Schule 2020 ... ganz anders - tjfbg gGmbH
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I N H A LT DENKEN LERNEN - PROBLEME LÖSEN | 72 SCHULE VON ZUHAUSE | TÜFTELS SUMM-BIENE | INKLUSIVER UNTERRICHT | MACHINE LEARNING 202 0 Schule 2020 ... ganz anders
STANDPUNKT Titelbild: Schule zu Hause - für die meisten eine völlig Im Schatten des Virus neue Situation, die zahlreiche Herausforderungen für Schüler, Eltern und Lehrer mit sich bringt. VON SIEGHARD SCHEFFCZYK Liebe Leserinnen und Leser, Spätestens seit Mitte März dieses Jah- diese Innovationen voran und sorgt da- res beherrscht ein Thema die mediale für, dass Mikroorganismen, Proteine, als der Verfasser dieser Zeilen um Mitternacht des 31. De- zember 2019 im idyllischen Ziegelhof des Havelstädtchens Aufmerksamkeit: die Corona-Pandemie. Algen und weitere „kleine Helden“ der Zehdenick in fröhlicher Runde auf das neue Jahr anstieß, Angesichts des Bedrohungspotenzials, Bioökonomie große Wirkung entfalten. ahnte wohl niemand der Anwesenden, welche außerge- das von dieser gefährlichen Infektions- Bei allen diesen Aktivitäten, Projekten wöhnlichen Herausforderungen 2020 nicht nur für die krankheit ausgeht, ist dies nur zu gut ver- und Vorhaben kommt es darauf an, die Gäste der gelungenen Silvesterparty, sondern für die ge- ständlich. Zu den vielen Projekten und breite Öffentlichkeit mit ins Boot zu ho- samte Menschheit parat halten würde! Dabei war das Co- Vorhaben, die es auf Grund ihrer Bedeu- len, denn eine allumfassende Umstel- ronavirus bereits damals ante portas, wenngleich dessen tung unter normalen Umständen als Top lung der Wirtschaftsweise wird jeden globales Bedrohungspotenzial noch unerkannt blieb. Nur Events auf die Titelseiten der Presseorga- einzelnen betreffen und tief in die per- wenig später sollte sich das grundlegend ändern. Die auch ne und in die (Wissenschafts-)Magazine sönliche Sphäre eingreifen. Bürgerinnen in Deutschland signifkant ansteigenden Infektionszahlen der öffentlich-rechtlichen und privaten und Bürger sind deshalb aufgefordert, erzwangen den nationalen Shutdown ab Mitte März, des- Rundfunk- und Fernsehsender geschafft diesen Wandel im Dialog mit Wissen- sen Folgen – genauso wie das Virus an sich – noch immer hätten, zählt zweifellos das aktuelle schaft und Forschung und im Rahmen nicht überwunden sind. Bis zur Einführung einer zuverläs- Wissenschaftsjahr. Denn dessen Thema zahlreicher Diskussions- und Mitmach- sig wirkenden und verträglichen Impfung wird ein laten- Bioökonomie ist von hoher Relevanz, ge- formate im Wissenschaftsjahr aktiv tes Risiko bestehen bleiben, dem wir nur mit zwar unvoll- genwärtig, aber erst recht in der Zukunft! mitzugestalten. Wegen der Coronakrise kommenen, aber dennoch unverzichtbaren – und allseits Warum ist das so? Während die Weltbe- können in diesem Jahr jedoch viele der bekannten – Abwehrmaßnahmen begegnen können. völkerung wächst und der Lebensstan- geplanten Veranstaltungen und Foren Trotz aller Zumutungen, die nahezu jeder täglich ertragen dard, zumindest in den wirtschaftlich nur eingeschränkt oder gar nicht statt- muss, geht das Leben weiter – und Chancen die in jeder Kri- entwickelten Ländern wie Deutschland finden, was umso bedauerlicher ist, da se stecken, gibt es auch diesmal. So haben die signifikan- steigt, stehen wir weltweit vor grandi- die Wissenschaftsjahre in Deutschland ten Kontaktbeschränkungen u. a. zum intensiven Ausbau osen ökologischen Herausforderungen. bereits Tradition besitzen. digitaler Angebotsformen geführt. Der Schulunterricht Dazu zählen der menschengemachte ohne bzw. mit nur temporärer Präsenzphase bedeutete für Lehrer*innen und Schüler*innen gleichermaßen Neuland. Klimawandel, die Vermüllung der Mee- In diesem Jahr ist nun (fast) „alles an- Da waren jene Schulen gut dran, bei denen die Digitalisie- re, schwindende landwirtschaftliche ders“ als sonst üblich. Das Virus hat nicht rung schon vor der Krise einen hohen Stellenwert besessen Nutzflächen, sich verschärfende Wasser- nur die zahlreichen geplanten Großver- hatte und jene hatten das Nachsehen, die in der Vergan- knappheit und zur Neige gehende fossile anstaltungen unmöglich gemacht, son- genheit nach der Devise „lieber morgen als (schon) heute“ Rohstoffe, um nur einige zu nennen. Dies dern auch die persönlichen Kontakte auf agierten. macht es notwendig, dass wir unsere ein Mindestmaß reduziert. Das Jahr der Es traten Schwachstellen mit einer Relevanz zutage, die heutige erdölbasierte Wirtschaftsform Bioökonomie steht unverdientermaßen unter normalen Verhältnissen so nicht sichtbar geworden wandeln – hin zu einer nachhaltigen und unvorhersehbar in dessen Schatten! wären. Gleichzeitig entstand eine wahre Flut innovativer Nutzung nachwachsender Rohstoffe. In Reaktion darauf wurde beschlossen, Lern- und Bildungsprogramme, deren Tragfähigkeit weit in Bioökonomie ist demzufolge eine Wirt- dass die Bioökonomie auch 2021 das The- die Zukunft reicht – eine Zukunft, in der Covid 19 hoffent- schaftsweise, bei deren Einführung und ma des Wissenschaftsjahres bleibt. Diese lich zu den bezwungenen Krankheiten zählen wird. In der Ausweitung es keinerlei Verzögerungen Verlängerung – verkündet von Bundes- vorliegenden Ausgabe stellen wir einige dieser Programme geben darf, soll die weitere Existenz der forschungsministerin Anja Karliczek vor. Der Bogen spannt sich vom Machine Learning bis zum Menschheit unter lebenswerten Bedin- am Weltumwelttag 2020 – ist eine kluge Stoff, aus dem inklusiver Unterricht besteht. gungen gesichert werden. Umdenken und uneingeschränkt begrüßenswer- Für alle, die gerne mit Kindern praktisch arbeiten, gibt es – umdisponieren – neu konzipieren – te Entscheidung, denn die Bioökonomie mit „Tüftels Summ-Biene“ eine Bauanleitung, in deren Er- solcherart Handlungsweisen sind mehr verdient es, aus dem Schatten heraus ins gebnis das Geräusch einer Biene täuschend echt erzeugt denn je gefragt. Die Wissenschaft treibt helle (Sonnen-)Licht geholt zu werden! werden kann. Last but not least: Gute Arbeit soll auch ad- äquat bezahlt werden, dieser Meinung von Bettina Weiter- mann, die im Interview auf den Seiten 14 und 15 zu Wort kommt, schließt sich die Redaktion vollinhaltlich an. IMPRESSUM Dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, das Ihnen zustehende Herausgeber: Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) gGmbH (Tarif-)Gehalt auch tatsächlich bekommen, wünscht Geschäftsführer: Thomas Hänsgen, v. i. S. d. P. | Wilhelmstraße 52 · 10117 Berlin | www.tjfbg.de Redaktion: Sieghard Scheffczyk | Grafik: Sascha Bauer | Auflage: 3000 | ISSN 1862-2402 | 20. Jahrgang Sieghard Scheffczyk Redakteur der KON TE XIS-Informationsschrift ZERTIFIZIERT EN ISO 9001 ZERTIFIKAT NR. 2010010187 TÜV AUSTRIA CERT GMBH 2 KON TE XIS #72_2020
NEWS Mit dem Eignungstest das ING. Potenzial checken Superkleine Superhelden Die richtige Berufswahl fällt oft nicht leicht! Welche Berufe und Branchen passen zu welchen Fähigkeiten und Interessen? Für alle, die sich mit dem Gedanken tragen, Ingenieur*in zu werden, gibt es diesbezüglich ein äußerst hilfreiches Tool: den Eignungstest von think ING. Dieser Test wurde für Schüler*innen konzipiert, die sich für das vielfältige Spektrum des Ingenieurwesens interessieren, aber noch nicht ganz sicher sind, ob dieser Bereich zu den eigenen Stärken und Interessen passt. Mit 40 Fragen aus Bereichen wie Technik, Natur- wissenschaften und Logik wird das Ingenieurpotenzial durchleuchtet. Der Test liefert eine erste Einschätzung zu den eigenen Fähigkeiten in Bezug auf ein Ingenieurstudium; zu mathematischem Verständnis, Logik, technischem Talent, naturwissenschaftlicher Begabung und anderen unabdingbaren Ingenieur-Skills. Die Auswertung am Ende zeigt individuelle Stärken und Schwächen auf. Sie hilft damit den potenziellen Interessenten, sich in Bezug auf den zukünftigen „Traumberuf“ ein bisschen realistischer einzuschätzen. https://www.think-ing.de/tools/eignungstest Übrigens: Auf think-ing.de gibt es auch viele spannende Geschichten Mit der Ausgabe 1_2020 von forscher – Das Magazin für Neugierige, von Ingenieur*innen und ihren vielseitigen Berufsfeldern zu lesen! die Ende April sowohl als pdf-File als auch als Printexemplar erschien, ist dem Herausgeber inhaltlich und grafisch ein echtes Meisterstück gelungen. Das Vorhaben, wesentliche Inhalte des aktuellen Wissen- schaftsjahres – Bioökonomie – für die Zielgruppe der Grundschulkin- der aufzubereiten und die altersgruppenspezifische Neugier heraus- zufordern, wurde mit beachtlicher Treffsicherheit gemeistert. Das beginnt bereits bei der spannenden Titelgeschichte über Mikroben Bewerbungsfrist verlängert und Bakterien, jenen überall auf der Welt vorhandenen Winzlingen, die man mit dem bloßen Auge zwar nicht sieht, deren Wirkungen – egal ob für uns Menschen nützlich oder schädlich – aber kolossal sind. Mit kreativen Illustrationen und altersgerechter Sprache lernen die Die Situation um Covid-19 hat deutlich gemacht, wie wichtig digitale jungen Leser*innen die Superkräfte einzelner Mikroben sowie weitere Tools für die Arbeit und für das Privatleben sind. Damit Schüler*innen in faszinierende Phänomene aus der Tier- und Pflanzenwelt kennen. Zukunft die Digitalisierung gestalten können, sollten sie sich frühzeitig So erzählt ein Bodenforscher im Interview, warum wir unsere Böden damit auseinandersetzen. Dazu gehört es auch, Programmieren zu schützen müssen, damit Pflanzen wachsen und gedeihen, Tiere und können. Es liegt an den Lehrkräften, dieses Thema in den Unterricht letztlich auch Menschen existieren können. Außerdem zeigt eine einzubinden, um so Kinder und Jugendliche auf die digitale Zukunft Infografik, wie ein Bioreaktor funktioniert. Mit der Optikseite wurde in vorzubereiten. Deshalb hat Science on Stage die European Code League dieser Ausgabe eine neue Rubrik eingeführt. Die Doppelseite, die sich ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser beispielgebenden Initiative sind auch als Mini-Poster eignet, bietet einzigartige, bildstarke Natur- und MINT-Lehrkräfte aus ganz Europa dazu aufgerufen, gemeinsam mit Tierfotos und erklärt die Hintergründe dazu. Zu den Neuheiten gehört ihren Schüler*innenn kreativ zu werden und ihr innovatives Coding- auch, dass die Rückseite des Heftes zum Ausmalen genutzt werden Projekt für den MINT-Unterricht in der Primar- und Sekundarstufe zu kann. Dass das Coronavirus Einzug in das Heft gehalten hat, war präsentieren. Für diese Projekte können digitale Werkzeuge wie Mikro- sicherlich nicht im ursprünglichen redaktionellen Konzept vorgesehen, controller (Arduino, Raspberry Pi, Calliope mini, etc.) und/oder verschie- spricht aber umso mehr für dessen Aktualität und Lebensnähe. Das dene Programmierumgebungen und Sprachen (Snap!, Scratch, C++ etc.) Heft kann uneingeschränkt empfohlen werden, sowohl für Schule und verwendet werden. Um interessierten Lehrer*innen mehr Zeit für die Hort als auch als interessante Freizeitlektüre für zu Hause. Erarbeitung ihrer Projekte einzuräumen, wurde die Einreichungsfrist Das Heft ist kostenlos erhältlich. bis zum 1. Dezember 2020 verlängert. Bestellung: vertrieb@forscher-online.de http://www.science-on-stage.de/codeleague Fragen, Anregungen & Kritik: info@kontexis.de | www.kontexis.de 3
DLPL Denken FOTOS: ALOIS BACHINGER Lernen – Probleme Lösen (DLPL) Ein Projekt zum Thema Digitale Grundbildung in der Primarstufe und Sekundarstufe I VON MICHAELA WIESER UND ALOIS BACHINGER Kreatives Problemlösen und die Jugendlichen das nötige Werkzeug an die Hand zu Das Bundesministerium stellt den Pädagogi- Steigerung des informatischen geben, um auf die zukünftigen Entwicklungen schen Hochschulen jeweils 20 EIS-Konfigurati- und Herausforderungen vorbereitet zu sein. Die onssets für Primarstufe und Sekundarstufe zur Denkens stehen in diesem vom Anstrengungen des Bundesministeriums für Verfügung. An den Pädagogischen Hochschu- Bundesministerium für Bildung, Bildung, Wissenschaft und Forschung gehen len werden diese sowohl in der Ausbildung der Wissenschaft und Forschung dabei in mehrere Richtungen. Lehramtsstudierenden als auch in der Fort- und (BMBWF), gemeinsam mit den Weiterbildung der Grund- und Sekundarschul- Organisatorische und Lehrer*innen eingesetzt. Pädagogischen Hochschulen in infrastrukturelle Maßnahmen Österreich, initiierten Projekt im Mobile EIS Vordergrund. „Education Innovation Studios“ (EIS) Die Hardware und die dazugehörenden didak- Zur Förderung der digitalen Kompetenzen bei tischen Materialien der Education Innovation Lehrer*innen wurden an den pädagogischen Studios werden auch als Mobile EIS in den DLPL- A lgorithmisches Denken sowie haptisches Erfahren und Entdecken sind die Grundla- gen des Verstehens und Lösens vielschichtiger Hochschulen EIS-Studios installiert. Es wurden 13 Education Innovation Studios (EIS) mit ent- sprechender Hardware etabliert, die als zentra- Projekten im Rotationsprinzip in Volksschulen und Sekundarstufen verwendet. Ergänzt durch Partner aus der Wirtschaft entstehen so mehr Problemstellungen aus Schule und Alltag. Sie le Anlaufstelle für alle Beteiligten aus der Aus-, als 60 entleihbare Mobile EIS im gesamten Bun- sind Wegbereiter für die Entwicklung der eige- Fort- und Weiterbildung dienen. desgebiet. Durch Clusterung von jeweils 5 in- nen kreativen Schaffenskraft (Making). Dabei teressierten Projektschulen entstehen einzelne zeigt sich, dass weniger das Erlernen einzelner Projektorientiertes Unterrichten in den Edu- Einheiten – mit denen etwa 300 Schulen bun- Fakten im Vordergrund steht, sondern das Ver- cation Innovation Studios (EIS) desweit bedient werden können. Begleitend ständnis für Strukturen und Zusammenhänge, Das Education Innovation Studio (EIS) basiert wird die inhaltliche und didaktische Konzeption sowie auch das kritische Auseinandersetzen auf den pädagogisch-didaktischen Konzepten in Multiplikatorenschulungen den Lehrer*innen mit digitalen Inhalten. des Future Classroom Lab (fcl.eun.org) des Eu- der Projektschulen angeboten. Zugleich wer- ropean Schoolnet (EUN) in Brüssel. Das didak- den in den Clustern auch die organisatorischen Die Zukunft ist digital. Um sie mitgestalten zu tische Konzept des Lernens in einem EIS sieht Maßnahmen, wie Weitergabe der Materialien, können, sind neben technischem Know-how sechs Lernbereiche vor: selbständiges Tun, Zu- Verweildauer und technischer Support abge- auch Kreativität und Neugierde wichtig. Auf- sammenarbeiten, Präsentieren, Forschen, Tei- wickelt – zugeordnete BMBWF-Koordinatoren gabe der Schule ist es, unseren Kindern und len und Entwickeln. begleiten und regeln die Prozesse. Download: Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Projektteils „DLPL VS“ können als PDF bezogen werden. Interessenten schicken eine E-Mail an: redaktion@kontexis.de. Die Begleitung und Auswertung des Projektteils 2 „DLPL-Sek I“ wird derzeit erstellt und steht ab Herbst 2020 ebenfalls über die Plattform dlp.at zur Verfügung 4 KON TE XIS #72_2020
Autoren: Regierungsrätin Michaela Wieser ist Amtsdirektorin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) in Wien, michaela.wieser@bmbwf.gv.at | Oberstudienrat Alois Bachinger ist em. Professor der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz, baa@ph-linz.at DLPL Inhaltliche und didaktische Maßnahmen Das Gesamtprojekt „Denken lernen – Probleme lösen“ wird in zwei schulspezifischen Projektteilen mit jeweils eigenen Projektteams realisiert: Projekt 1: Projekt „Denken lernen – Probleme lösen in der Primarstufe“ – Start 2017/18 Mit einer didaktisch begründeten Einführung in die Nutzung von digitalen Ziel der Arbeit mit den Materialien ist die Förderung des informatischen Medien in der Grundschule, mit besonderer Berücksichtigung der Aspek- Denkens bei Schüler*innen, sowie die Etablierung des Bereichs Coding und te des Problemlösens und des Umgangs mit neuen Aufgabenstellungen, Robotik in der Primarstufe. Ein implizites Ziel des Projekts ist außerdem werden digitale Medien in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung beschrie- die Motivation der Lehrkräfte zur Förderung des informatischen Denkens ben, in Alltagssituationen des Unterrichts erprobt und zum Generieren in ihrem Unterricht. von Mehrwert eingesetzt. Im Rahmen dieses Projektes erhielten 100 Volksschulen seit dem Schuljahr Links: 2017/18 in Clustern zu je fünf Schulen die technische Ausstattung für den • dlpl1.baa.at spielerischen Umgang zur Einführung in informatisches Denken, Coding • dlpl2.baa.at und Robotik. • beebot.at Zur Ausstattung gehören: • je Cluster zwölf Bee-Bots (ein kleiner Spielroboter im Design einer Biene), • sechs Baukästen Lego WeDo, • sechs Tablets, auf denen die begleitende Software zur Arbeit mit den Lego-Baukästen sowie die App Scratch installiert sind. • Spielmatten, Würfel, Lernkarten und Apps. • drei erstellte OER-Schulbücher zum Bereich Computational Thinking helfen den Lehrpersonen, das Thema auch mit vielen Fachbereichen der Primarstufe zu verbinden Projekt 2: „Denken lernen – Probleme lösen in der Sekundarstufe 1“ – Start 2019/20 Angelehnt an das bereits in der Volksschule erprobte Projekt 1 wird das weiterführende Projekt mit dem Titel „Denken lernen – Probleme lösen Sek I“ an der Sekundarstufe I seit dem Schuljahr 2019/20 in Österreich umgesetzt. Unter Einsatz des scheckkartengroßen Einplatinencomputers BBC micro:bit wird durch Game Based Learning ein Grundverständnis des Programmierens gefördert. Im Projekt DLPL Sek I erhielten 150 Schulen in 27 Clustern die technische Ausstattung für eine Befassung mit informatischem Denken, Coding und Robotik. Grundlage für dieses Projekt ist das Schulbuch „Computational Thinking mit BBC micro:bit“. Dieses Material wurde von den österreichi- schen Pädagogischen Hochschulen und der Technischen Universität Graz erstellt. Es kann als Open Educational Ressource auf der Projektwebseite Algorithmisches Denken ist die Grundlage des Verstehens und Lösens viel- microbit.eeducation.at kostenlos heruntergeladen werden. schichtiger Problemstellungen. Kombiniert mit spielerischen Methoden (Game Based Learning) können hohe Motivation und nachhaltige Lerner- Als Projektpartnerinnen fungierten insgesamt 13 Pädagogische Hoch- träge bei Mädchen und Jungen gleichermaßen in der Primar- und Sekun- schulen, je 150 Schulen der jeweiligen Schulstufe und zahlreiche weitere darstufe erzielt werden. Hierbei Coding als Grundkompetenz zu etablieren, Partner*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft. Über eine österreich- gehört zu den maßgeblichen Zielen des Projekts DLPL Sek I. weite Content-Plattform, die als zentrale Anlaufstelle für alle Beteiligten dient, werden im Sinne der Strategie Open Educational Resources (OER) Die Koordination und wissenschaftliche Begleitung dieses Projekts hat- qualitativ hochwertige didaktische Konzepte und Unterrichtsmaterialien ten die PH Wien und die PH Niederösterreich inne, unterstützt durch die unter CC-Lizenz bereitgestellt PH der Diözese Linz, die PH Graz, das Bundes- und Koordinationszentrum eEducation Austria u. a. Zur Ausstattung gehören: • 12 BBC – micro:bit: scheckkartengroßer Einplatinencomputer Links: • 1 Matador Mechatronik-Baukasten • microbit.eeducation.at • 10 Tablet-Computer • eis.eeducation.at • 1 OER-Schulbuch „Computational Thinking mit Micro:bit“ • bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/dibi/dgb/dlpl.html 5
HPI SCHUL-CLOUD Schule von zu Hause – (k)ein Problem? Live-Schulungen und Informationsmaterialien zur digitalen Lernumgebung HPI Schul-Cloud VON KIRA KÖTTER Schulen stehen mit der Umstellung auf digitalen Unterricht vor großen Herausforderungen. Ist eine digitale Lernumgebung eingerichtet, müssen Lehrkräfte sie erst einmal erkunden und Methoden kennenlernen, um sie im Unterricht sinnvoll einzusetzen. Das nationale Excellence-Schulnetz- werk MINT-EC setzt mit seinen Live-Schulungen und Willkommensmaterialien zur HPI Schul-Cloud an diesem Punkt an. L ehrkräfte in ganz Deutschland mussten Ende März noch kreativer werden, als es ihr Beruf sowieso schon erfordert. Denn mit den Persönliche Beratung für jeden Tag Allein zu Hause vor dem Laptop sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen Immer up to date Die HPI Schul-Cloud ist kein fertiges Produkt. Mit den neuen Herausforderungen steigt auch Kontaktbeschränkungen und Schulschließun- nicht mehr. Persönlicher Kontakt ist da be- der Bedarf an neuen Features, an denen die gen in Folge der Corona-Pandemie musste Un- sonders wichtig. Deshalb gibt MINT-EC für Entwickler*innen am Hasso-Plattner-Institut terricht schlagartig online funktionieren. Und Einsteiger*innen Einführungen in die HPI Schul- stetig auf Hochtouren arbeiten. So wurde die auch nach den stufenweisen Wiederöffnungen Cloud. Dabei führen erfahrene Teammitglieder Lernumgebung um eine Videokonferenz-Funk- der Schulen wird das Lernen vor dem Laptop Lehrkräfte durch die wichtigsten Funktionen tion erweitert. Was sonst neu ist und was noch oder mit dem Tablet zu Hause seine Bedeutung und zeigen, wie man Nutzer*innen verwaltet, kommt, erklären die Programmierer*innen in nicht verlieren, sondern eine wichtige Etappe Kurse anlegt und welche Tools es zum kollabo- der digitalen Fragerunde und beantworten alle auf dem Weg zur umfassenden Digitalisierung rativen Arbeiten in der HPI Schul-Cloud gibt. technischen Fragen live. der Bildung kennzeichnen. Noch Fragen? Kein Problem, im Live-Chat be- kommt man während der Live-Schulungen di- Rundum informiert Digitaler Erfahrungsschatz für alle rekte Rückmeldung. In den Willkommensmaterialien kann man alle Mit der HPI Schul-Cloud hat das Bundesbil- Informationen zu den ersten Schritten in der dungsministerium Schulen, die noch kein ver- Konkrete Anwendungstipps HPI Schul-Cloud auch ganz in Ruhe nachlesen. gleichbares Angebot des Landes oder des Wie kann man Hausaufgaben online stel- Diese stehen allen Schulen frei online zur Ver- Schulträgers nutzen können, für diese Aus- len? Wie funktioniert der Austausch mit El- fügung und informieren beispielsweise über nahmesituation eine digitale Lernumgebung tern? Und wie sieht die Lernumgebung aus Datenschutz und Fortbildungen im Kollegium. bereitgestellt. Das nationale Excellence-Schul- Schüler*innensicht aus? Auch für Fortgeschrit- Auch für Schulen, die noch kurz vor der Ent- netzwerk MINT-EC ist gemeinsam mit dem Has- tene mit speziellen Fragen hat MINT-EC ein scheidung stehen, welche digitale Lernumge- so-Plattner-Institut und bisher 128 Schulen aus Angebot auf die Beine gestellt. In der Special bung sie nutzen wollen, sind diese Materialien dem Netzwerk seit 2017 an der Entwicklung der Edition der Live-Schulungen stellt das Team ge- interessant. HPI Schul-Cloud beteiligt. Von den Erfahrungen meinsam mit Gästen aus dem Schulnetzwerk der letzten Jahre können jetzt auch Schulen au- Methoden und Anwendungsbeispiele zur HPI MINT-EC begleitet alle ersten Schritte in der ßerhalb des Netzwerks in Live-Schulungen und Schul-Cloud vor. So sprach beispielsweise ein HPI Schul-Cloud und hält Schulen rundum mit Informationsmaterialien profitieren. Schüler einer MINT-EC-Schule vor Kurzem über informiert. Unterricht mit Erklärvideos mit der Flipped Classroom-Methode. 6 KON TE XIS #72_2020
Autorin: Kira Kötter, Öffentlichkeitsarbeit und Community Management HPI Schul-Cloud | koetter@mint-ec.de HPI SCHUL-CLOUD Live-Schulungen von MINT-EC: blog.schul-cloud.org/webinare Informationsmaterialien für die ersten Schritte mit der HPI Schul-Cloud: onboarding.schul-cloud.org Anmeldung zur Nutzung der HPI Schul- Cloud: schul-cloud.org/community FOTOS: MINT-EC/HENNING STAUCH 7
ROTATION III Der Beitrag von Prof. Mag. Susanne Hennerbichler „Die Faszination der Rotation“ in der Ausgabe 71_2020 (S. 8 – 11) hat bei unseren Leser*innen ein lebhaftes Echo hervorgerufen. Kreisel und andere sich drehende Körper lösen offensichtlich bei Jung und Alt positive Empfindungen aus und regen die Fantasie an. Der folgende Beitrag aus der KON TE XIS Bildungswerkstatt bringt ein weiteres Beispiel für einen wunderschönen Rotationskörper: Tüftels Summ-Biene. Sie fragen sich, wer Tüftel ist? Nun, unser symbolträchtiges KON TE XIS-Maskottchen, das nicht nur alljährlich die Horte und KITAs der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft zur Teilnahme an kreativen Wettbewerben herausfordert, sondern auch selbst über ein schier unerschöpfliches Potential kreativer Ideen und Einfälle verfügt. Seine Summ-Biene gehört dazu. Tüftels Summ-Biene VON HARALD WEIS Das eindrucksvolle Geräusch fliegender Bienen kann durch dieses Spielzeug mit verblüffen- der Ähnlichkeit nachgeahmt werden. Die Anfertigung eines solchen „Insekts“ ist wenig aufwendig und lässt sich bereits mit Kindern im Kita- und Grundschulalter realisieren. Erfahrungen aus Vorschul- und Hortgruppen haben gezeigt, dass die Projektteilnehmer jedes Mal mit Feuereifer bei der Sache waren, nicht nur beim Basteln, sondern auch bei den nachfolgenden Wettbewerben „Wer hat die FOTOS: HARALD WEIS schönste Biene?“ und „Wessen Biene summt am lautesten?“. Wenn die Preisträger dann noch ein hübsches „Bienen-Diplom“ und ein Gläschen Honig als Anerkennung erhalten, ist ein nachhaltiges Erfolgserlebnis garantiert. Für die Herstellung der Summ-Biene benöti- gen Sie folgende Materialien und Werkzeuge • Holzwäscheklammer • Schnur, Länge ca. 50 - 80 cm • Luftballon • Weinkorken • Klebestift • Heißklebepistole • Schere • Cuttermesser • Buntstifte und schwarzer Filzstift • Blatt Papier oder Schnittvorlage (Die Schnittvorlage kann bei der KON TE XIS-Redaktion per E-Mail redaktion@kontexis.de bestellt werden) 8 KON TE XIS #71_2020
Autor: Harald Weis, Fachberater Fortbildung Natur-Umwelt-Technik in der KON TE XIS Bildungswerkstatt | h.weis@tjfbg.de ROTATION III So wird’s gemacht Das Blatt Papier wird hälftig gefaltet. Auf die Mit dem Klebestift wird Klebstoff auf die Vom Korken wird mit dem Cuttermesser eine beiden neu entstandenen Seiten des Blattes Innenseiten der beiden Bildhälften aufgetra- kreisförmige Scheibe abgeschnitten und diese wird spiegelsymmetrisch das Profil der Biene gen. Dann wird das eine Ende der Schnur mit dann halbiert. Bei kleineren Kindern sollten gezeichnet. Der Bauch der Biene bildet dabei einem Knoten versehen und in die Kehlnaht die beiden Schnitte von einem Erwachsenen den Falz des Papiers. Das Bild sollte etwa der der beiden Bildhälften eingelegt – so, dass der ausgeführt werden, da der Umgang mit einem Länge einer Wäscheklammer entsprechen. Knoten gerade noch ein wenig über das Papier Cuttermesser Verletzungsgefahren mit sich Das fertige Bild wird aus dem gefalteten am Hinterteil der Biene herausragt. Die Hälf- bringt. Die zwei entstandenen Korkhalbmon- Papierbogen ausgeschnitten. Die beiden ten werden nun am Falz wieder zusammen- de werden ebenfalls mit Heißkleber seitlich entstandenen Doppelhälften des Bienenbildes geklappt und aufeinander geklebt. Dabei ist auf die Wäscheklammerflächen geklebt. werden auseinander geklappt und bunt aus- kräftiger Druck auszuüben. Die Holzwäsche- Aus der Mitte des Luftballons wird mit der gemalt. Der Kreativität der Kinder sollte man klammer wird in ihre drei Einzelteile zerlegt, Schere ein schmaler gerader Streifen aus- dabei freien Lauf lassen und entsprechende die flachen Seiten der zwei Holzteile werden geschnitten. Auf diese Weise gewinnt man Zeit für die individuelle Gestaltung einplanen. an beiden Papierseiten der Summbiene mit ein dünnes ringförmiges Gummiband, das Die Praxis hat gezeigt, dass dabei richtige Heißkleber als Fuß fest verklebt. abschließend straff und gleichmäßig um den kleine Kunstwerke entstehen können. Holz-Kork-Körper gespannt wird. Nun ist das kleine Kunstwerk fertig und kann auf seine einwandfreie Funktion erprobt werden. Hierzu wird die Biene am Ende der Schnur mit der Hand festgehalten und im Kreis durch die Luft geschleudert. Dabei bitte darauf achten, dass keine Hindernisse den Bienenflug beeinträch- tigen. Außerdem ist Vorsicht geboten, damit niemand am Kopf getroffen wird. Was ist zu beobachten? Wird die Summ-Biene schnell genug durch die Luft geschleudert, ist ein gleichmäßiger Summ-Ton zu hören, der verblüffend nach einer echten Biene klingt. Sollte sich dieses unüberhörbare Geräusch nicht beim ersten Startversuch einstellen, müssen die Kinder ein bisschen üben. Schließlich wird es gelingen – und bald summt es wie in einem Bienenhaus! Warum ist das so? Durch die Schleuderbewegung wird das Gummiband einer starken Luftströmung ausgesetzt. Es beginnt daraufhin an den frei liegenden Stellen kräftig zu schwingen. Diese angeregte Eigenschwingung erzeugt den Summton. Tipps Das Zerschneiden des Luftballons fällt leichter und die Ränder des ausgeschnittenen Bandes werden gerader, wenn der Ballon vor dem Schneiden längs aufgerollt wird. Um die Schnur beim Schleudern besser festhalten zu können, sollte das Ende zu einer Fingerschlaufe geknotet werden. Viel Spaß und Erfolg beim Bau und Start von Tüftels Summ-Biene! 9
INKLUSIVER UNTERRICHT Der Stoff, aus dem inklusiver Unterricht ist Berliner Lehrerin zieht mit spannender Lernumgebung alle Schüler*innen in ihren Bann VON URSULA BARTH-MODREKER Eine E-Mail von einer echten Meeres- Vorschein kommen ein Stück Wollstoff, eine Lehrmittel-Paket, das sie sich als „Open Educa- Kerzenhülle aus Aluminium, eine Keramiktas- tional Resource“ (OER) vom Medienportal der forscherin – die bekommen auch die se, eine Glasmurmel, eine Schnur aus Bast, ein Siemens Stiftung heruntergeladen und an die Schüler*innen der Lindenhof-Grund- Baumwollfaden, ein Stück Leder, eine CD-Hül- Bedürfnisse der eigenen Klasse angepasst hat. schule in Berlin-Schöneberg nicht le, Nägel, Büroklammern, ein Kupferdraht, ein alle Tage. Ungläubig reißt Malte den Holzspatel und vieles mehr. Der Forscherin muss geholfen werden! An den Gruppentischen ist derweil angeregtes Mund auf, als seine Lehrerin Veronika „Findet eine sinnvolle Ordnung für die Materia- Murmeln zu hören. Während alle leise diskutie- Zibell zu Beginn des naturwissen- lien und überlegt, warum Ihr die Dinge so ord- ren, eifrig sortieren und nach Oberbegriffen für schaftlichen Unterrichts einen Brief nen möchtet“, formuliert Veronika Zibell die die Materialien suchen, streift Veronika Zibell ihrer alten Studienfreundin an das Aufgabenstellung. Und schon begeben sich die durch die Klasse und lächelt zufrieden. Mit ihrer Mädchen und Jungen im Klassenraum selbst spannenden Geschichte hat sie die Kinder ein- digitale Whiteboard wirft. Die Story auf Forschungsreise – und zwar zum Thema gefangen. Jedes Einzelne hantiert konzentriert ist nach dem Geschmack der Kinder. „Stoffeigenschaften“. mit den Gegenständen, die Langsamen zusam- men mit den Schnellen, die Schwachen mit den Materialien Leistungsstarken. Der Forscherin muss schließ- M arie Cousteau heißt die fiktive Professo- rin, die soeben auf ihrem Forschungs- schiff Beagle zu einer Weltreise aufgebrochen für alle Lernausgangslagen Was sie nicht wissen: Ihre Lehrerin startet heute mit dem ersten Teil einer dreiteiligen lich geholfen werden! Bei der Sortieraktion für Professorin Cousteau ist. Unglücklicherweise, so schreibt die Mee- Unterrichtseinheit, die die Berliner iMINT-Aka- werden alle zu Expert*innen. „Wolle kommt von resforscherin in der E-Mail an die fünfte Klasse, demie gemeinsam mit der Siemens Stiftung Schafen – und Leder auch“, ruft Efe begeistert. seien ihre Forschungsmaterialien ungeordnet für einen inklusiven Experimentalunterricht Entschlossen schreibt er auf ein Karteikärtchen in Kisten angeliefert worden. Ob die Kinder ihr in heterogenen Klassen entwickelt hat. In der „Stoffe von Tieren“. Lisa protestiert: Sie will alle wohl dabei helfen könnten, die Dinge in ihrem Lernumgebung kommen leistungsstarke Ler- Fäden aus Wolle, Baumwolle und Bast auf ei- Materiallager zu sortieren? nende genauso zum Zug wie diejenigen, die nen eigenen Haufen legen. Am Nachbartisch mit Lern- oder Sprachproblemen kämpfen. Die blicken Maram und ihre Mitschüler*innen rat- Mit Feuereifer bei der Sache Unterrichtsmaterialien enthalten neben Auf- los auf die Glasmurmel. Die Gruppe hat schon Was für eine Frage – und ob sie können! Mit gabenstellungen, Versuchsanleitungen und Häufchen für Stoff, Aluminium, Plastik, Eisen Feuereifer machen sich die 23 Schüler*innen in Lösungsbögen auch gestufte Hilfen, unter- und „Dinge zum Knoten“ gebildet. Aber die Vierergruppen an die Arbeit, leeren zunächst schiedlich anspruchsvolle Zusatzaufgaben so- Murmel will beim besten Willen zu keinem der die bunt zusammengewürfelten Gegenstände wie Medien zur Sprachförderung und interakti- anderen Stoffe passen. Kurzentschlossen wird aus den Kunststoffboxen auf die Tische. Zum ve Übungen. Für Veronika Zibell ein wertvolles eine weitere Kategorie gebildet: Glas. 10 KON TE XIS #72_2020
Autorin: Ursula Barth-Modreker, Freie Redakteurin und Texterin | www.ursulabarth.de INKLUSIVER UNTERRICHT FOTOS: SIEMENS STIFTUNG, FOTOGRAF: RENÉ ARNOLD Zusatzaufgaben und Denkanstöße Ein Brief an Professorin Cousteau lernen sie bei der Gruppenarbeit Werte wie Ver- Schnelle Schüler*innen erhalten kleine Zusatz- Auf den Tischen liegen jetzt sauber sortierte antwortungsgefühl, Teamgeist und Toleranz. aufgaben. Den anderen hilft die Lehrerin mit Haufen. Nun schreiben die eifrigen Helfer*innen Denkanstößen auf die Sprünge, korrigiert ne- der Meeresforscherin noch einen Brief. „Mein „Es hat mir großen Spaß gemacht, so mit den benbei die Stifthaltung oder ein falsch ge- Team und ich haben uns folgende Ordnung Kindern zu arbeiten“, zieht Veronika Zibell Bi- schriebenes Wort. Leistungsunterschiede und überlegt…“, schreibt Nina und schließt: „Ich hof- lanz. Besonders Kolleg*innen, die noch nicht Sprachschwierigkeiten, die den Unterricht in fe, dass du die Idee toll findest. Es hat mir gro- regelmäßig mit ihren heterogenen Klassen ex- heterogenen Klassen für die Lehrkräfte manch- ßen Spaß gemacht.“ perimentieren, könnten die differenzierten Ma- mal zum Kraftakt werden lassen, treten beim terialien den Einstieg erleichtern, glaubt sie. Sortieren der Gegenstände plötzlich in den Beim anschließenden Rundgang um die Tische Hintergrund. staunen die Schüler*innen nicht schlecht über Und dann denkt die Biologin auch schon an die die Einfälle der anderen Teams. „Die CD-Hülle nächste Unterrichtsstunde, in der es um die „Die Unterrichtsmaterialien sind auf die Be- zusammen mit dem Becher und der Flasche Untersuchung von Stoffen geht. Hier wird Pro- dürfnisse von Schüler*innen mit verschiedenen unter Behältern zusammenzufassen – darauf fessorin Cousteau in einer neuen E-Mail an die Lernausgangslagen abgestimmt“, erzählt Vero- hätten wir auch kommen können“, ruft Pauli- Klasse von einem dramatischen Zwischenfall nika Zibell. Übersetzt ins wirkliche Leben an der ne anerkennend. Sam findet die Idee, das Kork- berichten: Ein Hai hat den Käfig für die Tauch- Lindenhof-Grundschule bedeutet das: Manche stück zu den Untersetzern zu zählen, kreativ. gänge zerbissen! Aus welchem Material müsste Kinder haben Lernschwierigkeiten. Andere tun Und Sophie meint: „Kein Ergebnis ist falsch, ein Käfig sein, um Haiangriffen standzuhalten? sich mit der deutschen Sprache noch schwer, einfach nur anders.“ Wieder bittet sie die Kinder um Hilfe – und die Begriffe wie „Nagel“ oder „Wolle“ begegnen ih- müssen sich selbst ein Experiment überlegen. nen heute zum ersten Mal. Deshalb nutzen sie Alle Lösungen sind richtig Wer wollte da nicht mittüfteln? eifrig die Wörterliste mit den Fotos der Mate- Genau das ist das Motivierende an der Unter- rialien. Ein anderes Kind hat einen sonderpäd- richtseinheit, findet Lehrerin Zibell. „In den Die Lernumgebungen für inklusiven Unter- agogischen Förderbedarf im Bereich Geistige Naturwissenschaften gibt es oft mehrere Lö- richt zum Thema „Stoffeigenschaften – eine Entwicklung. „Dieses Kind kann gemeinsam mit sungen. Man muss sie nur gut begründen“, Forschungsreise“ können bei der iMINT-Aka- seiner Gruppe Gegenstände sortieren und an ermuntert sie ihre Klasse. Die handlungsorien- demie der Senatsverwaltung für Bildung, Ju- Experimenten teilnehmen. Es kann seine Ent- tierte Arbeit in der Gruppe sei genau richtig, gend und Familie und dem Medienportal der scheidungen vielleicht nicht begründen, hat für um eine solch heterogene Klasse für natur- Siemens Stiftung heruntergeladen werden. seinen Lebensalltag aber trotzdem praktische wissenschaftliche Inhalte zu begeistern, er- Erfahrungen gesammelt“, betont Lehrerin Zi- klärt sie später. Die Aufgabenstellung gebe Medienportal der Siemens Stiftung: bell. Die Materialien sind wirklich für jedes Kind den Schüler*innen die seltene Möglichkeit, ei- medienportal.siemens-stiftung.org/inklusion geeignet. gene Ordnungsformen zu finden. Gleichzeitig iMINT-Akademie: www.imint.de 11
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Machine Learning schon in der Schule verstehen Kostenloses Unterrichtsmaterial von Science on Stage hilft dabei VON LAILA OUDRAY „Alexa – wie wird das Wetter“? Spracherkennung und digitale Assis- tenten sind bereits im Alltag vieler Menschen angekommen. Auch die Künstliche neuronale Netze Gesichtserkennung dringt immer „Machine Learning in der Schule verstehen lernen tiefer in unsere Gesellschaft ein und Eine praxisorientierte Einführung in künstliche neuronale Netze, Gesichts- ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Die gesellschaftlichen D r. Daniel Janssen, Informatik- und Sport- lehrer am Gymnasium Dionysianum in Rheine, hat in Kooperation mit Science on Sta- erkennung und Co. können Sie kostenlos als PDF herunterladen: und ethischen Auswirkungen dieser www.science-on-stage.de/machinelearning ge Deutschland e. V. und der Vector Stiftung technischen Neuerungen sind noch die Unterrichtsbroschüre „Machine Learning in nicht absehbar, sie werden aber viel der Schule – Eine praxisorientierte Einführung diskutiert. Um diese verstehen und in künstliche neuronale Netze, Gesichtserken- nung und Co.“ veröffentlicht. In dem Material gestalten zu können, benötigen werden künstliche neuronale Netze behandelt, Gesichter zu erkennen und Erkennungsraten zu wir ein technisches Verständnis für denn diese nehmen einen immer größer wer- berechnen. Die JAFFE-Datenbank enthält 213 Künstliche Intelligenz, speziell für denden Anteil im Gesamtbereich künstlicher Bilder von sieben verschiedenen Gesichtsaus- künstliche neuronale Netzwerke und Intelligenz ein. Schüler*innen der Sekundar- drücken, die von zehn japanischen weiblichen stufe beschäftigen sich mit dem Aufbau von Modellen gestellt wurden. Machine Learning. Das gilt vor allem künstlichen Neuronen, dem Zusammenschal- für Kinder und Jugendliche, die die ten zu neuronalen Netzen und dem Lernen in Das Arbeitsmaterial kann vor Beginn der Ober- Auswirkungen der sich verändernden diesen Netzen. Sie arbeiten mit dem Modellie- stufe in einigen Doppelstunden bearbeitet Welt am deutlichsten spüren werden. rungswerkzeug MemBrain1, klassifizieren mit werden. ihren eigenen neuronalen Netzen Boolesche Eine Beschäftigung in der Schule Funktionen und den Iris-Datensatz2. damit scheint unumgänglich, um die Schüler*innen bestmöglich auf Darüber hinaus entwerfen sie anhand des 1 www.membrain-nn.de 2 Der Iris-Datensatz geht auf eine Veröffentlichung des britischen die Zukunft vorzubereiten. Doch wie JAFFE-Datensatzes (Japanese Female Facial Statistikers und Genetikers Ronald Fisher (1890 – 1962) im Jahre Expression) und einer kostenlosen Bildbear- können Lehrkräfte diese komplexen 1936 zurück. Seitdem dient dieser Datensatz zur Demonstration beitungssoftware ein eigenes Gesichtsmodell, statistischer Methoden. Hierzu gehören im weitesten Sinne auch Themen altersgerecht aufbereiten? mit dem sie neuronale Netze darauf trainieren, künstliche neuronale Netze 12 KON TE XIS #72_2020
Autorin: Laila Oudray ist Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Science on Stage Deutschland e. V. | presse@science-on-stage.de KÜNSTLICHE INTELLIGENZ FOTO: DANA BARTHEL Die Science on Stage Festivals: Im Mittelpunkt unseres Netzwerks stehen die Science on Stage Festivals. Hier kommen Lehrkräfte aus ganz Deutschland und Europa zusammen, Gesellschaftliche und ethische um sich auf einer Bildungsmesse, Probleme erkennen und diskutieren Workshops und Präsentationen über Das Thema begleitet Janssen seit seinem In- Unterricht nimmt er sich auch Zeit für Diskus- gelungene Unterrichtskonzepte auszu- formatikstudium und hat ihn auch während sionen, um die gesellschaftlichen und ethi- seiner Promotion ständig begleitet, wie er er- schen Probleme, die mit der Entwicklung von tauschen. Unsere Festivals sind zudem zählt: „Unsere Arbeitsgruppe an der Uni Mainz Machine Learning einhergehen, zu besprechen: die Grundlage für weiterführende beschäftigte sich u. a. mit dem automatischen „Wenn nicht im Informatikunterricht, wo dann? Projekte und Veranstaltungen, wie Erkennen von Bewegungsmustern anhand von Nirgendwo kann man das Feld zwischen Infor- beispielsweise Unterrichtsmaterialien. Motion Capturing Daten und da dienten neuro- matik, Mensch und Gesellschaft so fundiert Weitere Informationen wie Sie mit- nale Netze oftmals als Diagnose- und Analyse- aufziehen wie hier. Daher ist es umso wichti- machen können, finden Sie unter: tool. Im Referendariat angekommen versuchte ger, dass man solche, tatsächlich arbeitsinten- www.science-on-stage.de/ ich dann, das Thema so herunterzubrechen, siven Unterrichtsideen sinnvoll verknüpft und science-stage-festivals dass man es auch Schüler*innenn vermitteln sich auch "an die großen Fragen" herantraut.“ kann.“ Seine Schüler*innen wetteiferten in dem Pro- Der entscheidende Impuls für die Ausarbeitung jekt, wer im Iris-Datensatz mit seinem Netz seiner Idee überzeugen, sodass er als Teil der seines Projekts kam von einem Kollegen. „Statt die höchsten Erkennungsraten erreicht. Aber deutschen Delegation am Europäischen Sci- der Gesichtserkennung, die hier didaktisch re- sie lernten auch die Risiken kennen, die hinter ence on Stage Festival 2019 im portugiesischen duziert dargestellt wird, hätte vermutlich ir- der Technik stecken. Dr. Daniel Janssen beob- Cascais teilnehmen konnte. Auch dort waren gendeine andere Muster(wieder-)erkennung achtete, dass die Schüler*innen erstaunt und die anwesenden Lehrkräfte von diesem Projekt als Beispiel gedient. Doch zu dieser Zeit bekam auch unsicher auf die Ergebnisse im Projekt begeistert. ein Kollege von mir durch eine Gesichtserken- reagieren. Das würde sich auch auf das außer- nung auf einem Youtube-Video während einer schulische Leben auswirken, sodass sie neu Genau wie Stefanie Schlunk, Geschäftsführerin Demonstration Probleme mit den Behörden in aufkommender Technik vorsichtiger begegnen von Science on Stage Deutschland: „Herrn Jans- seinem Herkunftsland. Das war der Trigger für und sie hinterfragen. sen ist es gelungen, Schüler*innen an ein ak- diese spezielle Anwendung.“, erklärt Janssen. tuelles Thema heranzuführen. Wir freuen uns, Um mehr Lehrkräfte auf sein Unterrichtspro- dass wir gemeinsam mit der Vector Stiftung Geprägt von dieser Erfahrung, ist es dem Leh- jekt aufmerksam zu machen, hatte Janssen sein sein Projekt in Form einer Broschüre aufberei- rer daher wichtig, dass sich die Schüler*innen Projekt beim Nationalen Science on Stage Fes- ten konnten, damit weitere Lehrkräfte hier- nicht nur mit der technischen Seite von Ma- tival 2018 in Berlin einem breiten Publikum und von profitieren und danken Herrn Janssen sehr chine Learning auseinandersetzen. In seinem einer Fachjury vorgestellt. Diese konnte er von herzlich für seine Arbeit!" 13
LEISTUNGSGERECHTE BEZAHLUNG Das Thema „tarifliche Bezahlung“ ist für viele unserer Leser*innen von permanentem Interesse. Das hat die Redaktion zu nachfolgendem Interview veranlasst: Ich habe mein Hobby zum Beruf machen können Interview mit Bettina Weitermann, Tarifsekretärin bei ver.di REDAKTION: Frau Weitermann, zuallererst deutlich mehr verdienen, als Beschäftigte ohne REDAKTION: Anlässlich Ihres Wechsels in die Po- möchten wir uns bei Ihnen bedanken, dass Sie Tarifvertrag. sition einer Tarifsekretärin beim ver.di-Bundes- die Zeit für ein Interview gefunden haben. Un- vorstand haben Sie – das war so ziemlich genau sere Leser*innen repräsentieren das Spektrum REDAKTION: Ihre sachorientierte und energi- vor 7 Jahren – einmal betont, dass Ihnen Tarif- der Bildungsbranche in seiner ganzen Vielfalt. sche Verhandlungsposition bei Tarifgesprächen verhandlungen schon seit jeher gut liegen und Sie kommen aus allen Bundesländern. Der Bo- – insbesondere im Gesundheitswesen – haben dass Sie sich darauf freuen, Ihr diesbezügliches gen spannt sich von Kitaerzieher*innen bis Ihnen nicht nur die verdiente Anerkennung Talent noch zielgerichteter einsetzen zu kön- Hochschulprofessor*innen. So differenziert der Arbeitnehmer*innen eingebracht, sondern nen. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits mehr wie die jeweiligen Positionen und Aufgaben- auch ein beachtliches Medienecho. Je nach Po- als zwei Jahrzehnte hauptamtlicher Gewerk- bereiche sind auch die Entlohnungen. Je nach sitionierung dieser Medien gibt es da zwar un- schaftsarbeit hinter Ihnen. Ein „Funktionärsda- Arbeitgeber*in finden sich die unterschiedlichs- terschiedliche Bewertungen, aber die Achtung sein“ von Anfang an? ten Vergütungsmodelle, so dass man vom Prin- für Ihr Verhandlungsgeschick, Ihre Leidenschaft zip Gleicher Lohn für gleiche Arbeit noch weit und Konsequenz kann Ihnen niemand versagen. BETTINA WEITERMANN: Zunächst möchte ich entfernt ist. Diejenigen Pädagog*innen, deren Bei unseren Recherchen sind wir allerdings zu- Ihnen sagen, dass ich den Begriff „Funktionärs- Bezahlung auf der Grundlage von Tarifverträ- weilen auf recht „martialische Töne“ gestoßen, dasein“ sehr unglücklich gewählt finde. Er hat gen erfolgt, sind da echt im Vorteil. Das sind die eher zu einer „Kriegsberichterstattung“ pas- so etwas Verstaubtes, Langweiliges, ja fast leider bei Weitem noch nicht alle. Sie stehen sen würden. Da werden Sie z. B. immer wieder schon etwas von Gleichgültigkeit an sich und als Tarifsekretärin der ver.di Bundesverwaltung als „ver.di-Frontfrau“ bezeichnet. Ärgern Sie so verstehe und erlebe ich meine Arbeit nicht. in vorderster Linie bei der Vertretung der legiti- sich eigentlich über solcherart Titulierungen – Ja, es ist korrekt, dass ich 1991 bei der dama- men Interessen der Arbeitnehmer*innen. Wel- und haben Tarifverhandlungen generell etwas ligen Gewerkschaft Öffentliche Dienste Trans- che Bedeutung hat der Tarifvertrag aus Ihrer „Kriegerisches“ an sich? port und Verkehr als Gewerkschaftssekretärin Sicht? meine Tätigkeit aufgenommen habe. Dem vo- BETTINA WEITERMANN: Naja, Sie sind doch vom raus gegangen war eine ehrenamtliche Arbeit BETTINA WEITERMANN: Insbesondere in der Fach und wissen sicher viel besser, welche Wir- als ÖTV-Vertrauensfrau und die ehrenamtliche heutigen Arbeitswelt erfüllen Tarifverträ- kung prägnante Formulierungen auf die Leser- Mitarbeit in Gremien, die sich für die Beschäf- ge eine Sicherungs- und Schutzfunktion. Sie schaft haben. Außerdem leben wir in einem tigten im damaligen Sozial- und Erziehungs- regeln in den einzelnen Branchen Mindest- Land, in dem Pressefreiheit herrscht. Und wenn dienst engagierten. Insbesondere die Zeit ab bedingungen, z. B. bezogen auf die Höhe der in diesem Fall die Presse mich als ver.di-Front- November 1989 war für junge Erzieherinnen Einkommen, die Arbeitszeiten, die Pausen, den frau bezeichnete, dann passte dieser Begriff wie mich eine Zeit voller Umbrüche. Verän- Urlaub, Zulagen, einer zusätzlichen Altersver- wohl aus Sicht der Journalist*innen zu deren derungen in der Arbeitswelt, der Abbau von sorgung oder auch den Schutz und die Sicher- Bericht. Ich persönlich sehe mich weder als Kindertagesstätten, drohender Verlust der Ar- heit in der Arbeit. Tarifverträge beteiligen die Frontfrau, noch haben aus meiner Sicht Tarif- beitsplätze, viele Fragen, aber auch die Möglich- Beschäftigten am wirtschaftlichen Wohlstand verhandlungen etwas Kriegerisches an sich. Ich keit, selbst aktiv zu werden. Ja und das wollte der Volkswirtschaft. Erhebungen des Statisti- halte im Kontext von Tarifverhandlungen diese ich. Ich wollte Antworten auf meine Fragen schen Bundesamtes haben ergeben, dass z. B. Begriffe auch für absolut unpassend. haben, wollte nicht einfach Dinge als fest und Beschäftigte mit Branchentarifverträgen gegeben ansehen müssen. So bin ich zur ÖTV 14 KON TE XIS #72_2020
LEISTUNGSGERECHTE BEZAHLUNG FOTO: ADOBE STOCK gekommen, erst ehrenamtlich tätig und dann BETTINA WEITERMANN: Ich bin in Templin ge- etwas zu ändern. Stellen Sie sich vor, Sie stehen habe ich das große Glück gehabt, mein Hobby boren und aufgewachsen und das Kino, da- allein der Geschäftsführung gegenüber und for- zum Beruf machen zu können. mals hieß es offiziell Staatliches Filmtheater mit dern mehr Geld, wollen Anerkennung oder gar Gastspielbetrieb, gehörte für mich damals wie eine Veränderung ihrer Arbeitsbedingungen. Es REDAKTION: Als ver.di-Frontfrau sind Sie auch heute zum Leben in dieser kleinen, zau- gibt nur sehr sehr wenige Arbeitgeber*innen, deutschlandweit auf Achse und werden von der berhaften Stadt. Aus dem Kino von damals ist die darauf tatsächlich positiv reagieren, also Gegenseite, die ja nicht selten männlich ist, voll dank aktiver Bürger*innen das Multikulturelle zum Beispiel mehr Geld zahlen. Die Realität ist akzeptiert. Man weiß dort, dass Sie stets schlag- Centrum Templin entstanden und hat sich zum doch eher, dass es maximal ein freundliches kräftige Argumente parat haben, wenn es um Kino und Kulturzentrum der Stadt Templin ent- Gespräch und ein unverbindliches „Wir müssen Ihre Klientel geht. Bereitet es Ihnen eigentlich wickelt. Mit Kinovorstellungen, Live-Veranstal- mal sehen.“ gibt. Und am Wahrscheinlichsten Genugtuung, dass man sich vor Ihnen in Acht tungen, Ausstellungen und dem Mobilen Kino ist, dass es nicht mal zu diesem Gespräch kom- nehmen muss? sorgt das Team des MKC für ein vielfältiges, tol- men wird, weil Sie sich das allein nicht zutrau- les und hochwertiges Angebot. Hinter all dem en. Anders sieht es aus, wenn sich Beschäftigte BETTINA WEITERMANN: Klares NEIN, denn steckt sehr viel Energie und Herzblut, denn Kino organisieren und gemeinsam auftreten. Ein- Verhandlungsführer*innen, die es als Genug- und Kultur im ländlichen Raum sind eben keine zelspieler werden schnell übersehen, aber ein tuung empfinden, wenn man sich vor ihnen in Selbstverständlichkeit, sondern oftmals das Er- Team ist sichtbar, notfalls auch hörbar und auf Acht nehmen muss, sollten ihre Haltung und gebnis hartnäckiger, innovativer und kreativer alle Fälle durchsetzungsfähiger. ihre Art der Arbeit überdenken. Davon auszu- Arbeit. Diese Arbeit will ich aktiv unterstützen, gehen, dass Tarifarbeit nur funktioniert, wenn denn ich bin nicht nur Bürgerin dieser Stadt, die ver.di ist die Gewerkschaft, in der sich die Arbeitgeber sich in Acht nehmen müssen, die unterschiedlichen Angebote des MKC sehr Mitglieder*innen zum Beispiel für die Inter- ist falsch. Gute Tarifverhandlungen sind das Er- gern nutzt, sondern ich will dazu beitragen, essen der Beschäftigten im Bereich des So- gebnis einer Teamarbeit. Hierzu gehört die Vor- dass es diese Angebote auch in Zukunft gibt. zial- und Erziehungsdienstes stark machen, bereitung einer Tarifrunde, die Verhandlungen, einsetzen und Tarifverhandlungen führen. deren Begleitung und Unterstützung und auch REDAKTION: Warum würden Sie unseren Leser*- Gute Tarifabschlüsse sind jedoch kein Verwal- der Abschluss. Alle diese Schritte können nur innen zu einer ver.di-Mitgliedschaft raten? tungsakt, sondern ein Ergebnis von Stärke und in einem Team, also den Gewerkschaftsmitglie- Durchsetzungsfähigkeit. Deshalb empfehle dern aus dem Bereich und der Verhandlungs- BETTINA WEITERMANN: Auch wenn es etwas ich Ihren Leser*innen, sich gewerkschaftlich führung, gemeinsam geleistet werden. antiquiert klingen mag: Aus Solidarität sollen zu organisieren. Und wenn Ihre Leserschaft im sich Beschäftigte gewerkschaftlich organisie- Sozial- und Erziehungsdienst tätig ist, dann ist REDAKTION: Bei der Vielzahl Ihrer dienstlichen ren, mit dem Ziel, ihre Arbeits- und Lebensbe- ver.di genau die richtige Gewerkschaft! Verpflichtungen finden Sie trotzdem noch Zeit dingungen gemeinsam zu verbessern. Ich bin DAS INTERVIEW FÜHRTE SIEGHARD SCHEFFCZYK für ehrenamtliches Engagement als Vorstands- fest davon überzeugt, dass Beschäftigte nur mitglied im Multikulturellen Centrum Templin gemeinsam ihre Interessen vertreten können. e. V. Welche Bedeutung hat dieses Engagement Die oder der Einzelne fühlt sich ungerecht be- an Ihrem Wohnort für Sie? handelt, nicht anerkannt, schlecht bezahlt und es fehlt der Mut, die Kraft, die Idee, daran allein 15
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