Schweizer Pensionskassenstudie 2019 - Rendite für sichere ...

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Schweizer Pensionskassenstudie 2019 - Rendite für sichere ...
Schweizer Pensionskassenstudie
2019

Kommentierte Ergebnisse
Impressum
 Herausgeberin Swisscanto Vorsorge AG, Zürich, in ­Zusammenarbeit mit der Zürcher Kantonalbank.
 ­Redaktion Peter Wirth Projektleitung Marcel Baumann, Swisscanto Vorsorge AG Autoren Reto
  ­Siegrist, Swisscanto Vorsorge AG, Iwan Deplazes, Zürcher Kantonalbank, René Raths, Zürcher Kantonal-
 bank, Hanspeter Konrad, Schweizerischer Pensionskassenverband, ASIP Produktion Pascal Trüb,
­Zürcher Kantonalbank Gestaltung Neidhart + Schön AG Illustrationen Gold Interactive Druck Multicolor
   Print AG (NZZ Mediengruppe) Titelbild Getty Images Bestellungen beruflichevorsorge@swisscanto.ch
   Adresse der Redaktion Swisscanto Vorsorge AG, Postfach, 8021 Zürich
Editorial

                                                       Bereits zum 19. Mal erscheint die Swisscanto Pen­
                                                       sionskassen-Studie. Seit ihrer ersten Ausgabe hat
                                                       sie uns Aufschluss über den Stand und die Entwick­
                                                       lung der Vorsorgewerke gegeben und wertvolle
                                                       ­Erkenntnisse für den Diskurs über die berufliche
                                                        Vorsorge geliefert. Vor dem Hintergrund der Leis­
                                                        tungssenkungen der letzten Jahre wurde in der
                                                        ­aktuellen Studie ein Fokus darauf gelegt, welche
                                                         Massnahmen die Vorsorgeeinrichtungen getrof­
Die Lebenserwartung in der Schweiz ist so hoch           fen haben, um das Rentenniveau der Destinatäre
wie nie zuvor. Ein gesunder Lebensstil und medizi­       zu stabilisieren.
nischer Fortschritt führen dazu, dass uns nach
dem Ende der beruflichen Karriere mehr Möglich­        Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre
keiten denn je offenstehen, das Leben zu genies­       und vielseitige Impulse aus dieser Erhebung.
sen oder uns in der Gesellschaft zu engagieren. Da­
für sorgt auch der wachsende Wohlstand: Im             Martin Scholl
Kanton Zürich besitzen die 65- bis 74-Jährigen fast    CEO Zürcher Kantonalbank
einen Viertel des Vermögens.

Doch der demografische Wandel stellt unser Vor­
sorgesystem auf eine Bewährungsprobe. Schon
2015 erreichten mehr Menschen das Rentenalter
als junge Erwachsene ihr 20. Lebensjahr und das
Bundesamt für Statistik prognostiziert, dass 2045
einer Pensionärin oder einem Pensionär nur noch
zwei Erwerbstätige gegenüberstehen.

In der Debatte, wie wir unsere Altersvorsorge
­gestalten, nimmt die berufliche Vorsorge eine
 ­be­sondere Rolle ein, sind doch für die meisten
  Schweizerinnen und Schweizer ihre Pensionskas­
senguthaben der grösste Vermögensbestandteil.
  Die Sicherheit der zweiten Säule hat daher einen
  bedeutenden Einfluss auf die finanzielle Zukunft
  ­jedes Einzelnen.

                                               Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   3
Studienergebnisse 2019

Auf einen Blick

                                                                Über die

                                                                Hälfte
                             -15%
                                                                der Studienteilnehmer
                                                                haben in den letzten
                                                                drei Jahren die
Der Umwandlungssatz ist seit                                    Sparbeiträge
2010 von 6,74% auf 5,73%                                        erhöht.
gesunken. Dies entspricht einer
15% tieferen Altersrente.

+34%
Der Anteil Immobilien in
der Asset Allocation ist
in den letzten 10 Jahren
34% gestiegen.                                     Grössere Kassen –
                                                   mehr Performance
                                                   0,5% höhere Rendite grösserer
                                                   Kassen im Vergleich zu kleinen
                                                   Kassen über 10 Jahre p.a.

102,6%                   79,6%                    108,7%
Öffentlich-rechtliche    Öffentlich-rechtliche    Privatrechtliche
Arbeitgeber mit          Arbeitgeber mit          Arbeitgeber
Vollkapitalisierung      Teilkapitalisierung

                         Durchschnittlicher
                         vermögensgewichteter
                         Deckungsgrad der Pensions-
                                                                           40%
                                                                           sanken die technischen
                         kassen per Ende 2018.                             Zinssätze über die
                                                                           letzten zehn Jahre.

4     Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
Inhalt

Editorial3
Martin Scholl

Studienergebnisse 2019                                                                                     4
Auf einen Blick

Leistungsstabilisierung6
Reto Siegrist
Abfederungsmassnahmen sind nötiger denn je

Renditeoptimierung in der 2. und 3. Säule                                                                  9
Iwan Deplazes
Lösung für die Leistungslücke

Konzepte sind gefragt                                                                                     13
René Raths
Mit Nachhaltigkeit Zukunft und Rendite sichern

Überlegungen aus Sicht des ASIP                                                                           15
Hanspeter Konrad
Leistungsziel – Quo vadis?

Resultate der Umfrage 2019                                                                                18
Pensionskassenstudie von Swisscanto Vorsorge AG

Verzeichnis der Vorsorgeeinrichtungen                                                                     77
Die Teilnehmer der Umfrage

                                            Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019    5
Leistungsstabilisierung

Abfederungsmassnahmen sind nötiger denn je

                                                           Die Pensionskassen reagieren auf die anspruchsvol­
                                                           len Marktverhältnisse mit einer Senkung des tech­
                                                           nischen Zinses. Einerseits, weil tiefere Zinssätze im
                                                           voraussichtlich anhaltenden Tiefzinsumfeld realis­
                                                           tischer sind. Andererseits aber auch, um den Rendi­
                             Reto Siegrist                 tedruck zu reduzieren und die voraussichtlich tie­
                             Geschäftsführer               fere Performance zu antizipieren.
                             Swisscanto Vorsorge AG
                                                           Stabilisierung der technischen Zinssätze
Die Vorsorgeeinrichtungen verstärken ihre Mass­            Seit der Finanzkrise haben die Pensionskassen die
nahmen, um die sinkenden Umwandlungssätze ab­              technischen Zinssätze kontinuierlich nach unten
zufedern und die Renten zu stabilisieren.                  angepasst. Bei den privatrechtlichen Kassen kam es
                                                           zwischen 2009 und 2018 zu einer Senkung von
Der BVG-Umwandlungssatz ist zu hoch. Darüber               insgesamt um 1,59 Prozentpunkte. 2018 haben die
sind sich die Pensionskassen seit langem einig. Um         meisten Kassen die technischen Zinsen erneut ge­
den gesetzlichen Umwandlungssatz von 6,8 Pro­              senkt, allerdings zeichnet sich eine Abflachung der
zent bezahlen zu können, müssten die Vorsorgeein­          Senkungen ab: Bei den privatrechtlichen Vorsorge­
richtungen dauerhaft eine Rendite von 5 Prozent            einrichtungen lag der technische Zins mit 1,92 Pro­
auf die Altersguthaben erzielen. Im gegenwärtigen          zent nur leicht unter dem Vorjahr. Bei den Sammel-
Marktumfeld ist dies unmöglich. Das ernüchtern­            und Gemeinschaftseinrichtungen blieb der Wert
de Anlagejahr 2018 führte dies einmal mehr vor             unverändert bei 2,1 Prozent. Die öffentlich-recht­
Augen.                                                     lichen Kassen hingegen senken die technischen
                                                           Zinssätze nach wie vor stärker. Im letzten Jahr waren
Aufgrund der mageren Anlageergebnisse haben                es 0,16 Prozentpunkte.
sich die Deckungsgrade der Vorsorgeeinrichtungen
im letzten Jahr durchs Band verschlechtert. Bei            Abbildung 1: Entwicklung technischer Zins
­Pensionskassen mit einem privaten oder öffentlichen
                                                                    Zinssatz in % im Beitragsprimat
 Arbeitgeber betrug die Abnahme über 5 Prozent­            4,00
                                                                       3,64
 punkte. Bei den teilkapitalisierten Vorsorgeeinrich­      3,50
                                                                    3,51 3,50
                                                                                   3,32
                                                                                       3,16       3,12
 tungen ging der Wert um 4 Prozentpunkte zurück.
                                                                                3,08
                                                           3,00                               2,89    2,95      2,95 2,89
                                                                                                             2,76             2,74 2,70
                                                                                                                                             2,55
 Immerhin hat sich das betrübliche Bild durch die          2,50                                                             2,47
                                                                                                                                          2,19
                                                                                                                                                2,38      2,35
                                                                                                                                                                       2,19
                                                                                                                                                              2,09            2,10

 gute Performance im ersten Quartal 2019 etwas             2,00                                                                                        1,98          1,92

                                                           1,50
 aufgehellt.
                                                           1,00
                                                           0,50
                                                           0,00
                                                                     2009        2012          2013           2014           2015          2016         2017          2018

                                                                    ■ Privatrechtlich
                                                                    ■ Öffentlich-rechtlich
                                                                    ■ SGE PA

6    Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
Die Reduktion des technischen Zinssatzes hat             ­ eitragsdauer erhöht. Die meisten setzen dabei auf
                                                          B
 ­Folgen für den Umwandlungssatz, den die Pen­            ein Eintrittsalter von 18 oder 20 Jahren. Eine an­
  sionskassen individuell veranschlagen: Auch             dere Möglichkeit, die Beitragsdauer zu verlängern,
  dieser Wert sinkt seit Jahren, da der technische        ist die Erhöhung des Rücktrittsalters. Mindestens
 Zinssatz seine wichtigste Berechnungsgrund-              10 Prozent der Vorsorgeeinrichtungen haben dieses
 lage ist. 2018 lag der durchschnittliche Umwand­         in den letzten zehn Jahren auf 65 Jahre erhöht.
 lungssatz über alle Kassen hinweg bei 5,73 Pro­          ­Inzwischen hat sich dieses Alter zur Erreichung des
zent (Mittelwert bei Männern im Rücktrittsalter von        Leistungsziels bei 93 Prozent der Kassen durch­
65 Jahren). Der Wert weicht somit erstmals über            gesetzt.
einen Prozentpunkt vom gesetzlichen Minimum ab
– und ein Ende der Senkungen scheint nicht in             Die restlichen Massnahmen zur Leistungsstabilisie­
Sicht. Die Pensionskassen werden ihre Umwand­             rung zielen auf die Übergangsgeneration, die
lungssätze in den nächsten Jahren weiter nach             in ­einigen Jahren in Rente tritt. Dazu gehören etwa
­unten korrigieren, unter anderem auch deshalb,           die Erhöhung des Sparkapitals aus Rückstellun­
 weil die Kassen die Senkungen häufig über meh­           gen der Vorsorgeeinrichtungen sowie Einlagen des
 rere Jahre verteilen. Bis 2023 ist eine Senkung auf      Arbeitgebers. Dadurch kann das Altersguthaben
 5,45 Prozent zu erwarten.                                der älteren Versicherten auch noch in den letzten
                                                          Jahren der Erwerbstätigkeit aufgebessert werden.
Grosse Mehrheit erhöht Sparbeiträge
Diese Entwicklung hat Folgen für die Versicherten:        Sparzielerhöhung kompensiert Umwandlungs-
Die Senkung des Umwandlungssatzes führt zwangs­           satzsenkung nicht
läufig zu einer Reduktion der Rentenleistungen –          Da mittlerweile die grosse Mehrheit der Pensions­
ausser die Pensionskassen setzen Abfederungsmass­         kassen die Sparbeiträge erhöht hat, wurden auch
nahmen um. Die Vorsorgeeinrichtungen suchen               die Sparziele – also die über die gesamte Beitrags­
denn auch nach Wegen, um die Altersleistungen             dauer kumulierten Sparbeiträge – entsprechend an­
zu stabilisieren. Die häufigste Massnahme ist             gepasst. In den letzten zehn Jahren haben 63 Pro­
die Erhöhung der Sparbeiträge von Arbeitnehmern           zent der Vorsorgeeinrichtungen das Sparziel erhöht,
und Arbeitgebern. Rund 90 Prozent der ­befrag-            im Schnitt um 99,4 Prozentpunkte. Die grosse
ten Kassen setzen dies bereits um oder ­haben es          Mehrheit der Kassen liegt heute deutlich über dem
zumindest geplant. Die Erhöhung der Sparbei­              Sparziel von 500 Prozent des letzten koordinierten
träge kommt vor allem den jüngeren Generationen           Lohnes, das seit der Einführung des BVG unter der
zugute, da sie für eine stärkere Kapitalisierung          Annahme «Lohnzuwachsrate = Zinsfuss» als gol­
und somit auf lange Frist für höhere Altersleistun­       dene Regel gilt. Kassen mit einem Sparziel unter
gen sorgt.                                                500 Prozent sind in der Regel solche ohne Koordi­
                                                          nationsabzug, wo der versicherte Lohn dem effek­
Eine stärkere Kapitalisierung lässt sich auch durch       tiven Lohn entspricht.
eine Verlängerung der Beitragsdauer erzielen.
Eine Möglichkeit ist die Senkung des Eintrittsalters.
Mittlerweile haben 25 Prozent der Pensionskassen
das Eintrittsalter unter die BVG-pflichtige Eintritts­
schwelle von 25 Jahren gesenkt und damit die

                                                  Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   7
Abbildung 2: Verteilung der Sparzielveränderung                                                   Die breite Palette von Massnahmen zeigt: Die Pen­
innerhalb der letzten 10 Jahre                                                                    sionskassen bemühen sich, den Versicherten eine
                                                                                                  Erhöhung der Sparbeiträge zu ermöglichen. Den­
     Anteile in % der Vorsorgeeinrichtungen
40                                                                                                noch sind weitere Massnahmen nötig, um die
                                                                    Ø Sparzielerhöhung
35
                                                                    99,4 Prozentpunkte            ­Renten in der beruflichen Vorsorge langfristig zu
30      13                                                                                         stabilisieren und die Generationenfairness zu
                                   63% mit Sparzielerhöhung
25                                                                                                 ­bewahren. Neben der Senkung des BVG-Umwand­
20                                                                                                  lungssatzes wäre der Koordinationsabzug eine
15
                          2                                                                         mögliche weitere Stellschraube. Mit einem «pro­
        24       3
10                                                                                                  zentualen Koordinationsabzug» liesse sich der
                         16
 5               12               12                                                                ­versicherte Lohn erhöhen, wie dies der Schweize­
                                            8
                                                        6
 0
                                                                   3          1
                                                                                         2           rische Pensionskassenverband ASIP in seiner BVG-
        0       1–
                49
                         50–
                         99
                                 100–
                                 149
                                           150–
                                           199
                                                     200–
                                                     249
                                                                 250–
                                                                 299
                                                                            300–
                                                                            349
                                                                                      > 350
                                                                                                  Reform vorschlägt. Damit würde sich auch die Situa­
     Differenz aktuelles Sparziel zu Sparziel vor 10 Jahren in Prozentpunkten                        tion der Teilzeitbeschäftigten verbessern, die in
     ■ Überobligatorisch
                                                                                                     der beruflichen Vorsorge heute das Nachsehen
     ■ BVG                              Falls mehrere Vorsorgepläne, Sparziel des Standardplans      ­haben.

Trotz der Sparzielerhöhungen werden die Umwand­
lungssatzsenkungen in den Standardsparplänen
nicht vollständig kompensiert. Insgesamt haben die
Vorsorgeeinrichtungen das Sparziel beim Standard­
sparplan um durchschnittlich 17,6 Prozent erhöht
und in der gleichen Periode den Umwandlungssatz
um 18,3 Prozent gesenkt. Daraus ergibt sich eine
Rente, die im Schnitt 4,3 Prozent tiefer ist als mit
einem Vorsorgeplan, der vor zehn Jahren gültig
war.

Fast die Hälfte bietet Wahlmöglichkeiten
Um den Versicherten weitere Möglichkeiten zur
­Erhöhung der Rente zu geben, ergänzen die Pen­
 sionskassen die Standardpläne vermehrt durch
 ­weitere Vorsorgepläne, wobei in der Regel drei zur
  Auswahl stehen. Die Wahlmöglichkeit zwischen
  verschiedenen Vorsorgeplänen erlaubt es den Ver­
  sicherten, höhere Sparbeiträge zu leisten als
  im Standardplan vorgesehen. Mittlerweile bieten
  44 Prozent der Kassen den Versicherten diese
  ­Möglichkeit an. Das sind mehr als doppelt so viele
   wie noch im Jahr 2012.

8       Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
Renditeoptimierung in der 2. und 3. Säule

Lösung für die Leistungslücke

                                                          sen machen es Pensionskassen unmöglich, mit we­
                                                         nig Risiko die erforderliche Rendite am Kapital­
                                                         markt zu erwirtschaften. Unsere Pensionskassen-
                            Iwan Deplazes                studie 2019 zeigt, dass risikolose Zinsanlagen –
                            Leiter Asset                 also insbesondere Obligationen in Schweizer Fran­
                            Management,                  ken – bei den Kassen immer noch wesentliche
                            Swisscanto Invest by         ­Teile des Anlagevermögens ausmachen. Bei grossen
                            Zürcher Kantonalbank          Kassen sind es 15,5 Prozent, bei mittelgrossen
                                                          17,6 und bei den kleinen 22,6 Prozent. Gleichzeitig
Die Auswirkungen von Tiefzinsniveau und steigen­          steigt die Lebenserwartung der Rentenbezüger
der Lebenserwartung lassen sich nicht länger leug­        weiterhin an.
nen. Die Pensionskassen haben mit der Senkung
der Umwandlungssätze im Überobligatorium re­               Herausforderungen nehmen weiter zu
agiert. Neurentner sehen sich deshalb mit einer            Die Auswirkungen der gesenkten Umwandlungs­
­Leistungslücke konfrontiert. Welches sind die Mittel      sätze sind drastisch: Der Ruhestand beginnt – ohne
 der Wahl, um diese Lücke zu schliessen? Wir               Ausgleichsmassnahmen – mit einer im Vergleich
 ­vertreten die Ansicht, dass insbesondere der Ver­      zu 2010 um 15 Prozent kleineren Rente. Dieses Leis­
  mögensbewirtschaftung in der 2. Säule und                tungsloch wird durch verschie­dene Beitragsmass­
  3. Säule eine wichtige Rolle bei der Bewältigung       nahmen teilweise gestopft. Dass diese Lücke den­
  dieser Herausforderung zukommt.                        noch zunehmen wird, gilt als sicher: Die Pensions-
                                                         kassenstudie 2019 zeigt, dass die Pensionskassen
Rund 650 Milliarden Franken verwalten die Schwei­        die Umwandlungssätze in den nächsten Jahren
zer Pensionskassen im Überobligatorium. Dort             ­weiter senken werden – von derzeit 5,73 auf einen
­können die Vorsorgeeinrichtungen selbst entschei­        Mittelwert von 5,45 Prozent im Jahr 2023. Die
 den, wie hoch sie die Gelder verzinsen und mit           ­heutige Lücke klafft wohl­gemerkt ­bereits, bevor im
 welchem Umwandlungssatz sie das Ersparte an die           Rahmen einer dringend nötigen Rentenreform
 Destinatäre auszahlen. Seit einigen Jahren senkt eine     auch noch der Umwandlungssatz des Obligatoriums
Pensionskasse nach der anderen ihren Umwand­               (6,8 Prozent) abgesenkt wird.
 lungssatz (vgl. Grafik nächste Seite) – entspre­
 chend sinken die Altersbezüge bei Neurentnern.
 Auch wenn nicht alle Kassen ihre Leistungen gleich
 stark kürzen, so ist der Grund für die Massnahme
 doch bei allen der gleiche: Die anhaltend tiefen Zin­

                                                 Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   9
Lebenserwartung, Tiefzinsumfeld, Umwandlungs sätze: Zunehmende Herausforderung

Lebenserwartung steigt                     Tiefzinsphase dauert an                       Umwandlungssätze sinken weiter

Wir werden gerne                           Zinserträge haben die                         Der Umwandlungssatz
immer älter. Individuelle                  2. Säule lange gesichert.                     ist seit 2010 von 6,74%
Ersparnisse in der 2. Säule                Das ist mit dauerhaften                       auf 5,73% gesunken.
müssen deshalb für mehr                    0% Zinsen nicht mehr zu                       Dies entspricht einer 15%
Rentenjahre reichen.                       machen.                                       tieferen Altersrente.
Quelle: Bundesamt für Statistik            Quelle: Investing.com                         Quelle: Swisscanto Pensionskassenstudie 2019

 Gigantische Schieflage                                              Gemäss aktuellsten Zahlen der Oberaufsichtskom­
 Der Bundesrat hatte in der Vorlage Altersvorsorge                   mission Berufliche Vorsorge hat die ungewollte
 2020 vorgeschlagen, den derzeit geltenden Satz                      Umverteilung von aktiven Versicherten zu Rentnern
 für das Obligatorium stufenweise auf 6 Prozent zu                   mittlerweile gigantische Ausmasse erreicht. Es
 senken. Im September 2017 hat das Schweizer                         wird ein Betrag von 7 Milliarden Franken genannt.
 Stimmvolk diese Vorlage allerdings verworfen. Die                   Dieser muss reduziert werden, wenn die berufliche
 immer grösseren Herausforderungen erfordern                         Vorsorge nicht vollends Schlagseite erhalten will.
­sogar einen Umwandlungssatz von unter 6 Prozent,                    Die berufliche Vorsorge entwickelt hier eine soli­
wenn man auf der Basis der aktuellen Lebenser­                       darische Komponente, die im System der kapital­
 wartung einen 65-jäh­rigen Mann und eine kalkula­                   gedeckten Altersvorsorge nicht vorgesehen ist.
 torische Anlagerendite von 2 Prozent und Verwal­                    Werden die Parameter auf Dauer nicht richtig ge­
tungskosten der Kasse zugrunde legt.                                 setzt bzw. ignoriert, entgehen den aktiven Versi­
                                                                     cherten ­jedes Jahr hohe Zinsgutschriften. Die Folge:
                                                                     Der «3. Beitragszahler», der für den Erfolg der kapi­
                                                                     talisierten Altersvorsorge so wichtig ist, verliert
                                                                     seine Leistungsfähigkeit.

10      Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
Bisher bevorzugt Stellschrauben                            schaftung besserer Anlagerenditen liesse sich
auf der Beitragsseite                                      die Leistungslücke problemlos schliessen. Die Pen­
Typische finanzielle Massnahmen, mit denen der             sionskassen haben hier eine sehr verantwortungs­
aktuellen Erosion der Neurenten derzeit entgegen­          volle Aufgabe. Als erfahrener Asset Manager sind
gewirkt wird, sind Sondereinlagen in die Konten            wir gern bereit, jede zielführende Hilfestellung
der Versicherten, um ihre Verluste etwas zu lindern.       zu bieten. Wir haben berechnet, dass sich die be­
Zudem wird der Sparprozess um- oder ausgebaut,             schriebene Finanzierungslücke schliessen liesse,
indem die Altersgutschriften erhöht, die Risikoprä­        würden die Pensionskassen im Durchschnitt eine
mien dagegen gesenkt werden. Diese Muster fin­             jährliche Zusatzrendite von 0,7 Prozent erwirt­
den sich auf die eine oder andere Art bei allen Kas­       schaften (vgl. Grafik). Wie kommen wir dorthin?
sen wieder, die in den vergangenen Jahren eine
Senkung ihres Umwandlungssatzes vorgenommen
haben. An keiner Stelle war die Rede davon, die            Professionalität führt zu besseren Ergebnissen
Leistungslücke durch eine Renditeoptimierung in            Das Erfolgsaussichten des Trios Rendite, Risiko und
der 2. Säule oder ein verstärktes Engagement in            Anlagehorizont sollten allen, die sich Gedanken
der 3. Säule zu schliessen.                                um die Gestaltung der Vorsorge machen, geläufig
                                                           sein. Die Verbesserung der Diversifikation bleibt
Besser Renditen optimieren                                 eine vordringliche Aufgabe. Nehmen wir nur den
als Beiträge erhöhen                                       sogenannten «Home Bias»: Die falsche Heimat­
Da wir uns nicht darauf verlassen können, dass die         liebe zieht Renditeverzicht und höhere Schwankun­
Politik das Vorsorgethema rechtzeitig im Sinne             gen nach sich. Wir sehen bei den Schweizer Pen­
der Versichertengemeinschaft lösen wird, sollten           sionskassen einerseits veritable Klumpenrisiken bei
und müssen wir den Blick verstärkt auf die eige­           illiquiden Schweizer Immobilien, andererseits nur
nen Handlungsspielräume lenken. Mit der Erwirt­            zaghafte Annäherungen an die breite Palette der

Finanzierung der Leistungslücke
                                     2. Säule

                                                  Jährliche         Ausgangsverzinsung
                                                                                                            +0,7%
                                                Zusatzrendite       2,2%

  Schliessung der
  Leistungslücke
    von 15,2%

                                                                    ohne
                                                 Jährlicher         Wertschriftensparen                    CHF 1’895
                                     3. Säule

                                                   Beitrag
                                                 (ab Start-         Mit Wertschriften-
                                                  alter 25)         sparen 3,0% Zusatz-                    CHF 1’005
                                                                    rendite p.a.

                                                                                  Quelle: Swisscanto Invest by Zürcher Kantonalbank

                                                   Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019                11
Privatmarktanlagen. Gleichzeitig bleibt das Engage­                         lich Einzahlungen auf einem Sparen-3-Konto
ment bei Obligationen, insbesondere bei Obligatio­                          ­geleistet werden. Wenn der gleiche An­leger das
nen in Schweizer Franken, angesichts der nicht                               Wertpapiersparen nutzen würde, könnte er mit
­vorhandenen Erträge zu hoch. Dennoch gilt: Auch                             dem deutlich niedrigeren jährlichen Betrag von
 wenn hier einiges zu tun bleibt, zeigen die Ergeb­                          1’005 Franken pro Jahr zum gleichen Ergebnis
 nisse der vergangenen Jahre, dass die Pensionskas­                          ­kommen. Das sind Beträge, die sich auch Bezüger
 sen ihrer Aufgabe gerecht geworden sind. Der                                 kleinerer Einkommen leisten können! Die Leis­
 3. Beitragszahler hat geliefert (vgl. Grafik); bei gros­                     tungslücke wird weniger Schrecken auslösen, wenn
 sen Kassen besser als bei kleinen.                                           man es mit überschaubarer Eigenleistung in der
                                                                              Hand hat, sie zu schliessen oder gar darüber hinaus
Kumulierte und annualisierte Renditen der                                     für eine höhere Rente zu sparen. Der Gesetzgeber
Schweizer Pensionskassen über 10 Jahre                                        könnte die Attraktivität des Instruments zusätzlich
                                                                              erhöhen, indem beispielsweise Nachzahlmöglich­
     2009–2018, Angaben in %, Pensionskassen nach Grössenklassen
60
                                                                              keiten oder eine solidarische Komponente einge­
55
                                                                              führt würden. Noch mehr als bei den Pensions­
50
                                                                              kassen gilt es ­allerdings bei den Privaten, das Know-
45
                                                                              how über ­Ertragspotenziale und Risiken zu ver­
40
                                                                              bessern.
35

30
                                                                            Fazit
25
                                                                            Gesenkte Umwandlungssätze dürfen für Rentner
20
                                                                            den Übertritt in den Ruhestand nicht zum Alb­
            Unter
           500 Mio.
                           Zwischen 500 Mio.
                               und 5 Mia.
                                                          Über
                                                         5 Mia.
                                                                            traum werden lassen. Die entstehenden Leistungs­
                                                                            lücken werden zulasten der aktiv Versicherten
         Annualisiert:                   Annualisiert:
            4,1%                           4,57%                            mit verschiedenen     Massnahmen nur zum Teil ge­
                                                                                       ■ Überobligatorisch
                                                                            schlossen. ■Das
                                                                                         BVGist Flickwerk. Elegant wäre es da­
                             Quelle: Swisscanto Pensionskassenstudie 2019
                                                                            gegen, die Leistungsfähigkeit des 3. Beitragszahlers
                                                                            besser zu nutzen. Sie sollte deshalb nicht untermi­
Know-how über Ertragspotenziale und                                         niert, sondern gestärkt werden. Gleichzeitig wächst
Risikoverständnis verbessern                                                die Bedeutung der privaten Vorsorge.
Mit der Selbstvorsorge in der 3. Säule können die
beiden anderen Säulen unseres Vorsorgesystems
bereits heute individuell ergänzt werden. Ein deut­
licher Anreiz zum Sparen in der Säule 3a ist mit
der steuerlichen Absetzbarkeit der Sparbeiträge ge­
geben. Wir haben berechnet, wie viel ein heute
25-Jähriger, der während seines Arbeitslebens ein
Schweizer Durchschnittsgehalt bezieht, sparen
müsste, um die Leistungslücke von 15,2 Prozent zu
füllen. Es sind 1’895 Franken – pro Jahr, wenn ledig­

12     Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
Konzepte sind gefragt

Mit Nachhaltigkeit Zukunft und Rendite sichern

                                                         Die Zeiten, in denen eine Anlage in einem soge­
                                                         nannten «Ökofonds» vor allem ein ideologisches
                            René Raths                   Statement und die Rendite sekundär und oft
                            Leiter Vertrieb Pen­         auch unattraktiv war, sind längst vorbei. Zahlreiche
                            sionskassen, Zürcher         namhafte Studien zeigen, dass von sozialer Ge­
                            ­Kantonalbank, und Ver­      rechtigkeit, Nachhaltigkeit und guter Unterneh­
                             waltungsratsmitglied        mensführung geprägte Investments mit einem
                             Swisscanto Vorsorge AG      ­langen Anlagehorizont konventionelle Investments
                                                          mühelos konkurrenzieren – und das über alle An­
Wer heute konsequent auf Anlagen setzt, die               lageklassen hinweg.
Nachhaltigkeit, soziale Standards und gute
­Geschäftsführung gewährleisten, wird langfristig        Das kommt daher, dass diese Anlagevehikel heute
 in jeder Hinsicht davon profitieren.                    professioneller zusammengestellt und bewirtschaf­
                                                         tet werden: Messziffern und Kriterien sind definiert
«Natürlich interessiert mich die Zukunft, ich möchte     und können standardisiert abgefragt werden. So
schliesslich den Rest meines Lebens darin verbrin­       ist es einfacher, Anlageobjekte zu bewerten und zu
gen», ist eine Aussage Mark Twains, die ich teile.       integrieren bzw. auszuschliessen.
Aber trotz ÖV, Energiewende und Papiertaschen:
Wenn alle so leben würden wie wir Schweizerinnen         Doch die massgebenden Treiber für diese Entwick­
und Schweizer, bräuchten wir unsere Erde gleich          lung sind andere: Nachhaltige Anlagen haben
mehrfach. Doch sie ist ein Unikat.                       überdurchschnittliche Wachstumschancen, hohes
                                                         Innovationspotenzial und werden nicht selten
Im Zuge des fortschreitenden Klimawandels erstar­        auch politisch regulativ gefördert. Wir dürfen also
ken politische und gesellschaftliche Trends, die ­ein    mit einer hohen Profitabilität rechnen. Insbeson­
    Gegengewicht zum bisherigen Lebensstil bilden        dere bei langen Anlagehorizonten, wie sie das Pen­
wollen. Nicht zuletzt sind auch die Zürcher Kan­tonal­   sionskassengeschäft prägen.
bank und ihr Asset Management, Swisscanto
­Invest, daran beteiligt, indem sie bereits seit 1992    Denken Sie an Elektroautos. Politische Zielsetzun­
 konsequent nachhaltige Anlagen prüfen und in            gen und Prämien prägen dieses Geschäftsfeld
 ihre Fonds integrieren. Nachhaltigkeit umfasst nach     schon heute. Grosses Potenzial hat sicher auch die
 gängigem Verständnis jedoch nicht allein ökologi­       Erschliessung abgelegener Regionen mit Telekom­
 sche Aspekte, sondern auch soziale Verträglichkeit,     munikations- und Finanzdienstleistungen. Krebs­
 also keine Waffen, kein Glücksspiel sowie gute          forschung, Lösungsansätze, wie der Überalterung
 ­Geschäftsführung – demnach z. B. keine Korruption      der Gesellschaft zu begegnen ist, oder Technolo­
  und ausgewogene Sozialpartnerschaft. Diese             gien rund um die Wassernutzung bzw. -gewinnung
  ­Aspekte werden als ESG-Kriterien bezeichnet und       sind weitere Geschäftsfelder, die grosse Wachstums­
   stehen für «Environmental», «Social» und              chancen haben dürften. Daher ist es ratsam, dass
   ­«Governance».                                        sich auch kleinere Pensionskassen mit nachhaltigen

                                                 Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   13
Anlageformen befassen und überlegen, wie solche            Kapitalanlagen (SVVK) so etwas wie ein «Nachhal­
in ihr spezifisches Portfolio passen könnten.              tigkeit light»-Label etabliert. Wünschenswert wäre
                                                           jedoch, wenn sich die gesamte Branche an einer
Aus unserer langjährigen Erfahrung wissen wir,             Standardisierung beteiligen würde, und damit ein
dass es zur ertragreichen Implementierung nach­            gemeinsames Verständnis zum Thema Nachhal­
haltigen Anlegens ein Anlagekonzept braucht,               tigkeit entstehen könnte. Die Kriterien könnten
das alle Aspekte berücksichtigt.                           breiter oder eben nachhaltiger gefasst werden.
                                                           Erst dann wäre der Prozess messbar und für alle
Warum spreche ich von einem Konzept? Es ist                nachvollziehbar.
nicht allein damit getan, «nur» ESG-Kriterien erfül­
lende Titel im Portfolio zu versammeln. Erst eine          Bei der Abwägung, wie ökologisch und sozial ver­
fundierte Strategie und deren konsequente Umset­           träglich eine Anlage sein soll, darf das Hauptziel
zung machen den Unterschied.                               ­einer Pensionskasse niemals aus dem Fokus gera­
                                                            ten: Die langfristige Sicherung der Renten der
Bei firmeneigenen Pensionskassen – das ist klar –           ­Versicherten. Dafür brauchen wir gute Erträge und
muss eine solche Strategie zu den Werten der                 möglichst geringe Volatilitäten. Auch zur Defini­
­dazugehörigen Unternehmung passen. Ist sie inno­            tion dieser oft feinen Grenzverläufe brauchen wir
 vativ, finden sicher auch zukunftsgerichtete Titel          das oben postulierte individuelle Konzept.
 ins Portfolio der Pensionskasse. Bei traditionelleren
 Unternehmen investiert die Kasse vielleicht eher          «Tun Sie Gutes und reden Sie darüber» – diesen
 in konservativere Vehikel. Also wird sich die Strate­     wohlfeilen Spruch kann man jetzt ergänzen mit
 gie von ABB von jener von Google unterscheiden.           «und profitieren Sie davon». Nicht nur die Anlage­
 Letztendlich gehört aber auch Konsequenz in dieser        rendite und damit Ihre Versicherten gewinnen,
 Frage zu einer guten Geschäftsführung.                    ­sondern auch die Gesellschaft, unsere Nachkom­
                                                            men und unser einzigartiger Blauer Planet.
Für Sammelstiftungen kann eine konsequente Aus­
richtung auf nachhaltige Anlagen nicht nur eine            In diesem Sinne wünsche ich mir einen branchen­
gewinnbringende Strategie, sondern auch ein Ver­           weiten Diskurs, der neue Standards setzt.
kaufsargument werden. Ein Alleinstellungsmerk­
mal, auf Grund dessen sich Unternehmen explizit
entscheiden, sich dieser besonderen Stiftung an­
zuschliessen.

Dass sich auch die grosse Mehrheit der Schweizer
Pensionskassen mit dieser Frage beschäftigt, halte
ich für wichtig: Wir beobachten derzeit, dass sich
Interessengruppen bilden und sich z. B. im Rahmen
des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste

14   Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
Überlegungen aus Sicht des ASIP

Leistungsziel – Quo vadis?

                                                         Sozialpolitisches Leistungsziel als
                                                         Ausgangslage
                                                         Die aktuellen Diskussionen zeigen deutlich, wie
                                                         wichtig und dringend eine BVG-Revision ist: Leis­
                                                         tungsversprechen müssen ökonomisch realistischer
                            Hanspeter Konrad             definiert werden, als dies mit dem heutigen Min­
                            lic. iur. Rechtsanwalt,      dest-Umwandlungssatz im BVG von aktuell 6,8 Pro­
                            Direktor ASIP                zent der Fall ist. Bei realistischen Parametern würde
                                                         sich die Frage nach einer nachträglichen Anpassung
Die sozialpolitische Agenda der Schweiz wird             der versprochenen Leistungen nicht stellen. Bei
­aktuell vor allem von der Diskussion um die Aus­        all diesen Diskussionen muss aber immer auch die
 gestaltung der AHV geprägt. Aufgrund des                ­Frage nach der Höhe des Leistungsziels beantwor­
 ­demografischen Wandels und der wirtschaftlichen         tet werden.
  Rahmenbedingungen besteht hinsichtlich der
  ­Stabilisierung der AHV zweifellos Handlungsbedarf.    In Erinnerung zu rufen ist, dass sich das übergeord­
   Analoge Überlegungen gelten jedoch auch für           nete sozialpolitische Leistungsziel aus den Vorga­
   die berufliche Vorsorge. Die demografischen Pers­     ben der Bundesverfassung ableitet: Die berufliche
   pektiven, die Entwicklung der Finanzmärkte so-        Vorsorge soll zusammen mit der AHV/IV die Fort­
   wie gesellschafts-, wirtschafts- und arbeitsmarkt­    setzung der gewohnten Lebenshaltung in angemes­
   politische Faktoren rufen nach raschen Anpas­         sener Weise ermöglichen. In diesem Sinn betrach­
   sungen.                                               tet der ASIP die Sicherung eines Alterseinkommens
                                                         zur Fortführung der gewohnten Lebenshaltung
Die politische Realität sieht jedoch anders aus. Ak­     als ein grundsätzliches sozialpolitisches Anliegen.
tuell sind im Sinne des bundesrätlichen Auftrags         Als Leistungsziel ist eine Ersatzquote aus AHV
vorab die Sozialpartner gefordert, einen Vorschlag       und BVG von 60 Prozent des letzten Bruttoeinkom­
für eine BVG-Revision auszuarbeiten. Sie stehen          mens im BVG-Lohnbereich bis 85‘320 Franken
unter einem grossen Erwartungsdruck. Auch die            ­anzustreben. Daran ändert auch der Rückgang des
Sozialpartner werden im Rahmen ihrer Beratungen           Leistungsziels in den letzten Jahren von 80 auf
nicht um die Diskussion der BVG-Eckwerte herum­           69 Prozent bei Pensionskassen (PK) mit weiter­
kommen. In diesem Sinn drängt der ASIP auf eine           gehenden Leistungen (umhüllende PK) nichts
rasche, tragfähige Lösung. Er setzt sich dabei wie        (vgl. die nachfolgend präsentierten Ergebnisse der
bisher für realistische Eckwerte in der beruflichen       Swisscanto-Pensionskassenstudie 2019). Der
Vorsorge ein, damit die abgegebenen Leistungs­            ­Verfassungsauftrag wird weiterhin übertroffen.
versprechen am Schluss auch eingehalten werden             Die Frage, ob die 60 Prozent aus AHV und BVG
können.                                                    ­reichen, ist eine sozialpolitische Frage, welche die
                                                            Politik zu beantworten hat.

                                                 Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   15
BVG-Ersatzquote                                           Die Führungsorgane sehen sich verstärkt mit der
 Für das BVG ergibt sich aktuell eine Ersatzquote          Frage konfrontiert, ob ihre Entscheide generatio­
 von 34 Prozent des letzten BVG-versicherten Lohns         nengerecht seien. Das sind sie. Die möglichst realis­
(seit der 1. BVG-Revision). Dieses Leistungs­niveau        tische Festlegung der technischen Parameter ist
wurde in der Vergangenheit jedoch deutlich über­           die beste Grundlage für Generationenfairness. Er­
troffen. Es lag bei rund 41 Prozent. Primärer              gänzend können über einfache, reglementarisch
Grund dafür war, dass die Verzinsung über die letz­        verankerte Beteiligungsmechanismen spätere Leis­
ten 30 Jahre deutlich über dem Lohnwachstum lag.           tungsverbesserungen vorgesehen werden. In die­
Selbst mit einem Umwandlungssatz von 5,7 Pro­              sem Sinn sind die aktuell vorgenommenen Renten­
zent hätte zum Beispiel 2016 das Leistungsziel von         berechnungen nicht falsch. Die Verantwortlichen
34 Prozent Ersatzquote noch erreicht werden                haben vielmehr die unerwünschten, systemwidrigen
­können.                                                   Umverteilungen so weit wie möglich korrigiert.
                                                           Sie reduzierten oder stoppten eigenverantwortlich
Der ASIP bekennt sich klar zu diesen Leistungs­            die in den letzten Jahren zur Finanzierung der
zielen. Die skizzierte Entwicklung zeigt im Übrigen        ­Rentenversprechen temporär notwendig geworde­
auch, wie leistungsstark die PK insgesamt sind.             nen Finanzflüsse von den Aktiven zu den Renten­
Aus den Senkungen der technischen Zins- und Um­             beziehenden für die Zukunft.
wandlungssätze in der weitergehenden Vorsorge
kann nicht geschlossen werden, dass das (gesetz­           Aufrechterhaltung des BVG-Leistungsziels
liche) BVG nicht ausreicht, um modellmässig,               Gleichzeitig mit einer Senkung des BVG-Umwand­
­zusammen mit der AHV, 60 Prozent des letzten              lungssatzes ist sicherzustellen, dass das Verfas­
 Lohns zu erreichen. Aus ökonomischer Sicht                sungsziel, das heisst ein Leistungsziel von rund
 sind jedoch die Verzinsung der Altersguthaben             60 Prozent des letzten Bruttolohns bei einer
 ­sowie der implizite Zins in den garantierten             ­vollständigen Beitragskarriere, erreicht wird. Im
  Renten bzw. dem Umwandlungssatz zu beachten.              Rahmen einer sofortigen Senkung des BVG-Um­
  In Erinnerung zu rufen ist, dass der Umwand­              wandlungssatzes, wie zum Beispiel im ASIP-Vor­
  lungssatz eine rein rechnerische Grösse ist. Er er­       schlag von 6,8 auf 5,8 Prozent (vgl. www.asip.ch),
  gibt sich aufgrund von Lebenserwartung und                sind somit Ausgleichsmassnahmen vorzusehen.
  ­realistisch zu erwartender Rendite. Um diesen Rah­       ­Zusammen mit einem prozentualen Koordinations­
   menbedingungen gerecht zu werden, haben,                  abzug (60 Prozent des AHV-Lohns, höchstens
   wie die Umfrageergebnisse der aktuellen Pensions­         ¾ max. AHV-Rente), angepassten Altersgutschrif­
   kassenstudie belegen, viele PK-Verantwortliche            ten und einem früheren Beginn des Sparprozesses
   ihre Umwandlungssätze gesenkt.                            (ab 20 Jahren) lassen sich Lösungen innerhalb
                                                             der beruflichen Vorsorge finden, die das bisherige
                                                             BVG-Leistungsniveau sicherstellen. Die Umsetzung
                                                             dieser Massnahmen ist jedoch mit Mehrkosten
                                                             ­verbunden. Diese Mehrkosten tragen Arbeitnehmer
                                                           und Arbeitgeber gemeinsam.

16   Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
Um realpolitisch Chancen auf Erfolg zu haben, sind    in die Diskussion gebracht werden. Lösungen, die
 insbesondere Massnahmen für die unmittelbar           allen gefallen, gibt es nicht. Mehr sparen oder
 von einer Senkung des BVG-Umwandlungssatzes           ­länger arbeiten sind die Alternativen, wenn die
betroffenen Jahrgänge vorzusehen. Mit einer             Renten nicht sinken sollen.
­realistischen Übergangsfrist von zehn Jahren kön­
 nen, wie im oben erwähnten ASIP-Vorschlag             Vor diesem Hintergrund sind die Stärken der beruf­
 für eine BVG-Revision vorgesehen, drohende Leis­      lichen Vorsorge und der gesellschaftliche Nutzen,
tungseinbussen von älteren Versicherten durch          den die PK insgesamt erbringen, in Erinnerung zu
 kassen­spezifische, dezentral finanzierte Kompen­     rufen. Mit der Sicherung eines Alterseinkommens
 sationseinlagen ins BVG-Altersguthaben markant        leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Fortfüh­
 abgefedert werden. Zudem wird unter Berücksich­       rung der gewohnten Lebenshaltung. Sie tragen
 tigung der historischen Realverzinsung und            ­zudem als langfristige Investoren von aktuell über
 der ­Annahme einer moderaten, zukünftigen Real­        900 Milliarden Franken massgeblich zur gesamt­
 verzinsung (von 0,7 Prozent) das ursprüngliche         wirtschaftlichen Entwicklung bei. Daran ist ohne
 Leistungsziel unter der goldenen Regel für sämt­       Wenn und Aber festzuhalten. Die in der Vergan­
 liche Jahrgänge der Übergangsgeneration über­          genheit erbrachten Leistungen sowie das vorhan­
 troffen.                                               dene Leistungspotenzial sind Garanten für eine
                                                        starke berufliche Vorsorge. Im Vordergrund muss
Analoge Überlegungen gelten auch für umhüllen­          die Auseinandersetzung mit den das BVG prä­
de PK. Wie die Ergebnisse der aktuellen Umfrage         genden Eckwerten stehen. Entscheidend ist, dass
zeigen, nutzen die Führungsorgane durchaus ihren        die Leistungsversprechen ökonomisch und ver­
Handlungsspielraum und fällen in Kenntnis der ver­      sicherungstechnisch realistisch definiert werden.
sicherungstechnischen Grundlagen, aber auch auf­        Das ist die beste Grundlage für die Generationen­
grund sozialpolitischer Erwägungen wohlüberlegt         fairness.
ihre Entscheide. Zudem wird, wenn immer möglich,
versucht, Anpassungen des Leistungsziels mit einer
Verstärkung des Sparprozesses und Übergangsbe­
stimmungen für die älteren Versicherten abzufe­
dern oder auszugleichen.

Fazit
Die PK haben ihre Wirkungskraft in den letzten
Jahrzehnten bewiesen; sie halten auch für die kom­
menden Jahre die Schlüssel in der Hand und sind
bereit, einen wesentlichen Beitrag zur Alters-, Hin­
terlassenen- und Invalidenvorsorge zu leisten,
­vorausgesetzt, Politik und Verwaltung schaffen den
 notwendigen Rahmen dazu. Nachvollziehbar ist,
 dass eine rasche Senkung des Umwandlungssatzes
 immer Widerspruch auslöst. Im Hinblick auf eine
 zielführende BVG-Revision muss jedoch Bewegung

                                               Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   17
Resultate der Umfrage 2019

Einleitung20

A     Vorsorgeeinrichtungen und Versicherte                                 23
      1 Leistungs- und Beitragsprimat
      2 Flexible Pensionierung
      3 Wahlmöglichkeit für Sparpläne
      4 Leistungen
      5 Massnahmen zum Erhalt der Leistungen
      6 Sparziel in Prozent des versicherten Lohnes
      7 Entwicklung des Rücktrittsalters zur Erreichung des Leistungsziels
      8 Beginn der Sparbeiträge

B     Kapitalanlage und Asset Allocation                                    32
      1 Asset Allocation
      2 Immobilienanlagen
      3 Alternative Anlagen
      4 Asset Allocation Vergleich Ist/Ziel
      5 Absicherung von Fremdwährungsanlagen
      6 Negativzinsen
      7 Kategorienbegrenzung und Erweiterungsbegründung
      8 Der dritte Beitragszahler

C     Performance und Zinsen                                                44
      1 Performance
      2 Soll- und Zielrendite

D     Deckungsgrad                                                          51
      1 Deckungsgrad und Deckungsgradentwicklung
      2 Wertschwankungsreserven

E     Technischer Zins und Verzinsung                                       57
      1 Technischer Zins – Stand und Entwicklung
      2 Verzinsung der Altersguthaben

F     Umwandlungssatz und weitere versicherungstechnische Grössen           65
      1 Umwandlungssatz
      2 Rücktrittsalter und effektive Pensionierung
      3 Technische Grundlagen

18   Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
G   Verwaltungs- und Anlagekosten                                                                  71
    1 Allgemeine Verwaltungskosten
    2 Vermögensverwaltungskosten
    3 Gesamte Verwaltungskosten

H   Derisking                                                                                      74
    1 1e-Pläne

I   Angaben zur Umfrage                                                                            75
    1 Anzahl und Zusammensetzung der Teilnehmer

                                     Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   19
Einleitung zu den Umfrageresultaten der Schweizer Pensionskassenstudie 2019

Trend und Widerstand

Das Land tut sich schwer mit einer Revision des            Folge, dass die Kassen den Rentnern gemessen an
BVG und der Altersvorsorge insgesamt. Alle Anläu­          den aktuellen Verhältnissen überhöhte Zinsgut­
fe für eine Anpassung an die veränderten Gege­             schriften gewähren müssen, dies auf Kosten der
benheiten sind seit der etappenweisen Inkraftset­          Aktiven, was sich in der mas­siven Umverteilung
zung der 1. BVG-Revision in den Jahren 2004 bis            niederschlägt. Zur Korrektur ist die Verringerung
2006 gescheitert. Wie dringlich eine Revision ist,         der Umwandlungssätze unvermeidlich.
zeigt sich in den Resultaten der vorliegenden
Swisscanto Pensionskassenstudie 2019. Die Lektüre          Die festgestellte Senkung der Leistungen ist die
ist erhellend, wenn auch streckenweise anspruchs­          ­Folge gegenläufiger Entwicklungen. Ausschlag­
voll. Es ist ­insbesondere die Entwicklung des Leis­        gebend ist in erster Linie die deutliche Senkung der
tungsniveaus, wie sie sich aus den Angaben der              Umwandlungssätze von durchschnittlich 6,25 Pro­
Teilnehmer ergibt, die nach einer vertieften Analyse        zent 2015 auf aktuell 5,45 Prozent, verbunden
und Diskussion ruft.                                        mit der Senkung der technischen Zinsen im gleichen
                                                            Zeitraum von durchschnittlich rund 2,47 auf
Die allgemein akzeptierte Vorgabe der Altersvor­            1,92 Prozent für die privatrechtlichen Kassen.
sorge bildet eine Ersatzquote von 60 Prozent des
letzten Einkommens zur Fortsetzung der «ge­                Gleichzeitig wurden aber die Beiträge erhöht.
wohnten Lebenshaltung in angemessener Weise»,              63 Prozent der Studienteilnehmer haben ange­
beruhend auf 1. und 2. Säule. Dieses Ziel wurde            geben, in den letzten zehn Jahren das Sparziel
seit Einführung des BVG im Rahmen des Obligato­            ­erhöht zu haben. Die ermittelte Summe der Alters­
riums nicht nur erreicht, sondern übertroffen.              gutschriften beträgt nun 765 Prozent, verglichen
Das trifft auch weiterhin zu. Allerdings ist der ge­        mit den im BVG festgelegten 500 Prozent über die
messene Wert auf Basis der in der Umfrage ange­             gesamte Beitragsdauer von 40 Jahren.
gebenen Daten seit 2014 rückläufig.
                                                           Man war also bestrebt, die mit der notwendigen
Gemessen wurde seit 2009 jeweils die Ersatzquote           Verringerung der Umwandlungssätze ausgelösten
für ein Einkommen von 80‘000 Franken. Mit den              Leistungssenkungen nicht einfach hinzunehmen,
ab 2015 vergleichbaren Daten ergibt sich ein laufen­       sondern mit einer Reihe von Massnahmen einen
der Rückgang des Medianwerts von 74 auf aktuell            mindestens teilweisen Leistungserhalt zu erreichen.
69 Prozent. Die Werte fallen für die öffentlich-recht-     Die Beitragserhöhungen bilden davon nur einen,
lichen Pensionskassen mit 74 Prozent am höchsten           allerdings den wichtigsten Teil.
aus, es folgen die Firmenpensionskassen mit 67 und
die privatrechtlichen Sammel- und Gemeinschafts­           Anhand einer ausgewählten Reihe von Pensions­
stiftungen mit 64 Prozent.                                 kassen, für welche eine vollständige Datenreihe
                                                           vorliegt, lässt sich der Zusammenhang zwischen
Verantwortlich ist eine Reihe von Faktoren. Zu             Sparziel, Umwandlungssatz und Entwicklung
­nennen sind unter anderem die steigende Lebens­           des Leistungsziels aufzeigen. Diese Kassen senkten
erwartung und die historisch einmalige Zins­               innerhalb der letzten zehn Jahre den Umwand­
 situation. Der gesetzlich definierte Mindestumwand­       lungssatz um durchschnittlich 18,3 Prozent, gleich­
 lungssatz und die Leistungsgarantie haben zur             zeitig erhöhten sie ihr Sparziel um 17,6 Prozent,

20   Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
was in einer Verminderung der zukünftigen Rente           Das in der Tat nicht leicht zu akzeptierende Faktum
um 4,3 Prozent resultiert. Die Erhöhung der               steigender Beiträge bei gleichzeitig sinkenden
­Beiträge respektive des ­Sparziels sowie der übrigen     ­Leistungen mag für die 2. Säule insgesamt wenig
 Massnahmen waren nicht ausreichend, um die                erfreulich sein, muss aber als Ausdruck einer realis­
 Senkung des Umwandlungssatzes auszugleichen.              tischen Geschäftsführung gewertet werden. Die
                                                           Umfrage liefert dazu eine Reihe neuer Daten und
Was für diese ausgewählten Kassen gilt, trifft auch        wichtiger Erkenntnisse.
für den Durchschnitt aller Kassen zu. Man ist
­bemüht, die Folgen der tieferen technischen Para­        Eine weitere Entwicklung wird mit der Befragung
 meter aufzufangen, muss aber dennoch Leistungs­          2019 aufgenommen. Es ist der laufende Struktur­
 einbussen hinnehmen.                                     wandel, der sich in einer Verringerung der klassi­
                                                          schen Firmenpensionskassen und dem gleichzeitig
Angesichts der Bedeutung dieser Zusammenhänge             rasch wachsenden Bereich der Sammel- und Ge­
und auch mit Blick auf die nächste BVG-Revision           meinschaftseinrichtungen ausdrückt. Die Erfassung
und generell für die Weiterentwicklung der beruf­         und Zuordnung der erhobenen Daten auf die
lichen Vorsorge wird es ein Anliegen sein, diese          ­diversen Träger werden schwieriger und wichtiger.
vertieft zu untersuchen und die Zusammenhänge              Um aussagekräftige Resultate zu erhalten, sind
zwischen den verschiedenen Elementen der Leis­             mehrere Kategorien von Vorsorgeeinrichtungen zu
tungserbringung detailliert zu erfassen. Hier liegt        definieren.
ein weites und bisher wenig untersuchtes Feld.
                                                          Die Umfrage hat früher primär unterschieden zwi­
Aus den Resultaten der Umfrage ist andererseits           schen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen
auch ersichtlich, wie bemerkenswert gut sich die          Vorsorgeeinrichtungen, die öffentlichen Kassen zu­
Pensionskassen in den letzten zehn Jahren seit der        sätzlich nach teil- und vollkapitalisierten Einrich­
Finanzkrise geschlagen haben. Sie konnten trotz           tungen. Nachdem diverse Pensionskassen öffentlich-
schwieriger Kapitalmarktverhältnisse mit einem            rechtlicher Arbeitgeber auf die Staatsgarantie ver­
laufend sinkenden Zinsniveau bei steigender Renten­       zichteten und die private Rechtsform übernommen
bezugsdauer die Finanzierungssituation weit­              haben, wurde in der Auswertung neu unterschie­
gehend stabil halten. Das ist eine bemerkenswerte         den zwischen Vorsorgeeinrichtungen privat (PA)- und
Leistung und war nur möglich dank dem Engage­             öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber (OA). Es interes­
ment der Sozialpartner und dem vorausschauenden           sieren primär die Unterschiede zwischen den Kassen
Handeln der verantwortlichen Organe. Mit wenigen          von Bund, Kantonen und Gemeinden auf der
Ausnahmen wurden die notwendigen Anpassun­                ­einen und jene privater Firmen auf der anderen
gen rechtzeitig und tatkräftig an die Hand genom­          ­Seite. Die Rechtsform ist sekundär.
men. Dass die in manchen Fällen auch schmerz­
lichen Massnahmen zu Kritik geführt haben, kann           In den letzten Jahren haben Sammel- und Ge­
nicht überraschen.                                        meinschaftseinrichtungen (SGE) markant an Bedeu­

                                                  Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   21
tung gewonnen und versichern heute die Mehr­               besonderes ­Augenmerk auf diesen Sektor legen
heit der Aktiven. Konsequenterweise muss diese             wollen. Neue Studien und parlamentarische Vor­
Entwicklung auch in der Darstellung der Daten              stösse belegen die Aktualität und Bedeutung
zum Ausdruck kommen. Die Unterscheidung nach               des Themas. Die Studie kann zu dieser Frage wich­
«Pensionskassen» und «Sammel- und Gemein­                  tige und erstmalige Einsichten beitragen.
schaftseinrichtungen» ist allerdings nur bedingt
aussagekräftig, weil nicht nur die Publica als Pen­        Abschliessend ist festzuhalten, dass die diesjährige
sionskasse des Bundes, sondern auch zahlreiche             Umfrage bei den Pensionskassen wiederum auf
kantonale Kassen als Sammelstiftungen auftreten            ein ausserordentlich erfreuliches Echo gestossen ist.
und neben den Bundes- oder Kantonsangestellten             Das letztjährige Rekordergebnis wurde mit 531
auch externe Arbeitgeber aufnehmen.                        (Vorjahr 535) Teilnehmern annähernd wieder er­
                                                           reicht und die hohe Aussagekraft der Resultate
Eine Aufteilung nach den Sammelstiftungen priva­           ­damit bestätigt. Angesichts der Tatsache, dass das
ter- und öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber respek­         Ausfüllen des Fragebogens einen erheblichen
tive Stifter verschafft hier eine gewisse Klärung.          ­Zeitaufwand und die Bereitstellung teilweise kom­
Wenn von Sammel- respektive offenen Gemein­                  plexer Angaben erfordert, ist die grosse Bereit­
schaftseinrichtungen die Rede ist, wird primär               schaft zur Mitwirkung bemerkenswert. Allen an
an solche gedacht, die heute die Belegschaft jener           der Umfrage Beteiligten gilt deshalb unser Dank.
Unternehmen ver­sichern, welche die eigene Pen­
sionskasse aufgeben und Anschluss an eine kollek­          Peter Wirth
tive Einrichtung ­suchen. Um hier zusätzliche Klar­
heit u erlangen, werden neu von den Sammel- und
Gemeinschaftseinrichtungen jene gesondert er­
fasst, welche Broker- und Marketingkosten auswei­
sen. Sie werden unter anderem als marktaktive
SGE bezeichnet und ihre Daten in den Begleittex­
ten zu den Abbildungen dargestellt.

Diese SGE stehen auf dem Vorsorgemarkt in einer
Konkurrenzsituation zueinander, was sie massgeb­
lich von den übrigen Vorsorgeeinrichtungen unter­
scheidet. Die Befürchtung besteht, dass sie ver­
sucht sein könnten, zu hohe Umwandlungssätze
respektive technische Zinsen zu führen, um
­gegenüber anschlusssuchenden Arbeitgebern als
 besonders attraktiv zu erscheinen. Die Aufsichts­
 behörden haben zu erkennen gegeben, dass sie ein

22   Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
A Vorsorgeeinrichtungen und Versicherte

1         Leistungs- und Beitragsprimat

Abbildung A-1: Primat der Vorsorgeeinrichtung nach Rechtsform und Destinatären

                     Anteil Destinatäre pro Primat                               An der Umfrage 2019 haben 531 (Vorjahr 535)
    Alle Vorsorge-                                                               Vorsorgeeinrichtungen mit 3,8 (4,1) Mio. Versicher­
                           29%                       63%                 9%
    einrichtungen
                                                                                 ten teilgenommen.
Pensionskassen PA         26%                    63%                     11%

                                                                                 Gemessen an der Anzahl Versicherter ergeben sich
Pensionskassen OA             34%               35%                31%
                                                                                 für die verschiedenen Kategorien von Pensions­
          SGE PA          26%                          74%
                                                                                 kassen und Primat nur geringe Verschiebungen.
                                                                                 29 (30) Prozent aller Destinatäre sind für alle Leistun­
          SGE OA                42%                        47%           11%     gen gemäss Beitragsprimat versichert, 63 (62) Pro­
                     0   10     20    30   40   50    60     70   80   90 100    zent für die Risikoleistungen im Leistungsprimat
                     ■ Beitragsprimat für alle Leistungen
                                                                                 und für die Altersleistungen im Beitragsprimat und
                     ■ Beitragsprimat für Altersleistungen /                     9 (9) Prozent im reinen Leistungsprimat.
                     ■ Leistungsprimat für Risikoleistungen
                     ■ Leistungsprimat für alle Leistungen
                                                                                 Das Leistungsprimat für alle Leistungen ist vor allem
                                                                                 bei den Pensionskassen mit einem öffentlich-recht­
                                                                                 lichen Arbeitgeber (OA) anzutreffen und gilt dort
                                                                                 immer noch für 31 (36) Prozent der Destinatäre. Der
                                                                                 Rückgang ist beträchtlich, folgt aber dem allge­
                                                                                 meinen Trend. Bei den Kassen mit privatrechtlichem
                                                                                 Arbeitgeber (PA) sind es noch 11 Prozent.

                                                                                 Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen mit pri­
                                                                                 vatem Arbeitgeber weisen in keinem Falle mehr
                                                                                 das reine Leistungsprimat auf, bei jenen mit öffent­
                                                                                 lichem Arbeitgeber sind es 11 Prozent.

                                                                         Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   23
2         Flexible Pensionierung

Abbildung A-2: Entwicklung des frühestmöglichen Rücktrittsalters bei Männern

     Anteile in % der Vorsorgeeinrichtungen                             Die ermittelten Zahlen für das frühestmögliche
70
                                 63     63     63     65   63     65
                                                                        Rentenalter für Männer zeigen seit fünf Jahren kei­
60                 58     58
                                                                        nen erkennbaren Trend für eine Änderung an.
50          48
     45
     45
                                                                        ­Weiterhin dominiert mit rund zwei Dritteln Anteil
40          44     36     36
                                 31     33     33     31   33     31     das Alter 58. 60 Jahre findet bei einem weiteren
30
                                                                         knappen Drittel Anwendung, das Alter 59 trifft man
20
10
                                                                         nur noch in wenigen Kassen. Im Rahmen der vom
     5       5     4             3                    3    3      3
                          2             2      2
 0                                                                       Volk verworfenen Abstimmung zur Altersvorsorge
 2010      2011   2012   2013   2014   2015   2016   2017 2018   2019    2020 war ein Mindestalter von 60 Jahren vorge­
     ■ Frühestmögliches Rücktrittsalter Männer 58 Jahre                  sehen. Es ist absehbar, dass diese untere Limite bei
     ■ Frühestmögliches Rücktrittsalter Männer 59 Jahre                  der nächsten BVG-Revision wieder zur Diskussion
     ■ Frühestmögliches Rücktrittsalter Männer 60 Jahre
                                                                         gestellt wird.

24       Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019
3         Wahlmöglichkeit für Sparpläne

Abbildung A-3: Wahlmöglichkeit für Vorsorgepläne (Sparplan)

     in % der Vorsorgeeinrichtungen mit Wahlmöglichkeiten                         Eine wachsende Zahl von Vorsorgeeinrichtungen
     zwischen den Vorsorgeplänen (Sparplan)
                                                                                  bietet heute den Versicherten die Wahl zwischen
60
                                                       54                         unterschiedlichen Sparplänen an. Gesamthaft sind
                                                                       50
50
              44             43                   44                              es 44 (Vorjahr 42) Prozent. Im Jahre 2012 waren
                                         41
40                                                                                es noch lediglich 19 Prozent.
30
                                                                                  Ein starker Anstieg ist in der jüngeren Vergangen­
20       19
                        16          15                                            heit insbesondere bei den Kassen öffentlich-recht­
10                                                                                licher Arbeitgeber festzustellen. Hier nahm der An­
 0
                                                                   *              teil innerhalb der letzten zwei Jahre von 31 auf
      Alle Vorsorge-   Pensions-   Pensions-      SGE PA           SGE OA
     einrichtungen     kassen PA   kassen OA                                      heute 41 Prozent zu.
     ■ 2012        ■ 2018                      * Keine Auswertung, da nur 10 VE

                                                                                  Klar an der Spitze liegen die am Markt aktiven
                                                                                  Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGE)
                                                                                  mit 60 Prozent, während der gesamte Bereich der
                                                                                  SGE privater Arbeitgeber (SGE PA) auf 54 Prozent
                                                                                  kommt und jener mit öffentlichem Arbeitgeber
                                                                                  (SGE OA) auf 50 Prozent.

                                                                         Swisscanto Vorsorge AG – Schweizer Pensionskassenstudie 2019   25
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