SOP Schlaganfall Zeit haben wir? Wieviel - Pawel Kermer Abteilung für Neurologie Zentrum Neurologische Medizin Universitätsmedizin Göttingen - AG ...
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UMG-logo SOP Schlaganfall Wieviel Zeit haben wir? Pawel Kermer Abteilung für Neurologie Zentrum Neurologische Medizin Universitätsmedizin Göttingen
Übersicht Definition/Epidemiologie Anatomische Grundlagen/Klinik Notfallversorgung vor Ort Transport und Logistik Übergabe, Diagnostik & Therapie in der Notaufnahme Behandlung auf einer Stroke-Unit
Definition Akutes fokales neurologisches Defizit aufgrund einer Durchblutungsstörung (Durchblutungsmangel oder Blutung) des Gehirns Synonyme: Insult, Apoplex; engl.: stroke
Epidemiologie Häufigste neurologische Erkrankung Zweithäufigste Todesursache weltweit 2003 in Deutschland 75000 Todesfälle Inzidenz ca. 250/100.000 Einwohner (80% Ischämie, 20% Blutung) Häufigste Ursache für dauerhafte Behinderung Teuerste Krankheit in den Industrieländern Steigende Inzidenz mit Lebensalter Prognose: 24% der Patienten versterben im 1. Monat; 42% im ersten Jahr Ein Jahr nach dem Infarkt benötigen noch 15% der Betroffenen eine Langzeitbetreuung
Ursachen Beeinträchtigte Blutzufuhr Gehirnblutung (ca. 80%) (ca. 15%) ¾ Verschluss durch ein ¾ Zerreißen kleiner Blutgefäße Blutgerinnsel (z.B. aus dem (Arterien) im Gehirn Herzen oder den großen, zum ¾ Zerreißen angeborener Gehirn führenden Gefäßen) Gefäßaussackungen an der ¾ Verdickung der Gefäßwände Hirnbasis mit Blutung um das durch Gefäßverkalkung Gehirn herum ¾ Einreißen der inneren Gefäßwand (z.B. nach Unfällen oder chiropraktischen Gestörter Blutabfluss Manövern) (ca. 5%) ¾ Reduzierte Pumpleistung des Herzens ¾ Verschluss von Hirnvenen
Blutversorgung des Gehirns Acomm MCA ACA ICA Pcomm PCA Rami ad SCA pontem BA AICA VA ACA: Art. cerebri anterior Acomm: Art. communicans anterior AICA: Art. cerebelli inferior anterior BA: Art. basilaris PICA ICA: Art. carotis interna MCA: Art. cerebri media PCA: Art. cerebri posterior Pcomm: Art. communicans posterior PICA: Art. cerebelli inferior posterior SCA: Art. cerebelli superior VA: Art. vertebralis
Symptome einer transienten ischämischen Attacke (TIA) Akutes Auftreten von Hemiparese, Hemiparästhesie Dysarthrie, Aphasie Doppelbilder Perioraler Taubheit Amaurosis Dauer: 50 % < 30 min; 9,7 % 30-60 min Wenn > 60 min: nur 13,8 % Symptomrückbildung Levy DE, Neurology 1988;38:674- 1988;38:674-677.
(Re)-Infarktrisiko nach TIA oder Schlaganfall Nach Schlaganfall: 90-Tage Schlaganfallrisiko 2-7 % Nach TIA: 7-Tage Schlaganfallrisko 4,2 % 30-Tage Schlaganfallrisiko 6,3 % 90-Tage Schlaganfallrisiko 10-20 % "ministroke", "transient stroke", "warning stroke"
Pathophysiologie des Schlaganfalles
Pathophysiologie des Schlaganfalles
Das Konzept der Penumbra:„Time is Brain“ 40 Normale Funktion Vitales Gewebe 30 Penumbra Funktionsstörung 20 CBF (ml/100g/min) Einzelzell- Infarkt 10 nekrosen Membran- funktions- störung 0 0 30 60 90 120 min 4 5 6 24 48 h
"Time is brain" Progression irreversibler neuronaler Schädigungen ...fast von Gö nach Paris!!! Saver J. 2006. Stroke. 2006;37:263-266.
Notfallversorgung - Symptome • Plötzlich: ein unvermittelt ("schlagartig") einsetzender Ausfall bestimmter Funktionen des Gehirns • Halbseitig • Symptome: ¾ Sehstörung (einäugige Blindheit, Gesichtsfeldausfälle, Doppelbilder) ¾ Motorische und sensible Ausfälle: Lähmungserscheinungen und/oder Taubheitsgefühl auf einer Körperseite (vollständig oder teilweise) ¾ Herabhängender Mundwinkel ¾ Sprach- und Sprechstörungen ¾ Unfähigkeit, Gesprochenes zu verstehen, zu lesen, zu rechnen • In jedem Alter möglich!
Notfallversorgung - Problem Beeinträchtigte Blutzufuhr Einblutung in das zum Gehirn (~80%) Gehirngewebe (~15%)
Notfallversorgung – Checkliste A. 4 Kriterien für Kommunikation mit der Klinik 1. Stunden seit Ereignis 2. Bewußtseinstrübung 3. Alter 4. Einnahme gerinnungshemmender Medikamente B. Zielkrankenhaus intensivpflichtig? Möglichkeit zur Thrombolyse < 2 Std. stroke unit mit iv-Thrombolyse < 4 Std. stroke unit mit iv- und ia-Thrombolyse C. telefonische Voranmeldung vorallem, wenn Ereignis < 4 Std. zurückliegt. D. Behandlung gemäß Richtlinien E. Listen der Telefonnummern
Notfallversorgung Arztbegleiteter Transport des Patienten bei Jedem akuten Schlaganfall innerhalb des 4,5-Stunden Zeitfensters Bei progredienter oder wechselnder Symptomatik auch außerhalb des Zeitfensters Bewusstseinsstörungen Rezidivierende oder anhaltende Krampfanfälle Atemstörungen, Kreislaufinstabilität Schluckstörungen / Aspirationsgefahr Heftiger Kopfschmerz in der Anamnese (DD SAB) Bei Patienten mit Sprachstörungen und psychischen Störungen, die innerhalb des Zeitfensters von 4,5 Stunden in ein Krankenhaus transportiert werden können, sollten nach Möglichkeit nahe stehende Angehörige den Patienten unmittelbar in die Klinik begleiten.
Notfallversorgung – vor Ort und auf Transport 1. Allgemeine Regeln des Rettungsdienstes Vitalparameter, GCS, Intubationspflicht? 2. Schutz der gelähmten Seite Æ O2-Sättigung, RR-Messung auf gesunder Seite 3. Falls vom RR her möglich Æ Transport mit 30-45 Grad Oberkörperhochlagerung 4. Kreislauf
Kreislauf Ziel: optimaler zerebraler Perfusionsdruck 80% der strokes ischämischer Natur Æ RR-Werte bis 200 mmHg systolisch und 120 mmHg diastolisch akzeptabel Cave: ACS, Herzinsuffizienz Mittel d. 1. Wahl: Urapidil fraktioniert iv. Æ 180 mmHg systolisch keine Erweiterung der Hirngefäße Æ keine Erhöhung d. Hirndrucks Vermeidung von Nitro-Präparaten und Ca-Antagonsiten wg. Steal-Effekten RR-Werte zw. 120 und 160 mmHg syst. regelmäßig kontrollieren RR-Werte
Blutdrucksenkung in der Akutphase The Intravenous Nimodipine West European Trial (INWEST) INWEST Blutdruck Outcome 170 Plazebo 1 mg/h 2 mg/h 70 60 Blutdruck (mmHg) 160 50 Barthel Score 40 150 30 140 20 10 130 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 0 4 8 12 16 20 24 Tage nach Einschluss Wochen nach Einschluss • Placebo-Gruppe hatte bestes funtionelles Outcome • Gruppe mit stärkster initialen RR-senkung hatte das schlechteste Outcome Cerebrovasc Dis 1994;4:204-10
Controlling hypertension and hypotension immediately post-stroke (CHHIPS): a randomised, placebo-controlled, double-blind pilot trial CHHIPS Screening Randomisierung 14d follow-up 3m follow-up Placebo, n=63 Schlaganfall Primärer Endpunkt Sekundärer Endpunkt Lisinopril, n=58 RRsys>160mmHG Tod oder (mRs>3 Tod Labetalol, n=58 • n=179, RR:181/95 • NIH-SS: 9 • keine neurol. Verschlechterung in aktiven Behandlungsarmen nach 72h • Senkung von 10mmHg RRsys in aktiven Behandlungsarmen Lancet Neurol 2009; 8:48-56
14d und 3m Ergebnisse CHHIPS • nach 14d unterscheiden sich die Gruppen hinsichtlich dem primären Endpunkt "Unabhängigkeit" (mRs >3) nicht. • nach 3 Monaten war die Mortalität in der Gruppe der behandelten Pat. reduziert. Lancet Neurol 2009; 8:48-56
Notfallversorgung – vor Ort und auf Transport 1. Allgemeine Regeln des Rettungsdienstes Vitalparameter, GCS, Intubationspflicht? 2. Schutz der gelähmten Seite Æ O2-Sättigung, RR-Messung auf gesunder Seite 3. Falls vom RR her möglich Æ Transport mit 30-45 Grad Oberkörperhochlagerung 4. Kreislauf 5. Glukose grundsätzlich wird normoglykämischer Zustand angestrebt ABER: präklinisch keine Info über Elektrolythaushalt (Hypokaliämie) Æ präklinisch keine Insulingabe CAVE: Hypoglykämie kann jedes neurologische Defizit hervorrufen
Notfallversorgung – vor Ort und auf Transport 1. Allgemeine Regeln des Rettungsdienstes Vitalparameter, GCS, Intubationspflicht? 2. Schutz der gelähmten Seite Æ O2-Sättigung, RR-Messung auf gesunder Seite 3. Falls vom RR her möglich Æ Transport mit 30-45 Grad Oberkörperhochlagerung 4. Kreislauf 5. Glukose 6. Temperatur Fieber führt zur Produktion toxischer Stoffwechselprodukte und verschlechtert Prognose des Schlaganfalls Æ auch präklinisch Temperatursenkung durch physikalische Maßnahmen oder Medikamente (1g Paracetamol)
Notfallversorgung – vor Ort und auf Transport 1. Allgemeine Regeln des Rettungsdienstes Vitalparameter, GCS, Intubationspflicht? 2. Schutz der gelähmten Seite Æ O2-Sättigung, RR-Messung auf gesunder Seite 3. Falls vom RR her möglich Æ Transport mit 30-45 Grad Oberkörperhochlagerung 4. Kreislauf 5. Glukose 6. Temperatur 7. Blutgerinnung Abnahme von Notfall-Labor im RTW wünschenswert Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern oral oder iv (z.B. Aspisol) oder Heparin ist obsolet und muss unterbleiben! CAVE: ICB, hämorrhagische Transformation, KI für Lyse, ggf. KI für LP Eingriffsrisiko für evtl. notwendige Kraniotomie steigt
Akuter Schlaganfall Optimales Prozessmanagement Rettungsdienst informiert vom Einsatzort aus Notaufnahme Bildgebung Stroke Unit 30 40 50 60 Minuten Neurologe vor Ort! Diff. MRT/ MRA rtPA TEAM-Expertise Anamnese, Befund oder CCT Basistherapie Labor evtl. CTA, DSA Monitoring evtl. EKG, US evtl. RöThorax kompetente Diagnostik
Das Stroke Unit - Team Leiter der Stroke Unit Neuro- Kardio- Neuro- Para- Pflege- Neuro- Gefäß loge loge radiologe med. personal chirurg chirurg - immer - bei - bei Personal 8 bis 10 - bei - bei verfügbar Bedarf Bedarf Schw. Bedarf Bedarf verfügbar verfügbar verfügbar verfügbar Kranken- techn. Ergo- Sozial- Logopädie gymnastik Assistenz therapie arbeit
Behandlung auf einer Stroke Unit Stroke Unit und Überleben Stroke Unit und Lebensqualität
Behandlungsmöglichkeiten beim ischämischen Schlaganfall Akuttherapie Systemische Thrombolyse < 3h (-4,5h) Lokale Thromolyse < 6h ASS
Ergebnis der Thrombolyse mit rt-PA Einschränkung der Funktion (Rankin) Keine bzw. minimale Mittelgradige Schwere Tod (0-1) (2-3) (4-5) Plazebo, 3 Monate 26 25 27 21 Δ = 13 % rt-PA, 3 Monate 39 21 23 17 Plazebo, 12 Monate 28 24 21 28 Δ = 13 % rt-PA, 12 Monate 41 20 15 24 Prozentwerte NINDS-Studie, 1996
Akuter Schlaganfall - Therapie Selektive Kathederisierung Ergebnis nach lokaler Lyse
Akuter Schlaganfall - Therapie
Effektivität der i.v. Thrombolyse in Bezug auf Beginn der Therapie OR/NNT kombinierter Endpunkt (mRS≤1, NIHSS ≤1, BI≥95) 0–90 min: OR 2,8; NNT≈4 91-180 min: OR 1,5; NNT≈9 181-270 min: OR 1,4; NNT≈21 271-360 min: OR 1,2; NNT≈45 4,0 3,5 Adjustierte Odds ratio 3,0 NINDS 2,5 ECASS I + II 2,0 1,5 ATLANTIS 1,0 0,5 0 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 360 Dauer Schlaganfall - Beginn bis Behandlung (onset to treatment time, OTT) (min) Lancet 2004; 363: 768-74
Effektivität i.v. Thrombolyse nach Zeit OR/NNT kombinierter Endpunkt (mRS≤1, NIHSS ≤1, BI≥95) 0–90 min: OR 2,8; NNT≈4 91-180 min: OR 1,5; NNT≈9 181-270 min: OR 1,4; NNT≈21 271-360 min: OR 1,2; NNT≈45 4,0 3,5 3-4.5 h Adjustierte Odds ratio 3,0 ECASS III 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 360 Dauer Schlaganfall - Beginn bis Behandlung (onset to treatment time, OTT) (min) Lancet 2004; 363: 768-74
Thrombolysis with Alteplase 3 to 4.5 Hours After Acute Ischemic Stroke NEJM 2008; 359: 1317-29
Der Idealfall R.F., m., 51 Jahre, schwere Hemiparese links, Kopf-/Blickwendung, NIHSS: initial=14, 24 h=1, 3 Monate=1 15.15 Symptombeginn 7 ‘ 15.22 Notruf Feuerwehrleitstelle 15 ‘ 15.30 Ankunft RTW und Notarzt 25 ‘ 15.40 Anmeldung Klinik 30 ‘ 15.45 Abfahrt Wohnung mit Alarm 45 ‘ 16.00 Ankunft Klinik 50 ‘ 16.05 Neurologische Untersuchung 61 ‘ 16.16 Computertomographie 85 ' 75 ‘ 16.30 Aufklärung 85 ‘ 16.40 Thrombolyse mit rt-PA
Telefonnummern! Zuweisungsverfahren bei Patienten mit akutem Schlaganfall in Stadt und Landkreis Göttingen Anmeldung über Liegendkrankeneingang der UMG an diensthabenden Neurologen (T/N) Tel 0551-39-8601, Pieper 919-1603 oder bei spezifischen Fragestellungen Stroke Unit Arzt Tel 0551-39-8601, Pieper 919-2004 Aufnahme-Handy 3914140
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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