Shoppingtempel mit Grünoase am Dach - MAHÜ 10-18

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Shoppingtempel mit Grünoase am Dach - MAHÜ 10-18
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                                                             VON A N D R É EX N ER

     Shoppingtempel mit
     Grünoase am Dach
     Signa will mit dem neuen Kaufhaus im Leiner-Gebäude auf der „Mahü“
     ein SHOPPINGERLEBNIS für alle Sinne bieten. Das Megaprojekt soll
     beweisen, dass der stationäre Handel noch lange nicht am Ende ist.
                    llzu oft kommen Häuser       die KaDeWe Group mit dem berühmten

        A
                    in den besten Wiener         Haus in Berlin zu Signa gehört. Mittler-
                    Lagen nicht unter den
                    ­                            weile ist das aber gar nicht mehr sicher,
                    Hammer. Und wenn ein         es scheint fast eher auf eine andere
                    Objekt in Gehweite zur       Trade­mark hinauszulaufen.
     Ringstraße den Besitzer wechselt, ist so-      Was seit dieser Woche feststeht, ist
     fort klar, was dort passiert. Denn egal,    das Siegerprojekt, das sich im Wettbe-
     ob die Sache mit der Abrissbirne oder       werb zwischen vier namhaften interna­
     mit Baugerüsten beginnt, sie endet in       tionalen Architekturbüros durchsetzen
     der Regel mit einem Luxuswohnhaus –         konnte. Es heißt „The Link“ und be-
     höchstens in Ausnahmefällen werden          schreibt damit die Idee, durch Schaffung
     auch mal Büroflächen oder ein Hotel der     einer neuen Gasse zwischen Kaufhaus,
     Kategorie „fünf Sterne plus“ in solchen     angrenzendem Hotel und Museums-
     Objekten errichtet. Denn Wohnen ist         Quartier einen Lagebonus herauszuho-
     nun mal jenes Segment auf dem boo-          len und so die Besucherfrequenz – und
     menden Wiener Immobilienmarkt, in           letztlich den Flächenumsatz – zu stei-
     dem sich die raschesten und lukrativsten    gern. Der Entwurf stammt von OMA
     Verwertungserfolge erzielen lassen.         (Office for Metropolitan Architecture)
        Beim Leiner-Haus auf der Mariahil-       rund um den niederländischen Star­
     fer Straße direkt neben dem Museums-        architekten Rem Koolhaas. Im Sommer
     Quartier hat der Eigentümer aber ganz       2021 soll der Bau zu dessen Umsetzung
     andere Pläne: Der Immobilienkonzern         beginnen.
     Signa, der in Wien derzeit ebenfalls mit
     einer Reihe von riesigen Wohn-, Büro-       RISIKO MIT KALKÜL. Der Erfolg ist aber
     und Hotelprojekten aktiv ist, will es in    noch nicht programmiert: Hört man
     diesem Fall offenbar genau wissen und       sich in der Wiener Immobilienszene um,
     nimmt zusammen mit seinem Partner,          mutet der Plan – vorsichtig formuliert –
     dem asiatischen Einzelhandels-, Immo-       als gewagt an. Denn nicht ohne Grund
     bilien- und Gastronomiekonzern Cen­         ist die Rede vom schleichenden Nieder-
     tral Group, einen mittleren dreistelligen   gang der durch den E-Commerce unter
     Millionenbetrag in die Hand – mit dem       Druck stehenden Einkaufsstraßen und
                                                                                             FOTO: BJARKEINGELSGROUP

     erklärten Ziel, in Wien ein neues Kauf-     Kaufhäuser. Ein riesiges Kaufhaus auf
     haus nach dem Vorbild großer Namen          einer Einkaufsstraße zu errichten,
     der Vergangenheit zu errichten.             scheint ein ziemliches Risiko zu sein.
        Wobei der Name des künftigen Kon-        Christoph Stadlhuber, Geschäftsführer
     sumtempels noch nicht feststeht. Bisher     der Signa, zeigt sich dennoch überzeugt:
     war die Rede vom KaDeWe Wien, weil          „In der Gründerzeit waren die

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IN
KOOPERATION
        MIT

                          DACHGARTEN FÜR
                       ALLE. Das neue, von der
                     KaDeWe Group betriebene
               Kaufhaus wird Zonen umfassen,
               die auch abends zugänglich sind.
                   Das Nachbargebäude wird zu
                    einem neuen Hotel mit rund
                                 160 Zimmern.

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        „WIR SCHAFFEN WIEDER EIN TRADITIONS-
       WARENHAUS, DAS DIESER STADT WÜRDIG IST“
               CHRISTOPH STADLHUBER, Geschäftsführer von SIGNA, will kein
           Luxuskaufhaus, sondern ein neues Einkaufserlebnis für Wien schaffen.
     TREND: Warum hat sich Signa statt          Wird das Haus KaDeWe Wien heißen?            auch öffentlich zugänglich zu machen –
     eines Architekturwettbewerbs für ein       Oder plant Signa Retail eine Art Flag­       mit Bars, Cafés und Restaurants, die
     Wettbewerbsverfahren mit internatio-       shipstore für seine österreichischen         auch außerhalb der Öffnungszeiten des
     nalen Architekturbüros entschieden?        Brands wie kika oder Leiner?                 Kaufhauses Gäste empfangen. Eine
     CHRISTOPH STADLHUBER: Wir er­                  Die KaDeWe Group ist die operative       gänzlich „konsumfreie“ Zone wird es
     richten das größte innerstädtische Im­     Einheit. Der Name wird erst festgelegt.      ebenfalls geben, damit jeder den Dach­
     mobilienprojekt in Wien – insgesamt        Zuerst war unsere Überlegung, einen          garten genießen kann. Der Mietermix
     rund 20.000 Quadratmeter Verkaufs­         traditionellen Namen wiederzubeleben,        ist im Detail noch nicht entschieden,
     fläche. Das bringt eine sehr große ge­     das ist aber nicht zwingend: Der Name        wir sind mit vielen Brands in Kontakt –
     sellschaftliche Verantwortung mit sich.    ist nicht das Wesentliche. Was die           auch mit solchen, die noch nicht in
     Daher haben wir uns genau überlegt,        Flagshipstore-Thematik betrifft: Im          Wien vertreten sind. Das Hotel ist als
     was wir erreichen möchten: Wir bauen       Haus war schon ein Leiner, und natür­        urbanes Lifestyle-Haus geplant.
     hier in sehr prominenter Lage ein Haus     lich wird man in einem innerstädti­
     für die nächsten 100 Jahre und möch­       schen Warenhaus auch in Zukunft Bett­        Das Umfeld für den stationären Handel
     ten dem Stadtbild etwas hinterlassen.      wäsche oder Geschirr kaufen können.          ist durch E-Commerce besonders her-
     Natürlich gab es Druck von Interessen­     Wir wollen kein Luxuswarenhaus, son­         ausfordernd. Ist das Investment in
     vertretungen, einen großen Architek­       dern bewusst ein Traditionswarenhaus         Wien gut angelegtes Geld? Dieses Pro­
     turwettbewerb zu machen. Uns war es        für die Wienerinnen und Wiener und           jekt ist auch ein klares Signal: Wir sind
     lieber, ein Statement mit internationa­    natürlich auch für Touristen errichten.      „Überzeugungstäter“ und glauben an die
     ler Architektur zu setzen. Außerdem hat    Daher werden wir auch mit lokalen            Zukunft des stationären Handels, gerade
     in Österreich niemand Warenhauser­         Brands und Designern aus der Um­             an den besten Standorten – wie an die­
     fahrung – denn das ist etwas ganz an­      gebung bzw. aus Wien kooperieren.            sem besonderen Platz. Im Einzelhandel
     deres als ein Shoppingcenter. Um diese                                                  heißt das Thema heute aber längst nicht
     intensive Erfahrung und Umsetzungs­        Wie wird der Mietermix aussehen?             mehr „stationär oder online“: Man muss
     qualität zu erhalten, die bei der Kon­     Wird es neben Shops auch Gastrono-           alle Vertriebskanäle bespielen und einen
     zeption dieses Projektes unerlässlich      mie geben? Wir planen eine Dachland­         Multichannel-Ansatz fahren. Es gibt
     sind, mussten wir internationale Ex­       schaft mit mehr als 7.000 Quadratme­         Kunden, die im Shop ein Kleidungsstück
     perten beauftragen.                        tern Fläche und einem einzigartigen          anprobieren und es sich dann online in
                                                Ausblick auf die Innenstadt. Es ist da­      einer anderen Farbe liefern lassen; aber
     Signa nimmt bei diesem Projekt einen       her ein wichtiger Teil des Konzeptes,        auch Kunden, die etwas online bestellen
     mittleren dreistelligen Euro-Millionen-    diesen Dachbereich zu integrieren und        und im Shop austauschen. Außerdem ist
     betrag in die Hand. Was sind die beson-                                                 das Geschäft das Aushängeschild der
     deren Herausforderungen bei diesem                                                      Marke und stärkt die Kundenbindung.
     Bau? Wir befinden uns in einer Schutz­                                                  Dass selbst ein E-Commerce-Riese wie
     zone, und ein Teil der Fassade darf                                                     Amazon stationäre Stores eröffnet,
     nicht abgebrochen werden. Dazu                                                          kommt nicht von ungefähr.
     kommt, dass die Erschließung aus der
     Fußgängerzone in der Mariahilfer Stra­                                                  Was ist das langfristige Ziel? Was soll
     ße passiert. Die Kunden werden aber                                                     das neue Kaufhaus letzten Endes errei-
     mit allen Verkehrsmitteln kommen                                                        chen? Was viele heute nicht mehr wis­
     können: Wir wollen einen Mobilitäts­                                                    sen: In der Gründerzeit waren die Wie­
     hub im Haus schaffen. Das heißt, es                                                     ner Kaufhäuser auf einem Niveau mit
     wird E-Auto-Tankstellen und Plätze für                                                  Paris oder London. Dass heute davon
     Lastenfahrräder geben, ebenso wird die                                                  höchstens ein paar Namen übriggeblie­
     Garage mit rund 300 Stellplätzen blei­                                                  ben sind und ein richtiges großes Kauf­
     ben. Die Warenanlieferung zu lösen, ist      ZUR PERSON. CHRISTOPH                      haus mit Stil fehlt, schmerzt mich auch
     eine weitere große Herausforderung:          STADLHUBER, 51, leitet Signa seit fast     als Wiener persönlich. Das wollen wir
     Riesige Ladehöfe, wie bei Kaufhäusern        einem Jahrzehnt. Zuvor war er Chef der     ändern: Wir werden wieder ein Traditi­
     sonst üblich, sind in einer innerstädti­     Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die    onswarenhaus schaffen, das dieser Stadt
     schen Struktur nicht möglich.                den Immo-Bestand der Republik verwaltet.   würdig ist.

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Wiener Kaufhäuser auf
                                               ­                                                                                     Signa-Kaufhaus, so lautet
                                         e­inem Niveau mit Paris oder                                                                die Vision. Dass Immobilien­
                                          London. Dass heute davon                                                                   entwicklung einen Standort
                                          höchstens ein paar Namen                                                                   mit neuem Leben erfüllen
                                          übrig geblieben sind und ein
                                          ­                                                                                          und zum Brand machen
                                          richtiges großes Kaufhaus mit                                                              kann, hat Signa mit dem
                                          Stil fehlt, schmerzt mich als                                                              „Goldenen Quartier“ in der
                                          Wiener persönlich. Das wollen                                                              Wiener Innenstadt bewie­
                                          wir ändern: Wir schaffen wie­                                                              sen. Auch im Kaufhaus­
                                       der ein Traditionswarenhaus,                                                                  bereich gibt es dafür inter­
                                       das dieser Stadt würdig ist“                                                                  nationale Vorbilder: La
                                       ­(Interview links).                                                                           Rinascente in Italien, Le
                                                                                                                                     ­
                                             Der von René Benko ge­                                                                  Bon Marché und Printemps
                                         gründete Immobilienkonzern                                                                  in Frankreich, Selfridges, das
                                         ist ein Privatunternehmen ge­                                                               größte Kaufhaus auf Lon­
                                         blieben – trotz eines Immobili­                                                             dons teuerster Shopping­
                                        enportfolios im Wert von mehr                                                                meile, der Oxford Street. All
                                        als 18 Milliarden Euro (Ent­                                                                 diese Häuser sind mindes­
                                         wicklungsprojekte nicht einge­                                                              tens so bekannt wie die Pro­
                                         rechnet) und einer Handels­                                                                 duktmarken, die dort ange­
                                         sparte, die 7,2 Milliarden Euro                                                             boten werden. Der Name des
                                       Umsatz im Jahr erwirtschaftet.                                                                Londoner Kaufhauses Har­
                                        Daher muss Stadlhuber Ent­                                                                   rods ziert teure Damen-Bags.
                                        scheidungen nur mit Benko                                                                    Und die Pariser Galeries
                                        und dessen Koaktionären, dar­         „Es wird ein Ort geschaffen, der dem                   Lafayette kann man auch als
                                        unter bekannte Einzelhandels­          Verweilen, der Erholung, dem Ein-                     T-Shirt tragen.
                                        profis wie Fressnapf-Gründer          kaufen und der Kultur gewidmet ist.“                       Diesen Einkaufstempel
                                        Torsten Toeller, allenfalls noch                                                             an den Pariser Champs-
                                                                                        EL KE DE LUG A N - M E I S S L
                                        mit dem Aufsichtsrat, dem                       VORSITZ END E D ER FACHJURY
                                                                                                                                     Élysées hat unlängst Bjarke
                                        Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer                                                                 Ingels aus Dänemark revita­
                                        vorsteht, abklären. Hinter dem                                                               lisiert, der auch zu den vier
                                        Megainvestment, bei dem Österreichs der Umgebung und Shopping als Erleb­ renommierten europäischen Architek­
                                        größte innerstädtische Baustelle entste­ nis. Und: „Wir befinden uns in direkter turbüros zählte, die von Signa im Mai
                                        hen wird, steckt also kein Größenwahn, Nachbarschaft zum größten Museums­ zum mehrstufigen Wettbewerbsverfah­
                                        sondern Kalkül. Immerhin betreibt verband Europas: Warum nicht auch ren für das neue Kaufhaus in der Maria­
                                        ­Signa erfolgreich Luxuskaufhäuser wie Kunst in das Konzept integrieren?“, hilfer Straße eingeladen wurden. Ingels
                                         eben das KaDeWe auf dem Kurfürsten­ fragt Stadlhuber. Noch sei nichts ent­ baut zudem die neue Zentrale für
                                         damm, das Alsterhaus in Hamburg oder schieden, fix sei einzig, dass das Haus ­Google, das „Googleplex“ in Kalifornien.
                                         den Oberpollinger in München. Und selbst zur Marke werden soll.                 René Benko ließ sich nicht lumpen und
                                         wer diese Häuser mit jeweils mehr als                                           holte die Crème de la Crème für sein
                                         hundert Jahren Historie kennt, weiß DAS KAUFHAUS ALS MARKE. Früher Prestigeprojekt. Zwei weitere erwiesene
                                         genau: kein Shop, keine Fläche, die ging man in den Gerngross, heute zum Kenner ihres Fachs gaben ihre Pläne
                                         nicht ständig im Wandel wäre. Wo frü­ Media Markt – und künftig ins neue zum Thema „Das Kaufhaus als Brand
                                         her Fernseher verkauft wurden, befin­                                           im 21. Jahrhundert“ ab. Der deutsch-ira­
                                         den sich heute Food-Courts mit gesun­
                                         den Menüs; wo früher große Mode­            Ein Kaufhaus der                    nische Architekt Hadi Teherani etwa
                                                                                                                         entwarf das mit prominenten Immobi­
                                         ketten karierte Hemden feilboten,              Superlative                      lien-Awards überhäufte – und von Sig­
                                         haben junge Designer und In-Brands                                              na-Koaktionär Hans Peter Haselsteiners
                                         das Ruder übernommen.                     GRUNDSTÜCK: 7.500 Quadratmeter         Strabag errichtete – Bürohaus Tanzende
                                             „Wenn wir den aktuellen Flächen­      NUTZFLÄCHE GESAMT: ca.                Türme in Hamburg. Das norwegische
FOTOS: STEFAN GERGELY, PAUL KRANZLER

                                         bedarf im Handel ansehen, merken wir,     20.000 Quadratmeter, davon rund       Büro Snøhetta ist in Österreich für die
                                         dass große Shops zunehmend ausge­         30 Prozent Gastrolandschaft und       Architektur der Swarovski-Manufaktur
                                         dient haben: 2.000 bis 3.000 Quadrat­     konsumfreie Zone am Dach              in Wattens und international für die
                                       meter Verkaufsfläche, die früher Usus       KAUFPREIS: 60 Millionen Euro          neue Nationaloper Oslo bekannt.
                                       waren, will heute niemand“, sagt Stadl­     GESAMTINVESTITIONSSUMME:                  Gewonnen haben letzten Endes aber
                                         huber. Daher sind auch die Pläne in der   rund 400 Millionen Euro               OMA und Rem Koolhaas, der gerade
                                         Mariahilfer Straße ganz andere, als man   BAUBEGINN: Sommer 2021                das Berliner KaDeWe umbaut, ohne
                                         vermuten würde. Bei Signa plant man       ERÖFFNUNG KAUFHAUS: voraus-           ­dabei den laufenden Betrieb zu stören.
                                         Richtung Pop-up-Stores, Designer aus      sichtlich Herbst 2023                  Der Niederländer ist aber auch

                                                                                                                                                  40 /2 0 1 9 | T RE ND   45
Shoppingtempel mit Grünoase am Dach - MAHÜ 10-18
TREND
    WIRTSCHAFT

    IMMOBILIEN

          „Wir wollten ein                           ­abgesehen von dieser Signa-Connec-
                                                tion sicher der bekannteste der vier ein-
          Haus, das genau                       geladenen Architekten: In seinem Port-
                                                folio finden sich Ikonen der zeitgenössi-
           zu Wien passt“                       schen Architektur wie das „Haus mit dem
                                                Loch“, die Zentrale des Fernsehsenders
          ELLEN VAN LOON,                       CCTV in Beijing, sowie die Hauptbüche-
         OMA, über das Besondere                rei in der US-Metropole Seattle, deren
           an „THE LINK“.                       Form einem Stapel Büchern gleicht.
                                                   Die Fachjury war von allen Einrei-
         TREND: OMA (Office for Metro-          chungen angetan, hebt aber das Sieger-
         politan Architecture) hat sehr         projekt hervor: „Es wird ein ebenso at-
         ­viele Projekte zugleich. Wie groß     traktives Angebot für das angestrebte
          war der Aufwand für „The Link“?       Warenhaus des 21. Jahrhunderts in
          ELLEN VAN LOON: Wir haben             Wien gemacht, wie auch ein Ort ge-
          rund drei Monate an den Entwür-       schaffen, der dem Verweilen, der Erho-
          fen gearbeitet. Zunächst haben wir    lung, dem Einkaufen und in Verbindung
          aber überlegt, wie ein Gebäude        mit dem MuseumsQuartier auch der
          wie dieses in Wien aussehen soll.     Kultur gewidmet ist“, sagt die Juryvor-
          Denn wir wollten ein Haus, das        sitzende Elke Delugan-Meissl, Chefin
                       genau zu Wien passt      von Delugan Meissl Associated Archi-
                       und nicht auch in        tects (DMAA), einer der bekanntesten
                       Shanghai oder wo         Namen in der österreichischen Archi-
                       immer stehen könnte.     tekturlandschaft. „Ein durchdachtes
                                                Nachhaltigkeitskonzept, eine öffentlich
                    Sind jene Erfahrun-         begehbare, begrünte Dachfläche sowie
                    gen, die OMA im             ein überzeugender Umgang mit der his-
                    ­KaDeWe Berlin ge-          torischen Bestandsfassade – flankiert
                     sammelt hat, auch in       von neuen Eingängen – machen den
                     den Wiener Entwurf         Entwurf zu einem echten Gewinn für die
                     geflossen? Ich war         Stadt Wien.“
     NEU IN
                     oft in Berlin und habe                                                 „klassisch-retro“ bis „futuristisch-abge-
   WIEN. OMA-        die Dachterrasse des       FOYER ALS VISITENKARTE. Das OMA –           hoben“ (siehe rechts). Ein Shopping-
 Architektin Ellen   KaDeWe immer als           Office for Metropolitan Architecture ist    palast endet eben nicht bei der Fassade.
 van Loon würde      sehr angenehm emp-         ein verdienter Sieger. Und die Argumen-     Vielmehr ist genau jener Raum, den
gern mehr Projekte
                     funden: Das ist das        te des Siegerteams klingen überzeugend      man als Besucher zum ersten Mal be-
in Wien umsetzen.
                     einzige mir bekannte       (siehe Interview links). Die anderen drei   tritt, der wichtigste Ort: Das „Auge“, wie
                     Warenhaus, wo man          Teilnehmer des Wettbewerbsverfahrens        Insider das Foyer eines großen Kaufhau-
        nicht unbedingt shoppen muss,           haben aber ebenfalls Entwürfe abgelie-      ses nennen, ist jener Platz, von dem aus
        um sich wohlzufühlen. Das war           fert, die vollgepackt mit guten Ideen       sich die gesamte Definition des Objektes
        bestimmt eine Inspiration.              sind. Begrünte oder glitzernde Fassaden,    erschließt. Bereits dort muss ein Besu-
                                                Rolltreppen, die sich wie auf dem           cher am besten das gesamte Warensorti-
         Das ist das erste OMA-Projekt in       berühmten Bild des niederländischen
                                                ­                                           ment erkennen. Es geht um Emotionen,
         Österreich. Haben Sie nun weitere      Grafikers M. C. Escher ineinander zu
                                                ­                                           die mit durchdachtem Design perfekt
         am Radar? Wir haben uns immer          verschlingen scheinen, Arkadengänge         unterstützt werden können.
         schon für Wien interessiert – also     und Schleichwege, um das Kaufhaus mit
         ja! Aber das erste Projekt in einem    dem MuseumsQuartier zu verbinden.           PLÄDOYER FÜR DAS KAUFHAUS. Ziel-
         Land ist immer etwas Besonderes,       Besonders auffällig ist, wie passgenau       punkt, Schlecker, Cosmos: In den
         weil man mit ganz frischen Gefüh-      die denkmalgeschützte Fassade des           v­ergangenen Jahren haben rund
         len an die Arbeit herangeht.           Kaufhauses Richtung Mariahilfer Stra-        10.000 Menschen in der österreichi-
                                                ße bei sämtlichen Konzepten integriert       schen Handelsbranche ihren Arbeits-
         OMA hat viele Architekturpreise        wurde. Der beste Beweis, dass sich Alt       platz verloren. Und der „Wandel im Han-
         gewonnen. Verdient „The Link“          und Neu harmonisch verbinden lassen –        del“ ist noch lange nicht vorbei, wie der
         einen Preis? Auf jeden Fall! Uns       wenn man genau überlegt, wie das gelin-      Ausstieg internationaler Marken wie Van
         war die Idee wichtig: Reine Kom-       gen kann.                                    Graaf und Bik Bok aus Österreich zeigt,
         merzflächen finde ich nicht inter-        Auch bei der Gestaltung des Innen-        aber auch so manche Insolvenz wie zu-
         essant – deswegen haben wir nicht      raumes haben die Architekten ihre            letzt bei mister*lady oder Jones. Das Ein-
         dasselbe gemacht, was auf der          eigenständigen Visitenkarten auf den
                                                ­                                            kaufsverhalten verändert sich massiv –
         Mariahilfer Straße sonst üblich ist.   Tisch gelegt; die Entwürfe reichen von      aber das bekommen nicht nur die statio-

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Shoppingtempel mit Grünoase am Dach - MAHÜ 10-18
Retrostil und Stadion am Dach: drei
                                                                                                        gute Entwürfe, die nicht zum Zug kamen
                                                                                                                                     BJARKE
                                                                                                                                     INGELS. Eine
                                                                                                                                     Fassade im
                                                                                                                                     trendigen
                                                                                                                                     Retro-Look:
                                                                                                                                     Dieser Entwurf
                                                                                                                                     sieht eine
                                                                                                                                     Hofpassage
                                                                                                                                     Richtung Muse-
                                                                                                                                     umsQuartier vor.
                                                                                                                                     Der Teil des
                                                                                                                                     Gebäudes für das
                                                                                                                                     Hotel ist markant
                                                                                                                                     anders gestaltet –
                                                                             BESSERE LAGE                                            und doch ins
                                                                             SCHAFFEN. Lage,                                         Design integriert.
                                                                             Lage, Lage sind die drei
                                                                             wichtigsten Faktoren
                                                                             im Immobilienge-
                                                                             schäft. Signa wertet die
                                                                                                                                     SNØHETTA. Ein
                                                                             bestehende Lage auf,
                                                                             indem der Plan des                                      Stiegenhaus wie
                                                                             Siegers OMA eine neue                                   aus M. C. Eschers
                                                                             Verbindung Richtung                                     bekanntem Werk
                                                                             MuseumsQuartier                                         direkt im „Auge“
                                                                             vorsieht, die zum Fla-
                                                                             nieren und zur Einkehr                                  des Gebäudes ist
                                                                             in das neue Kaufhaus                                    wohl das promi-
                                                                             animiert.                                               nenteste Stilmittel
                                                                                                                                     der norwegischen
                                                         nären Geschäften, sondern immer mehr
                                                                                                                                     Stararchitekten.
                                                         auch die Onlinehändler zu spüren. So
                                                                                                                                     Doch auch das
                                                         lautet gerade in London, wo im 18. Jahr-
                                                                                                                                     Dach mit seinem
                                                         hundert das erste Warenhaus der Welt
                                                                                                                                     an ein UFO
                                                         eröffnet wurde und auch heute noch die
                                                                                                                                     erinnernden
                                                         meisten Traditionskaufhäuser stehen,
                                                                                                                                     Aufbau ist
                                                         die Devise neuerdings wieder: „Weg vom
                                                                                                                                     auffällig anders.
                                                         E-Commerce und zurück in die Läden“.
                                                         Denn gerade die Generation der Millen-
                                                         nials kann mit der „Geiz-ist-geil-Menta-
                                                         lität“ ihrer Eltern wenig anfangen und                                      HADI TEHERANI.
                                                         pflegt außerdem einen bewusst nach­                                         Ein Stadion mitten
                                                         haltigen Lifestyle, bei dem Umweltver-                                      auf der „Mahü“?
                                                         schmutzung, die durch lange Lieferket-                                      Nein – das ist der
FOTOS: WOLFGANG WOLAK, OMA (2), SNOHETTA, HADITEHERANI

                                                         ten verursacht wird, verpönt ist.                                           Dachaufbau des
                                                             Kika/Leiner hat die Turbulenzen im                                      Entwurfs von Hadi
                                                         Einzelhandel dank der Übernahme                                             Teherani. Die
                                                         durch Signa überlebt. Trotzdem ist eini-                                    spezielle Beleuch-
                                                         germaßen überraschend, dass im be-                                          tung, verbunden
                                                         kannten Leiner-Haus auf der Wiener                                          mit den Licht­
                                                         Mariahilfer Straße auch in Zukunft noch                                     effekten, die sich
                                                         Einzelhandelsjobs vergeben werden. Die                                      aus dem benach-
                                                         Toplocation hätte sich auch für andere                                      barten Hotel
                                                         Nutzungen geeignet. Aber Signa errich-                                      ergeben, macht
                                                         tet eine Shoppingoase mit Blick über                                        dieses Konzept
                                                         die Wiener Innenstadt. Offensichtlich                                       bemerkenswert.
                                                         glaubt man wirklich daran, dass Totge-
                                                         sagte länger leben.

                                                                                                                                     4 0/2 01 9 | T RE ND   47
Shoppingtempel mit Grünoase am Dach - MAHÜ 10-18 Shoppingtempel mit Grünoase am Dach - MAHÜ 10-18 Shoppingtempel mit Grünoase am Dach - MAHÜ 10-18
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