Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung Avifauna geplanten Baugebiet "Holzweg II", Ballrechten-Dottingen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung Avifauna geplanten Baugebiet „Holzweg II“, Ballrechten-Dottingen Juni 2010 Textliche Bearbeitung: Dipl.-Biol. Carola Seifert, Ettenheim Geländeaufnahme und Artenliste: Franz Schneider, Heitersheim im Auftrag für: Büro P. Jenne Garten- und Landschaftsarchitekt Baslerstr. 9, 79189 Bad Krozingen
Fachgutachten Avifauna – Plangebiet Holzweg II, Ballrechten-Dottingen 2 1. Bestands-Ermittlung Das Untersuchungsgebiet umfasst das Plangebiet sowie angrenzende Flächen Hier wurden an drei morgendlichen Terminen alle anwesenden Vogelarten erfasst (15., 24. und 29. Mai). Für Wendehals und Gartenrotschwanz wurde dabei auch die Klangattrappe eingesetzt. Das Plangebiet umfasst ca. 1,2 ha Ackerfläche mit neun hochstämmigen Apfel- und Birnbäumen auf einem schmalen Wiesenstreifen. Angrenzend finden sich Gärten mit reichem Gehölzbestand, weitere Ackerfklächen, Kulturobst-Anlagen sowie in ca. 300 m Entfernung ein Entwässerungsgraben mit Staudenfluren. 2. Ergebnisse Im UG wurden 10 Brutvogelarten und 9 regelmäßige Nahrungsgäste festgestellt (siehe Tabelle). Die Revierzentren der meisten Brutvögel liegen außerhalb der zur Bebauung vorgesehenen Fläche, v.a. in den angrenzenden Gärten. Amsel, Buchfink, Blaumeise, Kohlmeise, Feldsperling und Star können sowohl in den Gärten als auch in den Obstbäumen des Plangebietes brüten. Die Obstbäume im Plangebiet weisen Höhlen von Bunt- und Grünspecht auf, die diesen Arten als Nistplatz dienen können. Die beiden Spechte nutzen das UG aktuell nur als Nahrungsfläche. Der Sumpfrohrsänger brütet in den Staudenfluren entlang eines Entwässerungsgrabens. Tabelle 1: Artenliste der Vögel S : Schutzstatus in Deutschland alle europäischen Vogelarten sind besonders geschützt (§10 BNatSchG mit Bezug zu Art. 1 VRL) §§ streng geschützt nach BArtSchV D: Rote Liste Deutschland nach Südbeck et al (2007) B: Rote Liste Baden-Württemberg nach Hölzinger et al (2007) V Art der Vorwarnliste, rückläufige Art Status im Plangebiet einschließlich angrenzender Fläche: N- regelmäßiger Nahrungsgast B – Brutvogel (in Klammern Anzahl der Brutpaare) S D B Brutpaare BW Artname Status 2000-2004 600.000 - 900.000 Amsel (Turdus merula) B (3) 100.000 - 130.000 Bachstelze (Motacilla alba) N 250.000 - 300.000 Blaumeise (Parus caeruleus) B (1-2) 1.100.000 - 1.500.000 Buchfink (Fringilla coelebs) B (2) 70.000 - 90.000 Buntspecht (Dendrocopos major) N 80.000 - 120.000 Eichelhäher (Garrulus glandarius) N 35.000 - 40.000 Elster (Pica pica) N V V 100.000 - 150.000 Feldsperling (Passer montanus) B (2) 120.000 - 160.000 Gartengrasmücke (Sylvia borin) B (1) 280.000 - 340.000 Grünfink (Carduelis chloris) B (3) §§ 8.000 - 10.000 Grünspecht (Picus viridis) N 150.000 - 200.000 Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) N V V 500.000 - 600.000 Haussperling (Passer domesticus) N 600.000 - 650.000 Kohlmeise (Parus major) B (3) 450.000 - 850.000 Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) B (1) 90.000 - 100.000 Rabenkrähe (Corvus corone) N V 300.000 - 350.000 Star (Sturnus vulgaris) B (1) V 25.000 - 35.000 Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris) B (1) V 30.000 - 50.000 Türkentaube (Streptopelia decaocto) N Dipl.-Biol. Carola Seifert - Juni 2010
Fachgutachten Avifauna – Plangebiet Holzweg II, Ballrechten-Dottingen 3 3. Bewertung Die Avifauna weist eine durchschnittliche und den vorhandenen Habitatstrukturen entsprechende Artenausstattung auf (Ortsrandlage mit Gärten und altem Baumbestand). Zu den Brutvögeln gehören drei landesweit rückläufige Arten (Feldsperling, Star und Sumpfrohrsänger), zu den Nahrungsgästen eine streng geschützte Art (Grünspecht). Alle nachgewiesenen Arten sind in entsprechenden Lebensräumen regional und landesweit regelmäßig anzutreffen. Gartenrotschwanz und Wendehals, zwei für Obstwiesen besonders typische, rückläufige bzw. gefährdete Arten wurden gezielt mit Klangattrappe gesucht, jedoch nicht nachgewiesen. Auch andere, seltene oder gefährdete Vogelarten konnten nicht festgestellt werden. 4. Artenschutzrechtliche Prüfung 4.1. Grundlagen Die artenschutzrechtliche Prüfung umfasst die Verbots-Tatbestände und Regelungen des §44 BNatSchG und des §21(4) NatSchG. Als Bezugsebene der lokalen Populationen wird der Naturraum Markgräfler Hügelland betrachtet, für Vogelarten mit großem Raumanspruch (Grünspecht) die gesamte Region südlicher Oberrhein. Alle im UG nachgewiesenen Vogelarten sind im Naturraum ebenso wie landesweit weit verbreitet. Die meisten Arten sind wenig spezialisiert und in verschiedenen Lebensräumen (z.B. Wälder, Park, Gräten, Obstwiesen) anzutreffen und oft häufig. Der Erhaltungszustand der lokalen Populationen ist für alle ungefährdeten Vogelarten günstig. Auch die landesweit rückläufigen Vogelarten Haus- und Feldsperling sowie Star und Türkentaube haben auf lokaler Ebene wahrscheinlich einen günstigen Erhaltungszustand. Die lokale Population des Sumpfrohrsängers könnte einen ungünstigen Erhaltungszustand aufweisen, da diese spezifische Ansprüche an die Habitatstrukturen stellt, die nur in gemischten Staudenfluren oder auf feuchte Brachflächen erfüllt werden. 4.2. Abhandlung der einzelnen Arten Einen Überblick über die Abhandlung der Verbots-Tatbestände für die einzelnen Arten gibt die Tabelle 2. BNatSchG §44(1), 1 (Verletzung, Tötung oder Beschädigung von Individuen): Der Verbots-Tatbestand könnte eintreten durch den Verlust von Gelegen oder Jungvögeln bei den Vogelarten, die im Plangebiet brüten bzw. brüten könnten (Amsel, Blaumeise, Buchfink, Feldsperling, Kohlmeise, Star). Der Verbots-Tatbestand kann durch eine Verlegung der Baufeld-Freimachung auf das Winterhalbjahr vermieden werden (Okt-Februar). BNatSchG §44(1), 2 (erhebliche Störung von europäischen Vogelarten) Störungen durch Bau und Nutzung des Wohngebietes treten nur auf kleiner Fläche auf und betreffen weit verbreitete, gegen Störungen wenig empfindliche Vogelarten. Der Erhaltungszustand der lokalen Populationen wird durch diese Störungen nicht verschlechtert, der Verbots-Zustand tritt nicht ein. Dipl.-Biol. Carola Seifert - Juni 2010
Fachgutachten Avifauna – Plangebiet Holzweg II, Ballrechten-Dottingen 4 BNatSchG §44(1), 3 (Fortpflanzungs- oder Ruhestätten beschädigen od. zerstören) Fortpflanzungs- und Ruhestätten gehen in erster Linie für höhlenbrütende Arten verloren, die die Obstbäume im Plangebiet nutzen bzw. nutzen könnten (Blaumeise, Buntspecht, Feldsperling, Grünspecht, Kohlmeise, Star). Auch Amsel und Buchfink könnten in den Obstbäumen ihre Nester anlegen. Der Verbots-Tatbestand tritt für Amsel, Buchfink, Blau- und Kohlmeise nicht ein, da im weiteren Umfeld des Plangebietes genügend Nistmöglichkeiten in Gärten und Gehölzen vorhanden sind (Wahrung der ökologischen Funktion im räumlichen Zusammenhang im Sinne des §44(5) BNatSchG.). Obwohl nicht zwingend erforderlich, wird empfohlen, für die Blaumeise zwei Nistkästen mit entsprechend kleiner Fluglochweite aufzuhängen, da diese Art bei Nistkästen mit größerer Fluglochweite von anderen Arten meist verdrängt wird. Feldsperling und Star benötigen Bruthöhlen im Kontakt zu geeigneten Nahrungsflächen am Ortsrand bzw. in der freien Landschaft. Vorgezogene Maßnahmen zur Wahrung der ökologischen Funktion im Sinne des §44 (5) sind erforderlich, damit der Verbots-Tatbestand 44 (1), 3 nicht eintritt (Aufhängen von 5 Nistkästen (2x Star, 3x Feldsperling) in Obstwiesen oder am Rande von Feldgehölzen). Grünspecht und Buntspecht benötigen ältere Bäume zur Anlage von Bruthöhlen. Die alten Hochstämme im Plangebiet sind geeignete Höhlenbäume für beide Arten, an insgesamt drei Bäumen wurden Höhlen festgestellt. Auch wenn diese aktuell von den Spechten nicht genutzt werden, ist ein Teilverlust der Fortpflanzungsstätte gegeben. Um das Eintreten des Verbots- Tatbestandes zu vermeiden, sollten die Höhlenbäume, dort wo es möglich ist, erhalten werden. Der Verlust von Höhlenbäumen kann ausgeglichen werden durch die langfristige Sicherung von zur Höhlenanlage geeigneten Habitatbäumen (ältere Bäume ab BHD 40, am besten hochstämmige Obstbäume). Diese Bäume gewährleisten gleichzeitig den Fortbestand der ökologische Funktion für andere Baum- und Höhlenbrüter, Fledermäusen und holzbewohnenden Wirbellose. Der Sumpfrohrsänger brütet in ca. 300 m Abstand zum Plangebiet, der besiedelte Graben steht in Kontakt mit einem anderen Obstwiesengelände. Vorhabensbedingt sind keine Auswirkungen auf die Fortpflanzungsstätte des Sumpfrohrsängers zu erwarten, der Verbots-Tatbestand §44(1),3 tritt voraussichtlich nicht ein. NatSchG, §21(4) (Zerstörung Biotope streng geschützter Arten, die nicht ersetzbar sind) Der streng geschützte Grünspecht nutzt das UG als Teilrevier und in den Obstbäumen befindet sich auch eine aktuell nicht belegte Bruthöhle sowie weitere zur Höhlenanlage geeignete Bäume. Der Verlust des Brutbaumes sollte durch langfristige Sicherung von Habitatbäumen ersetzt werden (siehe oben). Da der Biotopverlust für den Grünspecht ersetzbar ist, tritt der Verbots-Tatbestand nicht ein. Dipl.-Biol. Carola Seifert - Juni 2010
Fachgutachten Avifauna – Plangebiet Holzweg II, Ballrechten-Dottingen 5 Tabelle 2: Verbots-Tatbestände BNatSchG: §44(1), 1: Verletzung, Tötung oder Beschädigung von Individuen §44(1), 2: erhebliche Störung von europäischen Vogelarten §44(1), 3: Fortpflanzungs- oder Ruhestätten beschädigen oder zerstören NatSchG: §21(4): Zerstörung von Biotopen streng geschützter Arten, die nicht ersetzbar sind Abkürzungen in der Tabelle: - Verbots-Tatbestand nicht relevant (keine streng geschützte Art, bzw. kein Brutvogel im UG) o Verbots-Tatbestand tritt nicht ein, da Fortpflanzungsstättte vom Eingriff nicht betroffen 1 Verbots-Tatbestand tritt nicht ein, da ökolog. Funktion im räumlichen Funktion im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt ist. 2 Verbots-Tatbestand tritt nicht ein, wenn vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden 3 Verbots-Tatbestand tritt nicht ein bei entsprechender Bauzeitenregelung, Maßnahmen: um die ökologische Funktion im räumlichen Zusammenhang weiterhin zu erfüllen (Vermeidung und artspezifischer vorgezogener Ausgleich gemäß §44(5) A Aufhängen von Nistkästen mit entsprechender Flugloch-Größe (2x Blaumeise, 3x Feldsperling, 2xStar) B langfristige Sicherung von Habitatbäumen, die zur Höhlenanlage für Spechte geeignet sind (ältere Bäume ab BHD 40, vorzugsweise Obstbäume). C Baufeld-Freimachung außerhalb der Brutzeit (März-September) Artname §44(1), §44(1), §44(1), §21(4) Maß- 1 2 3 nahmen Amsel (Turdus merula) 3 o o - C Bachstelze (Motacilla alba) o o - - Blaumeise (Parus caeruleus) 3 o 1 - (A), C Buchfink (Fringilla coelebs) 3 o - - C Buntspecht (Dendrocopos major) o o 2 - B Eichelhäher (Garrulus glandarius) o o - - Elster (Pica pica) o o - - Feldsperling (Passer montanus) 3 o 2 - A, C Gartengrasmücke (Sylvia borin) o o o - Grünfink (Carduelis chloris) o o o - Grünspecht (Picus viridis) o o 2 2 B Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) o o - - Haussperling (Passer domesticus) o o - - Kohlmeise (Parus major) 3 o 1 - (A), C Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) o o - - Rabenkrähe (Corvus corone) o o - - Star (Sturnus vulgaris) 3 o 2 - A, B, C Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris) o o o - Türkentaube (Streptopelia decaocto) o o - - Dipl.-Biol. Carola Seifert - Juni 2010
Fachgutachten Avifauna – Plangebiet Holzweg II, Ballrechten-Dottingen 6 4.3. Sonstige Maßnahmen zur Wahrung der ökologischen Funktion Wie die Untersuchungen belegen, dient das Plangebiet zahlreichen Vogelarten als Nahrungsfläche. Die Funktion des Plangebietes als Nahrungshabitat für Vögel fällt zwar nicht unter die artenschutzrechtlichen Verbots-Tatbestände, ist aber im Rahmen der Eingriffsregelung von Bedeutung. Die im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen vorgesehene Anlage einer Streuobstwiese sowie weitere Ersatzmaßnahmen bieten auch den vom Eingriff betroffenen Vogelarten neue bzw. verbesserte Nahrungsflächen. Diese befinden sich zwar nicht am Ort des Eingriffes, aber in desssen räumlichen Zusammenhang. Die ökologischen Funktionen bleiben somit in Bezug auf die lokalen Populationen dieser Vogelarten erhalten. 5. Literatur Hölzinger, J.; Bauer, H-G; Berthold, P; Boschert, M.; Mahler, U. (2007): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Brutvogelarten Baden-Württembergs - 5. Fassung, Stand 31.12.04, LUBW Karlsruhe, 172 S. Südbeck, P., H.-G. Bauer, M. Boschert, P. Boye & W. Knief (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands 4. Fassung, 30.11.2007 - Berichte zum Vogelschutz 44: 23-82. Dipl.-Biol. Carola Seifert - Juni 2010
Sie können auch lesen