Schule und Cannabis Regeln, Massnahmen und Früherfassung
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Institut Kinder- und Jugendhilfe Schule und Cannabis Regeln, Massnahmen und Früherfassung Kurzbericht zur Evaluation des Präventions- und Früherfassungsprogramms in Basler Schulen Februar 2006 Carlo Fabian, Olivier Steiner und Jutta Guhl Institut Kinder- und Jugendhilfe Thiersteinerallee 57 T +41 61 337 27 48 carlo.fabian@fhnw.ch 4053 Basel F +41 61 337 27 95 www.fhnw.ch
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 2 Abstract Inhaltsverzeichnis Das Programm ʹSchule und Cannabis. Regeln, 1 Programm und Evaluation 'Schule und Cannabis' 3 Massnahmen und Früherfassungʹ des Erzie‐ hungsdepartements Basel‐Stadt richtete sich an 2 Ergebnisse 4 alle 40 Sekundarschulen I und II des Kantons. 2.1 Die fünf Hauptziele des Programms 'Schule und Cannabis': Zielerreichung 4 Das Institut Kinder‐ und Jugendhilfe der Hoch‐ 2.2 Förderliche und hemmende Faktoren schule für Soziale Arbeit Fachhochschule Nord‐ bei der Implementierung des Programms 'Schule und Cannabis' 6 westschweiz (ehemalige Hochschule für Pädago‐ 2.2.1 Pflicht vs. Freiwilligkeit 6 gik und Soziale Arbeit beider Basel) hat das Pro‐ 2.2.2 Top down vs. bottom up 7 gramm evaluiert. Es wurden verschiedene quali‐ 2.2.3 Partizipation vs. Fremdbestimmung 8 2.2.4 Cannabisorientierung vs. tative und quantitative Erhebungen durchge‐ Gefährdungsorientierung 9 führt, die den Prozess und die Programmwirk‐ 2.2.5 Primärprävention vs. Sekundärprävention 9 lichkeit dokumentieren sollen. Die Ergebnisse 2.2.6 Bildungsauftrag vs. zeigen, dass an einzelnen Schulen durchaus ge‐ Erziehungsauftrag 10 2.2.7 Punktuelles Projekt vs. langfristige wisse schulhausspezifische Programmziele, ins‐ Ausrichtung 10 besondere die Entwicklung einer pädagogischen 2.2.8 Abschliessendes Fazit 11 Haltung und einer Cannabis‐Regelung, z.T. auch 2.3 Ausblick und Modell 11 der Einbezug der Eltern und die Zusammenar‐ 3 Literatur 12 beit mit Fachstellen umgesetzt und teilweise er‐ reicht werden konnten. Gemessen am Auftrag des Erziehungsdepartements, ʹSchule und Can‐ nabisʹ an allen Schulen umzusetzen, muss u.E. dennoch festgehalten werden, dass insgesamt das Programmziel nicht erreicht werden konnte. Gleichzeitig soll betont werden, dass ein Teil der Schulen die schulhausspezifischen Ziele erreicht Beim vorliegenden Text handelt es sich um eine hat oder ein entsprechender Prozess in Gang ge‐ Kurzfassung des Berichtes ʹSchule und Cannabis. setzt werden konnte. Der vorliegende Evaluati‐ Regeln, Massnahmen und Früherfassungʹ: Fabi‐ onsbericht stellt die Ergebnisse dar und disku‐ an, C., Steiner, O., Guhl, J. (2006), Schule und Can‐ tiert förderliche und hemmende Faktoren, die nabis. Regeln, Massnahmen und Früherfassung, In‐ auch für die Entwicklung von ähnlichen Sucht‐ stitut Kinder‐ und Jugendhilfe, Fachhochschule präventions‐ und Früherkennungskonzepten von Nordwestschweiz. Bedeutung sind.
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 3 1 Programm und Evaluation 'Schule lichkeit dokumentieren sollen. Dabei wurden die und Cannabis' Perspektiven der zentralen Akteure (Verantwort‐ liche Person jeder Schule (Schlüsselpersonen), Ausgehend vom baselstädtischen ʹKantonalen Lehrer/innen, Eltern, Schüler/innen, Fach‐ Cannabis‐Berichtʹ (2004), in welchem die aktuelle personen) berücksichtigt. Cannabisproblematik bei den Jugendlichen auf‐ gezeigt wurde, lancierte das kantonale Erzie‐ Die Evaluation hatte zum Ziel, auf der Prozess‐ hungsdepartement des Kantons Basel Stadt 2004 und der Ergebnisebene Fragen zum Programm das Programm ʹSchule und Cannabis. Regeln, zu beantworten. Einerseits galt es, zur Umset‐ Massnahmen, Früherfassungʹ (kurz ʹSchule und zung und Erreichung der oben genannten Pro‐ Cannabisʹ). Die Hauptziele waren: (1) Der Can‐ grammziele Aussagen zu machen, andererseits nabiskonsum der Schüler und Schülerinnen der ging es darum festzuhalten, ob es für das Pro‐ Sekundarschulen I und II in Basel soll gemindert gramm förderliche oder hemmende Faktoren gab werden. (2) Bei gefährdeten Schülern und Schü‐ und welche das waren. Für die Beantwortung lerinnen sowie bei Risikokonsum soll im Sinne dieser Fragen wurde ein multimethodischer An‐ der Früherfassung gehandelt werden. Zielgruppe satz gewählt. des Programms waren alle 40 Schulen der Se‐ In allen Schulen wurde eine Erfassung der Ereig‐ kundarstufe I und II. nisse, die in Zusammenhang mit dem Programm Um die genannten Hauptziele erreichen zu kön‐ standen, durchgeführt (Informationsveranstal‐ nen, wurden fünf Umsetzungsziele formuliert. tungen, Elternabende, Workshops, Vorbereitende Diese Ziele sollten von jeder einzelnen Schule er‐ Sitzungen, Verabschiedung Cannabis‐Regelung reicht werden: (1) Entwicklung einer pädago‐ etc.). Der Rücklauf der Erfassungsdokumente gischen Haltung der Lehrpersonen; (2) Erstellung war weniger hoch als erwartet (71%), sodass die einer Cannabis‐Regelung; (3) Integration in den Beschreibung der Umsetzung des Programms Unterricht; (4) Stärkung der Elternfunktion; Lücken aufweist. Aufgrund diverser Hinweise (5) Kooperation mit externen Fachstellen. Auf stellte sich nachträglich heraus, dass auch Schu‐ Anfrage war ein gewisser Support seitens der len, die uns keine Angaben über Aktivitäten ge‐ Fachstellen möglich. Für die Umsetzung der Zie‐ macht hatten, vermutlich doch einiges unter‐ le, das Einbringen des Programms in die Schulen, nommen hatten. Weshalb sie in diesem Fall bei die Organisation der Zusammenarbeit in den der Evaluation nicht mitgemacht haben, bleibt Kollegien und die Organisation der Schritte offen. musste jede Schule eine Schlüsselperson bestim‐ Für die vertiefenden Erhebungen (Lehrer/innen, men. Die Schlüsselpersonen waren erste An‐ Schüler/innen, Eltern) wurden sechs Schulen sprechpersonen für das Auftrag gebende Erzie‐ ausgewählt; drei, welche laut Erfassung der Ak‐ hungsdepartement und Auskunftspersonen für tivitäten im Rahmen des Programms viel ge‐ die Evaluation. macht hatten, und drei, die nur wenig oder nichts Das Institut Kinder‐ und Jugendhilfe der Hoch‐ gemacht hatten. Mittels Fragebogen, wurden je schule für Soziale Arbeit Fachhochschule Nord‐ eine Auswahl Lehrer/innen (n=88, 32% Rücklauf), westschweiz (ehemalige Hochschule für Pädago‐ Eltern (n=44, 40% Rücklauf) und Schüler/innen gik und Soziale Arbeit beider Basel) hat das Pro‐ (n=211) sowie mittels qualitativer Interviews in‐ gramm evaluiert. Es wurden verschiedene quali‐ terne und externe Expert/innen (n=9) befragt. tative und quantitative Erhebungen durchge‐ führt, die den Prozess und die Programmwirk‐
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 4 2 Ergebnisse ckelt, Lehrer und Lehrerinnen einbezogen und Eltern informiert. 2.1 Die fünf Hauptziele des Programms 'Schule und Cannabis': Zielerreichung 2. Ziel: ʹDas Kollegium erstellt eine Cannabis‐ Regelung und wendet sie an. Die Regelung ist von 1. Ziel: ʹDie Kollegien der einzelnen Schulen ha‐ der Schulleitung autorisiert und wird spätestens ben eine pädagogische Haltung entwickelt, wie ab 2005 für die Schüler /innen angewendet.ʹ Schülerinnen und Schülern zum Thema Cannabis begegnet werden soll. Eine pädagogische Haltung Ergebnisse: Nur ein kleiner Teil der Schulen wurde verabschiedet, vorgestellt und mit allen (schätzungsweise ein Viertel) hat eine Cannabis‐ Akteuren besprochen.ʹ Regelung entwickelt. Rund die Hälfte der ant‐ wortenden Lehrer/innen hat angegeben, dass an Ergebnisse: Nur ein kleiner Teil der Schulen ihrer Schule eine Cannabis‐Regelung entwickelt (schätzungsweise ein Viertel) hat eine pädagogi‐ worden sei. 1 Ernüchternd scheint uns jedoch, sche Haltung entwickelt oder gar verabschiedet. dass über die Hälfte dieser Lehrer/innen meinte, Die Lehrer/innen haben zur Frage, ob die Schule dass die Regelung nicht konsequent angewendet eine Haltung entwickelt habe oder nicht, sehr in‐ werde. Rund ein Drittel der Eltern gab an, die konsistent geantwortet. Einige gaben an ja, ande‐ Regelung der Schule zu kennen. Etwa die Hälfte re nein, ein Teil wusste es nicht. Auch wussten der Schüler/innen gab an, eine solche Regelung nur wenige Eltern über eine Haltung der Schule zu kennen. Nur ein Drittel dieser Schüler/innen Bescheid. Es ist deshalb zu vermuten, dass ein meinte, die Regelung werde auch konsequent noch geringerer Teil der Eltern bei der Entwick‐ angewendet. Die anderen verneinten dies resp. lung der pädagogischen Haltungen involviert wussten es nicht. war. U.E. stellen sich Fragen auf der Prozessebe‐ ne (Umsetzung, Partizipation, Kommunikation). Schlussfolgerungen: Gemessen am Programmziel, Ein Zusammenhang dieser Ergebnisse mit den dass jede Schule eine Cannabis‐Regelung entwickelt Aktivitäten in den Schulen, die im Rahmen der haben muss und diese ab Anfang 2005 den Schü‐ Zielerreichung des Programms ʹSchule und Can‐ ler/innen und Eltern kommuniziert werden sollte, nabisʹ durchgeführt wurden, wie beispielsweise muss festgehalten werden, dass u.E. das Ziel nicht er‐ Sitzungen zum Thema, Entwicklung einer päda‐ reicht werden konnte. Andererseits haben wir auch gogischen Haltung, Verabschiedung der Hal‐ bezüglich des Programmziels Cannabis‐Regelung fest‐ tung, erwies sich aufgrund der schlechten Rück‐ stellen können, dass einzelne Schulen aktiv waren, laufquote und damit lückenhaften Datenlage als Regelungen entwickelt und eingeführt wurden. Auch nicht möglich. hier muss festgehalten werden, dass punktuell, in ein‐ Schlussfolgerungen: Gemessen am Programmziel, zelnen Schulen das Umsetzungsziel erreicht werden dass jede Schule im Kollegium und in Zusammenar‐ konnte. beit mit den Eltern eine pädagogische Haltung entwi‐ ckelt und verabschiedet und diese allen Akteuren kommuniziert, muss festgehalten werden, dass das Ziel nicht erreicht werden konnte. Gleichzeitig muss festgehalten werden, dass einzelne Schulen durchaus 1 Diese scheinbare Diskrepanz zwischen Schulen und Leh‐ sehr aktiv waren und einiges umgesetzt haben. Ein‐ rer/innen lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass die Hälfte der befragten Lehrer/innen aus Schulen mit einer ho‐ zelne Schulen haben pädagogische Haltungen entwi‐ hen Aktivitätsdichte im Rahmen des Programms sind, und diese vermutlich auch eine Regelung entwickelt haben.
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 5 3. Ziel: ʹDas Kollegium integriert die Cannabis‐ ob es die offizielle Haltung der Schule sei. Die prävention in den Unterricht. Das Thema Canna‐ Cannabis‐Regelung zu kennen oder davon ge‐ bis ist im Unterricht im Sinne des Programms be‐ hört zu haben, gab rund ein Drittel der Eltern an. arbeitet.ʹ Schlussfolgerungen: Gemessen am formulierten Pro‐ Ergebnisse: Ein Drittel der Lehrer/innen meinte, grammziel, die Eltern bei Entwicklungsprozessen zum dass Prävention und Früherfassung Teil ihrer Aufgabe als Pädagogen und Pädagoginnen sei. Thema Cannabis partizipieren zu lassen, muss fest‐ Rund die Hälfte meinte ʹzum Teilʹ und jede zehn‐ gehalten werden, dass u.E. das Ziel nur zum Teil er‐ te Lehrperson meinte, dies sei nicht ihre Aufgabe. reicht werden konnte. Analog zu den Zielen 1 und 2 Lehrpersonen der Orientierungsschulen sehen kann aber festgehalten werden, dass einige Schulen, in Prävention häufiger als ihre Aufgabe als solche denen Haltungen und Regelungen eingeführt wurden, älterer Schulstufen. Trotz dieser Haltung haben auch die Eltern, zumindest ein Teil von ihnen, invol‐ zwei Drittel der Lehrpersonen Cannabis schon viert resp. informiert wurden. zumindest einmal im Unterricht angesprochen. Zwei Drittel der Schüler/innen gaben an, dass 5. Ziel: ʹSchulnahe Unterstützungssysteme werden Cannabis im Verlauf des Schuljahres mindestens bei problematischem Cannabiskonsum zur Ent‐ einmal thematisiert wurde. wicklung anschlussfähiger Lösungen genutzt. Schlussfolgerungen: Angesichts der verbreiteten Hal‐ Schüler/innen werden bei Bedarf motiviert, die Angebote zu nutzen, insbesondere das Projekt tung der Lehrer/innen, dass Prävention nur bedingt ʹRealize itʹ.ʹ ihre Aufgabe sei, haben u.E. trotzdem viele das Thema in den Unterricht integriert. Diese Wahrnehmung Ergebnisse: Ein grösserer Teil der Lehrer und wird auch von den Schüler/innen bestätigt. In wel‐ Lehrerinnen meinte zu wissen, an wen man sich im Bedarfsfall wenden kann. Ein Drittel gab an, chen Kontext diese Unterrichtssequenzen eingebettet das neue Projekt ʹRealize itʹ zu kennen resp. da‐ waren und wie eingehend sie tatsächlich waren, wis‐ von gehört zu haben. Jugendliche auf das Ange‐ sen wir nicht. Dennoch bleibt als positiv festzuhalten, bot hingewiesen haben aber nur einzelne. Fach‐ dass Cannabis scheinbar kein Tabuthema ist und von stellen haben punktuell bei Elternabenden oder den Lehrpersonen angesprochen wird. Informationsveranstaltungen mitgewirkt. Das wurde insbesondere von Eltern in der Regel posi‐ 4. Ziel: ʹDie Funktion der Eltern wird gestärkt, in‐ tiv gewertet. Ein Einbezug von Fachpersonen bei dem die Eltern in das Programm einbezogen wer‐ der Entwicklung der pädagogischen Haltungen den. Eltern sind über Cannabis informiert, entwi‐ oder Cannabis‐Regelungen hat unseres Wissens ckeln eine mit der Lehrerschaft abgestimmte Hal‐ kaum stattgefunden. tung und unterstützen die Schulhausregelung.ʹ Schlussfolgerungen: Gemessen am Programmziel, mit Ergebnisse: Ein knappes Drittel der Eltern gab dem Unterstützungssystem zusammenzuarbeiten, an, von der Schule zum Thema Cannabis infor‐ muss festgehalten werden, dass u.E. das Ziel nur zum miert worden zu sein. Entsprechend gering war Teil erreicht werden konnte. Punktuell wurden Fach‐ nach eigener Auskunft die Anzahl der Leh‐ personen beigezogen, anzahlmässig war ihre Beteili‐ rer/innen, die im Verlauf des Schuljahres in Kon‐ takten mit Eltern das Thema Cannabis themati‐ gung aber zu gering. Dass das Projekt ʹRealize itʹ siert haben. Gut die Hälfte der Eltern gab ausser‐ evtl. noch wenig bekannt war und nur wenige Schü‐ dem an, die pädagogische Haltung der Schule zu ler/innen dorthin verwiesen wurden, hat vermutlich kennen. Nicht immer waren sie sich aber sicher, einerseits mit der erst kurzen Existenzzeit des Ange‐
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 6 botes zu tun und andererseits damit, dass tatsächlich 2.2 Förderliche und hemmende Faktoren nur ein kleiner Prozentsatz der Jugendlichen eine po‐ bei der Implementierung des Pro- gramms 'Schule und Cannabis' tenzielle Zielgruppe von ʹRealize itʹ ist. In diesem Kapitel stellen wir Faktoren dar, die wir als entscheidend für das Gelingen resp. Fazit Zielerreichung Nichtgelingen der Umsetzung und Erreichung Gemessen am Auftrag des Erziehungsdeparte‐ der Programmziele erachten. Es sind Punkte, die ments, dass alle Schulen der Sekundarstufen I sich auf die Programmebene oder auf die Schule‐ und II die fünf oben genannten Ziele umsetzen ebene beziehen. Die Faktoren haben wir als Ge‐ mussten, und insbesondere eine pädagogische gensatzpaare dargestellt. Diese Punkte gilt es u.E. Haltung und eine Cannabis‐Regelung entwickeln bei der Planung und Umsetzung von Program‐ und einführen sollten, muss festgehalten werden, men oder Projekten kontextspezifisch zu berück‐ dass u.E. die Ziele nicht erreicht werden konnten. sichtigen. Wir verstehen diese Aspekte als Dis‐ Einzelne Schulen resp. einzelne Schlüsselper‐ kussionspunkte. Diese Faktoren sind abgeleitet sonen haben aber durchaus einiges in Bewegung aus den Ergebnissen der Evaluation, aus theoreti‐ gesetzt, wichtige Prozesse initiiert und so einige schen Überlegungen und aus Informationen zu Ziele für ihre Schule umsetzen und erreichen aktuellen, ähnlichen Projekten resp. Projekten mit können. Die Frage stellt sich, warum das in eini‐ ähnlichen Zielsetzungen. gen Schulen gut funktioniert hat, in vielen aber Die einzelnen Diskussionspunke werden mit nicht. Mit den Ausführungen im folgenden Kapi‐ Empfehlungen abgeschlossen. tel ʹFörderliche und hemmende Faktoren bei der Implementierung des Programms ʹSchule und 2.2.1 Pflicht vs. Freiwilligkeit Cannabisʹʹ sollen die aus der Sicht der Evaluation relevanten Punkte eingehender herausgearbeitet Die Teilnahme am Programm ʹSchule und Can‐ werden. nabisʹ wurde vom Erziehungsdepartement zur Die Fragen in den verschiedenen Erhebungen Pflicht erklärt. Mit der Verpflichtung sollte er‐ nach den Wirkungen des Programms zeigen, reicht werden, dass die Umsetzung der Ziele und dass einerseits einige Lehrer/innen und Eltern entsprechenden Schritte flächendeckend in den angaben, sich sicherer im Umgang mit der The‐ Schulen der Sekundarstufe I und II angegangen matik zu fühlen, auch zeigte sich, dass einige, v.a. wird. Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass jüngere Schüler/innen durch die Bearbeitung des diese Pflicht nicht erfüllt werden konnte. Es Themas eine kritischere Haltung zu Cannabis scheint vielmehr, als ob das persönliche Interesse entwickeln konnten. Das ist als positiv zu werten und Engagement einzelner Lehrpersonen resp. und zeigt, dass durchaus Möglichkeiten da sind, Schlüsselpersonen oder auch der Schul‐ die verschiedenen Beteiligten bei Fragen rund (haus)leitungen wichtige Faktoren sind, was und um Sucht oder Prävention zu unterstützen. An‐ wie viel in den einzelnen Schulen oder einzelnen dererseits sind Schlüsselpersonen und Fachleute Klassen für das Programm tatsächlich geleistet eher skeptisch, ob ‐ gemessen am Ziel der Um‐ wurde. Das Programm ʹSchule und Cannabisʹ setzung in allen Schulen ‐ durch das Programm hatte jede Schule verpflichtet, eine verantwortli‐ viel erreicht werden konnte. che Person für das Programm zu stellen. Diese Schlüsselpersonen haben die Aufgabe auch mit entsprechend unterschiedlichen Motivationen angetreten. Die Motivation wurde unter anderem
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 7 durch die spezifischen Fachkenntnisse, hier zu 2.2.2 Top down vs. bottom up den Themen Prävention, Früherfassung und Das Programm ʹSchule und Cannabisʹ wurde als Cannabis sowie die Organisations‐ und Kommu‐ kantonales Projekt mit verpflichtendem Cha‐ nikationskompetenzen für diese Themenbereiche rakter an alle Schulen der Sekundarstufe I und II beeinflusst. Nicht zuletzt scheint die geringe Ak‐ von Basel‐Stadt delegiert. Damit verfolgte das tivität an vielen Schulen auch eine Ressourcen‐ Programm ein ausgeprägtes Top‐down‐Vor‐ frage gewesen zu sein. gehen. Eine Partizipation der Schulleitungen an der Programmstrukturentwicklung war zwar Empfehlung vorgesehen, diese Möglichkeit wurde jedoch laut Modelle, die Schulen oder Schulleitungen und Lehr‐ Auskunft ED wenig genutzt. Eine gewisse Parti‐ personen dazu verpflichten, kurzfristige Präventions‐ zipation der Lehrer/innen und Eltern war in den projekte in ihren Schulen umzusetzen, sind zu ver‐ Zielen formuliert, beschränkte sich aber auf ein‐ meiden. Aufgaben in den Bereichen Gesundheitsförde‐ zelne Umsetzungsschritte (Entwicklung pädago‐ rung und Prävention, also Aufgaben, die über den ge‐ gische Haltung, Cannabis‐Regelung). Dieses Top‐ nuinen Bildungsauftrag hinausgehen, sind längerfris‐ down‐Vorgehen hat auf der Ebene der Schulen tig zu planen und als Teil der Schule zu implementie‐ (Schlüsselpersonen und Lehrerschaft) mitunter ren. Insbesondere wenn diese Aufgaben kurzfristig Ablehnung und Widerstand gegen das Pro‐ und einmalig sind und nicht in einen grösseren Kon‐ gramm ausgelöst. Moniert wurde, dass vorgän‐ text gestellt werden, ist es schwierig, genügend Reso‐ gig keine Bedürfnis‐ und Bedarfsabklärung 3 an den einzelnen Schulen stattgefunden habe, um so nanz zu finden. Anzustreben sind Modelle, die länger‐ das Programm situativ anpassen zu können. Die fristig, themenübergreifend und integrierend an die‐ Erhebung bei den Lehrer/innen hat gezeigt, dass sen Themen arbeiten. Entsprechend sollten die Lehr‐ durchaus Bedürfnisse da sind. Diese unterschie‐ personen für diese Aufgaben vorbereitet werden. Die den sich aber zwischen den verschiedenen Schu‐ nötigen Ressourcen in den Schulen sollten bereitge‐ len. stellt werden (vgl. auch Kap. 2.2.5). Ein entsprechen‐ Vermutlich wäre ein Bottom‐up‐Vorgehen nur der Auftrag soll an interessierte Lehrpersonen gehen. für eine bestimmte Auswahl an Schulen das ge‐ Vermutlich lassen sich nur so Engagement und Moti‐ eignete Vorgehen, denn Bottom‐up‐Prozesse ver‐ vation finden. Dieser Ansatz ist nicht neu, z.B. lässt langen mehr Eigeninitiative. Das Top‐down‐ er sich in den Programmen ʹGesundheitsfördernde Vorgehen wiederum ist bei einigen Schulen Schulenʹ finden, an denen auch einige Basler Schulen durchaus auf fruchtbaren Boden gefallen, näm‐ teilnehmen. Aktuell ist der Ansatz des Bundesamtes lich dort, wo bereits ein Problembewusstsein für Gesundheit, das im Rahmen der Weiterbildung existiert hat oder Probleme mit Cannabis bereits ʹProzessorientierte Einführung von Früherkennung und Frühintervention an Schulenʹ, welche von der Im Weiteren bahnt sich im Kanton Thurgau zurzeit ein ähn‐ Hochschule für Soziale Arbeit in Luzern angeboten liches Projekt an. Auch dort sollen eine Haltung entwickelt und eine Regelung eingeführt werden. Angestrebt wird, wird, in Form von externen Fachexperten/innen Res‐ dass möglichst viele Schulen der Oberstufe mitmachen. Die sourcen zu Verfügung stellt. 2 Teilnahme ist fakultativ. Die Evaluationen dieser Projekte werden zeigen, ob durch den fakultativen Ansatz mehr, weniger oder gleich viele 2 Teil dieser Fortbildung für Fachpersonen im Präventionsbe‐ Schulen an den jeweiligen Programmen teilnehmen, in wel‐ reich ist, dass sie sich verpflichten, über den Zeitraum von cher Intensität sie das tun und wie die Umsetzung gelingt. 3 Bedarf: handfeste Daten für ein Präventionsprojekt vor Ort zwei Jahren mit einer Schule zusammenzuarbeiten, schul‐ hausspezifische Projekte und Unterstützungsmassnahmen sind gegeben (objektive Sicht); zu entwickeln. Schulen nehmen fakultativ am Programm Bedürfnisse: Prävention als Anliegen der Beteiligten (subjek‐ teil. tive Sicht).
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 8 virulent waren. Dies trifft insbesondere auf die ne die konkrete Bedarfssituation der einzelnen höheren Altersstufen zu. Immerhin hat das Top‐ Schulen zu berücksichtigen. Hier wurden auch down‐Vorgehen an einzelnen Schulen dazu ge‐ fehlende Partizipationsmöglichkeiten der Schu‐ führt, dass im Kollegium über das Thema – auch len an der Ausgestaltung der Struktur des Prä‐ kontrovers – diskutiert wurde. ventionsprogramms moniert. Die Ergebnisse der Lehrer/innenbefragung zei‐ Empfehlung gen, dass die Wahrnehmung der Lehrerschaft Ein Top‐down‐Vorgehen kann durchaus sinnvoll sein, bezüglich der Frage, ob ihre Schule eine pädago‐ wenn Elemente der Prävention breit und gleichartig gische Haltung entwickelt hat, sehr heterogen ist. verbreitet werden sollen. Allerdings ist es gerade im Für die Evaluation stellte sich die Frage, inwie‐ Setting Schule notwendig, die Lehrerschaft zur Mit‐ fern die Lehrerschaft in den Prozess der Entwick‐ wirkung zu motivieren, was sich aufgrund der oft feh‐ lung einer Haltung einbezogen wurde. Eine Par‐ lenden Ressourcen und des schwelenden Konfliktes tizipation an diesen Prozessen scheint nur in ei‐ zwischen Bildungs‐ und Erziehungsauftrag oft nigen Fällen stattgefunden zu haben. Kaum in die Entwicklung einer pädagogischen Haltung schwierig gestaltet. Gerade deshalb ist eine ʹBasismo‐ einbezogen wurden schliesslich Schüler/innen bilisierungʹ in der Schule Voraussetzung für den und Eltern, obwohl die Einbindung letzterer als langfristigen Erfolg von Präventionsmassnahmen. Ein Programmziel definiert war. Lehrerschaft, Eltern Top‐down‐Vorgehen sollte aber durch Begleitmass‐ und Schüler/innen sind, wenn überhaupt, erst nahmen unterstützt werden. Insbesondere geht es um über die definitiven pädagogischen Haltungen das Zur–Verfügung‐Stellen von Zeit‐ und Fach‐ und Cannabis‐Regelungen informiert worden. ressourcen (vgl. dazu auch Kap. 2.2.5). Ein Top‐ down‐Vorgehen kann u.E. durch die Beachtung parti‐ Empfehlung zipativer Elemente ein wählbares Vorgehen sein. ʺBei Partizipation an der Ausgestaltung von Präventions‐ jedem Projekt ist es unabdingbar, bereits vorhandene programmen ist nach Frehner (2005, S. 24ff) eine Aktivitäten zu eruieren und den Ist‐Zustand gründ‐ Grundbedingung für deren Erfolg. Frehner bezieht lich darzulegen. Gleichzeitig müssen die Bedürfnisse sich in erster Linie auf Projekte mit und von Jugendli‐ (d.h. Sekundärprävention als Anliegen der Beteilig‐ chen. Dieser Grundsatz kann und soll aber auch auf ten) geklärt werden. Ein partizipatives Vorgehen bei komplexere Programme übertragen werden, wo nicht der Eruierung der Bedürfnisse ist wichtig, bestehende nur Jugendliche, sondern auch weitere Akteure wie Akteure müssen eingebunden werden.ʺ (zit. nach Fa‐ Lehrpersonen und Eltern angesprochen sind. Von Sei‐ bian, Nowacki, Pfister & Zobel, 2004). 4 ten der Evaluation kann diese Aussage bestätigt wer‐ den. Der Einbezug der Bedürfnisse der Lehrerschaft, 2.2.3 Partizipation vs. Fremdbestimmung die Motivierung zur Mitwirkung an und zur Mitges‐ taltung von präventiven Massnahmen steigert die Ak‐ Die Interviews mit externen Fachpersonen und zeptanz von Präventionsprogrammen im Setting Schlüsselpersonen haben deutlich gemacht, dass die Implementierung des Programms z.T. auf Schule: ʺWeiter gilt jedoch – und nicht nur für die Ablehnung gestossen ist, da ein generalisierter Schule –, dass ein Regelwerk dann am wirkungsvolls‐ Auftrag an die Schulen delegiert worden ist, oh‐ ten ist, wenn alle beteiligten Personen in dessen Ent‐ stehungsprozess einbezogen werden.ʺ (zit. nach Jordi, 4 Obwohl sich die zitierte BAG‐Expertise auf das Setting ʹGe‐ 2002, S. 3). meindeʹ bezieht, ist der Ansatz u.E. auf das Setting Schule übertragbar.
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 9 2.2.4 Cannabisorientierung vs. Gefährdungs- tegration sich gegenseitig beeinflussender – auch aus‐ orientierung serhalb des Suchtbereichs wirkender – Faktoren. Cannabis‐ vs. Gefährdungsorientierung könnte man auch ersetzen durch das Begriffpaar Dro‐ 2.2.5 Primärprävention vs. Sekundärprävention genprävention vs. Suchtprävention. Das Pro‐ Primäre Prävention (heute auch mit dem Begriff gramm ʹSchule und Cannabisʹ fokussiert primär der universellen Prävention bezeichnet) und se‐ die Droge Cannabis. Von verschiedenen Seiten kundäre Prävention (heute auch mit den Begrif‐ wurde erklärt 5 , dass nicht nur Cannabis themati‐ fen Früherfassung und Frühintervention resp. siert, sondern der Ansatz breiter gefasst werden selektive und indizierte Prävention bezeichnet) 7 , sollte. Ob das in diesem Sinne aufgenommen sind nicht gleichzusetzen. Obwohl die konkreten wurde, bleibt offen, ist aber nicht unbedingt an‐ Methoden z.T. ähnlich sind (Information, Sensibi‐ zunehmen. Franzkowiak skizziert, wie sich die lisierung, Aufzeigen von Alternativen etc.), sind Prävention von einer Substanz‐ und Gefahren‐ die Zielgruppen nicht die gleichen und es wer‐ orientierung hin zu einer Suchtorientierung und den nicht dieselben Ziele verfolgt. Die universelle in diesem Sinne hin zu Risikoalternativen, Kom‐ Prävention will ein disperses Publikum errei‐ petenz‐ und Widerstandsorientierung und Res‐ chen, die selektive und indizierte Prävention via sourcenstärkung entwickelt hat (vgl. Franzkowi‐ Früherfassung und Frühintervention Personen, ak, 2002; Franzkowiak & Sabo, 1999; Sting & die über bestimmte Merkmale oder Zugehörig‐ Blum, 2003, S. 15ff). Das Programm ʹSchule und keiten zu Risikogruppen 8 definiert und auch Cannabisʹ beinhaltet in der Anlage eher Aspekte identifiziert werden können. der erwähnten Suchtprävention. Durch die the‐ matische Fokussierung hingegen wird die Auf‐ Empfehlung merksamkeit auf die Drogenprävention gerichtet. Für ein Programm ist es u.E. unerlässlich, eine Fokus‐ Aktuelle Programme versuchen in der Regel eher breiter angelegte Ansätze zu vertreten und spre‐ sierung auf einen Aspekt anzustreben. Falls ein um‐ chen von einer ʹGefährdungʹ oder ʹBelastungʹ, fassendes Programm wie ʹSchule und Cannabisʹ vor‐ mitunter von einer ʹRisikosituationʹ. Dabei sollen gesehen ist, welches beide Aspekte betont, wäre es u.E. verschiedenartige Faktoren auch über den Sucht‐ wichtig, die einzelnen Schritte und Ziele so zu klären bereich hinaus berücksichtigt werden. 6 und zu definieren, dass klar ist, wozu sie dienen. Es sollte also geklärt werden, welchem Präventionsziel Empfehlung die einzelnen fünf Ziele des Programms zuzuordnen sind, resp. wie sie allenfalls zwei Präventionszielen Programme sollten in ihrer Anlage, aber auch in ih‐ dienen können. rem ʹAuftretenʹ, d.h. in ihrer Bezeichnung, möglichst im Sinne der oben erwähnten Suchtprävention konzi‐ piert werden. Nur dadurch bleibt eine Offenheit für verschiedene Handlungsmöglichkeiten und für die In‐ 7 Auch wenn die Begriffe nicht genau deckungsgleich sind, wird diese neue Terminologie heute oft als zeitgemässer Er‐ 5 Beispielsweise anlässlich der Auftaktveranstaltung für alle satz verwendet. Schlüsselpersonen am 27. Mai 2004. 8 Der Begriff ʹRisikogruppeʹ ist ungenau. Er meint, dass Per‐ 6 Das bereits erwähnte, 2006 anlaufende Projekt im Kanton sonen mit den gleichen Merkmalen hinsichtlich einer Sucht‐ Thurgau baut auf einen Stufenplan für Schulen auf, in wel‐ problematik zur gleichen Zielgruppe gehören. Die ʹMitglie‐ chem Tabak, Alkohol und Cannabis thematisiert werden. Im derʹ der Zielgruppe haben aber in der Regel keine soziale Rahmen des anlaufenden Projektes soll die Perspektive er‐ Beziehung zueinander. Besser wäre der Begriff ʹPersonen weitert werden auf ʹGefährdungen und Belastungenʹ. Dabei mit erhöhtem Risikoʹ. Der Begriff Risikogruppe ist allerdings werden nicht nur Problematiken in Zusammenhang mit be‐ im Präventionsalltag fest etabliert (vgl. für eine Diskussion stimmten Substanzen in Betracht gezogen. des Begriffes auch Fabian & Guggenbühl, 2000).
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 10 2.2.6 Bildungsauftrag vs. Erziehungsauftrag 2.2.7 Punktuelles Projekt vs. langfristige Aus- richtung Ein gutes Drittel der Lehrer/innen meinte, dass Von verschiedener Seite wurde in den Interviews Prävention und Früherfassung Teil der Aufgabe die zeitliche Befristung des Programms als prob‐ von Pädagogen und Pädagoginnen sei. Über die lematisch genannt. Die Schule wird als Instituti‐ Hälfte der Lehrer/innen meinte hingegen, dass on verstanden, wo Massnahmen langfristig ge‐ dies nur bedingt ihre Aufgabe sei. Auch hier zei‐ plant werden sollten, nicht zuletzt um die Schul‐ gen sich grundsätzliche Unterschiede in der Be‐ jahrgänge über Generationen hinweg präventiv urteilung der Funktion der Schule für so genannt begleiten zu können und so erst gesellschaftlich ʹausserschulischeʹ Inhalte. Das heisst, dass Prä‐ wirksam werden zu können. Projekte wie ʹSchule vention als Aufgabe der Schule z.T. abgelehnt und Cannabisʹ, die über ihre Laufzeit hinaus kei‐ wird. Als Argumente werden in der Regel die ne weitere Unterstützung erfahren, rufen Kritik mangelnden Zeitressourcen für die beauftrage und ablehnende Haltungen auf der Ebene der Person und Zeitgefässe im Kollegium sowie Lehrerschaft hervor. Massnahmen im Bereich mangelnde Fachkompetenzen genannt. Anderer‐ Cannabis wurden zwar vielfach als sinnvoll er‐ seits ist es für die Bildungsinstitution Schule re‐ achtet, jedoch die fehlende Einbettung in den all‐ levant, dass sie Schüler und Schülerinnen hat, die gemeinen Kontext Sucht und bereits bestehende motiviert, lernbereit und aufnahmefähig sind. Strukturen der Gesundheitsförderung moniert. Dazu gehört, dass Probleme, die in den Schulen Eine langfristige Ausrichtung würde auch die auftreten, auch dort angegangen werden sollten. Koordinierung und Vernetzung mit anderen Be‐ Da Probleme sich kaum auf das Setting Schule reichen der Gesundheitsförderung und Quali‐ beschränken, muss mit dem persönlichen und tätssicherung an Schulen im Sinne eines Gesamt‐ fachlichen Umfeld zusammengearbeitet werden. konzeptes einbeziehen. Punktuelle Projekte wer‐ Die Frage bleibt, ob diese Punkte, die über den den als ʺEintagsfliegenʺ wahrgenommen. Bildungsauftrag im engeren Sinne hinausgehen, von Pädagogen und Pädagoginnen übernommen Empfehlung werden müssen oder ob andere Fachpersonen diesen Auftrag übernehmen sollten. Die Schulso‐ Präventionsprojekte im Suchtbereich sollten in Ab‐ zialarbeit ist eine solche Instanz, die einerseits stimmung mit bereits existierenden Strukturen der fachlich näher am Thema ist und andererseits Gesundheitsförderung an Schulen und eingebettet in zwar unabhängig vom Bildungsauftrag der Schu‐ ein Gesamtkonzept der Gesundheitsförderung lanciert le ist (und auch keine qualifizierenden Aufgaben werden. Im Rückgriff auf den bereits oben diskutierten übernehmen muss), aber doch am Ort, in der Punkt Partizipation kann gesagt werden, dass erst Schule. eine Mitwirkung aller an der Schule beteiligten Per‐ sonen (Schüler‐ und Lehrerschaft, Schulhausleitung und Eltern) an solchen Prozessen langfristig günstige Empfehlung Voraussetzungen für eine gute Wirksamkeit von Prä‐ Es sollte geprüft werden, wie im Setting Schule Kapa‐ ventionsprogrammen bildet. Eine funktionierende zitäten bereitgestellt werden können, um Aufgaben, Vernetzung zu externen Fachstellen und Behörden die über den Bildungsauftrag hinausgehen, längerfris‐ schliesslich erfordert langfristige Kooperationen und tig, konsequent und vernetzt angehen zu können. persönliche Beziehungen.
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 11 2.2.8 Abschliessendes Fazit müsste es situativ differenziert und ausformuliert werden. Anlässlich der Auftaktveranstaltung zum Pro‐ gramm ʹSchule und Cannabisʹ (27. Mai 2004) Für die Modellbildung sind wir einerseits von wurde angeführt, was die Gelingensbedingungen bestehenden Modellen für das Setting ʹGemeindeʹ für Gesundheitsförderung und Prävention sind. 9 ausgegangen (vgl. Fabian, 2003) und nehmen die Neben einem gut nachvollziehbarem Konzept, im Bericht besprochenen Diskussionspunkte auf, welches im Rahmen von ʹSchule und Cannabisʹ um sie zu integrieren. Die einzelnen Schritte im auch vorlag, wurde genannt: ʺ... im Schulhaus Modell werden kurz erläutert. präsente, fachlich qualifizierte Schlüsselper‐ son(en) mit emotionalen, zeitlichen und materiel‐ len Ressourcen...ʺ und ʺeingebunden in beste‐ Theoretische Erkenntnisse hende Strukturen und breit abgestützt nach aus‐ Erklärungsmodelle / Konzepte Prävention sen vernetztʺ. Diese beiden Punkte waren u.E. zu wenig gegeben und wurden zu wenig gefördert. Wie ausgeführt wurde, waren die Schlüsselper‐ Bedarfserhebung sonen z.T. mit der Thematik aus zeitlichen, aber Situationsabklärung auch fachlichen Gründen überfordert. Ressour‐ cen waren kaum vorhanden. Für die Umsetzung solch komplexer Projekte braucht es bedeutend Steuerung des mehr Zeit. Die Vernetzung war als Ziel des Pro‐ Präventionsprogrammes Planung / Verantwortung / Koordination / gramms gedacht. Diese hat nur punktuell stattge‐ Ressourcen Überprüfung funden. Allerdings muss auch eine Vernetzung langsam und kontinuierlich angegangen werden. Durchführung / Umsetzung des Für die Vernetzungsarbeit müssen zudem Res‐ Programmes sourcen bereit gestellt werden. Insgesamt kann Massnahmen / Interventionen / Vernetzung / Strukturen u.E. festgehalten werden, dass das Programm ʹSchule und Cannabisʹ vom Konzept her und als Idee im Ansatz gut ist. Die Gelingensbedingun‐ Kontrolle gen, die formuliert wurden und die somit als Fremd- und/oder Selbstevaluation förderliche Faktoren bezeichnet werden können, waren deutlich zu wenig ausgeprägt. Abbildung 1: Präventionsprojekt in Schulen. Modell, um Präventionsprojekte im Setting 2.3 Ausblick und Modell Schule durchzuführen. Im Sinne einer Schlussbetrachtung versuchen wir Ausgehend von theoretischen Modellen, Präven‐ anhand eines Modells zu zeigen, wie die Ein‐ tionsansätzen und aktuellen epidemiologischen führung eines Programms wie ʹSchule und Can‐ Zahlen wird schul(haus)spezifisch eine Bedarfs‐ nabisʹ im Schulbereich stattfinden könnte (vgl. erhebung durchgeführt. Es geht darum, die Situ‐ Abbildung 1). Das Modell kann u.E. als Orientie‐ ation zu klären. Wie und wo stellen sich Prob‐ rung für die Praxis dienen. In der Umsetzung lemsituationen, Belastungen und Gefährdungen? Wer ist davon betroffen? Sind es latente oder 9 Ausführungen von Hans‐Georg Signer, Leiter Stab Schulen ED BS und Ueli Keller, Stab Schulen ED BS. manifeste Problemlagen? Die Bedürfnisse der Be‐
Evaluation 'Schule und Cannabis' C. Fabian, O. Steiner & J. Guhl (2006) FHNW Hochschule für Soziale Arbeit 12 troffenen und Akteure sind zu eruieren und mit 3 Literatur dem festgestellten Bedarf abzugleichen. Im Fabian, C. (2003). Sucht beginnt im Alltag. Präventi‐ nächsten Schritt ʹSteuerung des Präventionspro‐ on auch. laut & leise, 3, 5‐6. grammsʹ geht es um die konkrete Planung der Fabian, C. & Guggenbühl, L. (2000). Suchtpräventi‐ Prävention. Es gilt, aufgrund der Bedarfserhe‐ on mit Risikogruppen. Theoretische Grundla‐ bung die Zielgruppen und Ziele zu definieren gen, Projektbeschreibungen, Wege von der Theorie zur Praxis, Forschungsbericht Nr. 107. und in operationalisierbare Grössen zu fassen. Zürich: Institut für Suchtforschung. Die Verantwortung (Leitung, Steuergruppe, Fabian, C., Nowacki, A., Pfister, T. & Zobel, F. Fachbegleitgruppe, externe oder interne Person (2004). Planung der sekundärpräventiven Ver‐ etc.) muss festgelegt, die Aufgabenverteilung sorgung in der Gemeinde oder Region. Schlussbericht der kollektiven Expertise zur und die Koordination geplant werden. Schliess‐ Sekundärprävention. Bern: Bundesamt für Ge‐ lich ist es wichtig, für alle diese Aufgaben die sundheit. entsprechenden Ressourcen bereitzustellen. Da‐ Franzkowiak, P. (2002). Zwischen Abstinenz und bei geht es um Zeit‐ und um Fachkompetenzres‐ Risikobegleitung – Präventionsstrategien im sourcen. Wichtig ist es, diese Schritte gerade im Wandel. In B. f. g. Aufklärung (Hrsg.), Dro‐ genkonsum in der Partyszene, Forschung und Bereich der Schulen längerfristig zu planen (un‐ Praxis der Gesundheitsförderung, Bd. 19, (S. ter Berücksichtigung des Schuljahres). Schliess‐ 107‐124). Köln. lich geht es um die Umsetzung der Massnahmen, Franzkowiak, P. & Sabo, P. (1999). Von der Drogen‐ Konzepte und Abläufe und um die Vernetzung prävention zur Entwicklungsförderung und mit relevanten Akteuren. Besonderes Augenmerk Risikobegleitung ‐ Leitkonzepte und Orientie‐ rungen der Suchtprävention von den siebziger sollte der Kontrolle der Prozesse gelten. Nur so Jahren bis heute. Prävention ‐ Zeitschrift für kann mittels Rückführungsschlaufen auf die Ges‐ Gesundheitsförderung, 22(3), S. 90‐94. taltung und Umsetzung der Projekte Einfluss ge‐ Frehner, P. (2005). funtasy projects ‐ Partizipation nommen werden. wirkt! In BAG ‐ DOJ ‐ SAJV (Hrsg.), Was ha‐ ben wir gelernt? Prävention in der Jugendar‐ beit., (S. 24‐39). Bern: BAG ‐ DOJ ‐ SAJV. Jordi, C. (2002). Ein Joker, der noch selten gespielt wird. Strukturelle Suchtprävention in der Schule. laut & leise(3), S. 5‐7. Sting, S. & Blum, C. (2003). Soziale Arbeit in der Suchtprävention. München: Reinhardt.
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