PRAKTISCHER LEITFADEN 2018 - ZUR PRÄVENTION UND BEHANDLUNG VON INFEKTIONEN IN PFLEGEHEIMEN - HPCI
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Praktischer Leitfaden 2018 ZUR PRÄVENTION UND BEHANDLUNG VON INFEKTIONEN IN PFLEGEHEIMEN WAADT, WALLIS, NEUENBURG, JURA UND FREIBURG
INHALT Massnahmen zur Prävention und Therapie von akuter Verwirrtheit (Tabelle 3) 20 AKUTE ATEMWEGSINFEKTIONEN Akute Atemwegsinfektionen während der Grippeepidemie 40 Akute Atemwegsinfektionen Allgemeiner Algorithmus für Infektionen 22 ausserhalb der Grippeepidemie 40 Algorithmus für akute Atemwegsinfektionen GLOSSAR 5 Algorithmus für akute Atemwegsinfektionen während der Grippeepidemie 46 HARNWEGSINFEKTE 28 ausserhalb der Grippeepidemie 40 Hauptziele der Grippe- Präventionsstrategie Ätiologie 41 in Pflegeheimen 47 VORWORT 8 Klinik 28 Risikofaktoren 41 Probenahmen 48 Probenahmeverfahren für eine Kultur 28 INFEKTIONEN BEI Risikofaktoren für eine Infektion Grundsätze der Grippe- Übertragungsprävention 48 Zusätzliche Untersuchungen 29 ÄLTEREN MENSCHEN 13 Behandlung 29 durch multiresistente Keime 42 Klinisches Bild 16 Klinik 42 HAUTINFEKTIONEN 55 Übersichtstabelle 32 Weitere Beispiele 16 Zusätzliche Untersuchungen 42 Läsionen in Körperfalten 53 Harnwegsinfekte durch Extended Spectrum- Allgemeine Massnahmen im Rahmen Beta-Lactamase (ESBL) produzierende Behandlung 43 Mundwinkelrhagade (oder Cheilitis angularis) 55 der Betreuung 17 Enterobakterien 33 Unterstützende Behandlung 44 Cellulitis : Dermohypodermitis und Erysipel 56 Allgemeine Präventionsmassnahmen Prävention von Harnwegsinfekten Prävention 44 Zoster 57 Unspezifische klinische Anzeichen bei älteren Menschen 34 Dekubitus Kategorie 3-4 Massnahmen zur Stärkung des Immunsystems 45 und Symptome und Definition von Fieber Algorithmus für Harnwegsinfekte bei Bewohnern und nicht klassifizierbar 58 (Tabelle 1) 18 ohne Blasenkatheter 36 Prävention von Hautinfektionen 59 Erkennung von akuter Verwirrtheit : Algorithmus für Harnwegsinfekte bei Bewohnern Bilder von Hautinfektionen 60 CAM – Confusion Assessment Method mit Blasenkatheter 37 (Tabelle 2) 19 2 3
INFEKTIONEN DES VERDAUUNGSTRAKTS 63 IMPFUNG 83 Glossar Impfschema 85 Gastroenteritis und infektiöse Diarrhö 65 AB Antibiotikum MRB Multiresistente Bakterien Toxische Diarrhö 66 MEDIKAMENTE ACE-H Angiotensinkonversionsenzym-Hemmer MRSA Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus Klinisches Bild / Diagnoseansatz UND ANTIBIOTIKA 87 AF Atemfrequenz NI Niereninsuffizienz Therapie und Übertragungsprävention 68 Antibiotika und Antimykotika 88 AV akute Verwirrtheit O2 Sauerstoff Unterstützende Behandlung bei Gastroenteritis 70 Anpassung der Dosierung CAM Confusion Assessment Method O2-S Sauerstoffsättigung Prävention von Infektionen des Verdauungstrakts bei Niereninsuffizienz (KDOQI-Stadien) 90 CHUV Centre Hospitalier Universitaire Vaudois p.o. per os und infektiöser Enteritis 70 COPD Chronisch obstruktive Lungenerkrankung SBD Systolischer Blutdruck Divertikulitis 71 Referenzen 94 CPE / Carbapenemase-produzierenden Enterobakterien / T Tag CRE Carbapenemase-resistente Enterobakterien T° Temperatur Oropharyngeale und ösophageale Candidose 72 DBD Diastolischer Blutdruck UL Umgebungsluft ESBL Extended-Spectrum-Beta-Laktamasen VRE Vancomycin-resistente Enterokokken PRÄVENTION DER ÜBERTRAGUNG g Gramm ZM Zusätzliche Massnahmen VON MIKROORGANISMEN 75 GFR Glomeruläre Filtrationsrate Standardmassnahmen (SM) 76 g/l Giga pro Liter Massnahmen für alle Bewohner 77 HF Herzfrequenz HPCI Einheit « Hygiène, Prévention et Contrôle de l’Infection » Massnahmen zur Prävention von Infektionen i.m. intramuskulär durch hoch ansteckende Keime 78 i.v. intravenös Massnahmen zur Prävention von Infektionen Kreat.- Kreatinin-Clearance durch multiresistente Bakterien Cl. (MRB) : MRSA, ESBL, VRE, CPE usw. 78 ml/min Milliliter pro Minute 4 5
Dieser Leitfaden wurde Dr. med. Major Kristof Dr. med. Héquet Delphine Mitwirkung bei Korrekturlesen : revidiert von : Spitalarzt, Abteilung Geriatrie Oberärztin, kantonale Einheit HPCi, SMPH, CHUV, Prof. Dr. med. Bula Christophe und geriatrische Rehabilitation, CHUV, Lausanne Lausanne Abteilung Geriatrie und geriatrische Rehabilitation, Dr. med. Beffa Ferdinand CHUV, Lausanne Verantwortlicher Arzt Pflegeheime Dr. med. Sibille François-Xavier Dr. med. Nahimana Tessemo Marie Immaculée Stellvertretender Oberarzt, Abteilung Geriatrie Oberärztin, kantonale Einheit HPCi, SMPH, CHUV, Prof. Dr. med. Zanetti Giorgio Dr. med. Bizzozzero Tosca und geriatrische Rehabilitation, CHUV, Lausanne Lausanne SMPH, CHUV, Lausanne Chefarzt Pflegeheime, EHC, Morges Dr. med. Rubli Truchard Eve Dr. med. Petignat Christiane Prof. Dr. med. Calandra Thierry und Koll. Dr. med. Rodondi Amel Leitende Ärztin, Abteilung Geriatrie und geriatrische Leitende Ärztin, kantonale Einheit HPCi, SMPH, CHUV, SMPH, CHUV, Lausanne Verantwortlicher Arzt Pflegeheime, Lausanne Rehabilitation, CHUV, Lausanne Lausanne Dr. med. Dumur Jean Frau Joerg Annen Patricia Für die Validierung : Stellvertretender Oberarzt, Abteilung Geriatrie Zuständige Pflegefachfrau, Pflegeheim 4 Marroniers, Dr. med. Clerc Olivier und geriatrische Rehabilitation, CHUV, Lausanne Yverdon-les-Bains Leitender Arzt des Medizinischen Departements des Hôpital neuchâtelois, Neuenburg Dr. med. Ferahta Nabilla Frau Perreira Liliana Stellvertretende Oberärztin, Abteilung Geriatrie Hygienefachfrau (PKI), Fondation la Rozavère, Lausanne Dr. med. Manuel Josef Oriol und geriatrische Rehabilitation, CHUV, Lausanne Leitender Arzt, Abteilung für Infektionskrankheiten, Frau Rochat Aline CHUV, Lausanne Dr. med. Lajoso Sonia Zuständige Pflegefachfrau HPCi, kantonale Einheit HPCi, Stellvertretende Oberärztin, Abteilung Geriatrie Lausanne Prof. Dr. med. Troillet Nicolas Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten, Der praktische Leitfaden zur Prävention und und geriatrische Rehabilitation, CHUV, Lausanne Behandlung von Infektionen in Pflegeheimen Zentralinstitut der Spitäler, Spital Wallis, Sitten ist auch online verfügbar unter www.guide.hpci.ch 6 7
VORWORT Die Bekämpfung von Infektionen in Pflegeeinrichtungen beinhaltet auch die Identifikation von Risikofaktoren und Nach fünf Jahren musste der Leitfaden zwingend auf den neusten Stand gebracht und an die neusten wissen- die Einführung von Präventionsmassnahmen gemäss schaftlichen Erkenntnisse angepasst werden. auf strenger Methodik basierenden Empfehlungen. Les Die Bemühungen zur Prävention von nosokomialen Präventionsmassnahmen wurden in dieses Dokument Infektionen werden derzeit auch auf Bereiche wie Pfle- Dieser Leitfaden liefert Fachpersonen der Langzeitpflege aufgenommen, wenn : geheime ausgeweitet, die in der Vergangenheit weniger (Ärzte und Pflegefachpersonen) Empfehlungen zur Be- 1. wissenschaftliche Beweise für ihren klinischen Nutzen betroffen waren. Dieser Schritt ist gerechtfertigt, denn handlung der häufigsten Infektionen bei älteren Men- vorlagen Infektionen treten bei älteren Menschen in Pflegehei- schen in Pflegeeinrichtungen (Infektionen der Atemwe- 2. sie als Empfehlung von einer kantonalen oder eidge- men häufig auf. Tatsächlich treffen in diesen Einrich- ge, der Harnwege, des Verdauungstrakts und der Haut). nössischen Behörde veröffentlicht wurden tungen mehrere Risikofaktoren aufeinander, darunter Die Empfehlungen basieren auf aktuellen wissenschaft- 3. die Expertengruppe, die dieses Dokument verfasst insbesondere das Leben in der Gemeinschaft sowie lichen Erkenntnissen, die auf den spezifischen Kontext hat, sich dafür aussprach individuelle Faktoren in Bezug auf die Bewohner selbst von Heimen abgestimmt sind. Sie sollen eine Hilfe für (physiologische Alterung, funktionelle Abhängigkeit und die Behandlung von häufig auftretenden Infektionen, der Dieser Leitfaden stammt von einer Westschweizer Arbeits- zahlreiche Komorbiditäten). Verschreibung von Antibiotika und der Umsetzung von gruppe bestehend aus in Pflegeheimen tätigen Gesund- Massnahmen zur Infektionsprävention sein. Ziel dieses heitsfachpersonen (Ärzte und Pflegefachpersonen), Geriater Antibiotika gehören zu der Medikamentenklasse, die in Leitfadens ist es, den Anwendern Empfehlungen zu der Abteilung für Geriatrie des CHUV sowie Infektiologen der Pflegeheimen am häufigsten verschrieben wird. Ihre Ver- liefern, welche die in der Praxis verfügbaren Ressour- Abteilung für Infektionskrankheiten des CHUV, des Hôpital schreibung geschieht oftmals empirisch und ohne einen cen berücksichtigen. Aus diesem Grund stützt sich die neuchâtelois und des Spital Wallis. Koordiniert wurde die mikrobiologischen Nachweis. Die rationale Verwendung Mehrzahl der Empfehlungen nur auf die Klinik und sieht Arbeitsgruppe von der kantonalen Einheit HPCi. Der Leitfa- von Antibiotika ist daher eine zwingend notwendige Mass- keine zusätzlichen Untersuchungen (Radiologie, Labor) den ersetzt nicht die Einschätzung eines für den Patienten nahme, um das Aufkommen von multiresistenten Keimen vor. Ausserdem wurde die enterale oder intramuskuläre zuständigen Arztes. zu verhindern. Verabreichung von Antibiotika bevorzugt. 8 9
INFEKTIONEN BEI ÄLTEREN MENSCHEN HARNWEGSINFEKTE AKUTE ATEMWEGSINFEKTIONEN HAUTINFEKTIONEN INFEKTIONEN DES VERDAUUNGSTRAKTS PRÄVENTION DER ÜBERTRAGUNG VON MIKROORGANISMEN IMPFUNG 10 MEDIKAMENTE UND ANTIBIOTIKA
INFEKTIONEN BEI Die Immunoseneszenz wirkt sich sowohl auf das zelluläre als auch auf das humorale Immunsystem aus und beein- ÄLTEREN MENSCHEN trächtigt die Produktion von Antikörpern, T-Lymphozyten und bestimmten Zytokinen. Ausserdem führt sie zu einer Veränderung der Immunabwehr. Diese Komorbiditäten und die Veränderung des Immunsystems sind auch der Infektionen kommen bei älteren Menschen in Pflegehei- Grund, weshalb Impfungen in dieser Bevölkerungsgruppe men häufig vor (Inzidenz : 3-7 Infektionen pro 1000 Aufent- weniger wirksam sind. haltstage, etwa 1-2 Infektionen pro Jahr und Bewohner), weisen bestimmte Besonderheiten auf und sind mit einer deutlich höheren Mortalität und Morbidität belastet (Risiko von Schmerzen, funktionaler Abbau, Stürze, Verwirrtheit und Spitalaufenthalte in der Akutpflege). Die häufigsten Infektionen betreffen die Harn- und die Atemwege sowie die Haut und den Verdauungstrakt. Zu den Faktoren, die Infektionen bei älteren Menschen im Heim begünstigen, gehören einerseits die Häufigkeit von Polymorbidität, also das Vorhandensein mehrerer chronischer Erkrankungen (Diabetes, COPD, Herz- und Niereninsuffizienz, Krebs, Mangelernährung usw.) und andererseits die Immunoseneszenz, d. h. die altersbe- dingte Veränderung der Immunabwehr. 14 15
KLINISCHES BILD Störung des Bewusstseins aus, die sämtliche kognitiven ALLGEMEINE MASSNAHMEN ALLGEMEINE Funktionen betrifft. Als schnelles, zuverlässiges Werk- IM RAHMEN DER BETREUUNG PRÄVENTIONSMASSNHAMEN Eine Anamnese kann insbesondere aufgrund von kogni- zeug zur Erkennung einer akuten Verwirrtheit kann das tiven Störungen (bei 50-70 Prozent der Heimbewohner Betreuungspersonal (Ärzte und Pflegefachpersonen) auf Es ist wichtig, für eine ausreichende Hydrierung und Die Prävention ist in Einrichtungen der Langzeitpflege vorhanden), Verwirrtheit oder Schwerhörigkeit schwierig die Confusion Assessment Method (CAM) zurückgreifen, wenn möglich für den Erhalt einer körperlichen Aktivität aufgrund der häufigen Kontakte zwischen Pflegenden oder ungenau sein. deren Sensibilität und Spezifität bei 95 bis 100 Prozent, sowie der Mobilisation zu sorgen. und Bewohnern sowie zwischen den Bewohnern beson- bzw. 90 bis 95 Prozent liegen (Tabelle 2 und 3). ders wichtig. Die Einhaltung der Standardmassnahmen 20 bis 50 Prozent der Infektionen treten ohne Fieber auf. Bei der Einführung einer Behandlung müssen folgende (siehe Kapitel «Prävention der Übertragung von Mikroor- Von Fieber spricht man, wenn die oral, tympanisch oder Als Schwerekriterien einer Infektion gelten Tachykardie, Elemente bedacht werden : ganismen»), insbesondere der Händehygiene, durch das rektal gemessene Temperatur mindestens 38°C oder Hypotonie, ein veränderter Bewusstseinszustand und – Lokalisation und Schwere der Infektion Personal (Ärzte, Pflegefachpersonen und andere Pfle- die axillär gemessene Temperatur mindestens 37,5°C eine verringerte Urinmenge. Fieber über 37,5°C (axilläre – vermutete oder mögliche verantwortliche Keime gende) ist von zentraler Bedeutung. Ausserdem müssen beträgt. Auch wenn die Körpertemperatur des Bewoh- Messung) oder 38°C (rektale Messung), eine reduzier- – Verabreichungswege und pharmakologische Beson- die Politik der gezielten Verschreibung von Antibiotika ners 1,0°C über seinen üblichen Werten liegt, kann Fie- te Basaltemperatur oder Frösteln können Anzeichen für derheiten der Behandlungen : Anpassung der Dosie- sowie die Impfung der Bewohner und des Personals ge- ber vorliegen. Ein Rückgang der Körpertemperatur im eine schwere Infektion sein. rung an die Nierenfunktion fördert und der Zustand (und die Hygiene) von Mund und Vergleich zu den üblichen Werten kann auch auf eine – die Nierenfunktion muss immer beurteilt werden Zähnen der Bewohner regelmässig überprüft werden. zugrunde liegende Infektion hinweisen. ZUSÄTZLICHE UNTERSUCHUNGEN (Kreatinin-Clearance nach MDRD- und Cockcroft- Weiter muss die Indikation von invasiven Massnahmen Gault-Formel) wie Harnkathetern, Magensonden, venösen Zugängen Die «klassischen» klinischen Symptome und Anzeichen Zusätzliche Untersuchungen sind manchmal schwer – Evaluation des Risikos von Wechselwirkungen der usw. regelmässig neu beurteilt werden. eines Infektionsherds sind nicht immer vorhanden. Oft- durchführbar (Urinkultur bei Inkontinenz, Sputumkultur Medikamente mals wird eine Reihe von unspezifischen Anzeichen und/ bei oftmals wenig produktivem Husten usw.), weshalb oder Symptomen festgestellt (Tabelle 1). Bei Auftreten die Behandlung meistens empirisch ist. Die üblichen Bei älteren Menschen in Heimen kommt es infolge der solcher Symptome sollte immer aktiv nach der Infektion biologischen Entzündungsparameter (Leukozytose, Einnahme von Antibiotika häufiger zu Komplikationen (z. gesucht werden, insbesondere wenn der Bewohner eine Linksverschiebung, erhöhter CRP-Wert) können bei den B. Auftreten einer akuten Verwirrtheit oder einer Colitis akute Verwirrtheit aufweist. Die akute Verwirrtheit, auch Bewohnern unauffällig sein oder erst später auftreten. durch Clostridioides difficile (C. difficile), früher Clostri- Delir genannt, zeichnet sich durch eine fluktuierende dium difficile). 16 17
UNSPEZIFISCHE KLINISCHE ANZEICHEN UND SYMPTOME ERKENNUNG VON AKUTER VERWIRRTHEIT UND DEFINITION VON FIEBER (TABELLE 1) CAM – CONFUSION ASSESSEMENT METHOD (TABeLLE 2) A. Unspezifische Anzeichen oder Symptome B. Fieber Kriterien A und B Kriterien C oder D einer Infektion – Oral oder tympanisch gemessene Temperatur ≥ 38°C A. Plötzliches Auftreten und Fluktuation der Symptome C. Gedankenabreissen / wirres Reden (unzusammenhän- – V eränderung der Stimmung oder des Verhaltens – Rektal gemessene Temperatur ≥ 38°C (im Vergleich zum üblichen kognitiven Zustand des Be- gender und unangemessener Gesprächsinhalt, unklare – Stürze (neu auftretend oder häufiger) – Axillär gemessene Temperatur ≥ 37,5°C wohners ; Veränderung von einem Tag auf den anderen Gedankengänge, die nicht mit dem Gefragten in Verbin- – Abnahme der funktionalen Leistung bei Alltagstätig- – Erhöhung im Vergleich zur Basaltemperatur um ≥ 1°C oder innerhalb eines Tages). dung stehen, unvorhersehbare und ungewöhnliche The- keiten (neu auftretende Probleme bei der Mobilisa- menwechsel). tion, beim Anziehen, bei der Körperhygiene oder der Bei Auftreten dieser Symptome sollte immer B. Aufmerksamkeitsstörungen (der Bewohner ist abge- Ernährung oder Verschlechterung der Probleme) aktiv nach einer Infektion gesucht werden. lenkt, hat Mühe, sich Informationen zu merken, verliert D. Veränderung des Bewusstseinszustands [(Wechsel – Akute Verwirrtheit (s. Tabelle 2) den Faden seiner Gedanken, kann Gesprächen nur vom normalen Zustand zu Lethargie (Person ist schläf- – Appetitlosigkeit schwer folgen, kann sich schwerer konzentrieren). rig, lässig sich aber leicht wecken), Stupor (schwer zu – Harninkontinenz (neu auftretend oder verstärkt) wecken) und / oder Hypervigilanz (erhöhte Sensibilität für Umweltreize)]. Die Diagnose gilt als positiv, wenn die Kriterien A + B gemeinsam mit den Kriterien C und / oder D vorliegen. s. Tabelle 3 18 19
MASSNAHMEN ZUR PRÄVENTION UND THERAPIE SEHSTÖRUNGEN – Sehhilfen (Brille, Lupe) VON AKTUER VERWIRRTHEIT (TABELLE 3) – Umgebung anpassen : Hindernisse um das Bett herum und im Gang beseitigen, Nachttisch befestigen usw. HÖRPROBLEME – Hörgeräte, Berührungen – Kommunikationstechniken (Schreiben, Blickkontakt usw.) SYSTEMATISCH – Ruhige Umgebung (Lärmmanagement) – Einfache Sprache, mit tiefer Stimme und deutlich sprechen – Uhr und Kalender sichtbar in jedem Zimmer HARNVERHALT – Harnausscheidung beurteilen : Bilanz bei Eintritt / Austritt – Verwendung von auditiven, visuellen und anderen Hilfsmitteln des Patienten – Bei Verdacht auf Harnverhalt Restharn beurteilen – Vertraute Gegenstände (Fotos, kleine Figürchen usw.) – Zeitlich, räumlich und in Bezug auf die Pflegenden orientieren KOGNITIVE – Durch die Angabe von Zeitmarkern (Morgen, Mittag, Nachmittag usw.) orientieren – Dem Patienten und den Angehörigen erklären, dass die Verwirrtheit vorübergehend ist STÖRUNGEN – Durch beruhigende und anregende sensorische Erlebnisse ausgleichen – Angehörige einbeziehen und ihnen erklären, wie sie sich an der Pflege beteiligen können (Reminiszenz, Musiktherapie, Pflegetätigkeit mit nur einem Zweck auf einmal usw.) – Physische Ruhigstellung vermeiden – Das Pflegematerial erklären – Die laufenden Pflegemassnahmen erklären REDUZIERTE – Alle zwei Stunden ein Glas Wasser servieren und sicherstellen, dass der Patient es trinkt HYDRIERUNG – Flüssigkeitszufuhr dokumentieren (Wasserflasche als Vorgabe) DEPRESSIVER – G emeinsam mit dem Patienten jeden Tag planen ; dabei muss der am Vortag erstellte Plan nicht zwingend – Getränke den Vorlieben des Patienten anpassen (Sirup, Thermoskanne mit Tee usw.) ZUSTAND eingehalten werden – Erfolge und positive Gefühlsäusserungen des Patienten hervorheben (Selbstwertgefühl stärken) REDUZIERTE – Beurteilung : mindestens 2 bis 3 Mal Stuhlgang pro Woche – Unterstützendes Verhältnis (nicht urteilen, Schuldgefühle nehmen und den Ausdruck von Gefühlen ermutigen) DARMPASSAGE – Hydrierung : etwa 1,5 Liter / Tag (nach Absprache mit dem Arzt) – Ballaststoffreiche Ernährung (nach Absprache mit dem Arzt) VERHALTENS – Ursachen für das erregte Verhalten feststellen und versuchen, ihnen vorzubeugen – Mobilisation STÖRUNGEN – Die Cohen-Mansfield-Skala anwenden, um die Ursachen für das Verhalten herauszufinden – Die Aufmerksamkeit umleiten, den Patienten ablenken SCHMERZEN – Beurteilung mithilfe einer angemessenen Skala (NRS, VAS, ECPA) – Aktivitäten in kleine Etappen einteilen, um sie zu vereinfachen – Schmerztherapie rund um die Uhr (Zeiten einhalten, Reserven verwenden) – Erwünschtes Verhalten fördern (loben) VERRINGERTE – Mobilisation 4x / Tag (Gehen, Essen am Tisch usw.) – Den Patienten wenn nötig isolieren (Einzel- oder Zweierzimmer) MOBILITÄT – Material reduzieren (Harnkatheter, Infusion usw.) – Sich wenn nötig kurz von der Situation entfernen (Ablösung im Pflegeteam) – Bei verordneter Bettruhe : Übungen zur Stärkung der Muskeln im Bett vorsehen – Als letzten Ausweg eine medikamentöse / physische Ruhigstellung vornehmen und diese täglich neu beurteilen VERÄNDERUNG – Beurteilen : Schlafenszeit, Rituale (warme Getränke usw.) DES SCHLAFZYKLUS – Lärm und Licht reduzieren oder Nachtlicht einrichten Die Tabelle wurde von der Gruppe « Unité SAS » auf Grundlage des Modells « Hospital Elder Life Program (HELP) » – Das Verabreichen von Behandlungen zwischen 22.30 und 6 Uhr vermeiden von Inouye et al. (1999, 2000), Marìa T. Vidàn (2009), der RNAO (2003) und des RCP (2006). – Unterstützung und Hilfestellung 20 21
ALLGEMEINER ALGORITHMUS FÜR INFEKTIONEN Unspezifische Anzeichen Medizinische Beurteilung oder Symptome Ja - Spezifische klinische Anzeichen Nein - Veränderung der Stimmung oder Symptome einer Infektion oder des Verhaltens - Stürze - Rasche Abnahme des Funktionsstatus Angemessene Untersuchen je nach - Urinkultur - Akute Verwirrtheit klinischen Anzeichen - Ausreichende Hydrierung sicherstellen - Neu auftretende Harninkontinenz - Während 3 Tagen 2x/Tag Temperatur messen - Schwerekriterien überwachen Schwerekriterien ? - Erkennung und Anwendung - Tachykardie HF > 125/Min von Massnahmen zur Prävention - A rzt unverzüglich - Hypotonie SBD < 90 mmHg einer akuten Verwirrtheit benachrichtigen Arzt am selben Tag Ja - Veränderung des Nein - Notwendigkeit einer informieren Bewusstseinszustands Verlegung in die Akutpflege - Fieber (tympanisch, oral oder rektal Bei anhaltendem Fieber > 3 Tage oder > 38°C oder axillär > 37,5°C) klinischer Verschlechterung Erneute medizinische Beurteilung Medizinische Beurteilung Ja - Spezifische klinische Anzeichen Nein oder Symptome einer Infektion 22 23
HARNWEGSINFEKTE 24 25
HARNWEGSINFEKTE Der Harnwegsinfekt ist die zweithäufigste Infektionsart bei älteren Menschen in Langzeitaufenthalten (Inzidenz von 0,1-2,4 Fällen pro 100 Aufenthaltstagen). Sie sind der Hauptgrund für die Verordnung von Antibiotika und häufig Ursache für eine Hospitalisierung. Ein Harnwegsinfekt kann sich bei Heimbewohnern durch In der Praxis werden unterschieden : klassische urologische Symptome (Dysurie, Brennen oder – Einfacher Harnwegsinfekt : dazu gehören der untere Unbehagen beim Wasserlassen, Algurie, Pollakisurie, neu Harnwegsinfekt oder Zystitis (Blasenentzündung) und auftretende Harninkontinenz), aber auch relativ unspezifi- der obere Harnwegsinfekt oder Pyelonephritis (Nieren- sche Beschwerden (Asthenie, Veränderung der Stimmung beckenentzündung) oder des Verhaltens, Stürze (neu auftretend oder häufiger), – Ein komplizierter Harnwegsinfekt muss vermutet Verschlechterung des Funktionsstatus, akute Verwirrtheit, werden bei : Schmerzen oder Appetitlosigkeit) äussern (s. Tabelle 1 und 2 - Männern sowie Kapitel «Infektionen bei älteren Menschen»). - Auftreten einer anatomischen oder funktionalen Anomalie der Harnwege (chirurgische Eingriffe, Bei Männern müssen sämtliche Harnwegsinfekte als Missbildungen, Tumore, Lithiasis, neurologische komplizierte Harnwegsinfekte behandelt werden. Störungen usw.) - Immunosuppression Eine asymptomatische Bakteriurie ist bei älteren Men- - Bewohnern, bei denen Verdacht auf multiresistente schen in Heimen sehr häufig (10-30 Prozent bei Män- Keime besteht und nach 48 Stunden der Antibiotika- nern und 25-50 Prozent bei Frauen, 100 Prozent nach therapie keine klinische Besserung eintritt 30 Tagen bei Dauerkathetern). In diesen Fällen ist die Urinkultur zwar positiv, der Patient hat aber keine spezi- fischen Beschwerden oder klinischen Anzeichen für eine Infektion. Eine Antibiotikatherapie ist nicht angezeigt. 26 27
– E in katheterassoziierter Harnwegsinfekt muss vermutet Patienten ohne Katheter URINKULTUR werden bei : – Desinfizieren Sie sich die Hände, reinigen Sie die - Auftreten von Fieber ohne andere wahrscheinlichere Vulva oder die Harnröhrenmündung mit Wasser Mit der Urinkultur können Harnwegsinfekte bestätigt, Ursache und Seife. Entsorgen Sie die erste Urinportion und Als letzte Lösung kann mit frischem Urin in Einweg-Einlagen der / die für Infektion verantwortliche / n Keim / e identi- - Veränderung der Aufmerksamkeit entnehmen Sie die Probe vom Mittelstrahl in ein für (eine frische Einlage anlegen und alle 20 Minuten kontrol- fiziert und die Empfindlichkeit des Krankheitserregers - akuter Verwirrtheit diesen Zweck vorgesehenes steriles Gefäss. lieren) oder im Urinbeutel ein Test mit einem Urinstix (Test- gegenüber der verschriebenen Antibiotikatherapie fest- - Makrohämaturie – Bei Männern mit Harninkontinenz kann ein Kondom stäbchen) vorgenommen werden. Veränderungen der Optik gestellt werden (Antibiogramm). Für die Diagnose einer - Beckenschmerzen verwendet werden, um den Urin zu sammeln. Ist die (flockiger oder trüber Urin) und / oder des Geruchs des Urins Zystitis muss die Anzahl der Keime bei 103 Keimen / ml Zusammenarbeit zur Entnahme der Urinprobe bei sind bei asymptomatischen Patienten keine ausreichende In- (bei Männern und bei Entnahme über einen Blasenkathe- dikation für einen Test mit Urinstix oder eine Urinkultur, wenn KLINIK einer Patientin schwierig (schwere Harninkontinenz ter) bzw. bei 105 Keimen / ml (bei Entnahme über Kon- oder mässige bis schwere kognitive Störungen) ist keine klinischen Anzeichen für eine Infektion vorliegen. dom oder bei Harnwegsinfekten bei Frauen) liegen. Bei Siehe Übersichtstabelle die Entnahme über einen Einmalkatheter empfohlen. der Entnahme über einen Einmalkatheter ist ein Wert von Bei bettlägerigen Bewohnerinnen muss der Urin in ZUSÄTZLICHE UNTERSUCHUNGEN über 102 Keimen / ml bezeichnend. Zeigt die Kultur die PROBENAMEVERFAHREN einem sterilen Becher in der Bettschüssel, bei Be- Präsenz von mehreren Keimen (mögliche Kontamination) wohnern direkt in einem dafür vorgesehenen Becher URINSTIX (URINTESTSTREIFEN) oder stimmt das Ergebnis nicht mit der Klinik überein, FÜR KULTUREN gesammelt werden. empfehlen wir, eine neue Kultur anzulegen. Urinstix sind eine einfach verfügbare, schnelle und kos- Die Probenahme von Urin muss vor Beginn der Antibiotika- tengünstige Untersuchungsmethode. Sie ermöglichen den Patienten mit Katheter BEHANDLUNG therapie stattfinden. Dabei ist eine Technik anzuwenden, Nachweis von Leukozyten-Esterase, die von den Leukozy- – Aseptische Urinentnahme durch die dafür vorgesehene welche die Kontamination minimiert. ten produziert wird, sowie von Nitriten, die von bestimm- Entnahmeöffnung ; Entnahme nicht in den Urinbeutel Zunächst muss entschieden werden, ob die Infektion in der vornehmen. ten Bakterien produziert werden. Die Untersuchung mit Einrichtung behandelt werden kann oder ob eine Verlegung – Wenn möglich muss der Blasenkatheter bei einem Urinstix eignet sich nicht, um einen Harnwegsinfekt zu in die Akutpflege nötig scheint (septischer Zustand, nötige Harnwegsinfekt nach 48 Stunden der wirksamen diagnostizieren, kann einen solchen aber ausschliessen. Behandlung nicht verfügbar ; beim Entscheid einer Verlegung Behandlung ausgetauscht werden (Katheter mit Ent- Bei Immunosuppression, Neutropenie oder Agranulozytose müssen die vom Bewohner geäusserten Wünsche oder al- nahmeöffnung legen). kann es sein, dass keine Leukozyturie vorliegt. lenfalls die Patientenverfügung berücksichtigt werden). 28 29
Empirische Antibiotikatherapie EMPFOHLENE EMPIRISCHE BEHANDLUNG BEHANDLUNGSDAUER (möglichst rasch anhand der Ergebnisse der Urin- EINFACHE ZYSTITIS Fosfomycin : Einzeldosis 3g abends beim Zubettgehen Einzeldosis / 2g wenn < 50kg kultur und der lokalen Epidemiologie anpassen) : Oder Nitrofurantoin : Tab. 100mg, 1 Tab. 2x / Tag 5 Tage Im Hinblick die Zunahme der Antibiotikaresistenz aufgrund Gemäss einer in Waadtländer Pflegeheimen durchge- Oder Cotrimoxazol : Tab. 160 / 800mg, 1 Tab. 2x / Tag, 3 Tage bei schneller Reaktion, ansonsten 7 Tage der breiten Anwendung von Chinolonen und auf deren führten Studie besteht die Bakterienpopulation bei Ver- Achtung : die gleichzeitige Verabreichung eines Nebenwirkungen (neurologische Toxizität, kardiale Verän- anderen Medikaments (z. B. ACE-Hemmer) dacht auf einen Harnwegsinfekt in den Pflegeheimen kann eine Hyperkaliämie verursachen. derungen) muss ihre Verwendung auf die Behandlung von des Kantons zu 84 Prozent aus Enterobakterien, haupt- EINFACHE Ceftriaxon : 1g 1x / Tag i.v. oder i.m. (idealerweise Während 10 – 14 Tagen Pyelonephritis und Prostatitis beschränkt werden. sächlich Escherichia coli (75 Prozent). Der Anteil der PYELONEPHRITIS während der Wartezeit auf das Antibiogramm) * Keine probabilistische Therapie mit Chinolonen Beta-Lactamase produzierenden Enterobakterien liegt Oder Ciprofloxacin : Tab. 500mg, 1 Tab. 2x / Tag bei Anwendung in den letzten 6 Monaten Bei Patienten mit Blasenkathetern ist der katheteras- wie in der übrigen Bevölkerung bei 9 Prozent. Oder Cotrimoxazol : Tab. 160 / 800mg, 1 Tab. 2x / Tag soziierte Harnwegsinfekt die häufigste nosokomiale KOMPLIZIERTER Ceftriaxon : 1g 1x / Tag i.v. oder i.m. (idealerweise Zystitis : 7 Tage (Zystitis ohne Anzeichen für Infektion. Er lässt sich am besten vermeiden, indem Frühere Harnwegsinfekte, eine kürzliche Antibiotika- HARNWEGS-INFEKT während der Wartezeit auf das Antibiogramm) * eine Pyelonephritis beim Mann) Verwendung und Dauer der Blasenkatheter auf ein Oder Ciprofloxacin : Tab. 500mg, 1 Tab. 2x / Tag Pyelonephritis : 14 Tage Exposition und die Ergebnisse der zuvor entnommenen Eine akute Prostatitis erfordert eine Behandlung Minimum beschränkt werden. Ist eine Urinkultur indi- mikrobiologischen Proben müssen bei der empirischen von 2 – 3 Wochen (bei Resistenz gegenüber ziert und liegt der Katheter bereits seit mindestens 2 Wahl des Antibiotikums berücksichtigt werden. Die wich- Chinolonen und Cotrimoxazol wird das Einholen Wochen, muss er ausgewechselt und die Kultur über tigsten Optionen sind in der Tabelle zur Behandlung von einer Expertenmeinung empfohlen) den neuen Katheter entnommen werden. Dadurch KATHETERASSOZIIERTE Ceftriaxon : 1 g 1x / Tag i.v. * 7 Tage bei rascher Verbesserung, ansonsten Harnwegsinfekten ersichtlich. HARNWEGSINFEKTE bis zu 14 Tagen wird sichergestellt, dass die Kultur nicht durch den Oder Ciprofloxacin : Tab. 500mg, 1 Tab. 2x / Tag Biofilm kontaminiert wird, und der klinische Outcome Wenn möglich und wenn der Gesundheitszustand des * Ceftriaxon® 1g in 50ml Glukose 5% auflösen und s.c. über wird verbessert. Bewohners es erlaubt, sollte mit der Antibiotikatherapie 15 Minuten verabreichen oder bei Schmerzen Ceftriaxon® 1g mit 3,5ml Rapidocain® 1% auflösen und langsam direkt s.c. gewartet und eine zielgerichtete Therapie gemäss Anti- injizieren. Anmerkung: Die Therapie muss schnellstmöglich an- biogramm eingeleitet werden. Zögern Sie nicht, den fach- Hinweis : Dosen anhand der Kreatin-Clearance anpassen. hand der Ergebnisse der Kultur angepasst werden. Ist lichen Rat eines Infektiologen einzuholen, insbesondere Ceftriaxon® kann auch subkutan verabreicht werden. die Kultur negativ, kann die Antibiotikatherapie einge- bei multiresistenten Keimen. stellt werden. Dadurch werden unangemessene Ver- schreibungen vermieden. 30 31
ÜBERSICHTSTABELLE DURCH EXTENDED-SPECTRUM-BETA- handlung mit Amoxicillin / Clavulansäure, Cephalosporinen LAKTAMASEN (ESBL) PRODUZIERENDE der 2. / 3. Generation oder Fluorchinolonen in den letzten ENTERBAKTERIEN VERURSACHTE 6 Monaten), können bei sensiblen Keimen Fosfomycin und ALLGEMEINES KLINISCHE ANZEICHEN ZUSÄTZLICHE BEHANDLUNG UNTERSUCHUNGEN Nitrofurantoin zur Behandlung einer Zystitis angewendet HARNWEGSINFEKTE werden. BAKTERIURIE In Einrichtungen Keine Keine Nein, ausser bei geplan- ASYMPTOMATISCH der Langzeitpflege : tem urologischem Eingriff 10-40 Prozent der Männer mit Blutungsrisiko (nicht In der breiten Öffentlichkeit wie auch in Einrichtungen der Begleitende Massnahmen zur Behandlung 25-50 Prozent der Frauen für Blasenkatheter) Langzeitpflege kommen ESBL-produzierende Enterobak- von Infektionen 100 Prozent bei Dauerkathetern terien immer häufiger vor. Gemäss der Überwachung der EINFACHE ZYSTITIS Untere Harnwege Dysurie, Brennen beim Wasser- – Urinstix Antibiotika p.o. oder i.m. – Anwendung der Standardmassnahmen Bakteriurien in den Pflegeheimen des Kantons Waadt kann – Keine Dekolonisierung des Darms lassen, Pollakisurie, neu auf- – Urinkultur tretende oder verschlimmerte die Inzidenz in Heimen auf 9 Prozent geschätzt werden. – Keine mikrobiologische Kontrolle nach der Behandlung Harninkontinenz, suprapubische Dieser Wert ist vergleichbar mit dem der übrigen Schweizer – Keine besonderen Hygienemassnahmen ausser im Schmerzen, Verwirrtheit Bevölkerung. Für Bewohner, die als Träger von Keimen wie EINFACHE PYELONE- Oberer Harnwege Wie bei Zystitis + : – Urinstix Antibiotika p.o. oder i.m. Fall einer Epidemie : Wenden Sie sich an den Verant- den ESBL-produzierenden Enterobakterien bekannt sind wortlichen für Infektionsprävention und -kontrolle. PHRITIS – Flankenschmerzen – Urinkultur – Sepsis oder Risikofaktoren für solche Bakterien aufweisen (Be- KOMPLIZIERTER Mann oder Harnwegserkran- Dysurie, Brennen beim Wasser- – Urinstix HARNWEGSINFEKT kung, chirurgischer Eingriff im lassen, Pollakisurie, neu auf- – Urinkultur EMPFOHLENE EMPIRISCHE BEHANDLUNG BEHANDLUNGSDAUER Urogenitalbereich, resistenter tretende oder verschlimmerte – Bildgebende EINFACHE ZYSTITIS Fosfomycin : Einzeldosis 3g abends beim Einzeldosis Keim, Immunosuppression Harninkontinenz, suprabubische Verfahren zur Zubettgehen Schmerzen, Verwirrtheit Darstellung der Harnwege Oder Nitrofurantoin : Tab. 100mg, 1 Tab. 5 Tage Oder 2x / Tag Keine klinische Verbesserung nach 48 Std. der Behandlung EINFACHE PYELONEPHRITIS Ertapenem : 1g 1x / Tag i.v. 10 - 14 Tage wenn keine mögliche Alternative (7 Tage möglich wenn Sensibilität gegenüber HARNWEGSINFEKTE Verschlechterung von kognitiven – Urinstix – N otwendigkeit des Chinolonen und schnelle Wirkung) BEI PATIENTEN MIT Störungen, Verwirrtheit, Fieber, nicht empfohlen Katheters überprüfen KATHETER suprapubische Schmerzen, – Urinkultur – Wenn möglich KOMPLIZIERTER HARNWEGSINFEKT Ertapenem : 1g 1x / Tag i.v. 7 (Zystitis) - 14 Tage Schmerzen aus dem Nieren- Katheter auswechseln HARNWEGSINFEKTE BEI PATIENTEN Ertapenem : 1g 1x / Tag i.v. * 7 Tage bei rascher positiver Entwicklung, becken – Antibiotika p.o. MIT BLASENKATHETERN ansonsten bis zu 14 Tage oder i.m. * Überbrückung mit Fosfomycin p.o. möglich : 1 Dosis / 48 Std. 32 33
PRÄVENTION VON HARNWEGSIN- ALLGEMEINE MASSNAHMEN, DIE NICHT EMPFOHLENE SPEZIFISCHE MASSNAHMEN FÜR PATIENTEN MIT BLASENKATHETER FEKTEN BEI ÄLTEREN MENSCHEN VON DER GRUPPE EMPFOHLEN UND UNTERSTÜTZT WERDEN Die Indikationen für das Legen eines Dauerblasenkatheters eingrenzen und die Indikation für den Erhalt des Die zahlreichen Empfehlungen, die zur Prävention von Katheters regelmässig neu beurteilen Harnwegsinfekten veröffentlicht wurden, müssen für die Diese allgemeinen Massnahmen erreichten keinen Grup- Aseptisches Legen des Blasenkatheters (aseptische Katheterisierung, sterile Handschuhe, steriles Material, Katheter Anwendung in Pflegeheimen angepasst werden. penkonsens und werden der Einschätzung des Arztes mit Entnahmeöffnung, geschultes Personal) überlassen. Einhalten des Prinzips des geschlossenen Systems für Blasenkatheter (Dauer gemäss Angaben des Herstellers) Prophylaktische Antibiotikatherapien sind im Allgemei- – Immunstimulation (Impfung mit E.coli-Fraktion) Kein routinemässiges Wechseln des Blasenkatheters nen nicht empfohlen, da es häufig zu Resistenzselektion kommt und die chronische Prophylaxe durch Nitrofurantoin – Anwendung von Ovula oder vaginal topischen Östro- Geschlossenes System so lange wie möglich aufrecht erhalten das Risiko von Lungentoxizität birgt. genen für Frauen Aseptisches Wechseln des Urinbeutels – Anwendung von Vitamin C zum Ansäuern des Urins Den Ballon nicht manipulieren ALLGEMEINE MASSNAHMEN, DIE VON DER GRUPPE – Einnahme von Preiselbeeren Katheter und Urinbeutel fixieren, um Reibungen (am Oberschenkel) tagsüber und nachts zu vermeiden EMPFOHLEN UND UNTERSTÜTZT WERDEN Nachvollziehbarkeit der Katheterisierung im Dossier sicherstellen Keine systematische Antibiotikaprophylaxe bei der Katheterisierung (nur bei neuropenischen Patienten) Hydrierung Keine Verwendung von Antibiotika-beschichteten Kathetern Mobilisation des Bewohners fördern (Gehen) Keine Zugabe von Antiseptika oder Antibiotika zum Gleitmittel bei der Katheterisierung Dem Verlust der funktionalen Selbstständigkeit entge- Keine systematische Verwendung von Desinfektionsmitteln oder antiseptischen Seifen für die Intimwäsche von genwirken, die Bewohner ermutigen, regelmässig auf Bewohnern mit Blasenkatheter die Toilette zu gehen (Miktionskalender) Keine Antiseptika im Urinbeutel Gute Hygiene des urogenitalen Bereichs (von vorne nach hinten reinigen) Keine Blasenspülung Verstopfung vorbeugen / verhindern Kein Abklemmen des Katheters vor dem Entfernen Keine routinemässige mikrobiologische Überwachung bei Bewohnern mit Blasenkatheter 34 35
ALGORITHMUS FÜR HARNWEGSINFEKTE BEI BEWOHNERN ALGORITHMUS FÜR HARNWEGSINFEKTE BEI BEWOHNERN OHNE BLASENKATHETER MIT BLASENKATHETER Neue Symptomatologie : Dysurie, Algurie, Pollakisurie, Miktionsdrang / Harninkontinenz Fieber oder : Schmerzen im Beckenraum, oberhalb mit oder ohne Fieber * des Schambeins oder im Bereich der Flanken oder Schüttelfrost oder Verwirrung oder Ja Nein Arzt kontaktieren Aufmerksamkeitsstörungen oder lokale Anzeichen oder Dysurie oder unspezifische Anzeichen einer Infektion * POSITIV URINSTIX Negativ Arzt kontaktieren Optische Veränderung des Urins Urinkultur ** Nach anderer Diagnose suchen Harnwegsinfekt Trübung Störung Antibiotikatherapie *** Ja Nein wahrscheinlich * Bei Vorliegen von Schwerekriterien (Tachy Urinsediment Hydrierung / Überwachung Risikofaktoren für komplizierter Harn- wegsinfekte kardie, veränderter Bewusstseinszustand) : Arzt kontaktieren und eine Verlegung Urinkultur Andere infektiöse Ursache Suche nach Abszess, Ja Nein Fieber, Schüttelfrost, Flankenschmerzen ? in Betracht ziehen. +/- anderer Ursache ** Bei negativer Kultur die eingeleitete Be- Blutkultur Andere infektiöse handlung unter Berücksichtigung der klinischen Ja Nein Entwicklung einstellen. Ursache behandeln Bei Männern : rektale Untersuchung Den unmittelbaren Beginn *** Wenn der klinische Zustand es erlaubt, zum Ausschluss einer Prostatitis der Behandlung vs. die Ergebnisse der Kultur abwarten, bevor Pyelonephritis Zystitis die Antibiotikatherapie begonnen wird, und die erwarteten Ergebnisse eine Hydrierung einführen. der Kultur beurteilen * Bei Vorliegen von Schwerekriterien (Tachykardie, veränderter Bewusst- seinszustand) : Arzt kontaktieren und eine Verlegung in Betracht ziehen. 36 37
AKUTE ATEM- WEGSINFEKTIONEN USSERHALB A DER GIRPPEEPIDEMIE ÄHREND W DER GRIPPEEPIDEMIE 38 39
ALGORITHMUS FÜR AKUTE ATEMWEGSINFEKTIONEN ÄTIOLOGIE AUSSERHALB DER GRIPEEPIDEMIE Bei den vorherrschenden Bakterien handelt es sich wie bei Erwachsenen der übrigen Bevölkerung um Pneumo- Mindestens : ≥ 1 der folgenden Symptome / Anzeichen : AUSSERHALB DER kokken und Haemophilus influenzae. Andere Bakterien wie Dyspnoe, neu auftretender Husten, periphere Zyanose, quantitative oder qualitative Veränderung des Sputums, pleuritischer Brustschmerz GRIPPEEPIDEMIE Staphylococcus aureus (einschl. MRSA), Legionella spp. oder gramnegative Bazillen (einschl. Pseudomonas aeru- Und : ginosa) sind seltener, bei schweren Lungenentzündungen akute Verwirrtheit oder ≥1 akute Veränderung der folgenden Vitalparameter : oder in bestimmten epidemiologischen Situationen (Grip- T > 38° oder < 36°, AF > 20 / min, SBD < 90 mmHg, O2-S < 90 % UL, HF > 125 / min Diese Empfehlung sind nicht auf subakute / chronische peepidemie, Immunosuppression oder bekannte zugrunde Infektionen anwendbar, bei denen nach anderen Ätiolo- liegende Lungenerkrankung) aber überdurchschnittlich Unverzüglich den Arzt informieren gien gesucht werden muss (Tuberkulose, Aktinomykose häufig vertreten. Die oropharyngeale Flora (Streptokokken, usw.) und die Diagnosestellung anders verläuft. Anaerobier) ist bei der Bronchoaspiration von Bedeutung. Schwerekriterien : 10 Prozent der Atemwegsinfektionen werden durch Viren - AF > 25 / min Bei den 60- bis 75-Jährigen : 15 Fälle / 1000 Einwohner verursacht. Diese Infektionen treten daher im Winter häu- - HF > 125 / min (34 Fälle / 1000 Einwohner, wenn > 75-jährig). Ja Nein figer auf. - SBD < 90 mmHg - relevante Komorbiditäten Wichtige Ursache von Morbidität (funktionaler Abbau) und RISIKOFAKTOREN Mortalität (30%) Behandlung im Pflegeheim : Chronische Lungenerkrankung, kardiologische / neuro- Verlegung ins Spital prüfen - Antibiotikatherapie logische Komorbiditäten, Diabetes, schlechter Zustand des - Unterstützende Behandlung Mundes und der Zähne, Mangelernährung, Schluckstörung, Ernährung über eine Magen- oder jejunale Sonde, Immo- bilisierung, Medikamente (Psychotropika, Anticholinergika, Antazida), Tabakkonsum, männliches Geschlecht. 40 41
RISIKOFAKTOREN FÜR EINE INFEKTION ZUSÄTZLICHE UNTERSUCHUNGEN BEHANDLUNG DURCH MULTIRESISTENTE KEIME – B estehen Zweifel über eine alternative Diagnose oder EMPFOHLENE EMPIRISCHE BEHANDLUNG EMPFOHLENE BEHANDLUNGSDAUER – S chwere chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung verläuft die Behandlung nicht erfolgreich, muss ein PNEUMONIE, BRONCHOPNEUMONIE Cefuroxim 500mg 2x / Tag p.o. 5-7 Tage – Bronchiektasen Thoraxröntgen gemacht werden. Oder Amoxicillin / Clavulansäure – Immunosuppression 1g 2x Tag p.o. – Antibiotikatherapie in den letzten 90 Tagen – E ine extensive mikrobiologische Bilanz zum Nach- PNEUMONIE, SCHWERE BRONCHO Ceftriaxon 1g 1x / Tag i.v. oder i.m. 7 Tage – Mechanische Beatmung im letzten Monat weis des ätiologischen Keims ist umstritten (geringe PNEUMONIE ODER UNGÜNSTIGER VERLAUF Oder Clarithromycin 500mg 2x / Tag p.o. * – Zuvor dokumentierte Kolonisation Ergebnisse). Bei einer Sepsis muss die Blutkultur vor ASPIRATIONSPNEUMONIE Amoxicillin / Clavulansäure 1g 2x / Tag p.o. 5-7 Tage – Dokumentierte hohe Prävalenz in der Einrichtung Beginn der Antibiotikatherapie angelegt werden. Über Oder Clindamycin 600mg 3x / Tag 7 Tage ein Screening auf Legionellen-Antigene im Urin und KLINIK Standard-Bakterienkulturen im Sputum bei schwerer * Bei Verdacht auf Legionella ; bei bestätigter Legionellose Pneumonie lässt sich diskutieren (Auswirkung auf die die Antibiotikatherapie anpassen und bei Bedarf die Meinung Das klinische Bild ist oftmals weniger klassisch als bei des Infektiologen einholen. Antibiotikatherapie). gleichaltrigen Erwachsenen mit einer normalen Pneu- Kontaktieren Sie den Infektiologen für die Wahl der Be- monie. Nur zwei von drei Pflegeheimbewohnern mit handlung bei : Hinweis : Ceftriaxon kann auch subkutan verabreicht werden Hinweis : Kein Pneumokokkenantigen-Screening, denn Pneumonie haben Fieber > 38° und nur einer von zwei - Penicillin-Allergie (Ceftriaxon® 1 g in 50 ml Glukose 5 % auflösen und s.c. die empfohlene empirische Behandlung deckt Pneumo- während 15 Minuten. Bewohnern hat Husten. kokken ab. - Risikofaktoren für multiresistente Keime Achtung : Im Winter und während der Grippezeit muss bei Auftreten von Fieber in Verbindung mit respiratorischen Symptomen eine Grippe vermutet werden (siehe Kapitel zur Grippe). 42 43
UNTERSTÜTZENDE BEHANDLUNG PRÄVENTION MASSNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DER ABWEHRMITTEL – Liegt keine vorbestehende Lungenerkrankung (Asthma, KONSENUELLE MASSNAHMEN ZUR PRÄVENTION VON chronische Bronchitis) vor, besteht keine Evidenz für die BRONCHOASPIRATIONEN Jährliche Promotion der Grippeimpfung systematische Anwendung von bronchienerweiternden Impfung gegen Pneumokokken : Weist der Bewohner Medikamenten. Über Ihre Verschreibung entscheidet der Bei Risikopatienten sollte auf Sedativa verzichtet werden, Risikofaktoren auf und ist noch nicht geimpft : eine zuständige Arzt unter Berücksichtigung des klinischen denn sie begünstigen das Verschlucken. Dosis Prevenar® PCV-13 beim Eintritt ins Pflegeheim Status. Position des Patienten (halb sitzend), insbesondere beim (siehe Kapitel zu den Impfungen). Essen, mindestens 30 bis 45° – D ie Verschreibung einer respiratorischen Physiotherapie Verbesserung der Mundhygiene (tägliches manuelles (insbesondere Unterstützung beim aktiven – Bülau® – Zähneputzen und Spülen mit einer Lösung auf Basis und passiven Abhusten) ist hauptsächlich bei Patienten von Chlorehexidin 0,12%) angezeigt, die eine bronchiale Hypersekretion und / oder Kontrolle des Zustands von Mund und Zähnen mindestens eine zugrunde liegende Lungenerkrankung aufweisen, 1x / Woche und setzt die Zusammenarbeit des Patienten voraus. Physiotherapie zur Mobilisation von bettlägerigen Be- wohnern – Weitere Mittel gemäss Einschätzung des Arztes. Becher mit Nasenausschnitt bei festgestellten Risikofaktoren. Von sogenannte Schnabeltassen mit Deckel wird abgeraten. – Hustenmittel sind ohne ärztliche Weisung zu vermeiden. Verdickung von Flüssigkeiten bei Verschlucken und wenn nötig Anpassung der Konsistenzen Indikation für die Magensonde regelmässig neu beurteilen Physiotherapie nach Bülau® (wenn verfügbar) Respiratorische Physiotherapie durch einen Physiothera- peuten (wenn verfügbar) 44 45
ALGORITHMUS FÜR AKUTE ATEMWEGSINFEKTIONEN HAUPTZIELE DER PRÄVENTIONS- WÄHREND DER GRIPPEEPIDEMIE STRATEGIE GEGEN DIE GRIpPE IN PFLEGEHEIMEN Mindestens : ≥ 1 der folgenden Symptome / Anzeichen : WÄHREND DER – D er Ausbreitung der Grippe unter den Bewohnern und Dyspnoe, neu auftretender Husten, periphere Zyanose, quantitative oder qualitative Veränderung des Sputums, pleuritischer Brustschmerz GRIPPEEPIDEMIE den Pflegeteams vorbeugen – Die Morbidität und Mortalität der Bewohner verringern Und : – Die Anzahl der Epidemien senken akute Verwirrtheit oder ≥1 akute Veränderung der folgenden Vitalparameter : T > 38° oder < 36°, AF > 20 / min, SBD < 90mmHg, O2-S < 90 % UL, HF > 125 / min Die Wintersaison zeichnet sich durch eine Zunahme der – Eine Immunisierung von > 80 Prozent erreichen (Be- Mortalität und eine höhere Anzahl Spitalaufenthalte von wohner und Pflegende), um eine gute Herdenimmu- Sofort den Arzt informieren älteren Menschen aus. Bei Pflegeheimbewohnern ist das nität zu fördern Risiko von Komplikationen nach einer Infektion durch das – Die Erkennung der Grippe und die Anwendung von Grippevirus hoch. Während der Grippeepidemie werden antiviralen Medikamenten bei Epidemien verbessern Schwerekriterien : - AF > 25 / min bei 20 bis 40 Prozent der symptomatischen Bewohner (≥ 2 erkrankte Bewohner in der gleichen Woche) Oui - HF > 125 / min Non Grippeviren festgestellt. - SBD < 90 mmHg Das Alter beeinflusst die Impfantwort. Je älter man ist, - relevante Komorbiditäten desto weniger Antikörper werden infolge einer Impfung gebildet. Für ältere Bewohner sollte die Verbindung des Verlegung ins Spital prüfen Behandlung im Pflegeheim : Impfstoffs mit einem Adjuvans besprochen werden (mög- - Grippe-Screening liche Erhöhung der Antikörper). Die Grippeimpfung basiert (Nasopharyngealabstrich), egal ob auf dem Prinzip der Herdenimmunität. Um eine Herdenim- der Bewohner geimpft ist oder nicht - bei positivem Nachweis : munität zu erreichen (= anfällige Personen zu schützen, antivirale Therapie beginnen die keine Antikörper gegen den Impfstoff bilden können), - keine sofortige Antibiotikatherapie braucht es eine Impfrate von > 80 Prozent in der gesam- - Unterstützende Behandlung ten Gruppe (Bewohner und Pflegende). 46 47
PROBENAHMEN GRUNDSÄTZE ZUR PRÄVENTION DER ÜBERTRAGUNG DER GRIPPE Nasopharyngealabstrich zum Nachweis des Influenza- virus, idealerweise mittels PCR (höhere Sensibilität und Jährliche Impfung der Bewohner Spezifität als beim Antigen-Screening). Kostenlose jährliche Impfung des Pflegepersonals Behandlung von Bewohnern mit positivem PCR-Test mit Oseltamivir 75mg 2x / Tag während 5 Tagen (an Nie- renfunktion anpassen). Die Behandlung frühestmöglich beginnen Sobald mindestens zwei Bewohner einen positiven PCR-Grippetest aufweisen, werden die übrigen symp- tomatischen Bewohner mit Oseltamivir 75mg 2x / Tag während 5 Tagen behandelt, ohne dass ein diagnos- tischer Abstrich vorgenommen wird. Keine Prophylaxe für asymptomatische Bewohner Tragen der Maske während der Grippesaison durch nicht- geimpftes Pflegepersonal, sobald es die Einheit betritt Tragen einer Maske durch Pflegepersonal bei Pflegemass- nahmen mit engem Kontakt (< 1m) im Zimmer eines Be- wohners mit Grippe oder Grippesymptomen An Grippe erkrankte Bewohner soweit wie möglich im Zimmer behalten, solange sie symptomatisch sind Gruppenaktivitäten vermeiden Die Standardmassnahmen bei an Grippe erkrankten Be- wohnern anwenden, solange diese symptomatisch sind 48 49
HAUTINFEKTIONEN 50 51
HAUTINFEKTIONEN Die erhöhte Anfälligkeit für Hautinfektionen ist einerseits durch den Abbau des Immunsystems und andererseits durch die Ausdünnung und Trockenheit der Haut bedingt. Diese Faktoren erhöhen das Risiko von Verletzungen und beeinträchtigen die Narbenbildung. – S chwere Hautmanifestationen mit systemischer Toxizität müssen notfallmässig untersucht werden und werden In diesem Kapitel befassen wir uns mit der Unterscheidung hier nicht behandelt. von : Läsionen in Körperfalten (Intertrigo, Tinea, Erythrasma), Cellulitis (Dermohypodermitis und Erysipel) und Zoster. – B ei extremen Schmerzen, Blasen, Krepitation oder schnell fortschreitender Lymphangitis ist eine Hospi- LÄSIONEN IN KÖRPERFALTEN talisierung erforderlich. ÄTIOLOGIE UND KLINISCHE BILDER – E ine chronische Wunde mit Verdacht auf Osteitis ist keine Indikation für eine empirische Antibiotikathe- Intertrigo rapie ohne vorherige Probenahme und Experten- – Krankheitserreger : Candida albicans einschätzung (z. B. ambulante Sprechstunde in der – Läsionen in den inguinalen, submammären, axillären septischen Chirurgie ; bei extremen Schmerzen eine oder perinealen Falten, der Afterfurche und den Bauch- Hospitalisierung prüfen). falten. Die Reibung in den Körperfalten führt zu einer Mazeration mit sekundärer Superinfektion durch Hefen – B ei Dekubiti der Kategorien III, IV und nicht klassifizier- oder Bakterien. Klinische Anzeichen : erythematöse, baren Dekubiti mit klinischen Infektionszeichen (Fotos) mazerierte Plaques mit weisslichen Abschürfungen ist eine spezialisierte Sprechstunde zum Debridement oder Hautschuppen an den Wundrändern. Die Läsionen des nekrotischen Gewebes vorzusehen (z. B. ambulante sind oftmals pruriginös oder gar schmerzhaft (siehe Sprechstunde in der septischen Chirurgie). Foto 1) 52 53
Tinea / Ringelflechte EMPIRISCHE BEHANDLUNG VON LÄSIONEN MUNDWINKELRHAGADE EMPIRISCHE BEHANDLUNG – Krankheitserreger : Microsporum, Tricophyton und Epi- IN KÖRPERFALTEN (ODER CHEILITIS ANGULARIS) dermophyton – E rstbehandlung : topische Imidazol-Derivate : Econazol – Klinische Anzeichen : erythematöse Läsion am Ober- – A nwendung von topischen Antimykotika in Creme- oder ÄTIOLOGIE (Pevaryl®) oder Clotrimazol (Imazol®) und Behandlung schenkel mit zentrifugaler Verteilung und scharfer Pastenform 2x / Tag (Econazol : Pevaryl® oder Clotrimazol : der Zahnprothese (siehe Protokoll zur Desinfektion der Begrenzung sowie möglicherweise Bläschen Imazol®) während 2 Wochen Meistens : Candida albicans, ansonsten Staphylococcus Zahnprothese) – Behandlung per os nur bei schwerer Form oder bei aureus oder β-hämolysierende Streptokokken. – Wenn erfolglos : Kultur und anschliessende topische Erythrasma erfolgloser topischer Therapie. Nur nach Kultur (Fluco- Behandlung auf Basis von Mupirocin (Bactroban®) oder – Krankheitserreger : Corynebacterium minutissimum nazol 200mg / Tag : Diflucan®) während 7 bis 14 Tagen BEGÜNSTIGENDE FAKTOREN Fusidinsäure (Fucidin®) 3x / Tag während 7 Tagen mit – Klinische Anzeichen : klar definierte erythematöse Läsi- oder bis die Symptome verschwunden sind oder ohne Kortikoide onen in den Zehenzwischenräumen, den Leistenbeugen – Behandlung der prädisponierenden Faktoren Kann durch das Tragen einer Zahnprothese oder einer – Korrektur der Ernährungsdefizite, falls vorhanden und den Achselhöhlen, die sich mit der Zeit bräunlich Maske begünstigt werden. Vitamin-B12- oder Eisen- verfärben können. Die Haut kann ausdünnen und Ziga- PRÄVENTIVE BEHANDLUNG mangel prüfen. rettenpapier ähneln Zur Rezidivprophylaxe : KLINISCHES BILD BEGÜNSTIGENDE / PRÄDISPONIERENDE FAKTOREN – Mazeration vermeiden (Schutze und Unterwäsche re- Bei erfolgloser Behandlung : Abstrich der Mundwinkel gelmässig wechseln) – E ntzündliche Läsionen der Mundwinkel und Nasenlöcher, allenfalls der Zahnprothese Übergewicht, Inkontinenz, Hyperhidrose, Diabetes mellitus, – der Arzt kann eine Erhaltungstherapie mit Ketoco- – Klinische Anzeichen : Erythem, Blutungen und Ge- lokale oder systemische Behandlung mit Kortikoiden, Anti- nazol für nötig erachten ; normalerweise eine An- schwürbildung sind möglich. Die Patienten klagen biotikatherapie, HIV, Chemotherapie, immunsupprimierende wendung pro Woche oder alle zwei Wochen je nach über trockene Lippen und Unbehagen (siehe Foto 2) Behandlung. Ergebnis 54 55
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