen 2009: 16f). den Gewerkschaften über die organisatorischen Fähig- keiten verfügt, die feste Etablierung rechtspopulistischer Etablierte demokratische Parteien sollten sich zu keiner Parteien auf nationaler Ebene erfolgreich zu hemmen Zeit in politische Abhängigkeit von Rechtspopulisten be- (vgl. Lodenius et.al 2011: 9). geben. Sie müssen vielmehr die von den Rechtspopulis- Literatur Bauer, T. Werner (2010): Rechtspopulismus in Europa. Vergängliches Geden, Oliver (2007): Rechtspopulismus. Funktionslogiken – Gelegen- Phänomen oder auf dem Weg zum politischen Main-stream, Berlin, heitsstrukturen – Gegenstrategien, SWP-Studie, Berlin. Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse. Kösemen, Orkan (2009): Strategien gegen die radikale Rechte in Eu- Bauer, T. Werner (2011): Rechtsextreme und rechtspopulistische Par- ropa, Bertelsman Stiftung, Gütersloh, abrufbar unter: http://www.ber- teien in Europa, Wien, Aktualisierte Fassung, abrufbar unter: http://www. telsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_30023_30024_2.pdf politikberatung.or.at/typo3/fileadmin/02_Studien/6_europa/Rechte_Par- Lodenius, Anna-Lena/ Wingborg, Mats (2011): Radikale rechtspo- teien.pdf pulistische Parteien in den Nordischen Ländern. Gemein-samkeiten, Decker, Frank/ Lewandowsky, Marcel (2009): Populismus. Er- Unterschiede und Erklärungsansätze, Berlin, Friedrich-Ebert-Stiftung, scheinungsformen, Entstehungshintergründe und Folgen eines politi- Internationale Politikanalyse. schen Phänomens, BpB, Berlin, abrufbar unter: http://www1.bpb.de/ themen/85B6F3,0,Populismus.html Decker, Frank (Hrsg.) (2006): Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Wiesbaden. 6
Über den Autor Impressum Alexander Boettcher hat an der Universität Jena Politik und Friedrich-Ebert-Stiftung Neuere Geschichte studiert. Er beschäftigt sich neben den Internationale Politikanalyse | Abteilung Internationaler Dialog Gebieten Parteienentwicklung und Rechtspopulismus mit der Hiroshimastraße 28 | 10785 Berlin | Deutschland Außen- und Sicherheitspolitik der Türkei. Verantwortlich: Dr. Gero Maaß, Leiter Internationale Politikanalyse Tel.: ++49-30-269-35-7745 | Fax: ++49-30-269-35-9248 www.fes.de/ipa Bestellungen/Kontakt hier: info.ipa@fes.de Die Internationale Politikanalyse (IPA) ist die Analyseeinheit der Abteilung Internationaler Dialog der Friedrich-Ebert-Stiftung. In unseren Publikationen und Studien bearbeiten wir Schlüsselthemen der europäischen und internationalen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Unser Ziel ist die Entwicklung von politischen Handlungsempfehlungen und Szenarien aus der Perspektive der Sozialen Demokratie. Diese Publikation erscheint im Rahmen der Arbeitslinie »Internationaler Monitor Soziale Demokratie«, Aktualisierung und Überarbei- tung: Sarah Kraus. Redaktion: Jan Niklas Engels, Jan.Engels@fes.de. ISBN 978-3-86872-842-2 Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind nicht notwendigerweise die der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Sie können auch lesen