Rundbrief Herbst 2014 - www.bund-deutscher-kunsterzieher-nrw.de - Bund deutscher Kunsterzieher NRW
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Rundbrief Herbst 2014 Fachverband für Kunstpädagogik Landesverband Nordrhein-Westfalen www.bund-deutscher-kunsterzieher-nrw.de
Rolf Niehoff Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sicherlich haben Sie in den BDK-Mitteilungen 3/14 schon gele- staltungen werden Fragen stehen, die sich auf eine Auseinan- sen, dass auf der Hauptversammlung des BDK im März dieses dersetzung mit angewandten Gestaltungen im Kunstunterricht Jahres in Essen eine Beitragsanhebung zum Januar 2015 be- beziehen. schlossen wurde. Der Jahresbeitrag für Vollzeitbeschäftige er- höht sich ab 2015 von 64 auf 74 €, für Teilzeitbeschäftige und Ruheständler von 45 auf 54 €. Für Studierende und Referen- dare betragen die Jahresbeiträge hingegen auch ab 2015 wei- terhin 18 bzw. 30 €. – Nach zehnjähriger Stabilität musste der allgemeine Kostenanstieg durch eine Beitragsanhebung aufge- fangen werden, um den Fachverband auf Landes- und Bundes- ebene weiter handlungsfähig zu erhalten. Eine differenziertere Begründung für diesen Schritt finden Sie auf Seite 49 der BDK- Mitteilungen 3/14. Dieser Rundbrief Herbst 2014 enthält einen ausführlichen Be- richt von Elfi Alfermann über die am 21. Mai 2014 bundesweit durchgeführte Aktion des BDK zur Situation des Kunstunter- richts. In unserem Bundesland hatten sich zahlreiche Schulen daran beteiligt. Die Aktion fand bei Schülern, Lehrern anderer Fächer und auch Eltern Verständnis und Unterstützung. Auf der Homepage des BDK unter http://www.bdk-online.info/blog/ca- tegory/aktuelles können Sie sich mittels ausführlicher Berichte auch über die Mai-Aktivitäten in anderen Bundesländern infor- mieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie diesen Rundbrief erst nach der Fachtagung erhalten, die am 29. Oktober 2014 in der Düsseldorfer Akademie stattfand. Die Einladung mit dem Ta- gungsprogramm hatten Sie im September per Post erhalten. Über diese Tagung, die wiederum in Kooperation mit der Didak- tik der Bildenden Künste an der Kunstakademie Düsseldorf ge- plant und durchgeführt wurde, wird im Rundbrief Frühjahr 2015 berichtet. Titelfoto: Im letzten Rundbrief Frühjahr 2014 hatte ich schon darauf hin- gewiesen, dass der Vorstand des BDK NRW gemeinsam mit Jörg Grütjen; Schüler der Klasse 6f der UNESCO-Schule Kamp- Prof. Jochen Krautz für 2015 einen Kunstpädagogischen Tag an Lintfort zeichnen das „Aquamobil“ (1982) von Gottfried Gruner der Universität Wuppertal vorbereitet. Im Zentrum dieser Veran- (1923-2011). 2 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
Rückblicke Kunst ist dann mal weg! Ein kurzer Rückblick auf die bundesweite Aktion des Faches Kunst von Elfi Alfermann „Heute hab ich am Museum Folkwang eine Lehrerfortbildung tion „Bildung braucht Bilder“ informiert. Insbesondere die Mu- mitgemacht - von neun Kolleginnen waren zwei ausgebildete siklehrer haben sich mit unserer Aktion solidarisch erklärt und Kunstlehrerinnen, die anderen sieben unterrichteten fachfremd vermissen eine ähnliche Aktion seitens ihres Faches.“ (Claudia (an Grund- und Hauptschulen) ... Das spricht doch wohl Bände, Rottländer) oder?“ Allerorts bestätigen uns Kollegen und Kolleginnen wie hier Beate Klenner den bundesweiten Mangel an ausgebildeten Überzeugungsarbeit in Neukirchen-Vluyn: „Die Schülerinnen Lehrerinnen und Lehrern für das Fach Kunst. und Schüler des Julius-Stursberg Gymnasiums sammelten 167 Deshalb hatte der BDK zum UNESCO-„Welttag der kulturel- Unterschriften für den Erhalt und Ausbau des Faches Kunst als len Vielfalt für Dialog und Entwicklung“ zu einer Protestaktion Regelunterricht in allen Schulformen. Die Appelle wurden NRW- aufgerufen. Zahlreiche Schulen in NRW beteiligten sich an die- Bildungsministerin Sylvia Löhrmann zugesandt.“ (E.A.) ser bundesweiten Aktion unter dem Motto „Kunst ist dann mal Grundschulen beteiligten sich kaum an unserer Protestaktion. weg!“ Führt man sich vor Augen, dass gerade innerhalb der Grund- „Wir leben in einer Bild-Kultur. Schule muss dem gerecht wer- schule der eklatanteste Mangel an ausgebildeten Kunstlehre- den! Die Bedeutung der Bilder als Informationsträger und Aus- rinnen festzustellen ist, wird klar: Wer sollte sich hier auch stark drucksmittel hat in den letzten Jahren durch die digitalen Me- machen für einen qualifizieren Kunstunterricht? An Grundschu- dien nochmals stark zugenommen. Die Bedeutung des Faches len aber mit qualifizierten Kunstlehrerinnen, wie zum Beispiel Kunst dagegen scheint in den Augen der Bildungspolitiker, Gabriele Grote an der Theodor-Fliedner-Grundschule in Lank, Schulleitungen und der Elternschaft eher abzunehmen. Die fanden kreative Protest-Aktionen statt, die vor allem Eltern Lage des Faches Kunst ist besorgniserregend!“ (Karl Bon- überzeugten, sich für den Kunstunterricht als Regelunterricht gartz) einzusetzen: Haufenweise wurden Protest-Postkarten an unse- Leere und zugehängte Vitrinen, verhüllte Bilder und Skulpturen. re Bildungsministerin Sylvia Löhrmann verschickt. So sah der Protest am Gymnasium Adolfinum (Moers) aus. Mit In verschiedenen Presseorganen wurde über unsere Aktionen der Verhüllungsaktion weisen die Schülerinnen und Schüler so- berichtet. Die Schülerinnen und Schüler waren dabei sehr enga- wie Kunstlehrerinnen und Kunstlehrer auf den eklatanten Fach- giert, weil es um eine Sache geht, die ihnen persönlich wichtig kräftemangel im Fach Kunst hin. Dabei sieht es am Gymnasium ist. Vor allem aber konnten wir auch große Teile der Elternschaft Adolfinum trotz sehr großer Engpässe im Vergleich zu anderen auf die Problematik des Kunstunterrichts aufmerksam machen. Schulen sogar noch relativ gut aus. „Wenn man sich die Da- Insgesamt können wir also zufrieden sein mit den bisherigen tenerhebung des BDK (Fachverband für Kunstpädagogik) an- Ergebnissen unserer Proteste. Auch zukünftig wird der Landes- schaut, gewinnt man fast den Eindruck, dass das Fach Kunst verband BDK-NRW wird in dieser Angelegenheit nicht locker bundesweit systematisch an den Rand gedrängt werden soll. lassen. Wichtig wird sein, die Eltern und ggf. auch außerschu- Wer hat ein Interesse daran?“, fragt sich der Kunstlehrer Kai lische Partner noch stärker in unser bildungspolitisches Enga- Dinkelmann. gement einzubeziehen. Auf politischer Ebene müssen wir Für- Am Elternsprechtag waren alle Bilder im Dietrich-Bonhoeffer- sprecher und Mitkämpfer für unsere Anliegen gewinnen. Gymnasium (Hilden) abgehangen. Auf einer Lehrerkonferenz wurden die Kolleginnen und Kollegen schriftlich über die Ak- BDK NRW Rundbrief Herbst 2014 3
Rückblicke Aktion am Fabritianum Krefeld. Bilder wurden verhangen und mit Denkanstößen überklebt. Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (Hilden) Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (Hilden) Gymnasium Adolfinum Julius-Stursberg Gymnasium Neukirchen-Vluyn (Moers) 4 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
Rückblicke Julius-Stursberg Gymnasium (Neukirchen-Vluyn) BDK NRW Rundbrief Herbst 2014 5
Rückblicke Philosophie im schulischen Kunstunterricht – wozu? Chancen der Begegnung zweier Fachkulturen - Fachtagung am 10. April 2014 in Münster - Ein Tagungsbericht von Jörg Grütjen Wie können fruchtbare Begegnungen der beiden Unterrichtsfä- So weit dieser Exkurs zur Auflistung möglicher Funktionen cher Kunst und Philosophie angeregt werden? Könnte eine phi- von Kunst. Ein Nachdenken über diese hier skizzierten, unter- losophische Auseinandersetzung als ein Teil der Beschäftigung schiedlichen Funktionen von Kunst könne im Unterricht helfen, mit Kunst nicht auch sehr lohnend sein? ein anregendes Gespräch über Kunst in Gang zu setzen, so Al- So lauteten die zentralen Fragestellungen und Anregungen für fermann. Kunstunterrichtende, wie sie bei der Einführung in die Tagung formuliert wurden von Elfi Alfermann (BDK-NRW; Julius-Stur- Ein Camaro statt ein Chevrolet Citation: Fehler in der Kunst sberg-Gymnasium, Neukirchen-Vluyn). Die gemeinsame Ta- Philosophie-Professor Dr. Reinold Schmücker von der Universi- gung der beiden Schulfächer in Münster bewies: Nicht nur für tät Münster erörterte ein auf dem ersten Blick skurril wirkendes das Fach Kunst kann es lehrreich sein, sich mit Philosophie zu Thema, jedenfalls für Menschen aus dem Gebiet der Kunst: beschäftigen; auch umgekehrt gilt Vergleichbares für das Fach Fehler in der Kunst. Philosophie in der Konfrontation mit künstlerischen Gegenstän- Kunstwissenschaftler betrachten Kunstwerke etwa nicht als den. etwas, was Fehler haben kann, sondern als etwas, das es zu erklären gilt. Das nennt Schmücker die „Fehlervergessenheit“ Funktionen von Kunst moderner Ästhetik. Er schildert ein Beispiel, bei dem man von Elfi Alfermann wies im Rahmen ihrer Einführung in die Tagungs- einem Fehler in einem Kunstwerk sprechen könnte: Der kana- thematik auf die verschiedenen Funktionen von Kunst hin. Sol- dische Fotokünstler Jeff Wall hat ein Großleuchtbild von 1988 che Funktionen der Kunst benennt etwa der Münsteraner Phi- im Jahr 2004 überarbeitet; das Werk hat den Titel „An Eviction“ losophieprofessor Reinold Schmücker. Die Liste möglicher (Großbilddia in Leuchtkasten, 229x414 cm, bayerische Staats- Funktionen, Gebrauchsformen und gesellschaftlicher Rollenzu- gemäldesammlungen). weisungen an Kunstwerke und das System der Kunst ist lang; In Ergänzung zu Reinhold Schmücker sei dieses Beispiel kurz diese soll hier ergänzend zu den Ausführungen Alfermanns skiz- erläutert. Bei dem Foto ist in leichter Vogelperspektive ein ty- ziert werden: Zu nennen ist die ursprünglich religiöse Kultfunk- pisch nordamerikanischer Vorort abgebildet. Dargestellt ist eine tion von Kunst, die Gedenk- und Erinnerungsfunktion oder der Zwangs-Wohnungsräumung, so der Hinweis des Titels. In der schmückend-dekorative Gebrauch von Kunst. Allgemein spie- ersten Fassung von 1988 parkt rechts im Vordergrund ein kan- len die gesellschaftlich sozialen Funktionen von Kunst, etwa tiger, hellblauer Chevrolet Citation (etwa Baujahr 1979 bis 1985), zur Erlangung oder Präsentation von Sozialprestige, eine Rol- ein fünftüriges Schrägheck-Mittelklasse-Modell. Neben einigen le. Aber auch die emotional entlastenden Ausdrucksmöglich- wenigen Figuren wird 2004 von Jeff Wall dieses Automodell vor- keiten bzw. die psychologische Funktion bei der Gestaltung ne rechts ersetzt: Jetzt parkt hier ein flotter weißer Sportwagen, oder Betrachtung von Kunstwerken sind wichtig. Kunst kann ein Chevrolet Camaro (etwa Baujahr 1979 bis 1990). aber auch der Erkenntnis dienen oder sie übernimmt politische Schmücker argumentiert nun so: Ein Arzt könne einen Kunstfeh- Funktionen, etwa zur Selbstdarstellung und Statussicherung ler machen, weil sich im professionellen Feld kooperative Stan- der Mächtigen; aber im Gegenzug kann Kunst auch für Kritik dards entwickelt hätten. Ein Künstler ist jedoch nicht Standards und Infragestellung bestehender Verhältnisse gebraucht wer- verpflichtet; er könne einsam und frei über seine Gestaltungsak- den. Nicht zu vergessen sind die abbildende Funktion und die tivitäten entscheiden. Nur wenn ein Künstler selbst einen Feh- ökonomischen Funktion, etwa Kunstwerke als Spekulationsob- ler einräumt, nur dann gibt es einen Fehler in einem Kunstwerk: jekte. Im Gegensatz dazu wird heutzutage oft vorrangig die äs- etwa bei der nachträglich als unpassend empfundenen Darstel- thetische Funktion von Kunst zentral gesetzt, etwa Kunstwerke lung eins bestimmten Automodells auf einem Kunstfoto. als Objekte der ästhetischen Erfahrung. Insgesamt gilt jedoch: Gegenüber der bildenden Kunst bilden allerdings Werke der Ar- Je nach Betrachter und Kontext kann ein künstlerisches Werk chitektur oder des Films Ausnahmen, weil hier arbeitsteilig und verschieden genutzt werden, im positiven Sinne, oder eben in mehreren Phasen produziert werde: Es gebe etwa im Internet auch funktionalisiert werden. Jeff Wall „An Eviction“ 1988; rechts vergleichbar Jeff Wall „An Eviction“ 2004 6 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
Rückblicke Fanziska Hesse Auflistungen von über 60.000 Fehlern im Film, meistens Konti- Beziehungen können somit als das eigentliche „Produkt“ gel- nuitätsfehlern (siehe Wikipedia unter „Filmfehler“). ten. Aber Künstler besitzen ein „Fehlerprivileg“: Sie können Fehler Für Siegmund gehört Respekt im Umgang mit der Öffentlich- im Werk aus der Welt schaffen, indem sie diese als gewollt er- keit zum Handwerkszeug des künstlerisch partizipatorischen klären. Der Künstler ist es letztlich, der entscheiden kann, was Arbeitens; als Künstlerin habe man sich als jemand zu zeigen, ein Fehler ist und was nicht. Denn es gibt keine allgemein fest- der sich selbst verunsichern lasse durch Andere – und nicht als gelegten ästhetischen Standards, die für Werke zeitgenös- jemand, der Fremden deren Probleme erklärt! Man könnte sa- sischer Kunst festlegen könnten, was als Fehler gelten soll. gen, die Organisation solcher Lektüre-Runden und die Teilnah- Denn die Künstler hätten das Privileg, selbst die Standards fest- me an den Arendt-Lesetreffen sind genau das, was die Philoso- zulegen, die für ihr Werk jeweils gelten sollen – ein quasi gesetz- phin propagierte: ein politisches Handeln wahrscheinlich ganz geberischer Akt! Künstler ist, wer in der Lage ist, seinen Händen im Sinne von Hannah Arendt, nämlich als gesellschaftliche Ak- ein Gesetz zu geben, so die pathetische Formulierung Schmü- tivierung. Siegmund gelang es offensichtlich bei den Leserun- ckers. Deshalb sei die Autonomie der Kunst also letztlich die den in Weißenfels, Menschen dazu zu bewegen, öffentlich über Autonomie des Künstlers. Relevantes zu sprechen. Das Wagnis der Aktivierung ist poli- tisches Handeln par excellence: Kunst als Möglichkeitsraum Relevant Lebensbedeutsames in den Mittelpunkt stellen der Selbstermächtigung und der exemplarischen Partizipation. und Aktivierung Darin liegt auch der Vorbildcharakter des Projektes für den Phi- Die Künstlerin und Kunstphilosophin Prof. Dr. Judith Siegmund losophie- und Kunstunterricht: Beide Fächer können in ihren (Universität der Künste Berlin) arbeitet seit den 1990-er Jahren vielleicht besten Momenten relevant Lebensbedeutsames der an partizipativen Kunstprojekten. Sie stellte auf der Münstera- Lernenden in den Mittelpunkt der schulischen Auseinanderset- ner Tagung beispielhaft ein Projekt zum Thema Arbeit vor. zung stellen. Solche Projekte von Judith Siegmund können ex- Als künstlerische Tätigkeit veranstaltete Siegmund mit Bewoh- emplarisch für die Zielperspektive der Tagung gelten, als eine nern aus Weißenfels Leseseminare zum Begriff der Arbeit bei gelungene Synthese aus Philosophischem und Künstlerischem. der Philosophin Hanna Arendt. Die Leute kamen aus verschie- Im sich anschließenden Gespräch wurde in Münster deutlich: denen sozialen Schichten; über Arbeit in Weißenfels zu spre- Kunst wird oft als „das Besondere“ und als individuell prak- chen, ist brisant: Denn diese 40.000 Einwohner-Arbeiterstadt, tische Tätigkeit definiert; Kunst gilt als Ort des Ungewissen in Sachsen-Anhalt zwischen Halle und Leipzig gelegen, ist von ohne vollständige Tatsachengewissheit. Bei Kunst wird oft pri- massiver De-Industriealisierung mit damit einhergehender Ar- mär das Dynamische betont, sie könne Veränderung bewirken. beitslosigkeit betroffen. Aber man kann auch im Besonderen stecken bleiben, ohne es Das Lesen von ausgewählten Textstellen aus Arendt-Schrif- durch Begriffsbildung als Allgemeines erklärbar gemacht zu ha- ten und das sich damit verbindende Diskutieren zu Begriffen ben. Als Domäne der Philosophie gilt dagegen oft das Allgemei- wie Arbeit, Hersteller oder Handeln ist keine bloß akademische ne, die Suche nach Gewissheit. Das gibt der Philosophie den Übung; in den besten Momenten werden bei den Treffen kon- Charakter von etwas Statischem, ohne Impuls zur Veränderung. kret zentrale gesellschaftliche Werte und Begriffe verhandelt Eine Gemeinsamkeit von Kunst und Philosophie liegt aber im worden sein, die die Menschen in der Region beschäftigen. Bri- weiten Themenbereich: Man kann sich in beiden Feldern sozu- sant ist die Begriffsbildung von Hanna Arendt wohl auch des- sagen mit Allem beschäftigen, die unterschiedlichen Herange- halb, weil ihr Gebrauch der Begriffe oft quer zu gängigen, etwa hensweisen können sich komplementär ergänzend befruchten. zu journalistischen oder soziologischen Vorstellungen steht. Siegmund dokumentiert solche Aktivitäten als künstlerische Ar- Darf und soll Kunst eine „Zumutung“ sein? beit etwa durch die Präsentation kleiner Interview-Filme auf Mo- Für den Philosophiedidaktiker Prof. Dr. Christian Thein aus nitoren; Texte werden dazu auf Pulte ausgelegt. Zu betonen ist: Mainz darf und soll Kunst eine „Zumutung“ sein; denn Kunst Nicht diese sich anschließende Dokumentation in Form einer beinhaltet oft stark moralisch ethische Implikationen. Das sei Rauminstallation mit Videos und Texten ist als das eigentliche gut für den Unterricht, so Thein. Er stellte sich und die Zuhö- Kunstwerk zu würdigen, sondern die Aktivitäten in den Köpfen rerschaft drei Leitfragen: Darf Kunst das? Darf Kunst alles? der Menschen – in Weißenfels und bei den Betrachtern der Do- Darf Kunst etwas nicht? Zu ausgewählten Moralschockern aus kumentation. Solche philosophisch künstlerischen Treffen ak- Künstlerkreisen der Vergangenheit und Gegenwart sollte das tivieren Beziehungen zwischen den Beteiligten untereinander Tagungs-Publikum jeweils per Fragebogen selbst Position be- und/oder den verhandelten Thematiken; diese neu gestifteten ziehen. Die Kunstbeispiele waren von dieser Art: BDK NRW Rundbrief Herbst 2014 7
Rückblicke „200 Euro pro Portion: Künstler serviert seinen Penis - Die ja- Die Dosis erhöhen: von Blickbremsen und Sinnketten panische Polizei ermittelt gegen einen Künstler, der bei einem Die Kunst- und Philosophie-Lehrerin Heike Hilderink aus Ham- Happening seine eigenen Genitalien serviert hat. Sugiyama hat- burg hat viel Sinn für Wort- und Sprachwitz. Das zeigte sich te sich bei einer Operation die Genitalien entfernen lassen und schon im Titel ihres Beitrags: „Dingstoff, Logikloch, Blickbrem- zwei Monate lang eingefroren. Im Mai servierte er seine mit Pe- sen, Sichtwechsel, Flickzeug, Sinnketten über Sprachlücken tersilie und Pilzen zubereiteten Geschlechtsteile bei einem Hap- - Kunst im Auge, Philo bei Fuß“. Dazu präsentierte sie reich pening in Tokio an Gäste, die pro Portion umgerechnet 200 Euro bebilderte und unterhaltsame Beispiele aus der gymnasialen zahlten. Seine Aktion begründete der Maler, der sich selbst als Schulpraxis. „asexuell“ definiert, mit seinen hohen Arztkosten und mit dem Auch Hilderink betonte die Gegenüberstellung von bildlicher Kampf um mehr Aufmerksamkeit für sexuelle Minderheiten.“ Anschaulichkeit in der Welt der Kunst im Vergleich zur sprach- Im Jahr 2001 wird über den österreichischen Aktionskünstler lich abstrakten, begrifflichen Diskursivität der Philosophie. Aber Künstler Flatz (Jahrgang 1952) berichtet: zwischen den beiden Fächern sieht sie auch einige strukturelle „Künstler lässt tote Kuh vom Hubschrauber explodieren ... Am Gemeinsamkeiten: Als Grundlage beider Unterrichtsfelder sieht 19. Juli wird ein Gegenwartskünstler eine mit pyrotechnischen sie persönlich Relevantes; man könne seinen eigenen, oft völ- Stoffen gefüllte, echte, aber schon tote Kuh über der Backfabrik lig unhinterfragten Gedankenhaushalt gerade im Vergleich und in der Prenzlauer Allee in Berlin von einem Hubschrauber fallen in Kontrastierung zu den Ideen, Einfällen und Vorstellungs- lassen. Die Kuh wird dann beim Aufprall explodieren. Während welten anderer, etwa der Mitschüler, in den Blick bekommen. dieser Aktion wird der kopfüber an einem Baukran hängende Weitere Gemeinsamkeiten der beiden fachlichen Herangehens- nackte Künstler von der Berliner Philharmonie mit einem Walzer weisen liegen im Sich-Wundern-Können über Alltagsbeobach- begleitet werden.“ tungen oder in der Infragestellung scheinbar unumstößlicher Vor, während und nach der sich anschließenden Mittagspau- Wahrheiten. Wege dazu sind oft eine Verlangsamung oder Fo- se sorgten weitere Beispiele für lebhaften Gesprächsstoff: kussierung der Wahrnehmung, ein Perspektivwechsel oder ein Ein Künstler aus Costa Rica namens Guillermo Vargas lässt ergebnisoffenes Experimentieren in der Sprache oder mit bild- in einer Galerie einen Hund öffentlich verhungern – die Be- nerischem Material: „Wenn man die Deckfarben mit Mineral- sucher hätten ihn ja befreien oder füttern können (so „Spie- wasser mischt, entstehen dann beim Malen Punkte?“ So eine gelonline“ am 22.10.2007). Im Rahmen eines seit 2004 jähr- Frage von Mirek aus der Klasse 6b. Oder ein Achtklässler grü- lich veranstalteten Kunst-Festivals in Enschede („Gogbot: belt: „Eventuell führen alle anderen Menschen vor mir nur ein ART+MUSIC+TECHNOLOGY“) wird 2013 ein Pornofilm auf ei- Theaterstück auf.“ Auch produktive „Lücken“ können zu neu- ner Kirchenwand gezeigt. Oder 63 Nackte tanzen in einem Git- en und überraschenden Sinnketten führen, wie man es in der terkäfig für den Tierschutz (Dezember 2013 in München). Oder Welt der Kunst etwa von dem Prinzip der Collage kennt: Es er- Damien Hirst lässt erneut einen Haifisch vor Australien fan- geben sich plötzlich neue Zusammenhänge, wenn man „Kurz- gen und töten; denn die Formaldehyd-Lösung bei seinem be- schlüsse“ in der Sprache wie beispielsweise Versprecher oder rühmten Hai-Exponat aus dem Jahr 1991 mit dem prägnanten Lautähnlichkeiten probeweise ernst nimmt. Werktitel „The Physical Impossibility of Death in the Mind of So- Fazit: „Beide Fächer befreien aus engen Wahrnehmungstunneln meone Living“ war nicht professionell angerührt worden – das und von linearen Denkgleisen. Es gilt, das eigene Wahrnehmen Ausstellungsstück vergammelte allmählich, ein Ersatzexemplar wahrzunehmen, neue Zugriffe im Denken zu erproben, um so musste her. Aber auch schon früher gab es aufregende Künst- neue Sichtweisen als sinnstiftend entdecken zu können. Da- ler; Caravaggios Leben (1571 bis 1610) und für viele damit auch bei muss das jeweilige Denkmedium, ob als bildnerische Mittel seine Kunst war lange ein einziger Skandal: Fast mythisch wur- oder als grammatikalische Sprache, jeweils neu ausgelotet wer- den die Erzählungen von seinem rebellischen und gewalttätigen den. Kooperieren die beiden Fächer, ist die Gesamtdosis hö- Charakter: Er wurde wegen seiner Homosexualität beschimpft, her!“, so Heike Hilderinks Schlussappell. eine Neigung zu Jünglingen wurde ihm unterstellt, außerdem wurde er wegen Totschlags verfolgt. Dagegen sind aktuell Ver- Für Kunstunterrichtende gab die Tagung eine Menge Impulse unglimpfungen des Papstes durch die Zeitschrift „Titanic“, Kurt für überraschende Sichtweisen auf unser Fach und seine Ge- Westergaards Mohammed-Karikatur, ein Hitlergruß von Jona- genstandsbereiche. Die philosophischen Herangehensweisen than Meese oder die Fleisch und Blut-Exzesse als Kunst von regten zu Fragen an, die man sich im Fach Kunst sonst nicht Hermann Nitsch doch bloß Bubenstreiche ... gestellt hätte; das stachelt durchaus neue Unterrichtsideen an. Also: Dürfen Galerie-Besucher zuschauen, wie ein Hund einen Davon wünscht man sich mehr. Hungertod erleidet? Dürfen bzw. sollen Kunst- oder Philoso- phielehrer solche Kunst zeigen? Es ist gut, im Unterrichtsge- spräch eine starke Kontroverse zu schaffen. In den Köpfen der Schüler sollen Fragezeichen stehen! Um ein eigenes Urteil zu bilden, braucht man Extrembeispiele, so der Didaktik-Professor Thein. Außerdem würden die Beispiele die Kulturabhängigkeit von Normen anschaulich machen. Elfi Alfermann berichtete im Anschluss von ihrem Unterricht, der die Verbindung der Fächer Kunst und Philosophie kultiviert (si- ehe die Tagungsankündigungen im Rundbrief Herbst 2014 (S. 12-14) und Frühjahr 2014 (S. 18)). 8 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
Rückblicke BDK NRW Rundbrief Herbst 2014 9
Rückblicke Tagungsbericht Didaktische Logiken des Unbestimmten Professionalisierungsprozesse in der Lehrerbildung im Fokus ästhetischer und künstlerischer Bildung Die Tagung „Didaktische Logiken des Unbestimmten – Profes- sionalisierungsprozesse in der Lehrerbildung im Fokus ästhe- tischer und künstlerische Bildung“ fand im Mai diesen Jahres auf Initiative und unter der Organisation von Prof. Dr. Birgit En- gel und Katja Böhme, M.A., aus dem Fachbereich der Kunstpä- dagogik an der Kunstakademie Münster statt. Als Referenten_innen waren vertreten: Prof. Dr. Birgit Engel (Münster), Prof. Dr. Kristin Westphal (Koblenz-Landau), Prof. Dr. Carl-Peter Buschkühle (Gießen), Prof. Dr. Andreas Brenne, Anna Stern und Ruppe Koselleck (Osnabrück), Stefan Hölscher (Münster), Antje Dalbkermeyer (Münster), Katja Böhme (Mün- ster), Prof. Dr. Maria Peters (Bremen) und Prof. Dr. Karl-Josef Pazzini (Hamburg). Über zwei Tage boten die Beiträge der Referent_innen unter- schiedliche Zugänge und Ansichten zum Thema der Lehrerpro- fessionalisierung, die der Titel der Tagung mit einem Gegensatz beschreibt, der ein vermeintliches Paradoxon darstellt. Hierbei kommt dem Logos des Ästhetischen als spezifische Dimension des Lernens und der Erfahrung und als Modus einer anderen Vernunft eine Bedeutung zu. Performativität und Differenz er- scheinen dabei als sinnvolle Orientierungen, um einen offenen Raum zu schaffen. So wurde im Kontrast zur Ergebnisorientie- rung eine Prozessorientierung dem Werkbegriff gegenüber ge- stellt. Was kann die Kunstpädagogik und speziell das Künstlerisch- Ästhetische in pädagogischen Prozessen leisten? Aus der Per- spektive verschiedenster Fachdisziplinen und wissenschaft- licher Theorien einerseits, aber auch aus der Praxiserfahrung künstlerisch-produktiver Prozesse andererseits, näherten sich Pädagog_innen verschiedener Institutionen, freischaffende Künstlerinnen und Künstler sowie Studierende diesem Themen- komplex. Bei all den verschiedenen Ansichten, Ansätzen und Perspektiven bildete sich während der Abschlussdiskussion am Ende der Tagung doch ein Konsens heraus, welcher sich ent- schieden gegen zu festgelegte Strukturen und Muster wandte und für die Freiheit des Raums und die Instabilität als Bildungs- chance plädierte. Eva Eßer und Malte Frey // Fotos: Sujin Seo 10 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
Stellungnahme Der weitere Weg mit den Kernlehrplänen Kunst Axel Sohnius (Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule) (Fortsetzung, siehe Rundbrief Frühjahr 2014) Der Zeitpunkt für eine Fortsetzung des Artikels aus dem letz- legs wieder und wird als „Zwei-Säulen-Modell“ bezeichnet. Sie ten BdK-Rundbrief ist günstig. Ich bedanke mich beim Fach- bedeutet nicht, dass Unterrichtsplanung diese beiden Bereiche verband Kunstpädagogik NRW für die Möglichkeit, die Aus- in getrennten Stundenanteilen berücksichtigen soll, sondern führungen vom Frühjahr nun zu ergänzen. Der aktuelle Anlass dient vor allem der Abbildung einer fachlichen Struktur, die ko- besteht darin, dass nun alle Bestandteile des Abiturs 2017 vor- gnitive Prozesse und fachliche Gegenstände zunächst getrennt liegen. Dies betrifft den Kernlehrplan Kunst für die gymnasiale darstellt, um sie in Form von Kompetenzerwartungen zusam- Oberstufe, aber auch den Kernlehrplan Kunst für den zweiten menzuführen. Bildungsweg an Abendgymnasien und Kollegs. Die dritte Kom- Die für das Lernen im Fach Kunst typischen kognitiven Prozesse ponente bilden die Vorgaben für das Abitur 2017, die auf die der Produktion und der Rezeption sind grundsätzlich gleichartig beiden Lehrpläne abgestimmt wurden und seit kurzem zugäng- im Vergleich zwischen Sekundarstufe I und II, erhalten jedoch lich sind. eine Vertiefung in der Ausrichtung auf das Abitur und sind durch Mit dem Kernlehrplan Kunst für die gymnasiale Oberstufe an höhere Reflexionsanteile gekennzeichnet. „Produktion“ als ko- Gymnasien und Gesamtschulen (kurz GOSt) wird für Schüle- gnitiver Prozess kann nicht einfach gleichgesetzt werden mit rinnen und Schüler, die im Schuljahr 2014/15 in die gymnasi- dem Herstellen von Bildern. Das würde bedeuten, dass Unter- ale Oberstufe eintreten, die curriculare Grundlage für ihren Bil- richtsgestaltung im Fokus des Lehrplans stehen würde. Genau- dungsgang gelegt, der im Jahr 2017 zum Abitur führen wird. so wenig kann „Rezeption“ mit Bildbetrachtung gleichgesetzt Gleichzeitig wurde für den zweiten Bildungsweg ein Kernlehr- werden. Produktive und rezeptive Anteile können und müssen plan Kunst in Kraft gesetzt, der für die Studierenden an Abend- parallel entwickelt werden, sowohl bei der Gestaltung von Bil- gymnasien und Kollegs den Bildungsgang regelt, der eben- dern als auch bei deren Wahrnehmung und Deutung. So kann falls 2017 mit dem Abitur abschließt (kurz: WbK). Das Ziel eines ein wichtiger Schritt der Bilderschließung die Anfertigung von gleichwertigen Abiturs im ersten und zweiten Bildungsweg wird Farbauszügen oder Skizzen zum Bildaufbau sein, also produk- damit möglich gemacht. Bei unterschiedlichen Ausgangslagen tive Prozesse zur Vertiefung rezeptiver Kompetenzen. Ebenso der Schulformen und daher methodischer Offenheit in der Er- können im bildfindenden Dialog, der produktive Kompetenzen reichung des gewünschten Kompetenzstands soll es gelingen, entwickelt, wichtige Schritte rezeptiv angelegt sein, wenn die gleiche Abituraufgaben zu lösen. Grundlage dafür und dritte erreichte Wirkung einzelner Bildmittel oder deren Zusammen- Komponente in diesem Zusammenspiel bilden die Abiturvorga- wirken überprüft wird, indem der Produzent zum Rezipienten ben 2017. Das erste Abitur nach den neuen Kernlehrplänen im seines eigenen Werks wird und seine eigenen Bildintentionen Jahr 2017 liegt in seiner Obligatorik somit vollständig vor. vor dem Hintergrund der Wirkung evaluiert. Auch die Gegenstandsbereiche des Faches sind grundsätz- lich die gleichen in den beiden Sekundarstufen, was sich im Aufgreifen der Inhaltsfelder aus der Sekundarstufe I ausdrückt, die sich auch in den Plänen wiederfinden, die den Bildungs- gang bis zum Abitur beschreiben. Bildgestaltung und Bildkon- zepte trennen analytisch fachliche Aspekte, die in Kunstwer- ken eng aufeinander bezogen und miteinander verknüpft sind. Auch sie sind nicht als Unterrichtsblöcke zu verstehen, was sich darin ausdrückt, dass die exemplarisch vorgeschlagenen Un- terrichtsvorhaben der schulinternen Lehrpläne immer auf bei- de Inhaltsfelder gleichermaßen bezogen sind. Bildgestaltung, zu verstehen als die Summe fachlicher Aspekte, die sich auf Bilder als physische Objekte beziehen, wird in der Darstellung der Lehrpläne von der Ebene der Bildkonzepte getrennt, um die Kompetenzen strukturiert darstellen zu können. Bildkonzepte beziehen sich dabei auf Bilder als geistige Konstrukte. Atelierbesuch Die produktiven und rezeptiven fachlichen Prozesse durchdrin- gen die fachlichen Gegenstände der Bildgestaltung und Bild- Das Zwei-Säulen-Modell konzepte, wenn sich bei Lernenden die aufgeführten Kompe- Die Grundstruktur der Lehrpläne Kunst konnte aus den vier bis- tenzen ausbilden. Grafisch kann dieses Zusammenwirken wie her vorliegenden Kernlehrplänen (Sekundarstufe I an Gymna- folgt dargestellt werden, wobei neurobiologisch und lernpsy- sien, Realschulen, Hauptschulen und Gesamtschulen) auf die chologisch gesehen die beiden Kompetenzbereiche und die gymnasiale Oberstufe und den zweiten Bildungsweg übertra- beiden Inhaltsfelder simultan vertieft und erweitert werden. gen werden. So wird auch hier zwischen den fachtypischen Prozessen und Gegenständen unterschieden. Diese grundsätz- liche Unterscheidung findet sich in allen 35 Fächern der gym- nasialen Oberstufe und allen 25 Fächern der Weiterbildungskol- BDK NRW Rundbrief Herbst 2014 11
Stellungnahme Visualisierung des offenen Bildbegriffs Über diese auch bereits werkimmanent erschließbaren Aspekte von Bildern hinaus gibt es im Inhaltsfeld Bildkonzepte zwei wei- tere inhaltliche Schwerpunkte, die eher unter Einbeziehung werkexterner Informationen erschlossen werden können. Der inhaltliche Schwerpunkt der Bildkontexte umfasst die biogra- fische, soziokulturelle und historische Bedingtheit von Bildern sowie stilgeschichtliche und ikonologische Bezüge. Aspekte wie z.B. dokumentierende, appellierende oder irritierende Inten- tionen von Bildern, abbildhafte und nicht abbildhafte Darstel- lungsformen, wie auch Methoden der Motiv- und Bildfindung werden im inhaltlichen Schwerpunkt Bildstrategien themati- siert. Wieder gilt es festzuhalten, dass diese Untergliederung Einige der Kontinuitäten im Vergleich zum Lehrplan GOSt der fachbezogenen Inhalte keine Auflistung von Unterrichtsge- 1999 genständen darstellt. Beispiele zur sinnvollen Verknüpfung die- Zieht man zum Vergleich nicht die neuen Kernlehrpläne der Se- ser Schwerpunkte innerhalb von Unterrichtsthemen bietet der kundarstufe I heran, sondern den Lehrplan für die gymnasiale exemplarische schulinterne Lehrplan einer fiktiven Schule, der Oberstufe aus dem Jahr 1999, so finden sich auch hier Bezugs- im Lehrplannavigator zweimal ausgewiesen ist. Dieser ist einer- punkte. Denn auch der Lehrplan GOSt von 1999 bot für den seits vor dem Hintergrund spezifischer Bedingungen einer fik- neuen Kernlehrplan Orientierungen. Die Handlungsfelder von tiven gymnasialen Oberstufe ausgearbeitet. Des Weiteren findet 1999 wurden zu Kompetenzbereichen ausgearbeitet. Die vier sich der schulinterne Lehrplan eines fiktiven Kollegs vor dem fachspezifischen Lernaspekte gingen in die Konstruktion der Hintergrund der spezifischen Rahmenbedingungen des Ler- Inhaltsfelder und inhaltlichen Schwerpunkte des Kernlehrplans nens im zweiten Bildungsweg. ein. Die Anforderungsbereiche bleiben identisch und die Aufga- benarten des Abiturs haben gleiche Grundzüge wie 1999, wie weiter unten noch ausgeführt werden wird. Auch die Möglich- keit zum Ersetzen einer Klausur durch eine praktische Haus- arbeit wurde in den Kernlehrplan übernommen, eine bewährte Errungenschaft des Faches Kunst zur Überprüfung gestaltungs- praktischer Kompetenzen. Inhaltliche Schwerpunkte Die beiden künstlerischen Inhaltsfelder erhalten nach Abschluss der Sekundarstufe I einen neuen Zuschnitt durch vier inhaltliche Schwerpunkte, die diejenigen fachlichen Gegenstände aufglie- vier inhaltliche Schwerpunkte dern, die den abiturrelevanten Kompetenzen zu Grunde liegen. Diese inhaltlichen Schwerpunkte sind nicht orientiert an der Auffächerung fachlicher Domänen, sondern beziehen sich auf Der offene Bildbegriff in den Lehrplänen GOSt und WbK die für das Abitur notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Fer- Der offene Bildbegriff lässt als Gegenstandsbereich des Kunst- tigkeiten. unterrichts alle primär auf visuelle Wahrnehmung ausgerich- Voraussetzung für die Bearbeitung der Aufgaben des Zentral- teten Formen künstlerischen Ausdrucks zu. Dies kann durch abiturs ist die fachliche Methode der Strukturanalyse, die ihren eine lange Reihe künstlerischer Verfahren, Medien, Konzepte, wesentlichen Niederschlag in zwei der vier inhaltlichen Schwer- Stilrichtungen und ähnliche Versuche der Clusterbildung ver- punkte findet: Elemente der Bildgestaltung und Bilder als Ge- anschaulicht werden, wie es in den Implementationsveran- samtgefüge. Diese Gliederung bringt zum Ausdruck, dass Bild- staltungen auch der Fall war. Auffällig ist, dass die Kompeten- mittel sowohl in ihrer Einzelwirkung beschrieben und analysiert zerwartungen diese Offenheit prinzipiell dadurch widerspiegeln, werden können („Elemente der Bildgestaltung“), als auch ihr dass sie keine weiteren Aussagen zu Beispielen machen, abge- Zusammenspiel im Gesamtgefüge, das auch den Bildaufbau sehen von einer Schwerpunktsetzung in der Einführungsphase, und Aspekte wie die Gesamtkomposition in den Blick nimmt die noch zu erläutern wäre. Eine inhaltliche Fokussierung fin- („Bilder als Gesamtgefüge“). Beide inhaltlichen Schwerpunkte det sich in den Abiturvorgaben für das Jahr 2017. Für die Be- sind selbstverständlich nicht nur bezogen auf die Beschreibung arbeitung der Aufgaben im Abitur sind demnach Grafik, Malerei und Analyse von Bildern, sondern auch strukturprägend für die und Objekt/Installation relevant, angeschnitten auch der Be- Untergliederung der Kompetenzerwartungen im Bereich der reich Fotografie. Im Leistungskurs kommt die Skulptur hinzu. Bildproduktion. Aus der Liste grundsätzlich möglicher Bereiche der Kunst sind 12 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
Stellungnahme beispielsweise Architektur, Film, Design oder Konzeptkunst bis- spricht, der zu Beginn der Qualifikation an Gesamtschule und lang nicht festgeschrieben. Denkbar sind sie ohne Frage. Diese Gymnasium vorausgesetzt wird. Entscheidung bleibt den Lehrkräften überlassen. Es eröffnet sich Raum für individuelle Schwerpunktsetzungen Beispiel für die Verknüpfung von Farbe und Raumgründen der unterrichtenden Lehrkräfte, die über die durch die Abitur- aus dem Zweiten Bildungsweg vorgaben gesetzten Schwerpunkte hinaus gehen. Die Obliga- torik, die dabei zu beachten bleibt, ergibt sich aus den Kom- petenzen des Kernlehrplans. Zu prüfen bleibt, ob diese für die Qualifikationsphase auf den beiden Kursniveaus festgelegten Kompetenzen mit den individuellen Schwerpunkten der Lehr- kräfte verfolgt werden können. Weiterhin ist auch zu prüfen, ob Kompetenzen, die für die Einführungsphase formuliert worden sind, also Grundlage der Arbeit in der Qualifikationsphase sind, ausreichend aufgebaut werden konnten. In der Einführungsphase wurde, wie gesagt, im Lehrplan eine Schwerpunktbildung vorgenommen. Dabei geht es nicht um die isolierte unterrichtliche Behandlung der Bereiche Grafik, Male- rei und Plastik. Hier sind vielmehr Kompetenzen ausgewiesen, die als Grundlage für die Entwicklung der Kompetenzen in der Qualifikationsphase notwendig sind. Der Grund ist nicht etwa Der Kernlehrplan und die Abiturvorgaben das Aufgreifen klassischer künstlerischer Arbeitsverfahren. Da- Das Abitur im Fach Kunst setzt ab 2017 die erfolgreiche Kom- her ist selbstverständlich auch ein Crossover möglich oder die bination aus zentral gestellten Aufgaben mit dezentral erstellten Einbeziehung anderer Verfahren. Die Festlegung des Lehrplans gestaltungspraktischen Aufgaben der unterrichtenden Lehrkräf- bezieht sich einmal mehr nicht auf Unterrichtsthemen, sondern te fort. Diese Tradition, die das Land NRW nur dem Fach Kunst auf die Ausbildung dreier grundsätzlicher künstlerischer Kom- offenhält, wird auch mit den neuen Lehrplänen fortgesetzt. petenzteilbereiche, die der Wirkung von Linie, Farbe und der Die häufig geäußerte Befürchtung, dass neben den Kernlehr- Form im Raum sowie die des gestalterischen Umgangs mit ih- plan durch die Abiturvorgaben ein zweiter Lehrplan tritt, der den nen. Unterricht in starkem Maße reglementiert, hat sich zerstreut. Vielmehr wirken der offen gehaltene Lehrplan und die Vorga- Die Einführungsphase in GOSt und WbK be einzelner Inhalte zusammen. Eine Bezugnahme der fach- Für die gymnasiale Oberstufe sieht der Lehrplan obligatorische lichen Inhalte der Abiturvorgaben auf die inhaltlichen Schwer- Kompetenzerwartungen vor, die am Ende der Einführungspha- punkten des Kernlehrplans ist deutlich ablesbar. Bei Picassos se ausgebildet sein müssen. Demgegenüber wurde im zweiten grafischem und malerischem Werk der Jahre 1930 bis 1944 ist Bildungsweg der besonderen Rahmenbedingungen des Ler- durch die zeitliche Beschränkung auf die Zeit des Zweiten Welt- nens in dieser Schulform Rechnung getragen. Da es Schulen kriegs ein deutlicher Bezug zu den Bildkontexten des Lehrplans des zweiten Bildungswegs gibt, die statt der in der gymnasi- herstellbar. Rembrandts Grafik und Malerei eignet sich, um die alen Oberstufe zur Verfügung stehenden zwei Halbjahre mit je Elemente der Bildgestaltung in den verschiedenen Arbeitsver- drei Unterrichtsstunden nur zwei Unterrichtsstunden teils so- fahren der Grafik und Malerei aufzuarbeiten, sowie in den Bild- gar nur über den Zeitraum eines einzigen Semesters vorsehen, kontexten die bürgerliche Barockkultur aufzuzeigen. Richters kann hier nicht erwartet werden, dass die Kompetenzen bereits Porträtmalerei von 1965 bis 1990 unter Bezugnahme auf die in ähnlich ausgebaut sind wie am Ende der Einführungsphase an seinem sogenannten „Atlas“ gesammelten fotografischen Vor- Gymnasium und Gesamtschule. Daher haben die aufgelisteten lagen verweist auf seine Motivfindung und somit die Bildstrate- Kompetenzen für die Einführungsphase im zweiten Bildungs- gien des Lehrplans. weg orientierungsstiftenden Charakter. Sollten an ihrem Ende Die Abiturvorgaben sind notwendig, um inhaltliche Fokussie- nicht alle Kompetenzen ausgebildet sein, so müssen sie in der rungen in Bereichen des Kernlehrplans vorzunehmen, „da- vertieften Form, in der sie für die Qualifikationsphase aufgeführt mit alle Studierenden, die im Jahr 2017 das Abitur ablegen, sind, bis zum Abitur aufgebaut werden. Viele der Kompetenzen gleichermaßen über die notwendigen inhaltlichen Vorausset- der Einführungsphase werden in der Qualifikationsphase zu zungen für eine angemessene Anwendung der Kompetenzen Grunde gelegt und weiter vertieft, so dass die Verschiebung aus bei der Bearbeitung der zentral gestellten Aufgaben verfü- der Einführung in die Qualifikation lediglich einen weiteren Aus- gen.“ Bei aller Sinnfälligkeit, die die Abiturvorgaben zu den in- bau des bereits angelegten Kompetenzstands bedeutet, auch haltlichen Schwerpunkten des Lehrplans nahelegen, gilt es zu wenn er noch nicht dem Stand der Kompetenzentwicklung ent- beachten: Abituraufgaben können sich auf alle Kompetenzen BDK NRW Rundbrief Herbst 2014 13
Stellungnahme des Kernlehrplans für die Qualifikationsphase beziehen. „In der Abiturprüfung werden daher grundsätzlich alle Kompetenzer- wartungen vorausgesetzt, die der Lehrplan für das Ende der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe vorsieht.“ In den Kollegien sollen die Abiturvorgaben eine Diskussion aus- lösen, diese nicht lediglich als Aufforderung zum einmaligen Nachweis im schulinternen Lehrplan zu verstehen, sondern als Bausteine eines Spiralcurriculums, das Fachinhalte mit ver- schiedenen Kompetenzen in verschiedenen Lernzusammen- hängen neu verknüpft. „Die Fokussierungen können sowohl untereinander als auch mit weiteren fachspezifischen Inhalten verknüpft werden. Im Sinne der Nachhaltigkeit und des kumula- tiven Kompetenzerwerbs der Studierenden ist ein solches Ver- fahren anzustreben. Die Fachkonferenzen sollten nach Möglich- Das Verfahren: Wie entstehen Lehrpläne? keiten der Verknüpfung suchen und diese festlegen.“ Zur Entwicklung von Lehrplänen werden Kommissionen aus erfahrenen Fachlehrkräften der betreffenden Schulformen be- Aufgabenarten im Kernlehrplan rufen. Der Vorsitz liegt in den Händen der Fachaufsicht. Die Die Aufgabenarten des Abiturs wurden für den neuen Kern- Aufgabe, die für das Abitur relevanten Kompetenzen niederzu- lehrplan grundsätzlich beibehalten, aber in einer Formulierung schreiben, wird innerhalb eines gegebenen Zeitrahmens ausge- nachgeschärft. Dabei fügt sich die Aufgabenart I („Gestaltung arbeitet. Dieser Prozess des Entwerfens eines Lehrplans wird von Bildern mit schriftlichen Erläuterungen“) in die Konstruktion von den Referaten des Schulministeriums begleitet. Veröffentli- des Lehrplans nahtlos ein, da sie einen Schwerpunkt auf den cht wird die abgestimmte Entwurfsfassung, die im Rahmen der Kompetenzen im Bereich der Produktion legt. Ebenso sinnfällig gesetzlich vorgesehenen Verbändebeteiligung öffentlich dis- ist die Zuordnung des Kompetenzbereichs Rezeption zur Aufga- kutiert wird. War bis zu diesem Zeitpunkt eine Beratung durch benart II („Analyse/Interpretation von Bildern“). Das Ausschär- die Fachwissenschaft nur in Ausnahmefällen vorgesehen, so fen dieser Aufgabenart des alten Lehrplans durch drei mögliche etwa in den Naturwissenschaften bedingt durch neue Inhalte Bezüge (Einzelwerk, Bildvergleich oder verbunden mit fachlich der Fachwissenschaft, so ist sie in der Verbändebeteiligung ge- orientierten Texten) prägt die möglichen Aufgaben des Zentral- nauso erwünscht wie die von Seiten der Fachverbände, poli- abiturs genauer vor als der alte Lehrplan. Die Aufgabenart III be- tischen Parteien, Gebietskörperschaften oder auch der unter- zieht sich auf den implizit mitgedachten, aber im Lehrplan nicht richtenden Lehrkräfte. Sämtliche Einwände werden abgewogen explizit als Kompetenzbereich ausgewiesenen Bereich der Re- und notwendige oder sinnvolle Änderungen der Entwürfe im Mi- flexion über Bilder und Bildsprache. Die „Fachspezifische Pro- nisterium nochmals thematisiert, bevor die Fassung des Lehr- blemerörterung“ ist dem Leistungskurs vorbehalten und hier in plans entsteht, die von allen Seiten abgestimmt ist und in Kraft zwei Varianten vorgesehen, entweder ausgehend von fachlich treten kann. Lehrplankommissionen werden häufig mit Auto- orientierten Texten oder ausgehend von fachlich orientierten ren verwechselt. Doch können Lehrpläne nicht als Autorenpro- Texten in Verbindung mit Bildbeispielen. dukte betrachtet werden, die auf die oben beschriebene Weise in NRW entstanden sind. Verantwortlich für den Inhalt zeichnet allein der Herausgeber, in Nordrhein Westfalen das Ministerium für Schule und Weiterbildung. Kompetenzorientierte Fachdidaktik Kompetenzorientierte Lehrpläne sind entdidaktisiert. Sie füh- ren die Kompetenzen auf, die am Ende bestimmter Phasen eines Bildungsgangs (z.B. der Einführungsphase) oder an des- sen Ende erworben sein sollen (z.B. bis zum Abitur). Aussa- gen zu methodischen oder didaktischen Entscheidungen wer- den auf ein Minimum reduziert. Gleichwohl finden sich Hinweise und Beispiele zum kompetenzorientierten Unterrichten im Hin- Überprüfungsformen tergrundmaterial der Materialdatenbank (vgl. Ausführungen im Im Kapitel zur Leistungsbewertung ist ein deutlicher Schritt im letzten BdK-Rundbrief). Für die zum Abitur führenden Schul- Hinblick auf eine Standardisierung in der Leistungsüberprü- formen der gymnasialen Oberstufe und der Abendgymnasien fung vorgenommen worden. Neu im Kernlehrplan sind die so- und Kollegs werden derzeit Materialien erstellt, die sich bei- genannten Überprüfungsformen. Diese Formen werden im Un- spielsweise auf das Diagnostizieren von Lernständen zu Beginn terricht eingeübt und in allen Situationen verwandt, wenn es der Einführungsphase beziehen. Diese Materialien sollen helfen, um Leistungsfeststellung geht. Dadurch sind Lernende an For- den Unterricht langfristig auf den zentralen Bezugspunkt des men gewöhnt, in denen die erworbenen Kompetenzen von ih- Kompetenzerwerbs umzustellen. Sie besitzen keinen obligato- nen unter Beweis gestellt werden sollen. Es entwickelt sich eine rischen Charakter wie der Lehrplan und die jeweiligen Abitur- Vertrautheit mit diesen Überprüfungsformen, die sich vom Un- vorgaben. Dennoch sind Ansätze einer kompetenzorientierten terricht mit seinen Aufgabenstellungen in Leistungssituationen Didaktik hier skizziert. Interessant wäre es, mit der Fachdidak- über Klausuren bis hin zu den Abituraufgaben erstreckt. tik und Fachwissenschaft im Land NRW in einen regen Diskurs 14 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
Fortbildung einzutreten, um gemeinsam an der Aufgabe zu arbeiten, zu den geltenden Lehrplänen Ansätze einer kompetenzorientierten Kunstdidaktik zu etablieren. Eine zentrale Rolle in dieser Fach- didaktik könnte das Prinzip des Exemplarischen spielen, das an die Stelle des weit verbreiteten Prinzips treten könnte, das ich gerne als das „Prinzip des Enzyklopädischen“ gegenüberstel- le. Dieses geflügelte Wort lässt sich beispielsweise gut auf den Hang zur Ausbildung eines kunsthistorischen Orientierungswis- sens anwenden oder auch auf eine umfassende Systematik der künstlerischen Medien und Arbeitsverfahren. Fortbildungsangebot zum Thema Tiefdruck Radierkurs für den Unterricht Tagungstermine 2014: 7. + 8. November 28. + 29. November Plein-Air-Arbeit Ort: Druckwerkstatt R. Hempel, Neuss, Salzstr. 4 Druckfassungen Anmeldung und Tagungsleitung: Die Kernlehrpläne Kunst GOSt von 2013 und Kunst WbK von Rüdiger Hempel, Hymgasse 36, 40549 Düsseldorf 2014 kursieren zur Zeit in den Fassungen, die als PDF-Da- Tel: 0211/501688 - Fax: 0211/5626579 teien auf den Seiten des Schulministeriums eingestellt wurden, Mail: rh_hempel@yahoo.de um die Lehrpläne zeitnah verfügbar zu machen. Die Druckfas- sungen des Ritterbach-Verlags, die nun über den Verlag bezo- Teilnahmegebühren: gen werden können, stellen die rechtsgültigen Fassungen dar. BDK-Mitglieder 35,- EUR - sonst 45,- EUR Sie sind gründlich nach typografischen Regeln layoutet und weichen daher in der Paginierung leicht von den zum Zeitpunkt Die Anmeldung kann auch per Fax erfolgen. Sie gilt als bestä- der Inkraftsetzung verfügbaren Fassungen ab. Für Zwecke wie tigt, wenn keine Absage erfolgt und die Teilnahmegebühren den der Lehrerausbildung sollte diese zitierfähige Fassung zu spätesten drei Wochen vor der jeweiligen Tagung auf das Grunde gelegt werden. Konto eingezahlt wurden: Abschließend möchte ich mich noch einmal beim Verband für Rüdiger Hempel - Postbank Köln - BLZ: 37010050 Kunstpädagogik bedanken für die Möglichkeit, diesen Rund- K.Nr.: 565173502 brief als Forum für Informationen rund um die aktuellen Kunst- Weitere Informationen ca. zwei Wochen vor Beginn der Tagung. lehrpläne nutzen zu können. Das Entdecken von Synergieeffek- ten unter den neuen Rahmenbedingungen sollte auch weiterhin In der vorbildlich ausgestatteten Druckwerkstatt können die eine gewünschte und ermöglichte Form des Zusammenwirkens verschiedensten Druckverfahren vorgestellt und praktisch er- für guten Kunstunterricht sein. Geeignete Beiträge für den Lehr- probt werden. Im Vordergrund steht der experimentelle Um- plannavigator, die die angebotenen Materialien ergänzen, gang mit Tiefdruckverfahren. Für Anfänger-innen ist eine erste werden gern entgegen genommen, zusammen mit der Fachauf- praktische Einführung in die Radierung vorgesehen; diejenigen, sicht geprüft und in das bereits Bestehende eingefügt. So wird die das Medium schon kennen, können sich komplizierteren derzeit eine Ausarbeitung zu den Möglichkeiten des 3D-Drucks Radierverfahren zuwenden. im Kunstunterricht erstellt, die diese zunächst rein technische Im theoretischen Teil werden Tipps und Hinweise zur Einrich- Möglichkeit als künstlerische Ausdrucksmöglichkeit untersucht tung und Finanzierung eines Druckraumes gegeben, Erfah- und einen didaktischen Hintergrund für den Einsatz im outputo- rungen und Adressen ausgetauscht und Organisationsfragen rientierten Kunstunterricht entwirft. des Unterrichts erörtert. Weiterhin wird die Relevanz von tech- nischen Reproduktionsverfahren für den Kunstunterricht in den einzelnen Stufen erörtert. Der Kurs beginnt um 9 Uhr und endet um 18 Uhr (nach Abspra- che). Der genaue zeitliche Ablauf der Tagung wird zusammen mit den Teilnehmern festgelegt. BDK NRW Rundbrief Herbst 2014 15
Bücher // Rezensionen Grundlagenwerk für das Verstehen Beiträge zur ästhetischen Urteilsbil- von Bildern dung im Bereich Fotografie Kunibert Bering, Rolf Niehoff: Bildkompetenz – Eine kunstdi- iz3w: Wer erzählt? Fotografie und Macht. Ausgabe 343, Juli/Au- daktische Perspektive. Oberhausen (Athena) 2013; 419 Seiten, gust 2014; 50 Seiten, zahlreiche Abbildungen, oft farbig, 5,30 661 größtenteils farbige Abbildungen; 34,50 Euro; ISBN: 978-3- Euro (Bestellungen über www.iz3w.org oder direkt über info@ 89896-553-8 iz3w.org) Den Autoren gelang hier ein Grundlagenwerk für das Verstehen Die Zeitschrift iz3w beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Nord- von Bildern. Verstehen von Bildern geschieht nicht erst bei der Süd-Themen. Bemerkenswert sind ihre fundiert recherchierten Rezeption, sondern vollzieht sich ebenso bei der Produktion, Artikel zu internationalen Konflikten in diesen Zusammenhän- wie die Autoren deutlich machen. gen. Die Ausgabe 343 (Juli/August) hat den Schwerpunkt Fo- Dass sich aus der Summe der zu vermittelnden übergeordneten tografie. Dieses umfangreiche Material ist auch für die Kunst- und untergeordneten (Teil-) Kompetenzen, wie sie in den neuen pädagogik von hohem Interesse. In elf Artikeln analysieren Kernlehrplänen für die Sek I und Sek II aufgelistet sind, kein hin- verschiedene Autoren unterschiedliche Problemfelder der Fo- reichendes Bild-Verständnis gewinnen lässt, versteht sich von tografie. Über die jeweilige Kontextualisierung von Fotografien selbst, wenngleich dies als oberste Zielperspektive des Kunst- werden ihre Funktionen und Bedeutungen kritisch offengelegt. unterrichts gefordert ist (Vermittlung von Bildkompetenz). Dem- Hier einige Beispiele aus dem vielfältigen Diskurs: Was ist eine gegenüber entfalten die Autoren eine differenzierte Grundle- gute Fotografie? Georg Seeßlen skizziert in seinem Aufsatz gung, welche Voraussetzungen und Implikationen eine fundierte zehn Bedingungen, die eine Urteilsbildung zu berücksichtigen Bildkompetenzvermittlung aufweisen sollte. Dabei orientieren hätten. Das ästhetische Urteil über ein Foto kann nur innerhalb sich die Autoren sowohl an avancierten Klassikern wie Panofs- eines auch ethisch geführten Diskurses gewonnen werden. ky und Aby Warburg, beziehen aber auch Erkenntnisse aus Phi- Aida Bosch beschreibt empathisch und anhand eindringlicher losophie, neuerer Bildwissenschaft, Neurophysiologie und Hirn- Bildbeispiele, wie Dokumentarfotografie „Zeugenschaft von forschung mit ein. Besonders ist den Autoren daran gelegen, Gewalt ablegen“ kann, „ohne die Abgelichteten bloßzustellen“. Bilder in ihrer historischen Dimension zu sehen, ohne die ein an- Sebastian Lemme nimmt Fair Trade-Werbefotos kritisch unter gemessenes Bildverständnis nicht gelingen kann. die Lupe. Felix Koltermann bezieht sich auf das Modell zur Ana- Kerngedanke und Leitfaden des Buches durch alle Kapitel ist lyse von Fotografie des amerikanischen Kunsthistoriker Andrew die Erkenntnis, dass Bilder, ganz gleich welcher Provenienz, Mendelson, der zwischen dem Kontext von Bildproduktion und sich speisen aus unserem bildkulturellen Erbe. Das riesige Bil- Bildpräsentation unterscheidet. Koltermann gibt Aufschluss da- derreservoir unseres kollektiven kulturellen Gedächtnisses rüber, welchen Bedeutungswandel Fotografien durch ihre un- stellt Zeichen, Gestaltungsmuster, Bildstrukturen, Sujets, The- terschiedlichen Kontextualisierung erfahren. Bildstereotype in men und Motive bereit, aus denen sich nicht nur unsere Sehge- Medien appellieren dabei an das visuelle Gedächtnis. – Soweit wohnheiten speisen, sondern auch unsere „Vorstellungen von die Auswahl aus den sehr heterogenen Ansätzen. Das Bildma- der Welt und damit zur Konstruktion von `Wirklichkeiten´“. Da- terial eignet sich meist auch für den Einsatz im Unterricht. bei dürfen wir uns dieses kollektive Gedächtnis nicht vorstel- Elfi Alfermann len als eine Art Speicher. Neuere Erkenntnisse der Neurobiolo- gie legen nahe, dass Erinnerung sich vollzieht wie ein erneutes Wahrnehmen, welches jeweils in neue Kontexte eingebunden werden kann. Sehr überzeugend weisen die Autoren anhand einer immensen Fülle exemplarischer (Bild-) Beispiele nach, dass sich zeitge- 16 BDK NRW Rundbrief Herbst 2014
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