Rezensionen - Südosteuropa-Gesellschaft

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Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021

                                  Rezensionen

Sylë Ukshini
Die Kosovo-Frage als Herausforderung der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU
Vom Zerfall Jugoslawiens bis zur
Unabhängigkeitserklärung des Kosovo
Wien: LIT Verlag 2020, 304 Seiten (= EUROPÄISIERUNG, Beiträge zur transnationalen und
transkulturellen Europadebatte, Band 12), ISBN 978-3-643-91144-5
Rezensent: Stephan Lipsius, Kassel

Rechtswissenschaftliche Untersuchungen über           Sylë Ukshini unterteilt seine Studie, die in zehn
die Bedeutung des Kosovo-Konfliktes für die           übersichtliche Kapitel gegliedert ist und als Dis-
Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und                sertation im Fachbereich Rechtswissenschaften
­Sicherheitspolitik (GASP) der EU sowie über die      der Universität Bremen entstand, in fünf Unter-
 Rolle der GASP bei der Lösung der Kosovo-Frage       suchungszeiträume, die eine Zeitspanne von
 liegen bislang nur vereinzelt vor, was insbeson-     März 1989 bis Anfang 2012 umfassen. Zur the-
 dere auch für den Zeitabschnitt vor und nach         matischen Eingrenzung formuliert er dabei acht
 der Unabhängigkeitserklärung der früheren au-        zentrale Fragestellungen, die jene Faktoren
 tonomen jugoslawischen Provinz Kosovo im Fe-         identifizieren und benennen sollen, wie die Ko-
 bruar 2008 gilt.                                     sovo-Krise zur Entwicklung und vor allem zur
                                                      Institutionalisierung der europäischen Außen-
 Die GASP, die im Jahr 1993 mit dem „Vertrag          und Sicherheitspolitik beigetragen hat und um-
 von Maastricht“ erstmals primärrechtlich be-         gekehrt, welche politischen Ansätze und Strate-
 gründet und als zweite von drei Säulen der EU        gien die EU im genannten Untersuchungszeit-
 in ihr rechtliches Rahmenwerk eingebunden            raum in der Kosovo-Problematik verfolgte. Die
 wurde, zählt inzwischen zu den ambitionier-          Studie beschäftigt sich somit mit zwei unter-
 testen und wichtigsten Politikbereichen der          schiedlichen Problemkomplexen und Sichtwei-
 EU. In den Gründungsverträgen der EG war             sen, die sich jedoch politisch und ursächlich
 ­dagegen die Außen-, Sicherheits- und Verteidi-      eng bedingen.
  gungspolitik noch ausgeklammert worden. Ihre
  Wurzeln hat die „Gemeinsame Außen- und              Ukshini, der in Kosovo bereits mehrere Bücher
  ­Sicherheitspolitik“ in der „Europäischen Politi-   und zahlreiche Fachaufsätze vorgelegt hat und
   schen Zusammenarbeit“ (EPZ), auf die sich auf      nach Stationen im diplomatischen Dienst sei-
   Initiative Frankreichs im Dezember 1969 die        nes Landes, wie zuletzt als kosovarischer Ge-
   Mitgliedsstaaten der EWG in Form einer da-         schäftsträger in Tirana, derzeit als Direktor der
   mals rechtlich noch unverbindlichen zwi-           „Abteilung für Politische Angelegenheiten“ des
   schenstaatlichen Kooperation verständigt           Außenministeriums in Pristina fungiert, unter-
­hatten.                                              mauert seine Ausführungen nicht nur durch ei-
90      Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021                                               Rezensionen

ne hohe Anzahl von Monografien, Fachartikeln           lierten Darstellung der unterschiedlichen Sta­
und Presseberichten, sondern konnte darüber            dien der Politik der EU in der Kosovo-Problema-
hinaus auch als Zeitzeuge, der im Rahmen sei-          tik gewidmet, wobei insbesondere das 8. Kapitel
ner diplomatischen und politischen Funktionen          (Die Rolle der Europäischen Union im Kosovo
an verschiedenen internationalen Beratungen            der Nachkriegszeit) sowie das 9. Kapitel (Die
teilnahm, auf entsprechende Dokumente und              Unabhängigkeit Kosovos) mit ihren Abschnitten
Schriftstücke zurückgreifen. Positiv erwähnt sei       unter anderem über die Befassung des IGH mit
in diesem Zusammenhang, dass es Sylë Ukshini           der Unabhängigkeitserklärung sowie über das
zudem durchweg gelingt, auf hohem wissen-              Gutachten des IGH zur Rechtmäßigkeit dieser
schaftlichen Niveau zu argumentieren und die           besonders aufschlussreich für das Verständnis
notwendige analytische Distanz zu bewahren,            der jüngeren Entwicklungen sind.
was angesichts der gewalttätigen Ereignisse vor
und während des Kosovo-Krieges für einen von           Seine gewonnenen Erkenntnisse fasst Sylë
den Geschehnissen unmittelbar betroffenen              ­Ukshini schließlich am Ende der Studie in 25
Bürger der jungen Republik nicht immer als              zentralen Kernaussagen zusammen, die jeweils
selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.           in kurzen Abschnitten die wichtigsten Ergebnis-
                                                       se der Untersuchung aufgreifen und festhalten.
Von den zehn Kapiteln der Studie befassen sich         So sieht Ukshini beispielsweise in der Teilnah-
zwei unmittelbar mit der Europäischen Außen-           me der EU an der NATO-Operation sowie in ih-
und Sicherheitspolitik, wobei es im zweiten            rer Rolle bei der diplomatischen Lösung der Ko-
­Kapitel um die historischen Grundlagen der ge-        sovo-Krise durch den „Fischer-Plan“ den Höhe-
 nannten Politikbereiche geht, während im sieb-        punkt des multilateralen und diplomatischen
 ten Kapitel ein Überblick über die Weiterent-         Engagements der EU, wobei es nach dem Ende
 wicklung der GASP in Form einer Integration der       des Kosovo-Krieges der Außen- und Sicher-
 Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-          heitspolitik der EU zunächst nicht um den Sta-
 politik (ESVP) als neuer Teilbereich in das politi-   tus Kosovos gegangen sei. Vielmehr habe die
 sche Gefüge der GASP im Fokus steht. Die ESVP,        EU Kosovo als Region angesehen, welche von
 deren Ursprünge auf die Westeuropäische Uni-          den Vereinten Nationen verwaltet werde.
 on (WEU) zurückgehen und die somit ursprüng-
 lich kein integraler Bestandteil der europäi-         Das Fehlen einer einheitlichen Position der
 schen Integration und des europäischen Eini-          ­EU-Mitgliedstaaten zur Unabhängigkeit Kosovos
 gungsprozesses war, entstand im Jahr 2001              sowie die Verankerung der Rechtsstaatlichkeits-
 durch den Vertrag von Nizza. Ihre derzeitige Be-      mission EULEX unter dem Schirm der UNO
 zeichnung, Gemeinsame Sicherheits- und Ver-           macht Ukshini schließlich für den begrenzten
 teidigungspolitik (GSVP), erhielt sie erst mit        Erfolg der EULEX-Mission verantwortlich, was
 dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2007, wobei          zudem Serbien und Russland ermutigt habe, die
 diese weiterhin über ein eigenes Regelwerk in-        Realitäten in Kosovo weiter abzulehnen. Ab-
 nerhalb der GASP verfügt.                             schließend hält Sylë Ukshini fest, dass Kosovo
                                                       „die größte und wichtigste Herausforderung für
Mit sieben Kapiteln (einschließlich der Einfüh-        die Außenpolitik der EU beim Prozess der politi-
rung und des Schlusskapitels) ist der Großteil         schen Integration“ sei und die EU-Außenpolitik
der Untersuchung einer ausgesprochen detail-           an Kosovo nicht scheitern dürfe.
Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021                                              Rezensionen     91

Hagen Fleischer
Krieg und Nachkrieg
Das schwierige deutsch-griechische Jahrhundert
Herausgegeben von Chryssoula Kambas
Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2020, 366 S., ISBN 978-3-412-51789-2
Rezensent: Jens Bastian, Athen

Griechenland erinnert sich dieses Jahr an zwei      in Griechenland zwischen 1941 und 1944 von
zentrale Wegmarkierungen seiner Geschichte.         großen Lücken, Desinteresse und Wegschauen
Zum einen war es der 25. März 1821, der 200.        geprägt. Diesen Zustand durch Forschung, Kon-
Jahrestag des griechischen Aufstands gegen die      ferenzen und Publikationen zu verändern,
Osmanen-Herrschaft. Kaum zwei Wochen später         kennzeichnet das wissenschaftliche Werk von
jährte sich zum 80. Mal der Überfall der deut-      Hagen Fleischer. Der vorliegende Band ist dafür
schen Wehrmacht am 6. April 1941 und die an-        bestens geeignet, verlangt aber auch von seiner
schließende Besetzung Griechenlands sowie           Leserschaft Geduld und Einfühlungsvermögen
des Königreichs Jugoslawien. Dem Stolz des ers-     in Themen und Ereignisse, welche Erinnerung
ten Datums stehen die Wunden des zweiten ge-        schmerzlich greifbar machen.
genüber. Wer sich ausführlich über die Ereignis-
se des zweiten Jahrestages informieren möchte,      Die Besetzung Griechenlands und der Wider-
greife zu einem Sammelband von Texten, deren        stand gegen die Okkupanten, das griechische
Lektüre dazu detaillierte Informationen und         Judentum sowie die Pläne für ein „germani-
Einschätzungen anbietet, allerdings inklusive       sches Nachkriegs-Kreta“ bilden den Schwer-
emotionaler Herausforderungen.                      punkt des ersten Kapitels. Anschließend wird
                                                    auf „deutsche Kränze auf griechischem Boden
Das Buch sammelt Texte von Hagen Fleischer,         verwiesen“ und die „deutsche Kulturpolitik in
welche der deutsch-griechische Historiker in        Griechenland“ während der Militärdiktatur
verschiedenen Sprachen zwischen 1981 und            (1967 – 1974) erörtert. Im dritten Kapitel werden
2015 publiziert hat. Die allermeisten davon         wir schließlich eingeladen, „Autobiographi-
­wurden vom Griechischen ins Deutsche durch         sches“ über den Autor zu erfahren, beispiels-
 Andrea Schellinger meisterhaft übersetzt. Der      weise wie er in mühseliger Kleinarbeit und ge-
 Tatsache, dass „im deutschen Sprachraum Flei-      gen erhebliche Widerstände mithalf, die „Causa
 schers griechische Publikationen weitgehend        Waldheim“ aus der Verborgenheit ans Licht zu
 unzugänglich“ sind (Seite 16, Vorwort der Her-     bringen.
 ausgeberin) wird hier dankenswerterweise
 ­Abhilfe geschaffen! Ein ausführliches Werkver-    Wie aktuell diese Themenstellungen weiter­-
  zeichnis der deutschsprachigen und englischen     hin sind, wurde zuletzt sichtbar in Berlin. Am
  Schriften Fleischers im Anhang bildet eine wei-   25. März 2021 debattierte der Deutsche Bundes-
  tere Brücke zur Erkundung der umfangreichen       tag zwei getrennte Anträge der Fraktionen
  wissenschaftlichen Leistung dieses „zugereisten   Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Beide
  Neu-Hellenen“, der seit 1977 in Griechenland      Anträge hatten zum Inhalt, die erinnerungspoli-
  lebt und arbeitet (Griechenland-Zeitung, 09.      tische Zusammenarbeit zwischen Deutschland
  Dezember 2020, Seite 4).                          und Griechenland zu intensivieren. Die Aner-
                                                    kennung der griechischen Reparationsforderun-
Obwohl über Griechenland in der vergangenen         gen und die Auseinandersetzung mit der Rück-
Dekade ausführlich in deutschen Medien be-          zahlung der sogenannten Zwangsanleihe wur-
richtet wurde – die Stichworte lauteten zum         den im Plenum des Bundestags zwar kontrovers
Beispiel Schuldenkrise, „Grexit“ und Lesbos – ist   diskutiert, aber letztendlich durch die Fraktio-
das Wissen der allermeisten Deutschen über          nen der CDU/CSU, SPD, FDP und AfD geschlos-
die Verbrechen der Wehrmacht, SS und Gestapo        sen abgelehnt.
92     Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021                                               Rezensionen

Hagen Fleischer schreibt mit erkennbarer Em-        fentlichkeit in Deutschland näher zu bringen. In
pathie über Griechenland. Aber seine wissen-        diesem Sinne ist sein Angebot zur Erinnerung
schaftliche Feder verliert nie die notwendige       auch eine Einladung an die Leserschaft, sich mit
kritische Distanz, um die Erinnerung an das         einer Vergangenheit zu befassen, die in Grie-
weiterhin schwierige deutsch-griechische Jahr-      chenland nicht vergessen und in Deutschland
hundert zu analysieren und einer breiten Öf-        noch zu erkunden ist.

Dietmar Schon (Hg.)
Die Serbische Orthodoxe Kirche in den
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2019, 272 S., ISBN 978-3-7917-3057-8 (= Schriften des
Ostkircheninstituts der Diözese Regensburg 3)
Rezensent: Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth

Die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) blickt vor     rung sowohl auf staatlicher als auch auf lokaler
allem im 20. Jahrhundert auf keine einfache Ge-     Ebene“, so Jerkić.
schichte zurück. Der vorliegende Band rückt
den Fokus auf Gegenwart und Zukunft der Kir-        Unter dem Titel „Patriarchat unter Beschuss“
che. Im ersten Abschnitt geht es um die Kirche      referiert Nenad Živković Herausforderungen für
im Kontext von Geschichte und gesellschaftli-       die kanonische Organisation der SOK von der
cher Veränderung (S. 11 – 153), im zweiten um       Gründung der Kroatischen Orthodoxen Kirche
aktuelle Entwicklungen in der serbisch-ortho-       1942 über Abspaltungen von Exildiözesen in
doxen Theologie (S. 157 – 267).                     Übersee zu kommunistischer Zeit bis hin zu
                                                    heutigen Konflikten mit der Rumänischen Or-
Bischof Andrej Ćilerdžić (Wien) benennt in          thodoxen Kirche über deren Diözese Dacia Felix
­seiner Einleitung Herausforderungen wie            in Ostserbien. Weitere Themen sind nichtkano-
 ­Migration, Säkularisierung und die Gefahr         nische Gruppierungen, Kryptokirchen sowie An-
  der kirch­lichen Marginalisierung als auch die    sprüche von Mazedonien und Montenegro auf
  SOK betreffende Phänomene. Dragiša Jerkić         eigene orthodoxe Kirchen.
  beleuchtet hernach die Situation der SOK in
  Bosnien und Herzegowina und macht deut­           Einen der spannendsten Beiträge des Bandes
  lich: „Die Kirche war in den Zeiten der osma­     liefert Irena Zeltner Pavlović zum Thema „Die
  nischen Herrschaft und später, als das Land       SOK und die mediale Öffentlichkeit“. Sie fragt
  von der k.u.k. Monarchie annektiert wurde, die    nach der binnen-kirchlichen Deutung von Medi-
  Achse, um die sich das spirituelle, kulturelle    en und skizziert gleichzeitig den Einsatz der Kir-
  und soziale Leben der bosnischen Serben           che für das Recht auf öffentliche Rede in Gesell-
  drehte.“ (S. 22)                                  schaft und Medien, welches nach der kommunis-
                                                    tischen Diktatur neu erkämpft werden musste.
Im 19. Jh. unterstützte die SOK die Bestrebungen
der Serben nach einer Vereinigung in einem ge-      Zeltner Pavlović zeigt, wie die Kirche mit der
meinsamen Staat. Im Sozialismus wurde die Kir-      renommierten Zeitschrift Pravoslavlje seit 1967
che, wie alle Religionsgemeinschaften, margina-     ein Medium der Begegnung von Kirche und Ge-
lisiert. Im 1997 gegründeten „Interreligiösen Rat   sellschaft bietet. Aus dieser Zeitschrift analy-
in BuH“ wirkt die Kirche mit. In jüngster Zeit      siert sie 48 der zwischen 2010 und 2016 erschie-
wird die Kirche bereits häufig als Teil des poli-   nenen Beiträge zum Thema „Medien und Kir-
tisch-gesellschaftlichen Establishments wahr-       che“, auch vor dem Hintergrund, dass es in der
genommen als „eine Folge der Verflechtungen         SOK weder Zeitschriften über Medien, noch
zwischen der Kirche und der politischen Füh-        kirchliche Stellungnahmen zum Thema gibt.
Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021                                                  Rezensionen     93

Bis heute existieren Stimmen gegen öffentliche        nahm schon Anfang des 20. Jahrhunderts kon-
Äußerungen der Kirche als „Einmischung“ in            kretere Formen an.
Angelegenheiten von Staat und Gesellschaft
und Missachtung des „Prinzips der Säkularisie-        Die Beiträge zu aktuellen Entwicklungen der
rung“. Noch 2014 musste der damalige Chefre-          serbisch-orthodoxen Theologie zeigen die Aus-
dakteur von Pravoslavlje betonen: „Das ist De-        einandersetzungen über die Rezeption westli-
mokratie. Die Kirche, wie jede andere Organisa-       cher Strömungen und Methoden in der serbi-
tion und jedes Individuum, hat das Recht, ihre        schen Theologie. Marko Vilotić weist auf die
Standpunkte öffentlich bekannt zu machen.“            große Freiheit des serbischen theologischen
(Zit. S. 68) Deutlich wird aber auch, dass die Kir-   Denkens in der Zwischenkriegszeit hin und kriti-
che die Möglichkeiten der Massenmedien und            siert die Ausrichtung der heutigen Theologie an
des Internets noch nicht ausreichend nutzt. Der       der „neupatristischen Synthese“ (z. B. John Mey-
Patriarch selbst plädiert für mehr Kontakt mit        endorff, Ioannis Zizioulas) zu Lasten moderner
Journalisten und Journalistinnen und forciert         (westlicher) Entwürfe. Doch wurde diese gerade
die Ausbildung kirchlicher Mitarbeiter für den        als Befreiung vom Einfluss westlich geprägter
Medienbereich. Ihr Fazit: Es wäre „Aufgabe der        rationalistischer Theologie verstanden und als
orthodoxen Theologie, eine Reflexion zum Mis-         authentische Interpretation der orthodoxen
sionsbegriff im massenmedialen Kontext vorzu-         Theologie festgehalten.1
nehmen“ (S. 76), zudem brauche es eine „Pro-
fessionalisierung des kirchlichen Medienperso-        Die weiteren Beiträge liefern Einblicke in die
nals“ (S. 80).                                        Disziplinen der Bibelwissenschaften sowie The-
                                                      men der Ekklesiologie und der Liturgik. Dabei
Sehr aufschlussreich ist der Beitrag von Rade         wirkt manches schon sehr speziell (etwa Marko
Kisić über die SOK und die ökumenische Bewe-          Delić: „Hermeneutische Probleme der Interpre-
gung. Er zeigt das große Engagement der Kirche        tationsebenen im ‚Kommentar zum Hohelied‘
und ihre inner-orthodoxe Vorreiterrolle im Blick      des Origenes“, S. 238 – 257). Hier wird der Spagat
auf die Anglikanische Kirche auf. Gleichzeitig        zwischen Befürwortern der akademisch gepräg-
wird immer wieder deutlich, wie belastet das          ten historisch-kritischen Methode westlicher
Klima gegenüber der Katholischen Kirche in den        Provenienz und der klassischen orthodoxen
Ländern des ehemaligen Jugoslawiens ist. Öku-         Theologie deutlich, die stets auf eine tiefe Ver-
mene findet hier praktisch nicht statt. Wobei         bindung der Theologie mit dem Leben der Kir-
prominente Theologen wie der 2010 heiligge-           che hinzielt, was im Westen weitgehend verlo-
sprochene Justin Popović auch massiv die              rengegangen ist.
­Ökumene kritisierten.
                                                      Angesichts der kaum vorhandenen Literatur
Dietmar Schon, Herausgeber des Bandes und             zum Thema ist der Band verdienstvoll. Wün-
Direktor des Ostkircheninstituts der Diözese Re-      schenswert wäre gewesen, wenn auch ein Über-
gensburg, behandelt das Engagement der SOK            blick über die Geschichte und Entwicklung der
im interreligiösen Dialog der Balkanregion, an-       Kirche insgesamt seit dem Zerfall Jugoslawiens
gesichts der muslimischen Präsenz dort ein            sowie Darstellungen zur Lage von Klöstern und
wichtiges Thema. Er kommt zu dem Schluss:             Mönchtum oder des Religionsrechts und dem
„Die SOK gehört zu den engagiertesten Mitge-          staatskirchenrechtlichen Status der SOK in den
staltern von interreligiösem Dialog. Sie hat sich     heutigen Republiken enthalten wären. So wird
in allen seinen Formen beteiligt.“ (S. 114) Der       zwar das Randthema der Jurisdiktionsprobleme
Geschichte und Verbreitung der serbischen or-         sehr breit abgehandelt, aber wichtige Grund­
thodoxen Diaspora in Deutschland und Südafri-         lagen kommen etwas kurz. Nichtsdestotrotz ein
ka widmen sich weitere Beiträge. In Deutsch-­         wertvoller wie lesenswerter Band.
land bildete sich diese nach dem ­Zweiten Welt-
krieg heraus, die serbische Kolonie in Südafrika

1    Vgl. dazu das Standardwerk von Karl Christian Felmy, Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegen-
     wart, Münster 32014.
94     Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021                                              Rezensionen

Wilfried Heller
Rumänien. Bilder aus einer verlorenen Zeit
Eine fotografische Landeskunde Rumäniens vor und nach
der Wende
Bonn/Hermannstadt: Schiller Verlag 2020, 256 S., 738 Farbfotografien, ISBN 978-3-946954-77-4
Rezensent: Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth

Der deutsch-rumänische Schiller Verlag hat in       Fotos moderner Zweckbauten aus der Zeit des
der Vergangenheit bereits einige höchst unkon-      Sozialismus kommen dabei immer wieder ne-
ventionelle Bücher vorgelegt. Mit dem neuen         ben Bildern historischer Gebäude und Straßen-
großformatigen Band von Wilfried Heller über-       züge zur Geltung. Deutlich wird bei all dem
trifft sich der Verlag allerdings selbst. Auf 256   auch, wie vielfältig die Bevölkerung des Landes
großformatigen Seiten legen Heller und der          ist.
Verlag eine „fotografische Landeskunde Rumä-
niens“ vor, wie es sie in dieser Form noch nicht    Dabei weckt oder hinterlässt das Buch niemals
gegeben hat. Gleichzeitig entsteht eine Bild-Do-    den Eindruck eines bloßen Bildbandes oder kit-
kumentation des Landes über mehrere Jahr-           schiger Postkartenromantik. Dafür sorgen im-
zehnte mit Schwerpunkt auf der sozialistischen      mer wieder auch die Bilder von Menschen, die
Zeit bis 1989, welche 570 der 738 Fotografien do-   Szenen aus dem Alltagsleben zeigen: vom
kumentieren.                                        Kirchgang in Tracht über manches Marktgesche-
                                                    hen bis hin zu spielenden Kindern auf der Stra-
Die Bilder bis 1989 stammen aus vier persönli-      ße und mancher Männerrunde im Wirtshaus.
chen Forschungsreisen und drei Exkursionen          Auch wenn die Fotos aus der Epoche vor 1989
des Autors mit Geographiestudenten und -stu-        sicher viel aussagen über die politische Situati-
dentinnen der Universität Göttingen zwischen        on in der sozialistischen Zeit, so wird doch er-
1971 und 1989, die restlichen von fünf Reisen       kennbar, dass die Menschen auch ein normales
und Exkursionen zwischen 1991 und 2000. Nur         Alltagsleben führten und zu bewältigen hatten.
ein knappes Dutzend der Bilder stammt nicht         So manche Bilder wecken auch Nostalgie, wenn
von Heller, sondern von Dritten. Es entsteht ein    etwa der parkähnliche begrünte Große Ring von
unglaublich authentischer Eindruck von Rumä-        Hermannstadt aus den 1970er Jahren zu sehen
nien vor und nach der Wende. Die Fotografien        ist (S. 87, Fotos Nr. 83 u. 84).
werden begleitet und ergänzt von konzentrier-
ten Texten aus geographischer und historischer      Die Bildauswahl ist genauso exzellent wie die
Sicht. Diese bieten auf knappem Raum sehr vie-      inhaltliche Darstellung und Gewichtung der Be-
le wertvolle und auch aktuelle Informationen.       gleittexte. Großes Gewicht legt Heller dabei im-
So liegen etwa den statistischen Zahlen zur Be-     mer wieder – neben der historischen und geo-
völkerung Daten von 2017 zugrunde. Dadurch          grafischen Grundierung – auf die wirtschaftliche
liefert der Band nicht nur eine einzigartige his-   Entwicklung der Regionen im Sozialismus und
torische Dokumentation zu Rumänien in Bil-          danach und auch auf die Bevölkerungsentwick-
dern, sondern eben auch eine gediegene und          lung, die sehr unterschiedlich verläuft, sowie
präzise geschichtliche und geographische Dar-       auf die ethnischen Bevölkerungsstrukturen.
stellung.
                                                    Der Band offeriert eine buchstäblich anschauli-
Der Band bezieht sich auf die historischen Regi-    che Darstellung Rumäniens seit den 1970er Jah-
onen, deshalb auch völlig zu Recht die kleintei-    ren in Bildern und gleichzeitig eine aktuelle,
lige Aufgliederung, die im Detail jeweils gut be-   breit angelegte Landeskunde mit ausgewogener
gründet wird. Kartenmaterial und Statistiken er-    Mischung aus Geschichte, Geographie und Ge-
gänzen die Darstellung in Text und Bildern.         genwart.
Südosteuropa Mitteilungen | 04 | 2021                                                    95

Südosteuropa-Gesellschaft

Die Südosteuropa Mitteilungen sind die Zeitschrift der Südosteuropa-Gesellschaft (SOG).

Die 1952 gegründete Südosteuropa-Gesellschaft ist eine private und gemeinnützige
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zu fördern und die Kenntnis über gegenwärtige und historische Entwicklungen in dieser
Region zu vertiefen. Die SOG gehört zu den wichtigen Trägern der deutschen Auswärtigen
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Die SOG bietet durch ihre Veranstaltungen, Publikationen und durch das im Kreis ihrer
Mitglieder vereinte Expert*innenwissen ein Forum für den Dialog zwischen der Bundesre­
publik Deutschland und den südosteuropäischen Ländern sowie für die politikberatende
und politikbegleitende Diskussion.

Die SOG fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs durch Hochschulwochen, Reise­
stipendien und Förderpreise für hervorragende Leistungen in der Südost­europa-
Forschung.
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