REDE DER BUNDESMINISTERIN FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG, DR. ANNETTE SCHAVAN, MDB, ANLÄSSLICH DES 7. INTERNATIONALEN STUTTGARTER SYMPOSIUMS AUTOMOBIL...

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Rede
      der Bundesministerin für Bildung und Forschung,
                    Dr. Annette Schavan, MdB,

                            anlässlich des
          7. Internationalen Stuttgarter Symposiums
                 Automobil- und Motorentechnik

                           am 20. März 2007
                                in Stuttgart

Es gilt das gesprochene Wort!
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Anrede

Das Patent Nummer 37.435, das Carl Friedrich Benz am 29. Januar 1886 beim
Reichspatentamt anmeldete, schrieb Geschichte. Das erkannte auch der damalige
„Generalanzeiger der Stadt Mannheim“, wo man schrieb, „dass dieses Fuhrwerk eine gute
Zukunft haben wird“, weil es „ohne viele Umstände in Gebrauch gesetzt werden kann und
weil es, bei möglichster Schnelligkeit, das billigste Beförderungsmittel für Geschäftsreisende,
eventuell auch für Touristen werden wird.“

Diese Einschätzung aus dem Jahr 1886 stand am Beginn einer Erfolgsgeschichte. Die Stadt
Stuttgart, die Region und die hier ansässigen Unternehmen stehen in besonderer Weise für
diese Erfolgsgeschichte. Der Mut und die Begeisterung von Carl Benz – und das gilt für viele
aus seiner Generation – sind Vorbild für uns.

Deshalb: herzlichen Dank für die Einladung.

Wer verantwortlich zeichnet für eine Hightech-Strategie für Deutschland, der ist in hohem
Maße daran interessiert, dass Forscherinnen und Forscher an Universitäten, in unseren
Forschungsinstitutionen und in den Unternehmen in einen Dialog eintreten. Das gilt natürlich
in besonderer Weise für eine der innovativsten Branchen, die wir in Deutschland haben: die
Automobilbranche.       Hier   gibt   es   bereits   heute     zahlreiche    und   erfolgreiche
Innovationsallianzen. Auf der Grundlage dessen, was bereits erreicht wurde, wage ich die
Prognose, dass in fünf Jahren das sicherste und umweltfreundlichste Auto hier in
Deutschland und nirgendwo sonst in der Welt gebaut werden wird.

Gerade in diesen Wochen sage ich das sehr bewusst. Gestern bin ich gefragt worden, ob ich
denn der Automobilbranche bei der heutigen Veranstaltung die Leviten lesen wolle. Ich habe
geantwortet, ich wüsste nicht wieso. Die Automobilbranche braucht sich auch und besonders
im internationalen Vergleich nicht zu verstecken, wenn es um die Frage des Klimawandels
und des Innovationspotenzials geht, um die Frage, was an Innovationen möglich bzw. schon
auf den Weg gebracht ist.

Die entsprechenden Zahlen haben dieser Tage schon manches Mal in der Zeitung
gestanden, aber man sollte sie in der Tat verstärkt ins öffentliche Bewusstsein rufen:
Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Vorreiter, wenn es um Reduzierung von CO2
geht. 75 Prozent aller Reduktionen von CO2 bis 2012 im EU-Raum werden durch den
deutschen     Beitrag     abgedeckt    sein.    Bereits      heute   ist    Deutschland   dem
Emissionsreduktionsziel des Kyoto-Protokolls, das die damalige Umweltministerin Angela
Merkel ausgehandelt hat, nahe.
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Die deutsche Umwelttechnik ist inzwischen weltweit führend und ein Exportschlager. In der
Schadstoffreduktion wurde gerade im Automobilbau viel erreicht: So wurden bei
Dieselfahrzeugen im Vergleich zum Anfang der 1990er Jahre die Schadstoffemissionen um
mehr als 95 Prozent gesenkt. Mancher, der über das Hybridauto in anderen Teilen der Welt
diskutiert, hätte gut daran getan, zumindest zu erwähnen, was in Deutschland erreicht
worden ist.

Das bedeutet aber nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen dürfen. Europa muss eine
Vorreiterrolle übernehmen, weil in Europa – und das gilt für das wirtschaftlich stärkste
Mitgliedsland in besonderer Weise – technologisches Potenzial in besonderem Maße
vorhanden ist.

Auch angesichts des Zukunftsmarktes „Automobil“ muss noch mehr getan werden:

   •   Erstens: Wir müssen Mobilität erhalten – für den Wirtschaftsstandort und für die
       Bürgerinnen und Bürger. Mobilität ist ein hohes Gut. Eine Einschränkung der Mobilität
       würde für viele Regionen in Deutschland auch die Einschränkung in dem bedeuten,
       was an Dynamik, was an regionaler Entwicklung dort eigentlich möglich ist.

   •   Zweitens: Wir müssen umweltverträgliche Fahrzeuge herstellen, die Ressourcen
       schonen und

   •   drittens ein Höchstmaß an Sicherheit erreichen, das Unfälle vermeidet.

Die deutsche Automobilindustrie ist eine Schlüsselindustrie. Sie nimmt mit ihrer
Innovationskraft und Innovationsbereitschaft – und dem wurde in der Hightech-Strategie
durch eine der Innovationsstrategien Rechnung getragen – weltweit eine Spitzenposition ein.
Gerade im Hinblick auf die Klimaveränderung brauchen wir deshalb das „innovative Auto der
Zukunft“.

Das vorrangige Ziel der Autobauer muss es sein, hier den Hebel anzusetzen. „Research in
Motion“, so wie das Motto dieses Kongresses lautet, darauf kommt es in Zukunft an!

Klimaschutz, Energieersparnis und Wirtschaftlichkeit müssen Hand in Hand gehen. Denn ich
bin sicher: Dadurch können wir der deutschen Wirtschaft und insbesondere den Autobauern
einen Innovationsschub geben.

Ich glaube, dass Ihre Branche wesentlich dazu beitragen kann, die Debatte über
umweltschonende Technologien voranzutreiben, damit wir zu einem schonenderen und
effizienteren Umgang mit Ressourcen kommen. Ihre Branche kann wesentlich dazu
beitragen, dass wir letztlich auch ein anderes Verständnis für Qualität bekommen. Es geht
um technologische Entwicklung, aber unterschätzen Sie nicht, dass es mindestens so sehr
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um die öffentliche Kommunikation dessen geht, was in Zukunft Qualität, was Attraktivität
ausmacht.

Was macht ein Automobil attraktiv? Auf diese Frage wird es in Zukunft, davon bin ich
überzeugt, und das muss die Politik auch deutlich sagen, andere Antworten geben müssen
als in der Vergangenheit. Wir stehen nicht nur in einem Prozess, in dem technologische
Innovation verlangt wird. Das ist das Fundament. Gleichzeitig muss das öffentliche
Bewusstsein zu einem Verständnis von Fortschritt, von Qualität, von Attraktivität gelangen,
das auf anderen Indikatoren beruht als in der Vergangenheit. Auch das ist eine innovative
Leistung. Denn die öffentliche Kommunikation ist ausschlaggebend dafür, wie sich das
Verhalten des Bürgers und der Bürgerinnen verändert. Sie ist ausschlaggebend dafür, ob
neue Märkte für neue, für umweltschonende Technologien entstehen. Es ist eine große
Kommunikationsaufgabe, die vor Ihnen und Ihrer Branche liegt. Das gilt für andere Branchen
übrigens in ähnlicher Weise.

Ich möchte Sie einladen, im Rahmen der Hightech-Strategie Innovationsallianzen zu
schmieden. Ich bin davon überzeugt, dass die Rolle von Forschung und Entwicklung bei der
Suche    nach   Strategien     enorm   zunehmen     wird.   Deshalb    lade   ich   zu   einem
Klimaforschungsgipfel ein, der Anfang Mai in Hamburg stattfinden wird, und auf dem wir die
Unternehmen mit den entscheidenden Instituten aus Forschung und Entwicklung
zusammenbringen wollen. Ich finde, wir sollten die öffentliche Diskussion, die gerade geführt
wird, nutzen, um deutlich zu machen, was an Wissen, an Erkenntnis und damit auch an
Fundament für Zukunftsstrategien durch Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt
werden kann.

Wir brauchen jetzt Konzepte, die der heutigen Situation gerecht werden. Dabei geht es nicht
nur um Deutschland oder Europa. Vielmehr müssen wir auch in den Blick nehmen, dass
andere Regionen in der Welt in enorm dynamischen Entwicklungsprozessen stehen, dass
andere Kontinente in weitaus höherem Maße als in der Vergangenheit Anteil haben wollen.
Und das heißt: Anteil haben an den vorhandenen Ressourcen, an Energie. Letztlich besteht
unsere Aufgabe darin, auch einen Beitrag zu weltweit wirksamen Konzepten zu leisten.

Die Bundeskanzlerin wird ausgehend von den Diskussionen und Vereinbarungen des
EU-Rates auf dem G8-Gipfel Vorschläge einbringen, ebenso wie die Gruppe der
Wirtschaftsminister und der Forschungsminister. Wir wollen klar stellen, dass das, was in
Europa vereinbart ist, mit den anderen Regionen dieser Welt besprochen werden muss.

Das alles gilt natürlich für viele Branchen, aber es gilt in besonderer Weise für die
Automobilbranche. Denn jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt von der
Automobilindustrie ab. 30 Prozent aller Forscher und Entwickler sind hier tätig.
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Vor   allem   hohe     Qualität   und   technologische   Kompetenz     haben    der   deutschen
Automobilindustrie ihre im internationalen Vergleich heute herausragende Position
eingebracht. Dazu gehört die Leistung der Ingenieure in den großen Automobilunternehmen
unseren Landes, die nach wie vor weltweit geschätzt wird.

Hohe Innovationskraft geht aber auch von den Zulieferern aus, von den vielen kleinen und
mittelständischen Unternehmen (KMU). Mit der Hightech-Strategie für Deutschland haben
wir deshalb in besonderer Weise Akzente zur Förderung von KMU gesetzt, wie
beispielsweise die Einführung der Forschungsprämie, die die Zusammenarbeit zwischen
KMU und Universitäten bzw. Fachhochschulen befördern soll. Darüber hinaus habe ich mit
dem Bundesfinanzminister vereinbart, dass wir überlegen wollen, wie wir eine bessere
steuerliche Behandlung von FuE erreichen können. Denn ich glaube, dass Deutschland
mehr Anreize für Erhöhung von FuE-Investitionen braucht als in der Vergangenheit.

Hightech-Strategie für Deutschland heißt aber nicht nur, mehr Forschungsgeld zur
Verfügung zu stellen und den Forscherinnen und Forschern die Möglichkeit zur Forschung
zu geben, sondern vor allem technologieübergreifende Innovationsallianzen zustande und
Wirtschaft und Wissenschaft stärker zusammenzubringen; heißt, strategische Kooperationen
auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus wollen wir die Märkte der Zukunft identifizieren und
aus den vielen Potenzialen in Deutschland heraus Leitmärkte entwickeln.

Die Zeit der Technikfeindlichkeit ist vorbei, vor allem wenn man an die junge Generation
denkt. Es gibt einen offeneren Umgang mit der Technik. Das ist eine gute Voraussetzung,
kann aber noch ausgebaut werden. Meine besondere Bitte gilt deshalb unseren
Hochschulen und Unternehmen: Helfen Sie mit, junge Leute für eine Ausbildung oder ein
Studium im Bereich der Natur- und Technikwissenschaften zu begeistern.

Deutschland braucht, wenn es im internationalen Innovationswettbewerb erfolgreich sein will,
wenn die Hightech-Strategie erfolgreich sein soll, begeisterte junge Leute. Wir müssen ihnen
vermitteln, dass wir sie brauchen. Und bei den vielen Unternehmen und Stiftungen, die es in
Deutschland    gibt,    müsste    es    eigentlich   möglich   sein,   10.000   Stipendien   für
Technikwissenschaft auszuschreiben.

Wir haben gerade die CeBIT eröffnet. Man kann sagen, dass rund 80 Prozent der
Innovationen im Blick auf Automobile in einem Zusammenhang mit den Informations- und
Kommunikationstechnologien stehen. Auf der CeBIT habe ich das neue IKT-2020
Förderprogramm der Bundesregierung vorgestellt, das mit 1,5 Milliarden Euro ausgestattet
ist. Auch in diesem Förderprogramm wird das Automobil eine entscheidende Rolle spielen,
weil es ausschließlich auf Anwendung ausgerichtet ist.
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Im Rahmen der Hightech-Strategie stellen wir 770 Millionen Euro zur Förderung der
Forschung an Fahrzeug- und Verkehrstechnologie bereit. Wir sind derzeit dabei, dieses
Programm     zu    erarbeiten.   Ich   werde    mich    in   der    nächste     Woche    mit    den
Forschungsvorständen der großen Automobilunternehmen treffen. Dabei werden wir alle
Programme    auch     dahingehend      analysieren,    wie   wir   das   Ziel   der   Bildung   von
Innovationsallianzen am besten erreichen.

Auf der Ebene der Europäischen Union haben wir das 7. Forschungsrahmenprogramm, das
bis zum Jahre 2013 mit 54 Milliarden Euro ausgestattet ist. Ich nenne diese Zahlen, weil wir
sowohl auf der Ebene der Europäischen Union wie in der Bundesrepublik Deutschland jetzt
in einer Phase sind, in der wir vom Umfang der finanziellen Investitionen, aber auch von den
Strukturen der Forschungs- und Entwicklungspolitik her, ein neues Kapitel aufschlagen
wollen, von dem ich überzeugt bin, dass es in dem Maße erfolgreich ist, in dem es uns
gelingt Hand in Hand die Dinge zu entwickeln.

Es gibt keinen Grund, so zu tun, als sei das einzige Hindernis für saubere Luft das Auto. Es
ist aber eine gute Zeit für die Automobilbranche, um sich an die Spitze der Innovation zu
stellen. Diese Branche hat das Potenzial dazu. Diese Branche hat auch, was ihre
Investitionen in Forschung und Entwicklung angeht, das Zeug dazu, weil sie schon in der
Vergangenheit eine Branche war, die den Forschungsstandort Deutschland vorangebracht
hat.

Von unserer Fähigkeit, unserer Entschiedenheit und unserer Konsequenz, Energie effizienter
einzusetzen und damit technologische Entwicklung und lebenswerte Zukunft besser zu
vereinbaren, hängt viel ab. Denn wir reden nicht abstrakt über Klima. Wir reden in
Wirklichkeit über das Leben künftiger Generationen.

Ich danke Ihnen.
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