Die Anwendung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden inklusiv gestalten - Naturwissenschaftsdidaktische Theorie und Empirie erweitern mit ...

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Die Anwendung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden inklusiv gestalten - Naturwissenschaftsdidaktische Theorie und Empirie erweitern mit ...
ZfDN (2021) 27:231–249
https://doi.org/10.1007/s40573-021-00135-0

    REVIEW

Die Anwendung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden
inklusiv gestalten – Naturwissenschaftsdidaktische Theorie
und Empirie erweitern mit dem Kategoriensystem inklusiver
naturwissenschaftlicher Unterricht (KinU)
Sarah Brauns1        · Simone Abels1

Eingegangen: 26. Oktober 2020 / Angenommen: 15. Oktober 2021 / Online publiziert: 1. Dezember 2021
© Der/die Autor(en) 2021

Zusammenfassung
Zur Verknüpfung von etablierten und typischen Themenfeldern des naturwissenschaftlichen Unterrichts mit inklusiver
Pädagogik wurde ein systematisches Literaturreview zur Ableitung des umfassenden Kategoriensystems inklusiver natur-
wissenschaftlicher Unterricht (KinU) durchgeführt. In einer vorherigen Publikation sind das detaillierte methodische Vor-
gehen sowie die methodische Diskussion zur besseren intersubjektiven Nachvollziehbarkeit veröffentlicht (www.leuphana.
de/inclusive-science-education). In diesem Artikel wird das Kategoriensystem inhaltlich diskutiert, inwieweit sich die
Ergebnisse und Implikationen aus der Literatur zur Umsetzung inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts mit den
Erkenntnissen aus der naturwissenschaftsdidaktischen Theorie und Empirie ohne expliziten Inklusionsbezug überschnei-
den oder diese ergänzen. Der Vergleich wird exemplarisch zu „naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden inklusiv
gestalten“ durchgeführt, was mit n = 126 Kategorien die größte der 16 Hauptkategorien des KinU (N = 935) darstellt. Dieser
Vergleich wird entlang von Aktionen, Ausführungsformen, Funktionen, experimenteller Kompetenz und Offenheit natur-
wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden strukturiert. Die Ergebnisse zeigen, dass in der naturwissenschaftsdidaktischen
Theorie und Empirie ohne expliziten Inklusionsbezug der naturwissenschaftsbezogene Gegenstandsbereich detailliert be-
schrieben wird und die Anforderungen an die Schüler*innen bzgl. dieses Gegenstands herausgestellt werden. Um inklusiven
naturwissenschaftlichen Unterricht zu bestimmen, ist es notwendig, konkrete Zugänge speziell für etablierte und typische
Themenfelder des naturwissenschaftlichen Unterrichts zu schaffen. Ein wesentlicher Mehrwert zu der allgemein natur-
wissenschaftsdidaktischen Literatur liegt darin, dass in den Publikationen mit Inklusionsbezug beschrieben wird, wie der
naturwissenschaftliche Gegenstand modifiziert werden kann und welche zusätzlichen Angebote gemacht werden können,
damit alle Schüler*innen an diesem Gegenstand mit dem Ziel der naturwissenschaftlichen Grundbildung partizipieren
können. Die konkreten Erweiterungen diesbezüglich werden entlang des KinU zusammengefasst dargestellt.

Schlüsselwörter Inklusion · Inklusive Pädagogik · Naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen · Qualitative
Inhaltsanalyse · Systematisches Literaturreview

 Sarah Brauns
     Sarah.brauns@leuphana.de

1
     Institut für nachhaltige Chemie (INSC), Didaktik der
     Naturwissenschaften, Leuphana Universität Lüneburg,
     Universitätsallee 1, 21335 Lüneburg, Deutschland

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Creating inclusive Application of Scientific Research Methods—Expanding Science Education Theory
and Empiricismwith the Framework for Inclusive Science Education

Abstract
To link established and typical subject areas of science education with inclusive pedagogy, a systematic literature review was
conducted to derive the comprehensive Framework of Inclusive Science Education. In a previous publication, the detailed
methodical approach as well as the methodical discussion are published for a better intersubjective comprehensibility (www.
leuphana.de/inclusive-science-education). In this article, we discuss the content of the Framework regarding the extent to
which the results and implications from the literature on the implementation of inclusive science education coincide with
or complement the findings of the science education theory and empirical research without explicit reference to inclusion.
The comparison is carried out exemplarily to “Creating inclusive scientific research methods”, which is the main category
with the highest number of subcategories (n = 126) of the Framework (N = 935). This comparison is structured along
actions, embodiments, functions, experimental competence and openness of scientific research methods. The results show
that in science education theory and empiricism without explicit reference to inclusion, the science-related is described
in detail and the demands on students regarding this subject are emphasized. To determine inclusive science education,
it is necessary to create concrete approaches specifically for established and typical subject areas of science education.
A significant added value to the general science education literature is that the inclusion-related publications describe how
the subject of learning can be modified and what additional offerings can be made so that all students can participate
in science education with the goal of scientific literacy. The tangible enhancements in this regard give further specificity
to the general science education theory and research and give further insight along the Framework for Inclusive Science
Education.

Keywords Inclusion · Inclusive pedagogy · Scientific research methods · Qualitative content analysis · Systematic
literature review

Einleitung                                                       soziale als auch die akademische Partizipation gefördert
                                                                 (Göransson und Nilholm 2014; van Mieghem et al. 2020).
In der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur lassen sich      Dies beinhaltet die Anerkennung von Unterschieden und
zentrale Themen ausmachen, mit denen sich Naturwissen-           Gemeinsamkeiten, um allen Schüler*innen ko-konstruktive
schaftsdidaktiker*innen vorrangig befassen, z. B. Fachspra-      Lernprozesse zu ermöglichen (Florian und Spratt 2013; Si-
che, Schüler*innenvorstellungen, naturwissenschaftliche          mon und Gebauer 2014; Stinken-Rösner et al. 2020). Black-
Untersuchungsmethoden und Konzepte etc. Die Konkreti-            Hawkins (2010, S. 32) definiert die Umsetzung von Inklu-
sierung dieser Themen findet z. B. in den Bildungsstandards      sion entlang von Partizipation und führt diesbezüglich drei
(KMK 2004a, b, c), bei PISA (OECD 2019) und in na-               Bereiche auf: „access as being able to be there, collabo-
turwissenschaftsdidaktischen Grundlagenwerken (vgl. z. B.        ration as learning together and diversity as the recognition
Gebhard et al. 2017; Nerdel 2017) statt. Übergeordnet            and acceptance“. Die Ansprüche an die Umsetzung inklusi-
wird das Ziel einer naturwissenschaftlichen Grundbildung         ven Unterrichts sind nicht nur klar formuliert, sondern be-
in all diesen Publikationen angegeben. Hodson (2014)             reits auch in etablierten Frameworks systematisiert worden
beispielsweise fasst die Ziele einer naturwissenschaftli-        (Black-Hawkins 2010; Booth und Ainscow 2017; European
chen Grundbildung unter learning science, learning about         Agency 2017; Florian 2014; Schurig et al. 2020; Soukakou
science, doing science und adressing socio-scientific issues     2016), allerdings ohne konkreten Fachbezug.
zusammen.                                                           Es erscheint für Forschende und Lehrpersonen heraus-
    Alle Schüler*innen sollen diese Ziele einer naturwissen-     fordernd, Inklusion fachbezogen auszugestalten, d. h. Inklu-
schaftlichen Grundbildung erwerben (Gräber und Nentwig           sion mit naturwissenschaftlichen Aspekten zu verknüpfen,
2002; Millar 2006; Roberts und Bybee 2014; Yacoubian             so dass konkretisiert wird, wie die naturwissenschaftlichen
2018), so dass auch das Ziel der Inklusion und Partizipa-        Ziele für alle Lernenden erreichbar sind (Brauns und Abels
tion genauer bestimmt werden muss. Die Umsetzung von             2020). Zudem wird nicht deutlich, wie z. B. naturwissen-
Inklusion zielt darauf ab, die inter- und intrapersonelle Di-    schaftliche Konzepte, Experimente, Phänomene etc., die
versität aller Schüler*innen anzuerkennen, Ausgrenzungen         zentrale Elemente des naturwissenschaftlichen Unterrichts
und Barrieren zu minimieren, um allen Schüler*innen Par-         sind, für alle zugänglich gestaltet werden können. Dies liegt
tizipation zu ermöglichen (Amor et al. 2019; Booth und           nicht zuletzt an wenig handlungsleitenden Definitionen in-
Ainscow 2017; Kim et al. 2020). Dabei wird sowohl die            klusiven (naturwissenschaftlichen) Unterrichts. Auch in der

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Abb. 1 Hauptkategorien des
KinUs

Definition des DFG geförderten Netzwerks inklusiver na-             Kategoriensystem, welches zur Analyse inklusiven natur-
turwissenschaftlicher Unterricht (NinU), in dem Naturwis-           wissenschaftlichen Unterrichts angewendet werden kann,
senschaftsdidaktiker*innen und Sonderpädagog*innen die              sondern auch zur Planung und Reflexion desselbigen.
folgende Definition für ein weites Verständnis von Inklu-              Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Fra-
sion in Bezug auf den naturwissenschaftlichen Unterricht            ge auf, was das Neue und der Mehrwert des Inklusionsbe-
aufgestellt haben, zeigt sich ein Konkretisierungsbedarf:           zugs in der Naturwissenschaftsdidaktik als etablierte Fach-
                                                                    didaktik sei (Musenberg und Riegert 2015; Rödler 2018).
   Naturwissenschaftlicher Unterricht trägt zu gelunge-
                                                                    Durch die Erstellung des KinUs ist es möglich gewor-
   ner Inklusion bei, indem er allen Lernenden – unter
                                                                    den, die Erkenntnisse aus der naturwissenschaftsdidakti-
   Wertschätzung ihrer Diversität und ihrer jeweiligen
                                                                    schen Theorie und Empirie ohne Inklusionsbezug mit den
   Lernvoraussetzungen – die Partizipation an indivi-
                                                                    Ergebnissen aus dem systematischen Literaturreview zur
   dualisierten und gemeinschaftlichen fachspezifischen
                                                                    Theorie und Forschung mit Inklusionsbezug zu verglei-
   Lehr-Lern-Prozessen zur Entwicklung einer naturwis-
                                                                    chen. Dieser Vergleich wird in diesem Beitrag exemplarisch
   senschaftlichen Grundbildung ermöglicht. (Menthe
                                                                    an naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden (NU)
   et al. 2017, S. 801)
                                                                    durchgeführt, die eine der 16 Hauptkategorien des KinUs
Das „Fachspezifische“ muss nach unserer Erfahrung kon-              darstellen (Abb. 1).
kretisiert werden, um Leitlinien bieten zu können, wie ein             NU nehmen im naturwissenschaftlichen Unterricht einen
bestimmtes Unterrichtsfach inklusiv gestaltet werden kann.          beträchtlichen Raum bzw. eine besondere Bedeutung ein,
Bei der Verknüpfung der inklusiven und naturwissenschaft-           sodass teilweise der gesamte Unterrichtsverlauf von ihnen
lichen Perspektive bleibt das Fachliche jedoch häufig im-           abhängig ist (Parchmann und Ralle 2020; Schecker 2020;
plizit (Brauns und Abels 2020; Stinken-Rösner et al. 2020).         Tesch und Duit 2004). Nicht nur allgemein im naturwis-
Mit dem eigens entwickelten Kategoriensystem inklusiver             senschaftlichen Unterricht, sondern auch in der Literatur
naturwissenschaftlicher Unterricht (KinU) kann die Verbin-          zum Bereich des inklusiven naturwissenschaftlichen Un-
dung von Inklusion und naturwissenschaftlichem Unterricht           terrichts nimmt die Thematisierung und Beforschung von
insofern konkretisiert werden, als dass mit einem systema-          NU einen Schwerpunkt ein. Bestätigt wird dies durch die
tischen Review Kategorien aus der Literatur induktiv mit-           deskriptive Statistik zum systematischen Literaturreview,
tels Qualitativer Inhaltsanalyse abgeleitet wurden, die die         das im Rahmen des BMBF Projekts Nawi-In (Naturwis-
oben angeführten naturwissenschaftlichen Themen aufgrei-            senschaftlichen Unterricht inklusiv gestalten) durchgeführt
fen und Hinweise zu deren inklusiven Umsetzung bieten               wurde. Von den 16 identifizierten naturwissenschaftlichen
(Brauns und Abels 2020).1 Dabei hat sich gezeigt, dass es           Aspekten (Abb. 1) stellen die NU mit insgesamt n = 126
essentiell ist, von naturwissenschaftlichen Aspekten auszu-         Kategorien die umfassendste Hauptkategorie dar (Brauns
gehen, um einen stärkeren Bezug zum naturwissenschaft-              und Abels 2020). Dieses Ergebnis deutet entweder auf die
lichen Unterricht zu erhalten. Das KinU ist nicht nur ein           Relevanz von NU für inklusiven naturwissenschaftlichen
                                                                    Unterricht hin oder auf die vielfältigen, evtl. auch relativ
1 Das komplette KinU ist unter www.leuphana.de/inclusive-science-   einfach umsetzbaren Möglichkeiten inklusiver Unterrichts-
education veröffentlicht.

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gestaltung in diesem Bereich (Adl-Amini und Hardy 2017;      mit den Erkenntnissen aus der naturwissenschaftsdidakti-
Baumann et al. 2018; Brauns und Abels 2020).                 schen Theorie und Empirie ohne Inklusionsbezug über-
    Konkret ergeben sich für die inklusive Umsetzung NU      schneiden oder diese ergänzen, wird im Folgenden exem-
spezielle Potenziale und Herausforderungen dadurch, dass     plarisch an den NU gezeigt. In diesem Beitrag werden folg-
bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten von Schüler*innen     lich die Ergebnisse aus dem KinU anhand des eben ge-
verlangt werden (Mujtaba et al. 2020). Zu den Potenzialen    nannten Beispiels diskutiert. Ein wesentliches Gütekriteri-
NU in heterogenen Lerngruppen zählt z. B., dass deren        um qualitativer Forschung liegt in der methodischen Nach-
Einsatz handelnd und mit allen Sinnen, mit verschiede-       vollziehbarkeit, die erreicht wird, indem einzelne Schritte
nen Arbeits- und Sozialformen und motivierend gestaltet      zum Vorgehen umfassend dargestellt werden. Da das Vorge-
umgesetzt werden kann (Baumann et al. 2018; McGrath          hen jedoch extrem umfangreich war, sind sowohl die metho-
und Hughes 2018; Menthe und Hoffmann 2015; Rott und          dischen Schritte, die methodische Diskussion und auch das
Marohn 2018). Brackertz et al. (2018) zählen zusätzlich      KinU in seiner vollen Länge in Brauns und Abels (2020)
Binnendifferenzierungsmöglichkeiten, Entwicklung von         veröffentlicht. Das methodische Vorgehen wird hier nur zu-
Kreativität, Förderung motorischer Fähigkeiten u. a. auf.    sammenfassend dargestellt und der Fokus auf die inhaltliche
Weitere Chancen zur Partizipation aller Lernenden lie-       Diskussion zuvor unveröffentlichter Ergebnisse gesetzt. Das
gen darin, dass wenig textlastig an einem Gemeinsamen        KinU ist so trotzdem in vollem Umfang zugänglich und als
Gegenstand auf unterschiedlichen Anforderungsniveaus         zitierfähige Grundlage in Lehre und Forschung vollständig
gearbeitet werden kann (Menthe und Hoffmann 2015).           und flexibel verwendbar.
Zusammenfassend haben Pawlak und Gross (2020) in ihrer
Interviewstudie die folgenden sechs Chancen und Möglich-
keiten des gemeinsamen Experimentierens im inklusiven        Inklusiver naturwissenschaftlicher
naturwissenschaftlichen Unterricht identifizieren können:    Unterricht
Wecken von Motivation und Interesse, Diagnosemög-
lichkeiten, Differenzierungsmöglichkeiten, Förderung des     Im KinU werden Aspekte inklusiv naturwissenschaftlichen
kooperativen Lernens, Förderung emotionaler, sozialer und    Unterrichts systematisch abgebildet. Durch den naturwis-
psychomotorischer Fähigkeiten, Ermöglichen von Schü-         senschaftlichen Bezug wird der Inklusionsbegriff erweitert
ler*in-Lehrer*in-Interaktion. Außerdem kann die Lehr-        und fachlich konkretisiert: „The notion of ,science for all‘
person in diesen Phasen produktiv in die individuelle        suggests that all students – irrespective of achievement and
Lernbegleitung gehen, die Kompetenzen der Schüler*innen      ability – should engage in opportunities to understand the
beobachten, um daraus Schlussfolgerungen für die weitere     practice and discourse of science“ (Villanueva und Hand
Gestaltung zu ziehen (Abels 2015). Das Arbeiten mit NU       2011, S. 233). Damit alle Schüler*innen an der naturwissen-
ist häufig phänomenorientiert, wodurch die Komplexität       schaftlichen Praxis und den Diskursen partizipieren können,
(im Vergleich zur submikroskopischen, abstrakten Ebene)      ist es notwendig, dass Lehrkräfte dafür unterschiedliche Zu-
reduziert werden kann (Johnstone 2000).                      gänge ermöglichen (Baumann et al. 2018; Brauns und Abels
    Barrieren können dagegen z. B. in Hinblick auf die Si-   2020). Zudem sollen auch die individuellen fachbezogenen
cherheit oder die Fachsprache entstehen oder dadurch, dass   und -übergreifenden Potenziale der Schüler*innen erkannt
die Anwendung NU von den Schüler*innen eine besondere        und gezielt durch den naturwissenschaftlichen Unterricht
Aufmerksamkeit und Sorgfalt fordert (Menthe und Hoff-        gefördert werden (Abels und Brauns 2020; Fränkel 2019;
mann 2015; Nehring et al. 2017; Rau-Patschke 2019; Rü-       Kiso und Lagies 2019). Damit Schüler*innen ihre Poten-
schenpöhler und Markic 2020). Weitere Barrieren können       ziale in den Naturwissenschaften entfalten können, sind die
u. a. auch im Bereich der motorischen und sozialen Anfor-    Ziele des naturwissenschaftlichen Unterrichts, die eingangs
derungen liegen, da das praktische Arbeiten aufgrund des     mit Bezug zu Hodson (2014) dargestellt wurden, zugäng-
verfügbaren Materials häufig aktive Arbeit in Kleingruppen   lich bzw. inklusiv zu gestalten.
erfordert (Affeldt et al. 2018; Baumann et al. 2018). Als        Bezogen auf das Ziel learning science werden in der
Herausforderungen des gemeinsamen Experimentierens im        Literatur Vorschläge gemacht, wie naturwissenschaftliche
inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht führen Paw-    Konzepte oder Schüler*innenvorstellungen inklusiv ent-
lak und Gross (2020) in ihrer Studie zusammenfassend         wickelt werden können (Abels 2019a; Koehler und Wild
fachspezifische Verständnisschwierigkeiten, Sicherheit,      2019; Teke und Sozbilir 2019). Zu naturwissenschaftlichen
intensive Vorbereitung, schulische Rahmenbedingungen,        Konzepten können beispielsweise durch Zeichnungen oder
Classroom-Management, Einstellungen der Lehrkräfte und       Concept-Cartoons visuelle Zugänge geschaffen werden
besondere Schüler*innenvoraussetzungen auf.                  (Busch und Ralle 2013; Kaiser und Seitz 2017). Zudem
    Inwieweit sich die Implikationen aus der Literatur zur   bieten sich taktile Zugänge über 3D-Darstellungen von
Umsetzung inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts     Molekülen und Graphen oder Diagrammen an, die Schü-

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ler*innen erstasten können (Kaiser und Seitz 2017; Teke       te oder digitale Zugänge ermöglicht werden (Adesokan und
und Sozbilir 2019). Es ist aber auch möglich, die Entwick-    Reiners 2015; Bodzin et al. 2007; Mumba et al. 2015; Pud-
lung naturwissenschaftlicher Konzepte durch Experimente,      du 2017). Als Lernbegleitung können Lehrkräfte das Ver-
Forschendes Lernen oder auch spielerisch zu ermöglichen,      stehen von Nature of Science durch offene Dialoge, Fragen
wobei die Schüler*innen zwischen verschiedenen Reprä-         und Feedback ermöglichen (Bodzin et al. 2007; de Car-
sentationen wechseln müssen (Puddu 2017). Als digitale        valho 2016; Mulvey et al. 2016). Besonders reflektierende
Zugänge können naturwissenschaftliche Konzepte über Si-       Zugänge sind bedeutend für den inklusiven naturwissen-
mulationen (Schmitt-Sody und Kometz 2011) oder auch           schaftlichen Unterricht, wenn zwischen unterschiedlichen
über Sendungen (z. B. „Wissen macht Ah!“) und Hörbücher       Kulturen und Weltanschauungen vermittelt wird (de Carval-
(z. B. „Löwenzahn“) vermittelt werden (Werther 2019). Als     ho 2016). Dabei bietet es sich an, verschiedene naturwis-
kommunikative Zugänge können Lehrkräfte Phänomene             senschaftliche und kulturelle Weltansichten rücksichtsvoll
mündlich Einzelpersonen oder Kleingruppen erklären oder       zu thematisieren, miteinander in Beziehung zu setzen und
naturwissenschaftliche Konzepte im Klassenrat diskutieren     deren Bedeutung für das Leben zu reflektieren (de Carvalho
lassen (Rau-Patschke 2019). In der Lernbegleitung können      2016).
Lehrkräfte im strukturierten Dialog Impulse zur Entwick-         In Bezug auf das Ziel doing science (Hodson 2014)
lung naturwissenschaftlicher Konzepte geben (Adl-Amini        stehen in der Literatur vor allem das inklusive Gestalten
und Hardy 2017; Marino 2010) oder auch in teacher-            Forschenden Lernens und naturwissenschaftlicher Unter-
supported groups Schüler*innen gezielt eine intensivere       suchungsmethoden sowie des Auswertens und Validierens
Lernbegleitung zur Entwicklung naturwissenschaftlicher        von Daten im Fokus (Brauns und Abels 2020). Welche
Konzepte anbieten (Hainsworth 2012; Meskill und Oliveira      Chancen sich für die inklusive Gestaltung naturwissen-
2019). Zudem können naturwissenschaftliche Konzepte auf       schaftlichen Unterrichts durch Forschendes Lernen erge-
unterschiedlichen Abstraktionsgraden von der Phänomen-        ben, haben Hofer et al. (2018) in Gruppendiskussionen mit
ebene bis zu abstrakten Konzepten vermittelt werden (Abels    Lehrkräften herausgearbeitet. Dazu führen sie beispielswei-
2019a; Vidueira Ferreira und Lawrie 2019; Freedberg et al.    se die anregende Lernumgebung des Forschenden Lernens,
2019; Menthe et al. 2015).                                    das praktische Arbeiten und die Möglichkeit der Gruppen-
    Im Gegensatz zu der inklusiven Vermittlung natur-         arbeit sowie Möglichkeit zur offenen Gestaltung an. Für
wissenschaftlicher Konzepte werden in der Literatur zur       die mehr oder weniger offene bzw. strukturierte Gestaltung
Entwicklung von Schüler*innenvorstellungen beträchtlich       bieten sich die Level des Forschenden Lernens an (Abels
weniger Vorschläge zur inklusiven Gestaltung aufgeführt       et al. 2020; Blanchard et al. 2010; Puddu 2017). Mehr
(Brauns und Abels 2020). Beiträge zur Beforschung von         oder weniger offen werden dabei das Aufstellen von Fra-
Schüler*innenvorstellungen im inklusiven Kontext werden       gestellungen und Hypothesen, das Planen und Durchführen
z. B. durch das Choice2explore Projekt gegeben (Rott und      von Datenerhebungen sowie das Auswerten von Daten,
Marohn 2018). Alle Schüler*innen haben heterogene Vor-        Interpretieren und Diskutieren von Ergebnissen gestaltet.
stellungen zu Phänomenen, wobei Schüler*innen mit und         Durch Abbildungen des Forschungszyklus des Forschenden
ohne Unterstützungsbedarf ähnliche oder auch gleiche Vor-     Lernens sowie Wiederholungen dazu kann das methodi-
stellungen entwickeln (Rott und Marohn 2016). Mit ihrer       sche Vorgehen für die Schüler*innen strukturiert werden
Unterrichtskonzeption zeigen Rott et al. (2017) außerdem,     (Puddu 2017). Weitere Zugänge zum Forschenden Ler-
wie mit Visualisierungen, Modellen und handlungsbasier-       nen können kommunikativ (z. B. durch Gruppenarbeiten,
ten Zugängen die Schüler*innen Vorstellungen hin zu fach-     Lernbegleitung), materialgeleitet (z. B. durch Tippkarten,
lich anschlussfähigen Erklärungen entwickeln und dabei        Materialtische) oder über eine konstruktive Lernatmosphä-
einen Teilchenbegriff verwenden. Weitere Möglichkeiten        re (z. B. durch Motivation, Flexibilität) gestaltet werden
Schüler*innenvorstellungen im inklusiven Kontext zu ent-      (Abels et al. 2020). Nicht nur das Forschende Lernen selbst
wickeln, sind: kommunikativ im Dialog (Brendel et al.         kann inklusiv gestaltet werden, sondern auch Experimen-
2019), reflektierend durch das Gegenüberstellen mit der       tierphasen können über den Ansatz des Forschenden Ler-
fachlichen Perspektive (Brauer et al. 2017) oder auch dif-    nens zugänglich gemacht werden (Abels 2016; Brackertz
ferenziert auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen (Adl-     et al. 2018). Experimente in den inklusiven naturwissen-
Amini und Hardy 2017; Menthe und Hoffmann 2015).              schaftlichen Unterricht zu implementieren, bietet vielfältige
    In Anlehnung an das Ziel learning about science (Hod-     Differenzierungsmöglichkeiten, um die Schüler*innen in
son 2014) werden in der Literatur Möglichkeiten aufge-        den Lernprozess einzubinden (Baumann et al. 2018). Die
führt, das Verstehen von Nature of Science inklusiv zu ver-   Differenzierung des Experimentierens kann beispielswei-
mitteln. Um das Verstehen von Nature of Science zu entwi-     se durch unterschiedliche Offenheitsgrade (Pötter 2017)
ckeln, können neben materialgeleiteten Zugängen wie Vi-       oder Anforderungsniveaus (Affeldt et al. 2018; Schmitt-
sualisierungen und Strukturierungen auch handlungsbasier-     Sody et al. 2015) umgesetzt werden. Dazu bieten sich

                                                                                                                K
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Experimentiersettings durch ihren kollaborierenden Cha-      Dokumentieren), die im KinU eigene Hauptkategorien bil-
rakter an, wobei Schüler*innen die Interaktionen mit ihren   den (s. Abb. 1).
Peers als unterstützend empfinden (McGrath und Hughes            Für NU werden zudem diverse Ausführungsformen be-
2018). Zudem kann in Experimentierphasen die Lehrkraft       schrieben. NU können demonstriert oder von den Schü-
die Schüler*innen gezielt als Lernbegleitung unterstützen    ler*innen selbst angewendet werden, an Stationen, als Real-
(Baumann et al. 2016; Bodzin et al. 2007). Diese kann auch   oder Gedankenexperimente, mit verschiedenen Substanz-
im multiprofessionellen Team umgesetzt werden (Nehring       mengen, die vom Makro- bis Mikromaßstab reichen, und
et al. 2017; Rosenblum et al. 2019; Teke und Sozbilir        in unterschiedlichen Sozialformen (in der Gruppe, mit Part-
2019).                                                       ner*in, einzeln) arbeitsteilig oder arbeitsgleich durchgeführt
   Bevor weitere Hinweise zur inklusiven Umsetzung von       werden (Tesch und Duit 2004). Das Untersuchungsdesign
Experimentiersettings und anderen Elementen des natur-       kann unterschiedlich festgelegt werden (z. B. qualitativ oder
wissenschaftlichen Unterrichts gegeben werden, werden        quantitativ, induktiv oder deduktiv, kriteriengeleitet, kon-
die naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden (NU)       trolliert usw.) (Nerdel 2017; Wellnitz und Mayer 2008).
fachdidaktisch konkretisiert.                                Alltagsgeräte oder naturwissenschaftliche Apparate können
                                                             verwendet werden. Für den Bereich des Planens und Durch-
                                                             führens von Untersuchungen konnte Baur (2018) zeigen,
Naturwissenschaftliche                                       dass Schüler*innen häufig nur einen Experimentieransatz
Untersuchungsmethoden –                                      durchführten, d. h. keine Kontroll- oder Vergleichsansätze
begriffliche Klärung ohne Inklusionsbezug                    anwendeten. Zudem probierten die Schüler*innen eher aus,
                                                             als dass sie wissenschaftlich vorgingen, gingen bei uner-
NU werden unter verschiedene Synonyme gefasst, wie           warteten Ergebnissen von Fehlern in der Durchführung aus
z. B. unter den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung,        und variierten zu viele Variablen, sodass keine Schlussfol-
prozedurales Wissen, naturwissenschaftliche (Denk- und)      gerungen gezogen werden konnten (Baur 2018; Erb und
Arbeitsweisen, Prozesse naturwissenschaftlichen Denkens,     Bolte 2015).
empirische Erkenntnismethoden usw. (Emden und Baur               In der fachdidaktischen Theorie werden den NU ver-
2017; Gebhard et al. 2017; Klos et al. 2008; KMK 2004a,      schiedene Funktionen zugeschrieben. Dazu gehört bei-
b, c; Nehring et al. 2016; Nerdel 2017; OECD 2019). Mit      spielsweise einen kognitiven Konflikt auszulösen, Lösungs-
diesen Begriffen werden ganze Prozesse vom Fragenstel-       vorschläge zu überprüfen, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen,
len und Hypothesenbilden über das Untersuchen bis hin        Spezialfälle aufzuzeigen, technische Verfahren zu simulie-
zum Auswerten von Daten und Darstellen von Ergebnissen       ren, verschiedene Methoden zu diskutieren, Unterrichtser-
beschrieben. Wie die NU als Prozesse in der Literatur        gebnisse festzuhalten, Phänomene zu zeigen, nachhaltige
dargestellt werden, haben Emden und Baur (2017) sowie        Eindrücke vor zu vermitteln, Fachwissen zu konkretisie-
Emden und Sumfleth (2016) jeweils aus unterschiedlichen      ren, naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen zu
Quellen systematisch abgeleitet. Im Wesentlichen beste-      vertiefen, naturwissenschaftliche Vorstellungen zu entwi-
hen dabei die NU aus der hypothesengeleiteten Planung,       ckeln und zu überprüfen sowie Lernprozesse zu evaluieren
der Durchführung und der Auswertung. Die schematische        (Reiners 2017).
Auflistung zeigt aber auch, dass das Experiment an sich          Ein wesentlicher Fokus in der fachdidaktischen Literatur
teilweise explizit unter der Durchführung aufgeführt wird.   und Forschung liegt auf der experimentellen Kompetenz.
    Folglich werden als NU die folgenden Aktionen defi-      Vorholzer et al. (2016) haben bei der Entwicklung eines
niert (kein Anspruch auf Vollständigkeit): Formulieren von   Testinstruments zur Erfassung des Verständnisses expe-
Fragestellungen und Hypothesen, Planen von Untersuchun-      rimenteller Denk- und Arbeitsweisen jeweils Fähigkeiten
gen, Betrachten, Beobachten, Sammeln (von Daten), Ord-       (z. B. Experimenten passende Fragestellungen/Hypothesen
nen, Vergleichen, präzises Aufnehmen von Daten, Untersu-     zuordnen, Kontrollvariablen identifizieren usw.) und Kon-
chen, Messen, Analysieren der Messwerte, Aufbauen und        zepte (z. B. „Eine Untersuchung muss so geplant werden,
Durchführen von Experimenten, Verändern und Kontrol-         dass die Fragestellung bzw. die dazugehörige Hypothese/
lieren von (un)abhängigen Variablen, Verwenden von In-       Vermutung damit verifiziert oder falsifiziert werden kann“
strumenten und Mikroskopieren (KMK 2004a, b, c; Nerdel       (Vorholzer et al. 2016, S. 29)) formuliert. Zudem wurden
2017; OECD 2019). Durch die Anwendung und Reflexion          (Niveau-)Stufen experimenteller Kompetenz sowohl von
sollen die NU nicht nur von den Schüler*innen verstanden     Nawrath et al. (2011) als auch von Schecker et al. (2016)
werden (Gebhard et al. 2017), sondern auch Messunsicher-     definiert. Letztere haben mit der empirischen Anwendung
heiten und -fehler minimiert werden (OECD 2019). In den      der Stufen experimenteller Kompetenz gezeigt, dass nur
KMK Standards (KMK 2004a, b, c) werden weitere Ele-          noch 20 % der Schüler*innen Stufe IV von insgesamt fünf
mente aufgeführt (z. B. das Nutzen von Modellen und das      Stufen erreichen. Nehring et al. (2016) haben in einer Vi-

K
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deostudie neun Teilkompetenzen des Kompetenzbereichs           Methodisches Vorgehen zur Erstellung des
,Erkenntnisgewinnung‘ untersucht. Mit ihrer Studie zeigen      KinUs
sie, dass Lehrkräfte nur für zwei Teilkompetenzen Anwen-
dungsmöglichkeiten bieten, wenngleich mit der Implemen-        Um vergleichen zu können, welche Aspekte aus der na-
tierung NU im Unterricht die Anwendung verschiedener           turwissenschaftsdidaktischen Literatur mit und ohne Inklu-
Kompetenzen ermöglicht werden könnte. Diese zwei sind          sionsbezug sich überschneiden und voneinander abgren-
das Beobachten/Vergleichen/Ordnen (1) der Planung und          zen lassen, wird die Hauptkategorie des KinUs Anwen-
Durchführung sowie (2) der Auswertung und Reflexion.           dung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden in-
   Streller et al. (2019) haben sieben Dimensionen offe-       klusiv gestalten herangezogen. Wie eingangs beschrieben,
nen Experimentierens von Priemer (2011) weiterentwickelt,      wurde das methodische Vorgehen wegen dessen Umfäng-
z. B. Aufbau und Durchführung von Experimenten, die im         lichkeit in Brauns und Abels (2020) als Working Paper
Grad der selbstständigen Durchführung zunehmen. Im Un-         komplett abgebildet. Zur Nachvollziehbarkeit der zuvor un-
terricht können die Schüler*innen schrittweise an eine offe-   veröffentlichten inhaltlichen Diskussion in diesem Beitrag
nere Gestaltung der NU herangeführt werden. Stolz und Erb      wird das methodische Vorgehen im Folgenden zusammen-
(2012) haben die Auswirkungen offenen Experimentierens         gefasst und mit Beispielen aus der Hauptkategorie darge-
auf den Lernerfolg und die Motivation untersucht und dabei     stellt.
festgestellt, dass es keine signifikanten Unterschiede beim       Zur Beantwortung der Forschungsfrage, welche inklu-
Wissenszuwachs der Schüler*innen zwischen der offenen          siv naturwissenschaftlichen Charakteristika sich in der Li-
und der geleiteten Lernumgebung gab. Zudem zeigen ihre         teratur identifizieren lassen, wurde ein systematisches Li-
Ergebnisse, dass die Schüler*innen in der geleiteten Lern-     teraturreview (SLR) nach Fink (2009) zur Datenerhebung
umgebung motivierter waren als die Schüler*innen mit der       durchgeführt. Die Datenauswertung fand mittels Qualitati-
offenen Lernumgebung. Bei Hartinger (2006) zeigen kon-         ver Inhaltsanalyse via fokussierter Zusammenfassung nach
träre Ergebnisse, dass es keinen Zusammenhang zwischen         Kuckartz (2018) statt.
der Öffnung des Unterrichts und des Interesses gibt, aber
auch, dass sowohl bei einer geringen als auch bei einer ho-    Datenerhebung
hen Öffnung des Unterrichts ein hohes Selbstbestimmungs-
empfinden der Schüler*innen zu einem überdurchschnittli-       Zur bestmöglichen Nachvollziehbarkeit des SLR sollte das
chen Interesse führt.                                          methodische Vorgehen offengelegt und systematisch gestal-
                                                               tet werden. Alle Schritte des SLRs gehen von der For-
                                                               schungsfrage aus und werden auch im laufenden Prozess
                                                               immer wieder auf diese Frage bezogen (Abb. 2; Details, die

Abb. 2 Zusammengefasstes
Suchvorgehen beim SLR

                                                                                                                K
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hier nicht dargestellt werden können, finden sich in Brauns            Stichprobe in einem Reviewverfahren noch einmal über-
und Abels 2020).                                                       prüft (Brauns und Abels 2020). Zu diesem Verfahren ha-
    Unsere Literatursuche wurde in der deutschen Daten-                ben Expert*innen aus dem Netzwerk inklusiver naturwis-
bank FIS Bildung sowie in den internationalen Datenban-                senschaftlicher Unterricht (NinU) sowie Mitarbeitende aus
ken ERIC und scopus durchgeführt, da diese Datenban-                   dem Nawi-In Projekt und andere Kolleg*innen mit Spe-
ken jeweils einschlägig für bildungswissenschaftliche und              zialisierung auf Naturwissenschaftsdidaktik und Inklusion
fachdidaktische Publikationen sind. Für die Recherche wur-             beigetragen. Schließlich wurde eine finale Stichprobe mit
den jeweils an die Datenbanken angepasste Suchstränge                  n = 297 Beiträgen mit dem SLR erzeugt (Brauns und Abels
genutzt, die jeweils aus einer inklusiven, naturwissen-                2020).
schaftlichen und bildungsbezogenen Komponente bestehen
(Beispiele für Suchstränge: 00 Inklus* natur* Unterricht00 ,           Datenauswertung
00
   Heterogen* Sachunterricht00 , 00 (inclusion OR inclusive OR
heterogenity OR heterogeneous OR integration OR inte-                  Mithilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse via fokussierter Zu-
grative OR exclusion OR exclusive) AND (science OR                     sammenfassung (Kuckartz 2018) wurden aus der Literatur
chemistry OR biology OR physics) AND education)00 .                    der finalen Stichprobe die Charakteristika inklusiven na-
    Die Screening Kriterien wurden im Vorfeld festgelegt               turwissenschaftlichen Unterrichts in Form von Kategori-
und waren an die Forschungsfrage angepasst, um die um-                 en induktiv abgeleitet (vgl. Brauns und Abels 2020). Um
fangreiche Datenmenge gezielt eingrenzen zu können. Es                 den Codierprozess nachvollziehbar zu gestalten, wurden die
wurden lediglich deutsch- und englischsprachige Beiträge               zu analysierenden Einheiten festgelegt (Kuckartz 2018). Es
einbezogen, die sich explizit auf inklusiven naturwissen-              wurde die komplette Stichprobe in alphabetischer Reihen-
schaftlichen Unterricht beziehen. Dieses Kriterium schließt            folge nach den Jahren, beginnend mit 2019, codiert. Die
ein, dass der inklusiv naturwissenschaftliche Unterricht sich          einzelnen Arbeiten der Stichprobe wurden jeweils komplett
z. B. auf die Unterrichtspraxis, auf Unterrichtskonzeptio-             ohne Methodenteile codiert. Codiert wurden Sinneinheiten,
nen oder auch die Lehrkräfteaus- und -fortbildung bezie-               die mindestens einen Halbsatz und höchstens einen voll-
hen kann. Bei unserem Fokus von Inklusion geht es um                   ständigen Absatz bildeten. Wenn wie hier mit QDA-Soft-
Schüler*innen, die durch ein spezielles Lehrkräftehandeln              ware gearbeitet wird, ist darauf zu achten, dass Segmente
am naturwissenschaftlichen Unterricht partizipieren kön-               auch separat des Textes noch verständlich und interpretier-
nen. Ausgeschlossen wurden Beiträge, bei denen es bspw.                bar sind (Kuckartz 2018). Wurden in einem Satz oder bei
um die Inklusion von Studierenden an der Universität ging              einer Aufzählung mehrere Inhalte thematisiert und der Sinn
oder wenn explizit andere Schulformen als die der Primar-              dieser Inhalte war nur im Zusammenhang des kompletten
und Sekundarstufe I (z. B. gymnasiale Oberstufe) thema-                Satzes oder Absatzes verständlich, waren Mehrfachcodie-
tisiert wurden, da der Fokus im Nawi-In Projekt auf der                rungen einzelner Segmente möglich. Auf diese Weise wur-
Beforschung von angehenden Lehrpersonen für die Primar-                de der Sinn bzw. der Inhalt nicht verfälscht. Die markierten
und Sekundarstufe I liegt. Es wurden alle Beiträge, die bis            Textstellen wurden entsprechend der verwendeten MAXQ-
einschließlich 2019 veröffentlicht wurden, berücksichtigt.             DA Software (Version 20.0.7) Codings genannt.
Bezüglich der Ausrichtung der Publikationen (theoretisch,                 Von den Codings wurden im weiteren Vorgehen Para-
praxisbezogen, empirisch) gab es keine Einschränkungen.                phrasen abgeleitet. Kuckartz (2018) empfiehlt, zunächst mit
Der Grund hierfür liegt in der Literatur zum inklusiven na-            inhaltlichen Zusammenfassungen zu arbeiten, um den Pro-
turwissenschaftlichen Unterricht, die noch zu 53,9 % der ge-           zess der Paraphrasierung nachvollziehbar zu gestalten und
samten Stichprobe (n = 297) theoretisch-konzeptionell auf-             die Kategorien möglichst eng von den verwendeten Termi-
gebaut ist (Brauns und Abels 2020).                                    nologien und Begriffen in den Texten ableiten zu können.
    Nach der Anwendung der Screening Kriterien wurden                  Bei uns hat sich dieses Vorgehen als besonders vorteilhaft
aus der Stichprobe vorhandene Duplikate entfernt und die               gezeigt, da auf diese Weise die jeweiligen Abstraktionsebe-

Tab. 1 Ableitung der Paraphrase eines Codings
Coding                                                  Paraphrase
„Der Geruch der brennenden Kerze, die erhöhte           Den Geruch der brennenden Kerze von den Lernenden unmittelbar wahrnehmen
Temperatur in der Nähe der Flamme und der farblose      lassen (Baumann et al. 2018)
bis graue aufsteigende Wachsdampf können von den        Die erhöhte Temperatur in der Nähe der Flamme von den Lernenden unmittelbar
Lernenden unmittelbar wahrgenommen werden“              wahrnehmen lassen (Baumann et al. 2018)
(Baumann et al. 2018, S. 163)
                                                        Den farblosen bis grau aufsteigenden Wachsdampf von den Lernenden unmittelbar
                                                        wahrnehmen lassen (Baumann et al. 2018)
Hervorhebung: Kursiv bedeutet, dass das Coding einer empirischen Quelle entstammt

K
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Tab. 2 Clustern der Paraphrasen und Erstellung einer Kategorie
Anwendung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden als Lernbegleitung ermöglichen
Assisting inclusive students with coaching for conducting laboratory experiments (Bodzin et al. 2007); Selbstständiges Experimentieren begleiten
(Muth und Erb 2019); Beim Experimentieren eine leitende, beratende Funktion einnehmen (Baumann et al. 2016)
Hervorhebung: empirische Quelle
Hinweis: Die Literaturliste zu den aus dem KinU übertragenden Quellnachweisen befindet sich in Brauns und Abels (2020)

nen des Originaltextes nicht verfälscht wurden. Je nachdem                 sammengefasst und jede Überschrift bildete am Ende eine
wie konkret eine Textstelle in der Literatur formuliert war,               eigene Kategorie des KinUs.
wurde auch die aus dem Coding abgeleitete Paraphrase auf                      In der Tab. 2 wurden insgesamt drei Paraphrasen geclus-
der gleichen Abstraktionsebene formuliert (Tab. 1; Brauns                  tert, die sich alle auf die Lehrkraft als Lernbegleitung bezie-
und Abels 2020).                                                           hen. Die Tätigkeiten der Lehrkraft werden mit assistieren,
   Das Codingbeispiel in Tab. 1 zeigt, wie aus einem co-                   coachen, begleiten, leiten und beraten beschrieben, was in
dierten Satz verschiedene Paraphrasen gebildet werden kön-                 der Überschrift des Clusters als Lernbegleitung zusammen-
nen. In diesem Beispiel geht es im Originaltext um die Be-                 gefasst wurde. In Bezug auf das Experimentieren, welches
forschung einer Unterrichtseinheit zu Verbrennungen, die                   in den Paraphrasen angeführt wird, findet eine Verallgemei-
für den inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht kon-                 nerung statt, indem in der Überschrift des Clusters auf die
zipiert wurde (Baumann et al. 2018). Dabei wurde die Lern-                 Anwendung NU abstrahiert wird. Insgesamt erhalten die-
umgebung nach den Richtlinien des Universal Designs for                    se drei Paraphrasen (Tab. 2) die Überschrift „Anwendung
Learning (UDL) gestaltet, was bedeutet, dass den Schü-                     naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden als Lern-
ler*innen verschiedene Zugänge zu den NU geboten wur-                      begleitung ermöglichen“. In dem KinU wird nur noch die
den (z. B. „Biete Wahlmöglichkeiten bei der sprachlichen                   Überschrift aufgeführt und bildet dann eine eigenständige
und symbolischen Darstellung von Informationen“, „Er-                      Kategorie. Zu der Kategorie werden weiterhin die Quel-
mögliche unterschiedliche motorische Handlungen“, „Biete                   len zur Nachvollziehbarkeit des Ursprungs aufgeführt. In
variable Angebote zum Wecken von Lerninteresse“) (Bau-                     diesem Fall lässt die Kategorie auf diesem Abstraktions-
mann et al. 2018, S. 162). Das Beispiel in Tab. 1 zeigt eben-              niveau die Frage offen, auf welche Weise Lehrkräfte die
falls, dass die Paraphrasen eng am Wortlaut des Textes ge-                 Anwendung NU als Lernbegleitung ermöglichen können.
bildet wurden und mindestens aus einem Objekt und einem                    Aus diesem Grund befindet sich diese Kategorie in dem
Infinitiv bestehen. Diese Paraphrasen wurden im weiteren                   KinU auf der Code-Ebene und nicht auf der Subcode-Ebe-
Vorgehen im KinU auf der Subcode-Ebene – der niedrigs-                     ne. Der Vergleich der Paraphrasen aus Tab. 1 und 2 zeigt,
ten Abstraktionsebene – eingefügt, da sie konkret formuliert               wie auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus die Informa-
sind. Sie geben genaue Handlungshinweise und lassen die                    tionen in der Literatur formuliert sein können. Je nach ori-
Frage der Umsetzung nicht offen.                                           ginalem Abstraktionsniveau wurden die Paraphrasen dann
   Im nächsten Schritt wurden die Paraphrasen geclustert                   den vier Abstraktionsebenen im KinU zugeordnet.
(Tab. 2; Brauns und Abels 2020). Dabei wurden sie je nach                     Nachdem die Kategorien mit den Überschriften der Para-
ihrem Abstraktionsgrad einer der vier Abstraktionsebenen                   phrasen gebildet wurden, wurden die Paraphrasen aus dem
des KinUs zugeordnet von konkret auf der Subcode-Ebe-                      finalen KinU entfernt (Tab. 3). In der Regel konnten die
ne, über die Code-Ebene, Subkategorien-Ebene bis hin zur                   Kategorien so sortiert werden, dass weniger abstrakte Kate-
sehr allgemeinen Ebene der Hauptkategorien (Brauns und                     gorien der nächst höheren Kategorie, die ebenfalls induktiv
Abels 2020). Jedes Cluster wurde in einer Überschrift zu-                  über Paraphrasen gebildet wurde, zugeordnet werden konn-

Tab. 3 Darstellung der Abstraktionsebenen aus dem KinU (Auszug aus Brauns und Abels 2020, S. 98 f.)
Hauptkategorie                        Subkategorie                 Code                           Subcode
13. Anwendung                         13.1 Anwendung               13.1.15 Anwendung              13.1.15.1 ... mit Lupen (Watson und Johnston
naturwissenschaftlicher               naturwissenschaftlicher      naturwissenschaftlicher        2007)
Untersuchungsmethoden inklusiv        Untersuchungsmethoden        Untersuchungsmethoden          13.1.15.2 ... mit Kameras an Gelenkarmen
gestalten (Schmitt-Sody und           materialgeleitet             mit Vergrößerungsgeräten       (Fantin et al. 2016)
Kometz 2011; Kirch et al. 2007;       unterstützen (Kahn et al.    ermöglichen (Koehler und
Muth und Erb 2019; Pawlak und         2017; Koehler und Wild       Wild 2019)                     13.1.15.3 ... durch Messgeräte mit vergrößer-
Groß 2019; Pötter 2017; Koehler       2019; Teke und Sozbilir                                     ter Schrift (Koehler und Wild 2019)
und Wild 2019; Schroeder und          2019)                        13.2.1 ...                     ...
Miller 2019; Teke und Sozbilir        13.2 ...                     13.2.2 ...                     ...
2019; Melle et al. 2017) [...]
Hervorhebung: theoretische Quelle, empirische Quelle
Hinweis: Die Literaturliste zu den aus dem KinU übertragenden Quellnachweisen befindet sich in Brauns und Abels (2020)

                                                                                                                                    K
240                                                                                                                  ZfDN (2021) 27:231–249

ten. In wenigen Fällen wurde anhand der weniger abstrak-                 SLR, die im KinU dargestellt sind, werden diese in den
ten Kategorien eine neue von der Literatur unabhängige ab-               folgenden Tabellen jeweils gegenübergestellt und anschlie-
straktere Kategorie formuliert, um in jeder Hauptkategorie               ßend diskutiert.
alle Subkategorien zu systematisieren.
    In dem Auszug aus dem KinU (Tab. 3) zeigt sich eben-                 Aktionen
falls eine Besonderheit der Subcode-Ebene. Auf dieser Ebe-
ne wurden die Kategorien mit drei Punkten und einem Mo-                  In der inklusiv naturwissenschaftlichen Literatur werden die
daladverbial formuliert. Diese gekürzte Form der Subcodes                NU selbst meist nicht spezifisch adressiert (Tab. 4). Der Fo-
trägt zur besseren Übersicht und Lesbarkeit bei. Beim Aus-               kus wird daraufgelegt, wie die NU gestaltet werden können,
formulieren wird der Code den Subcodes jeweils vorange-                  um auf unterschiedliche Weise den Schüler*innen die An-
stellt.                                                                  wendung von NU zu ermöglichen. Dahingegen werden in
    Schon während des Prozesses der Erstellung des Ki-                   der theoretischen Literatur ohne Inklusionsbezug die Me-
nUs wurden die Teilschritte mit einer zweiten forschen-                  thoden der NU detailliert unterschieden und in der Empirie
den Person überprüft. Von dem klassischen Vorgehen zur                   der Schwerpunkt auf das Experimentieren gelegt. Während
Überprüfung der Güte bei der Qualitativen Inhaltsanaly-                  dort aufgeführt wird, dass Geräte und Instrumente einge-
se rät Kuckartz (2018, S. 72 f.) an dieser Stelle ab, da                 setzt werden, werden Vorschläge in der inklusiv naturwis-
das Ableiten von Kategorien aus der Literatur als „akti-                 senschaftlichen Literatur gegeben, wie die Geräte modifi-
ver Konstruktionsprozess“ beschrieben wird. Vielmehr bie-                ziert werden können, damit Schüler*innen diese verwen-
tet sich ein argumentativer Ansatz an, wobei alle Formu-                 den können. Dabei werden die Geräte durch verschiedene
lierungen und Zusammenfassungen durch Feedbackschlei-                    (Zusatz-)Funktionen differenziert.
fen von Expert*innen und Gruppendiskussionen in For-
schungswerkstätten mehrfach überarbeitet wurden (Brauns                  Ausführungsformen
und Abels 2020; Döring und Bortz 2016). Es war darauf zu
achten, dass der Wortlaut auf den konkreten Ebenen, wie                  In der allgemein naturwissenschaftsdidaktischen Literatur
vorher beschrieben, so nah wie möglich am Originaltext                   wird das Design NU detailliert beschrieben und z. B. auch,
bleiben sollte. Zudem war auf eine einheitliche Konstruk-                dass verschiedene Mengenmaßstäbe eingesetzt werden kön-
tion der (Sub-)Codes mit Objekt und Infinitiv zu achten.                 nen (Tab. 5). Dahingegen wird mit Bezug auf Inklusion
Vor allem wurden Clusterungen, d. h. die Zusammenfas-                    vorgeschlagen, die NU zu segmentieren, in Teilen oder mit
sungen der Codes zu Kategorien und im nächsten Schritt zu                zusätzlichen Angeboten zu gestalten und Substanzmengen
Hauptkategorien diskutiert, ggf. verworfen und überarbei-                vorzugeben.
tet. Um die Vollständigkeit der Hauptkategorien zu überprü-                 Überschneidungen finden sich in dem Angebot verschie-
fen, wurden die naturwissenschaftlichen Aspekte mit den                  dener Sozialformen, dem Einsatz von Alltagsgeräten und
Zielen der OECD (2019) (s. Einleitung) verglichen. Dieser                der Gestaltung mit Lebensweltbezug wieder. Darüber hi-
Vergleich hat eine Übereinstimmung der naturwissenschaft-                naus werden in der Literatur mit Inklusionsbezug kollabo-
lichen Themen aus dem analysierten Teil der Stichprobe                   rative Systeme zur Unterstützung aufgeführt, auch die Ar-
und der Vergleichsliteratur gezeigt.                                     beit in multiprofessionellen Teams, um den Schüler*innen
                                                                         die Anwendung NU zu ermöglichen und hierbei zu un-
                                                                         terstützen. Zudem werden verschiedene Kommunikations-
Ergebnisse                                                               möglichkeiten als Unterstützung, aber auch als Zugang zu
                                                                         den NU aufgeführt. Ergeben sich beispielsweise motori-
Zum Vergleich der Erkenntnisse aus der Theorie und Em-                   sche Barrieren für die Schüler*innen bei den eher hand-
pirie ohne Inklusionsbezug und den Ergebnissen aus dem                   lungsbasierten NU, können beispielsweise auch mündliche

Tab. 4 Gegenüberstellung von Aktionen mit und ohne Inklusionsbezug
Erkenntnisse aus der fachdidaktischen Literatur ohne       Ergebnisse aus dem KinU
Inklusionsbezug
      – Schüler*innen formulieren Fragestellungen und         – Lehrkräfte bieten verlängerte Geräte an (z. B. verlängerte Okulare beim Mi-
       Hypothesen, planen Untersuchungen, betrachten,          kroskop) (13.1.13), Geräte mit blindenschriftlichen bzw. taktilen Markierun-
       beobachten, sammeln (Daten), ordnen, verglei-           gen (z. B. taktile Markierungen auf Messzylindern) (13.1.14), Vergrößerungen
       chen, untersuchen, messen, analysieren Mess-            oder Vergrößerungsgeräte (z. B. Messgeräte mit vergrößerter Schrift) (13.1.15),
       werte, bauen auf, führen durch, verändern und           Zusatzmaterial für Geräte (z. B. Spiegel zum Ablesen der Bürette) (13.1.17),
       kontrollieren (un-)abhängige Variablen, mikrosko-       vibrierende (z. B. vibrierende Thermometer) (13.1.19), höhenadaptierte (z. B.
       pieren, reflektieren.                                   niedrige Kartuschenbrenner) (13.1.21), akustische Geräte (akustische Waagen)
      – Schüler*innen verwenden Geräte und Instrumente         (13.1.22)

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Tab. 5 Gegenüberstellung von Ausführungsformen mit und ohne Inklusionsbezug
Erkenntnisse aus der fachdidaktischen Literatur      Ergebnisse aus dem KinU
ohne Inklusionsbezug
   – Schüler*innen führen NU qualitativ, quan-          – Lehrkräfte unterstützen die Anwendung NU durch die Anzahl der NU (z. B. durch die
    titativ, induktiv, deduktiv, planmäßig, krite-       Reduzierung der Anzahl der Experimente) (13.2.6), Hilfsexperimente (13.2.4) oder
    riengeleitet, systematisch oder kontrolliert,        Teilexperimente (13.2.5).
    Real- oder Gedankenexperimente durch.               – Lehrkräfte ermöglichen die Anwendung NU mündlich (13.6.1), durch Erklärun-
   – Lehrkräfte setzen NU zur Erarbeitung,               gen (z. B. zu den Materialien und Geräten oder was beim Anwenden NU geschieht)
    Wiederholung, Vertiefung und Kontrolle               (13.6.2), mit kollaborativen Hilfesystemen (13.6.4), im Plenum (13.6.6), als Lernbe-
    ein.                                                 gleitung (z. B. durch antlitzgerichtetes Demonstrieren von NU oder durch Lehrkräfte-
   – Verschiedene Substanzmengen vom Ma-                 unterstützte-Gruppen) (13.6.7) oder in multiprofessionellen Teams (13.6.8).
    kro- bis Mikromaßstab können eingesetzt             – Lehrkräfte ermöglichen die Anwendung NU zieldifferent (z. B. als Erkundungs- oder
    werden.                                              Entscheidungsexperiment) (13.8.1).
   – Alltagsgeräte oder naturwissenschaftliche          – Lehrkräfte ermöglichen die Anwendung NU lebensweltbezogen (13.5.2).
    Apparate können verwendet werden.                   – Lehrkräfte unterstützen die Anwendung NU bzgl. der Maßangaben (z. B. durch Bereit-
   – NU werden demonstriert oder von den                 stellung passender Mengen) (13.1.9).
    Schüler*innen in unterschiedlichen Sozi-            – Lehrkräfte unterstützen die Anwendung NU mit Alltagsgeräten (z. B. durch Messbe-
    alformen (in der Gruppe, mit Partner*in,             cher oder Löffel) (13.1.20).
    einzeln) arbeitsteilig oder arbeitsgleich           – Lehrkräfte unterstützen die Anwendung NU mit Demoexperimenten (13.2.2), durch
    sowie an Stationen durchgeführt                      Stationsarbeit (z. B. Experimentierecken) (13.2.7), in der Gruppe (z. B. durch Zuteilung
                                                         bestimmter Aufgaben) (13.6.3) oder als Partner*innenarbeit (13.6.5)

Zugänge als kommunikative Unterstützung gegeben wer-                      ben, wird in der inklusionsbezogenen Literatur der Frage
den. Herausgestellt wird außerdem die Rolle der Lehrkraft,                nachgegangen, wie die NU selbst motivierend gestaltet bzw.
die die Anwendung NU begleitet und auf diese Weise un-                    Aspekte davon vorvermittelt werden können, um Zugänge
terstützt. Anstatt wie in der allgemein naturwissenschafts-               zu den NU zu schaffen.
didaktischen Literatur Problempunkte durch Forschung zu
identifizieren, werden in den Publikationen mit Inklusions-               Experimentelle Kompetenz
bezug Lösungen für den Umgang mit Herausforderungen
bei dem Einsatz von NU im Unterricht aufgezeigt. Ein we-                  Sowohl in der Literatur mit als auch ohne Bezug zu In-
sentlicher Aspekt ist auch, dass in der Literatur mit Inklusi-            klusion werden verschiedene Anforderungs- bzw. Kompe-
onsbezug legitimiert wird, dass verschiedene Schüler*innen                tenzniveaus für NU beschrieben (Tab. 7). Deutliche Unter-
unterschiedliche Ausführungs- bzw. Vorgehensweisen aus-                   schiede ergeben sich in der Darstellung des Umgangs mit
wählen dürfen.                                                            den unterschiedlichen Niveaus. Während in der rein natur-
                                                                          wissenschaftsdidaktischen Literatur Anforderungen an die
Funktionen                                                                Schüler*innen gestellt werden und die Niveaustufen zum
                                                                          Beobachten verwendet werden, ob Schüler*innen eine be-
In der fachdidaktischen Literatur ohne Bezug zu Inklusi-                  stimmte Niveaustufe erreichen, wird in der Literatur mit
on werden verschiedene Funktionen von NU detailliert be-                  Inklusionsbezug beschrieben, wie unterschiedliche Niveaus
schrieben (Tab. 6). Dabei wird die Frage beantwortet, was                 angeboten werden, um den Schüler*innen die Anwendung
die NU bei Schüler*innen auslösen können und zu wel-                      NU zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass Schüler*innen
chem Zweck sie eingesetzt werden können. Darauf wird in                   unabhängig des Anforderungsniveaus Hilfen zur Anwen-
der inklusiv naturwissenschaftlichen Literatur nicht im De-               dung NU zur Verfügung stehen. Zudem werden in der in-
tail eingegangen, sondern betont, dass Schüler*innen bei                  klusionsbezogenen Literatur keine Anforderungen gesetzt,
der Anwendung NU unterschiedliche Ziele verfolgen kön-                    sondern dargestellt, welche Unterstützungsmaßnahmen auf
nen. Anstatt NU als Mittel z. B. zur Motivation zu beschrei-              den unterschiedlichen Niveaus angeboten werden können.

Tab. 6 Gegenüberstellung von Funktionen mit und ohne Inklusionsbezug
Erkenntnisse aus der fachdidaktischen Literatur ohne Inklusionsbezug                       Ergebnisse aus dem KinU
   – Mit NU werden u. a. kognitive Konflikte ausgelöst, Lösungsvorschläge über-               – Lehrkräfte ermöglichen die Anwendung NU
    prüft, Gesetzmäßigkeiten erkannt, Spezialfälle aufgezeigt, technische Verfahren            zieldifferent (13.8.1).
    simuliert, verschiedene Methoden diskutiert, Unterrichtsergebnisse festgehalten,          – Lehrkräfte ermöglichen die Anwendung NU
    Phänomene gezeigt, Fachwissen konkretisiert, fachspezifische Arbeitsweisen ver-            motivierend (13.11.2).
    tieft, historische Methoden nachvollzogen, naturwissenschaftliche Vorstellungen           – Lehrkräfte vermitteln NU in Eins-zu-Eins-
    entwickelt und Lernprozesse überprüft.                                                     Betreuung (13.10.1) vor.
   – Mit NU werden Schüler*innen motiviert                                                    – Lehrkräfte vermitteln unbekannte Begriffe
                                                                                               (13.10.2) für die Anwendung NU vor

                                                                                                                                     K
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