Rechtsschutzversicherer und Anwaltschaft: Wie entwickelt sich ein Wirbelsturm?

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Rechtsschutzversicherer und Anwaltschaft: Wie entwickelt sich
ein Wirbelsturm?
von Fachanwalt für Strafrecht, für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht Gregor Samimi, Berlin

Den Mandanten, den Rechtsschutzversicherer und die Anwaltschaft verbindet eine Dreiecksbeziehung. Nicht im-
mer verläuft sie harmonisch. Dann ist mitunter die Hilfe der Gerichte nötig: Der Beitrag führt in das Thema ein
und gibt einen Rechtsprechungsüberblick über ausgewählte Brennpunkte des Rechtsschutzversicherungsrechts.

I.    Die Unwetterfront vor Augen                           und nötigenfalls eine gerichtliche Auseinanderset-
                                                            zung. „Wenn eine Rechtsschutzversicherung ihre
Die meisten Tiefdruckgebiete lösen sich wieder auf.
                                                            Kunden über qualifizierte Anwälte informiert, ist das
Einige aber wachsen zu einem stattlichen Hurrikan
                                                            als Serviceleistung durchaus zu begrüßen. Für mich
heran. Dazu ist viel warmes Oberflächenwasser er-
                                                            ist die Grenze aber dann überschritten, wenn
forderlich, welches besonders gut verdunstet und
                                                            die Versicherten in unzulässiger Weise zur Wahl
nach oben steigt. Nachströmende feuchtwarme Um-
                                                            von Vertragsanwälten der Versicherung bewegt
gebungsluft tut im Zusammenhang mit der Erdrota-
                                                            werden sollen“, so die Ministerin weiter.
tion ihr Übriges und so entsteht ein Wirbelsturm.
                                                            Und so ist es nicht verwunderlich, wenn sich immer
1.    Der DAV und die Rechtsschutz-                         wieder Anwältinnen und Anwälte darüber beklagen,
      versicherer                                           bei einigen Rechtsschutzversicherern auf vernagelte
                                                            Fenster und Türen zu stoßen. „Heute wäre es An-
Soweit man den Wettervorhersagen vertrauen möchte,
                                                            wälten oft lieber, der Mandant wäre nicht rechtschutz-
entwickelt sich derzeit zwischen der Anwaltschaft und
                                                            versichert“, ärgert sich der Kollege BERNHARD SCHMEILZL
den Rechtsschutzversicherern ein solches Tiefdruck-
                                                            (BerlAnwBl. 10/2009, 346). Als Fazit führt er aus: „Die
gebiet mit Potenzial. Der DAV kritisiert offen: „Ange-
                                                            Zeiten, in denen die Existenz einer Rechtsschutzver-
bot und Praxis der Rechtsschutzversicherer haben sich
                                                            sicherung dem Anwalt ein Lächeln ins Gesicht trieb,
rasant verändert. Damit sind erhebliche, nicht immer
                                                            sind – wohl endgültig – vorbei.“
erfreuliche Veränderungen im Umgang mit Rechtsan-
wältinnen und Rechtsanwälten und ihren Mandanten
                                                            3.    Rechtsschutzversicherer im Fokus
verbunden.“ Einige Versicherer halten selbstbewusst
                                                                  der Verbraucherschützer
gegen und bewerben die geübte Praxis als zusätz-
lichen Service für ihre Kunden. Die Süddeutsche             Wie groß nämlich das Sparinteresse bei den Ver-
Zeitung titelt: „Teurer Lieblingsanwalt“ und stellt fest:   sicherern sein kann, zeigt sich beispielhaft an § 17
„Eigentlich darf man in Deutschland seinen Rechtsver-       Abs. 5c) cc) Allgemeine Bedingungen der Rechts-
treter frei wählen. Doch die Rechtsschutzversicherer        schutzversicherung (ARB). Darin wird der Kunde ver-
reden dabei zunehmend mit.“ Die von einigen Rechts-         pflichtet, unnötige Kostenerhöhungen zu vermei-
schutzversicherern angebotenen Anwaltspools,                den. Um zu erkennen, welches Verhalten nach dieser
Prämienvergünstigungen und Telefonhotlines                  Klausel immerhin mit dem Verlust des Versicherungs-        413
werden von der Anwaltschaft als Eingriff in bestehen-       schutzes sanktioniert wird, braucht der Versicherte
de Kundenbeziehungen mit den damit verbundenen              allerdings einiges Talent im Rätselraten. Genau die-

                                                                                                                      VRR 11/2011
wirtschaftlichen Nachteilen verstanden. Und so              se mangelnde Klarheit kritisierte der BGH (Hinweisbe-
wird sich der DAV am 19.10.2011 in Hamburg auf              schluss des BGH v. 22.5.2009 – IV ZR 352/07) bereits
dem Symposion Rechtsschutzversicherungen mit den            2009 als intransparent und unangemessene Be-
Marktveränderungen kritisch auseinandersetzen. Die          nachteiligung des Versicherungsnehmers: „Die dem
Süddeutsche Zeitung merkt spitzzüngig an: „Beim             Versicherungsnehmer aufgegebene Obliegenheit‚ …
Deutschen Anwaltverein tut man sich schwer, eine kla-       soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt
re Position zu beziehen. Schließlich weiß man ja auch       werden, …cc)… alles zu vermeiden, was eine unnöti-
die Poolanwälte in den eigenen Reihen.“                     ge Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer
                                                            Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte‘,
2.    Unterstützung vonseiten der Politik                   ist möglicherweise wegen Verstoßes gegen das Trans-
                                                            parenzgebot und das Leitbild der §§ 6, 62 VVG a.F.
Unterstützung erfährt die Anwaltschaft vonseiten
                                                            nach § 307 BGB unwirksam. Das Anwaltsverschul-
der Politik. Bayerns Justiz- und Verbraucherschutzmi-
                                                            den dürfte dem Versicherungsnehmer unter keinem
nisterin DR. BEATE MERK merkt an: „Nur wer seinen
                                                            Gesichtspunkt zuzurechnen sein, soweit es um einen
Rechtsbeistand frei wählen kann, kann seine
                                                            Verstoß gegen diese Obliegenheit geht.“
Rechte eigenverantwortlich und bestmöglich
wahrnehmen. Das müssen auch die Rechtsschutzver-            Bevor es jedoch zu einer Entscheidung über die Wirk-
sicherungen beachten. Das Versicherungsvertragsge-          samkeit der Klausel kam, erkannte der Versicherer
setz verbietet ihnen deshalb, die freie Anwaltswahl         den Anspruch seines Versicherungsnehmers an und
in Gerichts- und Verwaltungsverfahren einzuschrän-          vermied so eine gerichtliche Entscheidung. Zu-
ken.“ Hierzu fordert sie in ihrer Presseerklärung v.        vor hatte er sich geweigert, in einer arbeitsrechtli-
9.8.2011 ein Tätigwerden der Versicherungsaufsicht          chen Streitigkeit einen außergerichtlichen Klärungs-
versuch zu vergüten, weil der Anwalt aus seiner             erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine
              Sicht gleich hätte klagen müssen, um Kosten zu ver-         hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich
              meiden. Die Vorsitzende des IV. ZS beim BGH SIBYLLE         vorgeschrieben ist.“ Der RSV übersieht dabei nicht
              KESSAL-WULF spricht von einem gezielten und sys-            selten, dass die Berechnung der Kostenlastregelung
              tematischen Vorgehen, wenn Versicherer die Not-             im Vergleichsfall nicht schematisch nach dem Ver-
              bremse ziehen und den Anspruch anerkennen. „Die             hältnis von Erfolg und Misserfolg in der Haupt-
              Versicherer versuchen systematisch, Grundsatzurtei-         sache ermittelt werden darf. Vielmehr muss auf die
              le zu verhindern“, sagt KERSTIN BECKER-EISELEN, Versi-      konkrete Vergleichssituation abgestellt werden
              cherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg.           (SAMIMI, AnwaltFormulare Rechtsschutzversicherung,
              Was von der Versicherungswirtschaft bestritten wird.        2. Aufl. 2010, § 88 Rn. 14).
              Nun wollen Verbraucherschützer Klarheit in die Sa-          Diesen Gesichtspunkt hat der BGH in seiner gegen-
              che bringen. Die Verbraucherzentrale Hamburg                ständlichen Entscheidung nochmals hervorgehoben
              forderte 21 Versicherer auf, eine Unterlassungser-          und betont: „Risikoausschlussklauseln sind dabei
              klärung in Hinblick auf die Klausel abzugeben. Worauf       eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn un-
              sich zwei der Unternehmen unterworfen haben. Als 19         ter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der
              der Unternehmen dazu nicht bereit waren, zogen die          gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durch-
              Verbraucherschützer vor Gericht – mit Erfolg. Im            schnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit
              April 2011 ergingen die ersten Urteile, fast alle Gerich-   zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz
              te teilten die Auffassung der Verbraucherschützer. Le-      hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend ver-
              diglich das Gericht in Mannheim folgte der Argumenta-       deutlicht (Beschl. v. 24.6.2009 – IV ZR 110/07, VersR
              tion der Versicherungen, die sich darauf berufen, dass      2009, 1617 Rn. 10 m.w.N.).“ Vorliegend hatte es der
              es ohnehin eine gesetzliche Norm mit ähnlichem Wort-        RSV versäumt konkret vorzutragen, wie sich das
              laut wie die Klausel in den ARB gebe. Zuletzt hat das LG    behauptete Kostenzugeständnis aufschlüsselt. Damit
              Düsseldorf (12 O 360/10, JurionRS 2011, 25288) am           war der Revision Erfolg beschert. Klarstellend heißt
              27.7.2011 die ARAG und das LG Itzehoe am 21.7.2011          es: „Denn der Kläger hat mit dem Ergebnis der von
              (3 O 441/10) die Itzehoer Versicherung zur Unterlas-        ihm erzielten Einigung nicht überwiegend obsiegt. Die
              sung der beanstandeten Klausel verurteilt, teilt die Ver-   Obsiegensquote, die in den Vorinstanzen lediglich
              braucherzentrale Hamburg mit (http://www.vzhh.de).          ‚rechnerisch unstreitig‘ war, kann nicht allein nach
                                                                          dem bei Durchführung des Vergleichs zurückzuzah-
              II.   Brennpunkte des Rechtsschutz-                         lenden Kaufpreis bestimmt werden, sondern hat den
                    versicherungsrechts                                   gesamten Vergleichsinhalt zu berücksichtigen.
                                                                          Dabei ist einerseits zu bedenken, dass der Kläger nur
              Nachfolgend werden ausgewählte Brennpunkte vor-             einen Teil seines Kaufpreises zurückerhält, gleichwohl
              gestellt und es wird der Frage nachgegangen, welche         aber das erworbene Fahrzeug zurückzugeben hat,
              typischen Fälle tragen zum Entstehen von Spannungen         ohne dass klar ist, in welchem Umfang hierbei Gegen-
              bei Konflikten unter den Beteiligten bei? Durch früh-       ansprüche des Verkäufers (z.B. auf Nutzungsentschä-
              zeitige Ausmachung möglicher Konfliktfelder könnten         digung) berücksichtigt sind.“ Die Entscheidung ist im
              diese vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung ge-        Kontext mit der bereits 2006 viel beachtete Entschei-
414           löst oder sogar vollständig (z.B. durch die Einschaltung    dung des BGH – IV ZR 207/04, JurionRS 2006, 10479
              des Versicherungsombudsmanns) umgangen werden.              zu sehen. Dort hatte der BGH erstmals betont, dass
                                                                          der Anwendungsbereich der Risikoausschlussklausel
              1.    Kostenregelung bei einem Vergleich,
VRR 11/2011

                                                                          regelmäßig schon dann zu bejahen ist, wenn der vom
                    BGH, Urt. v. 25.5.2011 – IV ZR 59/09,                 Versicherungsnehmer geschlossene außergerichtliche
                    VRR 2011, 300 (LG München I)                          Vergleich keine Kostenregelung enthält, also hierzu
                                                                          schweigt (AGS 2006, 571).
              Der BGH hatte sich hier wieder mit der Frage aus-
              einanderzusetzen, ob sich der Rechtsschutzversi-
                                                                             Hinweis:
              cherer mit Erfolg darauf berufen kann, der Versiche-
              rungsnehmer habe in einem außergerichtlichen                   Ein Vergleich sollte daher entweder nur unter
              Vergleich keine ausdrückliche Regelung über die                Widerrufsvorbehalt abgeschlossen und dann
              außergerichtlichen Kosten der Parteien getroffen.              mit dem RSV abgestimmt werden oder es sollte
              In diesem Punkt sind die Rechtsschutzversicherer               lediglich ein Teilvergleich über die Hauptsa-
              besonders empfindlich, weil häufig unnötige Zuge-              che geschlossen und die Rechtsanwaltsvergütung
              ständnisse hinsichtlich der Kostentragung zulas-               hiervon ausdrücklich ausgenommen werden.
              ten des Rechtschutzversicherers (RSV) beobach-                 Hierdurch wäre klargestellt, dass eine Kostenre-
              tet werden. Die Bestimmung ist in den jeweils dem              gelung zwischen den Parteien noch nicht getrof-
              Vertragsverhältnis zugrunde liegenden „Allgemeine              fen wurde, sondern die Parteien sich Kostener-
              Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB)“            stattungsansprüche vorbehalten. Soweit der RSV
              so oder ähnlich ausgestaltet: „§ 5 Leistungsumfang:            nicht gewillt ist, den Vergleich zu akzeptieren,
              Der Versicherer trägt nicht Kosten, die im Zusam-              könnte immer noch nach alternativen Lösungs-
              menhang mit einer einverständlichen Erledigung ent-            wegen gesucht werden und es bestünde zu-
              standen sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom          mindest die Option, den RSV ggf. um Deckungs-
              Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum               schutz für die gerichtliche Auseinandersetzung
zu bitten (SAMIMI, a.a.O., § 91 Rn. 22). Alternativ        zen zu können. Oft genug erklärt der RSV nach
     könnte im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs            der in Rechnungstellung der Vergütung die Auf-
     die Entscheidung über die Kosten auch dem Ge-              rechnung mit Prämienrückständen oder anderen
     richt gem. § 91a ZPO überlassen werden. In                 offenen Forderungen z.B. aus Vorsatzverurteilun-
     diesem Fall greift der Risikoausschluss dann nicht         gen bei Unfallflucht oder Trunkenheitsfahrt. Zu-
     mehr (KNAPPMANN VRR 2011, 300). In der Praxis              dem können Versicherungsnehmer die Auszah-
     ist der hier behandelte Risikoausschluss nicht             lung der Vergütung durch ein Zahlungsverbot an
     immer bekannt oder aber die Tragweite der                  den RSV vereiteln oder Zahlung an einen anderen
     Vorschrift wird – mitunter aus Freude über den             RA verlangen. Der RSV ist an die Weisung des Ver-
     abgeschlossenen Vergleich – nicht erkannt. Spä-            sicherungsnehmers gebunden.
     testens mit der Übermittlung der Vergütungsnote
     an den Rechtsschutzversicherer wird sich dieser       3.    Anwaltsregress durch den Rechts-
     auf die Klausel berufen und einen möglicherweise            schutzversicherer, OLG Celle,
     bereits geleisteten Vorschuss zurückverlan-                 Hinweisbeschl. v. 5.7.2011 –
     gen. Dann ist es i.d.R. zu spät.                            3 U 83/10, NJW-RR 2010, 1400
                                                           Im vorliegenden Fall verlangte der RSV von dem RA
2.     Anwaltsregress durch den Rechts-
                                                           die Erstattung der Verfahrenskosten i.H.v. 584,77 €
       schutzversicherer, OLG Koblenz,
                                                           und vertrat den Standpunkt, der RA habe gegenüber
       Urt. v. 16.2.2011 – 1 U 358/10,
                                                           seinem Mandanten, dem Versicherungsnehmer der
       JurionRS 2011, 21212
                                                           Klägerin, obliegenden Pflichten verletzt, indem er
Aus der Deckungszusage des RSV kann der vom                ein als aussichtslos anzusehendes Beschwer-
Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt (RA)          deverfahren geführt habe. Er hätte den Mandanten
grds. nichts zu seinen Gunsten herleiten (so schon         über die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung
OLG Koblenz, Urt. v. 16.2.2006 – 5 U 271/05, JurionRS      aufklären und von der Durchführung des Beschwer-
2006, 20170). Der RSV hatte den RA im Wege des An-         deverfahrens abraten müssen. Das LG als Vorins-
waltsregresses auf übergegangenen Recht (§ 86              tanz hatte den Versicherungsnehmer zum Inhalt des
VVG) in Anspruch genommen, weil dieser versehent-          Beratungsgesprächs als Zeugen vernommen. Dieser
lich den falschen Beklagten in Anspruch genommen           gab an, von seinem Anwalt auf die nur geringen Er-
hatte und verlangte von diesem die Erstattung der Ver-     folgsaussichten der Rechtsverfolgung im Beschwer-
fahrenskosten. Zu Recht stellte das OLG Koblenz fest       deverfahren hingewiesen worden zu sein. „Er habe
und änderte das Urteil des LG Koblenz ab. „Die Versi-      sich jedoch, insbesondere vor dem Hintergrund der
cherungsnehmerin muss sich auch nicht nach §§ 254          Deckungszusage der Klägerin, für die Durchführung
Abs. 2 Satz 2, 278 BGB ein etwaiges unsorgfältiges         des Beschwerdeverfahrens entschieden“, so die Ur-
Verhalten der Klägerin anlässlich der Erteilung der        teilsgründe. Nach Auffassung des OLG (NJW-RR 2010,
Deckungszusage (Zusage trotz Erkennbarkeit der Un-         1400) hat der Anwalt damit „Im Verhältnis zum Ver-
schlüssigkeit der beabsichtigten Klage) entgegenhal-       sicherungsnehmer […] keine ihm aus dem Mandats-
ten lassen“, heißt es in den Urteilsgründen. Dabei         verhältnis obliegenden Pflichten verletzt. Nach dem
nimmt das OLG ausführlich Stellung zum Wesen der           substantiierten Vortrag des Beklagten, der damit die      415
Deckungszusage und betont: „Mit der Deckungszu-            ihm obliegende sekundäre Darlegungslast erfüllt hat,
sage bestätigt der Rechtsschutzversicherer seine Leis-     hat dieser seinen Mandanten über die nur geringen
tungspflicht für einen bestimmten Versicherungsfall.       Aussichten des Beschwerdeverfahrens aufgeklärt.

                                                                                                                    VRR 11/2011
Dies stellt für den Versicherungsnehmer die Grundla-       Dies war sachgerecht und ausreichend.“ Das OLG
ge für sein weiteres außergerichtliches und gericht-       weiter: „Unabhängig hiervon ist die Klägerin auch
liches Vorgehen dar und ist deshalb für ihn von we-        mit den nunmehr von ihr erhobenen Einwendungen
sentlicher Bedeutung. Die Deckungszusage ist – zum         ausgeschlossen. Die von ihr erteilte Deckungszusage
Schutz des Versicherungsnehmers – ein deklara-             stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar.
torisches Schuldanerkenntnis, das spätere Einwen-          Die Klägerin ist aufgrund dieses Anerkenntnisses mit
dungen und Einreden des Versicherers ausschließt, die      Einreden und Einwendungen, die ihr bei Abgabe des
ihm bei Abgabe der Deckungszusage bekannt waren            Anerkenntnisses bekannt waren, ausgeschlossen […]
oder die er zumindest für möglich gehalten hat bezie-      Über die Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens
hungsweise mit denen er zumindest rechnete.“               war sie bei Erteilung der Deckungszusage informiert.“

     Hinweis:                                                   Hinweis:
     Da die Deckungszusage des RSV nur Wirkung                  Mit der Deckungsanfrage sollten dem RSV alle
     gegenüber dem Versicherungsnehmer ent-                     ergangenen Entscheidungen übermittelt
     faltet ist es empfehlenswert, gegenüber dem                werden, damit sich dieser ein Bild über die Er-
     RSV immer einen angemessenen Gebühren-                     folgsaussichten machen kann. Die Übermittlung
     vorschuss einzufordern (vgl. dazu BURHOFF                  sollte per Fax erfolgen und mittels eines Sende-
     RVGreport 2011, 365). Anderenfalls läuft der               berichts dokumentiert werden. Der Zugang der
     RA Gefahr, seinen Vergütungsanspruch bei Zah-              Deckungsanfrage dürfte dann kaum noch be-
     lungsunfähigkeit des Mandanten nicht durchset-             streitbar sein (BGH NJW 2006, 2263).
4.    Prüfung der Erfolgsaussichten durch                      einem Sachkundigen nach der gebotenen Prüfung
                    den Rechtsschutzversicherer,                             mit Deutlichkeit aufdrängt (vgl. PRÖLSS/ARMBRÜS-
                    OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.1.2009 –                      TER, VVG, 27. Aufl. 2004, § 17 ARB 75 Rn. 9)“,
                    I-4 U 53/08                                              heißt es in den Urteilsgründen des LG Hannover
                                                                             (Urt. v. 13.5.2005 – 8 O 63/05, JurBüro 2006,
              Soweit sich der RSV auf die fehlenden Erfolgsaus-
                                                                             97 [LS]). Wer die Vergütung für den Stichent-
              sichten einer beabsichtigten Klage berufen will,
              kann er dies nicht nach Belieben aufschieben                   scheid trägt, hängt von den jeweiligen ARB ab
              oder gar die Deckungsanfrage gänzlich unbeantwor-              und bemisst nach dem vom Versicherer zu tra-
              tet lassen. Vielmehr ist er gehalten, dies dem Versi-          genden Kostenrisiko (es kann komfortabel un-
              cherungsnehmer unverzüglich schriftlich mitzu-                 ter Zuhilfenahme des Prozesskostenrechners un-
              teilen (eine gleichlautende Vorschrift findet sich z.B.        ter http://rvg.pentos.ag/ ermittelt werden).
              aktuell in § 3a Abs. 1 ARB 2010 eines großen RSV
                                                                        Welche Versicherungsbedingungen konkret dem
              wieder). Im zugrunde liegenden Fall hatte sich der
                                                                        Versicherungsschein zugrunde liegen, kann dem
              RSV geweigert, Deckungsschutz für die gerichtliche
                                                                        Versicherungsschein entnommen werden. Die Bedin-
              Durchsetzung eines Teilbetrags (rd. 180.000 €) zu
                                                                        gungen selbst sind häufig auf der Homepage des je-
              erteilen. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf (Urt.
              v. 30.1.2009 – I-4 U 53/08) beginnt die Prüfungsfrist     weiligen RSV im Servicebereich hinterlegt. Soweit
              „sobald der Versicherungsnehmer […] den Versiche-         der Versicherungsnehmer nicht mehr im Besitz des
              rer unverzüglich und wahrheitsgemäß über sämtli-          Versicherungsscheins und/oder der Bedingung ist,
              che Umstände des Versicherungsfalls“ unterrichtet         können diese über den RSV angefordert werden (§ 3
              und Beweismittel sowie Unterlagen auf Verlangen           Abs. 3 VVG). I.d.R. geschieht dies ohne die Berech-
              zur Verfügung gestellt hat. I.d.R. billigt die Recht-     nung einer Vergütung.
              sprechung den RSV einen Prüfungszeitraum von
                                                                        Bedingungsgemäß dürfen durch den RSV in Straf-
              2 – 3 Wochen zu. Vorliegend hatte sich der RSV
                                                                        und Bußgeldsachen die Erfolgsaussichten der
              erst 3 Monate nach der Deckungsanfrage geäußert.
                                                                        Verteidigung in der Tatsacheninstanz regelmäßig
              Demzufolge wurde der RSV verurteilt, dem Versiche-
                                                                        nicht geprüft werden (SAMIMI, a.a.O., § 123 Rn. 33).
              rungsnehmer im beantragten Umfang Rechtsschutz
              zu gewähren (so auch BGH NJW 2003, 1936 unter
              Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).                   5.    Auskunfts- und Kosterstattungsver-
                                                                              langen des Rechtsschutzversicherers
                   Hinweis:                                                   gegenüber dem Anwalt, Urteil des
                                                                              LG Bonn v. 3.9.2010, – 10 O 345/09,
                   Ergänzend sei an dieser Stelle noch auf die im
                   vorliegenden Zusammenhang sehr wichtige Vor-
                                                                              BRAK-Mitt. 2010, 280
                   schrift des § 128 VVG hingewiesen: „Für den          Häufig dann, wenn es in der eingangs erwähnten
                   Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht    Dreiecksbeziehung zu Disharmonien zwischen den
                   verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen       Beteiligten gekommen ist, schleicht sich auch schnell
                   Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg    ein Kommunikationsproblem ein. Und so werden
416                biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungs-     Sachanstandsanfragen der RSV vonseiten des Ver-
                   vertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes
                                                                        sicherungsnehmers im Allgemeinen und von Anwäl-
                   Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die
                                                                        ten im Besonderen mitunter nicht beantwortet. Ob
VRR 11/2011

                   Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungs-
                                                                        hierzu eine Verpflichtung besteht, hat nunmehr das
                   verschiedenheiten zwischen den Vertragspartei-
                                                                        LG Bonn (BRAK-Mitt. 2010, 280) klargestellt: „Der
                   en über die Erfolgsaussichten oder die Mutwillig-
                   keit einer Rechtsverfolgung entschieden werden.      Auskunftsanspruch ergibt sich aus den §§ 675,
                   Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer          666 BGB i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. i.V.m.
                   bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf       mit den dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu
                   hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag          Grunde liegenden ARB. Nach den §§ 675, 666 BGB
                   kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt        ist zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet,
                   der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechts-        wer von einem anderen zur entgeltlichen Besorgung
                   schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im          von Geschäften beauftragt wird. Der auf Grund des
                   Einzelfall als anerkannt.“ In der Praxis unterlas-   Mandatsverhältnisses bei den Eheleuten C entstan-
                   sen es RSV hier und da, den Versicherungsneh-        dene Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch ist als
                   mer auf das Schiedsgutachterverfahren oder auf       Hilfsanspruch zu dem Herausgabeanspruch aus den
                   die Möglichkeit des Stichentscheides hinzuwei-       §§ 675, 667 BGB in analoger Anwendung des § 401
                   sen (vgl. § 3a Abs. 2 ARB 2010). Weist der RSV       BGB auf die Klägerin übergegangen.“
                   auf die Möglichkeit des Stichentscheides hin, ist
                   er an einen Stichentscheid nicht gebunden,           Hinzu kommt ein Kostenerstattungsanspruch aus
                   wenn darin die Sach- und Rechtslage ersichtlich      übergegangenem Recht (§§ 675, 667, 2. Alt. BGB
                   falsch beurteilt worden ist (LG Hannover, Urt.       i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. in Verbindung mit
                   v. 13.5.2005 – 8 O 63/05, JurBüro 2006, 97 [LS]).    den dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zugrun-
                   „Es genügt insoweit, dass sich die Unrichtigkeit     de liegenden ARB).
Hinweis:
     Ob gleichzeitig eine Verletzung berufsrechtli-                        Die Rechtsanwaltskammer Köln ahndet derartiges
     cher Pflichten vorliegt, wird von den jeweiligen                      Verhalten mit einer Rüge. Die Rechtsanwaltskam-
     Rechtsanwaltskammern unterschiedlich beurteilt.                       mer Berlin nimmt dagegen keinen Verstoß an.

     Unfallrekonstruktion
Dach- oder Frontmontage von akustischen Signalgebern
von Dipl.-Phys. Dr. Tim Hoger, Münster*

I.     Einleitung                                                     (eigene Messungen: Mercedes ML mit Martinshorn)
                                                                      vorliegen.
Immer wieder kommt es an Kreuzungen zu Unfällen
zwischen Fahrzeugen mit Sondersignalen und ande-                      Betrachtet man die nachfolgende Tabelle, so ist of-
ren Verkehrsteilnehmern. Während bei den optischen                    fensichtlich, dass eine Fahrt unter Sondersignal mit
Signaleinrichtungen eine Entwicklung hin zu stärker                   einem Schallpegel von 93 dB(A) nur über einen kur-
gebündelten und intensiveren Leuchtmitteln beob-                      zen Zeitraum (ca. 20 Min.) erfolgen darf.
achtet wird, kann dieser Weg bei den akustischen Sig-
                                                                                  80 dB(A)                        8 Std.
naleinrichtungen nicht eingeschlagen werden. Zwar
                                                                                  83 dB(A)                        4 Std.
werden lautere Signaleinrichtungen von anderen
Verkehrsteilnehmern besser gehört werden, jedoch                                  86 dB(A)                        2 Std.
muss auch die Lärmbelästigung einerseits der Umge-                                89 dB(A)                        1 Std.
bung und, nicht zu vergessen, auch des Fahrers des                                92 dB(A)                       30 Min.
Einsatzfahrzeugs Berücksichtigung finden.
                                                                                  95 dB(A)                       15 Min.
Die Deutsche Norm DIN 14610 gibt unter Ab-                                        98 dB(A)                       7,5 Min.
schn. 5.1.4 vor, dass in einem Abstand von 3,5 m
                                                                                 101 dB(A)                       3,75 Min.
von der Fahrzeuglängsachse ein Schalldruck von
110 dB(A) von der Signaleinrichtung erreicht werden                   Tabelle: Zulässige Einwirkdauern für Schallpegel über
muss. Auf der anderen Seite muss durch die EU-RL                      80 dB(A)
„Lärm“ 2003/10/EU die Innenraumbelastung für den
Fahrer möglichst gering gehalten werden.                              Um die Richtlinie „Lärm“ zu erfüllen, mussten bau-
                                                                      liche Konsequenzen durchgesetzt werden (EG-RL
Um diese Richtlinie zu erfüllen, musste die Geräusch-                 2003/10/EG: Es ist über die Richtwerte hinaus jede
belastung im Inneren der Einsatzfahrzeuge teilwei-                    vertretbare Maßnahme umzusetzen, die die Lärm-           417
se drastisch reduziert werden (Grenzwert 80 dB[A]                     belastung reduziert). Mit der neuen Anordnung der
bei 8-stündiger Belastung). Unter Einsatz von akus-                   Signaleinrichtung wurde das akustische Signal vom

                                                                                                                              VRR 11/2011
tischen Sondersignalen können im Innenraum des                        Dachbalken in den Motorraum (bzw. Stoßfänger) ver-
Fahrzeugs teilweise Schallpegel von über 93 dB(A)                     bannt, s. Abb. 1.

Abb. 1: a) Herkömmliche Dachmontage der Signaleinrichtung mit zusätzlichen Martinshörnern,
        b) Einbau der akustischen Signaleinrichtung im Motorraum,
        c) Lichtbalken auf dem Dach

* Der Autor ist Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle im Ingenieurbüro Schimmelpfennig + Becke, Münster.
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