Aus der häuslichen Gewalt - Was kann ich tun? - Wer hilft mir? - Landkreis Nordwestmecklenburg
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aus der häuslichen Gewalt Was kann ich tun? – Wer hilft mir?
Impressum Finanzierung 7. komplett überarbeitete Auflage Die Herausgabe der Broschüre November 2017 wurde finanziell unterstützt durch das Ministerium für Soziales, Herausgeberin Integration und Gleichstellung Frauen helfen Frauen e. V. Rostock Mecklenburg-Vorpommern / Leitstelle für Frauen und Redaktion Gleichstellung. Landeskoordinierungsstelle CORA in Kooperation mit dem Beratungs- Bestellungen und Hilfenetz in Fällen häuslicher in der Geschäftsstelle und sexualisierter Gewalt in Frauen helfen Frauen e. V. Mecklenburg-Vorpommern. Ernst-Haeckel-Str. 1 18059 Rostock Landeskoordinierungsstelle CORA 0381 . 440 30 77 Heiligengeisthof 3 . 18055 Rostock ulrike.bartel@fhf-rostock.de 0381 / 401 02 29 cora@fhf-rostock.de Download www.cora-mv.de www.fhf-rostock.de (>Service >Infobroschüren) Fotos Layout und Druck und www.cora-mv.de Titel: gänseblümchen / pixelio.de Altstadt-Druck Rostock GmbH Seite 36: s.hofschläger / pixelio.de Rückseite: birgitH / pixelio.de
Wo finde ich was? Seite Wege aus der häuslichen Gewalt 1 1. Was ist häusliche Gewalt? 4 2. Was ist Stalking 11 2.1 Was ist Cyberstalking? 14 3. Wie wirkt sich häusliche Gewalt auf Kinder aus? 16 4. Wege aus der Gewalt 17 4.1 Der Weg aus der Gewalt – ist möglich 17 4.2 Sicherheit geht vor 18 4.3 Was kann die Polizei für Sie tun? 19 4.4 Rechtlicher Schutz 20 4.5 Psychosoziale Prozessbegleitung 23 4.6 Medizinische und vertrauliche Hilfe 24 4.7 Was ist bei Aufenthaltsfragen und Asylrecht zu beachten? 25 4.8 Wer hilft Ihnen weiter? 25 5. Adressen 32 5.1 Beratungseinrichtungen zu häuslicher Gewalt und Stalking in Mecklenburg-Vorpommern 32 5.2 Bundesweite Interessensvertretung und Informationen 37 6. Anlagen 38 6.1 Ich packe einen Notfallkoffer 38 6.2 Was ich mir merken möchte 39 3
1. was ist häusliche gewalt? Häusliche Gewalt umfasst körperliche, körperliche Gewalt erleben, passiert das sexualisierte, emotionale, soziale und meistens im öffentlichen Raum, Täter sind ökonomische Gewalt zwischen Personen, auch hier vorwiegend Männer. die in einer engen Beziehung zueinander Einer repräsentativen Studie zufolge hat stehen. Häusliche Gewalt bedeutet nicht, jede 4. Frau im Alter zwischen 16 und dass die Gewalt in Ihrer Wohnung oder 85 Jahren durch aktuelle oder frühere in Ihrem Haus stattfindet. Auch am Beziehungspartner körperliche Übergriffe Arbeitsplatz, in der Kindertagesstätte oder ein- oder mehrmals erlebt.1 Aber nicht im Internet wird Partnerschaftsgewalt alle Frauen erleben häusliche Gewalt auf ausgeübt. die gleiche Art und Weise. Die Formen der Gewalt unterscheiden sich nach Art, Gewalt fängt dort an, wo die Macht des*der Häufigkeit und Schwere. Frauen mit Stärkeren ausgenutzt wird, wo Angst Beeinträchtigungen oder Behinderungen und Hilflosigkeit durch Beleidigungen, erfahren häufiger als andere körperliche, Demütigungen, Drohungen, Schläge oder psychische und sexualisierte Gewalt. ständige Kontrolle verbreitet werden. Sie Etwa 8 Prozent der Hilfesuchenden in fängt dort an, wo körperliche, geistige oder Mecklenburg-Vorpommern sind Männer. strukturelle Überlegenheit dazu genutzt Auch sie erleben Gewalt durch ihren Part- wird, eigene Interessen mit Zwang und ner oder ihre Partnerin oder durch andere gegen Ihren Willen durchzusetzen. Familienmitglieder. Aufgrund einer stär- keren Tabuisierung von Gewalterfahrun- Häusliche Gewalt ist kein gen im häuslichen Bereich muss auch bei Einzelschicksal männlichen Gewaltbetroffenen von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen werden. Häusliche Gewalt kann jeden Menschen Häusliche Gewalt wird meist durch Ehe- treffen – unabhängig von Geschlecht, männer, Lebenspartner oder andere, auch Einkommen, sexueller Orientierung, weibliche Familienmitglieder ausge- Bildungshintergrund, Herkunft oder übt. Häufig befürworten sie traditionelle Religion. Frauen sind allerdings häufiger von häuslicher Gewalt betroffen als Männer. 1 Vgl. Studie „Bundesministerium für Familie, Senioren, Wenn Frauen körperliche Gewalt erleben, Frauen und Jugend (2004): Lebenssituation, findet diese Gewalt meistens in privaten Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Räumen statt und geht vom männlichen Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Beziehungspartner aus. Wenn Männer Frauen in Deutschland.“ 4
Rollenmodelle in der Partnerschaft und ten. Das kann eine Trennung oder Schei- in der Gesellschaft und lehnen die Gleich- dung, ein Wohnungs- oder Ortswechsel, stellung der Geschlechter ab. ein Arbeitsplatzverlust oder ein Streit um das Sorge- und Umgangsrecht sein. Viele der gewalttätigen Personen üben Häusliche Gewalt ist keine Privatsache. die Gewalt nur in der Beziehung oder Ihr Zuhause ist kein rechtsfreier Raum. Familie aus. Sie geben sich nach außen Häusliche Gewalt ist ein klarer Verstoß hin oft sehr freundlich und zugewandt. gegen das Menschenrecht auf körperliche Sie wirken friedfertig und sind nicht als und seelische Unversehrtheit. gewalttätige Menschen erkennbar. Das kann für Betroffene dazu führen, sich Familie, Nachbar*innen, Freund*innen hilflos und handlungsunfähig zu fühlen. und Arbeitskolleg*innen können Sie Viele haben Angst, dass ihnen niemand unterstützen. Sie können Ihnen zuhören, glaubt, was wirklich zu Hause passiert und für Sie Hilfe und Schutz organisieren und ziehen sich deshalb zurück, was die Macht gegenüber der Tatperson deutlich machen, der Tatperson2 noch vergrößert. dass häusliche Gewalt nicht akzeptabel ist. Die gewaltsamen Übergriffe sind Ursache Streit oder Gewalt? für verschiedenste körperliche und seelische Verletzungen und Erkrankungen. Mögliche Die nachfolgende Gegenüberstellung gesundheitliche Folgen sind auch Schlaf- kann es Ihnen erleichtern, Streit von störungen, erhöhte Ängste und Depressi- Gewalt zu unterscheiden. Denn es gibt onen, Suizidgedanken, Selbstverletzungen unterschiedliche Arten der Auseinan- und Essstörungen, Suchterkrankungen, dersetzung in Paarbeziehungen. Streit posttraumatische Belastungsstörungen oder und Gewalt unterscheiden sich in einem unerwünschte Schwangerschaften. wichtigen Punkt – bei Gewalt geht es um die Ausübung von Macht und Kontrolle. Partnerschaftsgewalt beeinflusst Ihren Alltag Gewalt ist jede zielgerichtete Verletzung und Ihr Leben. Partnerschaftsgewalt kann der seelischen und körperlichen Integri- für Sie tiefgreifende Veränderungen bedeu- tät einer anderen Person. 2 In dieser Broschüre werden die geschlechtsneutralen aus der Gewalt aufzeigen will, wird auf den Begriff Begriffe „Tatperson“ (für Täter und Täterinnen) des „Opfers“ verzichtet und der Begriff „Betroffene“ sowie „Betroffene“ (männliche und weibliche Opfer) von häuslicher Gewalt gewählt. Dies können neben verwendet, um auf stigmatisierende und urteilende den direkt Betroffenen auch Familienangehörige und Begrifflichkeiten zu verzichten. Da die Broschüre Wege unterstützende Personen sein. 5
Streit oder Gewalt? ! !! ! !! !!! Streit in der Partnerschaft Gewalt in Paarbeziehungen Gewalt Streit Streit Gewalt Gewalt Streit Auseinandersetzung und Diskussion auf Stärkere Person droht, verletzt und Augenhöhe, erniedrigt die schwächere Person, Beteiligte sind ebenbürtig, Eigene Interessen werden gegen den Willen gleichgestellt in der Partnerschaft der anderen Person – mit Druck und Gewalt – durchgesetzt Ziel: Klärung des Konfliktes Ziel: Durchsetzung von Macht und Kontrolle, ein konkreter Konflikt muss nicht unbedingt vorliegen Mögliche Eskalation in der Situation, Systematische Gewalthandlungen lautstarke Auseinandersetzungen bis hin und Einschüchterung, zielt darauf die zu physischer Gewalt, beide können Beziehung und das Gegenüber zu gewalttätig sein dominieren Auseinandersetzung aufgrund konkreter Wiederholte Gewalt, breites Spektrum an Situation, spontanes Konfliktverhalten Erniedrigungen und Misshandlungen In den Konflikt sind gleichermaßen Gewaltart wird überwiegend von Frauen und Männer involviert Männern ausgeübt Situativ übergriffiges Konfliktverhalten Systematisches Gewalt- und Kontrollverhalten, häufig verbunden mit Frauenfeindlichkeit 6
Gewalt hat viele Gesichter Häusliche Gewalt ist nicht nur Beziehung, in der die Gewalt dazu dient, körperliche Gewalt, sondern zeigt sich in die Dominanz und Kontrolle über die unterschiedlichen Arten der Gewalt. Bei andere Person zu erlangen oder aufrecht häuslicher Gewalt handelt es sich um eine zu erhalten. alt Sexu Gew alis ie he r te h isc Ge yc w Ps al t Zerstörung des Selbstwertge Erzwingen sexueller fühls, Erpressen, Drohen, Einschüch Handlungen (intime Berührungen, tern, Psychoterror, starke Eifersucht bis hin Küsse…) oder bestimmter sexueller zum Verfolgen (Stalking), Liebesentzug bis Praktiken, Vergewaltigung, dazu nötigen das gewünschte Verhalten erreicht wird. pornografische Inhalte anzusehen. t al So ew zia eG Im sozialen Umfeld le herabwürdigen, am Arbeits ch Ge An den Haaren ziehen, schlagen, platz schlecht machen und verfolgen, erli wa l würgen, boxen oder treten, jemanden Kontaktverbote, gezielte emotionale Körp t mit einem Messer oder mit anderen Sachen Erpressung („wenn du nicht ... , dann...“) und verletzen, (mit Zigarette) verbrennen, Attacken mit Einschüchterungen im sozialen Umfeld. Waffen, bis hin zum Mordversuch. Macht und Kontrolle rtung Verbot oder Zwang zu arbeiten, Ausgaben und Einnahmen Gründe der Gewalt werden von der Tatperson nicht bei Ökon gegen den eigenen Willen kontrollieren und zuteilen, sich selbst gesucht, sondern in äußeren Umständen ntwo nicht erlauben arbeiten zu gehen, Geld wegneh (z.B. Alkoholkonsum, Schwierigkeiten bei der men, Schulden auf andere abwälzen. Androhung Arbeit) oder beim Partner / der Partnerin omi era von Gewalt gegen („er/sie hat mich provoziert“), sch rV Kinder und andere Schuld sind die anderen. eG Ausnutzen von Privilegien Familienangehörige, e nd und Stärke, Entscheidungen Kinder als Geiseln nehmen, ew be alleine und über den Kopf der bei Trennung / Scheidung al ie t anderen hinweg treffen um eigene Kinder als Boten und zur Kontakt ch bs Interessen und Position zu stärken. herstellung zur ExPartnerin oder A ExPartner benutzen. er i nd K He er rr s n gd cha ru ft isie ntal Instrume Darstellung Quelle: Domestic Abuse Intervention Projekt 1983 Modifizierte Darstellung durch CORA 2017 7
Gewaltkreislauf Häusliche Gewalt tritt in einer Paarbeziehung unterschiedlich auf. Typisch für häusliche Gewalt ist, dass als Gewaltspirale. Oft gibt es auch ruhige es nicht bei einer einzelnen Gewalttat oder gute Zeiten, die wieder Hoffnung bleibt, sondern immer wieder Phasen schöpfen lassen. Darauf folgen oft wieder durchlaufen werden, die wieder in einem Tage oder Wochen voller Angst und neuen gewalttätigen Übergriff gipfeln. Gewalt. Diese Abläufe häuslicher Gewalt Die Abstände zwischen den Gewalttaten lassen sich anhand der Gewaltspirale (siehe werden mit der Zeit oft kürzer und deren unten) erklären. Ausmaß nimmt zu. Dies bezeichnet man 1. Phase Gewaltzyklus Spannungs beginnt erneut aufbau 4. Phase 2. Phase Abschieben der Gewalt Verantwortung ausbruch Häufiger Zeitpunkt 3. Phase für Hilfesuche, Polizei- Ruhe, Reue, einsätze, medizinische Zuwendung Versorgung 8
1. Phase – Spannungsaufbau trotzdem können Sie oder Ihre Kinder heftig verletzt oder Ihre Wohnung zerstört Um Betroffene in einen ständigen werden. Angstzustand zu versetzen, muss nicht unbedingt Gewalt angewandt Die Gewalt hört oft erst auf, wenn das Ziel werden. Vielmehr baut sich über einen der gewalttätigen Person erreicht ist, Sie längeren Zeitraum eine sehr belastende sich in Sicherheit bringen konnten oder Spannung auf. Um der Tatperson keinen andere Menschen die Gewalt unterbunden Grund für Auseinandersetzungen und haben (Angehörige, Nachbar*innen, Wutanfälle zu geben, konzentriert sich Polizei). die Aufmerksamkeit der Betroffenen oft auf die gewalttätige Person. Die eigenen Unmittelbar nach dem Gewaltausbruch Bedürfnisse und Ängste werden dabei sind Sie möglicherweise bereit, erste zurückgestellt und unterdrückt. Es wird Schritte zu unternehmen, um sich und versucht, der Tatperson möglichst alles Ihre Kinder zu schützen: recht zu machen, um einen Ausbruch der Gewalt (Eskalation) zu verhindern. „Diese kleinen Schritte haben ein eigenes Kann die Gewalt nicht verhindert ‚das erste Mal’: das erste Mal – vielleicht werden, entsteht oft eine Übernahme der heimlich – zu einer Anwältin gehen, das Verantwortung für den Gewaltausbruch erste Mal Widerstand leisten, das erste Mal durch die Betroffenen („ich bin ja selbst mit Trennung drohen, das erste Mal sich schuld“, „hätte ich nicht…“, „wäre ich selbst behaupten, vielleicht auch das erste nur…“). Mal die Polizei rufen.“ Die Tatperson verstärkt und nutzt diese (Helfferich / Lehmann / Kavemann / Rabe 2004) Verantwortungsübernahme („du bist ja selbst schuld…“, „hättest du nicht…“). 3. Phase – Ruhephase Doch die Verantwortung für das gewalttätige Verhalten liegt allein bei der In der folgenden Ruhephase zeigt die Tatperson, nicht bei Ihnen. Tatperson oft Reue und entschuldigt sich vielleicht, ist liebevoll und zugewandt. Viele gewalttätige Personen, die nur zu 2. Phase – Gewaltausbruch Hause Gewalt ausüben und sonst kaum auffälliges Verhalten zeigen, fühlen sich Was mit Drohungen und Kränkungen danach schlecht und versuchen mit beginnt, wird später oft zu körperlicher Entschuldigungen ihre Aufrichtigkeit zu Gewalt, die mit der Zeit immer brutaler beweisen. Oft wird durch die Tatperson ein werden kann. Der Gewaltausbruch an sich Alkohol- oder Drogenentzug begonnen ist zwar meistens nur von kurzer Dauer, oder eine Beratungsstelle aufgesucht, um 9
zu verhindern, dass Sie die Beziehung immer kürzer werden. beenden. Wir möchten Sie dabei unterstützen, die Vielleicht glauben Sie diesen Bemühungen Gewaltspirale zu durchbrechen und sich aus und Versprechen, vielleicht wollen Sie der gewalttätigen Beziehung zu befreien. der Beziehung noch eine letzte Chance Auch die Polizei und die Justiz können geben. Vielleicht tragen die Liebe und die die Tatpersonen stoppen. Frauenhäuser Zuneigung, die Ihnen die Tatperson jetzt und Beratungseinrichtungen, aber auch zeigt, dazu bei, dass Sie sich nicht trennen. Verwandte, Freund*innen, Kolleg*innen, Vielleicht schöpfen Sie Hoffnung, dass die Ärzt*innen können Sie dabei unterstützen, Gewalt jetzt ein für alle Mal vorbei ist. sich in Sicherheit zu bringen und ein gewaltfreies Leben aufzubauen. Der Kreis schließt sich, die Spirale dreht sich weiter. 4. Phase – Abschieben der Verantwortung Nach der Ruhephase beginnt die Tatperson oft damit, die Verantwortung für die Gewalt von sich wegzuschieben.Vielleicht versucht er*sie, Ihnen zu erklären, dass die Gewalt nie stattgefunden hat und Sie sich alles nur einbilden, oder dass alles ganz harmlos war. Vielleicht versucht er*sie auch, das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Meist geht diese Phase wieder mit Demütigungen und kleineren Gewaltvorfällen einher und somit in die erste Phase - den Spannungsaufbau - über. Betroffene, die diesen Gewaltkreislauf mehrfach erlebt haben, berichten, dass die Gewalt immer drastischer und die Phasen 10
2. Was ist Stalking? Stalking (auch „belästigende Nach- Warum wird gestalkt? stellung“) bedeutet, dass eine Person gegen ihren Willen verfolgt, belästigt oder bedroht wird, und zwar bewusst Stalker*innen wollen wahrgenommen und wiederholt. Stalkingfälle können werden und fühlen sich aus unterschied- sich manchmal über mehrere Jahre hin- lichsten Gründen berechtigt, der anderen ziehen. Stalking-Betroffene fühlen sich Person nachzustellen. Die meisten sind oft unsicher oder haben Angst. leicht kränkbar, eifersüchtig und verlan- Stalking kann eine Straftat (§ 238 StGB) gen Beachtung oder Bewunderung. Viele sein. Das ist dann der Fall, wenn die glauben, dass ihre Zielperson ihnen et- Handlungen geeignet sind, die Lebensge- was angetan hat oder sie provoziert. Die staltung der betroffenen Person schwer- betroffene Person soll deshalb Angst und wiegend zu beeinträchtigen. Verzweiflung spüren. Es gibt verschiedene Motive und Auslöser Wer stalkt wen? für Stalking, die häufigsten davon sind: • Trennung • ein neuer Partner / eine neue Partnerin Stalker*innen kommen aus allen sozia- auf Seiten der Betroffenen len Schichten und Altersgruppen. Etwa • Eifersucht, Kränkung, verletzte 80 Prozent sind Männer, überwiegend Eitelkeit im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. • subjektiv erlebter Verlust des Kindes Stalker*innen können sowohl ehemalige • Macht- und Besitzansprüche Beziehungspartner*innen, Freund*innen • Kontrollverlust,Verlust gewohnter oder Kolleg*innen, Nachbar*innen, pro- Strukturen, Destabilisierung fessionelle Kontakte oder sogar völlig • Missgunst, Ärger, Wut und Rache Unbekannte sein. Die meisten Fälle von Stalking entwickeln sich jedoch aus einer Mit Liebe hat Stalking nichts zu tun. früheren Beziehung oder Bekanntschaft.3 Stalker*innen suchen den Kontakt zu Nur in etwa jedem fünften Fall ist die Tat- ihren Zielpersonen oft über einen längeren person eine gänzlich fremde Person. Zeitraum, auch wenn diese durchgängig und eindeutig den Kontakt ablehnen. 3 Dressing, Harald & Gass, P (2005): Stalking!: Verfolgung, Bedrohung, Belästigung. Bern. 11
Was können Sie dagegen tun? Was gilt als Nachstellung? Sie sollten sich frühzeitig gegen das Ver- halten von stalkenden Personen schützen Zu den belästigenden Stalkinghand- und Hilfe in Anspruch nehmen. Zur Be- lungen gehören unter anderem: endigung bzw. Reduzierung des Stalking- • Nachlaufen verhaltens haben sich folgende Handlungs- • Telefonanrufe zu allen Zeiten möglichkeiten für Betroffene bewährt: • Ständige Präsenz in der Nähe der Zielperson Einmalige deutliche und konsequente Kon- • Kontaktaufnahme durch Briefe, taktablehnung. Sagen Sie der stalkenden SMS, E-Mails, soziale Medien Person einmal klar und deutlich, am • Eindringen in die Wohnung, besten im Beisein von anderen Personen Beschädigung von Eigentum (Zeug*innen), dass Sie die Kontaktver- • Hinterlassen ekelerregender suche in keiner Weise wünschen und Spuren, aber auch Geschenke nichts mit ihm*ihr zu tun haben wollen. • Drohungen und körperliche Halten Sie sich unbedingt daran! Angriffe • Bestellen von Waren/Dienstleis- Ignorieren Sie die stalkende Person völlig. tungen im Namen der Zielperson Denn alle weiteren Reaktionen werden • Verleumdungen/Einbezug des von ihm*ihr als positives Zeichen ge- sozialen Umfeldes wertet: „Ich muss mich nur lange genug • Drohungen, den Kindern etwas bzw. intensiv bemühen, dann wird er*sie anzutun schon reagieren“. • Missbrauch der elterlichen Rechte, um in den Alltag einzugreifen Informieren Sie Ihre Familie, Ihre Freund*innen, Arbeitskolleg*innen, den*die Arbeitgeber*in, die Nachbar*innen und Bekannte. Denn Öf- fentlichkeit kann schützen! Tragen Sie Ihr Mobiltelefon immer bei sich und rufen Sie bei Gefahr oder konkreter Bedrohung die Polizei (110). Verfolgt Sie die stalkende Person mit dem Auto, fahren Sie zur nächsten Polizeidienststelle. Erstatten Sie bei Straftaten jedes Mal konsequent An- zeige. 12
Sichern Sie die Beweise, dokumentieren Amtsgericht Beratungs- und Verfahren- Sie das Geschehene. Schließen Sie einen skostenhilfe beantragen und sich durch Anruf beantworter an, mit dem Sie die Rechtsanwält*innen beraten lassen. Anrufe aufzeichnen können. Führen Sie ein „Stalking-Tagebuch“ (Tag, Datum, Das Hinzuziehen der Polizei stellt eine Uhrzeit, Was ist geschehen? Gibt es klare Grenzziehung dar. Eine im frühen Zeugen oder andere Beweise?). Doku- Stadium des Stalking erfolgte Gefähr- mentieren Sie alles, was die stalkende deransprache durch die Polizei kann zur Person schickt, schreibt oder tut. Hilfreich Beendigung des Verhaltens führen. Mit sind auch Fotos (z.B. von unbestellten einer Gefährderansprache wird durch Waren vor der Rücksendung, von ekel- die Polizei selbst verdeutlicht, dass sie das erregenden Spuren an der Wohnungstür, Verhalten sorgfältig beobachtet und ge- von Verletzungen, Beschädigungen, etc.). gebenenfalls Maßnahmen gegen weiteres Bewahren Sie Geschenke auf. All dies Fehlverhalten ergreift. Das Grunddelikt kann als Beweismittel vor Gericht dienen. Stalking (§ 238 Abs. 1 StGB) ist ein so- genanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, Selbstschutzmaßnahmen treffen. Stellen dass Polizeibeamt*innen, die davon er- Sie die Geheimhaltung Ihrer neuen Ad- fahren, eine Strafanzeige vorlegen und resse sicher (z.B. in Schriftsätzen, Kran- Ermittlungen einleiten müssen. Auch die kenkasse, Jugendamt, Schule…). Machen Staatsanwaltschaft muss die Tat von Amts Sie für alle Fälle Ihre Anschrift auf Um- wegen verfolgen. schlägen unkenntlich, bevor Sie diese entsorgen. Vielleicht ist es sinnvoll, ein Als zivilrechtliche Maßnahme gegen zweites Mobiltelefon (neue Nummer) Stalking kommt auch eine Anordnung oder einen zweiten Telefonanschluss an- nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) zuschaffen oder die Nummer der stal- in Betracht (§ 1 Gerichtliche Maßnahmen kenden Person zu blockieren. zum Schutz vor Gewalt und Nachstel- lungen). Verstößt die stalkende Person Unterstützung suchen. Jeder Stalkingfall gegen ein solches Verbot, macht er*sie sich ist einzigartig und folgt einer eigenen nach § 4 Gewaltschutzgesetz straf bar. Dynamik. Suchen Sie Unterstützung und Schutz in den Einrichtungen zu häus- Sie können, am besten über einen Anwalt licher Gewalt und Stalking. Nutzen Sie oder eine Anwältin, von der stalkenden alle rechtlichen Möglichkeiten, gegen die Person verlangen, dass er*sie eine schriftliche stalkende Person vorzugehen. Sie können, Unterlassungserklärung abgibt. Wer gegen sofern Sie Ihre Bedürftigkeit nach- eine solche Unterlassungserklärung verstößt, weisen, in der Rechtsantragsstelle beim riskiert eine empfindliche Geldstrafe. 13
Was sollten Sie nach Cyberstalking kann verschiedene Formen der konsequenten annehmen: • falsche Tatsachen (Gerüchte, Kontaktablehnung nicht tun? Verleumdungen) über die Betroffenen im Internet verbreiten • Mit der stalkenden Person sprechen. • im Namen der Betroffenen Waren Bekommen Sie einen Anruf/ oder Dienstleistungen bestellen SMS/E-Mail, etc., legen Sie auf bzw. • intime Details oder Fotos der antworten Sie nicht. Betroffenen im Internet verbreiten • Pakete annnehmen, die Sie nicht • die Betroffenen oder deren erwarten. Fotografieren Sie die Waren Freund*innen, Kolleg*innen und senden Sie unbestellte Waren oder Verwandte über das Internet zurück, da Sie diese andernfalls eventuell oder soziale Medien wiederholt bezahlen müssen. kontaktieren oder bedrohen • Die Schuld bei sich selbst suchen. Sie • die Identität der Betroffenen stehlen tragen keine Verantwortung für das und bspw. falsche Nutzer*innen- gewalttätige Handeln. Konten auf Kontaktbörsen einrichten • Sich zurückziehen. Sprechen Sie darüber • im Namen der Betroffenen im Internet und informieren Sie Ihr soziales Umfeld. Straftaten begehen oder androhen Cyberstalking ist, genau wie Stalking 2.1 Was ist Cyberstalking? und häusliche Gewalt, eine Straftat. Tatpersonen können unter anderem wegen Beleidigung, Bedrohung, übler Cyberstalking bedeutet, dass die Nachrede, Fälschung beweiserheblicher Nachstellung vor allem im Internet Daten, Nötigung oder Betrug angezeigt passiert. Cyberstalking und Stalking in werden. der realen Welt folgen ganz ähnlichen Mustern, denn auch beim Cyberstalking Was können Sie gegen Cyberstalking sind die meisten Tatpersonen Männer tun? und die meisten Betroffenen Frauen. In sehr vielen Fällen ist eine (ehemalige) • Achten Sie darauf, wer Zugang zu Partnerschaft der Auslöser für das Ihrem Computer und zu Ihrem Cyberstalking. Handy hat. • Schützen Sie Ihren Computer und Ihr Handy mit Kennwörtern. 14
• Geben Sie Ihre Kennwörter nicht an oder an die Polizei weitergeben. Wenn Dritte weiter. die Tatperson in Ihrem Namen oder • Ändern Sie Ihre Kennwörter auf Ihre Rechnung Waren im Internet regelmäßig. bestellt hat, nehmen Sie diese nicht an • Achten Sie darauf, in sozialen und bitten Sie auch Ihre Nachbar*innen, Netzwerken nur Kontakt zu Menschen diese nicht anzunehmen. Wenn Sie auf aufzunehmen, die Sie auch im realen einer Webseite oder in sozialen Medien Leben kennen. falsche Tatsachen oder intime Bilder • Achten Sie darauf, keine öffentlich von sich entdecken, kontaktieren Sie die sichtbaren Kalendereinträge oder Anbieter*innen (auch hier ggfs. mit Hilfe Veranstaltungen, an denen Sie von Anwält*innen) und verlangen Sie, teilnehmen möchten, in sozialen dass diese gelöscht werden. Netzwerken zu posten – die Tatperson Haben Sie den Mut, Cyberstalking könnte daraus ablesen, wann Sie sich bei der Polizei anzuzeigen – in vielen wo auf halten werden. Polizeidienststellen gibt es speziell zu • Überprüfen Sie die Privatsphäre- Internetkriminalität geschultes Personal. Einstellungen in Ihren sozialen Cyberstalking ist eine Straftat. Netzwerken. • Veröffentlichen Sie keine privaten Daten wie Name, Adresse oder Telefonnummer im Internet und sprechen Sie ggfs. auch mit Ihren Kindern darüber. • Suchen Sie im Internet nach Ihrem Namen und sorgen Sie dafür, dass verleumderische Inhalte entfernt werden. Wenn Sie per E-Mail bedroht oder belästigt werden, können Sie sich schnell und unkompliziert ein neues E-Mail- Konto einrichten und Ihre neuen Kontaktdaten nur an vertrauenswürdige Personen weitergeben. Sie sollten die E-Mails der Tatperson jedoch sichern und diese bei Bedarf an eine*n Anwält*in 15
3. Wie wirkt sich häusliche Gewalt auf Kinder aus? Partnerschaftsgewalt Was können Sie für Ihre Kinder betrifft auch die Kinder tun? Viele Betroffene, meist Mütter, leben zum • Geben Sie Ihrem Kind die Mög- Zeitpunkt der Gewalt mit ihren Kindern lichkeit, über die Erlebnisse zu zusammen. Kinder können direkt von sprechen oder sich einer dritten Be- der Gewalt betroffen sein, wenn sie selbst zugsperson anzuvertrauen. misshandelt oder bedroht werden. Kinder • Geben Sie Ihrem Kind Gelegenheiten, können aber auch indirekt betroffen sein, über seine eigenen Gefühle und Be- wenn sie die Gewalt an der Mutter oder dürfnisse zu sprechen. am Vater sehen oder hören und generell • Machen Sie Ihrem Kind deutlich, in einer gewalttätigen Umgebung auf- dass es keine Schuld an der häuslichen wachsen. Gewalt trägt. Denn viele Kinder Selbst wenn Ihre Kinder auf den ersten suchen die Ursache der Gewalt bei Blick stabil und unauffällig wirken, be- sich selbst und fühlen sich schuldig. trifft sie die häusliche Gewalt existenziell • Nehmen Sie Hilfen und Beratung und kann sie in ihrer freien Entwicklung an, zum Beispiel durch die kosten- einschränken. freie Kinder- und Jugendberatung in den Interventionsstellen gegen häus- Auch wenn Ihre Kinder nicht selbst ge- liche Gewalt und Stalking (siehe Ad- schlagen werden, erleben sie die Part- ressteil). Auf Wunsch unterstützt Sie nerschaftsgewalt mit. Sie befinden sich die Beraterin dabei, in Jugendämtern, mitten im Gewaltgeschehen. Wenn Familiengerichten und bei Verfahrens- Streit, Drohungen, Angst und Schläge pflegenden auf die Auswirkungen der zum Alltag gehören, prägt dies maß- Gewalt auf die Kinder hinzuweisen. geblich jedes Kind in seiner Persönlich- keitsentwicklung. Kinder spüren die Kinder zeigen nach der Trennung der Angst und Ohnmacht des betroffenen Eltern häufig ungewöhnliches Verhalten, Elternteils, schützen vielleicht ihre klei- da sie sich emotional zwischen Mutter neren Geschwister, sind wütend oder und Vater hin- und hergerissen fühlen selbst aggressiv. oder von einem Elternteil negativ beein- Das Miterleben häuslicher Gewalt kann flusst und instrumentalisiert werden. zu Beeinträchtigungen in der Ent- Die Kinder zeigen ihre Unsicherheiten sehr wicklung Ihres Kindes führen, bspw. zu ausgeprägt oder reagieren völlig entgegen- verzögerter Sprachentwicklung, Bett- gesetzt, also sehr unauffällig und angepasst. nässen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Kinder brauchen deshalb viel Verständnis Wutanfällen und Essstörungen. und Unterstützung für ihre Situation. 16
4. Wege aus der Gewalt Recht auf ein Leben ohne Sie haben ein Recht auf Schutz und Un- Gewalt terstützung durch Polizei, Justiz, Ämter und Beratungseinrichtungen. Diese Bro- Jedes Kind hat ein Recht auf ein Leben schüre zeigt Ihnen, welche Wege es aus der ohne Gewalt, damit es sich frei entfalten Gewalt gibt. Die Beratungseinrichtungen kann. Gemäß § 1631 Abs. 2 Bürgerliches zu häuslicher Gewalt helfen Ihnen kos- Gesetzbuch (BGB) haben Kinder aus- tenfrei und vertraulich. Die Einrichtungen drücklich ein „Recht auf gewaltfreie Er- nehmen Ihre Selbstbestimmung und Ei- ziehung.“ genverantwortung ernst. Es bestehen rechtliche Möglichkeiten, Sie entscheiden, welcher Weg für Sie der für die Dauer der Kindeswohlgefährdung richtige ist. den Umgang auszusetzen und nur ein kontrolliertes Besuchsrecht zu gewähren. Dem Gewalt ausübenden Elternteil kann 4.1 Der Weg aus der Gewalt die Nutzung der Wohnung im Ver- ist möglich fahren wegen Kindeswohlgefährdung gemäß §§ 1666, 1666a BGB durch eine Der Weg aus einer gewalttätigen Beziehung Anordnung des Familiengerichts ver- ist nicht leicht, aber er ist möglich. Auch boten werden. Doch die familiengericht- Sie können diesen Weg gehen und wieder liche Praxis ist hier sehr unterschiedlich. ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben Nehmen Sie deshalb Beratung in An- führen. Sie können Gesundheit, Selbst- spruch. vertrauen und Lebensqualität zurückge- winnen. Sie können auch Ihre Kinder vor Entwicklungsschäden bewahren, die sich aus den Gewalttaten und der angespannten Atmosphäre zu Hause ergeben können. Dabei wollen wir Sie unterstützen. Wer hilft Ihnen? Das Beenden einer gewalttätigen Be- ziehung kostet Kraft und Mut. Holen Sie sich dafür alle Unterstützung, die möglich ist: • Polizei und Justiz sind verpflichtet, Sie und Ihre Kinder vor weiterer Gewalt Bild von Hendrik (11), wie er seinen Vater sieht. zu schützen. 17
• Interventionsstellen, Frauenschutz- Sie mit anderen über die Gewalt und suchen häuser und Beratungsstellen bei häus- Sie sich Hilfe. Sie sind auf keinen Fall schuld licher oder sexualisierter Gewalt unter- an der Situation, denn schuld ist immer die stützen, beraten und begleiten Sie, kos- Person, die Gewalt ausübt. tenfrei und auf Wunsch auch anonym! • Die Männer- und Gewaltberatungs- 4.2 Sicherheit geht vor stellen bieten Tatpersonen kostenfreie und auf Wunsch anonyme Beratung an, Das wichtigste für Sie ist, sich selbst und Ihre um Verantwortung für das gewalttätige Kinder vor weiterer Gewalt zu schützen. Verhalten zu übernehmen und die Gewalt zu beenden. Sie kennen Ihre eigene Situation am besten • Verwandte, Freund*innen und Bekannte und können die Gefahr, die von der Tat- können bei vielen Fragen entlasten. person ausgeht, am besten einschätzen. Nehmen Sie daher Ihre eigenen Sorgen Die Kontaktdaten der Hilfeeinrichtungen und Ängste ernst.Vertrauen Sie Ihrer Wahr- finden Sie auf den letzten Seiten dieser nehmung. Trauen Sie Ihren Gefühlen. Broschüre. Eine Möglichkeit, für Ihre eigene Si- Sie sind mit Ihrer Erfahrung nicht allein – es cherheit zu sorgen, kann ein persönlicher gibt viele Menschen, die häusliche Gewalt Krisenplan sein. Überlegen Sie: erfahren. Fassen Sie sich ein Herz, sprechen • Wem kann ich vertrauen? • Wo ist das nächste Telefon/Handy? • Wie und wohin kann ich flüchten? Fluchtmöglichkeiten in Gefahrensituationen planen (ggf. Absprache mit Nachbar*innen, Freund*innen, Frauenhaus) • Welche Notruf-Nummern trage ich bei mir? (Polizei, Verwandte, Bekannte, Frauenhaus, siehe auch Adressteil) • Wie komme ich weg? Transport durchdenken (öffentliche Verkehrsmittel, Taxi, Freund*innen holen mich ab…) • Ich besorge Reserveschlüssel (für Wohnung, Auto…) • Ich packe einen „Notfallkoffer“ und bringe ihn an einen sicheren Ort (siehe Anlage in dieser Broschüre) • Wo kann ich im Notfall übernachten? (Verwandte, Bekannte, Frauenhaus) • Wo kann ich Wertgegenstände sicher unterbringen? • Wer kann mich in beängstigenden Situationen begleiten? (z. B. Gerichtsverhandlung) • Wer kann mich bei einem Gespräch mit der Kindereinrichtung/Schule über die Situation unterstützen? (Verwandte, Bekannte, Kinder- und Jugendberatung, Beratungsstellen, Frauenhaus…) • Wer kann mich bei einem Gespräch mit meinem*meiner Arbeitgeber*in unterstützen? (vertrauensvolle Kolleg*innen) • Wie kann ich die Kinder auf die Krisensituation vorbereiten? (Kinder- und Jugendberatung, Freund*innen…) 18
4.3 Was kann die Polizei für Sie Wohnung trotz Wegweisung betreten tun? hat, kann die Polizei erneut eine Weg- weisung aussprechen und die Tatperson Die Polizei hilft Ihnen auch bei häus- aus der Wohnung entfernen. Falls die licher Gewalt oder Stalking. Sie können Tatperson Widerstand leistet, kann die die Polizei über die 110 oder über die Polizei ihn*sie auch in Gewahrsam nächste Polizeidienststelle erreichen. nehmen oder ein Zwangsgeld festsetzen. Wenn Sie in unmittelbarer Gefahr sind, ist die Polizei verpflichtet, sofort zu Sie selbst müssen sich natürlich auch an kommen. Die Nummern 110 (Polizei) die polizeilichen Maßnahmen halten – und 112 (Feuerwehr, Rettungsdienst) Sie dürfen die gewalttätige Person nicht sind immer kostenlos und funktionieren wieder in die Wohnung lassen. Die Tat- auch bei gesperrten Telefonen oder feh- person darf die Wohnung nicht ohne Be- lender SIM-Karte. gleitung durch die Polizei betreten, auch dann nicht, wenn noch Dinge aus der Wer schlägt, der geht. Wohnung benötigt werden. Falls die Tat- person die Wohnung trotz Wegweisung Wenn Sie die Polizei wegen häuslicher allein betritt, rufen Sie sofort die Polizei. Gewalt rufen, kann die Polizei eine Weg- Falls Sie die Polizei während der Gewalt- weisung aussprechen. Das bedeutet, dass situation nicht rufen konnten, können die gewalttätige Person die Wohnung Sie auch im Nachhinein zu einer Polizei- sofort verlassen muss und bis zu 14 Tage dienststelle gehen und dort Anzeige er- lang nicht zurückkommen darf. Nachdem statten. Auch dann kann die Polizei eine die gewalttätige Tatperson ihre persön- Wegweisung aussprechen, so dass Sie sich lichen Sachen gepackt hat, nimmt die in Ihrer Wohnung wieder sicher fühlen Polizei ihm*ihr die Wohnungsschlüssel können. Sagen Sie der Polizei am besten weg und übergibt Informationen zu Be- direkt, dass Sie in konkreter Gefahr sind ratungsstellen und Übernachtungsmög- und sofortigen Schutz brauchen. lichkeiten. Die Polizei kann auch für andere Orte Wenn in Ihrem Zuhause ein Polizei- ein Aufenthaltsverbot aussprechen, damit einsatz wegen häuslicher Gewalt statt- Sie und Ihre Kinder auch dort vor wei- gefunden hat oder Sie im Nachgang terer Gewalt sicher sind. Diese Orte Anzeige erstatten, informiert die Polizei können zum Beispiel Ihr Arbeitsplatz, die Interventionsstelle gegen häusliche aber auch die Kita oder die Schule Ihrer Gewalt und Stalking in Ihrer Nähe. Eine Kinder sein. Mitarbeiterin der Interventionsstelle wird Sie telefonisch oder schriftlich kon- Die Polizei kann die Wegweisung oder taktieren und Ihnen und Ihren Kindern das Aufenthaltsverbot kontrollieren und Beratung und Unterstützung anbieten. prüfen, ob sie eingehalten werden. Falls die gewalttätige Person die gemeinsame 19
4.4 Rechtlicher Schutz Schutz vor Gewalt und Nachstellungen Das Gewaltschutzgesetz („Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten Durch das Gewaltschutzgesetz kann ein und Nachstellungen“) wurde einge- Gericht der Tatperson verbieten, Ihre führt, um Betroffene vor Gewalt und Wohnung zu betreten oder sich auch nur Stalking zu schützen. Im Gegensatz zu im Umkreis Ihrer Wohnung aufzuhalten. den polizeilichen Maßnahmen wie der Dieses Verbot kann auch für andere Orte Wegweisung (eine Wegweisung gilt für gelten, etwa für Ihren Arbeitsplatz oder die höchstens 14 Tage) bietet das Gesetz Kita oder Schule Ihrer Kinder. Das Gericht längerfristigen Schutz vor Gewalt. kann der Tatperson auch verbieten, Sie zu kontaktieren, z. B. durch Anrufe, E-Mails, Für wen ist das Gewaltschutz- soziale Netzwerke oder WhatsApp. gesetz? Wohnungszuweisung Sie können das Gewaltschutzgesetz Wenn Sie mit der Tatperson in einer nutzen, wenn Ihr Körper, Ihre Ge- gemeinsamen Wohnung leben, kann sundheit oder Ihre Freiheit durch eine Ihnen durch das Gewaltschutzgesetz andere Person verletzt wurde oder wenn die Wohnung überlassen werden. Dabei eine Person Ihnen dies angedroht hat. spielt es keine Rolle, wer die Wohnung Das Gewaltschutzgesetz greift auch, mietet oder besitzt. wenn jemand Sie stalkt oder unerlaubt Haben Sie den alleinigen Mietvertrag in Ihre Wohnung eindringt. Dabei spielt oder das Eigentum, geschieht die Über- es keine Rolle, in welcher Beziehung Sie lassung ohne Befristung, bei einem lau- zu der Tatperson stehen: das Gesetz gilt fenden Scheidungsverfahren kann das bis immer, egal ob Sie mit der Tatperson zum Scheidungsurteil sein. verheiratet, verpartnert, in einer Be- ziehung, verwandt oder bekannt sind. Wenn die gewalttätige Person auch im Mietvertrag steht, können Sie die Für Kinder als Opfer wird das Gewalt- Wohnung zunächst bis max. 6 Monate schutzgesetz meistens nicht angewendet. alleine nutzen. So haben Sie Zeit, in Für minderjährige Kinder, die von ihren Ruhe und Sicherheit Ihr weiteres Vor- Eltern misshandelt werden, gelten andere gehen zu klären. Vorschriften. Diese Entscheidungen werden von Familiengerichten unter Aber auch wenn Sie nicht Mieter*in oder Einbeziehung des Jugendamtes getroffen. Eigentümer*in sind, kann Ihnen für bis 20
zu 6 Monaten die Wohnung zugewiesen Welches Gericht ist zuständig? werden. Dann muss aber eine finanzielle Vergütung (z. B. Miete) an den*die Sie wenden sich grundsätzlich an Ihr Eigentümer*in oder Mieter*in gezahlt örtlich zuständiges Amtsgericht. Dort werden. Diese Frist kann noch einmal bis sind die Familiengerichte zuständig. zu 6 Monate verlängert werden. Das Gericht kann ein Kontakt- und Nähe- Die Wohnungsüberlassung müssen Sie rungsverbot oder eine Wohnungszuwei- innerhalb von drei Monaten nach der Tat sung nur dann anordnen, wenn Sie bei schriftlich von der Tatperson verlangen. Gericht einen Antrag stellen. Sie können den Antrag selbst stellen, Sie können das Wichtig zu wissen: aber auch mit der Unterstützung eines*einer Rechtsanwält*in oder einer Beratungsstel- • Die Schutzanordnungen nach dem le (siehe Adressteil) tun. Notieren Sie, wo Gewaltschutzgesetz werden befristet, Sie sich im Alltag aufhalten. Für diese Orte können aber auf Antrag verlängert können Sie auch ein Kontakt- und Nähe- werden. rungsverbot beantragen. • Auch bei Stalking können diese Es ist wichtig, bei einem Antrag oder einer Schutzanordnungen erlassen werden. Anzeige genau zu beschreiben, was, wann, • Auch wenn die Tatperson unter Al- wo, und wem womit passiert ist. In einem kohol- oder Drogeneinfluss gehandelt späteren Gerichtsverfahren können Ihnen hat, können diese Schutzanordnungen ärztliche Atteste, Zeug*innenaussagen, erlassen werden. die Dokumentation der Polizei über einen • Wenn die Tatperson gegen die Schutz- Einsatz, Fotos von Verletzungen und anordnung (einstweilige Anordnung von Zerstörungen von Eigentum, SMS, nach dem Gewaltschutzgesetz) ver- E-Mails und eigene Aufzeichnungen stößt, besteht ein Straftatbestand (Datum, Zeit, Tatort und Vorfall) helfen, nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 4 die Vorfälle zu belegen. GewSchG). Die Zuwiderhandlung Wenn Sie allein oder mit der Unterstüt- muss von Ihnen erneut bei der Polizei zung einer Beratungsstelle zu einem*einer oder Staatsanwaltschaft UND auch Anwält*in gehen und eine Wohnungs- beim zuständigen Gericht angezeigt überlassung oder ein Kontakt- und Nähe- werden. Bei Gericht stellen Sie auch rungsverbot erreichen möchten, ist das einen Antrag auf Zwangsmittel, so recht zügig möglich, meist innerhalb kann der Verstoß mit einer Geldstrafe weniger Tage. Wenn Sie kein oder ein oder mit einer Freiheitsstrafe geahndet geringes Einkommen haben, können Sie werden. Verfahrenskostenhilfe beantragen. 21
Verstöße gegen polizeiliche und ge- Falls die Polizei nicht gerufen wurde, richtliche Maßnahmen sollten generell können Sie auch selbst nach der Straftat der Polizei bzw. dem Gericht mitgeteilt Anzeige erstatten, entweder bei der werden. Wenn Ihnen nach dem Gewalt- nächsten Polizeidienststelle, im Internet schutzgesetz die Wohnung überlassen oder bei der Staatsanwaltschaft. Wenn Sie wird und sich die Tatperson noch in der eine Anzeige erstatten, dann müssen Po- Wohnung auf hält, können Sie die Tat- lizei oder Staatsanwaltschaft Ihre Anzeige person aus der Wohnung entfernen lassen. aufnehmen und ermitteln. Straf bar sind Die Schutzanordnungen und Wohnungs- z.B. Körperverletzung, Bedrohung, Ver- zuweisungen des Gerichts werden durch gewaltigung und andere Straftaten gegen Gerichtsvollzieher*innen vollstreckt. Sie die sexuelle Selbstbestimmung, Nö- können die Polizei bei der Anwendung tigung, Beleidigung, Sachbeschädigung, unmittelbaren Zwangs hinzuziehen. Hausfriedensbruch oder Nachstellungen. Straftat: Häusliche Gewalt Zum Internetanzeigenportal der Landespolizei M-V Vielen Menschen ist es gar nicht bewusst, aber: Häusliche Gewalt ist eine Straftat. Es gibt zahlreiche Straftatbestände, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt er- fordern, dass die Polizei von Amts wegen https://polizei.mvnet.de tätig wird. Häusliche Gewalt kann straf bar sein, wenn es etwa zu Schlägen, Tritten, Würgen, Vergewaltigung, Bedrohungen, Wenn Sie durch häusliche Gewalt ver- Beleidigungen, Freiheitsberaubung oder letzt wurden, ist es wichtig, die Verlet- Sachbeschädigungen kommt. zungen zu dokumentieren. Diese Beweise können bei einer Gerichtsverhandlung Wenn die Polizei in M-V wegen häuslicher wichtig werden. Die Dokumentation Gewalt gerufen wird und in der Häus- Ihrer Verletzungen lassen Sie am besten lichkeit feststellt, dass eine Straftat vorliegt, in einer Opferambulanz der Rechtsme- dann wird die Polizei Anzeige bei der dizin vornehmen. Die Opferambulanzen Staatsanwaltschaft erstatten. Die Staatsan- in Rostock, Schwerin und Greifswald waltschaft entscheidet dann, ob Anklage sind für Sie kostenfrei und unterliegen gegen die Tatperson erhoben wird. der Schweigepflicht. Alle Angaben, die Für eine Anklage werden dann Beweis- Sie dort machen, werden also vertraulich mittel gesichert und Zeug*innen be- behandelt. Ihre Verletzungen werden ge- fragt. Beweismittel sichern bedeutet, dass richtsfest und vertraulich dokumentiert z.B. Verletzungen dokumentiert werden, und in den Opferambulanzen sicher auf- SMS oder E-Mails gesichert werden bewahrt, so dass Sie später darauf zurück- oder der Zustand der Wohnung begut- greifen können. achtet wird. Befragte Zeug*innen können Freund*innen, Nachbar*innen, Bekannte oder Ihre Kinder sein. 22
Wenn Sie eine Anzeige wegen häuslicher Ihre Rechte im Strafverfahren Gewalt erstatten, werden Sie wahr- scheinlich zu einer polizeilichen Ver- Treten Sie bei Gericht nicht nur als nehmung geladen. Ihre Aussage ist be- Zeug*in auf, sondern als Nebenkläger*in, sonders wichtig, wenn es um häusliche stehen Ihnen erweiterte Rechte zu (§ 395 Gewalt oder Stalking geht. In diesen StPO). Ein*e Nebenkläger*in kann eine Fällen sind Sie wahrscheinlich der*die Person sein, die aufgrund der Schwere einzige Zeug*in, so dass es ohne Ihre der Tat besondere Rechte im Straf- Aussage schwierig ist, die Tat nachzu- verfahren eingeräumt bekommt. Als vollziehen. Zu der Vernehmung können Nebenkläger*in sollten Sie sich unbe- Sie Ihre*n Anwält*in oder eine andere dingt von einem*einer Anwält*in ver- Vertrauensperson mitnehmen. Ihr*e treten lassen, denn es können Beweisan- Anwält*in kann Sie auf die Vernehmung träge gestellt und Rechtsmittel eingelegt vorbereiten und Ihnen nach der Ver- (Berufung), Sachverständige abgelehnt nehmung Ihre Fragen beantworten. werden und einiges mehr. Es können von der Staatsanwaltschaft Nehmen Sie als Zeug*in am Strafver- aber auch unter bestimmten Umständen fahren teil, empfiehlt sich eine fachliche Weisungen und Auflagen an den*die und soziale Unterstützung vor, während Angeschuldigte*n erteilt werden. Dies und nach einer Gerichtsverhandlung. Sie kann zum Beispiel die Auflage sein, zu sollten sich von Personen Ihres Vertrauens einer Anti-Gewalt-Beratung zu gehen. oder geeigneten Beratungs- und Fach- stellen (Prozessbegleitung) zur Gerichts- Wird von der Staatsanwaltschaft weiter verhandlung begleiten lassen. Deren An- ermittelt, kann es oft längere Zeit dauern, wesenheit kann eine große Unterstützung bis nach der Strafanzeige die gericht- sein und Ihnen Sicherheit geben. liche Hauptverhandlung erfolgt. Werden Zeug*innen der Gewalttat vom Gericht 4.5 Psychosoziale geladen, müssen diese auch vor Gericht Prozessbegleitung erscheinen. Nahe Angehörige können von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Wenn Sie selbst davon Wenn Sie als Erwachsene*r schwere kör- Gebrauch machen und keine Aussage tä- perliche oder sexualisierte Gewalt erlebt tigen möchten, bedenken Sie, dass Sie oft haben und es zu einem Gerichtsverfahren der*die Hauptbelastungszeuge*in sind. kommt, haben Sie Anspruch auf psycho- Ihre Aussage ist zentral für das Strafver- soziale Prozessbegleitung. Kinder und fahren. Jugendliche, die schwere Gewalt- oder Sexualdelikte erleben mussten, haben ebenso Anspruch darauf. Psychosoziale Prozessbegleitung bedeutet, dass Sie während des Strafverfahrens von einer speziell dafür ausgebildeten Fachkraft 23
betreut und unterstützt werden. Die psy- sehr wichtig. Betroffene von Gewalt chosoziale Prozessbegleitung soll dafür können in Mecklenburg-Vorpommern sorgen, dass Sie als Betroffene*r und kostenfrei Opferambulanzen aufsuchen, Zeug*in im Strafverfahren nicht zu- sich dort untersuchen und Verletzungen sätzlich belastet werden. Das heißt auch, (auch ältere) dokumentieren lassen. Die dass die Person bei Vernehmungen und Anschriften und Notfallnummer der Op- Hauptverhandlungen anwesend sein darf. ferambulanzen finden Sie im Adressteil. Die Prozessbegleitung erklärt Ihnen die Abläufe des Strafverfahrens und steht Die Untersuchungen, die Sicherung Ihnen während des ganzen Verfahrens als von Spuren und die Interpretation der Ansprechperson zur Verfügung. Befunde gehören zu den Aufgaben der Den Antrag auf die Beiordnung einer Rechtsmedizin. Der Befund der Op- psychosozialen Prozessbegleitung müssen ferambulanzen wird vor Gericht als Be- Sie bei dem zuständigen Gericht stellen, weismittel anerkannt und hilft sowohl die Beratungsstellen unterstützen Sie bei der Überführung von Tatpersonen gerne dabei. Falls die psychosoziale Pro- als auch bei der Durchsetzung etwaiger zessbegleitung durch das Gericht beige- Schadensersatzansprüche der Betrof- ordnet wird, ist diese für Sie kostenlos. fenen. Wenn Sie Angst haben, nach der Untersuchung nach Hause zu gehen, 4.6 Medizinische und sagen Sie dies den Ärzt*innen oder dem vertrauliche Hilfe medizinischen Personal. Ihre Sicherheit und Ihr Sicherheitsgefühl sind wichtig. Sie haben Ihre*n Ärzt*in aufgesucht, weil Sie durch die Gewalt oder eine Se- Trauma-Ambulanz für Opfer xualstraftat verletzt worden sind oder von Gewalttaten unter den Folgen leiden? Hier können Sie Ihr Schweigen brechen. Wenn Sie häusliche oder sexualisierte Denn Ärzt*innen unterliegen der Gewalt erlebt haben und dadurch akut Schweigepflicht, auch gegenüber Ihren traumatisiert sind, können Sie schnelle Familienangehörigen, der Polizei und Hilfe bei einer Traumaambulanz erhalten. der Staatsanwaltschaft. Ihnen können Sie Sie können sich ohne eine Überweisung sich anvertrauen. direkt an die Traumaambulanzen wenden und erhalten dann schnellstmöglich einen Opferambulanzen der Termin. Die schnelle Hilfe soll ver- Rechtsmedizin hindern, dass Ihnen durch das Trauma längerfristige negative Folgen entstehen. In einem späteren gerichtlichen Ver- Die ersten fünf Sitzungen sind kostenfrei. fahren kann es hilfreich sein, wenn Sie Danach kann mit Unterstützung ein ärztliche Atteste als Beweis vorlegen Antrag auf Kostenübernahme beim Lan- können. Auch wenn Sie die Polizei nicht desamt für Gesundheit und Soziales M-V einbeziehen wollen, ist eine zeitnahe Un- gestellt werden. Den Link zu den Trauma- tersuchung für eventuelle spätere Schritte Ambulanzen finden Sie im Adressteil. 24
4.7 Was ist bei achten ist, dass für EU-Bürger*innen und Aufenthaltsfragen und Nicht-EU-Bürger*innen unterschied- liche Aufenthaltsrechte gelten. Asylrecht zu beachten? Straftaten, die in der Partnerschaft be- Asylverfahren gangen werden, können in Deutschland bei der Polizei angezeigt, verfolgt und Wenn Sie in einem laufenden Asylverfah- bestraft werden. Betroffene haben, unab- ren vor der Gewalt in Ihrer Familie flüch- hängig von Ihrer Staatsbürgerschaft, An- ten, können Sie meist nur in das nächste spruch auf Schutz durch die Polizei und Frauenhaus (aufgrund der Residenz- die Justiz. Egal, welche Regelungen es pflicht bzw. Wohnsitzauflage). Wenn das in Ihrem Herkunftsland gibt, es gilt bei nicht sicher genug ist, kann die Frauen- häuslicher Gewalt deutsches Recht für hausmitarbeiterin mit Ihnen die Ämter- alle, die sich legal in Deutschland auf- gänge erledigen und eine „Verlassenser- halten. laubnis“ für ein anderes Bundesland bzw. Bei Vernehmungen bei der Polizei muss die „Streichung der Wohnsitzauflage“ bei unbedingt vermieden werden, dass die der zuständigen Ausländerbehörde bean- Tatperson oder die*der die Gewalt befür- tragen. Auch die Beratungsstellen wer- wortende Familienangehörige übersetzt. den Sie bei den notwendigen Schritten Bitten Sie um eine*n unabhängige*n unterstützen. Dolmetscher*in. 4.8 Wer hilft Ihnen weiter? Lassen Sie sich unbedingt anwaltlich beraten! Alle Beratungsstellen und Frauen- häuser bieten vertrauliche, kostenfreie Sind Sie mit der Tatperson verheiratet und auf Wunsch anonyme Beratung und ist Ihr Aufenthaltsrecht an die ge- an. Sie erhalten dort umfassende soziale walttätige Person gebunden? und rechtliche Unterstützung und bei Das Ausländergesetz schreibt für solche Bedarf auch Begleitung zu Ämtern und Fälle vor, dass Sie mindestens drei Jahre Behörden. Alle Einrichtungen beraten verheiratet sein müssten, damit Sie eine geschlechtsunabhängig Personen, die unabhängige Aufenthaltserlaubnis be- Gewalt in der Partnerschaft erfahren. kommen. Es besteht aber die Mög- Allein die Unterbringung in einem Frau- lichkeit, nach §19 Abs. 1, Satz 1, Nr. 2 enhaus ist Frauen und ihren Kindern vor- Ausländergesetz eine „besondere Härte“ behalten. geltend zu machen. Sie müssen dafür alle Sie entscheiden bei allen Angeboten Verletzungen von Ärzt*innen beschei- selbst, ob und welche Hilfe Sie möchten nigen lassen (siehe Adressteil zur Rechts- und was Sie im Moment benötigen. Die medizin / Befunddokumentation). Sie Kontaktdaten und Telefonnummern der sollten alle Beweise und Schutzanord- Einrichtungen in Ihrer Nähe finden Sie nungen nach dem Gewaltschutzgesetz im Adressteil. der Ausländerbehörde vorlegen. Zu be- 25
Frauenhäuser Beratungsstellen für Betroffene häuslicher Gewalt Wenn Sie vor häuslicher Gewalt fliehen müssen und eine geschützte Unterkunft Neben den Frauenschutzhäusern können für sich und Ihre Kinder suchen, können Sie sich auch bei längerfristigem Bedarf Sie sich an ein Frauenhaus wenden. Diese oder zurückliegender Gewalt an die Be- Möglichkeit haben Sie auch, wenn Sie trotz ratungsstellen für Betroffene häuslicher polizeilicher Maßnahmen oder gerichtli- Gewalt wenden. cher Anordnung weiter bedroht werden. Die Beratungsstellen sind mobile, ambu- lante Hilfseinrichtungen für Betroffene Frauenschutzhäuser können Sie 365 Tage häuslicher Gewalt und deren Angehörige. im Jahr rund um die Uhr erreichen. Sie können die Beratung anonym am Tele- Die Adressen sind anonym. Die Kontakt- fon, persönlich in der Beratungsstelle oder aufnahme geschieht telefonisch. an einem von Ihnen ausgewählten Ort in Anspruch nehmen. Die Beratung erfolgt Die Mitarbeiterin des Frauenhauses ver- vertraulich und unabhängig von Ihrer Reli- einbart einen Treffpunkt mit Ihnen. gion, Ihrem Herkunftsland oder Status. Auch die Polizei unterstützt Sie, wenn Sie erhalten dort Beratung zu Ihren Si- Sie in einem Frauenhaus Zuflucht suchen cherheitsfragen und dem Schutz Ihrer müssen. Familienangehörigen. Die Beraterin in- Im Frauenhaus werden Frauen und ihre formiert Sie über Ihre Rechte nach dem Kinder aufgenommen. Sie leben dort Gewaltschutzgesetz und es werden Ihnen einige Tage oder auch mehrere Monate Möglichkeiten aufgezeigt, wie es Ihnen mit anderen Frauen zusammen und gelingen kann, sich aus der Gewaltbe- führen ein selbstbestimmtes Leben. ziehung zu lösen. Die Mitarbeiterinnen beraten Sie bei Bei Bedarf erhalten Sie Informationen allen weiteren Schritten. Sie können zu Möglichkeiten der Existenzsicherung selbst entscheiden, wofür und wie lange nach einer Trennung. Sie diese Unterstützung benötigen. Für Die Beraterinnen begleiten Sie auch zu den die Unterbringung fällt eine Nutzungs- entsprechenden Ämtern und Behörden. gebühr an, die bei geringem oder keinem In Fällen besonderer Gefährdung sucht Einkommen durch das Jobcenter oder das die Beraterin mit Ihrem Einverständnis Sozialamt übernommen wird. Kontakt zu einem Frauenhaus, um eine Wenn Sie in einer gewaltbelasteten Le- sichere Unterbringung für Sie und Ihre benssituation sind und sich noch nicht Kinder zum schnellstmöglichen Zeit- entschieden haben, was für Sie der punkt zu ermöglichen. Auf Wunsch be- richtige Weg ist, bieten Ihnen die Mit- gleitet Sie die Beraterin in das jeweilige arbeiterinnen auch eine ambulante Be- Frauenhaus. ratung außerhalb des Frauenhauses an. 26
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