Richtlinien zur Organtransplantation gem. 16 TPG - Bundesärztekammer
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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER BUNDESÄRZTEKAMMER Bekanntmachungen Richtlinien zur Organtransplantation gem. § 16 TPG Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Herz- und Herz-Lungen-Transplantation Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in seiner Sitzung vom 4. Kontraindikationen einer Organtransplantation können sich 13.11.2020 auf Empfehlung der Ständigen Kommission Organ- anhaltend oder vorübergehend aus allen Befunden, Erkran- transplantation beschlossen, die kungen oder Umständen ergeben, die das Operationsrisiko erheblich erhöhen oder den längerfristigen Erfolg der Trans- Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG plantation in Frage stellen wie für die Wartelistenführung und Organvermittlung – nicht kurativ behandelte bösartige Erkrankungen, soweit zur Herz- und Herz-Lungen-Transplantation sie nicht der Grund für die Transplantation sind, – klinisch manifeste oder durch Immunsuppression erfah- in der Fassung vom 15.03.2018 (Bekanntgabe in Dtsch Ärztebl 116, rungsgemäß sich verschlimmernde Infektionserkrankungen, Heft 49 [06.12.2019]: A 2322) zu ändern. – schwerwiegende Erkrankungen anderer Organe, Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 11.02.2021 der – vorhersehbare schwerwiegende operativ-technische Pro- Richtlinienänderung zugestimmt. Sie tritt am 07.09.2021 in Kraft. bleme. Die Richtlinie samt zugehöriger Begründung ist auf der Internet- Die als Beispiele genannten möglichen Kontraindikationen seite der Bundesärztekammer abrufbar unter: gelten insbesondere dann nur eingeschränkt, wenn die http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/ Transplantation eines weiteren Organs indiziert ist. downloads/pdf-Ordner/RL/RiliOrgaWlOvHerzTx20210907.pdf. Auch die unzureichende oder sogar fehlende Mitarbeit des Pa- DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907 tienten (Compliance) kann zu einer Kontraindikation werden. Die geltenden Richtlinien zur Organtransplantation sind abrufbar Compliance eines potentiellen Organempfängers bedeutet über unter www.bundesaerztekammer.de/organtransplantation. seine Zustimmung zur Transplantation hinaus seine Bereit- schaft und Fähigkeit, an den erforderlichen Vor- und Nachun- tersuchungen und -behandlungen mitzuwirken. Compliance ist A Richtlinientext kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal, sondern kann aus verschiedenen Gründen im Laufe der Zeit schwanken. De- I Allgemeine Grundsätze für die Aufnahme in die Warte- ren Fehlen kann auch auf sprachlichen und somit überbrückba- liste zur Organtransplantation ren Schwierigkeiten beruhen. Anhaltend fehlende Compliance 1. Für die Aufnahme von Patienten in die Warteliste zur Or- schließt die Transplantation aus. Bevor die Aufnahme in die gantransplantation wird der Stand der Erkenntnisse der me- Warteliste aus diesem Grund ärztlich endgültig abgelehnt wird, dizinischen Wissenschaft gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist der Rat einer weiteren, psychologisch erfahrenen Person des Transplantationsgesetzes (TPG) von der Bundesärzte- einzuholen. Die behandelnden Ärzte müssen sowohl bei der kammer in Richtlinien festgestellt. Aufnahme in die Warteliste als auch nach der Transplantation 2. Über die Aufnahme in die Warteliste legt § 13 Abs. 3 Satz 1 auf die Compliance achten und hinwirken. TPG fest: „Der behandelnde Arzt hat Patienten, bei denen 5. Die Entscheidung über die Aufnahme eines Patienten in die die Übertragung vermittlungspflichtiger Organe medizi- Warteliste, ihre Führung sowie über die Abmeldung eines nisch angezeigt ist, mit deren schriftlicher Einwilligung un- Patienten trifft eine ständige, interdisziplinäre und organ- verzüglich an das Transplantationszentrum zu melden, in spezifische Transplantationskonferenz des Transplantati- dem die Organübertragung vorgenommen werden soll.“ onszentrums. Dies erfolgt im Rahmen des jeweiligen Be- Vermittlungspflichtige Organe sind nach § 1 a Nr. 2 TPG handlungsspektrums und unter Berücksichtigung der indivi- das Herz, die Lungen, die Leber, die Nieren, die Bauchspei- duellen Situation des Patienten. In der interdisziplinären cheldrüse und der Darm postmortaler Spender. Transplantationskonferenz muss neben den direkt beteilig- 3. Eine Organtransplantation kann medizinisch indiziert sein, ten operativen und konservativen Disziplinen mindestens wenn Erkrankungen eine weitere von der ärztlichen Leitung des Klinikums be- – nicht rückbildungsfähig fortschreiten oder durch einen nannte medizinische Disziplin vertreten sein, die nicht un- genetischen Defekt bedingt sind und das Leben gefähr- mittelbar in das Transplantationsgeschehen eingebunden ist. den oder die Lebensqualität hochgradig einschränken und Die Mindestanforderungen an die Zusammensetzung dieser – durch die Transplantation erfolgreich behandelt werden Konferenz sind in den besonderen Regelungen dieser Richt- können. linie festgelegt. A1 Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER Die Mitglieder der interdisziplinären Transplantationskonferenz 9. Besteht bei einem auf der Warteliste geführten Patienten sind der Vermittlungsstelle namentlich zu benennen und sind für vorübergehend eine Kontraindikation gegen die Trans- alle vermittlungsrelevanten Meldungen und Entscheidungen plantation, wird er als „nicht transplantabel“ (NT) einge- verantwortlich. Sie unterzeichnen insbesondere die Entschei- stuft und bei der Organvermittlung nicht berücksichtigt. dung über die Aufnahme eines Patienten in die Warteliste und Besteht die Kontraindikation nicht mehr, ist der Patient übermitteln das Dokument als Grundlage für die Anmeldung der umgehend wieder in der Warteliste mit der dann aktuell Vermittlungsstelle. Die ärztliche Leitung des Klinikums ist darü- gegebenen Dringlichkeit als transplantabel zu melden. ber zugleich schriftlich, einschließlich eventuell abweichender Der Patient ist jeweils über seinen Meldestatus auf der Stellungnahmen, in Kenntnis zu setzen. Diese kann ggf. ein Vo- Warteliste von einem Arzt des Transplantationszentrums tum einer externen Transplantationskonferenz einholen. zu informieren. Soweit in diesen Richtlinien nichts anderes bestimmt ist, 10. Zur Überprüfung bisheriger und Gewinnung neuer Er- legt die Vermittlungsstelle Form und Inhalt der mit der kenntnisse der medizinischen Wissenschaft auf dem Anmeldung und fortgesetzten Führung einzureichenden medi- durch diese Richtlinie geregelten Gebiet kann nach vor- zinischen Angaben eines Patienten sowie den hierfür nament- heriger Unterrichtung der Vermittlungsstelle und der lich zu benennenden verantwortlichen Personenkreis fest. Bundesärztekammer im Rahmen medizinischer For- Nach Aufnahme eines Patienten in die Warteliste sind alle für schungsvorhaben für eine begrenzte Zeit und eine be- die Organvermittlung relevanten Behandlungen, Ergebnisse grenzte Zahl von Patienten von dieser Richtlinie abgewi- und Entscheidungen, insbesondere der Zuteilung von einge- chen werden, sofern durch die Vermittlungsstelle keine schränkt vermittelbaren Organen, von dem jeweils verantwort- Einwände erhoben werden. Die Bewertung der zuständi- lichen Arzt nachvollziehbar zu dokumentieren und der interdis- gen Ethik-Kommission oder die Entscheidung der zu- ziplinären Transplantationskonferenz unverzüglich bekannt zu ständigen Genehmigungsbehörde bleiben unberührt. Die geben. Die Mindestanforderungen an die Dokumentation sind Vermittlungsstelle und die Bundesärztekammer sind in den besonderen Regelungen dieser Richtlinie festgelegt. nach Abschluss der jeweiligen Studie zeitnah über das 6. Über die Aufnahme in die Warteliste zur Organtransplanta- Ergebnis zu unterrichten. tion ist insbesondere nach Notwendigkeit und Erfolgsaus- sicht zu entscheiden (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG). Patienten kön- II Allgemeine Grundsätze für die Vermittlung post- nen dann in die jeweilige Warteliste aufgenommen werden, mortal gespendeter Organe wenn die Organtransplantation mit größerer Wahrschein- lichkeit eine Lebensverlängerung oder eine Verbesserung II.1 Rechtliche Grundlagen, medizinische Definitionen der Lebensqualität erwarten lässt als die sonstige Behand- und Leitgedanken lung. Bei der Entscheidung über die Aufnahme ist jeweils a) Vermittlungspflichtige Organe (Herz, Lungen, Leber, zu prüfen, ob die individuelle medizinische Situation des Nieren, Bauchspeicheldrüse und Darm postmortaler Patienten, sein körperlicher und seelischer Gesamtzustand Spender) werden zur Transplantation in einem deut- den erwünschten Erfolg der Transplantation erwarten lässt: schen Transplantationszentrum gemäß dem Trans- das längerfristige Überleben, die längerfristig ausreichende plantationsgesetz (TPG) und dem von der Bundesärz- Transplantatfunktion und die verbesserte Lebensqualität. tekammer in Richtlinien festgestellten Stand der Er- Für diese Beurteilung sind die Gesamtumstände zu berück- kenntnisse der medizinischen Wissenschaft (§ 16 sichtigen. Dazu gehört auch die Compliance. Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG) vermittelt. Dabei sind die 7. Vor Aufnahme in die Warteliste zur Transplantation ist der Wartelisten der Transplantationszentren für das jewei- Patient über die Erfolgsaussicht, die Risiken und die länger- lige Organ als bundeseinheitliche Warteliste zu behan- fristigen medizinischen, psychologischen und sozialen Aus- deln. Die Richtlinien sind für die Vermittlungsstelle, wirkungen der bei ihm vorgesehenen Transplantation aufzu- die Vermittlungsentscheidungen für die Transplantati- klären. Hierzu gehört auch die Aufklärung über die notwen- onszentren verbindlich. dige Immunsuppression mit den potentiellen Nebenwirkun- b) Die vermittlungspflichtigen Organe dürfen nur gen und Risiken sowie die Notwendigkeit von regelmäßi- – gemäß den §§ 3 und 4 TPG entnommen, gen Kontrolluntersuchungen. Zudem ist der Patient darüber – nach Vermittlung durch die Vermittlungsstelle und zu unterrichten, an welche Stellen seine personenbezogenen – in dafür zugelassenen Transplantationszentren Daten übermittelt werden. Gegebenenfalls ist der Patient transplantiert werden (§ 9 Abs. 1 und § 10 TPG). über die Möglichkeiten der Aufnahme in die Warteliste ei- c) Die Vermittlung muss insbesondere nach Erfolgsaus- nes anderen Zentrums zu informieren. sicht und Dringlichkeit erfolgen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 8. Bei der Aufnahme in die Warteliste ist der Patient darauf hinzu- TPG) und dem Grundsatz der Chancengleichheit ent- weisen, dass ausnahmsweise ein ihm vermitteltes Organ aus sprechen. Der Chancengleichheit dient insbesondere, zentrumsinternen organisatorischen oder personellen Gründen dass die Wartelisten der Transplantationszentren für nicht rechtzeitig transplantiert werden kann. Vorsorglich für das jeweilige Organ bei der Vermittlung als bundesein- diese Situation muss der Patient entscheiden, ob er in diesem heitliche Warteliste zu behandeln sind (§ 12 Abs. 3 Fall die Transplantation in einem anderen Zentrum wünscht Satz 2 TPG). oder ob er auf das angebotene Organ verzichten will. Die Ent- d) Kriterien des Erfolgs einer Transplantation sind die scheidung des Patienten ist zu dokumentieren. Gegebenenfalls längerfristig ausreichende Transplantatfunktion und empfiehlt sich eine vorherige Vorstellung des Patienten mit sei- ein damit gesichertes Überleben des Empfängers nen Behandlungsunterlagen im vertretenden Zentrum. mit verbesserter Lebensqualität. Die Erfolgsaus- Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907 A2
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER sichten unterscheiden sich nach Organen, aber auch Jedes Organ wird nach spezifischen Kriterien unter Verwendung ei- nach definierten Patientengruppen. nes Allokationsalgorithmus vermittelt. Die Gewichtung der Alloka- e) Der Grad der Dringlichkeit richtet sich nach dem tionsfaktoren wird fortlaufend gemäß dem Stand der Erkenntnisse gesundheitlichen Schaden, der durch die Transplan- der medizinischen Wissenschaft überprüft und angepasst. Jede Ver- tation verhindert werden soll. mittlungsentscheidung und ihre Gründe sind zu dokumentieren. Patienten, die ohne Transplantation unmittelbar Dies gilt auch für die Ablehnung eines angebotenen Spenderorgans. vom Tod bedroht sind, werden bei der Organ- Für die Allokation vermittlungspflichtiger Organe gilt die Reihen- vermittlung vorrangig berücksichtigt. folge: thorakale Organe, Leber, Dünndarm, Pankreas, Niere. Bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden Im Rahmen kombinierter Organtransplantationen erfolgt die Allokati- wird berücksichtigt, dass ihre Entwicklung ohne on gemäß den Regeln des nach dieser Reihenfolge führenden Organs. Transplantation in besonderer Weise beeinträchtigt Darüber hinaus werden die Voraussetzungen bevorzugter kombi- oder anhaltend gestört wird. nierter Transplantationen nicht-renaler Organe jeweils im Beson- f) Chancengleichheit der Organzuteilung bedeutet deren Teil geregelt; in jedem Fall ist dafür ein Auditverfahren bei zum einen, dass die Aussicht auf ein vermitteltes der Vermittlungsstelle durchzuführen. Organ insbesondere nicht von Wohnort, sozialem Änderungen bei der Organklassifikation, die sich erst nach er- Status, finanzieller Situation und der Aufnahme in folgtem Organangebot gegenüber einem Transplantationszen- die Warteliste eines bestimmten Transplantations- trum ergeben, werden nicht mehr berücksichtigt, auch wenn die- zentrums abhängen darf. Zum anderen sollen se zu einer anderen Zuteilung geführt hätten. Das Zentrum wird schicksalhafte Nachteile möglichst ausgeglichen über diese Änderungen informiert. Entscheidet es sich – gegebe- werden. Dem dienen unter anderem die Berück- nenfalls in Absprache mit dem vorgesehenen Empfänger –, das sichtigung der Wartezeit und die relative Bevorzu- Angebot daraufhin abzulehnen, wird die Allokation unter Ver- gung von Patienten mit einer seltenen Blutgruppe wendung der neuen Organklassifikation wieder aufgenommen. oder bestimmten medizinischen Merkmalen wie Voraussetzung für die Organvermittlung an einen Patienten ist seltene Gewebeeigenschaften und Unverträglich- seine Aufnahme in die Warteliste eines Transplantationszentrums keiten. und seine Registrierung bei der Vermittlungsstelle mit den für die g) Die Transplantationszentren sind verpflichtet, der Vermittlung notwendigen aktuellen medizinischen Daten. Vermittlungsstelle die für die Vermittlungsentschei- Die Aufnahme eines Patienten in die Warteliste zur Organtrans- dung und deren Auswertung benötigten Daten zu plantation verpflichtet das Transplantationszentrum sicherzustel- übermitteln. len, dass ein für ihn alloziertes Organ transplantiert werden kann, h) Zur Überprüfung bisheriger und Gewinnung neuer soweit keine medizinischen oder persönlichen Hinderungsgrün- Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft auf de auf Seiten des Empfängers vorliegen. dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet kann Deshalb muss jedes Transplantationszentrum dafür sorgen, dass nach vorheriger Unterrichtung der Vermittlungsstel- es selbst oder ein es vertretendes Zentrum le und der Bundesärztekammer im Rahmen medi- – über die Annahme eines Organangebots jederzeit und unver- zinischer Forschungsvorhaben für eine begrenzte züglich entscheiden kann, und zwar bei der Transplantation al- Zeit und eine begrenzte Zahl von Patienten von lein der Niere in der Regel innerhalb von 60 Minuten, in allen dieser Richtlinie abgewichen werden, sofern durch anderen Fällen in der Regel innerhalb von 30 Minuten, und die Vermittlungsstelle keine Einwände erhoben – ein akzeptiertes Organ unverzüglich transplantiert, um die werden. Die Bewertung der zuständigen Ethik- Ischämiezeit möglichst kurz zu halten; dies schließt ein, dass Kommission oder die Entscheidung der zuständigen der Patient, dem das Organ transplantiert werden soll, in an- Genehmigungsbehörde bleiben unberührt. Die Ver- gemessener Zeit für die Transplantation vorbereitet und ge- mittlungsstelle, die Bundesärztekammer und ggf. gebenenfalls in das Zentrum transportiert werden kann. die Koordinierungsstelle sind nach Abschluss der Ist das Transplantationszentrum dazu nicht in der Lage, muss es jeweiligen Studie zeitnah über das Ergebnis zu dies der Vermittlungsstelle unter Angabe der Gründe unverzüg- unterrichten. lich mitteilen. Lässt sich das Transplantationszentrum länger als eine Woche II.2 Verfahren der Organvermittlung zusammenhängend vertreten, hat es alle Patienten der betroffe- Das einzelne Transplantationszentrum kann im Rahmen seines nen Warteliste, die sich nicht für eine bedarfsweise Transplantati- Behandlungsspektrums der Vermittlungsstelle allgemeine Ak- on in einem anderen Zentrum entschieden haben, zu informieren. zeptanzkriterien für die Annahme von Spenderorganen für die in die jeweilige Warteliste aufgenommenen Patienten mitteilen II.3 Allokation von eingeschränkt vermittelbaren Organen (Zentrumsprofil). Darüber hinaus kann das Transplantationszen- trum mit dem einzelnen Patienten nach angemessener Aufklä- II.3.1 Ausgangssituation rung persönliche Akzeptanzkriterien absprechen (Patientenpro- Die Vermittlungsfähigkeit postmortal gespendeter Organe kann fil). Das Patientenprofil kann sich im Laufe der Wartezeit ändern durch Funktionsminderungen oder durch Vorerkrankungen der und ist gegenüber der Vermittlungsstelle unverzüglich zu aktua- Spender eingeschränkt sein. Eine exakte Definition von Kriterien lisieren. Die Weitergabe der für den Patienten wesentlichen Ak- für diese unter bestimmten Umständen dennoch gut funktionsfä- zeptanzkriterien des Patientenprofils setzt die informierte Ein- higen Organe ist wegen der Vielfalt von Ursachen und Einzelhei- willigung des Patienten oder seines bevollmächtigten Vertreters ten nicht möglich. Viele dieser Organe können unter den beson- voraus. deren Bedingungen, wie sie das modifizierte und das beschleunig- A3 Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER te Vermittlungsverfahren (s. II.3.3) vorsehen, erfolgreich trans- der Gruppe der so gemeldeten Patienten entsprechend der Rei- plantiert werden. Damit kann ein Organverlust verhindert werden. henfolge, wie sie sich aus den im besonderen Teil der Richtlinie Voraussetzung für die Vermittlung nach einem der beiden beson- beschriebenen Verteilungsregeln ergibt. Für jedes Organangebot deren Verfahren sind die Angabe der allgemeinen Akzeptanzkri- gilt eine Erklärungsfrist von maximal 30 Minuten. Wenn sie terien durch das einzelne Zentrum gegenüber der Vermittlungs- überschritten wird, gilt das Angebot als abgelehnt. stelle und die mit dem einzelnen Patienten abgesprochenen per- 2. Gelingt eine Vermittlung nach diesem Verfahren nicht, kann sönlichen Akzeptanzkriterien. die Vermittlungsstelle das Organ auch weiteren Zentren an- Generell ist die Vermittlungsstelle verpflichtet, auch für eingeschränkt bieten. Die Zentren teilen ggf. der Vermittlungsstelle den ge- vermittelbare Organe ein Vermittlungsverfahren durchzuführen und genwärtig am besten geeigneten Empfänger mit. Wenn Pa- dabei die Zentrums- und Patientenprofile zu berücksichtigen. tienten aus mehr als einem Zentrum in Betracht kommen, wird das Organ dem Patienten zugeteilt, für den die Akzep- II.3.2 Kriterien für die Einschränkung der Vermittlungs- tanzerklärung des zuständigen Zentrums als erste bei der Ver- fähigkeit mittlungsstelle eingegangen ist. Die Vermittlungsfähigkeit von Organen wird unter anderem Die Zentren müssen die Gründe für ihre Auswahlentschei- durch schwerwiegende Erkrankungen in der Vorgeschichte des dung dokumentieren. Spenders oder durch Komplikationen im Verlauf seiner tödlichen 3. Gelingt eine Vermittlung des Organs innerhalb des Zuständig- Erkrankung oder Schädigung oder durch Komplikationen vor keitsbereichs der Vermittlungsstelle nicht, kann diese das Or- oder bei der Organentnahme eingeschränkt, insbesondere durch gan auch anderen Organaustauschorganisationen anbieten, – Maligne Tumoren in der Anamnese, um den Verlust des Organs möglichst zu vermeiden. – Drogenabhängigkeit, – Virushepatitis (jeweils alternativ HBS Ag+, anti- II.3.4 Evaluation HBC+ oder anti-HCV+), Neben der Dokumentation der Auswahlentscheidung sollen die – Sepsis mit positiver Blutkultur, Ergebnisse der Transplantation aller eingeschränkt vermittelba- – Meningitis. ren Organe von der Vermittlungsstelle fortlaufend besonders do- In den besonderen Regelungen dieser Richtlinie können weite- kumentiert und jeweils in Abständen von zwei Jahren auf der re, organspezifische Kriterien für die Einschränkung der Ver- Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Vermittlungs- und mittelbarkeit genannt sein. der Koordinierungsstelle evaluiert werden, soweit die organspe- Im Einzelfall muss die Einschränkung der Vermittlungsfähig- zifischen Richtlinien nichts anderes bestimmen. keit von den an der Organentnahme, -verteilung oder -übertra- Die Transplantationszentren sind verpflichtet, der Vermittlungs- gung beteiligten Ärzten beurteilt werden. stelle die für die Evaluation benötigten Daten zu übermitteln. Auch Domino-Transplantate gelten als eingeschränkt vermittel- bar. Domino-Transplantate sind Organe, die einem Empfänger II.4 Sanktionen im Rahmen der Transplantation eines Spenderorgans entnommen Bei einem Verstoß gegen die Richtlinien zur Organvermittlung werden und anderen Patienten übertragen werden können. entfallen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Transplan- tation (§ 9 Abs. 1 Satz 2 TPG), und es liegt eine Ordnungswidrig- II.3.3 Besondere Vermittlungsverfahren keit vor (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 TPG). Wird der Vermittlungsstelle ein Verstoß bekannt oder hat sie zureichende tatsächliche Anhalts- II.3.3.1 Modifiziertes Vermittlungsverfahren punkte dafür, unterrichtet sie die nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 Organe sollen unter den in Abschnitt II.2 beschriebenen Voraus- TPG gebildete Prüfungskommission. Diese entscheidet über die setzungen nur solchen Transplantationszentren für solche Patien- Information der zuständigen Bußgeldstelle. ten angeboten werden, für die sie nach dem Zentrums- und dem Patientenprofil in Betracht kommen. Im Übrigen erfolgt die Ver- III Besondere Regelungen zur Herz- und Herz-Lun- mittlung nach den allgemeinen Regeln für das jeweilige Organ. gen-Transplantation II.3.3.2 Beschleunigtes Vermittlungsverfahren III.1 Gründe für die Aufnahme in die Warteliste Die Vermittlungsstelle entscheidet über die Einleitung des beschleu- Eine Herztransplantation kann medizinisch indiziert sein, wenn nigten Vermittlungsverfahrens auf der Grundlage aller vorhandenen In- – eine hochgradige Herzschwäche trotz Ausschöpfung formationen. Dieses Verfahren wird insbesondere durchgeführt, wenn aller anderen Behandlungsoptionen nicht rückbil- – durch eine Kreislaufinstabilität des Spenders oder dungsfähig ist und deshalb mit einer sehr begrenzten – aus logistischen oder organisatorischen Gründen oder Lebenserwartung und hochgradig eingeschränkten – aus spender- oder aus organbedingten Gründen Lebensqualität verbunden ist und ein Organverlust droht. – durch die Transplantation mit hinreichender Aussicht Dabei ist das folgende abgestufte Vorgehen zu beachten: auf Erfolg behandelt werden kann. 1. Um die Ischämiezeit möglichst kurz zu halten, wird ein Organ im Die Ätiologie der hochgradigen Herzschwäche ist sehr unter- beschleunigten Vermittlungsverfahren allen Zentren einer Regi- schiedlich, die Indikation somit differenziert zu definieren. on der Koordinierungsstelle, in der sich das Organ zum Zeitpunkt Für die große Mehrzahl der Patienten1 liegt eine hochgradige, irre- des Angebotes befindet, sowie anderen nahegelegenen Zentren versible Einschränkung der linksventrikulären systolischen angeboten. Die Zentren wählen aus ihrer Warteliste bis zu zwei 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und geeignete Empfänger aus und melden diese an die Vermittlungs- weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl stelle. Die Vermittlungsstelle vermittelt dann das Organ innerhalb für alle Geschlechter. Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907 A4
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER Pumpfunktion zugrunde. Diese ist zuverlässig zu objektivieren – Facharzt für Thoraxchirurgie und zu quantifizieren anhand der – Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie –Symptomatik Luftnot/Leistungsschwäche be- – Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit reits in Ruhe oder bei minimaler Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie Belastung im alltäglichen Leben, – Facharzt für Anästhesiologie entsprechend Stadien der Heart – Psychosomatiker/Psychotherapeut/Psychiater Association (NYHA III-IV); sowie ein Vertreter der Pflege. –Echokardiographie Kammerdurchmesser, Auswurf- fraktion; III.3.2 Dringlichkeitsstufen –Hämodynamik Auswurffraktion, linksventrikulä- Bei allen Patienten muss vor Aufnahme in die Warteliste eine de- rer Füllungsdruck, Herzzeitvolu- taillierte Evaluation erfolgen. Dies gilt auch, wenn im Ausnah- men, zentralvenöse Sättigung; mefall gleichzeitig mit der Aufnahme in die Warteliste die Ak- –Spiroergometrie Sauerstoffaufnahme (VO2) max. zeptanz der Hochdringlichkeitsstufe (HU) beantragt wird. in ml/kg/min; –Laborwerte Serumnatrium, B-type Natriuretic III.3.2.1 Hohe Dringlichkeit (High Urgency – HU) Peptide (BNP). Bei Patienten in der Warteliste in akut lebensbedrohlicher Situa- Darüber hinaus stellt sich die Indikation bei anderen Patienten mit tion besteht eine besondere Dringlichkeit zur Transplantation. folgenden selteneren Herzerkrankungen, wie z. B. Aus diesem Grund werden diese Patienten mit der Dringlich- –diastolische Herzinsuffizienz (Hypertrophische Kar- keitsstufe High Urgency (HU) geführt. Sie werden vorrangig vor diomyopathie, Speicherkrankheiten (z. B. Amyloi- allen anderen Patienten transplantiert. Die Zuordnung eines Pa- dose)), tienten in diese Dringlichkeitsstufe muss besonders begründet –rechtsventrikuläre Herzerkrankungen (z. B. Morbus werden. Der HU-Status gilt initial für die Dauer von 4 Wochen Ebstein), und dann je für die Dauer von 8 Wochen; er muss nach Ablauf –schwere kongenitale (angeborene) Herzerkrankungen, dieser jeweiligen Frist erneut bei der Vermittlungsstelle begrün- –therapierefraktäre Angina pectoris (nach Ausschöpfung det werden. aller anderen Therapieoptionen), Aufgrund unterschiedlicher Komplikationen müssen Patienten –therapierefraktäre Rhythmusstörungen (nach Aus- mit und ohne dauerhafte mechanische Kreislaufunterstützung schöpfung aller anderen Therapieoptionen), (Mechanical Circulatory Support, MCS) bezüglich der HU-Kri- –maligne und benigne Herztumoren, terien gesondert betrachtet werden. sowie bei Patienten mit einem dauerhaft implantierbaren ventrikulären Un- –Patienten mit Indikation einer Retransplantation und terstützungssystem (Ventricular Assist Device, VAD) und Patien- –Patienten mit mechanischen Unterstützungssystemen. ten mit einem Kunstherzen (Total Artificial Heart, TAH) werden Indikation zur Herz-Lungen-Transplantation ist das nicht rück- unter dem Begriff dMCS-Patienten (Durable Mechanical Circu- bildungsfähige, endgültige Herzversagen bei irreversiblen Lun- latory Support) zusammengefasst. Ausdrücklich nicht sind Sys- generkrankungen, bei denen eine isolierte Herz- oder Lungen- teme zur kurzfristigen Kreislaufunterstützung umfasst. Transplantation nicht möglich ist. III.3.2.1.1 Hohe Dringlichkeit bei Nicht-dMCS-Patienten III.2 Gründe für die Ablehnung einer Aufnahme in die Empfänger, die diese Kriterien erfüllen, sind in der Regel be- Warteliste reits auf der Warteliste geführte Patienten, deren Zustand sich Als Gründe für die Ablehnung einer Aufnahme in die Warteliste verschlechtert. Dies sind Patienten, die auf einer Intensivstati- gelten die im Allgemeinen Teil festgelegten Kriterien (I.4). on, einer Intermediate-Care-Station oder Heart-Failure-Unit behandelt werden und nach Ausschöpfung aller alternativen III.3 Kriterien für die Allokation von Herzen Behandlungsmöglichkeiten (ausgenommen permanente ventri- Die Allokation von Spenderorganen erfolgt für Patienten auf der kuläre Unterstützungssysteme) unter einer kardialen Hypoper- Warteliste zur Herztransplantation zunächst nach Größe und fusionssymptomatik bedingt durch eine hochgradig einge- Blutgruppe, für Patienten auf der Warteliste zur Herz-Lungen- schränkte kardiale Funktion leiden und von Inotropika abhän- Transplantation nach Totaler Lungenkapazität (TLC) und Blut- gig sind. Ist eine Inotropikagabe erforderlich, so gelten die Do- gruppe. sierempfehlungen der Leitlinie für akute und chronische Herz- insuffizienz der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie III.3.1 Zusammensetzung der interdisziplinären Trans- (European Society of Cardiology, ESC, 2016 Guideline on plantationskonferenz „Acute and Chronic Heart Failure“) für die initiale Inotropika- Der interdisziplinären Transplantationskonferenz nach Kapitel I. therapie und die Erhaltungstherapie: Dobutamin 2–20 µg/kg/ Ziff. 5 des Allgemeinen Teils dieser Richtlinien gehören an: min, Milrinon 0,375–0,75 µg/kg/min, Enoximon 5-20 μg/kg/ – als Vertreter der beteiligten operativen und konserva- min als Einzel- oder auch Kombinationstherapie; wobei bei tiven Disziplinen (Leiter oder Vertreter) ein Kombinationstherapien zumindest ein Medikament innerhalb 1. Fachharzt für Herzchirurgie, der genannten Werte liegen muss und eine kontinuierliche Gabe 2. Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie im Rahmen der Dosierintervalle notwendig ist. Levosimendan – und 3. ein Vertreter des ärztlichen Direktors. hat eine besondere Pharmakokinetik und es wird nach ESC- Der Transplantationskonferenz können Vertreter weiterer Diszipli- Leitlinie und Fachinformation eine einmalige Gabe von 0,1–0,2 nen (Leiter oder Vertreter) angehören. Es kommen in Betracht ein µg/kg/min über 24 h empfohlen. A5 Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER Im Folgenden sind das kardiale Hypoperfusionssyndrom und die Bei Patienten, bei denen eine Herz-Lungen-Transplantation vor- Inotropikaabhängigkeit definiert. gesehen ist und die aufgrund der Lungenfunktion beatmet wer- Kardiales Hypoperfusionssyndrom (1–3 erfüllt): den müssen oder bei denen ein temporäres Lungen-Ersatz-Ver- 1. Klinik: Symptome und klinische Zeichen der ter- fahren (z. B. ECMO oder ECLA) zum Einsatz kommt, muss eine minalen Herzinsuffizienz (NYHA III/NYHA IV, HU-Meldung ebenfalls im Einzelfall begründet werden. AHA/ACC Stadium D) und Eine erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes zwi- 2. Hämodynamik: schen den Aktualisierungsintervallen (Reduktion der Inotropika – Herzindex (CI) unter 2 l/min/m2 und unterhalb der Schwellenwerte im Falle von Dobutamin, Milrinon – gemischt-venöse Sättigung (SVO2) unter oder Enoximon, oder fehlende Notwendigkeit für eine erneute 50 % und Inotropikagabe innerhalb von 2 Wochen nach Levosimendanga- – pulmonalkapillärer Wedge-Druck (PCWP) be) bewirkt eine Einstufung auf eine normale Dringlichkeit über 15 mmHg und (T-Status) und muss innerhalb von 24 Stunden durch das betreu- 3. Zeichen der Endorganschäden: ende Transplantationszentrum an die Vermittlungsstelle zur Ak- mindestens eines der folgenden Kriterien muss tualisierung des Status gemeldet werden. erfüllt sein: Bei Wiederaufnahme in den HU-Status aus dem NT- oder T-Sta- – über die Normwerte (Referenzbereich des tus bleibt die zuvor registrierte Wartezeit im HU-Status erhalten. Kliniklabors) erhöhtes Laktat Der HU-Status setzt voraus, dass sich der Patient im Trans- – über die Normwerte (Referenzbereich des plantationszentrum oder in einem mit diesem eng kooperie- Kliniklabors) erhöhtes Bilirubin renden, dieselben medizinischen Therapierichtlinien anwen- – eine erniedrigte (unter 60 ml/min) kalkulierte denden Krankenhaus befindet, das örtlich so nahe gelegen ist, glomeruläre Filtrationsrate (GFR) (bei Aus- dass ein Arzt der transplantierenden Klinik den Patienten min- schluss einer Nierenerkrankung) destens einmal wöchentlich visitieren kann. Die Behandlung – Serum-Natrium unter 135 mmol/l. wird auf einer Intensivstation, einer Intermediate-Care-Stati- Inotropikaabhängigkeit (1 oder 2 erfüllt): on oder Heart-Failure-Unit durchgeführt. Die Visitation ist zu Eine Abhängigkeit von Inotropika liegt vor, wenn dokumentieren. 1. unter einer kontinuierlichen Gabe von Dobuta- Kinder und Jugendliche bis zu einem Alter von 16 Jahren, die min, Milrinon oder Enoximon mit einer Dauer zur Herz- oder Herz-Lungentransplantation gelistet sind, erhal- von mindestens 72 Stunden ten immer einen HU-Status. Dies gilt auch für Jugendliche und a) der CI unter 2 l/min/m2 verbleibt, oder Heranwachsende nach Vollendung des 16. Lebensjahres, sofern b) der CI in einem Reduktionsversuch (Redukti- sie sich nachweisbar noch im Wachstumsalter befinden. Der on von Dobutamin, Milrinon oder Enoximon Nachweis ist durch das jeweilige Transplantationszentrum zu unterhalb der in der ESC-Leitlinie angegebe- führen (z. B. durch eine Röntgenaufnahme der linken Hand) nen Minimaldosis) von über 2 l/min/m2 auf und wird durch zwei unabhängige, von der Vermittlungsstelle unter 2 l/min/m2 abfällt. beauftragte Auditoren überprüft. Bei Uneinigkeit wird ein drit- oder ter Auditor hinzugezogen, dessen Stimme dann entscheidet. In 2. nach einer einmaligen Infusion von Levosimen- der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bis zu einem Al- dan (über 24 h) innerhalb von 14 Tagen das kar- ter von 16 Jahren und der Heranwachsenden, die sich nach diale Hypoperfusionssyndrom nach o. g. Defini- Vollendung des 16. Lebensjahres nachweisbar noch im Wachs- tion wieder auftritt und eine erneute Inotropika- tumsalter befinden, werden Patienten, bei denen eine stationäre gabe erforderlich ist. Behandlung wegen des klinischen Zustands als Folge der Eine erneute Rechtsherzkatheter-Untersuchung zur Dokumenta- Grunderkrankung erforderlich ist, bei der Allokation bevorzugt tion der Inotropika-Pflichtigkeit muss alle 2 Wochen zentrumsin- berücksichtigt. Es muss stets gewährleistet sein, dass der Zu- tern erfolgen und dokumentiert werden. In zu begründenden Ein- stand des Patienten durch einen Arzt des transplantierenden zelfällen können auch andere geeignete Untersuchungen zur Do- Zentrums mindestens einmal wöchentlich evaluiert und das Er- kumentation der Inotropikapflichtigkeit durchgeführt werden. gebnis dokumentiert wird. Sollte der Patient weiterhin nach o. g. Definition eine Therapie mit Inotropika benötigen, erfolgt die Fortführung der HU-Lis- Patienten mit isolierter kardialer Amyloidose tung unter Beachtung der unter III.3.2.1 genannten Fristen zur er- Patienten mit isolierter kardialer AL- und ATTR-Amyloidose neuten Meldung bei der Vermittlungsstelle. Zur jeweiligen Mel- und kardialem Hypoperfusionssyndrom können den HU-Status dung muss neben der Intensivdokumentation der letzten 3 Tage im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erlangen. Für die Beur- ein aktueller Laborbefund (nicht älter als 5 Tage), der Befund ei- teilung der Mehrorganbeteiligung ist grundsätzlich das Consen- ner aktuellen kapillären oder arteriellen Blutgasuntersuchung sus-Dokument (Gertz et al. 2005) als Leitlinie anzusehen. Die (nicht älter als 5 Tage), der Befund einer aktuellen transthoraka- Diagnose per se ist nicht als Begründung für den HU-Status aus- len Echokardiographie (nicht älter als 5 Tage) und der Befund reichend. der aktuellen Rechtsherzkatheter-Untersuchung an die Vermitt- lungsstelle geschickt werden. Patienten mit angeborenem Herzfehler > 16 Jahren Bei der Notwendigkeit des Einsatzes temporärer Unterstüt- Patienten mit angeborenem Herzfehler über 16 Jahren und se- zungssysteme im Rahmen des definierten kardialen Hypoper- kundärem Endorganschaden können den HU Status im Rahmen fusionssyndroms muss eine HU-Meldung im Einzelfall begrün- einer Einzelfallentscheidung erlangen. Die Diagnose per se ist det werden. nicht als Begründung für den HU-Status ausreichend. Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907 A6
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER Patienten mit hypertropher oder restriktiver Kardiomyopathie III.3.2.1.2.3 Therapierefraktäre gastrointestinale Blutungen Patienten mit hypertropher oder restriktiver Kardiomyopathie Frühestens 30 Tage nach Implantation des dMCS neu aufgetrete- und kardialem Hypoperfusionssyndrom können nach Ausschöp- ne gastrointestinale Blutungen (ausgeschlossen sind Patienten fung etablierter Therapiemaßnahmen den HU-Status im Rahmen mit einer Anämie nicht abgeklärter Ursache) und keine Möglich- einer Einzelfallentscheidung erlangen. Die Diagnose per se ist keit einer endoskopischen oder chirurgischen Sanierung der Blu- nicht als Begründung für den HU-Status ausreichend. tungsquelle unter individuell erforderlicher Antikoagulation (Nachweis durch gastroenterologisches oder viszeralchirurgi- Patienten mit lebensbedrohlichen Arrhythmien sches Konsil muss vorliegen) besteht: Patienten mit lebensbedrohlichen Arrhythmien trotz maximal – Nach mindestens drei stationären Krankenhaus- ausgeschöpfter Interventionsmöglichkeiten können den HU Sta- aufenthalten innerhalb von sechs Monaten, erfor- tus im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erhalten. Alle aus- derlich wegen rezidivierender transfusionspflich- geschöpften Interventionsmöglichkeiten müssen dokumentiert tiger gastrointestinaler Blutungsereignisse unter sein. individuell erforderlicher Antikoagulation oder III.3.2.1.2 Hohe Dringlichkeit bei dMCS-Patienten – Transfusion von mindestens 16 Einheiten von Patienten, bei denen ein ventrikuläres Unterstützungssystem Erythrozytenkonzentraten über einen Zeitraum (Ventricular Assist Device, VAD), als rein linksventrikuläres von maximal vier Wochen, um einen stabilen Hä- (Left Ventricular Assist Device, LVAD) oder biventrikuläres (Bi- moglobinwert (in der Regel 8 bis 10 g/dl) zu er- ventricular Assist Device, BVAD) Unterstützungssystem oder reichen unter individuell erforderlicher Antiko- ein totales Kunstherzsystem (Total Artificial Heart, TAH) im- agulation. Wenn der Patient über einen Zeitraum plantiert wird, werden grundsätzlich in der Warteliste als elektiv von 4 Wochen Hb-stabil ist und keine Transfusio- geführt (transplantabel – T). dMCS-Patienten werden nur dann nen von Erythrozytenkonzentraten mehr benö- als hochdringlich eingestuft, wenn in Folge der dMCS-Implanta- tigt, ist dies der Vermittlungsstelle mitzuteilen tion mindestens eine der nachfolgend definierten lebensbedrohli- und der HU-Status entfällt chen Situationen auftritt und der Patient sich in stationärer Be- handlung im Transplantationszentrum befindet. Ein Aufenthalt III.3.2.1.2.4 Aortenklappeninsuffizienz auf einer Intensivstation ist jedoch keine Voraussetzung für eine Frühestens 30 Tage nach Implantation des VAD: hochdringliche Einstufung (HU-Status). – Neu aufgetretene mittel- oder hochgradige Aor- Die interdisziplinäre Transplantationskonferenz kann entschei- tenklappeninsuffizienz bei einem invasiv gemes- den, dass in medizinisch begründeten Ausnahmefällen der Pa- senen mittleren arteriellen Druck von 80 mmHg tient auch in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung oder darunter stationär behandelt werden kann. Die Entscheidung ist zu do- und kumentieren. In einem solchen Fall muss gewährleistet sein, – pulmonal-kapillärer Wedge Druck über 15 mmHg dass in der Einrichtung dieselben medizinischen Therapiericht- und linien wie im Transplantationszentrum angewendet werden. – symptomatische Herzinsuffizienz entsprechend Weiterhin sind mindestens eine tägliche ärztliche Visite und die NYHA III oder IV Betreuung durch Pflegekräfte zu gewährleisten. Zusätzlich und muss der Patient von einem Arzt des Transplantationsteams – keine Möglichkeit einer operativen oder inter- einmal wöchentlich vor Ort visitiert werden. Diese Visite ist zu ventionellen Behandlung der Aortenklappenin- dokumentieren. suffizienz nach dokumentiertem Beschluss des Lebensbedrohliche dMCS-Komplikationen, die eine Einstu- interdisziplinären, ärztlichen Herzteams2. fung als hochdringlich erlauben, sind die im Folgenden ge- nannten: III.3.2.1.2.5Chronisches Rechtsherzversagen nach Implantation eines LVAD III.3.2.1.2.1 dMCS bedingte zerebrale Komplikationen Chronisch bedeutet frühestens 30 Tage nach Implantation – Frühestens 30 Tage (entsprechend der Definition des LVAD perioperativer Komplikationen) nach Implantati- – Unmöglichkeit der Entwöhnung von einem tem- on des dMCS neu aufgetretene zerebrale Ischae- porären rechtsventrikulären Unterstützungssys- mien oder Blutungen unter individuell erforderli- tem (Right Ventricular Assist Device, RVAD) mit cher Antikoagulation mit nachgewiesenem neu- Dokumentation mindestens zweier gescheiterter rologischen Defizit bestätigt durch ein neurologi- Weaningversuche im Abstand von einer Woche sches Konsil und Nachweis in der kranialen (Abfall LVAD-Fluss bei gleicher Drehzahl, CI Computertomografie. unter 2 l/min/m²) nach Ausschluss anderer Ursa- chen (insbesondere LVAD-Fehlfunktion, Herz- III.3.2.1.2.2 Periphere Embolie beuteltamponade, Hypovolämie). Der erste Wea- – Frühestens 30 Tage nach Implantation des dMCS ningversuch zum Nachweis der HU-Kriterien neu aufgetretene periphere Embolie mit Nach- 2 weis durch bildgebende Verfahren und entspre- Der Begriff des interdisziplinären, ärztlichen Herzteams ist definiert in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der chenden klinischen Symptomen Durchführung von minimalinvasiven Herzklappeninterventionen gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 – unter individuell erforderlicher Antikoagulation. für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser. A7 Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER zum chronischen Rechtsherzversagen kann frü- nes aussagekräftigen Fotos durch das Transplan- hestens 30 Tage nach Implantation des temporä- tationszentrum an die Vermittlungsstelle. ren RVAD erfolgen. In allen Fällen ist initial nach vier Wochen und dann nach acht oder Wochen der Zustand durch das Transplantationszentrum erneut – Nachweis des kardialen Hypoperfusionssyn- zu überprüfen und die jeweilige vorgenannte Bedingung zu do- droms (mittels Rechtsherzkatheter nachgewiese- kumentieren und gegenüber der Vermittlungsstelle nachzuwei- ner CI unter 2 l/min/m² oder CI gleich oder grö- sen. Bei einem fehlgeschlagenen Auslass-Versuch einer systemi- ßer 2 l/min/m² mit Inotropikatherapie3) bei kli- schen antimikrobiellen Behandlung ist der Nachweis persistie- nisch und echokardiografisch nachgewiesenen render Entzündungszeichen nicht erforderlich für die erneute Ge- Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (mit Ausnah- währung des HU-Status. me des erhöhten pulmonalart. Wedge-Druckes) ohne LVAD-Fehlfunktion III.3.2.1.2.7 Gerätebedingte Fehlfunktion eines dMCS und Eine gerätebedingte Fehlfunktion eines dMCS, die nicht auf – wenn nach Beschluss der Transplantationskonfe- einer Thrombosierung des Gerätes beruht, kann den HU-Status renz für den jeweiligen Patienten eine Aufrüstung eines zur Herztransplantation gelisteten Patienten frühestens 30 auf ein BVAD/TAH ein unverhältnismäßig hohes Tage nach der Implantation begründen, wenn Risiko darstellt. – die gerätebedingte oder positionsbedingte Fehl- In beiden Fällen ist alle zwei Wochen zentrumsintern der Zu- funktion des dMCS mindestens eine Komponen- stand erneut zu überprüfen und das Fortbestehen des chronischen te der mechanischen Kreislaufunterstützung be- Rechtsherzversagens entsprechend den oben genannten Kriterien trifft zu dokumentieren. Für die Reevaluation ist der Nachweis eines und einzelnen gescheiterten Weaningversuchs ausreichend. Änderun- – die gerätebedingte Fehlfunktion des dMCS nur gen des Zustands müssen innerhalb von 24 Stunden durch das mit einem Wechsel des gesamten Systems zu be- betreuende Transplantationszentrum an die Vermittlungsstelle heben ist und dies nach Einschätzung der Trans- zur Aktualisierung des Status gemeldet werden. plantationskonferenz für den jeweiligen Patien- ten ein unverhältnismäßig hohes Risiko darstellt, III.3.2.1.2.6 Infektion eines dMCS und Eine erstmalige und isolierte, makroskopisch sichtbare Infektion – die gerätebedingte Fehlfunktion des dMCS aktu- der Driveline-Austrittsstelle, auch mit positivem Keimnachweis ell zu einer unzureichenden Kreislaufunterstüt- in der Blutkultur, ist kein Grund für eine HU-Einstufung. Erst zung im Sinne eines Hypoperfusionssyndroms beim wiederholten Auftreten, nach entsprechenden Therapie- führen kann oder ein komplettes Sistieren der Maßnahmen, ist eine Einstufung in die HU-Gruppe zu gewähren. Unterstützung droht. Dies ist in folgenden Konstellationen frühestens 30 Tage nach Die gerätebedingte Fehlfunktion eines dMCS und der korrelie- Implantation des dMCS der Fall: rende Zustand des betroffenen Patienten sind zu dokumentieren. – auftretende Zeichen einer Infektion im Bereich des gesamten Driveline-Verlaufes (z. B. Rötung) III.3.2.1.2.8 Rezidivierende Pumpenthrombose oder anderer intrakorporaler dMCS-Komponen- Frühestens 30 Tage nach Implantation des dMCS ten oder in der Computertomographie infektions- – Erneute Pumpenthrombose bei einem für eine typische Befunde (z. B. Abszedierung oder Luft- dauerhafte Unterstützung implantierten MCS einschlüsse frühestens drei Monate nach Implan- nach bereits erfolgtem Austausch der Pumpe oder tation) oder positives PET-CT frühestens drei intravenöser Lysetherapie wegen Pumpenthrom- Monate nach der Implantation des dMCS oder bose mindestens zwei positive Blutkulturen und und systemische Entzündungszeichen (Leukozy- – suspekte Veränderungen der Pumpenparameter tose oder CRP-Erhöhung oder Procalcitonin- nach Vorgaben und Algorithmen der Hersteller Erhöhung oder Temperatur > 38,5 °C) und nach Auswertung der Logfiles (z. B. Pumpen- Notwendigkeit einer systemischen antimikro- strom, Pumpenfluss, Power-Index, etc.) biellen Behandlung und oder – LDH-Erhöhung (mindestens 3-fach über der obe- – rezidivierende Bakteriämie trotz zielgerichteter ren Normwertgrenze) systemischer antimikrobieller Behandlung nach sowie einer der folgenden Parameter: Ausschluss anderer Ursachen oder fehlgeschla- – Hämoglobinurie gener Auslass-Versuch (wenn klinisch vertretbar) oder von einem Antibiotikum – Zeichen der ungenügenden Entlastung des linken oder Ventrikels (Ramptest). – bei chirurgisch nicht sanierbaren Wundverhält- nissen inklusive Abszessbildung in lokaler Bezie- III.3.2.2 Elektiv (transplantabel – T) hung zum dMCS-System durch Übermittlung ei- Diese Patientengruppe erfüllt die Kriterien zur Aufnahme auf die Warteliste zur Herz- bzw. Herz-Lungen-Transplantation, jedoch 3 vgl. zu den Kriterien der Inotropikatherapie III.3.2.1.1. nicht die Kriterien für die hohe Dringlichkeit. Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907 A8
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER III.3.2.3 Nicht transplantabel (nicht transplantabel – NT) 2. Falls eine blutgruppenidentische Allokation nicht Wird ein Patient im HU-Status als NT gemeldet, muss nach Weg- möglich ist, erfolgt die Allokation blutgruppen- fall der passageren Kontraindikation(en) ein neuer Dringlich- kompatibel wie folgt: keitsantrag gestellt werden. Wird dieser akzeptiert, ist die Warte- zeit im HU-Status als zusammenhängend zu werten. Die Tage der Wartezeit im NT-Status bleiben bei der Berechnung der War- Spender Blutgruppe Empfänger Blutgruppe tezeit im HU-Status unberücksichtigt. 0 0, B III.3.3 Bevorzugte kombinierte Organtransplantation A A, AB Patienten mit geplanter Herz-Lungen-Transplantation haben in B B jeder Dringlichkeitsstufe grundsätzlich Vorrang vor Patienten mit isolierter Herz- oder isolierter Lungen-Transplantation. Or- AB AB gane für Patienten mit geplanter Herz-Lungen-Transplantation werden nicht nach dem Lung-Allocation-Score (LAS), sondern nach den Regelungen für die Herz- und Herz-Lungen-Transplan- tation alloziert. 3. Falls eine Allokation auch nach den Regeln zu Andere kombinierte Transplantationen als die gemeinsame Nummer 2 nicht möglich ist, erfolgt die Allokati- Übertragung von thorakalen Organen werden wie folgt gere- on blutgruppenkompatibel wie folgt: gelt: Unter Berücksichtigung von Indikation und Erfolgsaussicht er- folgt gegenüber elektiv gelisteten Patienten eine vorrangige Allo- Spender Blutgruppe Empfänger Blutgruppe kation für Herztransplantationen in Kombination mit anderen 0 0, A, B, AB nicht-renalen Organen, wenn diese Kombinationstransplantatio- nen nach Prüfung durch die Auditgruppe als besonders dringlich A A, AB angesehen werden. B B, AB III.3.4 Ermittlung der Allokationsreihenfolge AB AB Das Verfahren der Organvermittlung erfolgt unter Ver- wendung eines abgestimmten Allokations-Algorithmus nach den oben beschriebenen Kriterien. Dabei werden Kinder unter 16 Jahren (s. III.3.2.1), Empfänger einer Herz-Lungen- Bei Kindern unter 2 Jahren ist auch eine blutgruppeninkompati- Transplantation und ggf. einer anderen Kombinationstrans- ble Zuordnung im Rahmen eines standardisierten Zentrumspro- plantation mit nicht-renalen Organen (s. o.) bevorzugt berück- tokolls zulässig, sofern entsprechend niedrige Blutgruppen-Anti- sichtigt. körpertiter nachweisbar sind. Somit ergibt sich folgende Allokationsreihenfolge: 1. Gruppe der HU-Patienten (zunächst Patienten für Hochimmunisierte Patienten eine Herz-Lungen-Transplantation, dann Patien- Hochimmunisierte Patienten (aktuelle Panel Reactive Antibo- ten für eine Herztransplantation); dies, PRA über 50 %) werden bei der Allokation bevorzugt be- 2. Patienten für eine bevorzugte Kombinations- rücksichtigt. transplantation mit anderen nicht-renalen Orga- Dazu werden Spenderherzen, bei welchen zum Zeitpunkt der Al- nen; lokation bereits die HLA-Typisierung vorliegt, zunächst solchen 3. Gruppe der elektiven Patienten (zunächst Patien- hochimmunisierten Patienten angeboten, die aufgrund der HLA- ten für eine Herz-Lungen-Transplantation, dann Analyse für dieses Organ geeignet erscheinen. Patienten für eine Herztransplantation). Die dazu notwendigen immunologischen Untersuchungen (z. B. Crossmatch-Test) erfolgen in jedem Fall entsprechend den Vor- Blutgruppenidentität und -kompatibilität (A-B-0-System) gaben in den Richtlinien nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 a) und b) Die Verteilung von Spenderorganen richtet sich nach den folgen- TPG. Dazu müssen die Seren der betroffenen Patienten innerhalb den Regeln: Deutschlands verschickt worden sein. 1. Die Allokation erfolgt zunächst blutgruppeniden- tisch: Wartezeit In der Patientengruppe im T-Status wird die Wartezeit berücksichtigt. Hierzu werden die Tage der Wartezeit im Spender Blutgruppe Empfänger Blutgruppe HU-, T- und NT-Status gewertet, wobei jeder Tag einen 0 0 Punkt zählt. Von der Wartezeit im NT-Status werden maximal 30 Tage berücksichtigt. Das Spenderorgan wird in A A der Reihenfolge der jeweils höchsten ermittelten Punktwerte B B alloziert. AB AB Auf Grund der besonderen Dringlichkeit wird innerhalb der Pa- tientengruppe im HU-Status nur die Wartezeit in diesem Status berücksichtigt. A9 Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER III.3.5 Auditgruppe Herz- und Herz-Lungen-Trans- B. Begründung gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TPG plantation I Rechtsgrundlagen Vorbemerkung Die Bundesärztekammer stellt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 7 Es ist vorgesehen, das bisherige Verfahren der Zuordnung zur Transplantationsgesetz (TPG) den Stand der Erkenntnisse der Dringlichkeitsstufe HU durch ein anderes Verfahren zu ersetzen, medizinischen Wissenschaft fest und legt gem. § 16 Abs 2 S. 1 dessen Voraussetzungen zurzeit geprüft werden. Bis auf Weiteres TPG das Verfahren für die Erarbeitung der Richtlinien und für gelten die folgenden Regelungen: die Beschlussfassung fest. Die vorliegende Richtlinie beruht auf der Vorschrift des § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 und 5 TPG. Aufgabenstellung der Auditgruppe – HU II Eckpunkte der Entscheidung zur Richtlinienfort- Über die Zuordnung zur Dringlichkeitsstufe HU entscheidet schreibung in jedem Einzelfall eine Auditgruppe bei der Vermittlungs- stelle. II.1 Zielsetzung und Notwendigkeit einer Richtlinienän- – Kombinierte Herztransplantation (s. a. III.3.4 ) derung Bei Patienten, bei denen eine Herztransplantation in Kombina- Ziel der Richtlinienüberarbeitung ist es, die HU-Kriterien dem tion mit anderen nicht-renalen Organen vorgesehen ist, wird aktuellen Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissen- von der Vermittlungsstelle auf Antrag des Transplantationszen- schaft anzupassen. trums ein Auditverfahren durchgeführt, um zu klären, ob im Zum einen sollen die HU-Kriterien (Hohe Dringlichkeit – High- Einzelfall unter Berücksichtigung von Indikation und Erfolgs- Urgency – HU) für Patienten, bei denen ein ventrikuläres Unter- aussicht eine vorrangige Allokation vor elektiven Transplanta- stützungssystem (Ventricular Assist Device (VAD), als rein links- tionen angezeigt ist. ventrikuläres (LVAD) oder biventrikuläres Unterstützungssystem (BVAD)) oder ein totales Kunstherzsystem (Total Artificial Heart, Zusammensetzung der Auditgruppe TAH) implantiert wurde, konkretisiert und somit sichergestellt Aus jedem zur Transplantation thorakaler Organe zugelasse- werden, dass diese Patientengruppe nicht benachteiligt wird. Die nen Transplantationszentrum in Deutschland können zwei in Versorgung von Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz der thorakalen Organtransplantation erfahrene Ärzte für die mit VAD-Systemen hat sich in den letzten Jahren deutlich weiter- Auditgruppe nominiert werden. Aus dieser Gruppe wird im entwickelt. Fortschritte in der Gerätetechnologie, der Miniaturisie- Rotationsverfahren ein ständiger Bereitschaftsdienst gebildet. rung von Pumpen und letztlich eine verbesserte Patientenauswahl Die jeweils amtierende Auditgruppe setzt sich aus drei Mit- führten zu einer Reduktion der VAD-assoziierten Morbidität und gliedern zusammen, die in verschiedenen Transplantations- Mortalität [1, 2]. Stabile VAD-Patienten sind nicht unmittelbar vi- zentren tätig sind, nicht jedoch in dem Zentrum, das von der tal bedroht und müssen daher nicht vorrangig transplantiert wer- Allokationsentscheidung betroffen ist; ihr müssen ein Fach- den. Sie werden auf der einheitlichen Warteliste mit normaler arzt für Innere Medizin und Kardiologie und ein Facharzt für Dringlichkeit geführt. Sollte im Rahmen der VAD-Therapie eine Herzchirurgie angehören. Hinsichtlich der Zusammensetzung lebensbedrohliche Situation auftreten, kann der Patient in die der jeweils amtierenden Auditgruppe ist gegenüber dem den Gruppe der HU-Patienten eingestuft werden. Bisher gab es für Pa- HU-Status für einen Patienten beantragenden Zentrum Ver- tienten mit dMCS-System jedoch nur knappe und unpräzise Fest- traulichkeit zu wahren. legungen, wann bei ihnen eine HU-Meldung erfolgen kann mit der Folge, dass bei der Vergabe des HU-Status nicht einheitlich ver- Entscheidungen der Auditgruppe fahren werden konnte. Zudem soll durch die Konkretisierung der Die Entscheidung der Auditgruppe ist mehrheitlich und un- Anforderungen an den HU-Status eine höhere Verfahrenssicher- verzüglich zu treffen. Jedes Votum wird begründet und zu- heit im HU-Auditing bei der Vermittlungsstelle erreicht werden. sammen mit der Vermittlungsentscheidung bei der Vermitt- Zum anderen sollen die HU-Kriterien für bestimmte Gruppen lungsstelle dokumentiert. Das Auditverfahren ist nach Ein- von Nicht-dMCS-Patienten präzisiert werden. Die Mehrzahl der gang der Voten der Audit-Mitglieder bei der Vermittlungsstel- Patienten ist unter den Gruppen der inotropikaabhängigen Nicht- le abgeschlossen. dMCS-Patienten und der dMCS-Patienten mit methodenbeding- Im Falle eines positiven Erstvotums für die Dringlichkeitsstufe ten Komplikationen abgebildet. Gesondert zu betrachten sind Pa- HU findet die erste Reevaluation nach 4 Wochen, alle weiteren tienten, die entweder an angeborenen Herzfehlern, an restrikti- Reevaluationen auf Antrag des behandelnden Zentrums alle ven oder obstruktiven Kardiomyopathien, an isolierter kardialer 8 Wochen statt. Sie erfolgt in der Regel durch die zuständigen Amyloidose oder an lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörun- Ärzte der Vermittlungsstelle. gen leiden. Für diese Patienten bestand die Notwendigkeit, ge- Die Richtigkeit der im Rahmen des Audit-Prozesses übermittel- sonderte Regelungen in der Richtlinie zu treffen. ten Daten sowie die Einhaltung der medizinischen HU-Kriterien liegt in der Verantwortung der Ärzte des anmeldenden Trans- II.2 Darstellung der aktuellen wissenschaftlichen Er- plantationszentrums. kenntnisse III.4 Inkrafttreten II.2.1 Zu Abschnitt III.1 Gründe für die Aufnahme in die Die Richtlinienänderung tritt nach Bekanntgabe im Deutschen Warteliste Ärzteblatt und Veröffentlichung auf der Internetseite der Bundes- Der Abschnitt wurde redaktionell überarbeitet und terminolo- ärztekammer am 07.09.2021 in Kraft. gisch angepasst. Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.RiliOrgaWlOvHerzTx20210907 A 10
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