Rezensionen - Südosteuropa-Gesellschaft
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Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021 Rezensionen Sylë Ukshini Die Kosovo-Frage als Herausforderung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU Vom Zerfall Jugoslawiens bis zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo Wien: LIT Verlag 2020, 304 Seiten (= EUROPÄISIERUNG, Beiträge zur transnationalen und transkulturellen Europadebatte, Band 12), ISBN 978-3-643-91144-5 Rezensent: Stephan Lipsius, Kassel Rechtswissenschaftliche Untersuchungen über Sylë Ukshini unterteilt seine Studie, die in zehn die Bedeutung des Kosovo-Konfliktes für die übersichtliche Kapitel gegliedert ist und als Dis- Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und sertation im Fachbereich Rechtswissenschaften Sicherheitspolitik (GASP) der EU sowie über die der Universität Bremen entstand, in fünf Unter- Rolle der GASP bei der Lösung der Kosovo-Frage suchungszeiträume, die eine Zeitspanne von liegen bislang nur vereinzelt vor, was insbeson- März 1989 bis Anfang 2012 umfassen. Zur the- dere auch für den Zeitabschnitt vor und nach matischen Eingrenzung formuliert er dabei acht der Unabhängigkeitserklärung der früheren au- zentrale Fragestellungen, die jene Faktoren tonomen jugoslawischen Provinz Kosovo im Fe- identifizieren und benennen sollen, wie die Ko- bruar 2008 gilt. sovo-Krise zur Entwicklung und vor allem zur Institutionalisierung der europäischen Außen- Die GASP, die im Jahr 1993 mit dem „Vertrag und Sicherheitspolitik beigetragen hat und um- von Maastricht“ erstmals primärrechtlich be- gekehrt, welche politischen Ansätze und Strate- gründet und als zweite von drei Säulen der EU gien die EU im genannten Untersuchungszeit- in ihr rechtliches Rahmenwerk eingebunden raum in der Kosovo-Problematik verfolgte. Die wurde, zählt inzwischen zu den ambitionier- Studie beschäftigt sich somit mit zwei unter- testen und wichtigsten Politikbereichen der schiedlichen Problemkomplexen und Sichtwei- EU. In den Gründungsverträgen der EG war sen, die sich jedoch politisch und ursächlich dagegen die Außen-, Sicherheits- und Verteidi- eng bedingen. gungspolitik noch ausgeklammert worden. Ihre Wurzeln hat die „Gemeinsame Außen- und Ukshini, der in Kosovo bereits mehrere Bücher Sicherheitspolitik“ in der „Europäischen Politi- und zahlreiche Fachaufsätze vorgelegt hat und schen Zusammenarbeit“ (EPZ), auf die sich auf nach Stationen im diplomatischen Dienst sei- Initiative Frankreichs im Dezember 1969 die nes Landes, wie zuletzt als kosovarischer Ge- Mitgliedsstaaten der EWG in Form einer da- schäftsträger in Tirana, derzeit als Direktor der mals rechtlich noch unverbindlichen zwi- „Abteilung für Politische Angelegenheiten“ des schenstaatlichen Kooperation verständigt Außenministeriums in Pristina fungiert, unter- hatten. mauert seine Ausführungen nicht nur durch ei-
90 Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021 Rezensionen ne hohe Anzahl von Monografien, Fachartikeln lierten Darstellung der unterschiedlichen Sta und Presseberichten, sondern konnte darüber dien der Politik der EU in der Kosovo-Problema- hinaus auch als Zeitzeuge, der im Rahmen sei- tik gewidmet, wobei insbesondere das 8. Kapitel ner diplomatischen und politischen Funktionen (Die Rolle der Europäischen Union im Kosovo an verschiedenen internationalen Beratungen der Nachkriegszeit) sowie das 9. Kapitel (Die teilnahm, auf entsprechende Dokumente und Unabhängigkeit Kosovos) mit ihren Abschnitten Schriftstücke zurückgreifen. Positiv erwähnt sei unter anderem über die Befassung des IGH mit in diesem Zusammenhang, dass es Sylë Ukshini der Unabhängigkeitserklärung sowie über das zudem durchweg gelingt, auf hohem wissen- Gutachten des IGH zur Rechtmäßigkeit dieser schaftlichen Niveau zu argumentieren und die besonders aufschlussreich für das Verständnis notwendige analytische Distanz zu bewahren, der jüngeren Entwicklungen sind. was angesichts der gewalttätigen Ereignisse vor und während des Kosovo-Krieges für einen von Seine gewonnenen Erkenntnisse fasst Sylë den Geschehnissen unmittelbar betroffenen Ukshini schließlich am Ende der Studie in 25 Bürger der jungen Republik nicht immer als zentralen Kernaussagen zusammen, die jeweils selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. in kurzen Abschnitten die wichtigsten Ergebnis- se der Untersuchung aufgreifen und festhalten. Von den zehn Kapiteln der Studie befassen sich So sieht Ukshini beispielsweise in der Teilnah- zwei unmittelbar mit der Europäischen Außen- me der EU an der NATO-Operation sowie in ih- und Sicherheitspolitik, wobei es im zweiten rer Rolle bei der diplomatischen Lösung der Ko- Kapitel um die historischen Grundlagen der ge- sovo-Krise durch den „Fischer-Plan“ den Höhe- nannten Politikbereiche geht, während im sieb- punkt des multilateralen und diplomatischen ten Kapitel ein Überblick über die Weiterent- Engagements der EU, wobei es nach dem Ende wicklung der GASP in Form einer Integration der des Kosovo-Krieges der Außen- und Sicher- Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs- heitspolitik der EU zunächst nicht um den Sta- politik (ESVP) als neuer Teilbereich in das politi- tus Kosovos gegangen sei. Vielmehr habe die sche Gefüge der GASP im Fokus steht. Die ESVP, EU Kosovo als Region angesehen, welche von deren Ursprünge auf die Westeuropäische Uni- den Vereinten Nationen verwaltet werde. on (WEU) zurückgehen und die somit ursprüng- lich kein integraler Bestandteil der europäi- Das Fehlen einer einheitlichen Position der schen Integration und des europäischen Eini- EU-Mitgliedstaaten zur Unabhängigkeit Kosovos gungsprozesses war, entstand im Jahr 2001 sowie die Verankerung der Rechtsstaatlichkeits- durch den Vertrag von Nizza. Ihre derzeitige Be- mission EULEX unter dem Schirm der UNO zeichnung, Gemeinsame Sicherheits- und Ver- macht Ukshini schließlich für den begrenzten teidigungspolitik (GSVP), erhielt sie erst mit Erfolg der EULEX-Mission verantwortlich, was dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2007, wobei zudem Serbien und Russland ermutigt habe, die diese weiterhin über ein eigenes Regelwerk in- Realitäten in Kosovo weiter abzulehnen. Ab- nerhalb der GASP verfügt. schließend hält Sylë Ukshini fest, dass Kosovo „die größte und wichtigste Herausforderung für Mit sieben Kapiteln (einschließlich der Einfüh- die Außenpolitik der EU beim Prozess der politi- rung und des Schlusskapitels) ist der Großteil schen Integration“ sei und die EU-Außenpolitik der Untersuchung einer ausgesprochen detail- an Kosovo nicht scheitern dürfe.
Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021 Rezensionen 91 Hagen Fleischer Krieg und Nachkrieg Das schwierige deutsch-griechische Jahrhundert Herausgegeben von Chryssoula Kambas Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2020, 366 S., ISBN 978-3-412-51789-2 Rezensent: Jens Bastian, Athen Griechenland erinnert sich dieses Jahr an zwei in Griechenland zwischen 1941 und 1944 von zentrale Wegmarkierungen seiner Geschichte. großen Lücken, Desinteresse und Wegschauen Zum einen war es der 25. März 1821, der 200. geprägt. Diesen Zustand durch Forschung, Kon- Jahrestag des griechischen Aufstands gegen die ferenzen und Publikationen zu verändern, Osmanen-Herrschaft. Kaum zwei Wochen später kennzeichnet das wissenschaftliche Werk von jährte sich zum 80. Mal der Überfall der deut- Hagen Fleischer. Der vorliegende Band ist dafür schen Wehrmacht am 6. April 1941 und die an- bestens geeignet, verlangt aber auch von seiner schließende Besetzung Griechenlands sowie Leserschaft Geduld und Einfühlungsvermögen des Königreichs Jugoslawien. Dem Stolz des ers- in Themen und Ereignisse, welche Erinnerung ten Datums stehen die Wunden des zweiten ge- schmerzlich greifbar machen. genüber. Wer sich ausführlich über die Ereignis- se des zweiten Jahrestages informieren möchte, Die Besetzung Griechenlands und der Wider- greife zu einem Sammelband von Texten, deren stand gegen die Okkupanten, das griechische Lektüre dazu detaillierte Informationen und Judentum sowie die Pläne für ein „germani- Einschätzungen anbietet, allerdings inklusive sches Nachkriegs-Kreta“ bilden den Schwer- emotionaler Herausforderungen. punkt des ersten Kapitels. Anschließend wird auf „deutsche Kränze auf griechischem Boden Das Buch sammelt Texte von Hagen Fleischer, verwiesen“ und die „deutsche Kulturpolitik in welche der deutsch-griechische Historiker in Griechenland“ während der Militärdiktatur verschiedenen Sprachen zwischen 1981 und (1967 – 1974) erörtert. Im dritten Kapitel werden 2015 publiziert hat. Die allermeisten davon wir schließlich eingeladen, „Autobiographi- wurden vom Griechischen ins Deutsche durch sches“ über den Autor zu erfahren, beispiels- Andrea Schellinger meisterhaft übersetzt. Der weise wie er in mühseliger Kleinarbeit und ge- Tatsache, dass „im deutschen Sprachraum Flei- gen erhebliche Widerstände mithalf, die „Causa schers griechische Publikationen weitgehend Waldheim“ aus der Verborgenheit ans Licht zu unzugänglich“ sind (Seite 16, Vorwort der Her- bringen. ausgeberin) wird hier dankenswerterweise Abhilfe geschaffen! Ein ausführliches Werkver- Wie aktuell diese Themenstellungen weiter- zeichnis der deutschsprachigen und englischen hin sind, wurde zuletzt sichtbar in Berlin. Am Schriften Fleischers im Anhang bildet eine wei- 25. März 2021 debattierte der Deutsche Bundes- tere Brücke zur Erkundung der umfangreichen tag zwei getrennte Anträge der Fraktionen wissenschaftlichen Leistung dieses „zugereisten Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Beide Neu-Hellenen“, der seit 1977 in Griechenland Anträge hatten zum Inhalt, die erinnerungspoli- lebt und arbeitet (Griechenland-Zeitung, 09. tische Zusammenarbeit zwischen Deutschland Dezember 2020, Seite 4). und Griechenland zu intensivieren. Die Aner- kennung der griechischen Reparationsforderun- Obwohl über Griechenland in der vergangenen gen und die Auseinandersetzung mit der Rück- Dekade ausführlich in deutschen Medien be- zahlung der sogenannten Zwangsanleihe wur- richtet wurde – die Stichworte lauteten zum den im Plenum des Bundestags zwar kontrovers Beispiel Schuldenkrise, „Grexit“ und Lesbos – ist diskutiert, aber letztendlich durch die Fraktio- das Wissen der allermeisten Deutschen über nen der CDU/CSU, SPD, FDP und AfD geschlos- die Verbrechen der Wehrmacht, SS und Gestapo sen abgelehnt.
92 Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021 Rezensionen Hagen Fleischer schreibt mit erkennbarer Em- fentlichkeit in Deutschland näher zu bringen. In pathie über Griechenland. Aber seine wissen- diesem Sinne ist sein Angebot zur Erinnerung schaftliche Feder verliert nie die notwendige auch eine Einladung an die Leserschaft, sich mit kritische Distanz, um die Erinnerung an das einer Vergangenheit zu befassen, die in Grie- weiterhin schwierige deutsch-griechische Jahr- chenland nicht vergessen und in Deutschland hundert zu analysieren und einer breiten Öf- noch zu erkunden ist. Dietmar Schon (Hg.) Die Serbische Orthodoxe Kirche in den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2019, 272 S., ISBN 978-3-7917-3057-8 (= Schriften des Ostkircheninstituts der Diözese Regensburg 3) Rezensent: Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth Die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) blickt vor rung sowohl auf staatlicher als auch auf lokaler allem im 20. Jahrhundert auf keine einfache Ge- Ebene“, so Jerkić. schichte zurück. Der vorliegende Band rückt den Fokus auf Gegenwart und Zukunft der Kir- Unter dem Titel „Patriarchat unter Beschuss“ che. Im ersten Abschnitt geht es um die Kirche referiert Nenad Živković Herausforderungen für im Kontext von Geschichte und gesellschaftli- die kanonische Organisation der SOK von der cher Veränderung (S. 11 – 153), im zweiten um Gründung der Kroatischen Orthodoxen Kirche aktuelle Entwicklungen in der serbisch-ortho- 1942 über Abspaltungen von Exildiözesen in doxen Theologie (S. 157 – 267). Übersee zu kommunistischer Zeit bis hin zu heutigen Konflikten mit der Rumänischen Or- Bischof Andrej Ćilerdžić (Wien) benennt in thodoxen Kirche über deren Diözese Dacia Felix seiner Einleitung Herausforderungen wie in Ostserbien. Weitere Themen sind nichtkano- Migration, Säkularisierung und die Gefahr nische Gruppierungen, Kryptokirchen sowie An- der kirchlichen Marginalisierung als auch die sprüche von Mazedonien und Montenegro auf SOK betreffende Phänomene. Dragiša Jerkić eigene orthodoxe Kirchen. beleuchtet hernach die Situation der SOK in Bosnien und Herzegowina und macht deut Einen der spannendsten Beiträge des Bandes lich: „Die Kirche war in den Zeiten der osma liefert Irena Zeltner Pavlović zum Thema „Die nischen Herrschaft und später, als das Land SOK und die mediale Öffentlichkeit“. Sie fragt von der k.u.k. Monarchie annektiert wurde, die nach der binnen-kirchlichen Deutung von Medi- Achse, um die sich das spirituelle, kulturelle en und skizziert gleichzeitig den Einsatz der Kir- und soziale Leben der bosnischen Serben che für das Recht auf öffentliche Rede in Gesell- drehte.“ (S. 22) schaft und Medien, welches nach der kommunis- tischen Diktatur neu erkämpft werden musste. Im 19. Jh. unterstützte die SOK die Bestrebungen der Serben nach einer Vereinigung in einem ge- Zeltner Pavlović zeigt, wie die Kirche mit der meinsamen Staat. Im Sozialismus wurde die Kir- renommierten Zeitschrift Pravoslavlje seit 1967 che, wie alle Religionsgemeinschaften, margina- ein Medium der Begegnung von Kirche und Ge- lisiert. Im 1997 gegründeten „Interreligiösen Rat sellschaft bietet. Aus dieser Zeitschrift analy- in BuH“ wirkt die Kirche mit. In jüngster Zeit siert sie 48 der zwischen 2010 und 2016 erschie- wird die Kirche bereits häufig als Teil des poli- nenen Beiträge zum Thema „Medien und Kir- tisch-gesellschaftlichen Establishments wahr- che“, auch vor dem Hintergrund, dass es in der genommen als „eine Folge der Verflechtungen SOK weder Zeitschriften über Medien, noch zwischen der Kirche und der politischen Füh- kirchliche Stellungnahmen zum Thema gibt.
Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021 Rezensionen 93 Bis heute existieren Stimmen gegen öffentliche nahm schon Anfang des 20. Jahrhunderts kon- Äußerungen der Kirche als „Einmischung“ in kretere Formen an. Angelegenheiten von Staat und Gesellschaft und Missachtung des „Prinzips der Säkularisie- Die Beiträge zu aktuellen Entwicklungen der rung“. Noch 2014 musste der damalige Chefre- serbisch-orthodoxen Theologie zeigen die Aus- dakteur von Pravoslavlje betonen: „Das ist De- einandersetzungen über die Rezeption westli- mokratie. Die Kirche, wie jede andere Organisa- cher Strömungen und Methoden in der serbi- tion und jedes Individuum, hat das Recht, ihre schen Theologie. Marko Vilotić weist auf die Standpunkte öffentlich bekannt zu machen.“ große Freiheit des serbischen theologischen (Zit. S. 68) Deutlich wird aber auch, dass die Kir- Denkens in der Zwischenkriegszeit hin und kriti- che die Möglichkeiten der Massenmedien und siert die Ausrichtung der heutigen Theologie an des Internets noch nicht ausreichend nutzt. Der der „neupatristischen Synthese“ (z. B. John Mey- Patriarch selbst plädiert für mehr Kontakt mit endorff, Ioannis Zizioulas) zu Lasten moderner Journalisten und Journalistinnen und forciert (westlicher) Entwürfe. Doch wurde diese gerade die Ausbildung kirchlicher Mitarbeiter für den als Befreiung vom Einfluss westlich geprägter Medienbereich. Ihr Fazit: Es wäre „Aufgabe der rationalistischer Theologie verstanden und als orthodoxen Theologie, eine Reflexion zum Mis- authentische Interpretation der orthodoxen sionsbegriff im massenmedialen Kontext vorzu- Theologie festgehalten.1 nehmen“ (S. 76), zudem brauche es eine „Pro- fessionalisierung des kirchlichen Medienperso- Die weiteren Beiträge liefern Einblicke in die nals“ (S. 80). Disziplinen der Bibelwissenschaften sowie The- men der Ekklesiologie und der Liturgik. Dabei Sehr aufschlussreich ist der Beitrag von Rade wirkt manches schon sehr speziell (etwa Marko Kisić über die SOK und die ökumenische Bewe- Delić: „Hermeneutische Probleme der Interpre- gung. Er zeigt das große Engagement der Kirche tationsebenen im ‚Kommentar zum Hohelied‘ und ihre inner-orthodoxe Vorreiterrolle im Blick des Origenes“, S. 238 – 257). Hier wird der Spagat auf die Anglikanische Kirche auf. Gleichzeitig zwischen Befürwortern der akademisch gepräg- wird immer wieder deutlich, wie belastet das ten historisch-kritischen Methode westlicher Klima gegenüber der Katholischen Kirche in den Provenienz und der klassischen orthodoxen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens ist. Öku- Theologie deutlich, die stets auf eine tiefe Ver- mene findet hier praktisch nicht statt. Wobei bindung der Theologie mit dem Leben der Kir- prominente Theologen wie der 2010 heiligge- che hinzielt, was im Westen weitgehend verlo- sprochene Justin Popović auch massiv die rengegangen ist. Ökumene kritisierten. Angesichts der kaum vorhandenen Literatur Dietmar Schon, Herausgeber des Bandes und zum Thema ist der Band verdienstvoll. Wün- Direktor des Ostkircheninstituts der Diözese Re- schenswert wäre gewesen, wenn auch ein Über- gensburg, behandelt das Engagement der SOK blick über die Geschichte und Entwicklung der im interreligiösen Dialog der Balkanregion, an- Kirche insgesamt seit dem Zerfall Jugoslawiens gesichts der muslimischen Präsenz dort ein sowie Darstellungen zur Lage von Klöstern und wichtiges Thema. Er kommt zu dem Schluss: Mönchtum oder des Religionsrechts und dem „Die SOK gehört zu den engagiertesten Mitge- staatskirchenrechtlichen Status der SOK in den staltern von interreligiösem Dialog. Sie hat sich heutigen Republiken enthalten wären. So wird in allen seinen Formen beteiligt.“ (S. 114) Der zwar das Randthema der Jurisdiktionsprobleme Geschichte und Verbreitung der serbischen or- sehr breit abgehandelt, aber wichtige Grund thodoxen Diaspora in Deutschland und Südafri- lagen kommen etwas kurz. Nichtsdestotrotz ein ka widmen sich weitere Beiträge. In Deutsch- wertvoller wie lesenswerter Band. land bildete sich diese nach dem Zweiten Welt- krieg heraus, die serbische Kolonie in Südafrika 1 Vgl. dazu das Standardwerk von Karl Christian Felmy, Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegen- wart, Münster 32014.
94 Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021 Rezensionen Wilfried Heller Rumänien. Bilder aus einer verlorenen Zeit Eine fotografische Landeskunde Rumäniens vor und nach der Wende Bonn/Hermannstadt: Schiller Verlag 2020, 256 S., 738 Farbfotografien, ISBN 978-3-946954-77-4 Rezensent: Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth Der deutsch-rumänische Schiller Verlag hat in Fotos moderner Zweckbauten aus der Zeit des der Vergangenheit bereits einige höchst unkon- Sozialismus kommen dabei immer wieder ne- ventionelle Bücher vorgelegt. Mit dem neuen ben Bildern historischer Gebäude und Straßen- großformatigen Band von Wilfried Heller über- züge zur Geltung. Deutlich wird bei all dem trifft sich der Verlag allerdings selbst. Auf 256 auch, wie vielfältig die Bevölkerung des Landes großformatigen Seiten legen Heller und der ist. Verlag eine „fotografische Landeskunde Rumä- niens“ vor, wie es sie in dieser Form noch nicht Dabei weckt oder hinterlässt das Buch niemals gegeben hat. Gleichzeitig entsteht eine Bild-Do- den Eindruck eines bloßen Bildbandes oder kit- kumentation des Landes über mehrere Jahr- schiger Postkartenromantik. Dafür sorgen im- zehnte mit Schwerpunkt auf der sozialistischen mer wieder auch die Bilder von Menschen, die Zeit bis 1989, welche 570 der 738 Fotografien do- Szenen aus dem Alltagsleben zeigen: vom kumentieren. Kirchgang in Tracht über manches Marktgesche- hen bis hin zu spielenden Kindern auf der Stra- Die Bilder bis 1989 stammen aus vier persönli- ße und mancher Männerrunde im Wirtshaus. chen Forschungsreisen und drei Exkursionen Auch wenn die Fotos aus der Epoche vor 1989 des Autors mit Geographiestudenten und -stu- sicher viel aussagen über die politische Situati- dentinnen der Universität Göttingen zwischen on in der sozialistischen Zeit, so wird doch er- 1971 und 1989, die restlichen von fünf Reisen kennbar, dass die Menschen auch ein normales und Exkursionen zwischen 1991 und 2000. Nur Alltagsleben führten und zu bewältigen hatten. ein knappes Dutzend der Bilder stammt nicht So manche Bilder wecken auch Nostalgie, wenn von Heller, sondern von Dritten. Es entsteht ein etwa der parkähnliche begrünte Große Ring von unglaublich authentischer Eindruck von Rumä- Hermannstadt aus den 1970er Jahren zu sehen nien vor und nach der Wende. Die Fotografien ist (S. 87, Fotos Nr. 83 u. 84). werden begleitet und ergänzt von konzentrier- ten Texten aus geographischer und historischer Die Bildauswahl ist genauso exzellent wie die Sicht. Diese bieten auf knappem Raum sehr vie- inhaltliche Darstellung und Gewichtung der Be- le wertvolle und auch aktuelle Informationen. gleittexte. Großes Gewicht legt Heller dabei im- So liegen etwa den statistischen Zahlen zur Be- mer wieder – neben der historischen und geo- völkerung Daten von 2017 zugrunde. Dadurch grafischen Grundierung – auf die wirtschaftliche liefert der Band nicht nur eine einzigartige his- Entwicklung der Regionen im Sozialismus und torische Dokumentation zu Rumänien in Bil- danach und auch auf die Bevölkerungsentwick- dern, sondern eben auch eine gediegene und lung, die sehr unterschiedlich verläuft, sowie präzise geschichtliche und geographische Dar- auf die ethnischen Bevölkerungsstrukturen. stellung. Der Band offeriert eine buchstäblich anschauli- Der Band bezieht sich auf die historischen Regi- che Darstellung Rumäniens seit den 1970er Jah- onen, deshalb auch völlig zu Recht die kleintei- ren in Bildern und gleichzeitig eine aktuelle, lige Aufgliederung, die im Detail jeweils gut be- breit angelegte Landeskunde mit ausgewogener gründet wird. Kartenmaterial und Statistiken er- Mischung aus Geschichte, Geographie und Ge- gänzen die Darstellung in Text und Bildern. genwart.
Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021 95 Südosteuropa-Gesellschaft Die Südosteuropa Mitteilungen sind die Zeitschrift der Südosteuropa-Gesellschaft (SOG). Die 1952 gegründete Südosteuropa-Gesellschaft ist eine private und gemeinnützige Vereinigung von Wissenschaftler*innen, Politiker*innen, Vertreter*innen der Wirtschaft und der Medien. Sie ist unabhängig und überparteilich. Zentrale Aufgabe der SOG ist es, die wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu den südosteuropäischen Ländern – Albanien – Bosnien und Herzegowina – Bulgarien – Griechenland – Kosovo – Kroatien – Montenegro – Republik Moldau – Nordmazedonien – Rumänien – Serbien – Slowakei – Slowenien – Türkei – Ungarn – Zypern zu fördern und die Kenntnis über gegenwärtige und historische Entwicklungen in dieser Region zu vertiefen. Die SOG gehört zu den wichtigen Trägern der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik. Die SOG bietet durch ihre Veranstaltungen, Publikationen und durch das im Kreis ihrer Mitglieder vereinte Expert*innenwissen ein Forum für den Dialog zwischen der Bundesre publik Deutschland und den südosteuropäischen Ländern sowie für die politikberatende und politikbegleitende Diskussion. Die SOG fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs durch Hochschulwochen, Reise stipendien und Förderpreise für hervorragende Leistungen in der Südosteuropa- Forschung.
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