S3-Leitlinie: Unkomplizierte Harnwegsinfektionen - Bayerisches ...
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S3-Leitlinie: Unkomplizierte Harnwegsinfektionen Unkomplizierte Harnwegsinfektionen, zu erheblichen Herausforderungen und Kos- An wen richtet sich die am häufigsten durch die Erregerspezies ten im Gesundheitssystem führt [1-4]. aktualisierte Leitlinie? Escherichia coli verursacht, zählen zu den häufigsten Infektionen und führen daher Diese Leitlinie richtet sich damit an alle Arzt- fachübergreifend zu einem hohen Anti- Ziele der aktualisierten Leitlinie gruppen, die sich mit der Diagnose, Therapie biotikaverordnungsvolumen. Das höchste und Prävention akuter unkomplizierter Harn- Antibiotikaverordnungsvolumen nach Ta- Die aktualisierte S3-Leitlinie der Arbeitsge- wegsinfektionen befassen. gesdosen pro Arzt weisen HNO- und Kin- meinschaft Wissenschaftlich Medizinischer derärzte auf, gefolgt von Urologen, Haut- Fachgesellschaften (AWMF) mit ihren auf ak- tueller wissenschaftlicher Evidenz sowie kon- Wie erfolgte die und Hausärzten [1]. sentierten Expertenmeinungen basierenden Leitlinien-Aktualisierung? Empfehlungen und Statements verfolgt daher Das Resistenzniveau von Erregern unkom- das Ziel, einen rationalen Einsatz antimikro- Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) plizierter Harnwegsinfektionen, vor allem bieller Substanzen bei Harnwegsinfektionen war federführend bei der Aktualisierung der Gram-negativer Erreger ist in den vergange- zu forcieren, einen unangemessenen Einsatz interdisziplinären Leitlinie. Auf eine Finan- nen Jahren signifikant gestiegen. Zudem ist bestimmter Antibiotikaklassen und damit die zierung durch die pharmazeutische Industrie Entwicklung von Resistenzen zu vermeiden. wurde bewusst verzichtet, Themen und Inhalte bekannt, dass verschiedene Antibiotikasub- „Antibiotic-Stewardship-Aspekte“ haben die der Leitlinie wurden so in keiner Weise beein- stanzen einen unterschiedlichen Selektions- therapeutischen Empfehlungen der Leitlinie flusst. Die vollständige konsentierte S3-Leitli- druck auf die an der Infektion beteiligten wesentlich geprägt. Eine breite Implementie- nie hat eine Gültigkeit bis 2022 und steht auf bakteriellen Erreger ausüben, aber auch auf rung in alle behandelnden Fachgruppen ist der Webseite der AWMF und anderen beteilig- die nicht an der Infektion beteiligte Stand- notwendig, um eine vorausschauende Anti- ten Gesellschaften zum kostenlosen Herunter- ortflora. Antibiotikaresistenzen stellen da- biotikapolitik zu gewährleisten und damit eine laden in Kurz- und Langversion zur Verfügung her ein steigendes globales Problem dar, das Versorgungsverbesserung zu erzielen. [5]. Die Leitlinienarbeitsgruppe setzt sich aus 552 Bayerisches Ärzteblatt 11/2017
Titelthema Dr Jennifer Kranz, Dr. Stefanie Schmidt, Apl. Professor Dr. Dr. h. c. Kurt Naber Vertretern der beteiligten Fachgesellschaften Reserveantibiotika (insbesondere der Fluor- neue Studien differenzierter dargestellt zusammen: DGU, UroEvidence@Deutsche Ge- chinolone und Cephalosporine). werden. sellschaft für Urologie, Berlin, Deutsche Ge- sellschaft für Allgemein- und Familienmedizin » Die Empfehlung zur symptomatischen Be- » Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und (DEGAM), Deutsche Gesellschaft für Gynäko- handlung unkomplizierter Harnwegsinfek- Prophylaxe (nicht antibiotische- und anti- logie und Geburtshilfe (DGGG), Deutsche Ge- tionen konnten aufgrund neuer Evidenz biotische Maßnahmen) rezidivierender Harn- sellschaft für Nephrologie (DGfN), Deutsche bestärkt werden. wegsinfektionen wurden implementiert. Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM), Deutsche Gesellschaft für Infektiolo- » Mögliche Kollateralschäden durch unter- gie (DGI), Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Che- schiedliche Antibiotika sind umfangreicher Welche Patientengruppen sollten motherapie (PEG), Deutsche Gesellschaft für dargestellt und wurden in den Empfehlun- voneinander unterschieden werden? Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin gen explizit berücksichtigt. (DGKL), ICA-Deutschland e. V., Förderverein Patientengruppen mit unkomplizierten Harn- Interstitielle Zystitis (ICA), Arbeitskreis Kran- » Die Bedeutung einer asymptomatischen wegsinfektionen (wichtige Definitionen der kenhaus- und Praxishygiene der AWMF sowie Bakteriurie bei Schwangeren konnte durch Leitlinie siehe Infokasten) sollten hinsichtlich dem Bundesverband Deutscher Krankenhaus- apotheker (ADKA). Die Empfehlungsgrade (je nach Stärke der Emp- Evidenzgrad Empfehlungsgrad fehlung: soll/soll nicht, sollte/sollte nicht, kann) Bezeichnung Bezeichnung wurden von den Mitgliedern der Leitlinien- gruppe unter Bezugnahme auf die Einteilung nach Abbildung 1 ausgesprochen. Hoch Starke Empfehlung A Klasse I „soll“ Wesentliche Neuerungen der aktualisierten S3-Leitlinie Mäßig Empfehlung B Klasse II „sollte“ » Überarbeitete Empfehlungen zur antibio- tischen Therapie unkomplizierter Harn- Schwach Empfehlung offen C wegsinfektionen. Diese erweitern einerseits Klasse III, IV, V „kann“ das therapeutische Spektrum durch die Keine Aussage möglich D Aufnahme neuer Antibiotika, gleichzeitig verstärken sie die Empfehlungen gegen Abbildung 1: Von der Evidenz zur Empfehlung – Visualisierung der klinischen Beurteilung als Prozess der den unkritischen Einsatz nicht indizierter kriteriengestützten Konsensus-Entscheidung Bayerisches Ärzteblatt 11/2017 553
Titelthema Diagnostik, Therapie und Prävention unterschie- Wie diagnostiziere ich eine Praktisch (außerhalb von Studien) ist eine mög- den werden: lichst präzise Diagnose kein Selbstzweck, son- unkomplizierte Harnwegsinfektion? dern dient zur Therapieentscheidung. Diese soll » Nicht-schwangere Frauen in der Prämeno- einerseits den individuellen Patienten vor Kom- pause ohne sonstige relevante Begleiter- Trotz ihrer Häufigkeit und Bedeutung in der täg- plikationen schützen und Symptome beheben, krankungen (Standardgruppe), lichen Praxis stellt die korrekte Diagnose einer andererseits das Risiko einer Übertherapie mit behandlungsbedürftigen Harnwegsinfektion unnötiger Induktion von Resistenzen minimie- » Schwangere ohne sonstige relevante eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Die Sicherung ren. Indikationen für die Durchführung einer Begleiterkrankungen, der Diagnose allein aufgrund klinischer Kriterien Urinkultur sind Abbildung 2 zu entnehmen. ist mit einer Fehlerquote von bis zu einem Drit- » Frauen in der Postmenopause ohne sonstige tel behaftet [6, 7]. Nur die Durchführung einer Empfohlen werden daher – je nach Patienten- relevante Begleiterkrankungen, Urinkultur mit Bestimmung auch niedriger Er- gruppe – spezifische diagnostische Strategien, regerzahlen, Differenzierung und Empfindlich- da sich Art und Häufigkeit von Komplikationen » Jüngere Männer ohne sonstige relevante keitsprüfung, könnte in der Zusammenschau mit in einzelnen Patientengruppen unterscheiden. Begleiterkrankungen, den klinischen Symptomen die diagnostische Im Folgenden werden nur die Statements/Emp- Ungenauigkeit verringern (Goldstandard). Eine fehlungen für die Standardgruppe genannt » Patienten mit Diabetes mellitus und stabiler solche Maximaldiagnostik bei nicht selektierten (nicht schwangere Frauen in der Prämeno- Stoffwechsellage ohne sonstige relevante Patienten ist jedoch weder ökonomisch sinnvoll pause). Für die anderen definierten Patienten- Begleiterkrankungen. [8], noch im Alltag praktikabel. gruppen sind die aktuellen Empfehlungen und Statements der Leitlinie zu entnehmen. Eine einmalige moderate bis starke Hämatu- rie (sichtbares Blut im Urin) kommt bei ca. 20 Prozent der Patientinnen beim Vorliegen einer hämorrhagischen unkomplizierter Zystitis vor. Trotzdem kann es sich dabei um eine unkom- plizierte Zystitis handeln, wenn die sonstigen Kriterien dafür erfüllt sind. Wichtige Definitionen der S3-Leitlinie Nicht schwangere Frauen in der Unkomplizierte Harnwegsinfektion Prämenopause (Standardgruppe) Eine Harnwegsinfektion wird als unkompliziert eingestuft, wenn im Harntrakt keine relevan- Diagnostik der akuten unkomplizierten Zystitis ten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen Bei Frauen, die keine Risikofaktoren für kom- und keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen vorliegen, die eine Harn- plizierte Harnwegsinfektionen aufweisen, typi- wegsinfektion bzw. gravierende Komplikationen begünstigen. sche Symptome (Schmerzen beim Wasserlassen, Pollakisurie, imperativer Harndrang) beklagen, keine vaginalen Beschwerden (Juckreiz, verän- Zystitis derter Ausfluss) haben, bei denen kein Fieber Eine untere Harnwegsinfektion (Zystitis) wird angenommen, wenn sich die akuten und kein Flankenschmerz vorliegt, kann das Symptome nur auf den unteren Harntrakt beziehen, zum Beispiel neu aufgetretene Vorliegen einer unkomplizierten Zystitis mit Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), imperativer Harndrang, Pollakisurie, hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden Schmerzen oberhalb der Symphyse. (Evidenzgrad – EG – IIa). Eine Urinkultur ist bei Frauen mit eindeutiger klinischer Symptomatik Pyelonephritis einer unkomplizierten, nicht rezidivierenden Eine obere Harnwegsinfektion (Pyelonephritis) sollte dann angenommen werden, wenn oder therapierefraktären Zystitis nicht erfor- sich bei den akuten Symptomen, zum Beispiel Flankenschmerz, ein klopfschmerzhaftes derlich. Bei der Erstmanifestation einer akuten Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) finden. Harnwegsinfektion oder, falls die Patientin dem Arzt nicht bekannt ist, sollte daher eine Anam- Asymptomatische Bakteriurie nese und gegebenenfalls eine symptombezoge- Bei der asymptomatischen Bakteriurie wird in der Regel eine Kolonisation, nicht aber eine ne ärztliche Untersuchung erfolgen (EG V-B). Infektion angenommen. Eine klinisch symptomatische Harnwegsinfektion muss von einer Mit dem validierten Fragebogen ACSS (Acute asymptomatischen Bakteriurie unterschieden werden, was sowohl für das diagnostische als Cystitis Symptom Score) [9, 10] kann aufgrund auch therapeutische Vorgehen wichtig ist. Deshalb soll ein Begriff wie „asymptomatische klinischer Kriterien die Diagnose einer unkom- Harnwegsinfektion“ nicht mehr verwendet werden, da er missverständlich ist und nicht plizierten Zystitis mit hoher Sicherheit gestellt, zwischen beiden Formen unterscheidet. der Schweregrad der Beschwerden einge- schätzt, der Verlauf beobachtet und der Thera- pieeffekt messbar gemacht werden (EG IIb). Rezidivierende Harnwegsinfektion Eine rezidivierende Harnwegsinfektion wird angenommen, wenn eine Rezidivrate von Diagnostik der akuten unkomplizierten mehr als zwei symptomatischen Episoden innerhalb von sechs Monaten oder mehr als drei Pyelonephritis symptomatische Episoden innerhalb von zwölf Monaten vorliegt. Bei Verdacht auf eine akute unkomplizierte Py- elonephritis, also dem Vorliegen von zum Bei- 554 Bayerisches Ärzteblatt 11/2017
Titelthema Keine Therapie, keine Kultur, asymp- Nein tomatische Bakteriurie/asymptomati- sche Dauerkatheterträger Symptomatischer Patient mit spezieller Patient – Dysurie, Algurie, Indikation, zum Beispiel Nein Pollakisurie, Fieber, Kopf- Schwangerschaft, Intervention schmerzen, Leukozyten im Harntrakt Bakterienkultur mit Empfindlichkeits- Ja prüfung, gezielte Therapie sobald Empfindlichkeitstestung vorliegt Ja Kalkulierte Therapie, Kultur nur Zu- Unkomplizierte Zystitis Klinische Entscheidung: Ja Ja nahme der regionalen Resistenzsitu- der Frau mit geringem Eindeutiger Fall für Therapie ation gegenüber Standardantibiotika Risiko Nein, nicht sicher Nein Andere Patienten, zum Beispiel obe- re Harnwegsinfektion, komplizierte Nitritnachweis positiv? Ja Harnwegsinfektion Nein Ausnahmen, zum Beispiel Schwan- Ja Leukozytennachweis positiv? gerschaft; dann weiter unter Patient mit spezieller Indikation Nein Reevaluation der klinischen Symptomatik Bakterienkultur mit Empfindlichkeits- prüfung UND kalkulierte Therapie Optionen nach individueller Entscheidung: » abwartendes Offenlassen, gegebenenfalls mit symptomatischer Behandlung Gezielte Therapie sobald Identifizie- » kalkulierte antibiotische Therapie rung bzw. Empfindlichkeitsprüfung » weitere Abklärung (gegebenenfalls gynäkologische, nephrologische, vorliegen urologische Untersuchung) Abbildung 2: Entscheidungsbaum – Diagnostik und Therapie bei symptomatischen Patienten (klinisch-mikrobiologischer Diagnostikpfad). Bayerisches Ärzteblatt 11/2017 555
Titelthema spiel Flankenschmerz, einem klopfschmerzhaf- einmalig eine Sonografie erfolgen. Eine wei- Behandlung der akuten unkomplizierten ten Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) folgt tere invasive Diagnostik sollte nicht erfolgen Zystitis (Standardgruppe) die Anamnese den allgemeinen Grundsätzen. (EG Ib-B). Jedoch sollten bei Patientinnen mit Die Spontanheilungsraten der akuten unkom- Zusätzlich soll eine körperliche Untersuchung einer persistierenden Hämaturie oder persis- plizierten Zystitis sind hoch und liegen nach und Urinuntersuchung einschließlich Kultur tierendem Nachweis von anderen Erregern als einer Woche bei etwa 30 bis 50 Prozent. Bei durchgeführt werden (EG V-A). Zudem sollen Escherichia coli weitere Untersuchungen zum der Therapie geht es deshalb im Wesentlichen zum Ausschluss von komplizierenden Faktoren Beispiel Urethrozystoskopie sowie eine weitere darum, die klinischen Symptome rascher zum weitergehende Untersuchungen (zum Beispiel Bildgebung erfolgen (EG V-B). Abklingen zu bringen. In den wenigen placebo- Sonografie) erfolgen (EG V-A). kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass mit einer Antibiotikatherapie im Vergleich Diagnostik der asymptomatischen Bakteriurie Wie behandle ich eine zu Placebo die Symptome signifikant rascher Bei nicht schwangeren Frauen ohne sonstige unkomplizierte Harnwegsinfektion? abklingen [11]. In einer aktuellen Studie von relevante Begleiterkrankungen soll kein Scree- Gágyor et al. [13] wurde der Effekt einer primär ning auf eine asymptomatische Bakteriurie er- symptomatischen Behandlung mit Ibuprofen folgen (EG Ia-A). Im Folgenden werden nur die Therapieempfeh- mit einer sofortigen antibiotischen Behandlung lungen für die Standardgruppe genannt (nicht- verglichen. Etwa zwei Drittel der Patientinnen Diagnostik rezidivierender Harnwegs- schwangere Frauen in der Prämenopause). Für mit der rein symptomatischen Behandlung ha- infektionen die anderen definierten Patientengruppen sind ben kein Antibiotikum benötigt [12]. Vor die- Bei Patientinnen mit rezidivierenden Harn- die aktuellen Empfehlungen und Statements sem Hintergrund kann Patientinnen mit einer wegsinfektionen sollte eine Urinkultur und der Leitlinie zu entnehmen. akuten unkomplizierten Zystitis eine nicht- Substanz Tagesdosierung Dauer Eradikationsrate bei Empfindlichkeit Kollateral- Sicherheit/ sensiblen Erregern schäden geringe Nebenwir- kungen (UAW) Folgende Antibiotika sollen bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis vorzugsweise eingesetzt werden Fosfomycin- 3.000 mg, 1 x tgl. 1 Tag ++ +++ +++ +++ Trometamol Nitrofurantoin 50 mg, 4 x tgl. 7 Tage +++ +++ +++ ++ Nitrofurantoin RT 100 mg, 2 x tgl. 5 Tage +++ +++ +++ ++ Retardform Nitroxolin 250 mg, 3 x tgl. 5 Tage +++ +++ +++ +++ Pivmecillinam 400 mg, 2-3 x tgl. 3 Tage +++ +++ +++ +++ Trimethoprim soll nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden, wenn die lokale Resistenzsituation von Escherichia coli > 20 Prozent liegt. Trimethoprim 200 mg, 2 x tgl. 3 Tage +++ + (+) ++ ++ (+) Folgende Antibiotika sollen bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden Cefpodoxim-Proxetil 100 mg, 2 x tgl. 3 Tage ++ ++ + +++ Ciprofloxacin 250 mg, 2 x tgl. 3 Tage +++ ++ + ++ Cotrimoxazol 160/800 mg, 3 Tage +++ + (+) ++ ++ 2 x tgl. Levofloxacin 250 mg, 1 x tgl. 3 Tage +++ ++ + ++ Norfloxacin 400 mg, 2 x tgl. 3 Tage +++ ++ + ++ Ofloxacin 200 mg, 2 x tgl. 3 Tage +++ ++ + ++ Zeichenerklärung Eradikation Empfindlichkeit Kollateralschaden Sicherheit/geringe Nebenwirkungen (UAW) +++ > 90 Prozent > 90 Prozent wenig Selektion multiresistenter Erreger, Hohe Sicherheit, geringe UAW wenig Resistenzentwicklung gegenüber der eigenen Antibiotikaklasse ++ 80 bis 90 Prozent 80 bis 90 Prozent wenig Selektion multiresistenter Erreger, Schwere UAW möglich Resistenzentwicklung gegenüber der eigenen Antibiotikaklasse + < 80 Prozent < 80 Prozent Selektion multiresistenter Erreger, n. a. Resistenzentwicklung gegenüber der eigenen Antibiotikaklasse Tabelle 1: Empfohlene empirische Antibiotika-Kurzzeittherapie der unkomplizierten Zystitis bei Frauen in der Prämenopause (Standardgruppe). Listung in alphabetischer Reihenfolge. 556 Bayerisches Ärzteblatt 11/2017
Titelthema antibiotische Behandlung angeboten werden. Bei der Entscheidung für eine Therapie sollten die Präferenzen der Patientinnen angemessen berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die primär nicht- antibiotische Behandlung, die mit der Inkaufnahme einer höheren Symptomlast einhergehen kann. Eine partizipative Entscheidungsfin- meine Anzeige dung mit den Patientinnen ist notwendig. Management der asymptomatischen Bakteriurie Für die Therapie der asymptomatischen Bakteriurie ergeben sich fol- gende Aspekte: Bei Patienten, die sich einer erwartungsgemäß schleim- hauttraumatisierenden Intervention im Harntrakt unterziehen müssen, erhöhen asymptomatische Bakteriurien das Infektionsrisiko. Deshalb soll in diesen Fällen nach einer asymptomatischen Bakteriurie gesucht und diese gegebenenfalls behandelt werden [13]. Die Evidenz liegt vor allem für die transurethrale Prostataresektion vor. Bei Eingriffen mit niedrigem Risiko, wie zum Beispiel flexibler Urethrozystoskopie, gibt es keine derartige Evidenz. Kazemier et al. zeigten, dass sich das Risiko für eine Harnwegsinfektion bei Schwangeren mit einer nicht oder mit Placebo behandelten asymp- tomatischen Bakteriurie von ca. 7,9 Prozent auf 20,2 Prozent erhöht mehr Zeit (Pyelonephritis von 0,6 Prozent auf 2,4 Prozent) [14]. Bei den nicht the- rapierten Patientinnen wurde das Risiko für eine Frühgeburt durch eine mehr Geld asymptomatische Bakteriurie jedoch nicht erhöht [15]. Unsere Kunden Aspekte der Antibiotikatherapie bewerten uns mit: Bei der Auswahl eines Antibiotikums sind folgende Kriterien zu berück- sehr gut sichtigen: » individuelles Risiko des Patienten, » Erregerspektrum und Antibiotikaempfindlichkeit, www.medas.de » Effektivität der antimikrobiellen Substanz, » unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Privatabrechnung für Ärzte Meine Medas: Von Anfang an kümmert sich Ihr persön- » Auswirkungen auf die individuelle Resistenzsituation beim Patien- licher Ansprechpartner – mit direkter Durchwahl! – um Ihre ten (Kollateralschaden) und/oder die Allgemeinheit (epidemiologi- Privatabrechnungen und übernimmt auch die Absprache mit sche Auswirkungen), Patienten und Versicherungen. » Beachtung der Grundprinzipien eines rationalen Einsatzes von Anti- Mehr Zeit: Medas-Profis denken mit, um für Ihre Praxis die biotika (Antibiotic Stewardship – ABS). Hierunter werden Strategien bestmögliche Dienstleistung zu erbringen. Aufwändige Ver- bzw. Maßnahmen verstanden, die die Qualität der Antiinfektivabe- waltungsaufgaben fallen für Sie weg. handlung bezüglich Auswahl, Dosierung, Applikation und Anwen- dungsdauer sichern, um das beste klinische Behandlungsergebnis Mehr Geld: Jede Privatliquidation wird persönlich geprüft unter Beachtung einer minimalen Toxizität für den Patienten zu und bei Bedarf mit Ihnen abgestimmt und korrigiert. Sie erreichen. werden überrascht sein, wie viel Potential darin steckt! Unterm Strich: weniger Arbeit, aber ein Umsatzplus! Aus der Gruppe der für die Therapie der unkomplizierten Zystitis prin- zipiell geeigneten oralen Antibiotika bzw. Antibiotikaklassen – Amino- Ansprechpartner: Peter Wieland | Telefon 089 14310-115 penicilline in Kombination mit einem Betalaktamase-Inhibitor, Cepha- Messerschmittstraße 4 | 80992 München losporine der Gruppe 2 und 3, Fluorchinolone, Fosfomycin-Trometa- mol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam, Trimethoprim bzw. Co- trimoxazol – ist die Gefahr für mikrobiologische Kollateralschäden in Form von Selektion multiresistenter Erreger oder einem erhöhten Risi- ko für eine Clostridium-difficile-assoziierte Colitis bei Fluorchinolonen und Cephalosporinen am höchsten. Mit Medas geht Die klinische Konsequenz einer vermehrten Resistenz gegenüber Flu- die Rechnung auf. orchinolonen und/oder Cephalosporinen sollte im Hinblick auf die not- wendige Verwendung dieser Substanzen auch bei anderen Indikationen Bayerisches Ärzteblatt 11/2017 557
Titelthema zudem als gravierender eingestuft werden als Vom Robert Koch-Institut (https://ars.rki.de/) akuten unkomplizierten Zystitis sollen Erreger- die der anderen genannten Antibiotika. Fluor- wurde die Infrastruktur für eine flächende- und Resistenzlage, Gefahr einer Resistenzin- chinolone und Cephalosporine sollen nicht als ckende Surveillance der Antibiotika-Resistenz duktion sowie individuelle patientenbezogene Antibiotika der ersten Wahl bei der unkompli- etabliert, die sowohl die stationäre Kran- Faktoren (zum Beispiel Schwere der Sympto- zierten Zystitis eingesetzt werden (Tabelle 1). kenversorgung als auch den Sektor der am- matik, Risiko von unerwünschten Arzneimittel- Ärzte, die sich mit der Therapie von Harn- bulanten Versorgung abdeckt. Damit sollen wirkungen (Tabelle 1), Rezidiven, aszendieren- wegsinfektionen befassen, sollten sich über das belastbare Daten zur Epidemiologie der Anti- den Infektionen) beachtet werden. Erregerspektrum und die Resistenzentwicklung biotika-Resistenz in Deutschland bereitgestellt in ihrer Region informieren. Quellen dafür sind sowie differenzielle Aussagen nach Struktur- Behandlung der akuten unkomplizierten nationale Studien, Auswertungen des betreu- merkmalen der Krankenversorgung und nach Pyelonephritis (Standardgruppe) enden Labors (hier ist der Selektionsbias zu Regionen möglich werden. Es besteht Konsens, dass bei der akuten un- beachten, der in der Regel zu einer Überschät- komplizierten Pyelonephritis in jedem Fall eine zung von Resistenzen führt), sowie eigene Aus- Bei der Entscheidung über die differenzierte wirksame Antibiotikatherapie so früh wie mög- wertungen. Auswahl eines Antibiotikums zur Therapie der lich zum Einsatz kommen soll, denn mögliche, Substanz Tagesdosierung Dauer Eradikationsrate bei Empfindlichkeit Kollateral- Sicherheit/ sensiblen Erregern schäden geringe Nebenwir- kungen (UAW) Orale Therapie bei leichten bis moderaten Verlaufsformen Ciprofloxacin 1 500 bis 750 mg, 7 bis 10 Tage +++ ++ + ++ 2 x tgl. Levofloxacin 750 mg, 1 x tgl. 5 Tage +++ ++ + ++ Cefpodoxim-Proxetil 200 mg, 2 x tgl. 10 Tage +++ ++ + +++ Ceftibuten 7 400 mg, 1 x tgl. 10 Tage +++ ++ + +++ Initiale parenterale Therapie bei schweren Verlaufsformen Nach Besserung kann bei Erregerempfindlichkeit eine orale Sequenztherapie mit einem der oben genannten oralen Therapieregime eingeleitet werden. Die Gesamttherapiedauer beträgt ein bis zwei Wochen, daher wird für die parenteralen Antibiotika keine Therapiedauer angegeben. Mittel der ersten Wahl Ciprofloxacin 400 mg, +++ ++ + ++ (2) bis 3 x tgl. Levoploxacin 750 mg, 1 x tgl. +++ ++ + ++ Ceftriaxon 1, 4 (1) bis 2 g, 1 x tgl. +++ ++ + +++ 2 Cefotaxim 2 g, 3 x tgl. +++ ++ + +++ Mittel der zweiten Wahl Amoxicillin/ 2,2 g, 3 x tgl. ++ + +++ +++ Clavulansäure 2, 3 Amikacin 15 mg/kg, 1 x tgl. ++ ++ ++ + (+) Gentamicin 5 mg/kg, 1 x tgl. ++ ++ ++ + (+) Cefepim 1, 4 (1) bis 2 g, 2 x tgl. +++ ++ + +++ Ceftazidim 2 (1) bis 2 g, 3 x tgl. +++ ++ + +++ Ceftazidim/Avibactam 2,5 g, 3 x tgl. +++ +++ ++ +++ Ceftolozan/ 1,5 g, 3 x tgl. +++ +++ ++ +++ Tazobactam Piperacillin/ 4,5 g, 3 x tgl. +++ +++ ++ +++ Tazobactam 1, 4 Ertapenem 4, 5 1 g, 1 x tgl. +++ +++ ++ +++ Imipenem/ 1 g/1 g, 3 x tgl. +++ +++ ++ +++ Cilastatin 1, 4, 5 Meropenem 4, 5, 6 1 g, 3 x tgl. +++ +++ ++ +++ Tabelle 2: Empfohlene empirische Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis bei Frauen in der Prämenopause (Standardgruppe). 1 Niedrige Dosierung untersucht, hohe Dosierung von Experten empfohlen. 2 Nicht bei akuter unkomplizierter Pyelonephritis als Monosubstanz untersucht. 3 Hauptsächlich für Gram-positive Erreger. 4 Gleiches Protokoll für akute unkomplizierte Pyelonephritis und komplizierter Harnwegsinfektion (Stratifikation nicht immer möglich).5 Nur bei ESBL-Resistenzen > zehn Prozent. 6 Nur hohe Dosierung untersucht. 7 In Deutschland nicht mehr im Handel. 558 Bayerisches Ärzteblatt 11/2017
Titelthema wenn auch nicht häufige Nierenschädigungen, verhalten mit dem Ziel einer Urinmenge von ca. vention über drei bis sechs Monate eingesetzt können durch die Zeitdauer, die Schwere und 1,5 l/Tag; übertriebene Intimhygiene; Gebrauch werden (EG IV-B). Die empfohlenen Wirkstof- die Häufigkeit solcher Infektionen begünstigt von Spermiziden; Rate von Harnwegsinfekti- fe sowie die Einschränkungen und Vorsichts- werden. Bei der Entscheidung über die dif- onen korreliert mit Genitalkontakten; BMI > maßnahmen bei einem Langzeitgebrauch sind ferenzierte Auswahl eines Antibiotikums zur 30 erhöht das Risiko für Harnwegsinfektionen. der Langfassung zu entnehmen. Besteht ein Therapie der akuten unkomplizierten Pyelo- Wurden diese Präventionsmaßnahmen adäquat Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr, nephritis sollen Eradikationsraten, Empfind- umgesetzt und bestehen weiterhin rezidivie- sollte als Alternative zur antibiotischen Lang- lichkeit, und Besonderheiten im Hinblick auf rende Harnwegsinfektionen, sollte vor Beginn zeitprävention eine postkoitale Einmalpräven- unerwünschte Arzneimittelwirkungen berück- einer antibiotischen Langzeitprävention das tion erfolgen. sichtigt werden (Tabelle 2). Aufgrund der im Immunprophylaktikum UroVaxom® (OM-89) Vergleich zur akuten unkomplizierten Zystitis oral über drei Monate eingesetzt werden (EG Die Zusammensetzung der Leitliniengrup- deutlich niedrigeren Prävalenz der akuten un- Ia-B), ebenfalls kann das Immunprophylakti- pe sowie die Interessenskonflikte aller komplizierten Pyelonephritis stellt der Faktor kum StroVac® (vormals Solco-Urovac®) pa- Autoren finden Sie unter www.awmf.org/ Resistenzinduktion bei der Empfehlung der renteral mit drei Injektionen in wöchentlichen uploads/tx_szleitlinien/043 - 044l_S3 _ Antibiotikatherapie einen weniger wichtigen Abständen verwendet werden (EG Ib-C). Bei Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf Faktor dar. häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann darüber hinaus Mannose empfohlen werden Das Literaturverzeichnis kann im Internet (EG Ib-C). Alternativ können verschiedene unter www.bayerisches- ärzteblatt.de Welche präventiven Maßnahmen Phytotherapeutika (zum Beispiel Präparate aus (Aktuelles Heft) abgerufen werden. kann ich bei rezidivierenden Bärentraubenblättern – maximal einen Monat, Harnwegsinfektionen ergreifen? Kapuzinerkressekraut/Meerrettichwurzel), er- wogen werden (EG Ib-C). Bei rezidivierender Zystitis der Frau soll vor jeder medikamentösen Langzeitpräventi- Bei hohem Leidensdruck der Patientin sollte Autoren on eine ausführliche Beratung der Patientin nach Versagen von Verhaltensänderungen und zur Vermeidung von Risikoverhalten erfolgen nicht-antibiotischen Präventionsmaßnahmen Dr. Jennifer Kranz 1, 2, (EG Ib-A): Unterkühlung; ausgewogenes Trink- eine kontinuierliche antibiotische Langzeitprä- Dr. Stefanie Schmidt 2, Apl. Professor Dr. Dr. h. c. Kurt Naber 3, 1 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Das Wichtigste in Kürze St. Antonius-Hospital, Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen, Unkomplizierte, bakterielle, ambulant erworbene Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen und ihre Eschweiler 2 UroEvidence@Deutsche Gesellschaft antibiotische Therapie üben aufgrund ihrer Häufigkeit einen enormen Antibiotikaselektionsdruck auf die beteiligten Bakterien aber auch auf die kollaterale Flora aus, woraus ein signifikanter für Urologie, Berlin 3 Ehem. Chefarzt Urologische Klinik Einfluss auf die Selektion antibiotikaresistenter Bakterien resultiert. St. Elisabeth, Straubing (Urologische Klinik, Ein umsichtiger Umgang mit Antibiotika in diesem Bereich ist deswegen von außerordentlichem Technische Universität München) Interesse, um auf lange Sicht die Nachhaltigkeit der antibiotischen Therapie zu sichern. Korrespondenzadresse: „Antibiotic-Stewardship-Aspekte“ haben wesentlich die therapeutischen Empfehlungen dieser Dr. Jennifer Kranz, FEBU, Klinik für Urologie Leitlinie geprägt. Die evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen der aktualisierten S3-Leitli- und Kinderurologie, St. Antonius-Hospital, nie bedürfen deswegen einer breiten Implementierung in alle mit Harnwegsinfektionen betrau- Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH ten Fachgruppen, um eine Versorgungsverbesserung zu erreichen und damit eine vorausschau- Aachen, Dechant-Deckers-Str. 8, 52249 ende Antibiotikapolitik gewährleisten zu können. Dies ist auch im Sinne der globalen Strategie Eschweiler, Tel. 02403 761261, E-Mail: der Antibiotic-Stewardship-Empfehlungen. jennifer.kranz@sah-eschweiler.de Erste Hilfe. Selbsthilfe. brot-fuer-die-welt.de/selbsthilfe IBAN: DE10100610060500500500 Bayerisches Ärzteblatt 11/2017 559
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