Regionale Innovationspotentiale in Südostasien Empirische Ergebnisse aus Singapur, Penang (Malaysia) und Thailand

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Regionale Innovationspotentiale       in   Südostasien   Matthias Kiese, Javier Revilla Diez

Regionale Innovationspotentiale in Südostasien
Empirische Ergebnisse           aus    Singapur, Penang (Malaysia) und Thailand

Matthias Kiese, Hannover, Javier Revilla Diez, Kiel           mens- und Beschäftigungsniveau sichern zu können,
                                                              müssen räumliche Wirtschaftssysteme unterschiedlicher
                                                              Maßstabsebene (Standorte, Regionen, Nationen) kon¬
1
    Hintergrund und Fragestellung                             tinuierlich neues Wissen hervorbringen oder anwenden,
                                                              wie es vor allem innovative Produkte und Fertigungs¬
Die    südostasiatischen   Schwellenländer konnten in         verfahren verkörpern. In welchem Ausmaß dies gelingt,
den  vergangenen     drei  Jahrzehnten einen historisch       hängt in erster Linie von der regionalen Ausstattung
einmaligen   wirtschaftlichen  Aufholprozeß gegenüber         mit Innovationsakteuren ab, insbesondere mit innovie-
den etablierten Industrieländern realisieren. Zwischen        renden Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes,
1971 und 1996 wuchs das reale Bruttosozialprodukt in          wissensintensiven Dienstleistern (Knowledge-Intensive
den meisten Ländern dieser Wachstumsregion mit jah¬           Business Services, KIBS) sowie Forschungseinrich-
resdurchschnittlichen Raten zwischen sechs und zehn           lungen. Interaktive Innovationsmodelle wie das von
Prozent (vgl. Schätzl 2000: 234 f.). Nach der Asien¬          Kline & Rosenberg (1986) oder auch Hayeks Kon¬
krise von 1997/98 kehrten die meisten der aufstre¬            zept der Wissensteilung (Hayek 1976) implizieren,
benden Volkswirtschaften der Region zunächst schnell          daß die Innovationsfähigkeit einer Region außerdem
wieder auf den Wachstumspfad zurück. Dennoch blei¬            maßgeblich von den Interaktionen der Innovati¬
ben Zweifel an der Nachhaltigkeit des «Asian Mira¬            onsakteure sowie ihrem weiteren Handlungsumfeld
cle» (Weltbank 1993) zurück, das Krugman (1994)               beeinflußt wird. Dieser Erkenntnis tragen die Kon¬
wegen des in ökonometrischen Studien nachgewiese¬             zepte territorialer (nationaler, regionaler) Innovati¬
nen geringen Beitrags des technischen Fortschritts als        onssysteme Rechnung: Das Konzept der nationalen
«Mythos» bezeichnete.                                         Innovationssysteme wurde unabhängig voneinander
                                                              von Freeman (1987). Lundvall (1992) und Nelson
Obwohl der technische Fortschritt als eine entscheidende      (1993) eingeführt, während der Begriff der regionalen
Determinante zur Beurteilung der Zukunftsperspekti¬           Innovationssysteme auf Cooke (1992) zurückgeht. Da
ven der südostasiatischen Schwellenländer gilt, liegen        neues Wissen zunächst noch unvollständig kodifiziert ist
repräsentative empirische Erhebungen zur Verbreitung          («implizites Wissen», Polanyi 1985), wird dessen Aus¬
von Innovations- und Kooperationsaktivitäten auf der           tausch durch die/hce-ro/nce-Kontakte ermöglichende
Mikro-Ebene von Unternehmen in Südostasien bislang             räumliche Nähe   der Innovationsakteure begünstigt.
nicht vor. Während ökonometrische Studien mit einer            Dieser Aspekt bildet einen zentralen Bestandteil der
Reihe methodischer und inhaltlicher Probleme behaftet          geographischen Innovationsforschung, wo er empirisch
sind, können Fallstudien allenfalls exemplarische Evi¬         in dersp/V/over-Forschung oder theoretisch in den Kon¬
denz liefern. In einigen Ländern Südostasiens werden von       zepten der regionalen Innovationssysteme sowie der
staatlicher Seite periodische Erhebungen der Forschungs¬       innovativen bzw. kreativen Milieus (vgl. Schätzl 2003:
und Entwicklungsaktivitäten durchgeführt,beispielsweise        231 f.; Koschatzky 2001, Kap. 5) Ausdruck findet.
seit 1978 in Singapur (jährlich seit 1990, zuletzt Agency
for Science,Technology and Research 2003) oder seit            Neben den neuen Erkenntnissen der geographischen
1992 alle zwei Jahre in Malaysia (zuletzt Malaysian Sci¬       Innovationsforschung sind weitere Aspekte im Ent-
ence and Technology Information Centre 2002). Diese            wicklunsgprozeß Südostasiens zu beachten:
Erhebungen vermögen jedoch nur die Spitze des Eis¬             1. Nachholende     Industrialisierung: Die späte Indu¬
bergs der Innovationsaktivitäten in Entwicklungs- und             strialisierung bietet den Schwellenländern Südost¬
Schwellenländem zu erfassen. Wie Wong (1995:2) betont,            asiens die Möglichkeit, auf die neuesten verfügbaren
kommt der Generierung technischen Wissens mittels For¬              Technologien der Industrieländer zurückzugreifen
schung und Entwicklung (F&E) in Schwellenländern                    und so ältere Stufen der technologischen Entwick¬
eine geringere Bedeutung zu als in Industrieländern;                lung zu überspringen. Diesem leapfrogging-Argu¬
von größerer Relevanz sei dagegen die Diffusion von                 ment steht jedoch die evolutionsökonomischeThese
importiertem Wissen durch Adoption und Adaption. Auf                von der Pfadabhängigkeit der ökonomisch-techni¬
F&E beschränkte Erhebungen greifen demnach in diesen                schen Entwicklung gegenüber.
Ländern zu kurz.                                               2.   Dominanz multinationaler Unternehmen (MNU):
                                                                    Adäquate Absorptionskapazitäten vorausgesetzt,
Um in einem zunehmend internationalen und wissens¬                  kann die hohe Präsenz von MNU südostasiatischen
intensiven Standortwettbewerb ein hohes Einkom¬                     Schwellenländern den Zugriff auf weltweit ver-
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     fügbares technisches Wissen ermöglichen. Hiermit        1998; Maskell et al. 1998). Auch hier ist der Ausgangs¬
     sind jedoch   auch Gefahren für die Entwicklung         punkt das interaktive Innovationsmodell, das starke
     endogener technologischer Kompetenzen verbun¬           Rückkopplungsprozesse und somit intensive Verflech¬
     den.                                                    tungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteu¬
3.   Kulturelle Determinanten: Zu den Faktoren, die          ren betont. Die Autoren übertragen die systemischen
     im Rahmen eines Innovationssystems das Inno¬            Elemente eines nationalen Innovationssystems auf die
     vations- und Kooperationsverhalten der Akteure          regionale Ebene. Kernaussage ist, daß in Regionen
     beeinflussen, zählt nicht zuletzt auch das kulturelle   spezifische Umfeldbedingungen und Verflechtungsbe¬
     Umfeld.                                                 ziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren anzu¬
                                                             treffen sind, die das regionale Innovationsgeschehen
Vor diesem Hintergrund zielt der vorliegende Beitrag         beeinflussen und sich positiv oder negativ auf die
darauf ab, das regionale Innovationspotential sowie die      Ausschöpfung des regionalen Innovationspotentials
Kooperationsbeziehungen zwischen den Innovations¬            auswirken. Im Zentrum eines regionalen Innovations¬
akteuren in den ausgewählten Untersuchungsregionen           systems stehen folgende Akteure (Cooke & Morgan
Singapur, Penang (Malaysia) und Thailand empirisch zu        1998):
untersuchen und vergleichend zu bewerten. Zur besse¬         -  Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes: Unter¬
ren Einordnung der Untersuchungsregionen sollen auch            nehmen sind zum einen Empfänger neuen Wissens
die im Rahmen des ERIS (European Regional Inno¬                 bzw. neuer technologischer Problemlösungen; zum
vation Survey)-Projekts in elf europäischen Regionen            anderen sind sie in der Lage, durch eigene F&E-
erhobenen Daten in den Vergleich eingebunden werden.            Anstrengungen neues Wissen zu generieren.
Die vorgestellten Analysen sind Ergebnis von For¬            -  Unternehmens- bzw. innovationsorientierte Dienst¬
schungsprojekten, die von der Deutschen Forschungsge¬            leistungsunternehmen: Auch sie sind sowohl Emp¬
meinschaft (DFG) mit Sachbeihilfen unterstützt wurden            fänger als auch Entwickler neuen Wissens. Im
(«Entwicklung regionaler Innovationspotentiale und               Zuge der zunehmenden Flexibilisierung und Spe¬
innovativer Netzwerke in Südostasien» DFG-Gz.:SCHA               zialisierung der Produktion greifen Unternehmen
198/38-1) sowie zahlreichen Projekten im Rahmen                  des Verarbeitenden Gewerbes bei der Realisierung
des DFG-Schwerpunktprogramms «Technologischer                    von Produkt-, Prozeß- und/oder organisatorischen
Wandel und Regionalentwicklung in Europa» (vgl.                  Innovationen immer stärker auf spezialisierte Dienst¬
Schätze & Revilla Diez 2002).                                    leistungsunternehmen zurück.
                                                             -   Forschungseinrichtungen: In der Regel aus Mitteln
Die vorgestellten Ergebnisse konzentrieren sich auf das          der öffentlichen Hand finanziert, betreiben sie
Verarbeitende Gewerbe in Singapur, Penang und Thai¬              Grundlagen- und angewandte Forschung. Sie sind
land. Nach einer kurzen Einführung in die theoretischen          wesentlich an der Entstehung und Diffusion neuen
und methodischen Grundlagen des Forschungsprojekts               Wissens beteiligt. Über internationale Forschungs¬
sollen im vierten Abschnitt Ergebnisse aus drei thema¬           kooperationen haben sie Zugang zu international
tischen Schwerpunkten der Untersuchung vertieft dis¬             verfügbarem Wissen, das durch enge Zusammenar¬
kutiert werden: die technologische Leistungsfähigkeit            beit mit regionalen Akteuren auch zur Lösung regio-
der  Industrieunternehmen in den Untersuchungsregio¬             nal-/lokalspezifischer Unternehmensprobleme ange¬
nen, ihre Neigung zu Kooperationen mit externen Part¬            wendet werden kann («Antennenfunktion», vgl.
nern im Innovationsprozeß sowie die räumliche Ver¬               Revilla Diez 2000:459-461).
teilung dieser Kooperationspartner bzw. Reichweiten
der Kooperationsbeziehungen. Abschließend werden              Die Umfeldbedingungen werden durch folgende Ele¬
die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefaßt und             mente beeinflußt:
ungelöste Forschungsfragen aufgeworfen.                      -   Innovations- und diffusionsunterstützende Einrich¬
                                                                 tungen des privaten und öffentlichen Sektors:
                                                                 Unterschiedliche Einrichtungen versuchen, die Ent¬
2    Theoretische Grundlagen                                     stehung  und den Transfer von Wissen zwischen
                                                                 Wissensproduzenten und Anwendern bzw. Nutzern
Zentrale Begriffe der neueren Ansätze zur Inno¬                  zu verbessern. Hierzu zählen Transfer- und Infor-
vationsforschung sind institutionelle Rahmenbedin¬               mationsvermittlungsstellen,Technologie- und Grün¬
gungen, kollektives Lernen und Kooperation. Stand                derzentren, Kammern, aber auch Finanzinstitutio¬
zu Beginn noch der Nationalstaat im Vordergrund,                 nen wie etwa Banken.
kommt der Region eine immer größere Bedeutung                -   Marktimpulse: Der Markt ist ein wichtiger An¬
zu. Die stärkere Betonung der regionalen und lokalen             reizmechanismus für die Realisierung von Pro¬
Ebene hat seit Beginn der 90er Jahre zahlreiche                  dukt-, Prozeß- oder organisatorischen Innova¬
Arbeiten zu regionalen Innovationssystemen entste¬               tionen. Technologische Neuerungen, z.B. in Form
hen lassen (Cooke & Morgan 1998; Braczyk et al.                  neuer Produkte, gelangen über den Markt an
Regionale Innovationspotentiale                 in   Südostasien   Matthias Kiese, Javier Revilla Diez

      die  Verbraucher. Bereits in frühen Phasen des                    Um Aussagen über das regionale Innovationspotential
      Innovationsprozesses kommt es zu Wechselwir¬                      treffen zu können, muß eine Analyse der genannten
      kungen zwischen Markt und Entwicklern (vgl.                       Akteure erfolgen, insbesondere der Industrieunter¬
      Hippel 1988).                                                     nehmen, der unternehmensnahen Dienstleister sowie
-     Bildungssystem: das Bildungssystem ist verantwort¬                der Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Nur
      lich für die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeits¬                so lassen sich Verflechtungsbeziehungen zwischen den
      kräfte, die einerseits bei der Wissensentstehung,                 Interaktionspartnern feststellen und ggf. durch Intensi¬
      aber auch bei der Umsetzung in Produkte bzw. Pro¬                 vierung und Initiierung von intra- und interregionalen
      zesse beteiligt sind.                                             Netzwerken regionale Entwicklungsengpässe beseiti¬
-     Staat bzw. öffentliche Verwaltung: In Abhängigkeit                gen. Eine Konzentration auf Verflechtungsbeziehun¬
      von ihrer direkten Einflußnahme können sie sich                   gen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, wie sie
      positiv auf das Innovationsverhalten in einer Region              in der Technologietransferdebatte Anfang der 80er
      auswirken,     z.B.   indem   sie   die
                                  F&E-Kapazitäten                       Jahre erfolgte, reicht nicht aus, um ein regionales Inno¬
      der Unternehmen und der Forschungseinrichtun¬                     vationssystem zu erfassen. Unter Berücksichtigung
      gen stärken sowie die Zusammenarbeit zwischen                     des  nicht-linearen Innovationsmodells erhält die Ana¬
      diesen Akteuren fördern.                                          lyse von innovativen Netzwerken zwischen Unterneh¬
-     Unternehmenskultur: Die Funktionsfähigkeit eines                  men sowie zwischen Unternehmen und öffentlichen
      regionalen Innovationssystems hängt entscheidend                  Forschungseinrichtungen besondere Beachtung. Aus
      davon ab, in welchem Maße die unterschiedlichen                   Sicht der Innovationsgeographie stellt sich die Frage,
      Akteure miteinander vernetzt sind und gemein¬                     welche Bedeutung der räumlichen Nähe der Akteure
      same Lösungen anstreben. Das setzt eine Koope¬                    im Innovationsprozeß zukommt.
      rationsneigung voraus, die im Wesentlichen von
      einer gemeinsamen Vertrauensbasis abhängig ist.
      Das  sozio-kulturelle Umfeld kann institutionelle                 3   Methodische Vorgehensweise
      Regelungen hervorbringen, die zu routinemäßigen
      Verhaltensmustern und zur Verringerung von Unsi¬                  Das    in   zwei Phasen zwischen   1995 und   1999   durch¬
      cherheiten führen können.                                         geführte European Regional Innovation Survey (ERIS)
                                                                        stellte einen ersten Versuch dar, regionale Innova¬
Im Innovationsprozeß können Netzwerke bei der                           tionspotentiale sowie die intra- und interregionalen
Partnersuche, der gemeinsamen Forschung und Ent¬                        Kooperationsbeziehungen von Innovationsakteuren
wicklung und der Diffusion technischer Innovation                       empirisch zu erfassen und vergleichend zu bewerten.
entscheidend zur Senkung von Transaktionskosten bei¬                    Dabei wurden in elf europäischen Regionen ver¬
tragen (Picot 1982; Williamson 1989; Meyer 1995;                        wertbare Daten von rund 8.600 Innovationsakteuren
Scheidt 1995). Bestehende Institutionen können                          erhoben, darunter 4.200 Industrieunternehmen, 2.500
dabei die Höhe der Transaktionskostenreduzierung                        wissensintensive Dienstleister und 1.900 Forschungs¬
entscheidend beeinflussen (Herden 1992). Neben                          einrichtungen. Eine Übersicht über die erste Phase
geeigneten formalen Rahmenbedingungen prägen                            dieses Projekts bieten Fritsch, Koschatzky, Schätzl
informelle Institutionen (z.B. kulturelle Standards)                    et al. (1998), über den Stand nach Abschluß der zwei¬
die  Austauschbeziehungen zwischen den Akteuren                         ten Phase berichtet Sternberg (2000).
und erklären somit die unterschiedliche Innova¬
tionsfähigkeit und Wirtschaftsleistung von Regionen                     Beim    Design der Fragebögen für die postalischen
und Ländern. Räumliche Nähe, gute Kommuni¬                              Erhebungen in Singapur, Penang und Thailand galt
kationsverbindungen, ein gemeinsamer kultureller                        es, maximale Vergleichbarkeit mit der ERIS-Untersu-

 Hintergrund und eine entwickelte Innovationsinfra¬                     chung und anderen empirischen Studien wie dem Com¬
struktur können somit einen Katalysator zur Nutzbar¬                    munity Innovation Survey der Europäischen Kommis¬
machung des regionalen Innovationspotentials darstel¬                   sion (2001) oder dem Mannheim Innovation Panel
len (Tödtling 1994; Grabher 1993; Häkanson 1987).                       des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung
Das regionale Innovationspolential wird verslanden                      (u. a. Janz & Licht 1999; Janz, Ebling, GorrscHALK
als die Ausprägung aller Faktoren, die die Innovati¬                    et al. 2001) zu gewährleisten. Andererseits mußte

onsleistung einer Region bestimmen bzw. hemmen.                         bestimmten Spezifika der Untersuchungsregion sowie
Es wird geprägt durch die Innovationsakteure einer                      den Interessen der lokalen Kooperationspartner Rech¬
Region, d.h. vornehmlich Unternehmen und For¬                           nung getragen werden. Die resultierenden Fragebögen
schungseinrichtungen sowie durch die Nutzung der                        stellen somit einen Kompromiß dar, in dem die
regionalen Wissens- und Technikbasis und des innova¬                    Kernelemente der ERIS-Befragungen jedoch erhallen
tions- und diffusionsunterstützenden Dienstleistungs¬                   werden konnten:
angebots,    z. B.   von Transfer- und     Informationsvermitt¬         -
                                                                            Allgemeine Informationen: Einleitend wurden all¬
lungsstellen.                                                               gemeine Betriebsmerkmale wie Alter, Größe (Um-
10                                                                          Geographica Helvetica   Jg. 59   2004/Heft

      satz,   Kapitalstock, Beschäftigte). Branche, Besitz¬    Institute & Universität Hannover 2001; Ong 2001).
      verhältnisse, Funktionalstruktur, Exportanteil, Qua¬     eine umfassendere Auswertung der Daten sowie weite¬
      lifikationsniveau der Beschäftigten usw. abgefragt. In   rer Interviews erfolgt in Stracke (2003).
      der Analyse können diese Variablen zur Erklärung
      von Unterschieden im Innovations- und Kooperati¬         Auf Basis der in Singapur und Penang verwendeten
      onsverhalten herangezogen werden.                        Fragebögen führte das Beratungsunternehmen The
-     Innovationsaktivitäten: Innovierende Unterneh¬           Brooker Group Public Company Limited im Auftrag
      men, die in den letzten drei Jahren ein neues oder       der National Science and Technology Development
      substantiell verbessertes Produkt oder ein ebensol¬      Agency (NSTDA) zwischen Januar und April 2001
      ches Fertigungsverfahren eingeführt haben, wurden        die erste landesweite F&E- und Innovationserhebung
      nach Details zu ihrem Innovationsverhalten befragt.      in Thailand durch, die von den Autoren wissenschaft¬
      Dabei wurden sowohl Inputindikatoren (Personal           lich begleitet wurde. Aus den 13.415 umsatzstärksten
      und Aufwendungen für F&E bzw. Innovationen)              thailändischen Unternehmen wurde mit Hilfe einer
      als auch t/irofrfg/ipi
Regionale Innovationspotentiale         in   Südostasien   Matthias Kiese, Javier Revilla Diez                      11

       Region                                              Land               Jahr"   Rücklauf    Rücklaufquote
       Baden                                          Deutschland             1995       430           15.8%
       Hannover-Braunschweig-Göttingen                Deutschland             1995       372           20.6%
       Sachsen                                        Deutschland             1995     1.004           16.7%
       Elsaß                                          Frankreich              1997       263           15.0%
       Barcelona                                      Spanien                 1997       395           15.3%
       Gironde                                        Frankreich              1997       101           12.7%
       Slowenien                                      Slowenien               1997       416           31.2%
       Süd-Holland                                    Niederlande             1997       261           13.7%
       Süd-Wales                                      Verein. Kgr.            1997       280           17.6%
       Stockholm                                      Schweden                1997       451           24.0%
       Wien                                           Österreich              1997       204           19.9%
       ERIS-11                                                                         4.177           19,7%
       Singapur                                       Singapur                1499       374           20.0%
       Penang                                         Malaysia                2000       192           20,8%
       Thailand                                       Thailand                2000     1.019           47.0%
            '
                Start der Befragungen

Tab.    Projektgeschichte und Rücklauf (nur Verarbeitendes Gewerbe)
       1:

Project background and response (only manufacturing sector)
Histoire du projel et retrospective (uniquemenl pour les activites de transformation)
Daten: Eigene Erhebungen (vgl. Kap. 3)

den rudimentären Daten Glauben, hat sich der Abstand            ab. In    Thailand erwirtschaften die Unternehmen sogar
zu den Industrieländern seit 1980ehervergrößert.Auch             nur 4,7% ihres Umsatzes mit neuen oder signifikant
die Forscherdichle lag in Malaysia und Thailand Mitte            verbesserten Produkten. Der von input- über through-
der 1990er Jahre deutlich unter dem Wert Singapurs.             pul-     zuoulpul-lndikaloren zunehmende technologi¬
                                                                 sche  Rückstand läßt auf eine im Durchschnitt gerin¬
Während die auf volkswirtschaftlicher Ebene aggre¬               gere Effizienz betrieblicher Innovationsanslrengungen
gierten Daten eine rasche Verringerung der techno¬               in Singapur. Penang und Thailand schließen, die durch

logischen Lücke Singapurs gegenüber den führenden                interne Managemenlprobleme oder ein ungünstigeres
Industrienationen belegen, weist der Vergleich der               externes Umfeld bedingt sein kann.
Ergebnisse unserer Erhebungen mit den ERIS-Daten
einen deutlichen Rückstand aller südostasiatischen               Ein Vergleich der drei südostasiatischen Untersu¬
Untersuchungsregionen auf Unternehmensebene aus                  chungsregionen untereinander zeigt zunächst, daß
(Tab. 3). Dieser Rückstand ist am geringsten beim                Penang und Singapur trotz des deutlichen Vorsprungs
Anteil innovierender Unternehmen: Während in den                 Singapurs im nationalen Vergleich auf einer ähnlichen
ERIS-Regionen durchschnittlich 78% aller Unterneh¬               technologischen Entwicklungsstufe stehen. Penang,
men die Einführung eines neuen oder substantiell ver¬            das als «Silicon Island» (u. a. Ciiin & Lee 1999) über
besserten Produktes oder Fertigungsverfahrens anga¬              einen bedeutenden Cluster multinationaler Elektronik-
ben, waren es in Singapur 39% und in Penang 42%.                 Unternehmen verfügt, hat einen höheren Anteil inno¬
Formale F&E sowie der Schutz geistigen Eigentums                 vierender Unternehmen, andererseits aber einen etwas
durch Patente spielen dagegen eine geringere Rolle.              geringeren Anteil F&E betreibender und Patente
Am größten ist der Rückstand jedoch beim Umsatz¬                 anmeldender Unternehmen. Thailand weist dagegen
anteil neuer Produkte. Während dieser in den ERIS-               bei allen erhobenen Indikatoren deutliche Rückstände
Regionen rund 50% beträgt, liegt er in Singapur und              gegenüber Singapur und Penang auf. Insgesamt sind
Penang nur bei etwa 12.5%. Rechnet man multinatio¬               diese Erhebungsergebnisse konsistent mit der sekun¬
nale Unternehmen heraus, sinkt dieser Werl auf 8%                därstatistischen Evidenz: Singapur hat bereits eine
12                                                                                         Geographica Helvetica   Jg. 59   2004/Heft   1

                  a)         Anteil der Bruttoaufwendunge n für F&E                         in % des   BIP
                                              1980           1985          1990             1995       2000
                  Singapur                        0.26"      0,542'          0.86           1.16        1.91

                  Malaysia                        n.v.         n.v.          0,403)         0,244)      0.50
                  Thailand                        0,39        0,34           0.18            0.13        n.v.

                  "1981      2'l984      3)1992           4)1996

                  b)         Forschei    je   1    Mio. Einwohner

                                              1980           1985           1990            1995
                  Singapur                        485"        908          1.426           2.318
                  Malaysia                         n.v.       1822'          3274)            936'
                  Thailand                         n.v.       1053)            875)          118

                  ) 1981     2)
                                         3,1987            4'1988     5)              6)
                                  1983                                     1989            1996

Tab. 2: Sekundärstatistische Inputindikatoren: Singapur, Malaysia und Thailand im Vergleich

Industrial Statistical input indicators: Singapore, Penang (Malaysia) and Thailand in comparison
Indicateurs industriels: comparaison entre Singapour, la Malaisie et la Thailande
Daten: UNESCO (Statistical Yearbook 1999); NSTB (National Survey of R&D in Singapore, div. Jg.)

höhere technologische Entwicklungsstufe erreicht als                   Wie in den ERIS-Regionen sind auch in Südostasien
Malaysia und Thailand, innerhalb Malaysias stellt                      vertikale Kooperationsmuster vorherrschend: Die
Penang jedoch eine /?/g/!-rec/7-Enklave dar.                           wichtigsten Partner sind Kunden, gefolgt von Zulie¬
                                                                       ferern und ausländischen Mutterunternehmen. Dies
4.2 Innovation als interaktiver Prozeß                                 bestätigt die in der Literatur vertretene Auffassung,
In der  Innovationsforschung hat sich seit den 1980er                  daß die wichtigsten Kanäle des Technologietransfers
Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, daß Innovati¬                      in Schwellenländern zwischen den Hauptquartieren

onsprozesse zumeist nicht linear ablaufen, sondern                     von Multinationalen Unternehmen (MNU) und ihren
vielmehr durch ein hohes Maß an Komplexität und                        lokalen Zweigniederlassungen sowie zwischen lokalen
Rückkopplungen in allen Phasen gekennzeichnet sind                     Zulieferern und deren technologisch fortgeschrittenen
(u.a. Kline & Rosenberg 1986; Koschatzky 2001:                         Abnehmern (in Industrieländern oder MNU vor Ort)
44-48). «No business is an island» (Häkanson & Sne-                    verlaufen. Variationen in der relativen Bedeutung
hota 1997) - diese Kernaussage neuerer Innovati¬                       von Forschungseinrichtungen zwischen den Unter¬
onsmodelle findet sich in unseren Erhebungsergebnis¬                   suchungsregionen reflektieren i.d.R. deren quantita¬
sen bestätigt: Nahezu alle Unternehmen kooperieren                     tive und qualitative Präsenz in der Region, die vor
in ihren Innovationsprojekten mit externen Partnern                    allem in Penang noch gering entwickelt ist. Hori¬
(Tab. 4). Rund 90% gaben sogar intensive Kooperati¬                    zontale Kooperationsbeziehungen mit Wettbewerbern
onsbeziehungen zu mindestens einem Partner an. Es                      oder sonstigen Unternehmen spielen dagegen wie in
läßt sich  feststellen, daß Unternehmen in Singapur,                   Europa nur eine untergeordnete Rolle.
Penang   und  Thailand im Rahmen ihrer Innovations¬
projekte häufiger auf Kooperationen zurückgreifen als                  4.3 Raummuster der Kooperationsbeziehungen
ihre europäischen Pendants. Zwei Erklärungsansätze                     Eine zentrale Untersuchungshypothese widmete sich
stehen hierfür zur Verfügung: Erstens läßt eine stärkere               dem Zusammenhang zwischen Kooperationsneigung
Kooperationsneigung nach der ressourcenbasierten                       und räumlicher Entfernung der Kooperationspartner.
Theorie der Unternehmung auf eine schlechtere Aus¬                     Es wird erwartet, daß räumliche Nähe in den Frühpha¬

stattung südostasiatischer Unternehmen mit innova¬                     sen des Innovationsprozesses den Austausch des noch
tionsrelevanten Ressourcen schließen (vgl. Penrose                     unvollständig kodifizierten Wissens fördert. Abb. ver¬     1

1959; Pralahad & Hamel 1990, siehe auch Wong                           gleicht die Kooperationsreichweiten nach Partnern der
1999), zweitens reflektiert sie einfach das höhere Maß                 Industrieunternehmen in Singapur. Penang und den
an externer Kontrolle.                                                 drei metropolitanen ERIS-Regionen Barcelona, Wien
Regionale Innovationspotentiale           in   Südostasien    Matthias Kiese, Javier Revilla Diez                                13

      Innovationsprozeß                        Input                    Throughj )Ul                             Output

           Region                 Land         F&E"      Patente2'              Innovierend                     Innovativ
                                                                          gesamt Produkt Prozeß gesamt Produkt Prozeß

 ERIS total                                    78,4%         24.1%        78,1%        69,5% 62,6%       n.e.    49.8%        n.e.
ERIS-Maximum                                   88.5%         36,0%        93,9%        79,1% 79.3%       n.e.    66.0%        n.e.
ERIS-Minimum                                   70,0%         10,3%        62,0%        49,0% 45.0%       n.e.    32,8%        n.e.

Singapur             Singapur                  29.7%          7,8%        39.0%        30,2% 29.4%     19,5%      12,3%     15,7%
- lokale Unternehmer Singapur
                           i
                                               25,2%          5,5%        31,2%        21.2% 22.8%     13,5%       8,1%     10,3%
-MNU                 Singapur                  37,2%         11.7%        52,6%        46.0% 40.9%     29,9%      19.7%     25,0%

Penang               Malaysia                  26.6%          5,8%        42,4%        34,6%   38,7%   20,9%      12,6%     16,2%
- lokale Unternehmer Malaysia
                           i
                                               23,9%          3,7%        36.6%        28.4%   32,1%   14,9%       8,1%     12,7%
 -MNU                          Malaysia        32.8%         10.3%        56.1%        49,1%   54,4%   35,1%      22.8%     24.6%

Thailand             Thailand                  15,1%         2,2%5)       17,8%        13,9%   12,8%   7,5%        4.7%     5,6%
- lokale Unternehmer Thailand
                           l                   16,1%         2,1%''       18,8%        15,4%   13,3%   7.6%        5.1%     6,1%
-MNU                 Thailand                  12,3%          2,3 %5'     14.6%         9,6%   11,2%   6.9%        3,5%     4,2%
 1)       Anteil der   Forschung und Entwicklung betreibenden Unternehmen
2)        Anteil der   Unternehmen mit Patentanmeldungen in den letzten drei Jahren
 3)       Anteil der   Unternehmen, die in den letzten drei Jahren neue oder substantiell verbesserte Produkte oder
          Verfahren  einführten
          Anteil der Unternehmen, deren Anteil neuer Produkte (Prozesse) am Umsatz (Produktionsvolumen)
          mindestens 25% beträgt
 5)       In Thailand wurden nur F&E betreibende Unternehmen nach ihrer Patentaktivität befragt.
n.e.      nicht erhoben

Tab. 3: Innovationsindikatoren: Untersuchungsregionen im Vergleich

Innovation indicators: survey areas in comparison
Indicateurs d'innovation: comparaison des regions soumises ä I'enquete
Daten: Eigene Erhebungen (vgl. Kap. 3)

und   Stockholm. In Thailand wurde die räumliche                     Innovationssysteme, während Kooperationen auf der
Verteilung der Kooperationspartner dagegen nicht                     mondialen Maßstabsebene wenig verbreitet sind. In¬
abgefragt. Das Netzdiagramm unterscheidet zwischen                   traregionale Kooperationen sind besonders für die
intraregionalen Kooperationen, nationalen Koope¬                     Zusammenarbeit mit Dienstleistern und Forschungs¬
rationen, Kooperationen innerhalb der respektiven                    einrichtungen von Bedeutung, vertikale Kooperatio¬
Integrationsräume (Europa bzw. ASEAN - Associa¬                      nen mit Abnehmern bzw. Zulieferern entlang der
tion of Southeast Asian Nations) sowie darüber hinaus¬               Wertschöpfungskette sind dagegen räumlich stärker
gehenden Verflechtungen. Dabei läßt sich die Fläche                  diversifiziert.
der Polygone als Bedeutung der Kooperationspartner
interpretieren, während ihre Form auf die räumliche                  Die Innovationskooperationen von Industrieunter¬
Ausrichtung bzw. die Reichweiten der innovationsre¬                  nehmen in Singapur und Penang weisen dagegen ein
levanten Kooperationen hinweist.                                     ausgeprägt diskontinuierliches Raummuster auf. 86%
                                                                     bzw. 68% aller innovierenden Unternehmen unterhal¬
In    den europäischen Regionen läßt sichbeobachten,                 ten intensive Kooperationen mit Partnern außerhalb
daß die  Kooperationsintensilät allgemein mit zuneh¬                 Südostasiens, aber nur gut 40% mit Partnern in den
mender Entfernung der Partner abnimmt. Hier kon¬                     benachbarten ASEAN-Staten. Die meisten Unterneh¬
zentrieren sich die Kooperationsbeziehungen zu glei¬                 men «überspringen» damit die technologisch weniger
chen Teilen auf die regionalen sowie nationalen                      entwickelten Nachbarländer und kooperieren direkt
14                                                                        Geographica Helvetica         Jg. 59   2004/Heft   1

                                                 Singapur        Penang      Thailand        ERIS-3
                                                  (n=144)        (n=79)       (n=177)        (n= 871)
                                                 intensiv     intensiv       intensiv        intensiv

                    Beliebiger Partner            92,4%          87.3%        88.7%          79.9%
                    Kunden, Abnehmer              67,4%          75.9%        70.1%          55.3%
                Zulieferer                        46,5%          55.7%        60,5%          37.7%
                Mutterunternehmen,
                verbundenes Unternehmen           58.3%          44,3%        42,4%             n.e.
                Forschungseinrichtungen           27.1%          11,4%        21,5%          23,1%
                Nicht-technische Dienstleister    13,2%          21,5%        12,4%
                                                                                         }
                                                                                             42,4%
                Technische Dienstleister          27,8%          38,0%        20,3%
                Wettbewerber                       9,6%          13,9%        16,9%
                                                                                             17.9%
                Sonstige Unternehmen              12,5%           6.3%        10,7%

                    ERIS-3     Metropolitane Innovationssysteme Barcelona, Wien, Stockholm
                    n.e.       nicht erhoben

Tab.    Häufigkeit intensiver innovationsorientierter Kooperationsbeziehungen im Verarbeitenden Gewerbe
       4:

nach Untersuchungsregionen und Partnern
Distribution of intensive innovation-oriented co-operation between manufacturing industries according to survey
area and partner
Frequence des relations de Cooperation en matiere d'innovation dans les activites de transformation, par region et
partenaires soumis et Tinvestigation
Daten: Eigene Erhebungen (vgl. Kap. 3)

mit Partnern   inden führenden Technologieregionen          ausgerichtet sind, arbeiten lokale Unternehmen auf¬
in Nordamerika, Europa und Japan. In Singapur wie           grund ihrer geringeren Größe häufiger mit Dienst¬
in Penang läßt sich beobachten, daß MNU aufgrund            leistern, aber seltener mit Forschungseinrichtungen
ihrer Konzerneinbettung und Absatzmärkte stark auf          zusammen.
mondiale Kooperationen ausgerichtet sind. Für lokale
Unternehmen sind dagegen Kunden in der Region               Unter den in Penang befragten innovierenden Unter¬
der wichtigste Kooperationspartner - mutmaßlich             nehmen sind Kooperationen weniger verbreitet als
also MNU-Tochterunternehmen in Singapur und                 in Singapur. Die bestehenden innovationsrelevanten

Penang. Nachfolgend sollen die Unterschiede in den          Verflechtungen sind in stärkerem Maße mondial aus¬
räumlichen Kooperationsmustern zwischen den beiden          gerichtet, da die technologische Basis in der Region
südostasiatischen Untersuchungsregionen herausgear¬         weniger entwickelt ist als in Singapur. Letzteres ist
beitet werden.                                              auch für die    Kooperationsreichweiten nach Partnern
                                                            von Bedeutung: Anders als in ERIS-3 oder Singapur
In   Singapur dominieren Kooperationen auf nationa¬         sind vertikale Kooperationen noch am stärksten loka¬
ler und   mondialer Ebene, während Kooperationspart¬        lisiert, insbesondere downstream linkages mit Kunden.
nern im Integrationsraum ASEAN kaum Bedeutung               Anderswo stark regionalisierte Kooperationen mit
zukommt. Nach Partnern differenziert, ergibt sich           Dienstleistern laufen in Penang v. a. auf der mon-
das gleiche Bild wie in den europäischen Unter¬             dialen Ebene ab. Intensive Kooperationen mit For¬
suchungsregionen: Kooperationen mit Dienstleistern          schungseinrichtungen, die in der Frühphase des Inno¬
und Forschungseinrichtungen konzentrieren sich vor¬         vationsprozesses bedeutsam und daher besonders auf
nehmlich auf die regionale Ebene, während vertikale         räumliche Nähe angewiesen sind, haben in Penang
Verflechtungen am stärksten über die betrachteten           dagegen praktisch keine Bedeutung. Diese Anomalien
Maßstabsebenen streuen. Die Unterschiede zwischen           sind im Wesentlichen auf Angebotslücken in der tech¬
MNU und lokalen Unternehmen sind in Singapur eher           nologischen Infrastruktur Penangs zurückzuführen.
graduell denn prinzipiell: Während MNU allgemein
geringfügig stärker auf internationale Kooperationen        Im    Verlauf   des   Innovationsprozesses wird impli-
Regionale Innovationspotentiale                          in   Südostasien    Matthias Kiese, Javier Revilla Diez                         15

                                                                                                             UK17.
                       UK)7<                                                           Penang                                Region
ERIS-3                                      Region

                                                                                                              757.
                           75%        "-

                           5    7.

                                                                                        Rest   der                  v
16                                                                   Geographica Helvetica    Jg. 59    2004/Heft   1

zites  Wissen kodifiziert und damit per Telekom¬           Basis empirisch zu erfassen und vergleichend zu bewer¬
munikation über beliebige räumliche Distanzen              ten.
transportierbar. Daher ist zu erwarten, daß der
räumlichen Nähe der Innovationsakteure zumin¬              Sekundärstatistische Indikatoren weisen auf einen
dest in den Frühphasen des Prozesses eine große            raschen technologischen Aufholprozess Singapurs hin,
Bedeutung zukommt. Die in Südostasien vorge¬               während sie für Malaysia und Thailand noch deut¬
fundenen räumlichen Kooperationsmuster schei¬              liche Rückstände in der technologischen Leistungs¬
nen dieser Annahme zu widersprechen: Unterneh¬             fähigkeit anzeigen. Die Erhebungsergebnisse auf
men kooperieren vor allem mit Partnern außerhalb           Unternehmensebene belegen dagegen eine im Ver¬
Südostasiens. Die in Singapur durchgeführten Inter¬        gleich mit Europa noch immer deutlich geringere
views liefern zwei Erklärungen, um diesen schein¬          Verbreitung von Innovationsaktivitäten      in   Singapur,
baren Widerspruch aufzulösen: Zum einen ist der            Penang und Thailand. Singapur hat bereits eine höhere
Innovationsprozess räumlich aufgespalten, wobei            technologische Entwicklungsstufe erreicht als Malay¬
die frühen Phasen des Innovationsprozesses zumeist         sia und  Thailand. Innerhalb Malaysias steht die high-
außerhalb Singapurs in den Regionen der Koope¬             tech-Enk\ave Penangjedoch auf einem ähnlichen tech¬
rationspartner angesiedelt sind. Ideen für neue            nologischen Niveau wie Singapur, allerdings ist die
Produkte, Konzepte und auch Prototypen entste¬             technologische Infrastruktur der «Silicon Island» noch
hen i.d.R. in den F&E-Zentralen der MNU, wo                kaum entwickelt. Neben der allgemeinen «technologi¬
auch deren Grundlagenforschung angesiedelt ist.            schen Lücke» läßt ein Vergleich der unterschiedlichen
Spätestens zur Pilotproduktion werden sie dann             input-, throughput- und o«fp«fTndikatoren zudem auf
nach Singapur übertragen. Da die Technologie noch          eine geringere Effizienz betrieblicher Innovationsan¬
immer nicht vollständig konsolidiert und dokumen¬          strengungen in Südostasien schließen.
tiert ist, erfordert der Transfer auch in dieser Phase
noch /ace-/o-/ace-Kontakte. Diese räumliche Nähe           Externe Kooperationen besitzen für innovierende
wird zum anderen künstlich hergestellt, indem die          Unternehmen in Singapur, Penang und Malaysia
Unternehmen ihre Ingenieure zu meist mehrmona¬             eine größere Bedeutung als in Europa, wichtigste Part¬
tigen Auslandsaufenthalten aussenden, um die neue          ner sind ausländische Mutterunternehmen für MNU-
Technologie zu erlernen. Nachfolgende Interaktio¬          Töchter sowie technologisch fortschrittliche Kunden
nen und Rückkopplungen werden mit unterschiedli¬           (lead users) für lokale Unternehmen. Damit domi¬
chen Mitteln der Telekommunikation (E-mail. Tele¬          nieren wie in Europa vertikale Kooperationsmuster.
fon, Fax, Videokonferenzen usw.) bewältigt.                Während in Europa jedoch die Kooperationshäufigkeit
                                                           mit zunehmender Entfernung der Partner abnimmt,
Zusammenfassend belegen die erfaßten Innovations¬          herrscht in Singapur ein diskontinuierliches Raummu¬
und Kooperationsmuster die nach wie vor große              ster vor. Unternehmen «überspringen» die technolo¬
Abhängigkeit der Untersuchungsregionen von exter¬          gisch weniger entwickelten Nachbarländer und koope¬
nen Wissensquellen bzw. ihre noch gering entwik-           rieren direkt mit technologisch führenden Partnern
kelten endogenen Kapazitäten zur Produktion inno¬          in Nordamerika, Europa und Japan. Räumliche Nähe
vationsrelevanten Wissens. Unter den betrachteten          ist dennoch von großer Bedeutung, wird jedoch bei
Ländern bzw. Regionen ist Singapur bereits techno¬         der Übertragung von technischem Wissen im räumlich
logisch am weitesten entwickelt. Malaysias high-tech-      aufgespaltenen Innovationsprozeß durch Reisen der
Enklave Penang reicht bei den auf Unternehmens¬            beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure künstlich
ebene erhobenen Innovationsindikatoren bereits an          hergestellt.
Singapur heran, allerdings zeigen die Kooperations¬
muster hier einen erheblichen Nachholbedarf im             Die Übertragung des in Europa erprobten Erhebungs¬
Aufbau einer innovationsrelevanten Infrastruktur (v.a.     instrumentariums nach Südostasien ist im Bereich des
Forschungseinrichtungen und technologieorientierte         Verarbeitenden Gewerbes als gelungen zu bezeichnen.
Dienstleistungen) an.                                      Entscheidender Erfolgsfaktor war die ausdrückliche
                                                           Unterstützung der Befragungen durch hochrangige
                                                           politische Institutionen. Auf diesen Erfahrungen kön¬
5   Fazit                                                  nen zukünftige Innovationserhebungen im asiatisch¬
                                                           pazifischen Raum aufbauen. Neben der weiteren Ver¬
Die als Fortsetzung des European Regional Inno¬            breiterung der Vergleichsbasis durch Ausdehnung
vation Survey in Singapur, Penang und Thailand             der bestehenden Methodik auf weitere Regionen
durchgeführten Innovationserhebungen erlauben es           erscheint jedoch auch der Aufbau eines Bestandes von
erstmals, regionale Innovationspotentiale und innova¬      Längsschnittdaten in ausgewählten Regionen sinnvoll,
tive Netzwerke in Südostasien nicht nur exemplarisch       etwa im Rahmen von Folgebefragungen oder mit Hilfe
in Fallstudien darzustellen, sondern auf repräsentativer   einer Panelerhebung.
Regionale Innovationspotentiale     in   Südostasien   Matthias Kiese, Javier Revilla Diez                               17

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18                                                                    Geographica Helvetica     Jg. 59   2004/Heft   1

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3.  Auflage, Paderborn, München, Wien u.a.: Schöningh.      Industrial Dynamics and Innovation Policy. Rebild
Schätzl,L. (2003):Wirtschaftsgeographie l.Theorie.-         (Denmark). June 9-12.1999.
9. Auflage, Paderborn, München, Wien u.a.: Schöningh.       Wong, PK., Kiese. M.. Singh. A. et al. (2003): The
Schätzl, L. & J. Revilla Diez (Hrsg.) (2002): Techno-       Pattern of Innovation in Singapore's Manufacturing
logical Change and Regional Development in Europe.          Sector. - In: Singapore Management Review 25. 1:
-     Contribution to Economics, Heidelberg. New York:      1-34.
Springer.
Scheidt, B. (1995): Die Einbindung junger Technolo¬
gieunternehmen in Unternehmens- und Politiknetz¬            Zusammenfassung: Regionale Innovationspotentiale
werke. Eine theoretische, empirische und strukturpoli¬      in Südostasien: Empirische Ergebnisse aus Singapur,
tische Analyse. -     Volkswirtschaftliche Schriften 447,   Penang (Malaysia) und Thailand
Berlin: Duncker & Humblot.                                  Aufbauend auf den Erfahrungen des European
Socio-Economicand Environmental Research Insti¬             Regional Innovation Survey (ERIS) versucht der vor¬
tute (SERI) & Universität Hannover (2001): Penang           liegende Beitrag erstmals, das regionale Innovationspo¬
State Innovation Survey 2000. - Draft Internal Report.      tential sowie die Kooperationsbeziehungen zwischen
Penang, Hannover.                                           den Innovationsakteuren in ausgewählte Regionen
Sternberg, R. (2000): Innovation Networks and               Südostasiens empirisch zu erfassen und vergleichend
Regional Development. Evidence from the European            zu bewerten. Repräsentative Befragungen in Singapur.
Regional Innovation Survey (ERIS):Theoretical Con¬          Penang (Malaysia) und Thailand ergaben verwertbare
cepts, Methodological Approach. Empirical Basis and         Informationen zum Innovations- und Kooperations¬
 Introduction to the Theme Issue. - In: European Plan¬      verhalten von rund 1.600 Unternehmen des Verar¬
ning Studies 8,4:389-407.                                   beitenden Gewerbes. Die Ergebnisse zeigen, daß die
Stracke, S. (2003): Technologische Leistungsfähigkeit       Breite und Effizienz der Innovationsaktivitäten in den
im Innovationssystem Penang. Malaysia. - Disserta¬          Untersuchungsregionen noch nicht mit der Situation
 tion, Geographisches Institut. Universität Hannover.       europäischer Regionen vergleichbar sind. Kooperatio¬
Tödtling, F. (1994): The Uneven Landscape of Inno¬          nen sind für die Innovationsprozesse der Unternehmen
vation Poles: Local Embeddedness and Global Net¬            praktisch unverzichtbar;die wichtigsten Partner finden
works.- In: Amin, A. & NTHKiFr (eds): Globalization,        sich für multinationale Unternehmen im Konzernver¬
 Institutions,and Regional Development.-Oxford u.a.:        bund, während einheimische Unternehmen meist mit
 Oxford University Press: 68-90.                            Kunden (lead users) in hochentwickelten Technolo¬
 UNESCO (1999): Statistical Yearbook 1999. - Paris:         gieregionen kooperieren. Hieraus resultiert ein dis¬
 UNESCO (United Nations Educational,Scientific and          kontinuierliches Raummuster, in dem die benachbar¬
 Cultural Organization).                                    ten Länder und Regionen Südostasiens übersprungen
 Virasa.T& P. Brimble (2001 ):Technological Innovation      werden.
of Industrial Enterprises in Thailand. - Paper presented
 at the Regional Workshop on Innovation in the Manufac¬     Summary: Regional Innovative Potential in Southeast
 turing Sector, July 20,2001 .The Gurney Hotel, Penang.     Asia: Empirical evidence from Singapore, Penang
http://www.seri.com.my/InnoWksp/ThailaPres.pdf.             (Malaysia) and Thailand
http://www.seri.com.my/InnoWksp/ThailaText.pdf              Based on experiences from the European Regional
(30.01.2002).                                               Innovation Survey (ERIS). this paper reporls on a
Weltbank (1993): The East Asian Miracle: Economic           first attempt to measure and compare regional innova¬
Growth and Public Policy.-Oxford, New York,Toronto          tive potential and innovation-related co-operations in
u.a.: Oxford University Press.                              selected parts of Southeast Asia. Around 1.600 man¬
Williamson, O.E. (1989): Transaction Cost Econom¬           ufacturing firms responded to our representalive sur¬
ics. - In: Schmalensee, R. & R.D.Willig (eds): Hand¬        veys in   Singapore. Penang (Malaysia) and Thailand.
book of Industrial Organization 1. -      Handbook          Our results show that despite remarkable catching-up
in Economics 10,1. Amsterdam u.a.: North Holland:           in Singapore. the breadth and efficiency of innovative
135-182.                                                    activities still lags considerably behind that found in
Wong, PK. (1995): National Innovation System: The           elevcn European regions. Co-operation is virtually
Case of Singapore. - Seoul: STEPI (Science and Tech¬        indispensable for corporate innovation processes in
nology Policy Institute).                                   the region. Subsidiaries of multinational corporations
Wong. PK. (1999): National Innovation Systems for           are most likely to collaborate with their corporate
Rapid Technological Catch-up: An Analytical Frame¬          headquarters, or R & D centres respectively. In con-
work and a Comparative Analysis of Korea. Taiwan            trasl. lead users in technologically advanced countries
and Singapore. - Paper presented at the Danish              are the prime sources of knowledge for endogenous
Research Unit for Industrial Dynamics (DRUID),              firms. Both leads to a discontinuous spatial patlern of
Regionale Innovationspotentiale       in   Südostasien    Matthias Kiese, Javier Revilla Diez                     19

collaboration linkages in which companies «leapfrog»              Schlagen sich die neuen Erkenntnisse der Innovati¬
neighbouring regions and countries to work with part¬             onsforschung auch in den vorgestellten Regional¬
ners further afield.                                              studien nieder?
                                                                  Lassen sich Unterschiede im Kooperationsverhalten
Resume: Potentiels d'innovation regionaux dans le                 zwischen europäischen und südostasiatischen Unter¬
Sud-Est asiatique: resultats empiriques relatifs ä                nehmen erkennen?
Singapour, ä Penang (Malaisie) et ä la Thailande                  Welche Bedeutung hat die räumliche Nähe zwischen
La presente contribution essaie pour la premiere fois             Kooperationspartnern bei betrieblichen Innovati¬
de cerner empiriquement et de maniere comparee le                 onsprozessen aus theoretischer Sicht?
potentiel regional d'innovation, ainsi que les rapports           Lassen sich Unterschiede in den räumlichen Reich¬
de Cooperation entre les acteurs de l'innovation, ä               weiten der Kooperationspartner in den vorgestell¬
partir d'un choix de regions du Sud-Est asiatique, s'ap-          ten Regionalstudien feststellen?
puyant en cela sur l'experience acquise dans le cadre             Welche Rolle spielt das lokale Umfeld bei der Ent¬
de l'«European Regional Innovation Survey» (ERIS).                wicklung neuer Produkte und Verfahren?
Des investigations repräsentatives realisees ä Singa¬
pour, ä Penang (Malaisie) et en Thailande ont fourni
des informations ulilisables pour l'etude du compor¬
tement dans le domaine de l'innovation et de la Co¬
operation, d'environ 1600 entreprises des activites de
transformation. Les resultats obtenus revelent que
ni l'extension spatiale ni l'efficacite des activites por-
tant sur l'innovation dans les regions concernees par
I'enquete ne sont dejä comparables avec la Situation
existante dans les regions europeennes. Les coopera-
tions portant sur les processus d'innovation des entre¬
prises sont pratiquement incontournables; les parte-
naires les plus importants, pour ce qui est des firmes
multinationales, sont integres au groupe, tandis que
des   entreprises autochtones cooperent      la   plupart du
temps avec des clients (lead users) localises dans des
regions dejä avancees dans les hautes technologies. II         Dipl.-Geogr. Matthias Kiese, Geographisches Institut
en resulte un modele spatial discontinu, en «saut de           der Universität Hannover, Schneiderberg 50, D-30167
moulon» par rapport aux Etats et regions voisins du            Hannover.
Sud-Est asiatique.                                             e-mail: kiese@wigeo.uni-hannover.de
                                                               Prof. Dr. Javier Revilla Diez, Geographisches Institut
                                                               der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Lehrstuhl
Didaktische Hinweise                                           für Wirtschaftsgeographie, Ludewig-Meyn-Strasse 14,
-   Welche   Ursachen sind für den wirtschaftlichen            D-24098Kiel.
    Erfolg Südostasiens verantwortlich?                        e-mail: diez@geographie.uni-kiel.de
-   Warum ist eine zunehmende technologische Lei¬
    stungsfähigkeit für eine nachhaltige Wirtschaftsent¬
    wicklung der Staaten Südostasiens notwendig?               Manuskripteingang/received/manuscrit entre le
-   Welche Rolle spielt in der theoretischen Diskussion        27.2.2002
    das Vorhandensein geeigneter Kooperationspartner           Annahme zum Druck/accepted for publication/accepte
    bei   betrieblichen Innovationsprozessen?                  pour Timpression: 16.2.2004
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