Rückblick auf das Jahr 2016
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Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 Rückblick auf das Jahr 2016 2016 war angefüllt mit Veranstaltungen, Projekten und länderübergreifenden Ko- operationen, die im Folgenden knapp skiz- ziert werden. Allein die Kraft reichte nur für einen Newsletter im vergangenen Jahr, doch das wollen wir wieder ändern. Foto: Thomas Biller, Mustin Sonderausstellungen Liebe Leserinnen und Leser! Vier spannende Sonderausstellungen Am 2. Dezember 2016 überreichte Birgit konnten wir 2016 präsentieren. Am Jah- Hesse, Ministerin für Bildung, Wissen- resanfang zeigten wir ein Kooperations- schaft und Kultur in M-V, unserem Ver- projekt der Gleichstellungsbeauftragten einsvorsitzende Dr. Erik Gurgsdies einen der Städte Lübeck und Wismar. Die Wan- Förderbescheid über 458.000,- Euro. In derausstellung „25 Jahre Mauerfall – was den nächsten zwei Jahren sollen damit Frauen bewegt(e)“ porträtiert 12 Frauen eine neue Dauerausstellung und ein barri- mit ihren Erfahrungen und Wünschen, erefreier Zugang zu allen Etagen des aber auch den unterschiedlichen Wahr- GRENZHUS entstehen. Dafür reicht die nehmungen des Einigungsprozesses. Im Summe allerdings nicht aus, aber weitere April/ Mai präsentierten Schüler vom Fördergelder sind uns in Aussicht gestellt. Gymnasium Gadebusch ihre Ergebnisse Jetzt laufen die konzeptionellen und pla- eines fächerübergreifenden Projektes zur nerischen Arbeiten, in Archiven wird re- Erinnerung an die innerdeutsche Grenze cherchiert und ein genauer Zeitplan zur und die deutsche Teilung. Unter fachliche Umsetzung der Maßnahme muss entwi- Begleitung von Renate R. Schürmeyer ent- ckelt werden. standen große und kleine, aber immer Die Erfolge und Unterstützungen in den anregende Kunstobjekte. letzten Jahren sind uns Ansporn, die neu- en Herausforderungen anzunehmen, weil sie den Museumsstandort GRENZHUS langfristig attraktiver machen, die päda- gogische Arbeit im Haus verbessern und damit die Erinnerung an die innerdeutsche Grenze im öffentlichen Gedächtnis veran- kern. Alles Gute für 2017 wünschen Ihnen Robert Paeplow Dr. Andreas Wagner Ausstellungseröffnung 18 Fluchtorte Sprecher des Projektleiter Grenzhus Eine dritte Sonderausstellung widmete Freundeskreises sich 18 exemplarischen DDR-Fluchtfällen, 1
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 die zwischen Ratzeburger See und Boizen- übergreifenden Aktion „Dörfer zeigen burg stattfanden. Aufbauend auf einem Kunst“. Rechercheprojekt von zwei Hamburger Am 24. Juli konnten wir unter dem Dach- Lehrern entstand die Idee, die Fluchtorte geschoss eine wunderbare Fotoausstel- anhand von Fotografien aus den Ermitt- lung mit dem Titel „Naturbegegnungen“ lungsakten der Staatssicherheit vorzustel- eröffnen. Mitgliedern der Gesellschaft len. Das Engagement des ehemaligen Leh- Deutscher Tierfotografen haben dieses rers und Hamburger Künstlers Erke Kur- Porträt der Natur im Biosphärenreservat mies trug ganz wesentlich zum Gelingen Schaalsee zusammengestellt. des Projektes bei. Am Jahresende startete das Gymnasium Gadebusch erneut mit einem Kunstprojekt Kunst im GRENZHUS zur Geschichte der innerdeutschen Gren- ze, dessen Ergebnisse Anfang 2017 im Im Jahr 2015 erreichte das Kunstprojekt GRENZHUS ausgestellt werden. „Schutzraum Erinnern“ der Künstlerin Re- nate R. Schürmeyer eine große öffentliche Geschichte aktiv erfahren Resonanz. Am 1. März stellten wir die ge- druckte Dokumentation des Projektes vor. Gemeinsam mit der Stadt Ratzeburg boten wir in diesem Jahr erfolgreiche sieben Radrundtouren an, an denen 190 Frauen und Männer teilnahmen. Die breite Be- richterstattung in Presse und Fernsehen trug zu der sehr guten Resonanz bei. Und gerade die Kompetenz und das Engage- ment der Tourenbegleiter machten die Fahrten zu einem echten Kulturerlebnis. Eröffnung Plakatausstellung Vom 21. Juli bis zum 4. September wurde erstmalig der Garten hinter dem GRENZHUS zum Ausstellungsraum. Das Künstlerpaar Sabine und Christian Egel- haaf entwickelte die Idee zur Plakataus- stellung „WeiterDenken. 27 Jahre nach der friedlichen Revolution“. 21 Künstler schufen Plakate zur Frage, wie sich die Abschlussbild in Dömitz Beziehungen zwischen Ost und West ver- An der Grenzradtour zwischen Herrnburg ändert haben, wie sie sich weiterentwi- und Dömitz vom 13. bis 17. Juli nahmen 25 ckeln sollen und können. Mit der Ausstel- Schüler und Erwachsene teil. Die Mi- lung beteiligten wir uns an der länder- schung aus sportlicher Herausforderung und historischer Bildung kam sehr gut an. 2
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 Das GRENZHUS und das PAHLHUUS in Zar- Aus Anlass des 55. Jahrestages des Mau- rentin waren Stationen. Die Teilnehmen- erbaus fand in Schlagsdorf am 13. August den pflegten den Gedenkort „Garten- eine landesweite Tagung statt. Spannende schläger-Eck“ bei Leisterförde. Schüler Vorträge beschäftigten sich mit dem in- vom Gymnasium in Lübz präsentierten die ternationalen Kontext des Mauerbaus. Grenzradtour auf dem Jugendgeschichts- Eine prominent besetzte Podiumsdiskussi- tag am 18. November in Schwerin. on reflektierte über die Veränderungen Wolfgang May, Mitglied im Freundeskreis, und gegenwärtigen Rahmenbedingungen entwickelte mehrere Fahrradtouren durch für die Vermittlung der Teilungsgeschich- den ehemaligen Grenzraum, die wir nun in te. unser touristisches Angebot aufnehmen. Insgesamt konnten wir 16 unterschiedli- Dazu gehört auch die bereits zwei Mal che thematische Veranstaltungen durch- erprobte Tour um den Mechower See. führen, die von über 400 Personen be- sucht wurden. Dazu zählen Ausstellungs- Öffentlich erinnern und gedenken eröffnungen, Vorträge, Lesungen und Filmpräsentationen. Wir erinnerten an Zwei große Tagungen standen 2016 auf den Tod von Michael Gartenschläger vor dem Programm: Am 4. Juni fand bereits 40 Jahren, hörten den syrischen Flüchtling zum dritten Mal der Erinnerungstag Hamza Al-Jazaeri mit seinem Bericht über „Zwangsaussiedlungen und geschleifte die Situation in Syrien und seine Flucht, Dörfer zwischen Ostsee und Elbe“ statt. diskutierten mit ehemaligen DDR- Besonderen Anklang fand ein Fotoprojekt Grenzsoldaten über die Erinnerungen an der Werkstattschule Rostock, das drei be- ihren Dienst und folgten dem Biologen teiligte Schüler-innen vorstellten. Die Ge- Matthias Hippke durch die Moore und denkveranstaltung war in Lenschow. Hecken des Biosphärenreservates. Die eigene Arbeit in den Blick nehmen Für unsere Vermittlungsarbeit suchen wir immer wieder neue Ideen und die selbst- kritische Reflexion. Am 24. November konnten wir einen Workshop zur Bil- dungsarbeit im GRENZHUS durchführen. Externe Fachleute von der Stiftung Berli- ner Mauer und dem Grenzlandmuseum Eichsfeld sowie zwei Lehrer stellten ihre Erfahrungen und Anregungen vor. Ge- meinsam nahmen wir bestehende und geplante Angebote im Grenzhus unter die Dr. Ute Licht am Gedenkstein für Lenschow Lupe. 3
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 Begegnungs- und Lernort Aktivitäten nicht möglich gewesen. Wir bedanken uns insbesondere bei der Lan- 10.453 Besucher konnten wir 2016 ver- desbeauftragten M-V für die Stasiunterla- zeichnen, darunter auch viele internatio- gen, der Landeszentrale für politische Bil- nale Gäste aus Dänemark, den Niederlan- dung M-V, dem Landkreis Nordwestmeck- den, Frankreich und Polen. Das Haus war lenburg, der Bundesstiftung zur Aufarbei- jeden Tag in der Woche geöffnet, außer tung der SED-Diktatur, dem Bildungsträger zwischen Weihnachten und Neujahr. Über Arbeit und Leben aus Schwerin, dem Job- 150 Führungen und Studientage fanden im center Nordwestmecklenburg und dem GRENZHUS statt. Einige Schulen aus den Internationalen Bund. Regionen Westmecklenburg, Herzogtum Seit dem 1. September absolviert bei uns Lauenburg und Lübeck nutzen regelmäßig Jenny Friedrich ein Freiwilliges Ökologi- unser Angebot. Begegnungen mit französi- sches Jahr. Unterstützt von der Biosphä- schen und polnischen Schülern fanden bei renreservatsverwaltung erhält sie vielfälti- uns statt. ge praktische Einblicke. Dazu gehören Die Medienwerkstatt aus Wismar nutzte Landschaftspflegearbeiten, Führungen im die Gelegenheit und drehte unter der Re- Grenzhus oder das Nandu-Monitoring. gie von Wenzel Venohr den Film „Gren- Außerdem konnten wir in diesem Jahr mit zen-Los“ über den Besuch von zwei Klas- Unterstützung des Arbeitsamtes Anne sen im GRENZHUS, der Regionalschule Meibauer aus Schlagsdorf beschäftigen. Klütz und der Stormarnschule aus Ahrens- Sie ordnet und verzeichnet das Archiv vom burg. Auf einer Lehrerfortbildung themati- GRENZHUS und brachte unser Grenzmo- sierten wir aktuelle Bezüge zur Geschichte dell wieder in Schuss. von Fluchten. Das Kollegium des Gymnasi- Andreas Wagner ums Hagenow setzte sich auf‘s Fahrrad, um den ehemaligen Grenzraum und das Grenzzwischenfall bei Wietingsbek GRENZHUS kennenzulernen. Eigene Erin- 1952 nerungen an das Leben in der DDR und die Grenzöffnung wurden wach. Die traditio- Mit der „Verordnung über Maßnahmen an nelle „Grenzwanderung“ fand dieses Jahr der Demarkationslinie zwischen der Deut- nur mit den Schülern der Rostocker Werk- schen Demokratischen Republik und den stattschule statt. Spannende Interviews westlichen Besatzungszonen Deutsch- mit Zeitzeugen, abenteuerlichen Wande- lands“ vom 26. Mai 1952 wurde eine fünf rungen und ein ambitioniertes Fotoprojekt Kilometer breite Sperrzone entlang der lassen uns neugierig auf die Arbeitsergeb- Grenze eingerichtet. Am Rand der Sperr- nisse warten. zone in Richtung Westen gab es noch ei- nen 500-Meter-Schutzstreifen sowie einen Unterstützung gepflügten 10-m-Streifen, im Westen als Todesstreifen bekannt. Ohne die Unterstützung von Förderern Wietingsbek war die letzte Ortschaft auf und Kooperationspartnern wären diese BRD-Gebiet zwischen Mechower und Lan- 4
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 kower See. Auf das Barber-Lyaschenko- ben des Bürgermeisters Sass etwa 150 m Abkommen folgte im November 1945 ein entfernt stehende Schlagbaum wurde von Gebietsaustausch zwischen britischer und der Gemeinde Ziethen an der schmalsten sowjetischer Besatzungszone. Die neue Stelle direkt über dem Bachverlauf errich- Demarkationslinie verlief am östlichen tet.“ Rand der Ortschaft Wietingsbek. Das Bar- Seit dem 23.06.1952 wurde der „Ratze- ber-Lyaschenko-Abkommen war in diesem burger Zipfel“ durch BGS Kräfte gesichert. Bereich ungenau. Was war das bewohnte Es war u.a. ein Stützpunkt hier in Wie- Gebiet von Wietingsbek, gehörte das Stra- tingsbek eingerichtet worden. Seine Stärke ßenwärterhaus dazu oder nicht? lautete 1/1/7. Am 31.07. 1952 waren im Meine Kenntnisse habe ich von einem Einsatz in der Zugbefehlsstelle in Bäk ehemaligen Grenzschützer, der dabei war. Oberleutnant Oestmann und in Wietings- Er trat im Frühjahr 1952 in den BGS ein bek Leutnant Lippert mit einer Gruppe und war dann Angehöriger der Grenz- 1/7. schutzabteilung West IV in der Waldersee- Der BGS war damals gut ein Jahr alt. Leut- straße in Lübeck. Er hat Unterlagen zum nant Lippert von der Grenzschutzabteilung Grenzzwischenfall gesammelt und später West IV aus Lübeck – Walderseestraße dem Kreisarchiv1 übergeben. Es handelt war bei den Besprechungen zwischen den sich um den späteren Präsidenten und Briten und den Sowjets dabei, um zu über- Kommandeur des GSK Küste, Diethelm setzen. Alle weiteren Deutschen waren in Brücker. Er wechselte im Oktober 1990 als der Besprechung unerwünscht. Kommandeur an das Präsidium Ost in Ber- Am 31.07.1952 hatte ein Beamter der Po- lin. lizei-Inspektion Ratzeburg festgestellt, das In einem Bericht des Grenzschutzkom- zwei sowjetische Offiziere die Grenze bei mandos West vom 03.08.1952 heißt es: Wietingsbek besichtigten. Um 14.15 Uhr „Am 28.11.45 wurde durch eine gemischte erschienen in den Häusern östlich vom Kommission der Besatzungsbehörden in späteren Grenzbach drei Offiziere der Wietingsbek das Gebiet an der Zonen- Volkspolizei mit vier weiteren DDR- grenze gegenseitig übergeben. Bei dieser Polizisten und verboten den Bewohnern, Übergabe waren der Bürgermeister von den Grenzbach zu überschreiten. Um Ziethen, Herr Sass, und einige Ortsbewoh- 15.30 Uhr verließen die Bewohner das ner, darunter der Chausseewärter Möller, Straßenwärterhaus fluchtartig. Es handel- zugegen. Die gemischte Kommission über- te sich um vier Familien mit 15 Personen, gab an der Straße Wietingsbek – Schlag- so ist es den Zeitungsberichten vom 02. brügge am Ortsrand der Gemarkung Wie- und 03.08.1952 zu entnehmen. Um 17:45 tingsbek an der Stelle das Grenzgebiet, wo Uhr hatte der stellvertretende Landrat die vor etwa 6 Wochen durch ostzonale Ver- Aufstellung eines neuen Schlagbaumes waltungsorgane ein Erdaufwurf als Stra- jenseits des Hauses angeordnet. Der bun- ßensperre errichtet worden ist. Der west- desdeutsche Ministerialdirektor Wormit wärts von diesem Erdaufwurf nach Anga- stellte fest, dass davon auszugehen sei, dass das Straßenwärterhaus zum Westen 1 Kreisarchiv Ratzeburg, 23296. 5
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 gehört und man nur der Gewalt weichen Russe protestierte und der Major erklärte, würde. es seien bereits Maßnahmen eingeleitet worden. Auf bundesdeutscher Seite orga- nisierten BGS und Landespolizei den Kräf- teeinsatz bei Normallage, dem Auftreten starker Kräfte der Volkspolizei und dem Auftreten von sowjetischen Soldaten. De- tails dazu sind in der von mir studierten Akte nicht enthalten. Um 20.15 Uhr bezogen 15 – 18 Angehöri- Foto: Wolfgang Fiedler, Ratzeburg ge der Volkspolizei Stellung an der Chaus- Die Polizei Ratzeburg besetzte den Schlag- see. Außerdem wurden drei bis vier Ange- baum mit 8 Mann und Hunden, um die hörige der sowjetischen Besatzungsmacht Besetzung der Häuser durch die VP zu erkannt. verhindern. Der stellvertretende Kom- Am 02.08.1952 eskalierte die Lage dann. mandeur der Waldersee- Grenzschützer Um 06.15 Uhr kam es erneut zu einem Quitnat ordnete an, dass die BGS – Kräfte Gespräch zwischen Leutnant Lippert und den Bach in Richtung Osten nicht über- dem russischen Oberleutnant, in dessen schreiten durften. Verlauf ein Ultimatum für 09.00 Uhr ge- Am 01.08. 1952 um 04.15 Uhr wurde der stellt wurde. Der Schlagbaum sollte bis Volkspolizeiposten auf 11 Mann verstärkt, 10.00 Uhr an die alte Stelle zurückgezogen darunter wurden zwei VP-Offiziere er- werden. Ein Hauptmann des BGS meldete kannt. Die Vertreter der britischen Besat- dies seinem Stab und erklärte gleichzeitig, zungsmacht, Resident Officer Sulivan und dass er beim Erscheinen von russischen sein Begleiter Buerges aus Lübeck, wurden Militärs die eigenen Kräfte zurückzieht, in Ratzeburg über die Lage informiert. Bei um es nicht auf einen Schusswechsel an- einem anschließenden Ortstermin wurde kommen zu lassen. die Maßnahme der Verlegung des Es wurde vereinbart, dass das Getreide auf Schlagsbaumes gebilligt. Um 11.30 Uhr der strittigen Fläche bis 10.00 Uhr geern- sprachen ein BGS–Leutnant und ein sowje- tet werden durfte. Um 09.05 Uhr wurden tischer Oberleutnant in Wietingsbek mit- russische Soldaten und Angehörige der VP einander. Beide trennten sich mit der Ver- jeweils in Zugstärke (also 30 Mann) er- einbarung, erstmal nichts weiter zu veran- kannt, MG-Stellungen wurden ausgeho- lassen, sondern die Meinung der Gegen- ben. Um 10.00 Uhr kamen dann die Kräfte seite an die zuständigen Stellen weiter zu nach vorn, voran 8 bis 10 sowjetische Offi- leiten. ziere, dann 3 VP-Offiziere, ein Zug russi- Um 17:00 Uhr kam es dann zu einem Ge- scher Soldaten und ein Zug VP-Angehörige spräch zwischen einem sowjetischen mit Waffen im Hüftanschlag. Da der letzte Oberst, der von einem Major der Volkspo- Repräsentant der Briten in der Grenzregi- lizei begleitet wurde und dem BGS- on, Brigadier Allisson, bereits Ende 1951 Leutnant Lippert. In dessen Verlauf der die Stadt Ratzeburg verlassen hatte, muss- 6
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 te ein Vertreter aus Lübeck gerufen wer- Befehlsebene der Besatzungsmächte alles den. entschieden war. GSK West hatte zwischenzeitlich britische Zwischen der Volkspolizei und dem BGS Truppen angefordert. Der russische Oberst wurde vereinbart, dass sich beide Seiten akzeptierte den Resident Officer Sulivan bis max. 40 – 50 m der Grenze nähern soll- aus Lübeck nicht, da der in Zivil erschienen ten. BGS hatte auf der Straße einen Dop- war. So schlug die Stunde des Frontier pelposten aufgestellt, um Neugierige zu- Inspection Service Captain Burges. Obwohl rückzuweisen. Leutnant Lippert stellte in es auch andere Informationen über die einem Bericht fest, dass für die vier Ge- britische Verhandlungsführung gibt, leite- meinden im Ratzeburger Zipfel keine Ge- te wahrscheinlich Captain Burges die Ver- fahr der Besetzung bestehen würde. Die handlungen auf der westlichen Seite.2 Bevölkerung beruhigte dies jedoch nicht. Auf der Straße kam es dann zu Verhand- Doch die Lage beruhigte sich in den nächs- lungen zwischen den Briten und den Rus- ten Tagen und Wochen. In einem Artikel in sen. Ein bundesdeutscher Landespolizist, den Lauenburgischen Nachrichten vom der sich einmal ins Gespräch einmischte, 04.08.1952 ist vermerkt, dass durch den wurde vom russischen Offizier darauf hin- Einsatz, unter anderem des BGS, die Fami- gewiesen, dass die Unterhaltung aus- lien noch ihre Möbel holen, 7 Morgen Ge- schließlich zwischen Russen und Briten treide abernten konnten und nur die Spät- geführt würde. In dem Gespräch ging es kartoffeln auf dem Feld zurückblieben. um die gegenseitigen Vorwürfe. Der Russe Woher diese Großzügigkeit kam, ist mir warf dem Briten vor, einseitig den Schlag- leider nicht bekannt. Auf der Verhand- baum verlegt zu haben. Der Brite warf lungsebene zwischen den Besatzungs- dem Russen vor, das umstrittene Haus mächten wurde der Fall wohl schnell zu ohne Rücksprache betreten zu haben. den Akten gelegt und die Grenzlinie lief Während des Gespräches wurde ein provi- dann entlang dem Wasserlauf zwischen sorischer Schlagbaum von der VP an der Mechower See und Lankower See, wo sie alten Stelle erneut errichtet, denn den dann bis 1990 auch war. Aus dem Büro vorher umgesetzten Schlagbaum hatte der des British Resident Office wurde der „un- Bürgermeister von Ziethen entfernt. Der glückliche Zwischenfall“ bei Wietingsbek“ Russe stellte fest, „wo Schlagbaum da bedauert. Er würde aber weiter an „höchs- Grenze“ und damit war für ihn die Lage ter Stelle bearbeitet“, so hieß es in einem klar. vertraulichen Schreiben des Herrn Sullivan Ab 12.13 Uhr entspannte sich die Lage. an den Landrat.3 Briten und Russen hatten ihr Gespräch um Es gibt ein Foto von Wolfgang Wohlfahrt, 11.40 Uhr beendet und der BGS verringer- das am 27.03.1957 veröffentlicht wurde. te die Kräfte. Man hatte sich geeinigt, die Da stand eines der Häuser östlich des Grenzsituation wie vor dem 31.07.1952 zu Grenzgrabens noch komplett. In einem akzeptieren, bis auf der Übergeordneten Artikel der Lauenburgischen Nachrichten vom 16.06.1961 wird der Abriss beschrie- 2 Dieter Melms-Liepen, Die Notzeit 1943-1950, S. 3 34. Office of British Resident Lübeck vom 28.08.52 7
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 ben. Auf einem weiteren Foto fand ich die Aufschrift „Abriss 16.06.62“. Wer das ge- schrieben hat, entzieht sich meiner Kennt- nis, es gibt also noch viel zu erforschen. Wozu das Gebäude bis zum Abriss diente, ergibt sich aus den Akten nicht. Vielleicht hat ja das 6.Grenzregiment in Schönberg etwas dazu aufgeschrieben? Wolfgang May Ratzeburger Heimatbund errichtet Informationstafeln Die Schaffung vom „Grenzparcours“ rund um den Mechower See durch das Schlags- Infotafel Wietingsbek dorfer „Grenzhus“ war der Anlass für den Die Informationstafeln enthalten detail- Ratzeburger „Heimatbund und Ge- lierte Berichte über das ungewöhnliche schichtsverein“, auf lauenburgischer Seite „Barber-Lyaschenko-Abkommen“ vom der ehemaligen innerdeutschen Grenze November 1945 mit dem folgenreichen ebenfalls verschiedene Informationstafeln Gebietsaustausch von lauenburgischen aufzustellen. Unter Federführung des His- und mecklenburgischen Grenzgebieten torikers Hartwig Fischer wurden in enger durch die englische und sowjetische Be- Zusammenarbeit mit dem Museumsleiter satzungsmacht. Die Betrachter erfahren, Dr. Wagner unter dem Motto „Gegen das dass der wunderschöne Blick auf den Rat- Vergessen“ am Parkplatz „Zur Schönen zeburger Dom und den Domsee auf die Aussicht“ in Ratzeburg/Bäk und in Wie- Abholzung vom Bäker Wald durch sowjeti- tingsbek unmittelbar am Wanderweg um sche Soldaten zurückzuführen ist. Die den Mechower See zwei großformatige dramatischen Grenzzwischenfälle der Jah- Informationstafeln errichtet. re 1951/52 und die letzte symbolische An der B 208 nahe Mustin wurde am sym- Grenzkontrolle durch den Bundesgrenz- bolträchtigen 12.11.2016 an der mecklen- schutz am 31.05.1990 in Wietingsbek burgisch-lauenburgischen Landesgrenze werden mit Bildern und erläuternden Tex- neben dem Gedenkstein zur „Deutschen ten veranschaulicht. Die Struktur der töd- Einheit“ eine doppelseitige Informations- lichen DDR-Grenzsperranlagen sowie die Stele eingeweiht. unbeschreibliche Euphorie der Grenzöff- nung in Mustin am 12.11.1989 können durch einen QR-Code abgerufen werden. 8
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 sowie die gegenwärtige Erinnerungskultur füllen den Band. Bei der Beschreibung der IM in Schleswig- Holstein gibt es nur einen groben Über- blick. Die bekannten IM um den von der Staatssicherheit erschossenen Michael Gartenschläger fehlen und es fehlt auch der im Kreis Herzogtum Lauenburg be- Einweihung der Stele an der B 208 kannte IM Harald Wallis (Deckname). Bei Die nächste Informations-Stele soll zum den IM in Dänemark wird dem Leser be- „Brückenfest“ am „Tag der Deutschen wusst gemacht, was die Hallstein Doktrin Einheit“ am 3.10.2017 an der Brücke in der Bundesrepublik auch bewirkt hat. Die Rosenhagen/Dutzow errichtet werden. DDR hatte keine legalen Residenturen in Hartwig Fischer Dänemark, keine diplomatischen Vertre- tungen und so musste alles im Geheimen Neuerscheinungen erfolgen. Hinzu kam die anfängliche Dis- tanz der Dänen gegenüber den ehemali- gen deutschen Besatzern. Aaron Jessen, u.a. (Hrg.), Grenzen über- winden: Schleswig-Holstein, Dänemark & Gut beschrieben wird der Versuch, Gäste die DDR, Husum 2016, ISBN 978-3-89876- aus Norwegen, Dänemark und Schweden 821-4. für einen Ostseeurlaub in der DDR zu wer- ben. Dies lief primär über die „Freund- Der Sammelband wendet sich primär an schaftsgesellschaften“ in den nordischen Lehrkräfte, aber ich meine, auch der nicht Ländern. Aber die Gäste hatten Ansprü- in diesem Metier beheimatete Leser, wird che. Mit der Unterbringung und der Ver- schnell gefesselt und teilweise geschockt pflegung klappte es nicht so wie ge- sein, wenn er liest, was bei einer kriegeri- wünscht. Somit blieben die großen Touris- schen Auseinandersetzung im Norden, in tenströme aus. Schleswig Holstein, Dänemark und den Der Themenkreis „Fluchtverhinderung“ Nordbezirken der DDR zwischen 1949 und über die Ostsee wird beleuchtet. Der 1990 los gewesen wäre. Neben den militä- „Langstreckenschwimmer“ wurde bereits rischen Plänen der NATO und des War- im Training beobachtet, der Kauf von Boo- schauer Vertrages (WV) wird der Einsatz ten aller Art war verdächtig, zusätzlich von Agenten/inoffiziellen Mitarbeitern der wirkten die „Grenzhelfer“ (Zeltplatzwarte, Staatssicherheit (IM) in Schleswig-Holstein Bootsverleiher etc.) in den Ostseebädern und Dänemark untersucht, aber auch der mit. Wettkampf der Städte Kiel und Rostock bis Der Kalte Krieg wurde auch über den Auf- 1976 um Segler, Geld und Besucher wird bau abschreckender Waffensysteme ge- beleuchtet. Auch Beiträge über das DDR- führt. Zwar werden Atomwaffenlagerstät- Grenzregime an der Ostseeküste, Fluchten ten in Schleswig-Holstein beschrieben, doch fehlen zur Vollständigkeit die Anga- 9
Newsletter Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf 2017/ Nr. 1 ben entsprechender Lagerstellen im Nor- Ausbürgerung und ihre Folgen für die den der DDR. Die strategischen Planungen DDR-Gesellschaft von Kampfhandlungen im Ernstfall ma- chen das mögliche Ausmaß der Zerstörun- 18. März, 11.00 Uhr, Zeitzeuge der Protes- gen erschreckend deutlich. te gegen die Biermann-Ausbürgerung: Wie erinnert man sich heute an die inner- Vortrag und Gespräch mit Heiko Lietz deutsche Grenze? Nahezu alle Sperranla- gen nördlich der Elbe wurden abgerissen Mitte März Mandy Palme/Dr. Jan Kostka – und dennoch finden sich unterschiedliche Vorstellung der Publikation über die Toten Erinnerungsorte. Sie werden im letzten an der innerdeutschen Grenze Beitrag in ihrer Entwicklung dargestellt. Sie alle tragen dazu bei, dieses Kapitel der 22. April, 11.00 Uhr, Lesung Thomas Rauf- Geschichte besser zu begreifen. eisen, Der Tag an dem uns Vater erzählte, Jedes der Kapitel ist mit einer pädagogi- dass er ein DDR-Spion war. schen „Handreichung“ versehen. Es sind Quellentexte vorhanden und Fragen, die 13. Mai, 11.00 Uhr, Eröffnung der Sonder- zur Diskussion gestellt werden können. Da ausstellung „Geschleifte Dörfer“ ebenfalls die Hinweise auf weiterführende Literatur nicht fehlen ist dies ein guter 19. Mai, 19.00 Uhr, Vortrag Dr. Wolf Karge Leitfaden zur Unterrichtsgestaltung bzw. (Schwerin), Die ungeklärte Elbgrenze als zur Verbesserung des eigenen Wissens. Instrumentalisierung im Kalten Krieg Wolfgang May 21. Mai: Internationaler Museumstag: Termine 1. Halbjahr 2017 Fahrradtour zu den Spuren der innerdeut- schen Grenze 14. Januar, 11.00 Uhr, Eröffnung der Schü- lerausstellung „Die innerdeutsche Grenze 17. Juni, 11.00 Uhr, Dr. Jens Schöne (LStU erinnern“ mit Herrn Ingolf Litzner, Schul- Berlin) – Der 17. Juni auf dem Lande (an- leiter Gymnasium Gadebusch gefragt) 2. Februar, 19.00 Uhr, Film in der Diskus- 8. Juli, 11.00 Uhr, Vortrag Dr. Wolf Karge, sion: „Über das Meer – Die Flucht des Er- Zur Geschichte der Stintenburg zwischen hard Schelter“ (D 2011, Regie: Arend Kriegsende und Mauerbau Agthe) Kontakt 11. Februar, 11.00 Uhr, Eröffnung der Freundeskreis Grenzhus Schlagsdorf Sonderausstellung „Der Mut der Wenigen. c/o Grenzhus Schlagsdorf Protest-Repression-Solidarität“ über die Neubauernweg 1 Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976, 19217 Schlagsdorf Dr. Robert Grünbaum (Bundesstiftung Tel.: 038875/20326 Aufarbeitung) – Die Biermann- Email: info@grenzhus.de 10
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