Bundesregierung, Arbeitsgruppe "Arbeitsmarkt", Sachverständigenanhörung zum Thema

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Bundesregierung, Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“,

Sachverständigenanhörung zum Thema:

                                „Effizienz im SGB II“

             Ausführliche Stellungnahme
     des zugelassenen kommunalen Trägers
    der Grundsicherung für Arbeitssuchende
                 Landkreis Oder-Spree
 - Amt für Grundsicherung und Beschäftigung -

Beeskow, 3. November 2006

Seite 1 von 34 | Ausführliche Stellungnahme
Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Der Landkreis Oder-Spree als zugelassener kommunaler Träger
im ostbrandenburgischen Sozial- und Wirtschaftsraum

Um Ihnen eine bessere Einordnung unserer Stellungnahme zu den
von      der     Arbeitsgruppe            aufgeworfenen        Fragestellungen         zu
ermöglichen,          stelle        ich    eine      kurze      Beschreibung          der
sozialstrukturellen Umfeldbedingungen der Region Ostbrandenburg
voran.

Der   Landkreis         Oder-Spree          weist    die     typischen    strukturellen
Gegebenheiten eines ostdeutschen Flächenlandkreises auf, wobei er
entsprechend seiner räumlichen Ausdehnung zwischen der Berliner
Stadtgrenze und der Grenze zur Republik Polen durch ein deutlich
strukturelles Gefälle gekennzeichnet ist. Es handelt sich um eine
überwiegend land- und forstwirtschaftlich strukturierte Region, ohne
weit zurückreichende, industrielle Tradition. Die zu Zeiten der DDR
entwickelten industriellen Kerne (EKO Stahl Eisenhüttenstadt,
Pneumant Reifenwerk Fürstenwalde, Halbleiterwerk Frankfurt (Oder)
wurden         nach     der     Vereinigung         sehr     nachhaltig      durch    die
Marktbereinigungsprozesse betroffen, so dass sie nur noch einen
Bruchteil des ursprünglichen Stellenpotenzials aufweisen.

Dementsprechend repräsentiert ein großer Teil unserer SGB II-
Leistungsbezieher die typischen Folgeprobleme der Nachwendezeit,
insbesondere Arbeitnehmer, die 1990 um die 40 Jahre alt waren und
damit aus der damaligen Sicht zu alt für eine neue berufliche
Qualifikation erschienen. Wir treffen hier auf ein großes Potenzial von
seinerzeit gerade technisch-naturwissenschaftlich gut ausgebildeten
Arbeitssuchenden,             die   sich    seit    Anfang     der    90er    Jahre    in
wechselnden Arbeitsfördermaßnahmen befinden, unterbrochen nur
von kurzzeitigen Beschäftigungen außerhalb ihres erlernten Berufes.
Diese Generation, die im Zusammenhang mit der tiefgreifenden
Deindustrialisierung massenhaft freigesetzt wurde, hat mittlerweile
das 50. Lebensjahr deutlich überschritten und kann an ihre
ursprüngliche         Ausbildung          und   berufliche     Praxis     kaum       mehr
anknüpfen.        Die    Arbeitsmarktintegration             dieser     ausgesprochen
motivierten Bedarfsgruppe stellt für das Amt für Grundsicherung und

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Beschäftigung eine kaum lösbare Aufgabe dar. Eingliederungserfolge
auf dem 1. Arbeitsmarkt sind hier nur in Einzelfällen zu verzeichnen.

Gerade für diese Altersgruppe scheint unter den spezifischen
Bedingungen unserer Region die Etablierung eines öffentlich
geförderten Beschäftigungssektors die einzige Möglichkeit, ein
eigenes Erwerbseinkommen zu erzielen sowie die gerade mit Blick
auf die psychischen und gesundheitlichen Folgewirkungen der
Langzeitarbeitslosigkeit         dringend         notwendige         Teilhabe    am
gesellschaftlichen Leben sicherzustellen.

Nach der Wende hat sich im Landkreis Oder-Spree zwar eine
mittelständische Wirtschaftsstruktur herausgebildet, diese weist aber
die typischen Mangelerscheinungen des Neuanfangs auf, wie geringe
Eigenkapitalausstattung sowie wenige stabile, langjährige und
überregionale Geschäftsbeziehungen. Dementsprechend geringer
nimmt unsere Wirtschaft auch an den Exporterfolgen der deutschen
Wirtschaft   teil.   Dementsprechend              wirkt     sich     die   schwache
Binnennachfrage      deutlich      stärker    aus         als   in    westdeutschen
Vergleichsräumen.
Hinzu kommt eine deutlich geringere Kaufkraft, angesichts des
gegenüber westdeutschen Vergleichsregionen deutlich niedrigeren
Lohnniveaus in unserer Region bzw. der weitaus geringeren privaten
Vermögenssubstanz als Grundlage einer ergänzenden Nachfrage.

Mit Blick darauf, dass die Grundsicherung in der gegebenen Höhe
faktisch einem bereits flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von
etwa 4,00 Euro Netto entspricht, lässt sich feststellen, dass im
Niedriglohnsegment         bei      nur      geringer           Tarifbindung     das
Grundsicherungsniveau weitgehend unterschritten wird. Gerade im
Dienstleistungsbereich (Gastronomie, Bewachungsgewerbe etc.), in
der   Landwirtschaft,   aber       auch      in    einzelnen         Bereichen   des
Handwerks, werden Bruttolöhne gezahlt, die deutlich unter 4,00 Euro
liegen.

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In      diesem     Zusammenhang            lässt      sich     insbesondere         bei
Leistungsbeziehern mit umfangreicheren Vermittlungshemmnissen,
angesichts der einerseits recht hohen Eintrittsschwelle zum 1.
Arbeitsmarkt und der andererseits kaum gegebenen Anreize, eine
reguläre      Arbeit     aufzunehmen,           zum     Teil    ein      regelrechtes
Ausweichverhalten beobachten.

Des Weiteren ist festzustellen, dass knapp 30 Prozent der ALG II-
Bezieher so genannte Aufstocker sind, die sich zum größten Teil in
prekären      Arbeitsverhältnissen        befinden,          welche    ihnen    nicht
ermöglichen,       mit       dem     erzielten     Erwerbseinkommen             ihren
individuellen Bedarf abzudecken. Andererseits gestaltet es sich mit
Blick      auf         das      bestehende             Arbeitsverhältnis        oder
Teilzeitarbeitsverhältnis            vielfach         schwierig,         ergänzende
Beschäftigungsmöglichkeiten zur Schließung der Erwerbslücke zu
organisieren, da von den Beschäftigten seitens der Betriebe eine
weitaus     höhere,      zeitliche    Inanspruchnahme           des    Betreffenden
erwartet wird, als dies den arbeitsvertraglichen Festlegungen
entspricht.      Die     Beschäftigten     haben        zum      großen      Teil    in
beträchtlichem Umfang unbezahlte Mehrarbeit zu leisten bzw. für
Arbeitsvor- und nachbereitung bzw. Übergaben zur Verfügung zu
stehen. Mit Blick auf den ländlichen Raum sind auch erhebliche
Wegezeiten von bis zu 4 Stunden täglich keine Seltenheit.

Grundlegend andere Schwierigkeiten zeigen sich bei der Integration
der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren. Hier
bildet zu einem sehr hohen Anteil die mangelhafte schulische
Bildung, die sich in fehlenden Schulabschlüssen bzw. schlechten
schulischen            Leistungen         zeigt,         das          entscheidende
Vermittlungshemmnis. Dementsprechend weist diese Bedarfsgruppe
auch in hohem Maße Motivations- und Orientierungsdefizite auf. Hier
wirken sich zum großen Teil die langjährigen Erfahrungen mit
Arbeitslosigkeit       im     privaten     Umfeld        und       den     typischen
Begleiterscheinungen einer totalen Perspektivlosigkeit verhängnisvoll
aus. Von Lehrern der beruflichen Bildung wird berichtet, dass
Jugendliche auf die Frage nach den beruflichen Zielen schlicht mit:

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„Hartz IV“ antworten. Um in diesen Fällen eine Eingliederung in den
Arbeitsmarkt zu erreichen, bedarf es zunächst einer Aufarbeitung der
grundlegenden Sozialisationsdefizite und damit quasi zunächst einer
Eingliederung in unser gesellschaftliches Wertesystem. Dem Amt
wächst gerade in dieser Bedarfsgruppe zunehmend die Rolle eines
umfassend agierenden sozialpädagogischen Reparaturbetriebes zu,
der die Defizite, die Erziehung und Schule nicht bearbeitet haben,
ausgleichen soll.

Die seit gut einem Jahr unternommenen verstärkten Anstrengungen,
gerade die in derartigen Problemlagen befangenen ALG II-Bezieher
für den 1. Arbeitsmarkt zu ertüchtigen, haben uns aber gelehrt, dass
sich unser ursprünglicher Ansatz, der auf eine deutlich unmittelbarere
Vermittlung in Beschäftigung gerichtet war, deutlich zugunsten der
weiteren Zielsetzungen des SGB II – nämlich die Verbesserung bzw.
Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit und die soziale Stabilisierung -
verschoben hat.

Eine jüngst durchgeführte Analyse unserer Klientelzusammensetzung
hat ergeben, dass ca. 70 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
durch komplexe Unterstützungsbedarfe gekennzeichnet sind. Dabei
weist der typische Hilfebedarf folgende Charakteristika auf:

     ▪ keine bzw. eine am 1. Arbeitsmarkt nicht nachgefragte
       Berufsqualifikation;
     ▪ Defizite bei den sozialen Kompetenzen mit dem Ansatz zur
       Mehrdimensionalität;
     ▪ eine diskontinuierliche Erwerbsbiografie;
     ▪ ein problematisches, soziales Umfeld, welches Stabilisierungs-
      bzw. Aktivierungsmaßnahmen eher negativ beeinflusst;
     ▪ oft gesundheitliche Schwierigkeiten oder psychosoziale
      Probleme von der fehlenden Tagesstruktur und damit
       zusammenhängenden Motivationsdefiziten über eine
       belastende familiäre Situation bis hin zu ausgeprägtem
       Alkoholmissbrauch;

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▪ häufig anzutreffende Schuldenproblematik mit den
      Begleiterscheinungen wie drohender Wohnungsverlust,
      Energieabschaltungen, drohende Lohnpfändungen etc.

Die vorgenannten Integrationshemmnisse haben sicherlich einen je
nach der betrachteten Betreuungskategorie zu unterscheidenden
Ausprägungsgrad. In allen Fällen besteht aber das Erfordernis einer
komplexen Fallbearbeitung, die in vielen Fällen die Qualität eines
intensiven Casemanagement annimmt.

Diese strukturellen Gegebenheiten mögen ausreichen, um die
langjährig hohe Arbeitslosigkeit von gegenwärtig 17 Prozent zu
erklären.
Es kann ebenso festgestellt werden, dass wir es bei einem Verhältnis
der offenen Stellen zur Zahl der Arbeitssuchenden von etwa 1 : 36
gegenüber einem Verhältnis von 1 : 12 in Westdeutschland, kaum
mit einem Arbeitsmarkt im herkömmlichen Sinne bzw. einem
Vermittlungsproblem zu tun haben, sondern mit einer dauerhaft
verfestigten   Massenarbeitslosigkeit,   die     historisch   strukturelle
Ursachen hat. Diesen Gesichtspunkt wird man insbesondere bei der
Ausrichtung    der    Förderinstrumente,       aber   auch     bei   den
Integrationserwartungen im Auge behalten müssen.

Wie gezeigt, hat Arbeitslosigkeit ein deutlich regionales Gesicht,
sodass die Antworten auf die sozial-strukturellen Probleme auch nur
aus der Region gegeben werden können. Insbesondere zentralistisch
geprägte Entscheidungen bzw. der administrative Durchgriff anderer
föderaler   Ebenen   in   die   kommunalen      Organisationsstrukturen
erscheinen hier als der falsche Weg, da sie unweigerlich zu
permanenten Steuerungskonflikten führen müssen. Aus dieser
Erkenntnis heraus hat sich der Kreistag nach eingehender Diskussion
sehr bewusst für den Antrag auf eine Zulassung als kommunaler
Träger und damit eine vollumfängliche Aufgabenwahrnehmung ohne
Beteiligung der Agentur für Arbeit entschieden.

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Das Amt für Grundsicherung und Beschäftigung ist als weitgehend
eigenständige Organisationseinheit in die Dezernatsstruktur des
Landkreises eingebunden. Die strategische Ausrichtung und die
Geschäftspolitik     des       Amtes     werden      dabei      unmittelbar    vom
Dezernenten       gesteuert.     Ihm     stehen     als   Stabsfunktionen        ein
Geschäftsbereichsleiter Grundsicherung/Querschnittsaufgaben sowie
eine Geschäftsbereichsleiterin Integration/Regionaler Arbeitsmarkt
zur    Seite.    Darüber       hinaus    unterstehen      ihm     direkt   die    5
Regionalstellenleiter. Die Organisationseinheit verfügt gegenwärtig
über    275     Mitarbeiter,    bei     einem     Stellensoll    von    286.     Die
Untererfüllung bei der Stellenausstattung ist auf die über 50 %ige
Abweichung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften (BG) gegenüber
der durch das BMWA prognostizierten Werte zu sehen. Gegenüber
der Prognosezahl von 9.681 BG betreuen wir aktuell 14.200 BG nach
einem erfreulichen Rückgang der Bedarfsgemeinschaftszahl, die im
Sommer 2006 bei ca. 16.000 BG lag. Diese explosionsartige
Entwicklung hat im Startjahr 2005 erhebliche infrastrukturelle
Folgeprobleme ausgelöst, die noch nicht zu 100 Prozent behoben
werden konnten. Die Zahl der Regelsatzempfänger ALG II liegt bei
19.451, darunter:

       ▪ Anteil unter 25 Jahren:                                       3.673
       ▪ 50 Jahre und älter:                                           4.591
       ▪ 55 Jahre und älter:                                           2.260

Die Zahl der Regelsatzempfänger Sozialgeld beträgt:                    5.777

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I.   Wie ist die Wirksamkeit der Durchführung der Grund-
     sicherung      für   Arbeitsuchende   in   einer    Hand
     (Arbeitsgemeinschaften bzw. zugelassene kommunale
     Träger)     im     Vergleich   zur  früher     getrennten
     Aufgabenwahrnehmung           bei    Sozialhilfe     und
     Arbeitslosenhilfe durch Kommunen und Arbeitsämter zu
     beurteilen?

1.   Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit der Durchführung der
     Grundsicherung für Arbeitsuchende in einer Hand durch
     Arbeitsgemeinschaften      bzw.    Optionskommunen    im
     Vergleich zur früheren getrennten Durchführung der
     Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe durch Kommunen und
     Arbeitsämter?

     Ein     Effizienzvergleich       zwischen          heutiger    und     vormaliger
     Aufgabendurchführung ist angesichts der nicht vergleichbaren,
     gesetzlichen Aufgabeninhalte und Zielsetzungen kaum möglich.

     Das BSHG war ausschließlich vom Gedanken der materiellen
     Existenzsicherung            geprägt;    -     daran     orientierte    sich    im
     Wesentlichen auch die kommunale Praxis. Sozialhilfeempfänger
     waren zwar zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet – aber ein
     wirkungsvolles Eingliederungsinstrumentarium stand nicht zur
     Verfügung.        Kommunale           Eingliederungsaktivitäten           blieben
     deshalb punktuell und unsystematisch.

     Selbst Initiativen wie „Arbeit statt Sozialhilfe“ im Landkreis Oder-
     Spree waren in erster Linie fiskalisch inspiriert. Insofern stand
     nicht     die     bedarfsgerechte            nachhaltige       Vermittlung      in
     Erwerbsarbeit im Vordergrund, sondern vielmehr die temporäre
     sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, um darauf nach
     einem     Jahr        neue    Anwartschaften          auf     den    Bezug     von
     Arbeitslosengeld zu begründen. Dies bedeutete aber nichts
     anderes,        als   die    allgemein        beklagte      Verschiebung       von
     Transferlasten in den Sozialversicherungsbereich.

     Zwar beteiligte sich der Landkreis Oder-Spree als eine von 4
     Modellkommunen am FAIR-Projekt, bei dem erstmals der
     Integrationsgedanke             und          ein     behördenübergreifendes
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Zusammenwirken mit dem Arbeitsamt im Vordergrund standen.
     Der   Modellversuch        musste     allerdings      aus       Anlass    der
     Optionswahrnehmung          durch     den      Landkreis        Oder-Spree
     vorzeitig beendet werden, da die Agentur für Arbeit die
     Zusammenarbeit unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der
     Geschäftsgrundlage gekündigt hatte. Insofern lässt sich eine
     abschließende Bewertung dieser tendenziell in die richtige
     Richtung     weisenden      Integrationsbemühungen               hier    nicht
     vornehmen.

     Der       entscheidende      Mangel           bei         der    getrennten
     Aufgabenwahrnehmung          lag     darin,    dass       es    weder    eine
     Kooperation noch ein Schnittstellenmanagement gab und beide
     Aufgabenträger aus einem grundlegend anderen Sozialstaats-
     bzw. Aufgabenverständnis heraus agierten, als dies unter der
     Geltung des SGB II und des dahinter stehenden Konzeptes des
     aktivierenden Sozialstaats der Fall ist.

     Beide Aufgabenträger konzentrierten sich auf den ihnen
     zugewiesenen Aufgabenausschnitt. Infolge dessen blieben die
     wesentlichen      Integrationshemmnisse             und     Unterstützungs-
     bedarfe      im    Überschneidungsbereich                 der    getrennten
     Aufgabenwahrnehmung unbearbeitet.

     Dieses „Zuständigkeitsdenken“ war ineffektiv und mit Blick auf
     den enormen Ressourceneinsatz in höchstem Grade ineffizient.

2.   Hat die Aufgabenwahrnehmung in einer Hand innerhalb
     der Verwaltungen zu Synergieeffekten geführt? Wenn ja,
     welche sind dies und sind zukünftig weitere Synergien zu
     erwarten?

     Mit       Blick      auf       die          eingangs            geschilderte
     Klientelzusammensetzung, die zu über 70 Prozent durch
     komplexe Unterstützungsbedarfe gekennzeichnet ist, macht
     sich die Einbeziehung gerade der kreiskommunalen Fachämter:
     Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt, Ausländerbehörde
     sowie des Schulverwaltungsamtes sehr häufig erforderlich.
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Darüber        hinaus             nutzen            wir          bei        unseren
     Integrationsanstrengungen               intensivst         die         bestehenden
     Netzwerkstrukturen,        in     die       die    Akteure       am     heimischen
     Arbeitsmarkt - etwa die kreisangehörigen Kommunen, die
     kommunalen        Beschäftigungsgesellschaften                   sowie     sonstige
     etablierte Maßnahmeträger - mit denen wir insbesondere im
     Bereich     der       Beschäftigungsschaffenden                        Infrastruktur-
     maßnahmen und der Arbeitsgelegenheiten zusammen arbeiten
     eingebunden       sind.     Ein       gleich       geartetes      Näheverhältnis
     verbindet     uns    mit        den     in        der     Region        vertretenen
     Bildungsträgern, die besonders in die berufliche Erstausbildung
     sowie Trainings- und Umschulungsmaßnahmen eingebunden
     sind. Eine langjährige Zusammenarbeit besteht darüber hinaus
     zu den sozialen Trägern, hier den Freien Trägern der
     Wohlfahrtspflege. Das so erprobte Netz der sozialen Dienste
     wird gerade im Bereich der sozial-flankierenden Maßnahmen
     (Suchtberatung, Schuldnerberatung, psycho-soziale Betreuung)
     intensiv genutzt.

     Genau an diesen Angebots- bzw. Aufgabenschnittstellen liegen
     für uns als Optionskommune die Synergieeffekte auf der Hand:
     Die   in    zahlreichen           Fällen          notwendige        übergreifende
     Fallbearbeitung erfolgt in der Regel unkompliziert ohne
     verfahrensmäßige oder hierarchiegeprägte Hemmnisse. Die
     Kooperation     geschieht          im        direkten      Kontakt        auf    der
     Bearbeiterebene, oft bereits im Beisein des Bürgers.
     Aufwendige Amtshilfeverfahren bzw. eine Vermittlung der
     Zusammenarbeit über die Leitungsebene sind in diesem
     Zusammenhang entbehrlich. Dies entspricht dem kommunalen
     Selbstverständnis         einer       auf      Bürgernähe           ausgerichteten
     Verwaltungskultur. Diesem Austausch kommt zugute, dass im
     Sozialamt und im Jugendamt des Landkreises wie im Amt für
     Grundsicherung        und         Beschäftigung              eine       einheitliche
     Softwareanwendung           (Lämmkomm                des     Softwareanbieters
     Lämmerzahl) zum Einsatz kommt, was ungeachtet der anfangs
     auch bei dieser Anwendung auftretenden Probleme inzwischen

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zu einer deutlichen Vereinfachung der amtsübergreifenden
     Bearbeitungsprozesse geführt hat.

     Weitere      Synergieeffekte         ergeben         sich     aus   der     lokalen
     Einbindung. Die Verankerung vor Ort schafft Überblick und
     Einblick. Diese fördern insbesondere die innere Beteiligung und
     das Engagement der Mitarbeiter, ermöglichen andererseits aber
     auch        die         schnelle     Herstellung            einer    produktiven
     Beziehungsebene zwischen dem Fallmanager und seinem
     Klienten.         Der     bessere         Einblick     in     die    individuellen
     Lebensverhältnisse der Bürger ermöglicht darüber hinaus auch
     eine passgenauere Anwendung der in Betracht kommenden
     Integrationsmaßnahmen.

     Darüber hinaus führt die einheitliche Aufgabenwahrnehmung
     durch die Kommune zu einem erheblichen synergetischen
     Nutzen        im          Bereich         der        Kontrolle       bzw.      der
     Missbrauchsvermeidung. Gerade der vertiefte Einblick in die
     sozialen Strukturen und individuellen Lebensverhältnisse sowie
     das    Erfahrungswissen             der     anderen         Netzwerkakteure      in
     konkreten Hilfeleistungsfällen, aber auch der Zugang zur
     allgemeinen             Sozialkontrolle,        haben         mit    Blick      auf
     missbräuchliches Verhalten eine generalpräventive Wirkung
     bzw.         ermöglichen             bereits           im        Vorfeld        die
     Missbrauchsvermeidung.

     Synergien ergeben sich auch aus der sehr weitgehenden
     Nutzung des kommunalen Querschnittsbereiche, was sich
     insbesondere in der Aufbauphase deutlich bemerkbar gemacht
     hat. Mit Blick auf die Dimensionen der neu übernommenen
     Aufgabe konnten hier die kommunalen Ressourcen quasi auf
     Zuruf monatelang vollumfänglich in Anspruch genommen
     werden,       teilweise       sehr    zum        Leidwesen          der     übrigen
     Bedarfsträger in der Kreisverwaltung.

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Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vorhandensein paralleler,
     sozialgestalterischer Zielsetzungen die Möglichkeit, unter sozial-
     integrativen    und        sozial-präventiven    Gesichtspunkten        eine
     integrierte    soziale       Entwicklungsstrategie      umzusetzen.      Als
     konkrete Beispiele können hier etwa genannt werden: der
     Gender-Maintstreaning-Gedanke, die Behindertenintegration,
     die Integration von Zuwanderern im Landkreis Oder-Spree,
     insbesondere aus Osteuropa. Diese Anliegen sind seit Jahren
     durch     entsprechende            Beiräte     repräsentiert      und    im
     kommunalpolitischen Bewusstsein fest verankert. Aber auch
     was die sozial-flankierenden Maßnahmen anbelangt, verfügt der
     Landkreis      über       originäre     Kompetenzen      und     langjährige
     Erfahrungen         bei    der:   Suchtberatung,       Schuldnerberatung,
     psycho-sozialen Betreuung, ambulanten Pflege Angehöriger
     und insbesondere der kinder- und jugendfürsorgerischen
     Betreuung. Hier ist der Landkreis von je her Leistungsträger.
     Die sich aus der Konzentration der unterschiedlichsten
     Aufgaben       in     einer       „kommunalen         Hand“     ergebenden
     Synergieeffekte lassen sich ohne Weiteres erkennen.

3.   Wie stellt sich die Aufgabenwahrnehmung in einer Hand
     nach Ihrer Auffassung aus der Sicht der Hilfesuchenden
     dar? Sehen Sie insoweit Verbesserungsmöglichkeiten, falls
     ja, welche?

     Aus der Sicht der Hilfeempfänger kann gegenwärtig nur mit
     einer verwaltungsseitigen Einschätzung gearbeitet werden, die
     sich auf punktuelle Rückmeldungen sowie die Auswertung von
     Beschwerden           und      Widerspruchsverfahren          ergibt.   Eine
     Befragung der Hilfesuchenden ist geplant, wurde bislang aber
     noch nicht durchgeführt.

     Positiv wird insbesondere auf die Präsenz des Amtes für
     Grundsicherung und Beschäftigung in der Fläche des ländlichen
     Raumes reagiert. Mit Blick darauf, dass der Landkreis
     hinsichtlich seiner territorialen Ausdehnung fast dem Saarland
     entspricht,    haben        wir   uns    seinerzeit    entschlossen,    fünf
     Regionalstellen           vorzuhalten,    um    dem      Gedanken        der
Seite 12 von 34 | Ausführliche Stellungnahme
Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Bürgernähe auf diese Weise unmittelbar zu entsprechen. Um
     dem Gedanken „Alle Leistungen aus einer Hand“ gerecht zu
     werden,       bieten    wir   in   den     Regionalstellen    umlaufend
     Sprechstunden          des    Jugendamtes       und    unseres       Reha-
     /Behindertenintegrationsteams            an.   Diese   Dienste      werden
     intensiv genutzt.

     Großen        Wert      legen      wir     insbesondere      auch      auf
     bürgerfreundliche Öffnungszeiten, die wir an zwei Tagen auf
     18:00 Uhr ausgedehnt haben, um insbesondere den speziellen
     Bedürfnissen der Bewohner der ländlichen Bereiche mit ihren
     zum Teil aufwendigen Wegebeziehungen entgegenzukommen.

     Da     alle       Funktionen        Leistungsrechnung/         Fallmana-
     gement/Vermittlung in jeder Regionalstelle vorgehalten werden,
     ist   eine     ganzheitliche       Problemlösung       vor   Ort,    unter
     Berücksichtigung lokaler Bezüge, wie etwa die Zuweisung zu
     ortsnah angesiedelten Projekten und Arbeitsgelegenheiten,
     unser vorrangiges Ziel.

     Die wohltuend neue Qualität der Problembewältigung wird
     insbesondere           von      denjenigen      wahrgenommen          und
     entsprechend geäußert, die aus eigenem Erleben den direkten
     Vergleich mit der Praxis der getrennten Aufgabenwahrnehmung
     ziehen können.
     Als entscheidende Fortschritte werden dabei insbesondere
     folgende Elemente angesehen:

       -   der Zugang ehemaliger Sozialhilfeempfänger zu den
           Beratungs- und Vermittlungsleistungen sowie zu den
           Leistungen der Sozialversicherung und dies aufgrund
           einer gesteuerten Beratung aus einer Hand und unter
           einem Dach;
       -   damit entfällt das vor unterschiedlichen Behörden immer
           wieder     erneute      Darlegen     müssen      der   individuellen
           Lebensumstände sowie deren Glaubhaftmachung;

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
-     der beschäftigungsorientierte Einsatz sozial-flankierender
            Maßnahmen (Schuldnerberatung, Betreuung von Kindern
            und        betreuungsbedürftigen       nahen         Angehörigen,
            Suchtberatung,      psychosoziale       Betreuung)      auf    der
            Grundlage                einer               nachvollziehbaren
            Eingliederungsvereinbarung;
      -     der     Persönliche     Ansprechpartner        als     dauerhafte
            Bezugsperson mit Lotzenfunktion, ohne den bislang
            erfahrenen,     ständigen    Bearbeiterwechsel        bzw.    einer
            Vielzahl     unterschiedlicher     Ansprechpartner      für    eng
            begrenzte Teilleistungen;
      -     der gewandelte Charakter der Behördenkontakte – weg
            von der Meldeobliegenheit, hin zu einer zielgerichteten
            Problemlösung;
      -     individuelleres Eingehen auf den Einzelfall;
      -     geringerer zeitlicher Warteaufwand, da die Beratung in der
            Regel auf der Grundlage fester Terminabsprachen erfolgt.

     Kritisiert werden demgegenüber zum Teil die detaillierte
     Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
     sowie die damit verbundene Nachweisführung als auch die
     verstärkten        Kontrollaktivitäten      bzw.    ausgesprochenen
     Sanktionen. Auch die Notwendigkeit, nach Auslaufen der
     geltenden Bewilligung immer wieder Folgeanträge stellen zu
     müssen, wird als lästig empfunden.

     Verbesserungsmöglichkeiten mit Blick auf eine Steigerung der
     Klientenzufriedenheit sehen wir gegenwärtig noch an vielen
     Stellen. Dabei steht für uns im Vordergrund, die Intensivierung
     der Fortbildung der Mitarbeiter, die Lösung der verbliebenen
     Probleme bei der Raum- und Personalausstattung sowie die
     Einhaltung der empfohlenen Fallbearbeitungsschlüssel.

     Massive Unmutsbekundungen brachte uns allerdings der im
     Juni    2006       ausgesprochene        Bewilligungsstopp     bei    den
     Eingliederungsmaßnahmen, der eine Folge der qualifizierten

Seite 14 von 34 | Ausführliche Stellungnahme
Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Haushaltssperre des Haushaltsausschusses des Bundestages
     war. Aufgrund des hohen Mittelbindungsgrades, den wir im
     Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung erreicht hatten,
     sahen wir uns zu dieser Maßnahme gezwungen. Dies hat zu
     erheblichen Irritationen, gerade bei Hilfeempfängern geführt,
     denen eine Maßnahme für den fraglichen Zeitraum in Aussicht
     gestellt   worden     war.    Hier    waren    zum      Teil   erhebliche
     Enttäuschungen festzustellen und wir mussten zur Kenntnis
     nehmen,      dass    mühsam       erworbenes         Vertrauen       in    die
     Leistungsfähigkeit       des          Landkreises           durch          die
     haushaltspolitischen Beschlüsse erheblich in Mitleidenschaft
     gezogen wurde.

4.   Wie kann durch Bürokratieabbau erreicht werden, dass die
     Träger der Grundsicherung ihre Ressourcen auf die
     Betreuung der Hilfebedürftigen konzentrieren können?

     In punkto bürokratischer Aufwand ist ein stetiges Anwachsen
     von    Querschnittsaufgaben           zu     beobachten        bzw.        die
     zunehmende          Zuweisung        von     Annextätigkeiten         durch
     gesetzgeberische Korrekturen. Letztere lösen jedes Mal einen
     immensen       Anpassungsaufwand,             gerade        unter         EDV-
     Gesichtspunkten        aus,      insbesondere          wenn         mangels
     ausreichender           Übergangsfristen               in           laufende
     Leistungsbeziehungen durch Neubescheidungen eingegriffen
     werden muss.
     Dies alles geht zu Lasten des Fallmanagements.
-    Unverhältnismäßig      gestalten      sich    auch     das     ausufernde
     Berichtswesen und die monatlichen Statistikübungen.
-    In diese Kategorie fällt auch die aufwendige Pflege der
     Verteilungskonflikte (die Bundesbeteiligung an den KdU bzw.
     die    angemessene           Berücksichtigung        der     kommunalen
     Verwaltungskostenanteile), die halbjährlich immer wieder neue
     Recherchen mit Blick auf immer spitzfindigere Rechenmodelle
     erfordern.

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
-     Ein Problem, das im Moment erhebliche Unsicherheiten auslöst,
      ist die heftig umstrittene Frage nach der Reichweite des
      Vergaberechts            und          insbesondere         danach,        ob
      Eingliederungsleistungen nach Zuwendungsrecht abgewickelt
      werden         können         oder      sie     unter     dem        Aspekt:
      Dienstleistungsverträge, nach Maßgabe der §§ 97 ff GWB i. V.
      m. der VOL/A ausschreibungspflichtig sind.
      Für den Fall, dass man Letzteres bejaht, kämen gerade mit
      Blick auf die in Brandenburg niedrigeren Schwellenwerte
      enorme, bürokratische Erschwernisse auf die Träger zu.
-     Bürokratische Wucherungen bringt auch insbesondere der
      Tarifvertrag    für    den     öffentlichen     Dienst    in   Gestalt   der
      leistungsbezogenen Gehaltselemente mit sich. Dieses System
      bedarf einer aufwendigen, administrativen Bewirtschaftung über
      jährliche    Beurteilungen,          Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche
      und Zielvereinbarungen.

II.   Ein Rückzug des Bundes aus der überwiegenden
      Finanzierung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist
      weder gewollt noch beabsichtigt: Müssen auf dieser
      Grundlage die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes
      gestärkt werden, um die Effizienz der Durchführung des
      Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu steigern?

5.    Wie beurteilen Sie den mittlerweile erreichten Stand der
      Dezentralisierung bei der Durchführung des SGB II?
      Halten Sie es für zielführend, den Trägern vor Ort mehr
      eigene Entscheidungsspielräume zu geben?

      Die Frage einer ausreichenden Dezentralisierung spielt für die
      Optionskommune keine entscheidende Rolle.
      Abgesehen von dem Umstand, dass die Bundesagentur kraft
      ihrer Statistikhoheit letztlich das Erhebungstableau und damit
      mittelbar auch die Aufgabendurchführung des zugelassenen
      kommunalen        Trägers       beeinflussen     kann,     sind    von   der
      Bundesebene           keine    im      Gesetz    angelegten       relevanten
      organisatorischen oder inhaltlichen Einengungen erkennbar. Die
      mit   der      überwiegenden          Bundesfinanzierung       zusammen-
      hängenden Berichts- und Rechnungslegungsobliegenheiten
      betrachten      wir      demgegenüber           als     sachgerecht      und

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
angemessen. Insofern werden die gesetzlich eingeräumten
     Entscheidungsspielräume der Optionskommune nicht durch
     zentrale Steuerungseingriffe beeinträchtigt.

     Mit Blick auf jüngste Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden
     der     Bundesagentur,              in      denen       dieser      weitere
     Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung der
     ARGE’n       für     sich    reklamiert,    hegen     wir   allerdings   die
     Befürchtung, dass derartige Zentralisierungsbestrebungen auch
     gegenüber den zugelassenen kommunalen Trägern quasi durch
     die Hintertür Fuß fassen könnten. Andererseits erwarten wir,
     dass durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der
     bevorstehenden Befassung mit den verfassungsrechtlichen
     Problemen der ARGE-Konstruktion eine Klarstellung der
     Kompetenzen der beteiligten föderalen Ebenen erfolgen wird,
     so dass auch die aus dem Aufgabencharakter gebotenen
     Grenzziehungen             gegenüber     zentraler   Steuerung      deutlich
     werden dürfte.

 6. Das SGB II ist auch im Bereich der Arbeitsgemeinschaften
    geprägt von dem Spannungsfeld zwischen einer zentralen
    Finanzierung und einer dezentralen Durchführung. Sind Sie
    der Auffassung, dass vor diesem Hintergrund die
    Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes gestärkt werden
    müssen?

     Wir   sind         nicht    der    Auffassung,       dass     die   direkten
     Einwirkungsmöglichkeiten            des     Bundes      gestärkt    werden
     müssten.
     Der Gesetzgeber hat sich im Vermittlungsverfahren zum SGB II
     in bewusster Abweichung von der ursprünglichen Konzeption
     gerade für eine stärkere Einbeziehung der kommunalen Ebene
     in die Aufgabenbewältigung ausgesprochen. Dahinter steht
     einerseits das Subsidiaritätsprinzip, auf der anderen Seite aber
     konkrete     Erfahrungen          mit    einer   Jahrzehnte      währenden,
     stärkeren Regie der Bundesebene auf dem Gebiet der
     Beschäftigungsförderung. Gerade mit Blick auf die offenbar
     nicht überzeugenden Ergebnisse, hat man bewusst auch das

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Steuerungsprinzip          zugunsten          einer         dezentralen
     Eigenverantwortung abgeändert.

     Das Auseinanderfallen zentraler Finanzierung und dezentraler
     Aufgabendurchführung ist sicherlich atypisch, aber mit Blick auf
     das Gebot des föderalen, freundlichen Zusammenwirkens der
     Beteiligten durchaus handhabbar. Angesichts der lokalen
     Verwurzelung der zu bewältigenden Problemlagen ist dieses
     Auseinanderfallen schlicht hinzunehmen, denn auch hier ist die
     Kompetenz zur Problembewältigung ausschließlich auf der
     kommunalen Ebene.

 7. Der Bundesrechnungshof stellt im Bericht an den
    Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur
    Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende
    vom 19. Mai 2006 hinsichtlich der zugelassenen
    kommunalen Träger fest, „Der Bund hat keine
    unmittelbaren Steuerungsmöglichkeiten, obwohl er die
    Kosten      der     Grundsicherung  einschließlich   der
    Verwaltungskosten erbringt, soweit es sich nicht um
    originär kommunale Aufgaben handelt.“ Wie beurteilen Sie,
    dass Finanzierungs- und Durchführungsverantwortung an
    dieser Stelle nicht übereinstimmen?

     Die Sorge des Bundesrechnungshofes teilen wir nicht. Die
     gegebene Finanzierungsverantwortung legt nicht zwingend
     nahe, daraus auch Steuerungskompetenzen mit Blick auf die
     Umsetzung der gesetzgeberischen Zielsetzungen abzuleiten.
     Dem Interesse       des Bundes kann           ausreichend      dadurch
     Rechnung     getragen      werden,    dass    ein     funktionierendes
     Kontrollsystem etabliert wird, welches die Verwirklichung der
     gesetzgeberischen          Zielsetzungen           unter      Effizienz-
     gesichtspunkten,    das    heißt     nach    den    Grundsätzen     der
     Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, sicherstellt.

     Das     Anliegen     des     Bundesrechnungshofes             begegnet
     erheblichen praktischen Schwierigkeiten. Selbst eine Steuerung
     über    globale     Zielvorgaben,       welche        die    operativen
     Entscheidungsspielräume unberührt lassen würde, litte an der
     Schwäche, mit Blick auf die heterogenen Arbeitsmärkte und

Seite 18 von 34 | Ausführliche Stellungnahme
Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
sozialstrukturellen    Verhältnisse      kaum      operationalisierbare
     Kriterien für eine derartige Zielvereinbarung identifizieren zu
     können. Gerade in der kaum zu leistenden Herstellung der
     Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Verhältnisse bzw. einer
     bisher nicht gegebenen, griffigen Definition der Erfolgskriterien
     liegt ja auch das Hauptproblem der Evaluation. Diese
     Unsicherheiten würden noch verstärkt dadurch, dass dem Bund
     gar     keine     unmittelbare     Einschätzungsmöglichkeit          der
     Verhältnisse vor Ort gegeben ist. Insofern müssten auch die
     Steuerungsbedarfe durch den Grundsicherungsträger zunächst
     identifiziert   werden.   Der     Bund      erhielte   diese   für   den
     Steuerungsprozess wichtigen Erkenntnisse lediglich aus zweiter
     Hand, und zwar genau von demjenigen, mit dem er dann die
     Zielvereinbarung abzuschließen hätte – ein insgesamt kaum
     sinnvolles Verfahren.

     Eine unmittelbare Steuerungsmöglichkeit im Sinne eines
     direkten Eingriffs in den Leistungserstellungsprozess würde
     aber       geradewegs        zu       den       vielfach       beklagten
     Erstarrungsphänomenen führen. Die negativen Auswirkungen
     einer     derartigen      zentralen      Steuerung         würden    die
     Kontrollunsicherheiten bei Weitem überwiegen.

     Im Übrigen sollte man sich vor Augen führen, dass der
     Gesetzesvollzug letztlich durch Amtsträger wahrgenommen
     wird, die einheitlichen fach- und dienstrechtlichen Maßstäben
     unterliegen, egal welcher föderalen Ebene der Dienstherr
     zuzuordnen ist.

 8. Am 01. 08. 2005 wurden zwischen dem Bundesministerium
    für Wirtschaft und Arbeit, der Bundesagentur für Arbeit und
    kommunalen Spitzenverbänden die Rahmenvereinbarung
    zur Weiterentwicklung der Grundsätze der Zusammenarbeit
    der      Träger     der      Grundsicherung       in      den
    Arbeitsgemeinschaften abgeschlossen. Wie beurteilen Sie
    den Stand der Umsetzung der darin vereinbarten
    Prinzipien? Welche weiteren Maßnahmen sind aus Ihrer
    Sicht zur Erreichung dieser Prinzipien ggf. erforderlich?

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Frage 8 richtet sich ausschließlich an die ARGE’n, die über die
      Rahmenvereinbarung die Zusammenarbeit der beiden Träger
      der ARGE regeln.

 9. Welche Auswirkungen hat die Föderalismusreform auf die
    Verwaltungsstrukturen im SGB II?

      Die Föderalismusreform hat bei überschlägiger Einschätzung
      keine        unmittelbaren          Auswirkungen                 auf         die
      Verwaltungsstrukturen des SGB II. Die Komplexe Arbeitsrecht/
      Arbeitsvermittlung/Sozialversicherung sind Gegenstände der
      konkurrierenden Gesetzgebung im Sinne des Artikel 74
      Grundgesetz.        Diesbezüglich       hat     es    im   Rahmen            der
      Föderalismusreform         allerdings    keine       Verfassungsänderung
      gegeben.

10.   Müssen vor dem Hintergrund der gesetzlichen
      Regelungen die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder
      verbessert werden?

      Eine Notwendigkeit, die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder
      zu verbessern, sehen wir nicht. Uns gegenüber nimmt das Land
      in Gestalt des MASGF Brandenburg die Rechtsaufsicht wahr. In
      diesem Zusammenhang besteht auch ein enger Austausch aus
      sachlichem Anlass. Weitere Einwirkungsmöglichkeiten (etwa in
      inhaltlicher Hinsicht) zu verankern sehen wir nicht. Derartige
      Kompetenzen müssten sich auch vor dem Hintergrund des
      Subsidiaritätsprinzips begründen lassen.

 11. Wie können die regionalen Belange gestärkt werden?

      Bei der gegenwärtigen Organisationsstruktur der Umsetzung
      des SGB II können sich die regionalen Belange zum ersten Mal
      wirkungsvoll Geltung verschaffen. Wir sehen gerade den
      Landkreis     und    die    heimische         Wirtschaft   als     eng       und
      netzwerkartig miteinander verbunden. Regionale Interessen
      werden      auf   vielfältige   Weise         auch    an   das         Amt   für
      Grundsicherung und Beschäftigung herangetragen. Nicht zuletzt

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
spielt hier die Vertretungskörperschaft eine wesentliche Rolle.
       Im Kreistag sind über die Fraktionsgrenzen hinweg die
       bestimmenden wirtschaftlichen und sozialen Interessen durch
       Kreistagsabgeordnete repräsentiert.
       Um das bestehende Netzwerk in seinen Wirkungen noch
       intensiver    zu     gestalten,   haben       wir    der     angestrebten
       Zusammenarbeit mit allen relevanten Kräften der Wirtschaft, der
       Beschäftigungsförderung und der sozialen Träger, auch einen
       institutionellen Rahmen gegeben, und zwar in Gestalt eines
       Beirates für Beschäftigungsförderung. Wir verbinden damit die
       Erwartung, dass die Mitglieder des Beirates ihre praktischen
       Erfahrungen        und   Kompetenzen        auf     den    Gebieten     der
       Kommunalpolitik, der Wirtschaft und der Wohlfahrtspflege
       einbringen         und     insoweit         mitwirken,          dass    die
       Verwaltungsentscheidungen,            die     auf    dem         Feld   der
       Arbeitsmarktintegration vom Amt für Grundsicherung und
       Beschäftigung zu treffen sind, in ihrer Zielsetzung und
       Wirkungsweise darauf orientiert werden, dass ein möglichst
       hoher   Beschäftigungsstand       erreicht        wird    und    auch   die
       Beschäftigungsstruktur       im   Sinne        der       gesellschaftlichen
       Anliegen, der Gleichstellung von Mann und Frau, der Integration
       von Menschen, die mit besonderer Diskriminierung auf dem
       Arbeitsmarkt konfrontiert sind, positiv beeinflusst werden.

III.   Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Zusammenarbeit
       der unterschiedlichen Träger und Einrichtungen vor Ort
       wirkungsvoller und ohne Reibungsverluste zu gestalten?

12.    Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit von kommunalem
       Leistungsträger und Agentur für Arbeit im Rahmen der
       Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften?
       Sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten? Ist nicht eine
       weitere Dezentralisierung der richtige Schritt zu einer
       verbesserten Umsetzung des SGB II für die Zukunft auch
       vor dem Hintergrund der Weichenstellung im Grundgesetz
       durch die Föderalismusreform?

       Diese Frage bezieht sich auf die Zusammenarbeit von
       kommunalen Trägern und Agentur für Arbeit im Rahmen der

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaft, insofern
     wird hier von einer Stellungnahme abgesehen.

 13. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der zugelassenen
     kommunalen Träger und Arbeitsgemeinschaften mit den
     Agenturen für Arbeit (Schnittstellen: Arbeits- und
     Ausbildungsstellenvermittlung,       Übergang        von
     Arbeitslosengeld I in Arbeitslosengeld II, Gewährung von
     ergänzendem Arbeitslosengeld II zur Arbeitslosengeld I,
     Austausch von Informationen und Daten)? Welche
     Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie?

     Die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit kann inzwischen
     als reibungslos und gut bezeichnet werden, was zu einem guten
     Teil auf den offenen und fairen Umgang miteinander, aber auch
     auf die Dialogbereitschaft und das bemühte Handeln der
     Geschäftsführung der Agentur zurückzuführen ist.

     Befremdlich wirkt allerdings oftmals die das Gesamtsystem
     Bundesagentur prägende Betonung formaler Aspekte, die alles
     beherrschende „Weisungslage“, die Statistikfixiertheit und das
     darin   zum   Ausdruck     kommende     reduzierte   Denken    in
     Mengenkategorien – die der BA nachgesagte „Tonnenideologie“
     - sowie die dadurch eingeschränkten Freiheitsgrade der
     Mitarbeiter. Dies wirkt sich zum Teil hemmend auf schnelle
     Entscheidungen,     unkomplizierte      Handhabungen          und
     Absprachen auf der Arbeitsebene aus. Bestes Beispiel hierfür
     ist der seit nunmehr fast zwei Jahren schwelende Streit um den
     Zugang zum Stellenpool der BA. In dieser Frage bewegte sich
     trotz vorliegender Gerichtsentscheidungen, die zu einer Öffnung
     verpflichteten, bis Ende Oktober in der Geschäftspolitik der BA
     nichts. Man wurde letztlich auf den Klageweg verwiesen. Eine
     Woche vor dem Anhörungstermin drehte sich dann aus
     heiterem   Himmel    die    Situation   um   180     Grad.    Die
     Geschäftsführer   hatten    Weisung,     umgehend     mit     den
     Optionskommunen in Verhandlung zu treten und eine BA-
     Vereinbarung zu unterbreiten.

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Dessen ungeachtet, haben wir uns gemeinsam bemüht, in den
      letzten 1 ½ Jahren ein tragfähiges System gegenseitiger
      Information und Kooperation zu etablieren. Berührungspunkte
      ergeben sich etwa bei:

               ▪ der auftragsweisen Übertragung der Ausbildungs-
                stellenvermittlung;
               ▪ der Nutzung des medizinisch und psychologischen
                Fachdienstes der Agentur;
               sowie
               ▪ der Abstimmungsnotwendigkeiten im Bereich
                Reha/Behindertenintegration.

      Gerade hinsichtlich des Rehakomplexes ist aber zu bemerken,
      dass   sich   die   aus   der   Aufgabenzuordnung      ergebende
      Arbeitsteilung unbefriedigend darstellt und zu erheblichen
      Reibungsverlusten in der Umsetzung führt.

      Beispielgebend für die grundsätzlich gute Zusammenarbeit auf
      regionaler Ebene soll hier nur erwähnt werden, dass die
      Stellenprofile von freien Stellen, die die Agentur für Arbeit nicht
      mit Arbeitslosengeldbeziehern besetzen kann, an das Amt für
      Grundsicherung und Beschäftigung übermittelt werden.

14.   Wie    beurteilen   Sie  die  Effizienz der   aktuellen
      Schnittstellenregelungen des SGB II zum SGB III, VI, VIII
      und IX? Welche Optimierungsmöglichkeiten sehen Sie
      hierbei?

 -    Die Schnittstelle zwischen dem SGB II und SGB III ist im § 16
      Abs. 1 SGB II geregelt. In der Praxis wird aber immer wieder die
      Frage aufgeworfen, inwieweit die in der Kommentarliteratur
      vertretene Vorrangigkeit der typisierten Leistungen des SGB III
      über die Schnittstellennorm des § 16 Abs. 1 SGB II zu einem
      Ausschluss eigengestalteter sonstiger Leistungen im Sinne des
      § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II führt. Eine gesetzliche Klarstellung

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
der    Reichweite        der    Ausschlusswirkung       wäre     hier
     erstrebenswert.
 -   Des Weiteren besteht nach unserer Erfahrung ein Bedürfnis, die
     Fortführung von In-Gang befindlichen Eingliederungsprozessen
     bei Rechtskreisübertritten als Regelfall vorzusehen und hier ein
     entsprechend reduziertes Ermessen für den Nachfolgeträger
     vorzusehen. Es zeigt sich immer wieder, dass aufwendige
     Bildungsmaßnahmen bei Trägerwechsel abgebrochen werden.
     Das   Gleiche     gilt   bei    einem    plötzlichen   Wegfall   des
     Leistungsbezugs.
     Zum Teil ist im Zeitpunkt der Entscheidung über Abbruch oder
     Fortführung der Maßnahme bereits der Wiedereintritt des
     Leistungsbezugs absehbar mit der unsinnigen Folge, dass ggf.
     dann über eine Neuauflage der abgebrochenen Maßnahme
     nachzudenken wäre. Die §§ 15 SGB II und 35 Abs. 3 SGB II
     müssten deshalb trägerunabhängig auf einen nachhaltigen
     Integrationserfolg hin ausgerichtet werden.
 -   Im Verhältnis des SGB II zum SGB VIII fehlt eine klare
     Schnittstellenregelung gänzlich. Das führt in der Praxis zu der
     Folge, dass mit Eintritt der Volljährigkeit ein abrupter Abbruch
     der erzieherischen Betreuung durch das Jugendamt stattfindet
     und der Jugendliche in den Bereich des SGB II überführt wird.
     Dabei beruft man sich auf § 3 Abs. 2 SGB II, der Jugendliche
     und jugendliche Erwachsene unter 25 Jahren einer besonderen
     Aufmerksamkeit des SGB II-Trägers unterwirft. Des Weiteren
     verweist man auf § 10 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII, der die
     Eingliederungsleistung vollständig im Aufgabenbereich des
     SGB II angesiedelt sieht. Dabei wird aber verkannt, dass das
     Integrationsinstrumentarium des SGB II und III eine allgemeine
     Ausrichtung     haben     und    nicht   unter   jugendspezifischen
     Gesichtspunkten ausgestaltet sind. Die bei den Jugendlichen zu
     beobachtenden Persönlichkeitsdefizite und Reifeverzögerungen
     sind aber nur mit Hilfe pädagogischer Maßnahmen zu
     überwinden. Deshalb sollte eine Nachsorgeverpflichtung für den
     Jugendhilfeträger verankert werden. Bei Jugendlichen und
     jungen Erwachsenen, die die Volljährigkeitsgrenze überschritten

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
haben, müssen die jugendpädagogischen Maßnahmen des
     SGB VIII zur Anwendung gelangen und begleitenden Charakter
     gegenüber den Eingliederungsleistungen des SGB II haben.
     Nur so ist der Schwierigkeit zu begegnen, dass zahlreiche
     Ausbildungs-      und    Arbeitsplätze        aufgrund    mangelnder
     persönlicher Reife und sozialer Kompetenzen nicht besetzt
     werden können.
 -   Unbefriedigend ausgestaltet ist auch die Schnittstelle im Bereich
     SGB II/SGB IX. Die Aufgabenzuordnung und die sich daraus
     ergebende      Arbeitsteilung   von    Agentur     für    Arbeit   und
     zugelassenem         kommunalen       Träger     tragen     deutlichen
     Kompromisscharakter. So ist die Agentur für Arbeit gemäß dem
     neu eingefügten § 6a SGB IX Reha-Träger und damit für die
     Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch für behinderte
     erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II zuständig,
     soweit kein anderer Reha-Träger leistungsverpflichtet ist.
     Mit In-Kraft-Treten des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes zum
     01. 08. 2006 übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die
     Verfahrensverantwortung nunmehr für alle Reha-Fälle der
     Kommune.       Die    jedoch    arbeitsintensive    Leistungs-     und
     Integrationsverantwortung trägt die Kommune als zugelassener
     kommunaler Träger. Sie leistet damit die eigentliche, inhaltliche
     Arbeit eines Reha-Trägers.
     Die    damit      gegebene,       parallele     Einschätzung       des
     Integrationsbedarfs durch Agentur und kommunalem Träger,
     führt zu einer ineffizienten Doppelstruktur und zwangsläufig zu
     immer wieder auftretenden Konflikten an der Schnittstelle.
     Insbesondere bei Einschätzungsdifferenzen hinsichtlich der
     Eignung und Gebotenheit einer ins Auge gefassten Maßnahme,
     ist eine zum Teil aufreibende Herstellung des Einvernehmens
     notwendig. Dabei fühlen sich die beteiligten Akteure immer
     wieder in ihrer Einschätzungskompetenz durch die andere Seite
     in Frage gestellt, was letztlich Verzögerungen zu Lasten des
     Betroffenen auslöst. Die kommunalen Fachleute fühlen sich
     zum Teil nicht ausreichend am Reha-Feststellungsverfahren

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beteiligt und rügen eine nur mangelhafte Übergabe der
      entsprechenden Feststellungsunterlagen im Einzelfall.

IV.   Wie kann im Rahmen der Verteilung der Mittel für die
      Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
      erreicht werden, dass die Träger mehr Anreize zur
      erfolgreichen Eingliederung der Hilfesuchenden in Arbeit
      erhalten?

15.   Die Leistungen des SGB II setzen sich zusammen aus
      staatlichen Fürsorgeleistungen und Leistungen die aktiv
      auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ausgerichtet
      sind. Die Eingliederungsmittel werden gegenwärtig
      entsprechend der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften unter
      Berücksichtigung        einer    besonderen    regionalen
      Betroffenheit verteilt. Welche Möglichkeiten oder Risiken
      sähen Sie in ergänzenden Verteilungskriterien, die Erfolge
      bei     der    Eingliederung     stärker  berücksichtigten
      (anreizorientierte Mittelzuweisen)?

      Mit   Blick     auf     die     heterogenen,       sozialstrukturellen
      Gegebenheiten     und     die     unterschiedlichen       Arbeitsmarkt-
      bedingungen sehen wir gegenwärtig keinen Ansatzpunkt für
      eine anreizorientierte Mittelzuweisung. Hier sollten zunächst die
      Ergebnisse der Evaluation abgewartet werden. Insbesondere
      zeigt sich hier bereits, wie aufwendig sich die Herstellung einer
      wissenschaftlichen Vergleichbarkeit darstellt.
      Die Einbindung der in Diskussion befindlichen Erfolgsfaktoren
      und deren Einbindung in einen wie auch immer gearteten
      Steuerungsmechanismus, erschienen derzeit willkürlich und
      würden mehr Risiken als Chancen in sich bergen. Insbesondere
      sehen wir die große Gefahr, dass derartige Vorgaben zu einer
      einseitigen Konzentration auf einzelne „lohnende“ Aspekte
      beitragen könnten bzw. sich die Arbeit auf eine vordergründige
      Erreichung der gesetzten Anreizziele konzentrieren würde.

      Im    Übrigen     würden        letztlich   über    ein      derartiges
      anreizorientiertes Mittelzuweisungssystem die Hilfeempfänger
      für Schlechtleistungen des Grundsicherungsträgers in Haftung
      genommen, da sich in Folge verhinderter Zuweisungen die
      Unterstützungsmöglichkeiten ein weiteres Mal verschlechtern

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Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
würden.           Andererseits             erhielten        leistungsstarke
     Grundsicherungsträger offensichtlich nicht durch den Bedarf
     begründbare        Finanzzuweisungen,              hätten     dann    aber
     Schwierigkeiten,         diese     unter    den    Gesichtspunkten     der
     Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sinnvoll einzusetzen.

 16. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Trägern auch in
     Jahren   mit     einer    vorläufigen Haushaltsführung
     Budgetsicherheit      und      damit   eine     sichere
     Planungsgrundlage zu geben?

     Unabdingbar für eine wirkungsvolle Integrationsarbeit, ist aber
     eine Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen gerade mit Blick
     auf die verfügbaren Budgets.
     Eine vorläufige Haushaltsführung wird sich auch künftig nicht
     vermeiden lassen. Andererseits war im Jahr 2006 die vorläufige
     Haushaltsführung nicht das eigentliche Ärgernis, sondern
     vielmehr    die     in     den      praktischen     Auswirkungen      nicht
     durchdachte qualifizierte Haushaltssperre im Eingliederungstitel.
     Diese hat zu einem enormen Flurschaden geführt und ein in der
     Öffentlichkeit     nicht         nachvollziehbares       Ausgabeverhalten
     ausgelöst. Hier war den potenziellen Maßnahmeteilnehmern,
     aber auch den Kooperationspartnern kaum zu vermitteln, dass
     Ende Juni aufgrund des hohen Bindungsgrades im Rahmen
     vorläufigen Haushaltsführung, zunächst ein Bewilligungsstopp
     ausgesprochen werden musste, um dann zwei Monate später
     unter enormen Zeitdruck die aufgeschobenen Projekte ins
     Laufen     zu       bringen,         um      die       entsperrten   Mittel
     zweckentsprechend auch noch im laufenden Haushaltsjahr
     wirksam werden zu lassen. Insofern sollte man in der Zukunft zu
     einer größeren Budgetsicherheit gelangen.

 17. Ist es möglich, in den Arbeitsgemeinschaften einen zur
     effizienten Aufgabenerledigung erforderlichen qualifizierten
     und motivierten Mitarbeiterstamm aufzubauen und
     dauerhaft zu beschäftigen? Welche Maßnahmen wären ggf.
     erforderlich?

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Diese Frage bezieht sich auf die effiziente Aufgabenerledigung
      innerhalb der Arbeitsgemeinschaften, insofern                       wird hier von
      einer Stellungnahme abgesehen.

18.   Welche     rechtlichen  Rahmenbedingungen     für   die
      Beschäftigung in den Arbeitsgemeinschaften müssen nach
      Ihrer Auffassung vorrangig verbessert werden (z. B.
      Vergütungsfragen,      Personalentwicklung,   Personal-
      vertretung)?

      Auch bei den zkT stellen sich grundsätzliche Fragen im
      Rahmen einer ordnungsgemäßen Personalwirtschaft.
      Scheinen        auch    die          Voraussetzungen           aufgrund          der
      ganzheitlichen Personalhoheit und des vorhandenen, für alle
      Mitarbeiter gleichermaßen geltenden Tarifvertrages eindeutig
      und vollends geklärt zu sein, so ergeben sich dennoch nicht
      zuletzt aus dem Tarifvertrag selbst Fragen und Probleme, die
      nicht unwesentlich Einfluss auf die Personalentwicklung,
      Motivation und Teambildungsprozesse nehmen.
      Hier     sei    beispielgebend,            das     Zusammenfließen            bisher
      unterschiedlich        bewerteter                Tätigkeitsfelder      in        das
      „Auffangbecken“ der Entgeltgruppe 9 TVöD benannt.

      Schwerwiegender sind jedoch die Probleme, die sich aus der
      zeitlichen      Begrenzung       des        Optionsmodells          ergeben.      Im
      Landkreis Oder-Spree werden im Amt für Grundsicherung und
      Beschäftigung auf der Basis von Abordnungen ca. 50
      Mitarbeiter aus kreisangehörigen Kommunen beschäftigt, die
      bisher mit den Aufgaben der delegierten Sozialhilfe betraut
      waren.
      Zum      Teil     existieren         in     diesen       Kommunen             bereits
      Haustarifverträge      oder          unterschiedliche        Regelungen          zur
      Inanspruchnahme von Altersteilzeit. Darüber hinaus wurden ca.
      130 Mitarbeiter auf der Basis befristeter Verträge neu
      eingestellt. Die gesamte Personalwirtschaft                    wird durch die
      unterschiedlichen       Beschäftigungsverhältnisse                    nicht      nur
      erschwert,       vielmehr      ist        eine     konzeptionell      untersetzte

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