Bundesregierung, Arbeitsgruppe "Arbeitsmarkt", Sachverständigenanhörung zum Thema
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Bundesregierung, Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“, Sachverständigenanhörung zum Thema: „Effizienz im SGB II“ Ausführliche Stellungnahme des zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende Landkreis Oder-Spree - Amt für Grundsicherung und Beschäftigung - Beeskow, 3. November 2006 Seite 1 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Der Landkreis Oder-Spree als zugelassener kommunaler Träger im ostbrandenburgischen Sozial- und Wirtschaftsraum Um Ihnen eine bessere Einordnung unserer Stellungnahme zu den von der Arbeitsgruppe aufgeworfenen Fragestellungen zu ermöglichen, stelle ich eine kurze Beschreibung der sozialstrukturellen Umfeldbedingungen der Region Ostbrandenburg voran. Der Landkreis Oder-Spree weist die typischen strukturellen Gegebenheiten eines ostdeutschen Flächenlandkreises auf, wobei er entsprechend seiner räumlichen Ausdehnung zwischen der Berliner Stadtgrenze und der Grenze zur Republik Polen durch ein deutlich strukturelles Gefälle gekennzeichnet ist. Es handelt sich um eine überwiegend land- und forstwirtschaftlich strukturierte Region, ohne weit zurückreichende, industrielle Tradition. Die zu Zeiten der DDR entwickelten industriellen Kerne (EKO Stahl Eisenhüttenstadt, Pneumant Reifenwerk Fürstenwalde, Halbleiterwerk Frankfurt (Oder) wurden nach der Vereinigung sehr nachhaltig durch die Marktbereinigungsprozesse betroffen, so dass sie nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Stellenpotenzials aufweisen. Dementsprechend repräsentiert ein großer Teil unserer SGB II- Leistungsbezieher die typischen Folgeprobleme der Nachwendezeit, insbesondere Arbeitnehmer, die 1990 um die 40 Jahre alt waren und damit aus der damaligen Sicht zu alt für eine neue berufliche Qualifikation erschienen. Wir treffen hier auf ein großes Potenzial von seinerzeit gerade technisch-naturwissenschaftlich gut ausgebildeten Arbeitssuchenden, die sich seit Anfang der 90er Jahre in wechselnden Arbeitsfördermaßnahmen befinden, unterbrochen nur von kurzzeitigen Beschäftigungen außerhalb ihres erlernten Berufes. Diese Generation, die im Zusammenhang mit der tiefgreifenden Deindustrialisierung massenhaft freigesetzt wurde, hat mittlerweile das 50. Lebensjahr deutlich überschritten und kann an ihre ursprüngliche Ausbildung und berufliche Praxis kaum mehr anknüpfen. Die Arbeitsmarktintegration dieser ausgesprochen motivierten Bedarfsgruppe stellt für das Amt für Grundsicherung und Seite 2 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Beschäftigung eine kaum lösbare Aufgabe dar. Eingliederungserfolge auf dem 1. Arbeitsmarkt sind hier nur in Einzelfällen zu verzeichnen. Gerade für diese Altersgruppe scheint unter den spezifischen Bedingungen unserer Region die Etablierung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors die einzige Möglichkeit, ein eigenes Erwerbseinkommen zu erzielen sowie die gerade mit Blick auf die psychischen und gesundheitlichen Folgewirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit dringend notwendige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sicherzustellen. Nach der Wende hat sich im Landkreis Oder-Spree zwar eine mittelständische Wirtschaftsstruktur herausgebildet, diese weist aber die typischen Mangelerscheinungen des Neuanfangs auf, wie geringe Eigenkapitalausstattung sowie wenige stabile, langjährige und überregionale Geschäftsbeziehungen. Dementsprechend geringer nimmt unsere Wirtschaft auch an den Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft teil. Dementsprechend wirkt sich die schwache Binnennachfrage deutlich stärker aus als in westdeutschen Vergleichsräumen. Hinzu kommt eine deutlich geringere Kaufkraft, angesichts des gegenüber westdeutschen Vergleichsregionen deutlich niedrigeren Lohnniveaus in unserer Region bzw. der weitaus geringeren privaten Vermögenssubstanz als Grundlage einer ergänzenden Nachfrage. Mit Blick darauf, dass die Grundsicherung in der gegebenen Höhe faktisch einem bereits flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von etwa 4,00 Euro Netto entspricht, lässt sich feststellen, dass im Niedriglohnsegment bei nur geringer Tarifbindung das Grundsicherungsniveau weitgehend unterschritten wird. Gerade im Dienstleistungsbereich (Gastronomie, Bewachungsgewerbe etc.), in der Landwirtschaft, aber auch in einzelnen Bereichen des Handwerks, werden Bruttolöhne gezahlt, die deutlich unter 4,00 Euro liegen. Seite 3 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
In diesem Zusammenhang lässt sich insbesondere bei Leistungsbeziehern mit umfangreicheren Vermittlungshemmnissen, angesichts der einerseits recht hohen Eintrittsschwelle zum 1. Arbeitsmarkt und der andererseits kaum gegebenen Anreize, eine reguläre Arbeit aufzunehmen, zum Teil ein regelrechtes Ausweichverhalten beobachten. Des Weiteren ist festzustellen, dass knapp 30 Prozent der ALG II- Bezieher so genannte Aufstocker sind, die sich zum größten Teil in prekären Arbeitsverhältnissen befinden, welche ihnen nicht ermöglichen, mit dem erzielten Erwerbseinkommen ihren individuellen Bedarf abzudecken. Andererseits gestaltet es sich mit Blick auf das bestehende Arbeitsverhältnis oder Teilzeitarbeitsverhältnis vielfach schwierig, ergänzende Beschäftigungsmöglichkeiten zur Schließung der Erwerbslücke zu organisieren, da von den Beschäftigten seitens der Betriebe eine weitaus höhere, zeitliche Inanspruchnahme des Betreffenden erwartet wird, als dies den arbeitsvertraglichen Festlegungen entspricht. Die Beschäftigten haben zum großen Teil in beträchtlichem Umfang unbezahlte Mehrarbeit zu leisten bzw. für Arbeitsvor- und nachbereitung bzw. Übergaben zur Verfügung zu stehen. Mit Blick auf den ländlichen Raum sind auch erhebliche Wegezeiten von bis zu 4 Stunden täglich keine Seltenheit. Grundlegend andere Schwierigkeiten zeigen sich bei der Integration der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren. Hier bildet zu einem sehr hohen Anteil die mangelhafte schulische Bildung, die sich in fehlenden Schulabschlüssen bzw. schlechten schulischen Leistungen zeigt, das entscheidende Vermittlungshemmnis. Dementsprechend weist diese Bedarfsgruppe auch in hohem Maße Motivations- und Orientierungsdefizite auf. Hier wirken sich zum großen Teil die langjährigen Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit im privaten Umfeld und den typischen Begleiterscheinungen einer totalen Perspektivlosigkeit verhängnisvoll aus. Von Lehrern der beruflichen Bildung wird berichtet, dass Jugendliche auf die Frage nach den beruflichen Zielen schlicht mit: Seite 4 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
„Hartz IV“ antworten. Um in diesen Fällen eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen, bedarf es zunächst einer Aufarbeitung der grundlegenden Sozialisationsdefizite und damit quasi zunächst einer Eingliederung in unser gesellschaftliches Wertesystem. Dem Amt wächst gerade in dieser Bedarfsgruppe zunehmend die Rolle eines umfassend agierenden sozialpädagogischen Reparaturbetriebes zu, der die Defizite, die Erziehung und Schule nicht bearbeitet haben, ausgleichen soll. Die seit gut einem Jahr unternommenen verstärkten Anstrengungen, gerade die in derartigen Problemlagen befangenen ALG II-Bezieher für den 1. Arbeitsmarkt zu ertüchtigen, haben uns aber gelehrt, dass sich unser ursprünglicher Ansatz, der auf eine deutlich unmittelbarere Vermittlung in Beschäftigung gerichtet war, deutlich zugunsten der weiteren Zielsetzungen des SGB II – nämlich die Verbesserung bzw. Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit und die soziale Stabilisierung - verschoben hat. Eine jüngst durchgeführte Analyse unserer Klientelzusammensetzung hat ergeben, dass ca. 70 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch komplexe Unterstützungsbedarfe gekennzeichnet sind. Dabei weist der typische Hilfebedarf folgende Charakteristika auf: ▪ keine bzw. eine am 1. Arbeitsmarkt nicht nachgefragte Berufsqualifikation; ▪ Defizite bei den sozialen Kompetenzen mit dem Ansatz zur Mehrdimensionalität; ▪ eine diskontinuierliche Erwerbsbiografie; ▪ ein problematisches, soziales Umfeld, welches Stabilisierungs- bzw. Aktivierungsmaßnahmen eher negativ beeinflusst; ▪ oft gesundheitliche Schwierigkeiten oder psychosoziale Probleme von der fehlenden Tagesstruktur und damit zusammenhängenden Motivationsdefiziten über eine belastende familiäre Situation bis hin zu ausgeprägtem Alkoholmissbrauch; Seite 5 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
▪ häufig anzutreffende Schuldenproblematik mit den Begleiterscheinungen wie drohender Wohnungsverlust, Energieabschaltungen, drohende Lohnpfändungen etc. Die vorgenannten Integrationshemmnisse haben sicherlich einen je nach der betrachteten Betreuungskategorie zu unterscheidenden Ausprägungsgrad. In allen Fällen besteht aber das Erfordernis einer komplexen Fallbearbeitung, die in vielen Fällen die Qualität eines intensiven Casemanagement annimmt. Diese strukturellen Gegebenheiten mögen ausreichen, um die langjährig hohe Arbeitslosigkeit von gegenwärtig 17 Prozent zu erklären. Es kann ebenso festgestellt werden, dass wir es bei einem Verhältnis der offenen Stellen zur Zahl der Arbeitssuchenden von etwa 1 : 36 gegenüber einem Verhältnis von 1 : 12 in Westdeutschland, kaum mit einem Arbeitsmarkt im herkömmlichen Sinne bzw. einem Vermittlungsproblem zu tun haben, sondern mit einer dauerhaft verfestigten Massenarbeitslosigkeit, die historisch strukturelle Ursachen hat. Diesen Gesichtspunkt wird man insbesondere bei der Ausrichtung der Förderinstrumente, aber auch bei den Integrationserwartungen im Auge behalten müssen. Wie gezeigt, hat Arbeitslosigkeit ein deutlich regionales Gesicht, sodass die Antworten auf die sozial-strukturellen Probleme auch nur aus der Region gegeben werden können. Insbesondere zentralistisch geprägte Entscheidungen bzw. der administrative Durchgriff anderer föderaler Ebenen in die kommunalen Organisationsstrukturen erscheinen hier als der falsche Weg, da sie unweigerlich zu permanenten Steuerungskonflikten führen müssen. Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich der Kreistag nach eingehender Diskussion sehr bewusst für den Antrag auf eine Zulassung als kommunaler Träger und damit eine vollumfängliche Aufgabenwahrnehmung ohne Beteiligung der Agentur für Arbeit entschieden. Seite 6 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Das Amt für Grundsicherung und Beschäftigung ist als weitgehend eigenständige Organisationseinheit in die Dezernatsstruktur des Landkreises eingebunden. Die strategische Ausrichtung und die Geschäftspolitik des Amtes werden dabei unmittelbar vom Dezernenten gesteuert. Ihm stehen als Stabsfunktionen ein Geschäftsbereichsleiter Grundsicherung/Querschnittsaufgaben sowie eine Geschäftsbereichsleiterin Integration/Regionaler Arbeitsmarkt zur Seite. Darüber hinaus unterstehen ihm direkt die 5 Regionalstellenleiter. Die Organisationseinheit verfügt gegenwärtig über 275 Mitarbeiter, bei einem Stellensoll von 286. Die Untererfüllung bei der Stellenausstattung ist auf die über 50 %ige Abweichung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften (BG) gegenüber der durch das BMWA prognostizierten Werte zu sehen. Gegenüber der Prognosezahl von 9.681 BG betreuen wir aktuell 14.200 BG nach einem erfreulichen Rückgang der Bedarfsgemeinschaftszahl, die im Sommer 2006 bei ca. 16.000 BG lag. Diese explosionsartige Entwicklung hat im Startjahr 2005 erhebliche infrastrukturelle Folgeprobleme ausgelöst, die noch nicht zu 100 Prozent behoben werden konnten. Die Zahl der Regelsatzempfänger ALG II liegt bei 19.451, darunter: ▪ Anteil unter 25 Jahren: 3.673 ▪ 50 Jahre und älter: 4.591 ▪ 55 Jahre und älter: 2.260 Die Zahl der Regelsatzempfänger Sozialgeld beträgt: 5.777 Seite 7 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
I. Wie ist die Wirksamkeit der Durchführung der Grund- sicherung für Arbeitsuchende in einer Hand (Arbeitsgemeinschaften bzw. zugelassene kommunale Träger) im Vergleich zur früher getrennten Aufgabenwahrnehmung bei Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe durch Kommunen und Arbeitsämter zu beurteilen? 1. Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit der Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in einer Hand durch Arbeitsgemeinschaften bzw. Optionskommunen im Vergleich zur früheren getrennten Durchführung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe durch Kommunen und Arbeitsämter? Ein Effizienzvergleich zwischen heutiger und vormaliger Aufgabendurchführung ist angesichts der nicht vergleichbaren, gesetzlichen Aufgabeninhalte und Zielsetzungen kaum möglich. Das BSHG war ausschließlich vom Gedanken der materiellen Existenzsicherung geprägt; - daran orientierte sich im Wesentlichen auch die kommunale Praxis. Sozialhilfeempfänger waren zwar zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet – aber ein wirkungsvolles Eingliederungsinstrumentarium stand nicht zur Verfügung. Kommunale Eingliederungsaktivitäten blieben deshalb punktuell und unsystematisch. Selbst Initiativen wie „Arbeit statt Sozialhilfe“ im Landkreis Oder- Spree waren in erster Linie fiskalisch inspiriert. Insofern stand nicht die bedarfsgerechte nachhaltige Vermittlung in Erwerbsarbeit im Vordergrund, sondern vielmehr die temporäre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, um darauf nach einem Jahr neue Anwartschaften auf den Bezug von Arbeitslosengeld zu begründen. Dies bedeutete aber nichts anderes, als die allgemein beklagte Verschiebung von Transferlasten in den Sozialversicherungsbereich. Zwar beteiligte sich der Landkreis Oder-Spree als eine von 4 Modellkommunen am FAIR-Projekt, bei dem erstmals der Integrationsgedanke und ein behördenübergreifendes Seite 8 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Zusammenwirken mit dem Arbeitsamt im Vordergrund standen. Der Modellversuch musste allerdings aus Anlass der Optionswahrnehmung durch den Landkreis Oder-Spree vorzeitig beendet werden, da die Agentur für Arbeit die Zusammenarbeit unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gekündigt hatte. Insofern lässt sich eine abschließende Bewertung dieser tendenziell in die richtige Richtung weisenden Integrationsbemühungen hier nicht vornehmen. Der entscheidende Mangel bei der getrennten Aufgabenwahrnehmung lag darin, dass es weder eine Kooperation noch ein Schnittstellenmanagement gab und beide Aufgabenträger aus einem grundlegend anderen Sozialstaats- bzw. Aufgabenverständnis heraus agierten, als dies unter der Geltung des SGB II und des dahinter stehenden Konzeptes des aktivierenden Sozialstaats der Fall ist. Beide Aufgabenträger konzentrierten sich auf den ihnen zugewiesenen Aufgabenausschnitt. Infolge dessen blieben die wesentlichen Integrationshemmnisse und Unterstützungs- bedarfe im Überschneidungsbereich der getrennten Aufgabenwahrnehmung unbearbeitet. Dieses „Zuständigkeitsdenken“ war ineffektiv und mit Blick auf den enormen Ressourceneinsatz in höchstem Grade ineffizient. 2. Hat die Aufgabenwahrnehmung in einer Hand innerhalb der Verwaltungen zu Synergieeffekten geführt? Wenn ja, welche sind dies und sind zukünftig weitere Synergien zu erwarten? Mit Blick auf die eingangs geschilderte Klientelzusammensetzung, die zu über 70 Prozent durch komplexe Unterstützungsbedarfe gekennzeichnet ist, macht sich die Einbeziehung gerade der kreiskommunalen Fachämter: Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt, Ausländerbehörde sowie des Schulverwaltungsamtes sehr häufig erforderlich. Seite 9 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Darüber hinaus nutzen wir bei unseren Integrationsanstrengungen intensivst die bestehenden Netzwerkstrukturen, in die die Akteure am heimischen Arbeitsmarkt - etwa die kreisangehörigen Kommunen, die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften sowie sonstige etablierte Maßnahmeträger - mit denen wir insbesondere im Bereich der Beschäftigungsschaffenden Infrastruktur- maßnahmen und der Arbeitsgelegenheiten zusammen arbeiten eingebunden sind. Ein gleich geartetes Näheverhältnis verbindet uns mit den in der Region vertretenen Bildungsträgern, die besonders in die berufliche Erstausbildung sowie Trainings- und Umschulungsmaßnahmen eingebunden sind. Eine langjährige Zusammenarbeit besteht darüber hinaus zu den sozialen Trägern, hier den Freien Trägern der Wohlfahrtspflege. Das so erprobte Netz der sozialen Dienste wird gerade im Bereich der sozial-flankierenden Maßnahmen (Suchtberatung, Schuldnerberatung, psycho-soziale Betreuung) intensiv genutzt. Genau an diesen Angebots- bzw. Aufgabenschnittstellen liegen für uns als Optionskommune die Synergieeffekte auf der Hand: Die in zahlreichen Fällen notwendige übergreifende Fallbearbeitung erfolgt in der Regel unkompliziert ohne verfahrensmäßige oder hierarchiegeprägte Hemmnisse. Die Kooperation geschieht im direkten Kontakt auf der Bearbeiterebene, oft bereits im Beisein des Bürgers. Aufwendige Amtshilfeverfahren bzw. eine Vermittlung der Zusammenarbeit über die Leitungsebene sind in diesem Zusammenhang entbehrlich. Dies entspricht dem kommunalen Selbstverständnis einer auf Bürgernähe ausgerichteten Verwaltungskultur. Diesem Austausch kommt zugute, dass im Sozialamt und im Jugendamt des Landkreises wie im Amt für Grundsicherung und Beschäftigung eine einheitliche Softwareanwendung (Lämmkomm des Softwareanbieters Lämmerzahl) zum Einsatz kommt, was ungeachtet der anfangs auch bei dieser Anwendung auftretenden Probleme inzwischen Seite 10 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
zu einer deutlichen Vereinfachung der amtsübergreifenden Bearbeitungsprozesse geführt hat. Weitere Synergieeffekte ergeben sich aus der lokalen Einbindung. Die Verankerung vor Ort schafft Überblick und Einblick. Diese fördern insbesondere die innere Beteiligung und das Engagement der Mitarbeiter, ermöglichen andererseits aber auch die schnelle Herstellung einer produktiven Beziehungsebene zwischen dem Fallmanager und seinem Klienten. Der bessere Einblick in die individuellen Lebensverhältnisse der Bürger ermöglicht darüber hinaus auch eine passgenauere Anwendung der in Betracht kommenden Integrationsmaßnahmen. Darüber hinaus führt die einheitliche Aufgabenwahrnehmung durch die Kommune zu einem erheblichen synergetischen Nutzen im Bereich der Kontrolle bzw. der Missbrauchsvermeidung. Gerade der vertiefte Einblick in die sozialen Strukturen und individuellen Lebensverhältnisse sowie das Erfahrungswissen der anderen Netzwerkakteure in konkreten Hilfeleistungsfällen, aber auch der Zugang zur allgemeinen Sozialkontrolle, haben mit Blick auf missbräuchliches Verhalten eine generalpräventive Wirkung bzw. ermöglichen bereits im Vorfeld die Missbrauchsvermeidung. Synergien ergeben sich auch aus der sehr weitgehenden Nutzung des kommunalen Querschnittsbereiche, was sich insbesondere in der Aufbauphase deutlich bemerkbar gemacht hat. Mit Blick auf die Dimensionen der neu übernommenen Aufgabe konnten hier die kommunalen Ressourcen quasi auf Zuruf monatelang vollumfänglich in Anspruch genommen werden, teilweise sehr zum Leidwesen der übrigen Bedarfsträger in der Kreisverwaltung. Seite 11 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vorhandensein paralleler, sozialgestalterischer Zielsetzungen die Möglichkeit, unter sozial- integrativen und sozial-präventiven Gesichtspunkten eine integrierte soziale Entwicklungsstrategie umzusetzen. Als konkrete Beispiele können hier etwa genannt werden: der Gender-Maintstreaning-Gedanke, die Behindertenintegration, die Integration von Zuwanderern im Landkreis Oder-Spree, insbesondere aus Osteuropa. Diese Anliegen sind seit Jahren durch entsprechende Beiräte repräsentiert und im kommunalpolitischen Bewusstsein fest verankert. Aber auch was die sozial-flankierenden Maßnahmen anbelangt, verfügt der Landkreis über originäre Kompetenzen und langjährige Erfahrungen bei der: Suchtberatung, Schuldnerberatung, psycho-sozialen Betreuung, ambulanten Pflege Angehöriger und insbesondere der kinder- und jugendfürsorgerischen Betreuung. Hier ist der Landkreis von je her Leistungsträger. Die sich aus der Konzentration der unterschiedlichsten Aufgaben in einer „kommunalen Hand“ ergebenden Synergieeffekte lassen sich ohne Weiteres erkennen. 3. Wie stellt sich die Aufgabenwahrnehmung in einer Hand nach Ihrer Auffassung aus der Sicht der Hilfesuchenden dar? Sehen Sie insoweit Verbesserungsmöglichkeiten, falls ja, welche? Aus der Sicht der Hilfeempfänger kann gegenwärtig nur mit einer verwaltungsseitigen Einschätzung gearbeitet werden, die sich auf punktuelle Rückmeldungen sowie die Auswertung von Beschwerden und Widerspruchsverfahren ergibt. Eine Befragung der Hilfesuchenden ist geplant, wurde bislang aber noch nicht durchgeführt. Positiv wird insbesondere auf die Präsenz des Amtes für Grundsicherung und Beschäftigung in der Fläche des ländlichen Raumes reagiert. Mit Blick darauf, dass der Landkreis hinsichtlich seiner territorialen Ausdehnung fast dem Saarland entspricht, haben wir uns seinerzeit entschlossen, fünf Regionalstellen vorzuhalten, um dem Gedanken der Seite 12 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Bürgernähe auf diese Weise unmittelbar zu entsprechen. Um dem Gedanken „Alle Leistungen aus einer Hand“ gerecht zu werden, bieten wir in den Regionalstellen umlaufend Sprechstunden des Jugendamtes und unseres Reha- /Behindertenintegrationsteams an. Diese Dienste werden intensiv genutzt. Großen Wert legen wir insbesondere auch auf bürgerfreundliche Öffnungszeiten, die wir an zwei Tagen auf 18:00 Uhr ausgedehnt haben, um insbesondere den speziellen Bedürfnissen der Bewohner der ländlichen Bereiche mit ihren zum Teil aufwendigen Wegebeziehungen entgegenzukommen. Da alle Funktionen Leistungsrechnung/ Fallmana- gement/Vermittlung in jeder Regionalstelle vorgehalten werden, ist eine ganzheitliche Problemlösung vor Ort, unter Berücksichtigung lokaler Bezüge, wie etwa die Zuweisung zu ortsnah angesiedelten Projekten und Arbeitsgelegenheiten, unser vorrangiges Ziel. Die wohltuend neue Qualität der Problembewältigung wird insbesondere von denjenigen wahrgenommen und entsprechend geäußert, die aus eigenem Erleben den direkten Vergleich mit der Praxis der getrennten Aufgabenwahrnehmung ziehen können. Als entscheidende Fortschritte werden dabei insbesondere folgende Elemente angesehen: - der Zugang ehemaliger Sozialhilfeempfänger zu den Beratungs- und Vermittlungsleistungen sowie zu den Leistungen der Sozialversicherung und dies aufgrund einer gesteuerten Beratung aus einer Hand und unter einem Dach; - damit entfällt das vor unterschiedlichen Behörden immer wieder erneute Darlegen müssen der individuellen Lebensumstände sowie deren Glaubhaftmachung; Seite 13 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
- der beschäftigungsorientierte Einsatz sozial-flankierender Maßnahmen (Schuldnerberatung, Betreuung von Kindern und betreuungsbedürftigen nahen Angehörigen, Suchtberatung, psychosoziale Betreuung) auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Eingliederungsvereinbarung; - der Persönliche Ansprechpartner als dauerhafte Bezugsperson mit Lotzenfunktion, ohne den bislang erfahrenen, ständigen Bearbeiterwechsel bzw. einer Vielzahl unterschiedlicher Ansprechpartner für eng begrenzte Teilleistungen; - der gewandelte Charakter der Behördenkontakte – weg von der Meldeobliegenheit, hin zu einer zielgerichteten Problemlösung; - individuelleres Eingehen auf den Einzelfall; - geringerer zeitlicher Warteaufwand, da die Beratung in der Regel auf der Grundlage fester Terminabsprachen erfolgt. Kritisiert werden demgegenüber zum Teil die detaillierte Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie die damit verbundene Nachweisführung als auch die verstärkten Kontrollaktivitäten bzw. ausgesprochenen Sanktionen. Auch die Notwendigkeit, nach Auslaufen der geltenden Bewilligung immer wieder Folgeanträge stellen zu müssen, wird als lästig empfunden. Verbesserungsmöglichkeiten mit Blick auf eine Steigerung der Klientenzufriedenheit sehen wir gegenwärtig noch an vielen Stellen. Dabei steht für uns im Vordergrund, die Intensivierung der Fortbildung der Mitarbeiter, die Lösung der verbliebenen Probleme bei der Raum- und Personalausstattung sowie die Einhaltung der empfohlenen Fallbearbeitungsschlüssel. Massive Unmutsbekundungen brachte uns allerdings der im Juni 2006 ausgesprochene Bewilligungsstopp bei den Eingliederungsmaßnahmen, der eine Folge der qualifizierten Seite 14 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Haushaltssperre des Haushaltsausschusses des Bundestages war. Aufgrund des hohen Mittelbindungsgrades, den wir im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung erreicht hatten, sahen wir uns zu dieser Maßnahme gezwungen. Dies hat zu erheblichen Irritationen, gerade bei Hilfeempfängern geführt, denen eine Maßnahme für den fraglichen Zeitraum in Aussicht gestellt worden war. Hier waren zum Teil erhebliche Enttäuschungen festzustellen und wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass mühsam erworbenes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Landkreises durch die haushaltspolitischen Beschlüsse erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde. 4. Wie kann durch Bürokratieabbau erreicht werden, dass die Träger der Grundsicherung ihre Ressourcen auf die Betreuung der Hilfebedürftigen konzentrieren können? In punkto bürokratischer Aufwand ist ein stetiges Anwachsen von Querschnittsaufgaben zu beobachten bzw. die zunehmende Zuweisung von Annextätigkeiten durch gesetzgeberische Korrekturen. Letztere lösen jedes Mal einen immensen Anpassungsaufwand, gerade unter EDV- Gesichtspunkten aus, insbesondere wenn mangels ausreichender Übergangsfristen in laufende Leistungsbeziehungen durch Neubescheidungen eingegriffen werden muss. Dies alles geht zu Lasten des Fallmanagements. - Unverhältnismäßig gestalten sich auch das ausufernde Berichtswesen und die monatlichen Statistikübungen. - In diese Kategorie fällt auch die aufwendige Pflege der Verteilungskonflikte (die Bundesbeteiligung an den KdU bzw. die angemessene Berücksichtigung der kommunalen Verwaltungskostenanteile), die halbjährlich immer wieder neue Recherchen mit Blick auf immer spitzfindigere Rechenmodelle erfordern. Seite 15 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
- Ein Problem, das im Moment erhebliche Unsicherheiten auslöst, ist die heftig umstrittene Frage nach der Reichweite des Vergaberechts und insbesondere danach, ob Eingliederungsleistungen nach Zuwendungsrecht abgewickelt werden können oder sie unter dem Aspekt: Dienstleistungsverträge, nach Maßgabe der §§ 97 ff GWB i. V. m. der VOL/A ausschreibungspflichtig sind. Für den Fall, dass man Letzteres bejaht, kämen gerade mit Blick auf die in Brandenburg niedrigeren Schwellenwerte enorme, bürokratische Erschwernisse auf die Träger zu. - Bürokratische Wucherungen bringt auch insbesondere der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in Gestalt der leistungsbezogenen Gehaltselemente mit sich. Dieses System bedarf einer aufwendigen, administrativen Bewirtschaftung über jährliche Beurteilungen, Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche und Zielvereinbarungen. II. Ein Rückzug des Bundes aus der überwiegenden Finanzierung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist weder gewollt noch beabsichtigt: Müssen auf dieser Grundlage die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes gestärkt werden, um die Effizienz der Durchführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu steigern? 5. Wie beurteilen Sie den mittlerweile erreichten Stand der Dezentralisierung bei der Durchführung des SGB II? Halten Sie es für zielführend, den Trägern vor Ort mehr eigene Entscheidungsspielräume zu geben? Die Frage einer ausreichenden Dezentralisierung spielt für die Optionskommune keine entscheidende Rolle. Abgesehen von dem Umstand, dass die Bundesagentur kraft ihrer Statistikhoheit letztlich das Erhebungstableau und damit mittelbar auch die Aufgabendurchführung des zugelassenen kommunalen Trägers beeinflussen kann, sind von der Bundesebene keine im Gesetz angelegten relevanten organisatorischen oder inhaltlichen Einengungen erkennbar. Die mit der überwiegenden Bundesfinanzierung zusammen- hängenden Berichts- und Rechnungslegungsobliegenheiten betrachten wir demgegenüber als sachgerecht und Seite 16 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
angemessen. Insofern werden die gesetzlich eingeräumten Entscheidungsspielräume der Optionskommune nicht durch zentrale Steuerungseingriffe beeinträchtigt. Mit Blick auf jüngste Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur, in denen dieser weitere Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung der ARGE’n für sich reklamiert, hegen wir allerdings die Befürchtung, dass derartige Zentralisierungsbestrebungen auch gegenüber den zugelassenen kommunalen Trägern quasi durch die Hintertür Fuß fassen könnten. Andererseits erwarten wir, dass durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der bevorstehenden Befassung mit den verfassungsrechtlichen Problemen der ARGE-Konstruktion eine Klarstellung der Kompetenzen der beteiligten föderalen Ebenen erfolgen wird, so dass auch die aus dem Aufgabencharakter gebotenen Grenzziehungen gegenüber zentraler Steuerung deutlich werden dürfte. 6. Das SGB II ist auch im Bereich der Arbeitsgemeinschaften geprägt von dem Spannungsfeld zwischen einer zentralen Finanzierung und einer dezentralen Durchführung. Sind Sie der Auffassung, dass vor diesem Hintergrund die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes gestärkt werden müssen? Wir sind nicht der Auffassung, dass die direkten Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes gestärkt werden müssten. Der Gesetzgeber hat sich im Vermittlungsverfahren zum SGB II in bewusster Abweichung von der ursprünglichen Konzeption gerade für eine stärkere Einbeziehung der kommunalen Ebene in die Aufgabenbewältigung ausgesprochen. Dahinter steht einerseits das Subsidiaritätsprinzip, auf der anderen Seite aber konkrete Erfahrungen mit einer Jahrzehnte währenden, stärkeren Regie der Bundesebene auf dem Gebiet der Beschäftigungsförderung. Gerade mit Blick auf die offenbar nicht überzeugenden Ergebnisse, hat man bewusst auch das Seite 17 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Steuerungsprinzip zugunsten einer dezentralen Eigenverantwortung abgeändert. Das Auseinanderfallen zentraler Finanzierung und dezentraler Aufgabendurchführung ist sicherlich atypisch, aber mit Blick auf das Gebot des föderalen, freundlichen Zusammenwirkens der Beteiligten durchaus handhabbar. Angesichts der lokalen Verwurzelung der zu bewältigenden Problemlagen ist dieses Auseinanderfallen schlicht hinzunehmen, denn auch hier ist die Kompetenz zur Problembewältigung ausschließlich auf der kommunalen Ebene. 7. Der Bundesrechnungshof stellt im Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 19. Mai 2006 hinsichtlich der zugelassenen kommunalen Träger fest, „Der Bund hat keine unmittelbaren Steuerungsmöglichkeiten, obwohl er die Kosten der Grundsicherung einschließlich der Verwaltungskosten erbringt, soweit es sich nicht um originär kommunale Aufgaben handelt.“ Wie beurteilen Sie, dass Finanzierungs- und Durchführungsverantwortung an dieser Stelle nicht übereinstimmen? Die Sorge des Bundesrechnungshofes teilen wir nicht. Die gegebene Finanzierungsverantwortung legt nicht zwingend nahe, daraus auch Steuerungskompetenzen mit Blick auf die Umsetzung der gesetzgeberischen Zielsetzungen abzuleiten. Dem Interesse des Bundes kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass ein funktionierendes Kontrollsystem etabliert wird, welches die Verwirklichung der gesetzgeberischen Zielsetzungen unter Effizienz- gesichtspunkten, das heißt nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, sicherstellt. Das Anliegen des Bundesrechnungshofes begegnet erheblichen praktischen Schwierigkeiten. Selbst eine Steuerung über globale Zielvorgaben, welche die operativen Entscheidungsspielräume unberührt lassen würde, litte an der Schwäche, mit Blick auf die heterogenen Arbeitsmärkte und Seite 18 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
sozialstrukturellen Verhältnisse kaum operationalisierbare Kriterien für eine derartige Zielvereinbarung identifizieren zu können. Gerade in der kaum zu leistenden Herstellung der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Verhältnisse bzw. einer bisher nicht gegebenen, griffigen Definition der Erfolgskriterien liegt ja auch das Hauptproblem der Evaluation. Diese Unsicherheiten würden noch verstärkt dadurch, dass dem Bund gar keine unmittelbare Einschätzungsmöglichkeit der Verhältnisse vor Ort gegeben ist. Insofern müssten auch die Steuerungsbedarfe durch den Grundsicherungsträger zunächst identifiziert werden. Der Bund erhielte diese für den Steuerungsprozess wichtigen Erkenntnisse lediglich aus zweiter Hand, und zwar genau von demjenigen, mit dem er dann die Zielvereinbarung abzuschließen hätte – ein insgesamt kaum sinnvolles Verfahren. Eine unmittelbare Steuerungsmöglichkeit im Sinne eines direkten Eingriffs in den Leistungserstellungsprozess würde aber geradewegs zu den vielfach beklagten Erstarrungsphänomenen führen. Die negativen Auswirkungen einer derartigen zentralen Steuerung würden die Kontrollunsicherheiten bei Weitem überwiegen. Im Übrigen sollte man sich vor Augen führen, dass der Gesetzesvollzug letztlich durch Amtsträger wahrgenommen wird, die einheitlichen fach- und dienstrechtlichen Maßstäben unterliegen, egal welcher föderalen Ebene der Dienstherr zuzuordnen ist. 8. Am 01. 08. 2005 wurden zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, der Bundesagentur für Arbeit und kommunalen Spitzenverbänden die Rahmenvereinbarung zur Weiterentwicklung der Grundsätze der Zusammenarbeit der Träger der Grundsicherung in den Arbeitsgemeinschaften abgeschlossen. Wie beurteilen Sie den Stand der Umsetzung der darin vereinbarten Prinzipien? Welche weiteren Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht zur Erreichung dieser Prinzipien ggf. erforderlich? Seite 19 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Frage 8 richtet sich ausschließlich an die ARGE’n, die über die Rahmenvereinbarung die Zusammenarbeit der beiden Träger der ARGE regeln. 9. Welche Auswirkungen hat die Föderalismusreform auf die Verwaltungsstrukturen im SGB II? Die Föderalismusreform hat bei überschlägiger Einschätzung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Verwaltungsstrukturen des SGB II. Die Komplexe Arbeitsrecht/ Arbeitsvermittlung/Sozialversicherung sind Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung im Sinne des Artikel 74 Grundgesetz. Diesbezüglich hat es im Rahmen der Föderalismusreform allerdings keine Verfassungsänderung gegeben. 10. Müssen vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder verbessert werden? Eine Notwendigkeit, die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder zu verbessern, sehen wir nicht. Uns gegenüber nimmt das Land in Gestalt des MASGF Brandenburg die Rechtsaufsicht wahr. In diesem Zusammenhang besteht auch ein enger Austausch aus sachlichem Anlass. Weitere Einwirkungsmöglichkeiten (etwa in inhaltlicher Hinsicht) zu verankern sehen wir nicht. Derartige Kompetenzen müssten sich auch vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips begründen lassen. 11. Wie können die regionalen Belange gestärkt werden? Bei der gegenwärtigen Organisationsstruktur der Umsetzung des SGB II können sich die regionalen Belange zum ersten Mal wirkungsvoll Geltung verschaffen. Wir sehen gerade den Landkreis und die heimische Wirtschaft als eng und netzwerkartig miteinander verbunden. Regionale Interessen werden auf vielfältige Weise auch an das Amt für Grundsicherung und Beschäftigung herangetragen. Nicht zuletzt Seite 20 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
spielt hier die Vertretungskörperschaft eine wesentliche Rolle. Im Kreistag sind über die Fraktionsgrenzen hinweg die bestimmenden wirtschaftlichen und sozialen Interessen durch Kreistagsabgeordnete repräsentiert. Um das bestehende Netzwerk in seinen Wirkungen noch intensiver zu gestalten, haben wir der angestrebten Zusammenarbeit mit allen relevanten Kräften der Wirtschaft, der Beschäftigungsförderung und der sozialen Träger, auch einen institutionellen Rahmen gegeben, und zwar in Gestalt eines Beirates für Beschäftigungsförderung. Wir verbinden damit die Erwartung, dass die Mitglieder des Beirates ihre praktischen Erfahrungen und Kompetenzen auf den Gebieten der Kommunalpolitik, der Wirtschaft und der Wohlfahrtspflege einbringen und insoweit mitwirken, dass die Verwaltungsentscheidungen, die auf dem Feld der Arbeitsmarktintegration vom Amt für Grundsicherung und Beschäftigung zu treffen sind, in ihrer Zielsetzung und Wirkungsweise darauf orientiert werden, dass ein möglichst hoher Beschäftigungsstand erreicht wird und auch die Beschäftigungsstruktur im Sinne der gesellschaftlichen Anliegen, der Gleichstellung von Mann und Frau, der Integration von Menschen, die mit besonderer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind, positiv beeinflusst werden. III. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Träger und Einrichtungen vor Ort wirkungsvoller und ohne Reibungsverluste zu gestalten? 12. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit von kommunalem Leistungsträger und Agentur für Arbeit im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften? Sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten? Ist nicht eine weitere Dezentralisierung der richtige Schritt zu einer verbesserten Umsetzung des SGB II für die Zukunft auch vor dem Hintergrund der Weichenstellung im Grundgesetz durch die Föderalismusreform? Diese Frage bezieht sich auf die Zusammenarbeit von kommunalen Trägern und Agentur für Arbeit im Rahmen der Seite 21 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaft, insofern wird hier von einer Stellungnahme abgesehen. 13. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der zugelassenen kommunalen Träger und Arbeitsgemeinschaften mit den Agenturen für Arbeit (Schnittstellen: Arbeits- und Ausbildungsstellenvermittlung, Übergang von Arbeitslosengeld I in Arbeitslosengeld II, Gewährung von ergänzendem Arbeitslosengeld II zur Arbeitslosengeld I, Austausch von Informationen und Daten)? Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie? Die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit kann inzwischen als reibungslos und gut bezeichnet werden, was zu einem guten Teil auf den offenen und fairen Umgang miteinander, aber auch auf die Dialogbereitschaft und das bemühte Handeln der Geschäftsführung der Agentur zurückzuführen ist. Befremdlich wirkt allerdings oftmals die das Gesamtsystem Bundesagentur prägende Betonung formaler Aspekte, die alles beherrschende „Weisungslage“, die Statistikfixiertheit und das darin zum Ausdruck kommende reduzierte Denken in Mengenkategorien – die der BA nachgesagte „Tonnenideologie“ - sowie die dadurch eingeschränkten Freiheitsgrade der Mitarbeiter. Dies wirkt sich zum Teil hemmend auf schnelle Entscheidungen, unkomplizierte Handhabungen und Absprachen auf der Arbeitsebene aus. Bestes Beispiel hierfür ist der seit nunmehr fast zwei Jahren schwelende Streit um den Zugang zum Stellenpool der BA. In dieser Frage bewegte sich trotz vorliegender Gerichtsentscheidungen, die zu einer Öffnung verpflichteten, bis Ende Oktober in der Geschäftspolitik der BA nichts. Man wurde letztlich auf den Klageweg verwiesen. Eine Woche vor dem Anhörungstermin drehte sich dann aus heiterem Himmel die Situation um 180 Grad. Die Geschäftsführer hatten Weisung, umgehend mit den Optionskommunen in Verhandlung zu treten und eine BA- Vereinbarung zu unterbreiten. Seite 22 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Dessen ungeachtet, haben wir uns gemeinsam bemüht, in den letzten 1 ½ Jahren ein tragfähiges System gegenseitiger Information und Kooperation zu etablieren. Berührungspunkte ergeben sich etwa bei: ▪ der auftragsweisen Übertragung der Ausbildungs- stellenvermittlung; ▪ der Nutzung des medizinisch und psychologischen Fachdienstes der Agentur; sowie ▪ der Abstimmungsnotwendigkeiten im Bereich Reha/Behindertenintegration. Gerade hinsichtlich des Rehakomplexes ist aber zu bemerken, dass sich die aus der Aufgabenzuordnung ergebende Arbeitsteilung unbefriedigend darstellt und zu erheblichen Reibungsverlusten in der Umsetzung führt. Beispielgebend für die grundsätzlich gute Zusammenarbeit auf regionaler Ebene soll hier nur erwähnt werden, dass die Stellenprofile von freien Stellen, die die Agentur für Arbeit nicht mit Arbeitslosengeldbeziehern besetzen kann, an das Amt für Grundsicherung und Beschäftigung übermittelt werden. 14. Wie beurteilen Sie die Effizienz der aktuellen Schnittstellenregelungen des SGB II zum SGB III, VI, VIII und IX? Welche Optimierungsmöglichkeiten sehen Sie hierbei? - Die Schnittstelle zwischen dem SGB II und SGB III ist im § 16 Abs. 1 SGB II geregelt. In der Praxis wird aber immer wieder die Frage aufgeworfen, inwieweit die in der Kommentarliteratur vertretene Vorrangigkeit der typisierten Leistungen des SGB III über die Schnittstellennorm des § 16 Abs. 1 SGB II zu einem Ausschluss eigengestalteter sonstiger Leistungen im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II führt. Eine gesetzliche Klarstellung Seite 23 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
der Reichweite der Ausschlusswirkung wäre hier erstrebenswert. - Des Weiteren besteht nach unserer Erfahrung ein Bedürfnis, die Fortführung von In-Gang befindlichen Eingliederungsprozessen bei Rechtskreisübertritten als Regelfall vorzusehen und hier ein entsprechend reduziertes Ermessen für den Nachfolgeträger vorzusehen. Es zeigt sich immer wieder, dass aufwendige Bildungsmaßnahmen bei Trägerwechsel abgebrochen werden. Das Gleiche gilt bei einem plötzlichen Wegfall des Leistungsbezugs. Zum Teil ist im Zeitpunkt der Entscheidung über Abbruch oder Fortführung der Maßnahme bereits der Wiedereintritt des Leistungsbezugs absehbar mit der unsinnigen Folge, dass ggf. dann über eine Neuauflage der abgebrochenen Maßnahme nachzudenken wäre. Die §§ 15 SGB II und 35 Abs. 3 SGB II müssten deshalb trägerunabhängig auf einen nachhaltigen Integrationserfolg hin ausgerichtet werden. - Im Verhältnis des SGB II zum SGB VIII fehlt eine klare Schnittstellenregelung gänzlich. Das führt in der Praxis zu der Folge, dass mit Eintritt der Volljährigkeit ein abrupter Abbruch der erzieherischen Betreuung durch das Jugendamt stattfindet und der Jugendliche in den Bereich des SGB II überführt wird. Dabei beruft man sich auf § 3 Abs. 2 SGB II, der Jugendliche und jugendliche Erwachsene unter 25 Jahren einer besonderen Aufmerksamkeit des SGB II-Trägers unterwirft. Des Weiteren verweist man auf § 10 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII, der die Eingliederungsleistung vollständig im Aufgabenbereich des SGB II angesiedelt sieht. Dabei wird aber verkannt, dass das Integrationsinstrumentarium des SGB II und III eine allgemeine Ausrichtung haben und nicht unter jugendspezifischen Gesichtspunkten ausgestaltet sind. Die bei den Jugendlichen zu beobachtenden Persönlichkeitsdefizite und Reifeverzögerungen sind aber nur mit Hilfe pädagogischer Maßnahmen zu überwinden. Deshalb sollte eine Nachsorgeverpflichtung für den Jugendhilfeträger verankert werden. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die die Volljährigkeitsgrenze überschritten Seite 24 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
haben, müssen die jugendpädagogischen Maßnahmen des SGB VIII zur Anwendung gelangen und begleitenden Charakter gegenüber den Eingliederungsleistungen des SGB II haben. Nur so ist der Schwierigkeit zu begegnen, dass zahlreiche Ausbildungs- und Arbeitsplätze aufgrund mangelnder persönlicher Reife und sozialer Kompetenzen nicht besetzt werden können. - Unbefriedigend ausgestaltet ist auch die Schnittstelle im Bereich SGB II/SGB IX. Die Aufgabenzuordnung und die sich daraus ergebende Arbeitsteilung von Agentur für Arbeit und zugelassenem kommunalen Träger tragen deutlichen Kompromisscharakter. So ist die Agentur für Arbeit gemäß dem neu eingefügten § 6a SGB IX Reha-Träger und damit für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch für behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II zuständig, soweit kein anderer Reha-Träger leistungsverpflichtet ist. Mit In-Kraft-Treten des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes zum 01. 08. 2006 übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Verfahrensverantwortung nunmehr für alle Reha-Fälle der Kommune. Die jedoch arbeitsintensive Leistungs- und Integrationsverantwortung trägt die Kommune als zugelassener kommunaler Träger. Sie leistet damit die eigentliche, inhaltliche Arbeit eines Reha-Trägers. Die damit gegebene, parallele Einschätzung des Integrationsbedarfs durch Agentur und kommunalem Träger, führt zu einer ineffizienten Doppelstruktur und zwangsläufig zu immer wieder auftretenden Konflikten an der Schnittstelle. Insbesondere bei Einschätzungsdifferenzen hinsichtlich der Eignung und Gebotenheit einer ins Auge gefassten Maßnahme, ist eine zum Teil aufreibende Herstellung des Einvernehmens notwendig. Dabei fühlen sich die beteiligten Akteure immer wieder in ihrer Einschätzungskompetenz durch die andere Seite in Frage gestellt, was letztlich Verzögerungen zu Lasten des Betroffenen auslöst. Die kommunalen Fachleute fühlen sich zum Teil nicht ausreichend am Reha-Feststellungsverfahren Seite 25 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
beteiligt und rügen eine nur mangelhafte Übergabe der entsprechenden Feststellungsunterlagen im Einzelfall. IV. Wie kann im Rahmen der Verteilung der Mittel für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erreicht werden, dass die Träger mehr Anreize zur erfolgreichen Eingliederung der Hilfesuchenden in Arbeit erhalten? 15. Die Leistungen des SGB II setzen sich zusammen aus staatlichen Fürsorgeleistungen und Leistungen die aktiv auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ausgerichtet sind. Die Eingliederungsmittel werden gegenwärtig entsprechend der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften unter Berücksichtigung einer besonderen regionalen Betroffenheit verteilt. Welche Möglichkeiten oder Risiken sähen Sie in ergänzenden Verteilungskriterien, die Erfolge bei der Eingliederung stärker berücksichtigten (anreizorientierte Mittelzuweisen)? Mit Blick auf die heterogenen, sozialstrukturellen Gegebenheiten und die unterschiedlichen Arbeitsmarkt- bedingungen sehen wir gegenwärtig keinen Ansatzpunkt für eine anreizorientierte Mittelzuweisung. Hier sollten zunächst die Ergebnisse der Evaluation abgewartet werden. Insbesondere zeigt sich hier bereits, wie aufwendig sich die Herstellung einer wissenschaftlichen Vergleichbarkeit darstellt. Die Einbindung der in Diskussion befindlichen Erfolgsfaktoren und deren Einbindung in einen wie auch immer gearteten Steuerungsmechanismus, erschienen derzeit willkürlich und würden mehr Risiken als Chancen in sich bergen. Insbesondere sehen wir die große Gefahr, dass derartige Vorgaben zu einer einseitigen Konzentration auf einzelne „lohnende“ Aspekte beitragen könnten bzw. sich die Arbeit auf eine vordergründige Erreichung der gesetzten Anreizziele konzentrieren würde. Im Übrigen würden letztlich über ein derartiges anreizorientiertes Mittelzuweisungssystem die Hilfeempfänger für Schlechtleistungen des Grundsicherungsträgers in Haftung genommen, da sich in Folge verhinderter Zuweisungen die Unterstützungsmöglichkeiten ein weiteres Mal verschlechtern Seite 26 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
würden. Andererseits erhielten leistungsstarke Grundsicherungsträger offensichtlich nicht durch den Bedarf begründbare Finanzzuweisungen, hätten dann aber Schwierigkeiten, diese unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sinnvoll einzusetzen. 16. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Trägern auch in Jahren mit einer vorläufigen Haushaltsführung Budgetsicherheit und damit eine sichere Planungsgrundlage zu geben? Unabdingbar für eine wirkungsvolle Integrationsarbeit, ist aber eine Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen gerade mit Blick auf die verfügbaren Budgets. Eine vorläufige Haushaltsführung wird sich auch künftig nicht vermeiden lassen. Andererseits war im Jahr 2006 die vorläufige Haushaltsführung nicht das eigentliche Ärgernis, sondern vielmehr die in den praktischen Auswirkungen nicht durchdachte qualifizierte Haushaltssperre im Eingliederungstitel. Diese hat zu einem enormen Flurschaden geführt und ein in der Öffentlichkeit nicht nachvollziehbares Ausgabeverhalten ausgelöst. Hier war den potenziellen Maßnahmeteilnehmern, aber auch den Kooperationspartnern kaum zu vermitteln, dass Ende Juni aufgrund des hohen Bindungsgrades im Rahmen vorläufigen Haushaltsführung, zunächst ein Bewilligungsstopp ausgesprochen werden musste, um dann zwei Monate später unter enormen Zeitdruck die aufgeschobenen Projekte ins Laufen zu bringen, um die entsperrten Mittel zweckentsprechend auch noch im laufenden Haushaltsjahr wirksam werden zu lassen. Insofern sollte man in der Zukunft zu einer größeren Budgetsicherheit gelangen. 17. Ist es möglich, in den Arbeitsgemeinschaften einen zur effizienten Aufgabenerledigung erforderlichen qualifizierten und motivierten Mitarbeiterstamm aufzubauen und dauerhaft zu beschäftigen? Welche Maßnahmen wären ggf. erforderlich? Seite 27 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
Diese Frage bezieht sich auf die effiziente Aufgabenerledigung innerhalb der Arbeitsgemeinschaften, insofern wird hier von einer Stellungnahme abgesehen. 18. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beschäftigung in den Arbeitsgemeinschaften müssen nach Ihrer Auffassung vorrangig verbessert werden (z. B. Vergütungsfragen, Personalentwicklung, Personal- vertretung)? Auch bei den zkT stellen sich grundsätzliche Fragen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Personalwirtschaft. Scheinen auch die Voraussetzungen aufgrund der ganzheitlichen Personalhoheit und des vorhandenen, für alle Mitarbeiter gleichermaßen geltenden Tarifvertrages eindeutig und vollends geklärt zu sein, so ergeben sich dennoch nicht zuletzt aus dem Tarifvertrag selbst Fragen und Probleme, die nicht unwesentlich Einfluss auf die Personalentwicklung, Motivation und Teambildungsprozesse nehmen. Hier sei beispielgebend, das Zusammenfließen bisher unterschiedlich bewerteter Tätigkeitsfelder in das „Auffangbecken“ der Entgeltgruppe 9 TVöD benannt. Schwerwiegender sind jedoch die Probleme, die sich aus der zeitlichen Begrenzung des Optionsmodells ergeben. Im Landkreis Oder-Spree werden im Amt für Grundsicherung und Beschäftigung auf der Basis von Abordnungen ca. 50 Mitarbeiter aus kreisangehörigen Kommunen beschäftigt, die bisher mit den Aufgaben der delegierten Sozialhilfe betraut waren. Zum Teil existieren in diesen Kommunen bereits Haustarifverträge oder unterschiedliche Regelungen zur Inanspruchnahme von Altersteilzeit. Darüber hinaus wurden ca. 130 Mitarbeiter auf der Basis befristeter Verträge neu eingestellt. Die gesamte Personalwirtschaft wird durch die unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse nicht nur erschwert, vielmehr ist eine konzeptionell untersetzte Seite 28 von 34 | Ausführliche Stellungnahme Sachverständigenanhörung zum Thema „Effizienz im SGB II“
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