Rohstoffgewinnung in Natura 2000- Gebieten
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Rohstoffgewinnung in Natura 2000- Gebieten Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Kochstraße 6–7 10969 Berlin Tel: +49 (0) 30/726 19 99-0 www.baustoffindustrie.de Herausgeber Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Verantwortlich Michael Basten Autoren Dr. Matthias Schlotmann, Wolf Müller Gestaltung ServiceDesign, Heidelberg Fotonachweis Titel, Seite 33: Sibelco Deutschland GmbH Seite 3, Seite 7, Seite 27: Heidelberg Cement AG, Steffen Fuchs Seite 8/9: Franz-Josef Schiel (INULA) Seite 21: Stephan Schmidt KG, Bahnhofstraße 92, 65599 Dornburg-Langendernbach Seite 35: NABU Naturschutzbund Deutschland. Druck Bundesverband Baustoffe – Druckwerkstatt Lunow, Berlin Steine und Erden e.V. Berlin, 2012 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V.
Inhaltsverzeichnis Vorwort 1. Einleitung [4] Das Schutzgebietssystem Natura 2000 verfolgt das Ziel, ein rechtliches Instrumentarium zum Lebensraum- und 2. Allgemeine Hinweise zur Vorgehensweise Artenschutz zu schaffen und diese Bereiche europaweit bei Natura 2000 [8] einheitlich zu regeln. Im Mittelpunkt stehen hierbei der Erhalt und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt 3. Kurzüberblick über relevante Rechtsvorschriften in der Europäischen Union. bei Natura 2000 [9] Diese Problematik ist heute aktueller denn je. Im Folgen- den soll deshalb eine Einführung in die Thematik vorge- 4. Ziele von Natura 2000 [10] nommen werden. 4.1. FFH und Vogelschutz [10] Ziel dieser BBS-Broschüre ist es, Unternehmen der Bau- 4.2. Artenschutz [11] stoff-, Steine-und-Erden-Industrie (hier auch bezeichnet als NEEI = nichtenergetische mineralgewinnende Industrie/ 5. Voraussetzungen der Rohstoffgewinnung in non energy extractive industry) einen Überblick darüber zu Natura 2000-Gebieten [12] vermitteln, unter welchen Voraussetzungen Rohstoffe in Natura 2000-Gebieten abgebaut werden können und worauf 5.1. Was ist ein Projekt im Sinne von Natura 2000? [12] dabei jeweils zu achten ist. Hierbei verschafft der Leitfa- 5.2 Phase 1 den der EU-Kommission bei wesentlichen Fragestellungen Screening-Prüfung (FFH-Vorprüfung) [13] mehr Klar- und Rechtssicherheit. Es werden die wichtigsten 5.3. Phase 2 Passagen des Leitfadens der Kommission ausgewählt und Verträglichkeitsprüfung (Eigentliche FFH- soweit möglich wörtlich wiedergegeben. Verträglichkeitsprüfung) [20] Nicht eingegangen werden soll an dieser Stelle auf das 5.4. Phase 3 (nahezu abgeschlossene) Thema der Ausweisung von Ausnahmeregelung, wenn keine Alternativ- FFH- und Vogelschutzflächen durch die Länder und auf die lösungen vorhanden und zwingende Gründe FFH-Prüfung von Plänen, die aber inhaltlich derjenigen von des überwiegenden öffentlichen Interesses Projekten entspricht. gegeben sind (Art. 6 Abs. 4 FFH RL) [28] 6. Zusätzliche Vorteile der Rohstoffgewinnung für die biologische Vielfalt [31] 7. Gute Zusammenarbeit ist wichtig! [32] 8. Deutsche Fallstudien aus dem Natura 2000- Leitfaden der EU-Kommission [34] 2 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 3
1. 1 Leitfaden der Europäischen Kommission zur Rohstoffgewinnung durch die NEEI LEITFADEN unter Berücksichtigung der Anforderungen an Natura‐2000‐Gebiete 1 Einleitung Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000 Natura 2000 Unter diesem Oberbegriff werden zwei bedeutende Richtlinien zusammengefasst: Zum einen die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie natur (FFH) und zum anderen die Vogelschutz-Richtlinie. „Natura EUROPÄISCHE KOMMISSION umwelt 2000“ kann zu Recht als Kernstück der Naturschutz- und Biodiversitätspolitik der EU bezeichnet werden. Handelt es sich hierbei doch um ein EU-weites, ökologisches Netz von Erklärung führte.2 Ein Ziel dieser Erklärung ist es hierbei, knapp 26 000 Gebieten in den 27 EU-Staaten, mithin um fast Rohstoffversorgung und -sicherung nachhaltig zu gestalten. 18 % der Landfläche der EU. Mithilfe dieses Netzes soll das Daneben soll der Abbau mineralischer Rohstoffe umwelt- langfristige Überleben der wertvollsten und am stärksten und ressourcenschonend – unter Berücksichtigung natur- gefährdeten Arten, Lebensräume und Ökosysteme in Europa schutzfachlicher Belange – erfolgen. gesichert werden.1 Einen weiteren wesentlichen Schritt in der Verfolgung des Zielsetzung des vorliegenden BBS-Leitfadens ist es, dem Ziels einer sicheren Versorgung mit heimischen Rohstoffen Leser die genauere Bedeutung der Rohstoffgewinnung in stellt der Leitfaden der Europäischen Kommission „Nich- Natura 2000-Gebieten näher darzustellen. tenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000“ dar. Hintergrund dieses Leitfadens ist die Mitteilung Auf die Gewinnung von heimischen Steine- und Erden- der EU-Kommission zur Sicherstellung der Versorgung Rohstoffen hatten die Natura 2000-Richtlinien seit ihrer der EU mit Rohstoffen. Die Europäische Kommission hat Umsetzung in das deutsche Recht (BNatschG und Lan- im Juli 2010 die Endversion des Leitfadens Natura 2000 in desnaturschutzgesetze) und der daraus resultierenden englischer Sprache auf ihrer Homepage veröffentlicht.3 Die Ausweisung von Flächen für FFH und Vogelschutz massive Übersetzungen, auch ins Deutsche, folgten Anfang 2011. Auswirkungen: Viele der geschützten Arten kommen in Steinbrüchen und Gruben vor und es war zunächst unklar, Dem Leitfaden ging eine 2-jährige, intensive Zusammen- ob in diesen Rohstoffbetrieben weiterhin Bodenschätze ab- arbeit voraus: gebaut werden können. Den hiermit einhergehenden großen, Eine Expertengruppe mit Vertretern aus Mitgliedstaaten, Na- teilweise existentiellen Ängsten folgte die Einsicht, dass nur turschutzverbänden, Industrie und Kommission erarbeitete ein pragmatischer Umgang mit dieser EU-Gesetzgebung Lö- ihn in direktem Austausch miteinander. Der Leitfaden zeigt sungen hervorbringen kann, die einen Abbau von Rohstoffen die Möglichkeiten und Spielräume der Rohstoffgewinnung in weiterhin ermöglichen. In Deutschland hat der BBS schon Natura 2000-Gebieten auf. Aus Sicht der Baustoff-, Steine- sehr frühzeitig Kontakt zu Naturschutzorganisationen wie und-Erden-Industrie stellt der Natura 2000-Leitfaden einen dem NABU aufgenommen, was bereits in 2004 zur erfolg- reichen Verabschiedung einer sogenannten Gemeinsamen 2 Gemeinsame Erklärung „Rohstoffnutzung in Deutschland“, NABU, BBS, IGBCE, IGBAU, Berlin 2004. 1 Natura 2000 Leitfaden, Vorwort der Kommissare für Industrie und Umwelt, S. 4 3 http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/guidance_en.htm 4 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 5
gelungenen Kompromiss zwischen Industrieinteressen und Europa insgesamt erläutert. Typische Charakteristika wie die Naturschutz dar. Die Anwendung des starren und oftmals in Standortgebundenheit und die dynamische Betriebsweise der Praxis unflexibel gehandhabten Regimes der FFH- und der Rohstoffgewinnung werden explizit beschrieben. Zudem Vogelschutzrichtlinien wird auf den Kerninhalt der Richtlinie betont der Leitfaden insbesondere die Wichtigkeit einer orts- zurückgeführt und mehr an die Spezifika unserer Branche nahen Versorgung mit Baurohstoffen. angepasst. Der Leitfaden der Kommission hebt hervor, dass Der Leitfaden empfiehlt einen intensiven, frühzeitig geführ- die Gewinnung von nichtenergetischen Rohstoffen in Natura ten Dialog zwischen allen Beteiligten wie Behörden, Natur- 2000-Gebieten oder in deren Nähe keineswegs ausgeschlos- schutzorganisation, Industrieverbänden und den Unterneh- sen ist. Zudem sind Renaturierungsmaßnahmen bei der men. Dies ist durchaus positiv zu bewerten. Denn es sollte FFH-Vorprüfung und bei der eigentlichen FFH-Verträglich- stets eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung aller keitsprüfung zu berücksichtigen. relevanten Interessengruppen vorgenommen werden. „Die NEEI (nichtenergetische mineralgewinnende Industrie) Der Leitfaden der EU-Kommission besitzt keinen verbindli- unternimmt beträchtliche Anstrengungen bei der Durchfüh- chen Rechtscharakter, sondern gibt Ideen und Ratschläge rung von Renaturierungsplänen mit dem Ziel der Wieder- der Kommission wieder. Allerdings ist sein Einfluss generell herstellung ursprünglicher Lebensräume und Populationen nicht zu unterschätzen. Denn in der Vergangenheit hat es sich auf Abbaugebieten.“4 Dies erscheint besonders deshalb so gezeigt, dass diese Leitfäden bei der Auslegung der Natura interessant, weil es sich hierbei um wesentliche Schritte zur 2000-Richtlinien durch den EuGH herangezogen werden und Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen aus heimischen damit durchaus eine rechtliche Relevanz erlangen können. Quellen handelt. Einschränkend muss jedoch konstatiert werden, dass die in- Positiv zu werten ist darüber hinaus, dass der Leitfaden haltlichen Grenzen des Leitfadens von den Natura 2000-Richt- die große Bedeutung der heimischen Rohstoffindustrie für linien (FFH und Vogelschutz) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorgegeben werden. 4 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 89. 6 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 7
2. 3. Allgemeine Hinweise zur Vorgehensweise Kurzüberblick über relevante Rechts- bei Natura 2000 vorschriften bei Natura 2000 Der Leitfaden der Kommission empfiehlt die folgende Im Folgenden soll kurz auf die wichtigsten juristischen Vorgehensweise: Vorschriften bei Natura 2000 eingegangen werden. Hierbei L Eine frühzeitige Kommunikation mit Genehmigungs- erscheint insbesondere Artikel 6 der europäischen Habitat- und Naturschutzbehörden, gegebenenfalls unter Einbe- Richtlinie bedeutsam. ziehung von Naturschutzverbänden, ist vorzunehmen. Dieser beschreibt Maßnahmen, die gewährleisten sollen, Denn eine frühe Beteiligung der möglicherweise be- dass Beeinträchtigungen durch Pläne und Projekte mög- troffenen Anwohner und weiterer Raumnutzer kann das lichst verhindert werden („verfahrenstechnische Gewähr“). Konfliktpotential erheblich mindern oder gar beseitigen. Die betreffenden Bestimmungen werden in den folgenden L Vermeidungs- und Schadminderungsmaßnahmen sind Abschnitten ausführlicher behandelt. am besten bereits frühzeitig bei der Konzeption eines Bund und Länder haben die europäischen Vorgaben der Projekts zu bedenken. FFH- und Vogelschutzrichtlinien im Bundesnaturschutz- L Projektträger sollten Informationen zu Natura 2000-Ge- gesetz (§§ 31 bis 34 BNatschG) und den jeweiligen Na- bieten sammeln, noch bevor sie mit der Konzeption ihrer turschutzgesetzen der Länder umgesetzt.5 Wir werden in Pläne oder Projekte beginnen, damit ihnen Risiken im diesem Leitfaden ausschließlich auf die Vorschriften des Hinblick auf Störungen der Natur sowie von Flora und BNatschG Bezug nehmen, die jedoch in dem Bereich Natura Fauna bewusst sind. Zielsetzung ist hierbei weiterhin, 2000 nahezu 1:1 in den jeweiligen Landesregelungen ihre dass die betreffenden Risiken bei der Ausarbeitung des Entsprechung finden. In den Genehmigungsverfahren der Projektantrags berücksichtigt werden können. BBS-Industrie finden direkt die Landesregelungen Anwen- dung. Eine klar evaluierte Konzeption für die Durchführung von Projekten kann hierbei generell zur Verringerung der ökologischen Auswirkungen innerhalb von Schutzgebieten 5 BbgNatSchG, NatSchGBln, NatSchG, BayNatSchG, BremNatG, HAGBNatSchG, HmbB- beitragen. NatSchAG, NatSchG LSA, NatSchAG, NAGBNatSchG, LG – Landschaftsgesetz Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft – Nordrhein- Westfalen –, LNatSchG, Landesverordnung über die Bestimmung von Eingriffen in Natur und Landschaft – Rheinland-Pfalz –, SächsNatSchG, LNatSchG, SNG, ThürNatG. 8 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 9
4. Ziele von Natura 2000 4.1. FFH und Vogelschutz FFH-Richtlinie als so genannte GGB (Gebiete von gemein- schaftlicher Bedeutung) und entsprechend der Vogelschutz- Hauptziel der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie ist die richtlinie als so genannte besondere Schutzgebiete (BSG) Erhaltung der biologischen Vielfalt. Habitat-Richtlinie und bezeichnet, um schließlich von den Mitgliedstaaten als Vogelschutzrichtlinie sind maßgebliche Elemente der EU- besonderes Erhaltungsgebiet (BEG) ausgewiesen zu werden. Politik zum Schutz der biologischen Vielfalt. Sie ermöglichen In der Regionalplanung werden diese Gebiete als FFH- oder die Zusammenarbeit aller Mitgliedstaaten mit dem Ziel, Vogelschutzfläche bezeichnet und in die Raumnutzungs- den Schutz und den Erhalt der am stärksten bedrohten und karten übernommen.7 Wir sprechen in diesem Leitfaden gefährdeten Arten und Lebensraumtypen sicherzustellen.6 zusammenfassend von Natura 2000-Gebieten. Übergeordnete Ziele der bereits im Jahre 1979 angenom- Der Leitfaden der EU-Kommission betont, dass in den Natu- menen Vogelschutzrichtlinie sind der Erhalt und die Wieder- ra 2000-Gebieten menschliche Aktivitäten nicht grundsätz- herstellung der natürlichen Wildvogelpopulationen in der EU lich ausgeschlossen sind. Vielmehr bieten die beiden Richtli- (etwa 500 Arten!) auf einem Stand, der deren langfristiges nien einen gemeinsamen Rechtsrahmen für alle EU-Länder, Überleben sicherstellt. durch den sichergestellt wird, dass menschliche Aktivitäten Die 1992 angenommene Habitat-Richtlinie verfolgt ähnli- – unter anderem durch die nichtenergetische mineralgewin- che Ziele wie die Vogelschutzrichtlinie, bezieht sich jedoch nende Industrie – so erfolgen, dass die Natura 2000-Gebiete auf andere Arten als diese sowie auf Lebensraumtypen als in ihrem Schutzziel nicht beeinträchtigt werden.8 solche. Mit dieser Richtlinie soll der Erhalt von ca. 1.000 in den Anhängen zur Richtlinie genannten, stark gefährde- 4.2. Artenschutz ten, seltenen, endemischen oder bedrohten Wildtieren und -pflanzen sichergestellt werden; Zielsetzung ist darüber Hinsichtlich des Artenschutzes sehen beide Richtlinien vor, hinaus der Schutz von 230 vom Aussterben bedrohten Le- dass die Mitgliedstaaten ein allgemeines System zum Schutz bensraumtypen. aller Wildvogelarten in der EU sowie zum Schutz der in An- hang IV der Habitat-Richtlinie genannten Arten im jeweiligen Die Richtlinien betreffen nicht sämtliche Pflanzen- und gesamten Verbreitungsgebiet innerhalb der EU einrichten. Tierarten in der EU (d. h. sie decken nicht die gesamte bio- Die betreffenden Vorschriften gelten sowohl innerhalb als logische Vielfalt der EU ab). Vielmehr konzentrieren sie sich auch außerhalb der Schutzgebiete.9 auf eine Teilgruppe von etwa 1.500 Arten – häufig auch als Arten von gemeinschaftlichem Interesse bezeichnet –, deren langfristiges Überleben in der EU nur durch einen entspre- chenden Schutz gewährleistet werden kann. Gemäß der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie sind Kerngebiete für die geschützten Arten und Lebensräume einzurichten. Diese Gebiete werden dann entsprechend der 7 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 22 und 23. 8 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 21. 6 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 18 und 20. 9 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 21 und 22. 10 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 11
5. Voraussetzungen der Rohstoffgewinnung in Natura 2000-Gebieten 5.1. Was ist ein Projekt im Sinne Der Leitfaden empfiehlt folgende Vorgehensweise (in 3 Phasen): von Natura 2000? Eine Definition des Projektbegriffes fehlt in den Natura 2000-Richtlinien. Der EuGH urteilt in diesem Zusammen- 5.2 Phase 1 hang stark wirkungsbezogen. Entscheidend ist hierbei die Screening-Prüfung (FFH-Vorprüfung) von dem Projekt ausgehende Auswirkung auf die Umwelt.10 Mit der Screening-Prüfung soll ermittelt werden, ob ein Demnach kommt es auf den Einzelfall an, ob eine Natura Plan oder Projekt überhaupt einer Verträglichkeitsprüfung 2000-Prüfung durchgeführt werden muss. In einem ersten zu unterziehen ist. Wenn aufgrund objektiver Informationen Schritt (Screening) wird geprüft, ob eine erhebliche Aus- nicht ausgeschlossen werden kann, dass erhebliche Auswir- wirkung wahrscheinlich ist. Somit bewirkt nicht jedes neue kungen auf ein Natura 2000-Gebiet eintreten können, ist eine Projekt, wie beispielsweise eine Hauptbetriebsplanverlänge- Verträglichkeitsprüfung vorzunehmen.12 rung, automatisch eine Natura 2000-Prüfung. Das Projekt kann ohne weitere Prüfung genehmigt werden, Es wird nachdrücklich empfohlen, dass Projektträger Infor- wenn festgestellt werden kann, dass das Projekt einzeln mationen zu Natura 2000-Gebieten sammeln, noch bevor sie oder gemeinsam mit anderen Projekten voraussichtlich nicht mit der Konzeption ihrer Pläne beziehungsweise Projekte mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sein wird. beginnen (d. h. noch vor der Screening-Phase), damit ihnen Wenn diesbezüglich Zweifel bestehen, muss eine Verträg- Risiken im Hinblick auf Störungen der Natur sowie von Flora lichkeitsprüfung vorgenommen werden, um die potenziellen und Fauna vorab bewusst werden und damit die betreffenden Auswirkungen in vollem Umfang zu untersuchen, bevor Risiken bei der Ausarbeitung des Projektantrags bekannt über das betreffende Projekt entschieden wird. Letztlich sind. Zudem wird bereits in diesem Stadium der frühzeitige obliegt es der zuständigen Behörde, auf der Grundlage einer Kontakt mit den Planungs- und Naturschutzbehörden emp- Screening-Prüfung zu entscheiden, ob eine Verträglichkeits- fohlen. Die Erfahrung bestätigt, dass gründliche Untersu- prüfung erforderlich ist.13 chungen und eine angemessene Konsultation von Anfang an (d. h. bereits bei der Entwicklung eines Konzepts und in Screening-Prüfungen sind erforderlich: der Phase der Projektgestaltung) erheblich dazu beitragen L Für Projekte mit Auswirkungen auf in der Vogelschutz- können, unnötigen Zeit- und Kostenaufwand zu vermeiden.11 richtlinie bzw. in der Habitat-Richtlinie genannte Gebiete. L Für Projekte sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Natura 2000-Gebiets, wenn davon auszugehen ist, dass sie das Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten (zum Beispiel durch Wasserabsenkungen, Staub oder Lärm). 10 Frenz, B NatSchG, § 34 Rdnr. 20. 12 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 57. 11 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 62. 13 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 60. 12 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 13
L Bei neuen Genehmigungen, Verlängerungen bereits Die Mitwirkung zuständiger Behörden (insbesondere der erteilter Genehmigungen und der erneuten Inkraftsetzung Naturschutzbehörden) bei der Prüfung von Plänen und früherer Genehmigungen für Tätigkeiten der nichtenerge- Projekten kann von entscheidender Bedeutung sein. Denn tischen mineralgewinnenden Industrie (NEEI), durch die diese Behörden sollten generell in der Lage sein, hilfreiche ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigt Informationen zur Verfügung zu stellen, die in dieser Phase werden könnte.14 zu berücksichtigen sind. Durchführung der Screening-Prüfung: Der Leitfaden der Kommission verdeutlicht, dass die in diesem Zusammenhang durchgeführte anfängliche Prü- Für die Durchführung der Screening-Prüfung werden fung nicht mit der vollständigen Verträglichkeitsprüfung zu hinreichende Informationen sowohl zum jeweiligen NEEI- verwechseln ist; hier geht es nur um die Berücksichtigung Projekt als auch zu den möglicherweise betroffenen Natura hinreichender Informationen, um entscheiden zu können, 2000-Gebieten benötigt: ob bei einem Plan oder Projekt erhebliche Auswirkungen zu erwarten sind.15 Informationen zum Projekt: L Daten zur geografischen Lage von Abbaugebieten der NEEI Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer erheblichen und der für Natura 2000-Gebiete relevanten Infrastrukturen Auswirkung L Nähere Angaben zu Umfang und Gestaltung der Abbauge- Eine Verträglichkeitsprüfung ist nur für solche Pläne und biete und der betreffenden Infrastrukturen Projekte erforderlich, die [ein Gebiet oder eine Art] „… erheb- lich beeinträchtigen könnten ...“ L Informationen zu sämtlichen Tätigkeiten, die in den ein- zelnen Phasen des jeweiligen Projektzyklus (d. h. in der Bei dieser anfänglichen Untersuchung ist zu beachten, dass Bauphase, während der Fördertätigkeit und in der Phase der Schwerpunkt zunächst auf der Ermittlung der „Wahr- der Stilllegung) zu erwarten sind. scheinlichkeit“ potenziell erheblicher Auswirkungen liegt. Bei der anfänglichen Untersuchung steht also das Vorsorgeprin- Bezüglich des jeweils betroffenen Natura 2000-Gebiets: zip im Vordergrund. Dies bedeutet Folgendes: Wenn Zweifel L Informationen über die Arten und Lebensraumtypen, für dahingehend bestehen, ob die Auswirkungen wahrscheinlich die das Gebiet als Schutzgebiet ausgewiesen wurde. erheblich sind, muss eine Verträglichkeitsprüfung durchge- führt werden. Diese soll sicherstellen, dass diese potenziellen L Konkrete Beschreibung des Erhaltungszustands und der Auswirkungen in vollem Umfang untersucht werden können. Erhaltungsziele für das jeweilige Gebiet. Teilweise sind die Denn: Das Fehlen von Informationen oder Daten kann nicht zur Ermittlung der voraussichtlichen, erheblichen Aus- als Begründung dafür herangezogen werden, dass keine wirkungen erforderlichen Informationen dem Standard- Verträglichkeitsprüfung vorgenommen wird! Datenbogen für Natura 2000-Gebiete sowie den Plänen für die Ausweisung und die Bewirtschaftung der Natura Die „Wahrscheinlichkeit“ potenziell erheblicher Auswir- 2000-Gebiete zu entnehmen. kungen ist vor dem Hintergrund der Erhaltungsziele, der Merkmale und der besonderen ökologischen Bedingungen 14 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 60. 15 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 61. 14 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 15
des jeweiligen Gebiets zu prüfen. Wenn Projekte wahrschein- lich den Erhaltungszielen eines Gebiets zuwiderlaufen, ist in Rede stehende Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. anzunehmen, dass sie das betreffende Gebiet erheblich Drohen umgekehrt solche Pläne oder Projekte, die für beeinträchtigen können.16 das betreffende Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu gefährden, so steht dadurch fest, dass sie dieses Gebiet > Hier ist die Einschätzung der Behörden entscheidend, erheblich beeinträchtigen könnten. Im Rahmen der vor- was wiederum für eine gut geführte Mitwirkung der ausschauenden Beurteilung der mit diesen Plänen oder Behörden von Anfang an spricht. Projekten verbundenen Wirkungen ist deren Erheblich- keit, … namentlich im Licht der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des von diesen Plänen oder Wahrscheinliche Auswirkungen Projekten betroffenen Gebietes zu beurteilen.“ (Sache In dieser Phase sind zunächst wahrscheinliche Auswir- C-127/02, Randnummern 46-48) kungen auf das betreffende Gebiet zu ermitteln. Festzu- stellen ist, welche Bestandteile der biologischen Vielfalt (Lebensräume, Arten, ökologische Prozesse) wahr- Untersuchung potenzieller kumulativer Wirkungen scheinlich betroffen sein werden; dabei ist die jeweilige Empfindlichkeit gegenüber den geplanten Maßnahmen Screening-Prüfungen sollten stets im Kontext zu berücksichtigen. Risiken oder Wirkungen sind nach durchgeführt werden: dem Vorsorgeprinzip zu ermitteln. Wenn eine vorläufi- Dies bedeutet, dass bei Screening-Prüfungen Pläne und ge wissenschaftliche Risikobewertung hinreichenden Projekte auch in Zusammenwirkung mit anderen Projekten Anlass zu Zweifeln hinsichtlich etwaiger erheblicher zu untersuchen sind. So ist es beispielsweise durchaus mög- Auswirkungen bietet, ist eine Verträglichkeitsprüfung lich, dass ein einzelnes NEEI-Projekt keine erheblichen Aus- durchzuführen. wirkungen besitzt; die kumulativen Wirkungen gemeinsam mit anderen Plänen oder Projekten (anderen Abbaugebieten Erhebliche Auswirkungen oder sonstigen Projekten der NEEI) aber in der betreffenden In welchem Umfang Auswirkungen von Plänen oder Pro- Region möglicherweise durchaus als erheblich zu bewerten jekten, die mit der Bewirtschaftung eines Gebiets nicht sind. in Zusammenhang stehen oder für die Bewirtschaftung In welchem geografischen Rahmen diese kumulativen des Gebiets nicht erforderlich sind, für dieses Gebiet Wirkungen berücksichtigt werden müssen, hängt von den erheblich sind, hängt auch von den für das betreffende Umständen im Einzelfall und von der Größenordnung des zu Gebiet festgelegten Erhaltungszielen ab. „Drohen solche untersuchenden Plans oder Projekts ab; dabei sollte ein hin- Pläne oder Projekte, obwohl sie sich auf das Gebiet reichend großes Gebiet berücksichtigt werden, um etwaige auswirken, nicht, die für dieses festgelegten Erhaltungs- kumulative Wirkungen zu erfassen, die sich in Verbindung ziele zu beeinträchtigen, so sind sie nicht geeignet, das mit dem zu prüfenden Plan oder Projekt ergeben könnten.17 16 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 62 und 63. 17 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 63. 16 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 17
Berücksichtigung von Renaturierungsmaßnahmen bei der In der Screening-Prüfung zu berücksichtigende Screening-Prüfung Schlüsselfragen: Eine Renaturierungsmaßnahme kann sich durchaus positiv L Bestimmung des geografischen Raums, der vom auswirken. So kann sie zum Beispiel zur Verringerung der jeweiligen Plan oder Projekt berührt sein wird, und voraussichtlichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Ge- Ermittlung der wesentlichen Merkmale (Abbaume- bietes oder einer Art führen. thoden, zu gewinnende Rohstoffe usw.) Durch eine Renaturierung werden diese Beeinträchtigungen L Ermittlung aller Natura 2000-Gebiete, auf die sich der zwar voraussichtlich kaum vollständig unterbunden, aller- Plan oder das Projekt auswirken könnte; Feststellung dings könnte der Umfang der Beeinträchtigung gemindert der schutzwürdigen Interessen der jeweiligen Natura werden (z. B. durch schrittweise Wiederherstellung der 2000-Gebiete (d. h. Feststellung der Lebensräume ausgeförderten Teile des Abbaugebiets noch während des und Arten, für die die Gebiete als Schutzgebiete aus- Gewinnungsbetriebs). In diesen Fällen können Renaturie- gewiesen wurden); Ermittlung der für das jeweilige rungsmaßnahmen als Beitrag zur„Schadensminderung“ der Gebiet formulierten Erhaltungsziele Auswirkungen eines Projekts betrachtet werden.18 L Bestimmung der Arten und Lebensräume, die von Renaturierungen erfolgen häufig nicht erst nach Stilllegung den geplanten Maßnahmen erheblich betroffen sein einer Anlage, sondern sozusagen als verzahnte Maßnahmen könnten bereits bei laufendem Gewinnungsbetrieb. Ein Abbaugebiet L Analyse sonstiger Pläne oder Projekte, die einzeln könnte sich beispielsweise über 100 ha erstrecken; allerdings oder gemeinsam mit den geplanten Maßnahmen wird regelmäßig vielleicht immer nur auf einer Fläche von 20 wahrscheinlich erhebliche Auswirkungen auf Natura ha gearbeitet, und gleichzeitig werden ausgeförderte Flächen 2000-Gebiete haben könnten (wichtig ist beispielswei- wieder zurückgebaut. Wie wesentlich die Renaturierung zur se, dass alle sonstigen geplanten oder bestehenden Schadensminderung beiträgt, hängt von den jeweiligen Le- Abbaumaßnahmen berücksichtigt werden) bensräumen und Arten ab.19 L Untersuchung möglicher Wechselwirkungen zwi- Dokumentierung des Ergebnisses der Screening-Prüfung schen dem im Planprojekt vorgesehenen Maßnahmen (einzeln und gemeinsam mit anderen Plänen oder Die Screening-Prüfung ist rechtlich vorgeschrieben. Deshalb Projekten) und den schutzwürdigen Interessen sowie sollten die Beweggründe für die endgültige Entscheidung den zugrunde liegenden ökologischen Funktionen über die Notwendigkeit einer Verträglichkeitsprüfung aufge- und Prozessen zeichnet und mit hinreichenden Informationen belegt werden. Dies ermöglicht eine eindeutige Rechtfertigung der getroffe- nen Entscheidung. Zeigt sich am Ende von Phase 1, dass erhebliche Auswir- kungen auf das betreffende Natura 2000-Gebiet nicht als 18 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 87. wahrscheinlich zu betrachten sind, braucht das Verfahren 19 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 87. nicht weiter fortgesetzt zu werden.20 20 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 64. 18 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 19
5.3. Phase 2 des Erhalts seltener und bedrohter Arten und Lebensraum- typen von europäischem Interesse) untersucht werden soll. Verträglichkeitsprüfung (Eigentliche Außerdem impliziert der Begriff der „Verträglichkeit“ den FFH-Verträglichkeitsprüfung) Anspruch, dass am Ende der Untersuchung eine fundierte Nachdem entschieden wurde, dass eine Verträglichkeitsprü- Entscheidung stehen soll. Wenn die Gründe der endgültigen fung vorzunehmen ist, sind detailliertere Informationen zu Entscheidung über die Genehmigung des Plans oder Pro- erfassen. Diese sollten eine objektive Bewertung der Art der jekts aus den Aufzeichnungen über die Untersuchung nicht zu erwartenden Auswirkungen und ihrer Folgen im Hinblick eindeutig hervorgehen, wird die Prüfung diesem Anspruch auf die Erhaltungsziele sowie auf die im betreffenden Gebiet nicht gerecht. vorkommenden Arten und Lebensraumtypen ermöglichen. Auf diese Weise kann geprüft werden, ob das betreffende Ge- biet als solches (d. h. die Integrität des betreffenden Gebiets) nicht beeinträchtigt wird. In der Praxis wird die Verträglichkeitsprüfung häufig ein sich wiederholender Prozess mit stufenweiser Verbesserung der Projekte sein. Je nach Ergebnis der Prüfung sollten die Behörden daher auch untersuchen, ob Maßnahmen der Schadensminderung getroffen oder Beschränkungen aufer- legt werden können, um die zu erwartenden Auswirkungen zu verhindern oder so zu beschränken, dass das Gebiet nicht beeinträchtigt wird.21 Der Schwerpunkt der Verträglichkeitsprüfung sollte da- her zum einen ausdrücklich auf den Arten und/oder Le- bensraumtypen, für die das betreffende Gebiet als Natura 2000-Gebiet ausgewiesen wurde, und zum anderen auf den möglichen Auswirkungen des jeweiligen Projekts auf dieses Gebiet liegen. Dabei sollten auch alle indirekten Auswirkun- gen auf diese Arten und/oder Lebensraumtypen berück- sichtigt werden (Auswirkungen auf benötigte Ökosysteme, ökologische Prozesse usw.).22 In erster Linie bedeutet der Begriff der „Verträglichkeit“ somit, dass bei der Prüfung die Vereinbarkeit mit dem Zweck der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie (d. h. dem Ziel 21 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 57 und 58. 22 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 64. 20 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 21
Schritte bei der Durchführung der Verträglichkeits- prüfung aus dem Leitfaden der EU-Kommission Maßnahmen der Schadensminderung Beschreibung des zu un- tersuchenden Gebiets Diese Maßnahmen sind im Zusammenhang mit Bergbau- L Natura 2000-Gebiet tätigkeiten als solche technisch machbaren Lösungen zu L Von Projektmaßnahmen verstehen, die am wenigsten schädlich für Lebensräume und betroffene Gebiete Arten sowie für die jeweiligen Natura 2000-Gebiete als solche sind; dies gilt insbesondere dann, wenn keine alter- Konsultation: nativen Flächen verfügbar sind. Maßnahmen der Schadens- Zuständige minderung sollten sich an den Erhaltungszielen der jeweili- Ermittlung der Erhaltungs- Behörden und gen Gebiete und an den Bestandteilen orientieren, von denen ziele des Gebiets Interessen- die Integrität des jeweiligen Schutzgebiets abhängt.23 vertreter Berücksichtigung von Renaturierungsmaßnahmen bei der Verträglichkeitsprüfung Ermittlung der in der Prü- Renaturierungsmaßnahmen sind bei der Verträglichkeits- fung zu berücksichtigenden Lebensräume und Arten prüfung zu berücksichtigen, wenn sie als Schadensminde- Analyse der Empfindlichkeit rung gewertet werden können.24 der Arten gegenüber Pro- Vorhandene In der Verträglichkeitsprüfung wird analysiert, ob sich das jektmaßnahmen, Ermittlung Informationen, Projekt nachteilig auf ein Natura 2000-Gebiet als solches der in den Projektgebieten Verzeichnisse, auswirken könnte. Hierbei wird auch der Beitrag berücksich- befindlichen Lebensräume Erhebungen tigt, den Renaturierungsmaßnahmen zu den Maßnahmen der Schadensminderung insgesamt leisten könnten. Dieser Informa- Beitrag ist im Einzelfall unter Beachtung etwa der folgenden tionen Untersuchung der Aus- maßgeblichen Aspekte zu ermitteln: über wirkungen auf natürliche L Erhaltungsziele des Natura 2000-Gebiets, die durch das andere Lebensräume und auf Ar- Abbauprojekt beeinträchtigt werden könnten, Pläne ten sowie auf ökologische und Strukturen und Funktionen L Art und Dauer des Projekts und der voraussichtlichen Projekte nachteiligen Auswirkungen, des Umfangs der jeweils im Gewinnungsbetrieb bearbeiteten Fläche, der Konzeption und zeitlichen Gestaltung des Renaturierungsprogramms Entwicklung von Prä- Konzept- durch die laufende Bewirtschaftung im Rahmen des Pro- ventions- und Abschwä- monitoring gramms usw.25 chungsmaßnahmen 23 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 71 und 72. Ermittlung der Auswirkun- 24 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 88. 25 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 87. gen auf ein Gebiet 22 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 23
Für Natura 2000-Gebiete muss der wichtigste Maßstab men geschaffen werden, und die Arbeiten können zeitlich so dafür, ob Renaturierungsmaßnahmen die Anforderungen an gestaltet werden, dass das abgetragene Material sofort auf Maßnahmen der Schadensminderung bei der Verträglich- Flächen in der Umgebung ausgebracht werden kann, auf keitsprüfung erfüllen, in jedem Fall der Nachweis sein, dass denen es zur Renaturierung genutzt wird.27 das Gebiet als solches (d. h. die Kohärenz der ökologischen Struktur und Funktion der Fläche innerhalb des gesamten Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen bei der Gebiets) erhalten bleibt. Verträglichkeitsprüfung Die folgenden Kriterien müssen erfüllt sein, um feststellen Im Allgemeinen sind Ausgleichsmaßnahmen als Erhal- zu können, dass eine Renaturierungsmaßnahme zum Erhalt tungsmaßnahmen außerhalb des jeweils beeinträchtigten der Integrität eines Gebiets beiträgt: Gebiets zu bezeichnen, mit denen – ergänzend zu Schadens- minderungs- oder Wiederherstellungsmaßnahmen auf dem 1. Die Renaturierungsmaßnahme hat die jeweils beeinträch- betreffenden Gebiet – unvermeidlichen Schäden begegnet tigten Lebensräume und/oder Arten (d. h. die Wieder- werden soll.28 Hieran schließt sich folgende Fragestellung herstellung des betreffenden Lebensraumtyps und der an: Inwieweit werden diese Maßnahmen bei Natura 2000 Populationen der betreffenden Arten) zum Gegenstand. berücksichtigt? 2. Die Renaturierungsmaßnahme ist auf den betroffenen Der Leitfaden führt zu diesem umstrittenen Thema aus, Bereich gerichtet. dass Ausgleichsmaßnahmen zur Förderung der biologischen 3. Die Renaturierungsmaßnahme muss zu einer erheblichen Vielfalt wohl nicht als Maßnahmen der Schadensminderung Verringerung der Dauer, des Umfangs und der Intensität gemäß der Habitat-Richtlinie gewertet werden. Sie können der nachteiligen Auswirkungen führen. Diese Verrin- aber als Kompensationsmöglichkeiten gemäß Artikel 6 Ab- gerung muss in einem kurzfristigen Zeitrahmen noch satz 4 der Habitat-Richtlinie bewertet werden, siehe unten.29 während des Gewinnungsbetriebs erzielt werden.26 Die NEEI unternimmt beträchtliche Anstrengungen bei der Durchführung von Renaturierungsplänen mit dem Ziel der Wiederherstellung ursprünglicher Lebensräume und Populationen auf Abbaugebieten. Die Einbeziehung von Renaturierungsmaßnahmen in den laufenden Gewinnungs- betrieb und in die ständigen technischen Arbeiten an einem Steinbruch ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Beim stän- digen Abbau von Gestein, beim Abtragen von Erde und beim Deponieren von Abraum können geeignete Landschaftsfor- 27 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 89. 28 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 91. 26 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 88. 29 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 92. 24 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 25
Schlussfolgerungen der Verträglichkeitsprüfung Nun sind die zuständigen nationalen Behörden an der Reihe: Diese entscheiden aufgrund der in der Verträglichkeitsprü- fung gezogenen Schlussfolgerungen bezüglich der Auswir- kungen eines Plans oder Projekts auf das jeweilige Natura 2000-Gebiet, ob es zu einer Genehmigung der betreffenden Pläne oder Projekte kommt. Diese wichtige Entscheidung kann jedoch erst getroffen werden, nachdem sichergestellt wurde, dass die Pläne oder Projekte die betreffenden Gebiete als solche nicht beeinträchtigen. Wenn festgestellt wird, dass bei rationaler Betrachtungsweise und aus wissenschaftlicher Sicht eindeu- tig erkennbar ist, dass nachteilige Auswirkungen auf die betreffenden Gebiete nicht zu erwarten sind, dann ist eine L Die nachteiligen Auswirkungen müssen durch die Einfüh- Genehmigung der betreffenden Pläne oder Projekte durch rung entsprechender Maßnahmen verhindert werden; die zuständige Behörde möglich. L Während der Phasen der Einrichtung, des Betriebs und Können jedoch bei vernünftiger Betrachtungsweise aus wis- Stilllegung von Anlagen werden bestimmte Auflagen senschaftlicher Sicht nachteilige Auswirkungen auf die vom eingehalten, um nachteilige Auswirkungen zu unterbin- zu prüfenden Plan oder Projekt betroffenen Gebiete nicht den oder zumindest auf einen Umfang abzuschwächen, ausgeschlossen werden, muss die zuständige Behörde die bei dem das Gebiet als solches nicht mehr beeinträchtigt Einbeziehung weiterer Maßnahmen der Schadensminderung wird.31 fordern, mit denen gewährleistet ist, dass bei vernünftiger Die Verträglichkeitsprüfung und die Schlussfolgerungen der wissenschaftlicher Betrachtung keine Zweifel mehr daran Prüfung sollten ordnungsgemäß dokumentiert werden. In bestehen, dass die jeweiligen Pläne oder Projekte nicht mit diesem Zusammenhang sollte die Verträglichkeitsprüfung Beeinträchtigungen der betreffenden Gebiete einhergehen:30 hinreichend detailliert sein, um deutlich zu machen, wie die zuständige Behörde zu ihrer endgültigen Entscheidung gelangt ist und aus welchen wissenschaftlichen Gründen die Entscheidung getroffen wurde. Dies wird in der Entschei- dungspraxis des EuGH bestätigt.32 31 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 27. 30 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 76 und 77. 32 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 77. 26 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 27
5.4. Phase 3 te ihrer Mitteilung: „Die Rohstoffinitiative – Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäf- Ausnahmeregelung, wenn keine Alternativ- tigung notwendigen Gütern“35, die berücksichtigt werden lösungen vorhanden und zwingende Gründe können. des überwiegenden öffentlichen Interesses Damit finden Aspekte der Sicherstellung der Versorgung gegeben sind (Art. 6 Abs. 4 FFH RL) unserer Wirtschaft mit heimischen Rohstoffen Eingang in Wenn den nachteiligen Auswirkungen des Projektes nicht die Abwägung und sind zu berücksichtigen.36 durch Abschwächungsmaßnahmen begegnet werden kann, Damit die Bedingungen gemäß Artikel 6 Absatz 4 der müssen die Behörden realistische Alternativlösungen zu Habitat-Richtlinie erfüllt sind, müssen die zuständigen natio- den jeweiligen Plänen oder Projekten untersuchen. Wenn nalen Behörden die Genehmigung von Plänen und Projekten Alternativlösungen nicht möglich sind, können die Behörden mit der Auflage verbinden, dass die genannten zwingenden in Ausnahmefällen nach Ermessen darüber entscheiden, ob Gründe stärker wiegen als die Erhaltungsziele, die für die ein Projekt aufgrund zwingender Gründe des überwiegenden von den jeweiligen Maßnahmen betroffenen Natura 2000-Ge- öffentlichen Interesses genehmigt wird. Bei einem positiven biete definiert wurden.37 Ergebnis müssen angemessene Ausgleichsmaßnahmen be- In diesen Fällen muss allerdings durch geeignete Aus- stimmt und eingeführt werden, um sicherzustellen, dass die gleichsmaßnahmen sichergestellt werden, dass die globale globale Kohärenz des Natura 2000-Netzes geschützt wird.33 Kohärenz des Natura 2000-Netzes erhalten bleibt. Aus- Die zuständigen Behörden müssen eine Analyse vornehmen gleichsmaßnahmen müssen speziell auf die unausweich- und belegen, dass zum einen weniger schädliche Alterna- lichen nachteiligen Wirkungen der jeweiligen Pläne oder tivlösungen nicht möglich sind und zum anderen, dass der Projekte ausgerichtet sein.38 jeweilige Plan oder das jeweilige Projekt aus Gründen eines überwiegenden öffentlichen Interesses generell erforderlich ist. Für eine umfassende Beurteilung alternativer Vorkom- Schlüsselaspekte bei der Konzeption von men ist das Vorliegen hinreichender Informationen notwen- Ausgleichsmaßnahmen: dig. Diese sollten nicht nur über die Lage von Rohstoffvor- L Angestrebte Ziele, um unumgängliche nachteilige kommen, sondern auch bezüglich der Zugänglichkeit, der Auswirkungen zu kompensieren und sicherzustellen, Qualität und der Machbarkeit von Abbauprojekten Auskunft dass die globale Kohärenz des Natura 2000-Netzes geben. gewahrt wird Überwiegende öffentliche Interessen können die mensch- L Sicherstellen der Durchführbarkeit und Wirksamkeit liche Gesundheit, die öffentliche Sicherheit, maßgebliche der Ausgleichsmaßnahme (Berücksichtigung der günstige Auswirkungen für die Umwelt und sonstige soziale Gefahr eines Scheiterns der Maßnahme) oder ökonomische Interessen sein.34 Die EU-Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf die jeweiligen Aspek- 35 KOM(2008) 699 endgültig, SEK(2008) 2741. 36 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 81. 33 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 58. 37 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 81. 34 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 78. 38 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 78. 28 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 29
L Prüfung der technischen Machbarkeit 6. L Umfang der Ausgleichsmaßnahmen Zusätzliche Vorteile der Rohstoffgewinnung L Geografische Lage bezogen auf den Ort der für die biologische Vielfalt Beeinträchtigung L Gestaltung in einem zeitlichen Rahmen, bei dem die Beeinträchtigung aufgewogen wird Maßnahmen der Rohstoffgewinnung im Bereich des Natur- L Langfristige Durchführung schutzes, wie beispielsweise die Renaturierung, bieten eine ideale Möglichkeit, zur Verbesserung des Erhaltungszustands Berücksichtigung von Renaturierungsmaßnahmen als bestimmter geschützter Lebensräume und Arten beizutragen. Ausgleichsmaßnahmen Darüber hinaus können solche Maßnahmen die Anbindung Unter bestimmten Umständen kann die Renaturierung einer der betreffenden Flächen und Populationen innerhalb der je- Abbaufläche als Ausgleichsmaßnahme für einen anderen weiligen Gebiete bzw. auch über die jeweiligen Gebiete hinaus Standort gewertet werden. Die Renaturierung einer Abbauflä- an andere Natura 2000-Gebiete und an andere Populationen che (Projekt A) ohne nachteilige Auswirkungen auf ein Natura verbessern (Trittsteinbiotope, Biotopvernetzung). 2000-Gebiet kann bei einem weiteren Abbauprojekt (Projekt Viele solcher Arten, deren Erhaltung in der EU eine hohe B) an einem anderen Standort als Ausgleichsmaßnahmen im Bedeutung zukommt, sind infolge der derzeitigen und an- Sinne von Art. 6 Abs. 4 berücksichtigt werden. haltenden Zersplitterung von Lebensräumen gefährdet. Die Dies setzt voraus, dass die Wiederherstellung oder Renatu- Anbindung von Lebensräumen ist hierbei wesentliche Voraus- rierung der durch das betreffende Projekt beeinträchtigten setzung dafür, dass sich Arten auf der Nahrungssuche sowie Lebensraumtypen oder die Wiederherstellung oder Verbes- bei Wanderungen frei bewegen können und dass sich generell serung der Population der beeinträchtigten Arten bewältigt durch Paarung, Bestäubung und durch weitere Verbreitung würde, bevor die nachteiligen Auswirkungen des Projekts zum Erbgut mischen kann. Tragen kämen. Außerdem müssten diese Maßnahmen auf Es lässt sich feststellen, dass die intensive agrarische und geeigneten Flächen durchgeführt werden, um die Kohärenz forstwirtschaftliche Nutzung ländlicher Regionen in der EU des Natura 2000-Netzes zu wahren.39 mit dem allmählichen Verlust an naturnahen Lebensräu- men einherging. Die verbliebenen Flächen werden zuneh- Berücksichtigung von sonstigen Ausgleichsmaßnahmen mend stärker isoliert und zersplittert. Die Renaturierung Unternehmen der Baustoffe-Steine-und-Erden-Industrie von Bergwerken und Steinbrüchen ist hierbei eine wichtige führen teilweise freiwillige Maßnahmen zur Verbesserung des Möglichkeit, diesen Verlusten zumindest in Teilen etwas Erhaltungszustands maßgeblicher Arten und Lebensraumty- entgegenzusetzen. Denn durch diese Renaturierung werden pen durch. Ausgleichsmaßnahmen können dazu beitragen, die neue Lebensräume geschaffen, vorhandene Gebiete erweitert Bedingungen für Lebensräume und Arten mit häufig ungüns- und Verbindungen zwischen Lebensräumen wiederherge- tigem Erhaltungszustand in der EU zu verbessern. Außerdem stellt. Zielsetzung hierbei ist es, aus den verbliebenen Flächen besteht ein erhebliches Potenzial zur Wiederherstellung der wieder nachhaltige ökologische Netze zu schaffen. Verbindungen zwischen zersplitterten Lebensräumen und Die Wiederherstellung bzw. Schaffung neuer Lebensräume zur Verbesserung der funktionellen Anbindung durch Wieder- mit dem Ziel, die funktionelle Anbindung wiederherzustellen, herstellung von Lebensräumen auf geeigneten Flächen, wie kann je nach Art und Beschaffenheit der Lebensräume (z. B. bereits im vorstehenden Abschnitt zu Renaturierungen und hinreichende Flächen) sowie nach Lage der Lebensräume Wiederherstellungen erläutert.40 erheblich zur Verwirklichung von Erhaltungszielen beitragen.41 39 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 88. 40 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 92. 41 Leitfaden Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000, S. 89 und 90. 30 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 31
7. Gute Zusammenarbeit ist wichtig! Eine gezielte Kooperation zwischen zuständigen Behörden Zahlreiche Beispiele beweisen eindrucksvoll, wie sich eine und Projektträgern ist von enormer Bedeutung. Ist sie doch erfolgreiche Zusammenarbeit und generell erfolgreiche entscheidend dafür, dass im Einzelfall Einschränkungen Partnerschaften zwischen zuständigen Behörden, der angemessen erörtert und die jeweils besten – unter Berück- Rohstoffwirtschaft und dem Naturschutz im Hinblick auf die sichtigung der Anforderungen an Natura 2000-Gebiete – Entwicklung von Tätigkeiten der NEEI in der gesamten EU Lösungen gefunden werden können. Die regionalen Behör- gestalten können. den spielen hier bei der Bestimmung der rechtlichen und verwaltungstechnischen Bedingungen für Maßnahmen der BBS-Industrie eine wichtige Rolle. Bei der FFH-Vorprüfung und der FFH-Verträglichkeitsprü- fung sind auch frühzeitige und regelmäßige Konsultationen (d. h. noch vor Stellung eines Antrags) der zuständigen Behörden in hohem Maße hilfreich. Projektträger sollten ihre Konzepte möglichst frühzeitig mit allen Beteiligten erörtern. Die Mitwirkung zuständiger Behörden bei der Prüfung von Plänen und Projekten im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Verträglichkeitsprüfung kann von entscheidender Be- deutung sein. Denn diese Behörden sind grundsätzlich in der Lage und verpflichtet, hilfreiche Informationen zur Verfügung zu stellen, die in dieser Phase zu berücksichtigen sind. Sollten detaillierte Studien und Untersuchungen vor Ort zur Ergänzung vorhandener Daten für eine Verträglichkeits- prüfung erforderlich sein, so sind diese Studien in einem zwischen den zuständigen Behörden, den Regulierungsbe- hörden, Unternehmenvertretern, NRO (Nichtregierungsor- ganisationen) und der Öffentlichkeit vereinbarten Rahmen durchzuführen. Darüber hinaus kann eine gute Zusammenarbeit zwischen Projektträgern, Umweltschutzbehörden und NRO bei der Prüfung von Maßnahmen der Schadensminderung (sowie gegebenenfalls von Ausgleichsmaßnahmen) förderlich sein. Die Entwicklung von Partnerschaften mit geeigneten Orga- nisationen kann somit insgesamt sämtliche Parteien darin unterstützen, die jeweilige Sachlage besser zu begreifen und geeignete Maßnahmen zu konzipieren. 32 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 33
8. Deutsche Fallstudien aus dem Natura 2000-Leitfaden der EU-Kommission Uhus in deutschen Steinbrüchen Bei Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung von Uhu- Beständen sind die folgenden besonderen biologischen Nutzung: Steinbrüche Merkmale zu berücksichtigen: Land: Deutschland Zu schützende Lebensräume/Arten: Bubo bubo L Uhus brüten von Mitte Januar bis Ende März. L Die Jungtiere schlüpfen ab April in einem Zeitraum von Der Uhu ist die größte aller europäischen Eulenarten und vier Wochen. wird in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie als zu schützende L Die Aufzucht der Küken erstreckt sich von Mai bis Juli. Art genannt. Uhus nisten in waldreichen Felsregionen, in unzugänglichen Gebirgen und an Felshängen; in Deutsch- L Die Jungtiere verlassen ihre Eltern im August/September. land leben Uhus inzwischen meist in Steinbrüchen, die ihnen L Diese Zeiträume können sich je nach Region und Witte- günstige Nistmöglichkeiten bieten. Dies hat ein deutsches rung verschieben. Rohstoffunternehmen und eine Naturschutzorganisation L Viele Uhus kehren regelmäßig zu einem einmal gewählten zur Herausgabe einer Broschüre bewogen, in der bewährte Horst zurück. Verfahren zum Schutz des Uhus in Steinbrüchen u. a. mit Quelle: Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V., Berlin, NABU, Naturschutzbund den folgenden Empfehlungen beschrieben werden: Deutschland, Bonn. 2007; Betreiber von Steinbrüchen sichern den Lebensraum von Uhus http://www.gips.de/organisat/bvgips/publik/uhu-flyer/Gips_FlyerUhu_BBS_LDIN6S.pdf. L In Steinbrüchen, in denen Gestein nicht gesprengt, son- dern hydraulisch gebrochen wird, sind die von Uhus be- nötigten Strukturen seltener anzutreffen. Zum Ausgleich können Betreiber von Steinbrüchen künstliche Nistgele- genheiten schaffen. L Sogar bei Sprengungen sind Maßnahmen zum Schutz des Uhus möglich. Die Betreiber von Steinbrüchen können nämlich dafür sorgen, dass das Material nicht plan abgetragen wird, sondern dass bis zu 2 m tiefe Nischen verbleiben. Je mehr Nistmöglichkeiten vorhanden sind, desto leichter verkraften Uhus den Verlust eines früheren Horsts infolge der fortschreitenden Abbaumaßnahmen. L Uhus kehren regelmäßig zu ihren Brutgebieten zurück. Gebiete, von denen bekannt ist, dass sich dort Horste befinden, können von der Abbautätigkeit ausgenommen werden. Ausgeförderte Steinbrüche oder im Zuge von Abbaumaßnahmen entstehende Gesteinshalden können als Sperrgebiete gekennzeichnet werden, um vorhande- ne Horste zu schützen. Menschen sollten diese Gebiete meiden, um die Vögel nicht zu stören. 34 Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. Leitfaden Rohstoffabbau in Natura 2000-Gebieten 35
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