Richtlinien zur Organtransplantation gem. 16 TPG - Bundesärztekammer

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

                                                   BUNDESÄRZTEKAMMER

                                                       Bekanntmachungen

                             Richtlinien zur Organtransplantation
                                        gem. § 16 TPG
                                          Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG
                                          für die Wartelistenführung und Organvermittlung
                                             zur Herz- und Herz-Lungen-Transplantation

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in seiner Sitzung vom         4.   Kontraindikationen einer Organtransplantation können sich
13.11.2020 auf Empfehlung der Ständigen Kommission Organ-                 anhaltend oder vorübergehend aus allen Befunden, Erkran-
transplantation beschlossen, die                                          kungen oder Umständen ergeben, die das Operationsrisiko
                                                                          erheblich erhöhen oder den längerfristigen Erfolg der Trans-
      Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG                   plantation in Frage stellen wie
     für die Wartelistenführung und Organvermittlung                      – nicht kurativ behandelte bösartige Erkrankungen, soweit
        zur Herz- und Herz-Lungen-Transplantation                            sie nicht der Grund für die Transplantation sind,
                                                                          – klinisch manifeste oder durch Immunsuppression erfah-
in der Fassung vom 15.03.2018 (Bekanntgabe in Dtsch Ärztebl 116,             rungsgemäß sich verschlimmernde Infektionserkrankungen,
Heft 49 [06.12.2019]: A 2322) zu ändern.                                  – schwerwiegende Erkrankungen anderer Organe,
Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 11.02.2021 der                – vorhersehbare schwerwiegende operativ-technische Pro-
Richtlinienänderung zugestimmt. Sie tritt am 07.09.2021 in Kraft.            bleme.
Die Richtlinie samt zugehöriger Begründung ist auf der Internet-          Die als Beispiele genannten möglichen Kontraindikationen
seite der Bundesärztekammer abrufbar unter:                               gelten insbesondere dann nur eingeschränkt, wenn die
http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/                   Transplantation eines weiteren Organs indiziert ist.
downloads/pdf-Ordner/RL/RiliOrgaWlOvHerzTx20210907.pdf.                   Auch die unzureichende oder sogar fehlende Mitarbeit des Pa-
DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907                      tienten (Compliance) kann zu einer Kontraindikation werden.
Die geltenden Richtlinien zur Organtransplantation sind abrufbar          Compliance eines potentiellen Organempfängers bedeutet über
unter www.bundesaerztekammer.de/organtransplantation.                     seine Zustimmung zur Transplantation hinaus seine Bereit-
                                                                          schaft und Fähigkeit, an den erforderlichen Vor- und Nachun-
                                                                          tersuchungen und -behandlungen mitzuwirken. Compliance ist
A    Richtlinientext                                                      kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal, sondern kann
                                                                          aus verschiedenen Gründen im Laufe der Zeit schwanken. De-
I    Allgemeine Grundsätze für die Aufnahme in die Warte-                 ren Fehlen kann auch auf sprachlichen und somit überbrückba-
     liste zur Organtransplantation                                       ren Schwierigkeiten beruhen. Anhaltend fehlende Compliance
1.   Für die Aufnahme von Patienten in die Warteliste zur Or-             schließt die Transplantation aus. Bevor die Aufnahme in die
     gantransplantation wird der Stand der Erkenntnisse der me-           Warteliste aus diesem Grund ärztlich endgültig abgelehnt wird,
     dizinischen Wissenschaft gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2              ist der Rat einer weiteren, psychologisch erfahrenen Person
     des Transplantationsgesetzes (TPG) von der Bundesärzte-              einzuholen. Die behandelnden Ärzte müssen sowohl bei der
     kammer in Richtlinien festgestellt.                                  Aufnahme in die Warteliste als auch nach der Transplantation
2.   Über die Aufnahme in die Warteliste legt § 13 Abs. 3 Satz 1          auf die Compliance achten und hinwirken.
     TPG fest: „Der behandelnde Arzt hat Patienten, bei denen        5.   Die Entscheidung über die Aufnahme eines Patienten in die
     die Übertragung vermittlungspflichtiger Organe medizi-               Warteliste, ihre Führung sowie über die Abmeldung eines
     nisch angezeigt ist, mit deren schriftlicher Einwilligung un-        Patienten trifft eine ständige, interdisziplinäre und organ-
     verzüglich an das Transplantationszentrum zu melden, in              spezifische Transplantationskonferenz des Transplantati-
     dem die Organübertragung vorgenommen werden soll.“                   onszentrums. Dies erfolgt im Rahmen des jeweiligen Be-
     Vermittlungspflichtige Organe sind nach § 1 a Nr. 2 TPG              handlungsspektrums und unter Berücksichtigung der indivi-
     das Herz, die Lungen, die Leber, die Nieren, die Bauchspei-          duellen Situation des Patienten. In der interdisziplinären
     cheldrüse und der Darm postmortaler Spender.                         Transplantationskonferenz muss neben den direkt beteilig-
3.   Eine Organtransplantation kann medizinisch indiziert sein,           ten operativen und konservativen Disziplinen mindestens
     wenn Erkrankungen                                                    eine weitere von der ärztlichen Leitung des Klinikums be-
     – nicht rückbildungsfähig fortschreiten oder durch einen             nannte medizinische Disziplin vertreten sein, die nicht un-
        genetischen Defekt bedingt sind und das Leben gefähr-             mittelbar in das Transplantationsgeschehen eingebunden ist.
        den oder die Lebensqualität hochgradig einschränken und           Die Mindestanforderungen an die Zusammensetzung dieser
     – durch die Transplantation erfolgreich behandelt werden             Konferenz sind in den besonderen Regelungen dieser Richt-
        können.                                                           linie festgelegt.

A1                                                                        Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

      Die Mitglieder der interdisziplinären Transplantationskonferenz         9.  Besteht bei einem auf der Warteliste geführten Patienten
      sind der Vermittlungsstelle namentlich zu benennen und sind für             vorübergehend eine Kontraindikation gegen die Trans-
      alle vermittlungsrelevanten Meldungen und Entscheidungen                    plantation, wird er als „nicht transplantabel“ (NT) einge-
      verantwortlich. Sie unterzeichnen insbesondere die Entschei-                stuft und bei der Organvermittlung nicht berücksichtigt.
      dung über die Aufnahme eines Patienten in die Warteliste und                Besteht die Kontraindikation nicht mehr, ist der Patient
      übermitteln das Dokument als Grundlage für die Anmeldung der                umgehend wieder in der Warteliste mit der dann aktuell
      Vermittlungsstelle. Die ärztliche Leitung des Klinikums ist darü-           gegebenen Dringlichkeit als transplantabel zu melden.
      ber zugleich schriftlich, einschließlich eventuell abweichender             Der Patient ist jeweils über seinen Meldestatus auf der
      Stellungnahmen, in Kenntnis zu setzen. Diese kann ggf. ein Vo-              Warteliste von einem Arzt des Transplantationszentrums
      tum einer externen Transplantationskonferenz einholen.                      zu informieren.
      Soweit in diesen Richtlinien nichts anderes bestimmt ist,               10. Zur Überprüfung bisheriger und Gewinnung neuer Er-
      legt die Vermittlungsstelle Form und Inhalt der mit der                     kenntnisse der medizinischen Wissenschaft auf dem
      Anmeldung und fortgesetzten Führung einzureichenden medi-                   durch diese Richtlinie geregelten Gebiet kann nach vor-
      zinischen Angaben eines Patienten sowie den hierfür nament-                 heriger Unterrichtung der Vermittlungsstelle und der
      lich zu benennenden verantwortlichen Personenkreis fest.                    Bundesärztekammer im Rahmen medizinischer For-
      Nach Aufnahme eines Patienten in die Warteliste sind alle für               schungsvorhaben für eine begrenzte Zeit und eine be-
      die Organvermittlung relevanten Behandlungen, Ergebnisse                    grenzte Zahl von Patienten von dieser Richtlinie abgewi-
      und Entscheidungen, insbesondere der Zuteilung von einge-                   chen werden, sofern durch die Vermittlungsstelle keine
      schränkt vermittelbaren Organen, von dem jeweils verantwort-                Einwände erhoben werden. Die Bewertung der zuständi-
      lichen Arzt nachvollziehbar zu dokumentieren und der interdis-              gen Ethik-Kommission oder die Entscheidung der zu-
      ziplinären Transplantationskonferenz unverzüglich bekannt zu                ständigen Genehmigungsbehörde bleiben unberührt. Die
      geben. Die Mindestanforderungen an die Dokumentation sind                   Vermittlungsstelle und die Bundesärztekammer sind
      in den besonderen Regelungen dieser Richtlinie festgelegt.                  nach Abschluss der jeweiligen Studie zeitnah über das
6.    Über die Aufnahme in die Warteliste zur Organtransplanta-                   Ergebnis zu unterrichten.
      tion ist insbesondere nach Notwendigkeit und Erfolgsaus-
      sicht zu entscheiden (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG). Patienten kön-            II       Allgemeine Grundsätze für die Vermittlung post-
      nen dann in die jeweilige Warteliste aufgenommen werden,                         mortal gespendeter Organe
      wenn die Organtransplantation mit größerer Wahrschein-
      lichkeit eine Lebensverlängerung oder eine Verbesserung                 II.1     Rechtliche Grundlagen, medizinische Definitionen
      der Lebensqualität erwarten lässt als die sonstige Behand-                       und Leitgedanken
      lung. Bei der Entscheidung über die Aufnahme ist jeweils                         a) Vermittlungspflichtige Organe (Herz, Lungen, Leber,
      zu prüfen, ob die individuelle medizinische Situation des                           Nieren, Bauchspeicheldrüse und Darm postmortaler
      Patienten, sein körperlicher und seelischer Gesamtzustand                           Spender) werden zur Transplantation in einem deut-
      den erwünschten Erfolg der Transplantation erwarten lässt:                          schen Transplantationszentrum gemäß dem Trans-
      das längerfristige Überleben, die längerfristig ausreichende                        plantationsgesetz (TPG) und dem von der Bundesärz-
      Transplantatfunktion und die verbesserte Lebensqualität.                            tekammer in Richtlinien festgestellten Stand der Er-
      Für diese Beurteilung sind die Gesamtumstände zu berück-                            kenntnisse der medizinischen Wissenschaft (§ 16
      sichtigen. Dazu gehört auch die Compliance.                                         Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG) vermittelt. Dabei sind die
7.    Vor Aufnahme in die Warteliste zur Transplantation ist der                          Wartelisten der Transplantationszentren für das jewei-
      Patient über die Erfolgsaussicht, die Risiken und die länger-                       lige Organ als bundeseinheitliche Warteliste zu behan-
      fristigen medizinischen, psychologischen und sozialen Aus-                          deln. Die Richtlinien sind für die Vermittlungsstelle,
      wirkungen der bei ihm vorgesehenen Transplantation aufzu-                           die Vermittlungsentscheidungen für die Transplantati-
      klären. Hierzu gehört auch die Aufklärung über die notwen-                          onszentren verbindlich.
      dige Immunsuppression mit den potentiellen Nebenwirkun-                          b) Die vermittlungspflichtigen Organe dürfen nur
      gen und Risiken sowie die Notwendigkeit von regelmäßi-                            – gemäß den §§ 3 und 4 TPG entnommen,
      gen Kontrolluntersuchungen. Zudem ist der Patient darüber                         – nach Vermittlung durch die Vermittlungsstelle und
      zu unterrichten, an welche Stellen seine personenbezogenen                        – in dafür zugelassenen Transplantationszentren
      Daten übermittelt werden. Gegebenenfalls ist der Patient                             transplantiert werden (§ 9 Abs. 1 und § 10 TPG).
      über die Möglichkeiten der Aufnahme in die Warteliste ei-                        c) Die Vermittlung muss insbesondere nach Erfolgsaus-
      nes anderen Zentrums zu informieren.                                                sicht und Dringlichkeit erfolgen (§ 12 Abs. 3 Satz 1
8.    Bei der Aufnahme in die Warteliste ist der Patient darauf hinzu-                    TPG) und dem Grundsatz der Chancengleichheit ent-
      weisen, dass ausnahmsweise ein ihm vermitteltes Organ aus                           sprechen. Der Chancengleichheit dient insbesondere,
      zentrumsinternen organisatorischen oder personellen Gründen                         dass die Wartelisten der Transplantationszentren für
      nicht rechtzeitig transplantiert werden kann. Vorsorglich für                       das jeweilige Organ bei der Vermittlung als bundesein-
      diese Situation muss der Patient entscheiden, ob er in diesem                       heitliche Warteliste zu behandeln sind (§ 12 Abs. 3
      Fall die Transplantation in einem anderen Zentrum wünscht                           Satz 2 TPG).
      oder ob er auf das angebotene Organ verzichten will. Die Ent-                    d) Kriterien des Erfolgs einer Transplantation sind die
      scheidung des Patienten ist zu dokumentieren. Gegebenenfalls                        längerfristig ausreichende Transplantatfunktion und
      empfiehlt sich eine vorherige Vorstellung des Patienten mit sei-                    ein damit gesichertes Überleben des Empfängers
      nen Behandlungsunterlagen im vertretenden Zentrum.                                  mit verbesserter Lebensqualität. Die Erfolgsaus-

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907                                                                 A2
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

              sichten unterscheiden sich nach Organen, aber auch     Jedes Organ wird nach spezifischen Kriterien unter Verwendung ei-
              nach definierten Patientengruppen.                     nes Allokationsalgorithmus vermittelt. Die Gewichtung der Alloka-
         e)   Der Grad der Dringlichkeit richtet sich nach dem       tionsfaktoren wird fortlaufend gemäß dem Stand der Erkenntnisse
              gesundheitlichen Schaden, der durch die Transplan-     der medizinischen Wissenschaft überprüft und angepasst. Jede Ver-
              tation verhindert werden soll.                         mittlungsentscheidung und ihre Gründe sind zu dokumentieren.
               Patienten, die ohne Transplantation unmittelbar       Dies gilt auch für die Ablehnung eines angebotenen Spenderorgans.
               vom Tod bedroht sind, werden bei der Organ-           Für die Allokation vermittlungspflichtiger Organe gilt die Reihen-
               vermittlung vorrangig berücksichtigt.                 folge: thorakale Organe, Leber, Dünndarm, Pankreas, Niere.
               Bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden         Im Rahmen kombinierter Organtransplantationen erfolgt die Allokati-
               wird berücksichtigt, dass ihre Entwicklung ohne       on gemäß den Regeln des nach dieser Reihenfolge führenden Organs.
               Transplantation in besonderer Weise beeinträchtigt    Darüber hinaus werden die Voraussetzungen bevorzugter kombi-
               oder anhaltend gestört wird.                          nierter Transplantationen nicht-renaler Organe jeweils im Beson-
         f)   Chancengleichheit der Organzuteilung bedeutet          deren Teil geregelt; in jedem Fall ist dafür ein Auditverfahren bei
              zum einen, dass die Aussicht auf ein vermitteltes      der Vermittlungsstelle durchzuführen.
              Organ insbesondere nicht von Wohnort, sozialem         Änderungen bei der Organklassifikation, die sich erst nach er-
              Status, finanzieller Situation und der Aufnahme in     folgtem Organangebot gegenüber einem Transplantationszen-
              die Warteliste eines bestimmten Transplantations-      trum ergeben, werden nicht mehr berücksichtigt, auch wenn die-
              zentrums abhängen darf. Zum anderen sollen             se zu einer anderen Zuteilung geführt hätten. Das Zentrum wird
              schicksalhafte Nachteile möglichst ausgeglichen        über diese Änderungen informiert. Entscheidet es sich – gegebe-
              werden. Dem dienen unter anderem die Berück-           nenfalls in Absprache mit dem vorgesehenen Empfänger –, das
              sichtigung der Wartezeit und die relative Bevorzu-     Angebot daraufhin abzulehnen, wird die Allokation unter Ver-
              gung von Patienten mit einer seltenen Blutgruppe       wendung der neuen Organklassifikation wieder aufgenommen.
              oder bestimmten medizinischen Merkmalen wie            Voraussetzung für die Organvermittlung an einen Patienten ist
              seltene Gewebeeigenschaften und Unverträglich-         seine Aufnahme in die Warteliste eines Transplantationszentrums
              keiten.                                                und seine Registrierung bei der Vermittlungsstelle mit den für die
         g)   Die Transplantationszentren sind verpflichtet, der     Vermittlung notwendigen aktuellen medizinischen Daten.
              Vermittlungsstelle die für die Vermittlungsentschei-   Die Aufnahme eines Patienten in die Warteliste zur Organtrans-
              dung und deren Auswertung benötigten Daten zu          plantation verpflichtet das Transplantationszentrum sicherzustel-
              übermitteln.                                           len, dass ein für ihn alloziertes Organ transplantiert werden kann,
         h)   Zur Überprüfung bisheriger und Gewinnung neuer         soweit keine medizinischen oder persönlichen Hinderungsgrün-
              Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft auf        de auf Seiten des Empfängers vorliegen.
              dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet kann      Deshalb muss jedes Transplantationszentrum dafür sorgen, dass
              nach vorheriger Unterrichtung der Vermittlungsstel-    es selbst oder ein es vertretendes Zentrum
              le und der Bundesärztekammer im Rahmen medi-                 – über die Annahme eines Organangebots jederzeit und unver-
              zinischer Forschungsvorhaben für eine begrenzte                züglich entscheiden kann, und zwar bei der Transplantation al-
              Zeit und eine begrenzte Zahl von Patienten von                 lein der Niere in der Regel innerhalb von 60 Minuten, in allen
              dieser Richtlinie abgewichen werden, sofern durch              anderen Fällen in der Regel innerhalb von 30 Minuten, und
              die Vermittlungsstelle keine Einwände erhoben                – ein akzeptiertes Organ unverzüglich transplantiert, um die
              werden. Die Bewertung der zuständigen Ethik-                   Ischämiezeit möglichst kurz zu halten; dies schließt ein, dass
              Kommission oder die Entscheidung der zuständigen               der Patient, dem das Organ transplantiert werden soll, in an-
              Genehmigungsbehörde bleiben unberührt. Die Ver-                gemessener Zeit für die Transplantation vorbereitet und ge-
              mittlungsstelle, die Bundesärztekammer und ggf.                gebenenfalls in das Zentrum transportiert werden kann.
              die Koordinierungsstelle sind nach Abschluss der       Ist das Transplantationszentrum dazu nicht in der Lage, muss es
              jeweiligen Studie zeitnah über das Ergebnis zu         dies der Vermittlungsstelle unter Angabe der Gründe unverzüg-
              unterrichten.                                          lich mitteilen.
                                                                     Lässt sich das Transplantationszentrum länger als eine Woche
II.2       Verfahren der Organvermittlung                            zusammenhängend vertreten, hat es alle Patienten der betroffe-
Das einzelne Transplantationszentrum kann im Rahmen seines           nen Warteliste, die sich nicht für eine bedarfsweise Transplantati-
Behandlungsspektrums der Vermittlungsstelle allgemeine Ak-           on in einem anderen Zentrum entschieden haben, zu informieren.
zeptanzkriterien für die Annahme von Spenderorganen für die in
die jeweilige Warteliste aufgenommenen Patienten mitteilen           II.3       Allokation von eingeschränkt vermittelbaren Organen
(Zentrumsprofil). Darüber hinaus kann das Transplantationszen-
trum mit dem einzelnen Patienten nach angemessener Aufklä-           II.3.1    Ausgangssituation
rung persönliche Akzeptanzkriterien absprechen (Patientenpro-        Die Vermittlungsfähigkeit postmortal gespendeter Organe kann
fil). Das Patientenprofil kann sich im Laufe der Wartezeit ändern    durch Funktionsminderungen oder durch Vorerkrankungen der
und ist gegenüber der Vermittlungsstelle unverzüglich zu aktua-      Spender eingeschränkt sein. Eine exakte Definition von Kriterien
lisieren. Die Weitergabe der für den Patienten wesentlichen Ak-      für diese unter bestimmten Umständen dennoch gut funktionsfä-
zeptanzkriterien des Patientenprofils setzt die informierte Ein-     higen Organe ist wegen der Vielfalt von Ursachen und Einzelhei-
willigung des Patienten oder seines bevollmächtigten Vertreters      ten nicht möglich. Viele dieser Organe können unter den beson-
voraus.                                                              deren Bedingungen, wie sie das modifizierte und das beschleunig-

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

te Vermittlungsverfahren (s. II.3.3) vorsehen, erfolgreich trans-                der Gruppe der so gemeldeten Patienten entsprechend der Rei-
plantiert werden. Damit kann ein Organverlust verhindert werden.                 henfolge, wie sie sich aus den im besonderen Teil der Richtlinie
Voraussetzung für die Vermittlung nach einem der beiden beson-                   beschriebenen Verteilungsregeln ergibt. Für jedes Organangebot
deren Verfahren sind die Angabe der allgemeinen Akzeptanzkri-                    gilt eine Erklärungsfrist von maximal 30 Minuten. Wenn sie
terien durch das einzelne Zentrum gegenüber der Vermittlungs-                    überschritten wird, gilt das Angebot als abgelehnt.
stelle und die mit dem einzelnen Patienten abgesprochenen per-                2. Gelingt eine Vermittlung nach diesem Verfahren nicht, kann
sönlichen Akzeptanzkriterien.                                                    die Vermittlungsstelle das Organ auch weiteren Zentren an-
Generell ist die Vermittlungsstelle verpflichtet, auch für eingeschränkt         bieten. Die Zentren teilen ggf. der Vermittlungsstelle den ge-
vermittelbare Organe ein Vermittlungsverfahren durchzuführen und                 genwärtig am besten geeigneten Empfänger mit. Wenn Pa-
dabei die Zentrums- und Patientenprofile zu berücksichtigen.                     tienten aus mehr als einem Zentrum in Betracht kommen,
                                                                                 wird das Organ dem Patienten zugeteilt, für den die Akzep-
II.3.2    Kriterien für die Einschränkung der Vermittlungs-                      tanzerklärung des zuständigen Zentrums als erste bei der Ver-
          fähigkeit                                                              mittlungsstelle eingegangen ist.
Die Vermittlungsfähigkeit von Organen wird unter anderem                         Die Zentren müssen die Gründe für ihre Auswahlentschei-
durch schwerwiegende Erkrankungen in der Vorgeschichte des                       dung dokumentieren.
Spenders oder durch Komplikationen im Verlauf seiner tödlichen                3. Gelingt eine Vermittlung des Organs innerhalb des Zuständig-
Erkrankung oder Schädigung oder durch Komplikationen vor                         keitsbereichs der Vermittlungsstelle nicht, kann diese das Or-
oder bei der Organentnahme eingeschränkt, insbesondere durch                     gan auch anderen Organaustauschorganisationen anbieten,
          – Maligne Tumoren in der Anamnese,                                     um den Verlust des Organs möglichst zu vermeiden.
          – Drogenabhängigkeit,
          – Virushepatitis (jeweils alternativ HBS Ag+, anti-                 II.3.4     Evaluation
             HBC+ oder anti-HCV+),                                            Neben der Dokumentation der Auswahlentscheidung sollen die
          – Sepsis mit positiver Blutkultur,                                  Ergebnisse der Transplantation aller eingeschränkt vermittelba-
          – Meningitis.                                                       ren Organe von der Vermittlungsstelle fortlaufend besonders do-
In den besonderen Regelungen dieser Richtlinie können weite-                  kumentiert und jeweils in Abständen von zwei Jahren auf der
re, organspezifische Kriterien für die Einschränkung der Ver-                 Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Vermittlungs- und
mittelbarkeit genannt sein.                                                   der Koordinierungsstelle evaluiert werden, soweit die organspe-
Im Einzelfall muss die Einschränkung der Vermittlungsfähig-                   zifischen Richtlinien nichts anderes bestimmen.
keit von den an der Organentnahme, -verteilung oder -übertra-                 Die Transplantationszentren sind verpflichtet, der Vermittlungs-
gung beteiligten Ärzten beurteilt werden.                                     stelle die für die Evaluation benötigten Daten zu übermitteln.
Auch Domino-Transplantate gelten als eingeschränkt vermittel-
bar. Domino-Transplantate sind Organe, die einem Empfänger                    II.4       Sanktionen
im Rahmen der Transplantation eines Spenderorgans entnommen                   Bei einem Verstoß gegen die Richtlinien zur Organvermittlung
werden und anderen Patienten übertragen werden können.                        entfallen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Transplan-
                                                                              tation (§ 9 Abs. 1 Satz 2 TPG), und es liegt eine Ordnungswidrig-
II.3.3      Besondere Vermittlungsverfahren                                   keit vor (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 TPG). Wird der Vermittlungsstelle ein
                                                                              Verstoß bekannt oder hat sie zureichende tatsächliche Anhalts-
II.3.3.1 Modifiziertes Vermittlungsverfahren                                  punkte dafür, unterrichtet sie die nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4
Organe sollen unter den in Abschnitt II.2 beschriebenen Voraus-               TPG gebildete Prüfungskommission. Diese entscheidet über die
setzungen nur solchen Transplantationszentren für solche Patien-              Information der zuständigen Bußgeldstelle.
ten angeboten werden, für die sie nach dem Zentrums- und dem
Patientenprofil in Betracht kommen. Im Übrigen erfolgt die Ver-               III             Besondere Regelungen zur Herz- und Herz-Lun-
mittlung nach den allgemeinen Regeln für das jeweilige Organ.                                 gen-Transplantation

II.3.3.2 Beschleunigtes Vermittlungsverfahren                                 III.1     Gründe für die Aufnahme in die Warteliste
Die Vermittlungsstelle entscheidet über die Einleitung des beschleu-          Eine Herztransplantation kann medizinisch indiziert sein, wenn
nigten Vermittlungsverfahrens auf der Grundlage aller vorhandenen In-                   – eine hochgradige Herzschwäche trotz Ausschöpfung
formationen. Dieses Verfahren wird insbesondere durchgeführt, wenn                         aller anderen Behandlungsoptionen nicht rückbil-
     – durch eine Kreislaufinstabilität des Spenders oder                                  dungsfähig ist und deshalb mit einer sehr begrenzten
     – aus logistischen oder organisatorischen Gründen oder                                Lebenserwartung und hochgradig eingeschränkten
     – aus spender- oder aus organbedingten Gründen                                        Lebensqualität verbunden ist und
ein Organverlust droht.                                                                 – durch die Transplantation mit hinreichender Aussicht
Dabei ist das folgende abgestufte Vorgehen zu beachten:                                    auf Erfolg behandelt werden kann.
1. Um die Ischämiezeit möglichst kurz zu halten, wird ein Organ im            Die Ätiologie der hochgradigen Herzschwäche ist sehr unter-
   beschleunigten Vermittlungsverfahren allen Zentren einer Regi-             schiedlich, die Indikation somit differenziert zu definieren.
   on der Koordinierungsstelle, in der sich das Organ zum Zeitpunkt           Für die große Mehrzahl der Patienten1 liegt eine hochgradige, irre-
   des Angebotes befindet, sowie anderen nahegelegenen Zentren                versible Einschränkung der linksventrikulären systolischen
   angeboten. Die Zentren wählen aus ihrer Warteliste bis zu zwei             1
                                                                                  Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und
   geeignete Empfänger aus und melden diese an die Vermittlungs-                  weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl
   stelle. Die Vermittlungsstelle vermittelt dann das Organ innerhalb             für alle Geschlechter.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907                                                                                            A4
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

Pumpfunktion zugrunde. Diese ist zuverlässig zu objektivieren                  – Facharzt für Thoraxchirurgie
und zu quantifizieren anhand der                                               – Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie
          –Symptomatik           Luftnot/Leistungsschwäche be-                 – Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit
                                 reits in Ruhe oder bei minimaler                 Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie
                                 Belastung im alltäglichen Leben,              – Facharzt für Anästhesiologie
                                 entsprechend Stadien der Heart                – Psychosomatiker/Psychotherapeut/Psychiater
                                 Association (NYHA III-IV);           sowie ein Vertreter der Pflege.
          –Echokardiographie Kammerdurchmesser, Auswurf-
                                 fraktion;                            III.3.2 Dringlichkeitsstufen
          –Hämodynamik           Auswurffraktion, linksventrikulä-    Bei allen Patienten muss vor Aufnahme in die Warteliste eine de-
                                 rer Füllungsdruck, Herzzeitvolu-     taillierte Evaluation erfolgen. Dies gilt auch, wenn im Ausnah-
                                 men, zentralvenöse Sättigung;        mefall gleichzeitig mit der Aufnahme in die Warteliste die Ak-
          –Spiroergometrie       Sauerstoffaufnahme (VO2) max.        zeptanz der Hochdringlichkeitsstufe (HU) beantragt wird.
                                 in ml/kg/min;
          –Laborwerte            Serumnatrium, B-type Natriuretic     III.3.2.1 Hohe Dringlichkeit (High Urgency – HU)
                                 Peptide (BNP).                       Bei Patienten in der Warteliste in akut lebensbedrohlicher Situa-
Darüber hinaus stellt sich die Indikation bei anderen Patienten mit   tion besteht eine besondere Dringlichkeit zur Transplantation.
folgenden selteneren Herzerkrankungen, wie z. B.                      Aus diesem Grund werden diese Patienten mit der Dringlich-
          –diastolische Herzinsuffizienz (Hypertrophische Kar-        keitsstufe High Urgency (HU) geführt. Sie werden vorrangig vor
           diomyopathie, Speicherkrankheiten (z. B. Amyloi-           allen anderen Patienten transplantiert. Die Zuordnung eines Pa-
           dose)),                                                    tienten in diese Dringlichkeitsstufe muss besonders begründet
          –rechtsventrikuläre Herzerkrankungen (z. B. Morbus          werden. Der HU-Status gilt initial für die Dauer von 4 Wochen
           Ebstein),                                                  und dann je für die Dauer von 8 Wochen; er muss nach Ablauf
          –schwere kongenitale (angeborene) Herzerkrankungen,         dieser jeweiligen Frist erneut bei der Vermittlungsstelle begrün-
          –therapierefraktäre Angina pectoris (nach Ausschöpfung      det werden.
           aller anderen Therapieoptionen),                           Aufgrund unterschiedlicher Komplikationen müssen Patienten
          –therapierefraktäre Rhythmusstörungen (nach Aus-            mit und ohne dauerhafte mechanische Kreislaufunterstützung
           schöpfung aller anderen Therapieoptionen),                 (Mechanical Circulatory Support, MCS) bezüglich der HU-Kri-
          –maligne und benigne Herztumoren,                           terien gesondert betrachtet werden.
sowie bei                                                             Patienten mit einem dauerhaft implantierbaren ventrikulären Un-
          –Patienten mit Indikation einer Retransplantation und       terstützungssystem (Ventricular Assist Device, VAD) und Patien-
          –Patienten mit mechanischen Unterstützungssystemen.         ten mit einem Kunstherzen (Total Artificial Heart, TAH) werden
Indikation zur Herz-Lungen-Transplantation ist das nicht rück-        unter dem Begriff dMCS-Patienten (Durable Mechanical Circu-
bildungsfähige, endgültige Herzversagen bei irreversiblen Lun-        latory Support) zusammengefasst. Ausdrücklich nicht sind Sys-
generkrankungen, bei denen eine isolierte Herz- oder Lungen-          teme zur kurzfristigen Kreislaufunterstützung umfasst.
Transplantation nicht möglich ist.
                                                                      III.3.2.1.1      Hohe Dringlichkeit bei Nicht-dMCS-Patienten
III.2     Gründe für die Ablehnung einer Aufnahme in die              Empfänger, die diese Kriterien erfüllen, sind in der Regel be-
          Warteliste                                                  reits auf der Warteliste geführte Patienten, deren Zustand sich
Als Gründe für die Ablehnung einer Aufnahme in die Warteliste         verschlechtert. Dies sind Patienten, die auf einer Intensivstati-
gelten die im Allgemeinen Teil festgelegten Kriterien (I.4).          on, einer Intermediate-Care-Station oder Heart-Failure-Unit
                                                                      behandelt werden und nach Ausschöpfung aller alternativen
III.3     Kriterien für die Allokation von Herzen                     Behandlungsmöglichkeiten (ausgenommen permanente ventri-
Die Allokation von Spenderorganen erfolgt für Patienten auf der       kuläre Unterstützungssysteme) unter einer kardialen Hypoper-
Warteliste zur Herztransplantation zunächst nach Größe und            fusionssymptomatik bedingt durch eine hochgradig einge-
Blutgruppe, für Patienten auf der Warteliste zur Herz-Lungen-         schränkte kardiale Funktion leiden und von Inotropika abhän-
Transplantation nach Totaler Lungenkapazität (TLC) und Blut-          gig sind. Ist eine Inotropikagabe erforderlich, so gelten die Do-
gruppe.                                                               sierempfehlungen der Leitlinie für akute und chronische Herz-
                                                                      insuffizienz der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie
III.3.1   Zusammensetzung der interdisziplinären Trans-               (European Society of Cardiology, ESC, 2016 Guideline on
          plantationskonferenz                                        „Acute and Chronic Heart Failure“) für die initiale Inotropika-
Der interdisziplinären Transplantationskonferenz nach Kapitel I.      therapie und die Erhaltungstherapie: Dobutamin 2–20 µg/kg/
Ziff. 5 des Allgemeinen Teils dieser Richtlinien gehören an:          min, Milrinon 0,375–0,75 µg/kg/min, Enoximon 5-20 μg/kg/
          – als Vertreter der beteiligten operativen und konserva-    min als Einzel- oder auch Kombinationstherapie; wobei bei
             tiven Disziplinen (Leiter oder Vertreter) ein            Kombinationstherapien zumindest ein Medikament innerhalb
             1. Fachharzt für Herzchirurgie,                          der genannten Werte liegen muss und eine kontinuierliche Gabe
             2. Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie           im Rahmen der Dosierintervalle notwendig ist. Levosimendan
          – und 3. ein Vertreter des ärztlichen Direktors.            hat eine besondere Pharmakokinetik und es wird nach ESC-
Der Transplantationskonferenz können Vertreter weiterer Diszipli-     Leitlinie und Fachinformation eine einmalige Gabe von 0,1–0,2
nen (Leiter oder Vertreter) angehören. Es kommen in Betracht ein      µg/kg/min über 24 h empfohlen.

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

Im Folgenden sind das kardiale Hypoperfusionssyndrom und die                  Bei Patienten, bei denen eine Herz-Lungen-Transplantation vor-
Inotropikaabhängigkeit definiert.                                             gesehen ist und die aufgrund der Lungenfunktion beatmet wer-
Kardiales Hypoperfusionssyndrom (1–3 erfüllt):                                den müssen oder bei denen ein temporäres Lungen-Ersatz-Ver-
           1.    Klinik: Symptome und klinische Zeichen der ter-              fahren (z. B. ECMO oder ECLA) zum Einsatz kommt, muss eine
                 minalen Herzinsuffizienz (NYHA III/NYHA IV,                  HU-Meldung ebenfalls im Einzelfall begründet werden.
                 AHA/ACC Stadium D) und                                       Eine erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes zwi-
           2.    Hämodynamik:                                                 schen den Aktualisierungsintervallen (Reduktion der Inotropika
                 – Herzindex (CI) unter 2 l/min/m2 und                        unterhalb der Schwellenwerte im Falle von Dobutamin, Milrinon
                 – gemischt-venöse Sättigung (SVO2) unter                     oder Enoximon, oder fehlende Notwendigkeit für eine erneute
                     50 % und                                                 Inotropikagabe innerhalb von 2 Wochen nach Levosimendanga-
                 – pulmonalkapillärer Wedge-Druck (PCWP)                      be) bewirkt eine Einstufung auf eine normale Dringlichkeit
                     über 15 mmHg und                                         (T-Status) und muss innerhalb von 24 Stunden durch das betreu-
           3.    Zeichen der Endorganschäden:                                 ende Transplantationszentrum an die Vermittlungsstelle zur Ak-
                 mindestens eines der folgenden Kriterien muss                tualisierung des Status gemeldet werden.
                 erfüllt sein:                                                Bei Wiederaufnahme in den HU-Status aus dem NT- oder T-Sta-
                 – über die Normwerte (Referenzbereich des                    tus bleibt die zuvor registrierte Wartezeit im HU-Status erhalten.
                     Kliniklabors) erhöhtes Laktat                            Der HU-Status setzt voraus, dass sich der Patient im Trans-
                 – über die Normwerte (Referenzbereich des                    plantationszentrum oder in einem mit diesem eng kooperie-
                     Kliniklabors) erhöhtes Bilirubin                         renden, dieselben medizinischen Therapierichtlinien anwen-
                 – eine erniedrigte (unter 60 ml/min) kalkulierte             denden Krankenhaus befindet, das örtlich so nahe gelegen ist,
                     glomeruläre Filtrationsrate (GFR) (bei Aus-              dass ein Arzt der transplantierenden Klinik den Patienten min-
                     schluss einer Nierenerkrankung)                          destens einmal wöchentlich visitieren kann. Die Behandlung
                 – Serum-Natrium unter 135 mmol/l.                            wird auf einer Intensivstation, einer Intermediate-Care-Stati-
Inotropikaabhängigkeit (1 oder 2 erfüllt):                                    on oder Heart-Failure-Unit durchgeführt. Die Visitation ist zu
Eine Abhängigkeit von Inotropika liegt vor, wenn                              dokumentieren.
           1.    unter einer kontinuierlichen Gabe von Dobuta-                Kinder und Jugendliche bis zu einem Alter von 16 Jahren, die
                 min, Milrinon oder Enoximon mit einer Dauer                  zur Herz- oder Herz-Lungentransplantation gelistet sind, erhal-
                 von mindestens 72 Stunden                                    ten immer einen HU-Status. Dies gilt auch für Jugendliche und
                 a) der CI unter 2 l/min/m2 verbleibt, oder                   Heranwachsende nach Vollendung des 16. Lebensjahres, sofern
                 b) der CI in einem Reduktionsversuch (Redukti-               sie sich nachweisbar noch im Wachstumsalter befinden. Der
                     on von Dobutamin, Milrinon oder Enoximon                 Nachweis ist durch das jeweilige Transplantationszentrum zu
                     unterhalb der in der ESC-Leitlinie angegebe-             führen (z. B. durch eine Röntgenaufnahme der linken Hand)
                     nen Minimaldosis) von über 2 l/min/m2 auf                und wird durch zwei unabhängige, von der Vermittlungsstelle
                     unter 2 l/min/m2 abfällt.                                beauftragte Auditoren überprüft. Bei Uneinigkeit wird ein drit-
           oder                                                               ter Auditor hinzugezogen, dessen Stimme dann entscheidet. In
           2.    nach einer einmaligen Infusion von Levosimen-                der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bis zu einem Al-
                 dan (über 24 h) innerhalb von 14 Tagen das kar-              ter von 16 Jahren und der Heranwachsenden, die sich nach
                 diale Hypoperfusionssyndrom nach o. g. Defini-               Vollendung des 16. Lebensjahres nachweisbar noch im Wachs-
                 tion wieder auftritt und eine erneute Inotropika-            tumsalter befinden, werden Patienten, bei denen eine stationäre
                 gabe erforderlich ist.                                       Behandlung wegen des klinischen Zustands als Folge der
Eine erneute Rechtsherzkatheter-Untersuchung zur Dokumenta-                   Grunderkrankung erforderlich ist, bei der Allokation bevorzugt
tion der Inotropika-Pflichtigkeit muss alle 2 Wochen zentrumsin-              berücksichtigt. Es muss stets gewährleistet sein, dass der Zu-
tern erfolgen und dokumentiert werden. In zu begründenden Ein-                stand des Patienten durch einen Arzt des transplantierenden
zelfällen können auch andere geeignete Untersuchungen zur Do-                 Zentrums mindestens einmal wöchentlich evaluiert und das Er-
kumentation der Inotropikapflichtigkeit durchgeführt werden.                  gebnis dokumentiert wird.
Sollte der Patient weiterhin nach o. g. Definition eine Therapie
mit Inotropika benötigen, erfolgt die Fortführung der HU-Lis-                 Patienten mit isolierter kardialer Amyloidose
tung unter Beachtung der unter III.3.2.1 genannten Fristen zur er-            Patienten mit isolierter kardialer AL- und ATTR-Amyloidose
neuten Meldung bei der Vermittlungsstelle. Zur jeweiligen Mel-                und kardialem Hypoperfusionssyndrom können den HU-Status
dung muss neben der Intensivdokumentation der letzten 3 Tage                  im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erlangen. Für die Beur-
ein aktueller Laborbefund (nicht älter als 5 Tage), der Befund ei-            teilung der Mehrorganbeteiligung ist grundsätzlich das Consen-
ner aktuellen kapillären oder arteriellen Blutgasuntersuchung                 sus-Dokument (Gertz et al. 2005) als Leitlinie anzusehen. Die
(nicht älter als 5 Tage), der Befund einer aktuellen transthoraka-            Diagnose per se ist nicht als Begründung für den HU-Status aus-
len Echokardiographie (nicht älter als 5 Tage) und der Befund                 reichend.
der aktuellen Rechtsherzkatheter-Untersuchung an die Vermitt-
lungsstelle geschickt werden.                                                 Patienten mit angeborenem Herzfehler > 16 Jahren
Bei der Notwendigkeit des Einsatzes temporärer Unterstüt-                     Patienten mit angeborenem Herzfehler über 16 Jahren und se-
zungssysteme im Rahmen des definierten kardialen Hypoper-                     kundärem Endorganschaden können den HU Status im Rahmen
fusionssyndroms muss eine HU-Meldung im Einzelfall begrün-                    einer Einzelfallentscheidung erlangen. Die Diagnose per se ist
det werden.                                                                   nicht als Begründung für den HU-Status ausreichend.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907                                                                 A6
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

Patienten mit hypertropher oder restriktiver Kardiomyopathie         III.3.2.1.2.3 Therapierefraktäre gastrointestinale Blutungen
Patienten mit hypertropher oder restriktiver Kardiomyopathie         Frühestens 30 Tage nach Implantation des dMCS neu aufgetrete-
und kardialem Hypoperfusionssyndrom können nach Ausschöp-            ne gastrointestinale Blutungen (ausgeschlossen sind Patienten
fung etablierter Therapiemaßnahmen den HU-Status im Rahmen           mit einer Anämie nicht abgeklärter Ursache) und keine Möglich-
einer Einzelfallentscheidung erlangen. Die Diagnose per se ist       keit einer endoskopischen oder chirurgischen Sanierung der Blu-
nicht als Begründung für den HU-Status ausreichend.                  tungsquelle unter individuell erforderlicher Antikoagulation
                                                                     (Nachweis durch gastroenterologisches oder viszeralchirurgi-
Patienten mit lebensbedrohlichen Arrhythmien                         sches Konsil muss vorliegen) besteht:
Patienten mit lebensbedrohlichen Arrhythmien trotz maximal                      –    Nach mindestens drei stationären Krankenhaus-
ausgeschöpfter Interventionsmöglichkeiten können den HU Sta-                         aufenthalten innerhalb von sechs Monaten, erfor-
tus im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erhalten. Alle aus-                       derlich wegen rezidivierender transfusionspflich-
geschöpften Interventionsmöglichkeiten müssen dokumentiert                           tiger gastrointestinaler Blutungsereignisse unter
sein.                                                                                individuell erforderlicher Antikoagulation
                                                                                oder
III.3.2.1.2     Hohe Dringlichkeit bei dMCS-Patienten                           –    Transfusion von mindestens 16 Einheiten von
Patienten, bei denen ein ventrikuläres Unterstützungssystem                          Erythrozytenkonzentraten über einen Zeitraum
(Ventricular Assist Device, VAD), als rein linksventrikuläres                        von maximal vier Wochen, um einen stabilen Hä-
(Left Ventricular Assist Device, LVAD) oder biventrikuläres (Bi-                     moglobinwert (in der Regel 8 bis 10 g/dl) zu er-
ventricular Assist Device, BVAD) Unterstützungssystem oder                           reichen unter individuell erforderlicher Antiko-
ein totales Kunstherzsystem (Total Artificial Heart, TAH) im-                        agulation. Wenn der Patient über einen Zeitraum
plantiert wird, werden grundsätzlich in der Warteliste als elektiv                   von 4 Wochen Hb-stabil ist und keine Transfusio-
geführt (transplantabel – T). dMCS-Patienten werden nur dann                         nen von Erythrozytenkonzentraten mehr benö-
als hochdringlich eingestuft, wenn in Folge der dMCS-Implanta-                       tigt, ist dies der Vermittlungsstelle mitzuteilen
tion mindestens eine der nachfolgend definierten lebensbedrohli-                     und der HU-Status entfällt
chen Situationen auftritt und der Patient sich in stationärer Be-
handlung im Transplantationszentrum befindet. Ein Aufenthalt         III.3.2.1.2.4 Aortenklappeninsuffizienz
auf einer Intensivstation ist jedoch keine Voraussetzung für eine    Frühestens 30 Tage nach Implantation des VAD:
hochdringliche Einstufung (HU-Status).                                         –    Neu aufgetretene mittel- oder hochgradige Aor-
Die interdisziplinäre Transplantationskonferenz kann entschei-                      tenklappeninsuffizienz bei einem invasiv gemes-
den, dass in medizinisch begründeten Ausnahmefällen der Pa-                         senen mittleren arteriellen Druck von 80 mmHg
tient auch in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung                       oder darunter
stationär behandelt werden kann. Die Entscheidung ist zu do-                        und
kumentieren. In einem solchen Fall muss gewährleistet sein,                    –    pulmonal-kapillärer Wedge Druck über 15 mmHg
dass in der Einrichtung dieselben medizinischen Therapiericht-                      und
linien wie im Transplantationszentrum angewendet werden.                       –    symptomatische Herzinsuffizienz entsprechend
Weiterhin sind mindestens eine tägliche ärztliche Visite und die                    NYHA III oder IV
Betreuung durch Pflegekräfte zu gewährleisten. Zusätzlich                           und
muss der Patient von einem Arzt des Transplantationsteams                      –    keine Möglichkeit einer operativen oder inter-
einmal wöchentlich vor Ort visitiert werden. Diese Visite ist zu                    ventionellen Behandlung der Aortenklappenin-
dokumentieren.                                                                      suffizienz nach dokumentiertem Beschluss des
Lebensbedrohliche dMCS-Komplikationen, die eine Einstu-                             interdisziplinären, ärztlichen Herzteams2.
fung als hochdringlich erlauben, sind die im Folgenden ge-
nannten:                                                             III.3.2.1.2.5Chronisches Rechtsherzversagen nach
                                                                                  Implantation eines LVAD
III.3.2.1.2.1   dMCS bedingte zerebrale Komplikationen               Chronisch bedeutet frühestens 30 Tage nach Implantation
          –     Frühestens 30 Tage (entsprechend der Definition      des LVAD
                perioperativer Komplikationen) nach Implantati-              –    Unmöglichkeit der Entwöhnung von einem tem-
                on des dMCS neu aufgetretene zerebrale Ischae-                    porären rechtsventrikulären Unterstützungssys-
                mien oder Blutungen unter individuell erforderli-                 tem (Right Ventricular Assist Device, RVAD) mit
                cher Antikoagulation mit nachgewiesenem neu-                      Dokumentation mindestens zweier gescheiterter
                rologischen Defizit bestätigt durch ein neurologi-                Weaningversuche im Abstand von einer Woche
                sches Konsil und Nachweis in der kranialen                        (Abfall LVAD-Fluss bei gleicher Drehzahl, CI
                Computertomografie.                                               unter 2 l/min/m²) nach Ausschluss anderer Ursa-
                                                                                  chen (insbesondere LVAD-Fehlfunktion, Herz-
III.3.2.1.2.2   Periphere Embolie                                                 beuteltamponade, Hypovolämie). Der erste Wea-
          –     Frühestens 30 Tage nach Implantation des dMCS                     ningversuch zum Nachweis der HU-Kriterien
                neu aufgetretene periphere Embolie mit Nach-
                                                                     2
                weis durch bildgebende Verfahren und entspre-            Der Begriff des interdisziplinären, ärztlichen Herzteams ist definiert in der Richtlinie des
                                                                         Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der
                chenden klinischen Symptomen                             Durchführung von minimalinvasiven Herzklappeninterventionen gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
          –     unter individuell erforderlicher Antikoagulation.        für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser.

A7                                                                              Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

                zum chronischen Rechtsherzversagen kann frü-                                  nes aussagekräftigen Fotos durch das Transplan-
                hestens 30 Tage nach Implantation des temporä-                                tationszentrum an die Vermittlungsstelle.
                ren RVAD erfolgen.                                            In allen Fällen ist initial nach vier Wochen und dann nach acht
                oder                                                          Wochen der Zustand durch das Transplantationszentrum erneut
          –     Nachweis des kardialen Hypoperfusionssyn-                     zu überprüfen und die jeweilige vorgenannte Bedingung zu do-
                droms (mittels Rechtsherzkatheter nachgewiese-                kumentieren und gegenüber der Vermittlungsstelle nachzuwei-
                ner CI unter 2 l/min/m² oder CI gleich oder grö-              sen. Bei einem fehlgeschlagenen Auslass-Versuch einer systemi-
                ßer 2 l/min/m² mit Inotropikatherapie3) bei kli-              schen antimikrobiellen Behandlung ist der Nachweis persistie-
                nisch und echokardiografisch nachgewiesenen                   render Entzündungszeichen nicht erforderlich für die erneute Ge-
                Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (mit Ausnah-               währung des HU-Status.
                me des erhöhten pulmonalart. Wedge-Druckes)
                ohne LVAD-Fehlfunktion                                        III.3.2.1.2.7 Gerätebedingte Fehlfunktion eines dMCS
                und                                                           Eine gerätebedingte Fehlfunktion eines dMCS, die nicht auf
          –     wenn nach Beschluss der Transplantationskonfe-                einer Thrombosierung des Gerätes beruht, kann den HU-Status
                renz für den jeweiligen Patienten eine Aufrüstung             eines zur Herztransplantation gelisteten Patienten frühestens 30
                auf ein BVAD/TAH ein unverhältnismäßig hohes                  Tage nach der Implantation begründen, wenn
                Risiko darstellt.                                                       –    die gerätebedingte oder positionsbedingte Fehl-
In beiden Fällen ist alle zwei Wochen zentrumsintern der Zu-                                 funktion des dMCS mindestens eine Komponen-
stand erneut zu überprüfen und das Fortbestehen des chronischen                              te der mechanischen Kreislaufunterstützung be-
Rechtsherzversagens entsprechend den oben genannten Kriterien                                trifft
zu dokumentieren. Für die Reevaluation ist der Nachweis eines                                und
einzelnen gescheiterten Weaningversuchs ausreichend. Änderun-                           –    die gerätebedingte Fehlfunktion des dMCS nur
gen des Zustands müssen innerhalb von 24 Stunden durch das                                   mit einem Wechsel des gesamten Systems zu be-
betreuende Transplantationszentrum an die Vermittlungsstelle                                 heben ist und dies nach Einschätzung der Trans-
zur Aktualisierung des Status gemeldet werden.                                               plantationskonferenz für den jeweiligen Patien-
                                                                                             ten ein unverhältnismäßig hohes Risiko darstellt,
III.3.2.1.2.6 Infektion eines dMCS                                                           und
Eine erstmalige und isolierte, makroskopisch sichtbare Infektion                        –    die gerätebedingte Fehlfunktion des dMCS aktu-
der Driveline-Austrittsstelle, auch mit positivem Keimnachweis                               ell zu einer unzureichenden Kreislaufunterstüt-
in der Blutkultur, ist kein Grund für eine HU-Einstufung. Erst                               zung im Sinne eines Hypoperfusionssyndroms
beim wiederholten Auftreten, nach entsprechenden Therapie-                                   führen kann oder ein komplettes Sistieren der
Maßnahmen, ist eine Einstufung in die HU-Gruppe zu gewähren.                                 Unterstützung droht.
Dies ist in folgenden Konstellationen frühestens 30 Tage nach                 Die gerätebedingte Fehlfunktion eines dMCS und der korrelie-
Implantation des dMCS der Fall:                                               rende Zustand des betroffenen Patienten sind zu dokumentieren.
          –     auftretende Zeichen einer Infektion im Bereich
                des gesamten Driveline-Verlaufes (z. B. Rötung)               III.3.2.1.2.8 Rezidivierende Pumpenthrombose
                oder anderer intrakorporaler dMCS-Komponen-                   Frühestens 30 Tage nach Implantation des dMCS
                ten oder in der Computertomographie infektions-                         –    Erneute Pumpenthrombose bei einem für eine
                typische Befunde (z. B. Abszedierung oder Luft-                              dauerhafte Unterstützung implantierten MCS
                einschlüsse frühestens drei Monate nach Implan-                              nach bereits erfolgtem Austausch der Pumpe oder
                tation) oder positives PET-CT frühestens drei                                intravenöser Lysetherapie wegen Pumpenthrom-
                Monate nach der Implantation des dMCS oder                                   bose
                mindestens zwei positive Blutkulturen und                                    und
                    systemische Entzündungszeichen (Leukozy-                            –    suspekte Veränderungen der Pumpenparameter
                    tose oder CRP-Erhöhung oder Procalcitonin-                               nach Vorgaben und Algorithmen der Hersteller
                    Erhöhung oder Temperatur > 38,5 °C) und                                  nach Auswertung der Logfiles (z. B. Pumpen-
                    Notwendigkeit einer systemischen antimikro-                              strom, Pumpenfluss, Power-Index, etc.)
                    biellen Behandlung                                                       und
                oder                                                                    –    LDH-Erhöhung (mindestens 3-fach über der obe-
          –     rezidivierende Bakteriämie trotz zielgerichteter                             ren Normwertgrenze)
                systemischer antimikrobieller Behandlung nach                                sowie einer der folgenden Parameter:
                Ausschluss anderer Ursachen oder fehlgeschla-                           –    Hämoglobinurie
                gener Auslass-Versuch (wenn klinisch vertretbar)                             oder
                von einem Antibiotikum                                                  –    Zeichen der ungenügenden Entlastung des linken
                oder                                                                         Ventrikels (Ramptest).
          –     bei chirurgisch nicht sanierbaren Wundverhält-
                nissen inklusive Abszessbildung in lokaler Bezie-             III.3.2.2       Elektiv (transplantabel – T)
                hung zum dMCS-System durch Übermittlung ei-                   Diese Patientengruppe erfüllt die Kriterien zur Aufnahme auf die
                                                                              Warteliste zur Herz- bzw. Herz-Lungen-Transplantation, jedoch
3
    vgl. zu den Kriterien der Inotropikatherapie III.3.2.1.1.                 nicht die Kriterien für die hohe Dringlichkeit.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907                                                               A8
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

III.3.2.3       Nicht transplantabel (nicht transplantabel – NT)               2.       Falls eine blutgruppenidentische Allokation nicht
Wird ein Patient im HU-Status als NT gemeldet, muss nach Weg-                           möglich ist, erfolgt die Allokation blutgruppen-
fall der passageren Kontraindikation(en) ein neuer Dringlich-                           kompatibel wie folgt:
keitsantrag gestellt werden. Wird dieser akzeptiert, ist die Warte-
zeit im HU-Status als zusammenhängend zu werten. Die Tage
der Wartezeit im NT-Status bleiben bei der Berechnung der War-                      Spender Blutgruppe           Empfänger Blutgruppe
tezeit im HU-Status unberücksichtigt.
                                                                                            0                              0, B
III.3.3           Bevorzugte kombinierte Organtransplantation                               A                             A, AB
Patienten mit geplanter Herz-Lungen-Transplantation haben in
                                                                                            B                                B
jeder Dringlichkeitsstufe grundsätzlich Vorrang vor Patienten
mit isolierter Herz- oder isolierter Lungen-Transplantation. Or-                           AB                               AB
gane für Patienten mit geplanter Herz-Lungen-Transplantation
werden nicht nach dem Lung-Allocation-Score (LAS), sondern
nach den Regelungen für die Herz- und Herz-Lungen-Transplan-
tation alloziert.                                                              3.       Falls eine Allokation auch nach den Regeln zu
Andere kombinierte Transplantationen als die gemeinsame                                 Nummer 2 nicht möglich ist, erfolgt die Allokati-
Übertragung von thorakalen Organen werden wie folgt gere-                               on blutgruppenkompatibel wie folgt:
gelt:
Unter Berücksichtigung von Indikation und Erfolgsaussicht er-
folgt gegenüber elektiv gelisteten Patienten eine vorrangige Allo-               Spender Blutgruppe              Empfänger Blutgruppe
kation für Herztransplantationen in Kombination mit anderen                                 0                          0, A, B, AB
nicht-renalen Organen, wenn diese Kombinationstransplantatio-
nen nach Prüfung durch die Auditgruppe als besonders dringlich                              A                             A, AB
angesehen werden.                                                                           B                             B, AB

III.3.4         Ermittlung der Allokationsreihenfolge                                      AB                              AB
Das Verfahren der Organvermittlung erfolgt unter Ver-
wendung eines abgestimmten Allokations-Algorithmus
nach den oben beschriebenen Kriterien. Dabei werden Kinder
unter 16 Jahren (s. III.3.2.1), Empfänger einer Herz-Lungen-          Bei Kindern unter 2 Jahren ist auch eine blutgruppeninkompati-
Transplantation und ggf. einer anderen Kombinationstrans-             ble Zuordnung im Rahmen eines standardisierten Zentrumspro-
plantation mit nicht-renalen Organen (s. o.) bevorzugt berück-        tokolls zulässig, sofern entsprechend niedrige Blutgruppen-Anti-
sichtigt.                                                             körpertiter nachweisbar sind.
Somit ergibt sich folgende Allokationsreihenfolge:
          1.    Gruppe der HU-Patienten (zunächst Patienten für       Hochimmunisierte Patienten
                eine Herz-Lungen-Transplantation, dann Patien-        Hochimmunisierte Patienten (aktuelle Panel Reactive Antibo-
                ten für eine Herztransplantation);                    dies, PRA über 50 %) werden bei der Allokation bevorzugt be-
          2.    Patienten für eine bevorzugte Kombinations-           rücksichtigt.
                transplantation mit anderen nicht-renalen Orga-       Dazu werden Spenderherzen, bei welchen zum Zeitpunkt der Al-
                nen;                                                  lokation bereits die HLA-Typisierung vorliegt, zunächst solchen
          3.    Gruppe der elektiven Patienten (zunächst Patien-      hochimmunisierten Patienten angeboten, die aufgrund der HLA-
                ten für eine Herz-Lungen-Transplantation, dann        Analyse für dieses Organ geeignet erscheinen.
                Patienten für eine Herztransplantation).              Die dazu notwendigen immunologischen Untersuchungen (z. B.
                                                                      Crossmatch-Test) erfolgen in jedem Fall entsprechend den Vor-
Blutgruppenidentität und -kompatibilität (A-B-0-System)               gaben in den Richtlinien nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 a) und b)
Die Verteilung von Spenderorganen richtet sich nach den folgen-       TPG. Dazu müssen die Seren der betroffenen Patienten innerhalb
den Regeln:                                                           Deutschlands verschickt worden sein.
         1.    Die Allokation erfolgt zunächst blutgruppeniden-
               tisch:                                                 Wartezeit
                                                                      In der Patientengruppe im T-Status wird die Wartezeit
                                                                      berücksichtigt. Hierzu werden die Tage der Wartezeit im
           Spender Blutgruppe        Empfänger Blutgruppe             HU-, T- und NT-Status gewertet, wobei jeder Tag einen
                   0                          0                       Punkt zählt. Von der Wartezeit im NT-Status werden
                                                                      maximal 30 Tage berücksichtigt. Das Spenderorgan wird in
                   A                          A
                                                                      der Reihenfolge der jeweils höchsten ermittelten Punktwerte
                   B                          B                       alloziert.
                   AB                        AB                       Auf Grund der besonderen Dringlichkeit wird innerhalb der Pa-
                                                                      tientengruppe im HU-Status nur die Wartezeit in diesem Status
                                                                      berücksichtigt.

A9                                                                         Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

III.3.5            Auditgruppe Herz- und Herz-Lungen-Trans-                   B. Begründung gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TPG
                   plantation
                                                                              I    Rechtsgrundlagen
Vorbemerkung                                                                  Die Bundesärztekammer stellt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 7
Es ist vorgesehen, das bisherige Verfahren der Zuordnung zur                  Transplantationsgesetz (TPG) den Stand der Erkenntnisse der
Dringlichkeitsstufe HU durch ein anderes Verfahren zu ersetzen,               medizinischen Wissenschaft fest und legt gem. § 16 Abs 2 S. 1
dessen Voraussetzungen zurzeit geprüft werden. Bis auf Weiteres               TPG das Verfahren für die Erarbeitung der Richtlinien und für
gelten die folgenden Regelungen:                                              die Beschlussfassung fest. Die vorliegende Richtlinie beruht auf
                                                                              der Vorschrift des § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 und 5 TPG.
Aufgabenstellung der Auditgruppe
          –    HU                                                             II        Eckpunkte der Entscheidung zur Richtlinienfort-
Über die Zuordnung zur Dringlichkeitsstufe HU entscheidet                               schreibung
in jedem Einzelfall eine Auditgruppe bei der Vermittlungs-
stelle.                                                                       II.1      Zielsetzung und Notwendigkeit einer Richtlinienän-
          –    Kombinierte Herztransplantation (s. a. III.3.4 )                         derung
Bei Patienten, bei denen eine Herztransplantation in Kombina-                 Ziel der Richtlinienüberarbeitung ist es, die HU-Kriterien dem
tion mit anderen nicht-renalen Organen vorgesehen ist, wird                   aktuellen Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissen-
von der Vermittlungsstelle auf Antrag des Transplantationszen-                schaft anzupassen.
trums ein Auditverfahren durchgeführt, um zu klären, ob im                    Zum einen sollen die HU-Kriterien (Hohe Dringlichkeit – High-
Einzelfall unter Berücksichtigung von Indikation und Erfolgs-                 Urgency – HU) für Patienten, bei denen ein ventrikuläres Unter-
aussicht eine vorrangige Allokation vor elektiven Transplanta-                stützungssystem (Ventricular Assist Device (VAD), als rein links-
tionen angezeigt ist.                                                         ventrikuläres (LVAD) oder biventrikuläres Unterstützungssystem
                                                                              (BVAD)) oder ein totales Kunstherzsystem (Total Artificial Heart,
Zusammensetzung der Auditgruppe                                               TAH) implantiert wurde, konkretisiert und somit sichergestellt
Aus jedem zur Transplantation thorakaler Organe zugelasse-                    werden, dass diese Patientengruppe nicht benachteiligt wird. Die
nen Transplantationszentrum in Deutschland können zwei in                     Versorgung von Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz
der thorakalen Organtransplantation erfahrene Ärzte für die                   mit VAD-Systemen hat sich in den letzten Jahren deutlich weiter-
Auditgruppe nominiert werden. Aus dieser Gruppe wird im                       entwickelt. Fortschritte in der Gerätetechnologie, der Miniaturisie-
Rotationsverfahren ein ständiger Bereitschaftsdienst gebildet.                rung von Pumpen und letztlich eine verbesserte Patientenauswahl
Die jeweils amtierende Auditgruppe setzt sich aus drei Mit-                   führten zu einer Reduktion der VAD-assoziierten Morbidität und
gliedern zusammen, die in verschiedenen Transplantations-                     Mortalität [1, 2]. Stabile VAD-Patienten sind nicht unmittelbar vi-
zentren tätig sind, nicht jedoch in dem Zentrum, das von der                  tal bedroht und müssen daher nicht vorrangig transplantiert wer-
Allokationsentscheidung betroffen ist; ihr müssen ein Fach-                   den. Sie werden auf der einheitlichen Warteliste mit normaler
arzt für Innere Medizin und Kardiologie und ein Facharzt für                  Dringlichkeit geführt. Sollte im Rahmen der VAD-Therapie eine
Herzchirurgie angehören. Hinsichtlich der Zusammensetzung                     lebensbedrohliche Situation auftreten, kann der Patient in die
der jeweils amtierenden Auditgruppe ist gegenüber dem den                     Gruppe der HU-Patienten eingestuft werden. Bisher gab es für Pa-
HU-Status für einen Patienten beantragenden Zentrum Ver-                      tienten mit dMCS-System jedoch nur knappe und unpräzise Fest-
traulichkeit zu wahren.                                                       legungen, wann bei ihnen eine HU-Meldung erfolgen kann mit der
                                                                              Folge, dass bei der Vergabe des HU-Status nicht einheitlich ver-
Entscheidungen der Auditgruppe                                                fahren werden konnte. Zudem soll durch die Konkretisierung der
Die Entscheidung der Auditgruppe ist mehrheitlich und un-                     Anforderungen an den HU-Status eine höhere Verfahrenssicher-
verzüglich zu treffen. Jedes Votum wird begründet und zu-                     heit im HU-Auditing bei der Vermittlungsstelle erreicht werden.
sammen mit der Vermittlungsentscheidung bei der Vermitt-                      Zum anderen sollen die HU-Kriterien für bestimmte Gruppen
lungsstelle dokumentiert. Das Auditverfahren ist nach Ein-                    von Nicht-dMCS-Patienten präzisiert werden. Die Mehrzahl der
gang der Voten der Audit-Mitglieder bei der Vermittlungsstel-                 Patienten ist unter den Gruppen der inotropikaabhängigen Nicht-
le abgeschlossen.                                                             dMCS-Patienten und der dMCS-Patienten mit methodenbeding-
Im Falle eines positiven Erstvotums für die Dringlichkeitsstufe               ten Komplikationen abgebildet. Gesondert zu betrachten sind Pa-
HU findet die erste Reevaluation nach 4 Wochen, alle weiteren                 tienten, die entweder an angeborenen Herzfehlern, an restrikti-
Reevaluationen auf Antrag des behandelnden Zentrums alle                      ven oder obstruktiven Kardiomyopathien, an isolierter kardialer
8 Wochen statt. Sie erfolgt in der Regel durch die zuständigen                Amyloidose oder an lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörun-
Ärzte der Vermittlungsstelle.                                                 gen leiden. Für diese Patienten bestand die Notwendigkeit, ge-
Die Richtigkeit der im Rahmen des Audit-Prozesses übermittel-                 sonderte Regelungen in der Richtlinie zu treffen.
ten Daten sowie die Einhaltung der medizinischen HU-Kriterien
liegt in der Verantwortung der Ärzte des anmeldenden Trans-                   II.2      Darstellung der aktuellen wissenschaftlichen Er-
plantationszentrums.                                                                    kenntnisse

III.4          Inkrafttreten                                                  II.2.1   Zu Abschnitt III.1 Gründe für die Aufnahme in die
Die Richtlinienänderung tritt nach Bekanntgabe im Deutschen                            Warteliste
Ärzteblatt und Veröffentlichung auf der Internetseite der Bundes-             Der Abschnitt wurde redaktionell überarbeitet und terminolo-
ärztekammer am 07.09.2021 in Kraft.                                           gisch angepasst.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907                                                                  A 10
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