STAND DER GLEICHSTELLUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN IN DEUTSCHLAND - Hans-Böckler-Stiftung

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REPORT
Nr. 56, Februar 2020

STAND DER GLEICHSTELLUNG
VON FRAUEN UND MÄNNERN
IN DEUTSCHLAND
Dietmar Hobler, Yvonne Lott, Svenja Pfahl, Karin Schulze Buschoff

ABSTRACT

Wie ist der Stand der Gleichstellung von Frauen und
Männern in Deutschland? Zwar liegen mittlerweile
eine nennenswerte Zahl von Studien vor, die ver-
schiedene Aspekte der geschlechtlichen Ungleich-
heit aus verschiedenen Perspektiven differenziert
beschreiben (z. B. Kümmerling 2018, Klenner u. a.
2010, Achatz u. a. 2010, Hausmann/Kleinert 2014,
Busch 2013, Holst/Wrohlich 2019, Kohaut/Möller
2017, Frodermann u. a. 2018, Busch/Holst 2013).
Eine knappe und zusammenfassende Übersicht
über den aktuellen Stand der Geschlechtergleich-
stellung in Deutschland mit Fokus auf den Arbeits-
markt fehlt jedoch bisher. Der Report ermöglicht
anhand zentraler Indikatoren eine Gesamtschau
über den Stand der Geschlechtergleichstellung auf
Basis des WSI GenderDatenPortals (www.wsi.de/
genderdatenportal).
INHALT

                         Abstract ���������������������������������������������������������������������� 1    7    Einkommen ������������������������������������������������������ 20

                         1        Einleitung ����������������������������������������������������������� 2    8    Zeit �������������������������������������������������������������������� 25

                         2	Verwirklichungschancen                                                             9    Sorgearbeit ������������������������������������������������������ 31
                                  von Frauen und Männern ����������������������������������� 2
                                                                                                               10   Mitbestimmung ������������������������������������������������ 39
                         3        Methodisches Vorgehen ����������������������������������� 3
                                                                                                               11   Politische Forderungen ������������������������������������ 45
                         4        Stand der Gleichstellung auf einen Blick ����������� 5

                         5        Bildung ��������������������������������������������������������������� 6
                                                                                                               Anhang
                         6        Erwerbsarbeit ���������������������������������������������������� 11           Informationen zu den einzelnen Indikatoren ���� 47

                         1 EINLEITUNG                                                                          2 VERWIRKLICHUNGSCHANCEN
                         Ein wichtiger Schritt für die Geschlechtergleich-
                                                                                                                 VON FRAUEN UND MÄNNERN
                         stellung in Deutschland sind die gleichen Verwirkli- Das Ziel der Gleichberechtigung von Männern
                         chungschancen von Frauen und Männern (BMFSFJ und Frauen ist in unserem Grundgesetz verankert:
                         2017). Die Verwirklichungschancen von Frauen und „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der
                         Männern werden durch den Grad ihrer wirtschaftli- Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
                         chen Unabhängigkeit bestimmt. Die Integration auf Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
                         dem Arbeitsmarkt, Entgeltgleichheit, Repräsentanz wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
                         beider Geschlechter in Führungspositionen und hin.“ (Art. 3 (2) GG). Somit ist als Aufgabe der Politik
                         Gremien der Mitbestimmung sowie die Aufteilung klar definiert, das Ziel der Gleichberechtigung der
                         von bezahlter und unbezahlter Arbeit in Partner- Geschlechter durchzusetzen. Während der Begriff
                         schaften sind für die wirtschaftliche Unabhängig- der Gleichberechtigung die Ebene der Rechte um-
                         keit und damit für gleiche Verwirklichungschancen fasst („gleiches Recht für alle“), zielt der Begriff der
                         von Frauen und Männern zentral.                      Gleichstellung auf die tatsächliche Angleichung der
                            Der vorliegende Report, der auf dem WSI Lebenssituation von den im Prinzip gleichberech-
                         GenderDatenPortal basiert, stellt den Stand der tigten Gruppen ab. Im zweiten Gleichstellungsbe-
                         Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in richt der Bundesregierung werden Ziele der deut-
                         den sechs Bereichen Bildung, Erwerbsarbeit, Ein- schen Gleichstellungspolitik genannt: Als Leitidee
                         kommen, Zeit, Sorgearbeit und Mitbestimmung wird formuliert, eine „Gesellschaft anzustreben,
                         dar. Die Auswahl dieser Bereiche orientiert sich in der Frauen und Männer die gleichen Verwirkli-
                         an Pascall und Lewis (2004) und ihrer Analyse zu chungschancen haben“ (BMFSFJ 2017, S. 9). Die
                         europäischen Genderregimen, anhand derer die Verwirklichungschancen von Männern und Frauen
                         Autorinnen fünf zentrale Bereiche der Gleichstel- stehen im Mittelpunkt der Empfehlungen.
                         lungspolitik identifizieren: Erwerbsarbeit (paid        Betont wird, „dass es nicht Aufgabe der Gleich-
                         work), Einkommen (income), Zeit (time), Sorgear- stellungspolitik ist, den Menschen ein bestimmtes
                         beit (care) und Mitbestimmung (voice). Für diese Lebensmodell vorzugeben – sie sollte es aber er-
                         fünf Bereiche bestimmt der Report den Stand der möglichen, Lebensmodelle zu wählen und zu er-
                         Geschlechtergleichstellung. Da die Teilnahme der möglichen“ (BMFSFJ 2017, S. 8).
                         Geschlechter an Bildungsprozessen eine wesentli-        Der Ansatz der Verwirklichungschancen, der
                         che Grundlage für die weitere Erwerbsbiographie ursprünglich von dem Ökonomie-Nobelpreisträger
                         ist, betrachtet der vorliegende Report Bildung als Amartya Sen formuliert wurde, stellt auch aus unse-
                         weiteren Bereich.                                    rer Sicht eine geeignete konzeptionelle Grundlage
                                                                              für eine zielorientierte empirische Berichterstattung
                                                                              über den Stand der Gleichstellung in Deutschland
                                                                              dar. Nach Sens Konzeption sind Verwirklichungs-
                                                                              chancen „die Möglichkeiten („capabilities“) von
                                                                              Menschen, ein Leben führen zu können, für das sie
                                                                              sich selbst mit guten Gründen entscheiden können,
                                                                              und das die Grundlage der Selbstachtung nicht in
                                                                              Frage stellt“ (Sen 2000).

WSI Report Nr. 56, Februar 2020    Seite 2
Ziel einer Gleichstellungspolitik in Anlehnung der Pay Gap, Gender Pension Gap, Gender Time
an Sen sind gleiche Verwirklichungschancen Gap und Gender Care Gap, die in Deutschland be-
von Männern und Frauen bzw. gleiche Verwirkli- reits fest etabliert sind, berücksichtigt.
chungschancen unabhängig vom Geschlecht. Ein
Indiz dafür, ob gleiche Verwirklichungschancen
und die grundgesetzlich verankerte Gleichberech- 3.2 Datengrundlage im Überblick
tigung umgesetzt und damit Gleichstellung erreicht
werden konnte, sind statistisch nachweisbare Un- Es werden repräsentative Daten und andere Er-
terschiede in der Lebensrealität von Männern und hebungen genutzt, die eine gute und verlässliche
Frauen. Diese zu ermitteln und aufzuzeigen ist Auf- Datenbasis für geschlechtervergleichende Arbeits-
gabe des vorliegenden Reports.                       marktanalysen in Deutschland bieten. Dabei ist der
   Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist für die Ver- Mikrozensus die wichtigste Datengrundlage. Der
wirklichungschancen von Frauen und Männern Mikrozensus ist eine deutschlandweite jährliche
von großer Bedeutung. Damit Frauen und Män- Haushaltsbefragung, die repräsentative Daten für
ner gleiche Verwirklichungschancen haben, muss die Wohnbevölkerung Deutschlands bereitstellt.
eine gleiche Beteiligung am Arbeitsmarkt und an Ein großer Teil der amtlichen Statistik des Statisti-
wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen und den schen Bundesamtes zum deutschen Arbeitsmarkt
dafür wichtigen Funktionen, z. B. in Betriebsräten, basiert auf diesem Datensatz.
Aufsichtsräten und betriebliche Führungspositio-        Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur
nen, möglich sein. Für wirtschaftliche Unabhän- für Arbeit ist eine weitere wichtige Datenquelle
gigkeit von Frauen und Männern sind Bildung, Ein- für Arbeitsmarktanalysen. Sie basiert auf Angaben
kommen und Zeit für Erwerbsarbeit ebenfalls zent- über abhängig Beschäftigte, die von den Arbeitge-
rale Ressourcen. Mit der Zeit für Erwerbsarbeit sind bern an die Träger der Sozialversicherung weiter-
die partnerschaftliche Aufteilung von informeller gegeben werden müssen. Für einige Indikatoren
Sorgearbeit und Fragen der Vereinbarkeit von Beruf stehen damit Ergebnisse einer Vollerhebung zur
und Familie eng verknüpft.                           Verfügung – z. B. für Leiharbeit und Minijobs.
   In ihrer Analyse zu europäischen Genderregi-         Der DGB-Index Gute Arbeit liefert wichtige In-
men formulieren Pascall und Lewis (2004) fünf ent- formationen zu den Arbeitsbedingungen aus der
scheidende Bereiche für die Gleichstellungspolitik. subjektiven Perspektive der Beschäftigten. Dieser
Diese sind Erwerbsarbeit (paid work), Einkommen Datensatz ist eine zufallsbasierte, jährliche Reprä-
(income), Zeit (time), Sorgearbeit (care) und Mit- sentativumfrage von abhängig Beschäftigten in
bestimmung (voice). Angelehnt an Pascall und Le- Deutschland, die mindestens 10 Stunden pro Wo-
wis (2004) identifiziert der vorliegende Report den che arbeiten.
Stand der Gleichstellung in den sechs Bereichen         Für einige Indikatoren werden darüber hin-
Bildung, Erwerbsarbeit, Einkommen, Zeit, Sorgear- aus auch andere Sekundärdaten und amtliche
beit und Mitbestimmung. Bildung wird als zusätz- Daten des Statistischen Bundesamtes genutzt,
licher Bereich zu Pascall und Lewis betrachtet, da z. B. die Statistiken zum Bildungsstand der Bevöl-
die Teilnahme an Bildungsprozessen eine wesent- kerung, zum Elterngeld oder zur institutionellen
liche Grundlage für die weitere Erwerbsbiographie Kinderbetreuung.
und damit die wirtschaftliche Unabhängigkeit bzw.       Für die Zeitreihen werden nur die Jahre seit der
die Verwirklichungschancen von Individuen ist.       deutschen Wiedervereinigung (1991) berücksich-
                                                     tigt. Da die Arbeitsmarktbedingungen zwischen
                                                     West- und Ostdeutschland teilweise noch heute
                                                     stark differieren, werden im Rahmen des WSI Gen-
                                                     derDatenPortals, so weit möglich, auch getrennte
3 METHODISCHES VORGEHEN                              Analysen für West- und Ostdeutschland durchge-
                                                     führt. Um einen möglichst übersichtlichen Stand
3.1 Auswahl der Kernindikatoren                      zur Geschlechtergleichstellung in Deutschland dar-
                                                     stellen zu können, wurden im vorliegenden Report
Insgesamt werden 29 Kernindikatoren für die sechs allerdings hauptsächlich die Befunde für Gesamt-
Bereiche (Tabelle 1) ausgewählt, um den Stand der deutschland berücksichtigt.
Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in           Weitere Informationen zu den einzelnen Indika-
Deutschland zu bestimmen. Neben inhaltlichen toren werden im Anhang (Kap. 14) bereitgestellt.
Gründen ist die Datengrundlage für die Auswahl
der Indikatoren ausschlaggebend. Es werden für
Deutschland repräsentative Befragungsdaten aus-
gewählt, die möglichst in kurzen, regelmäßigen
Abständen stattfinden und so die Entwicklung der
Geschlechtergleichstellung gut abbilden können.
Bei der Wahl der Indikatoren werden ebenfalls
gleichstellungspolitische Kennziffern wie der Gen-

                                                                                             WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 3
Tabelle 1

                         Kernindikatoren in den sechs Bereichen

                           Bereich             Indikatoren
                           Bildung             (1) Schulische Bildungsniveau: Höchster schulischer Abschluss
                                               (2) Berufliche Bildungsniveau: Höchster beruflicher Abschluss
                                               (3) Segregation in der beruflichen Ausbildung: Die 25 häufigsten Ausbildungsberufe
                                               (4) Weiterbildung: Teilnahme an Weiterbildung nach Art der Weiterbildung

                           Erwerbsarbeit       (1) Erwerbsbeteiligung: Erwerbsquoten und Erwerbstätigenquoten Erwerbsverhältnis
                                               (2) Selbstständigkeit
                                               (3) Minijobs
                                               (4) Befristungen
                                               (5) Leiharbeit
                                               (6) Berufliche Segregation: Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes
                                               (7) Arbeitsqualität: Arbeitsbedingungen

                           Einkommen           (1) Gender Pay Gap: Geschlechterbezogener durchschnittlicher Verdienstabstand
                                               (2) Gender Pension Gap: Geschlechtsbezogener durchschnittlicher Abstand zwischen
                                                   Alterssicherungsleistungen
                                               (3) Niedrigeinkommen: Vollzeitbeschäftigung mit Bruttomonatseinkommen unter 2.000 Euro
                                               (4) Existenzsicherung: Quelle des überwiegenden Lebensunterhalts

                           Zeit                (1) Gender Time Gap: Geschlechtsbezogener Abstand zwischen durchschnittlichen
                                                   Wochenarbeitszeiten
                                               (2) Teilzeit: Teilzeitquoten der abhängig Beschäftigten
                                               (3) Arbeitszeitumfang im Haushaltskontext: Partnerschaftliche Konstellationen des
                                                   Arbeitszeitumfangs in Haushalten mit und ohne Kinder
                                               (4) Lage der Arbeitszeit: Arbeit an Wochenenden, abends und nachts und in Wechselschichten

                           Sorgearbeit         (1) Gender Care Gap: Tägliche Stunden bezahlter und unbezahlter Arbeit
                                               (2) Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie: Erschöpfung nach der Arbeit nach
                                                   Erwerbsumfang und Care-Aufgaben
                                               (3) Elterngeld: Prozentualer Anteil des Elterngeldbezugs
                                               (4) Institutionelle Kinderbetreuung: Ganztagsbetreuungsquoten von Kleinkindern
                                               (5) Pflege: Wöchentliche Stunden für Pflege von Angehörigen

                           Mitbestimmung       (1) Mitbestimmung in Aufsichtsräten: Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex
                                               (2) Mitbestimmung in Vorständen: Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex
                                               (3) Mitbestimmung in Betriebsräten: Frauen im Betriebsrat nach Betriebsgröße
                                               (4) Repräsentanz in betrieblichen Führungspositionen: Betriebliche Führungspositionen nach
                                                   Führungsebene
                                               (5) Repräsentanz in Gewerkschaften: Frauen in den DGB-Gewerkschaften

                         Quelle: XXXXXX

WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 4
4 STAND DER GLEICHSTELLUNG                            während Frauen häufiger anderen Belastungsfor-
                                                      men wie Zeitdruck und häufigen Arbeitsunterbre-
  AUF EINEN BLICK                                     chungen ausgesetzt sind.
Es bestehen gleichermaßen Defizite wie auch Fort-
schritte in Sachen Gleichstellung von Frauen und      Einkommen: Weniger finanzielle
Männern in Deutschland. In jedem der untersuch-       Unabhängigkeit für Frauen
ten Bereiche finden sich sowohl punktuelle Hin-
weise auf Fortschritte, also einen Abbau von Ge-     Die Ergebnisse deuten auf positive Entwicklungen
schlechterungleichheit, als auch bedenklich stim-    hin, wenngleich die Veränderungen sehr langsam
mende Stagnationen oder Rückschritte. Insofern       vonstattengehen: Der Gender Pay Gap ist in den
zeichnet sich keiner der Bereiche ausschließlich     letzten Jahren leicht zurückgegangen, liegt aber
durch Fortschritte, aber auch keiner ausschließlich  immer noch bei 21 Prozent (und damit deutlich
durch Stagnation oder Rückschritte aus.              über dem europäischen Durchschnitt). Vollzeitbe-
                                                     schäftigte Frauen tragen nach wie vor ein deutlich
Bildung: Frauen und Männer sind gleich gut           höheres Niedriglohnrisiko als vollzeitbeschäftigte
qualifiziert, aber sie gehen unterschiedliche        Männer. Frauen, die nicht erwerbstätig sind oder
Wege                                                 nur eine geringfügige Beschäftigung ausüben, sind
                                                     viel häufiger als Männer auf die Unterstützung von
Es lassen sich nur noch geringe Unterschiede beim Angehörigen angewiesen und sehr viel seltener
höchsten beruflichen Abschluss zwischen Frauen durch staatliche Transferleistungen abgesichert.
und Männern ausmachen. Bei der schulischen Bil- Über das gesamte Erwerbsleben hinweg kumulie-
dung haben Frauen die Männer inzwischen sogar ren sich die Effekte und tragen zu dem hohen Gen-
überholt. Auch an beruflichen Weiterbildungen der Pension Gap bei, der im Jahr 2015 – trotz einer
nehmen Frauen inzwischen häufiger als Männer deutlichen Abnahme seit 1991 – bei 53 Prozent lag.
teil, auch wenn sie dabei weiterhin seltener als
Männer in den Genuss von betrieblich organisier- Zeit: Teilzeit ist eine Rarität in den
ten Weiterbildungsmaßnahmen kommen. Die Erwerbsverläufen von Männern
größte Herausforderung bleibt die starke Segrega-
tion bei der Einmündung in die Ausbildungsberufe: Der konstant hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigten
Die duale berufliche Ausbildung weist eine starke unter Frauen stellt die größte Baustelle dar: Fast
Segregation entlang der Geschlechtergrenzen auf.     jede zweite Frau, aber nur jeder zehnte Mann arbei-
                                                     tet wöchentlich weniger als 32 Stunden. Der hohe
Erwerbsarbeit: Frauen sind an Bord, aber auf         Anteil an teilzeitbeschäftigten Frauen ist der Haupt-
einem anderen Deck als Männer                        grund für den immer noch hohen Gender Time Gap,
                                                     der aktuell bei 8,2 Wochenstunden liegt. Beson-
Bei der Teilnahme an Erwerbstätigkeit holen Frau- ders ausgeprägt sind die geschlechterbezogenen
en zwar weiterhin auf, aber der Abstand gegenüber Erwerbsunterschiede für Eltern in Paarhaushal-
der Erwerbstätigenquote der Männer beträgt auch ten: In Haushalten mit Kind(ern) arbeiten fast alle
heute noch 8 Prozentpunkte. Die Erwerbsverhält- Männer Vollzeit, während die Frauen mehrheitlich
nisse unterscheiden sich ebenfalls zwischen Frauen Teilzeit arbeiten. Bei der Lage der Arbeitszeit sind
und Männern. Frauen stellen mit fast zwei Dritteln Männer insgesamt stärker von Arbeitszeiten in den
den weitaus größeren Anteil an den ausschließlich Randlagen betroffen: Sie arbeiten doppelt so häu-
geringfügig Beschäftigten, während ihr Anteil an fig am Abend oder in der Nacht und leisten auch
den Leiharbeitnehmer*innen bei unter einem Drit- häufiger Wechselschicht. Demgegenüber arbeiten
tel liegt (bei allerdings überproportionalem Anstieg Frauen etwas häufiger an Samstagen – jede vierte
in den letzten Jahren). Frauen stellen zudem nur Frau arbeitet regelmäßig samstags.
ein Drittel der Selbstständigen in Deutschland (bei
allerdings starker Zunahme und einem überpro- Sorgearbeit: Frauen tragen die Hauptlast
portionalen Anteil von Solo-Selbstständigen). Bei
den Befristungsquoten zeigen sich zwischen den Es bestehen immer noch stark ausgeprägte ge-
abhängig beschäftigten Frauen und Männern hin- schlechterbezogene Unterschiede: Frauen leisten
gegen kaum Unterschiede.                             einen deutlich höheren Anteil an unbezahlter Ar-
   Besonders stark ausgeprägt ist die berufliche beit als Männer, selbst wenn sie erwerbstätig sind
Segregation entlang der Geschlechtergrenze: Män- (und sogar dann, wenn sie Vollzeit arbeiten). Bei
ner stellen in der Hälfte der Berufssegmente die Paaren mit Kindern im Haushalt gestaltet sich die
übergroße Mehrheit. Diese starke Trennung der Arbeitsteilung überwiegend noch sehr traditionell,
Geschlechter wirkt sich auch auf die Arbeitsbe- d. h. Frauen tragen einen überdurchschnittlichen
dingungen aus, denen Frauen und Männer im Er- Anteil an unbezahlter Arbeit für die Haushaltsfüh-
werbsleben ausgesetzt sind: Männer sind immer rung und Kinderbetreuung (und Pflege von Ange-
noch stärker von „klassischen“ Arbeitsbelastungen hörigen), während Männer einen deutlich höheren
wie körperlich schwerer Arbeit und Lärm betroffen, Anteil an bezahlter Arbeit leisten.

                                                                                               WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 5
Die Doppelbelastung durch Sorgearbeit und Er- Mitbestimmung: In kleinen Schritten erobern
                         werbsarbeit führt dazu, dass Frauen nach der Ar- sich Frauen mehr Sitze am Verhandlungstisch
                         beit häufiger als Männer zu erschöpft sind, um sich
                         noch um private oder familiäre Angelegenheiten zu Bei der Mitbestimmung muss noch viel bewegt
                         kümmern. Besonders stark sind dabei Frauen be- werden, um Gleichstellung zu erreichen. Frauen
                         troffen, die Vollzeit arbeiten und gleichzeitig zu be- sind weitaus seltener gewerkschaftlich organisiert
                         treuende Kinder oder pflegebedürftige Angehörige als Männer, sie stellen nur ein Drittel aller Mitglie-
                         haben.                                                 der der Gewerkschaften des DGB (trotz leicht stei-
                            Positive Entwicklungen zeigen sich aber bei der gender Tendenz). Viel zu tun ist aber insbesondere
                         institutionellen Kinderbetreuung: Die Ganztagsbe- bei der Mitbestimmung von Frauen in den Gremien
                         treuungsquote von Kleinkindern in Deutschland ist der Unternehmensführung. Zwar hat sich der Anteil
                         in den letzten 10 Jahren stark anstiegen. Und auch der Frauen in Aufsichtsräten in den letzten Jahren
                         beim Elterngeld ist der Anstieg der Nutzungsquote – insbesondere durch neue gesetzliche Vorgaben
                         unter Vätern ungebrochen. Positive Tendenzen zei- für börsennotierte und paritätisch-mitbestimmte
                         gen sich ebenso bei der Pflege von Angehörigen: Unternehmen – deutlich erhöht, dennoch entfallen
                         Unter den Erwerbstätigen sind Frauen zwar nach auf Frauen nur 27 Prozent aller Aufsichtsratsman-
                         wie vor häufiger und auch in größerem Stunden- date und nur 8 Prozent aller Vorstandsvorsitze in
                         umfang beteiligt als erwerbstätige Männer, aber im den 160 größten deutschen börsennotierten Un-
                         Vergleich zu pflegenden Frauen steigt die Zahl pfle- ternehmen. (Dabei sind Frauen in mitbestimmten
                         gender Männer stärker an.                              Unternehmen im Aufsichtsrat wie Vorstand deut-
                                                                                lich häufiger vertreten als in nicht-mitbestimmten
                                                                                Unternehmen). In Gremien der Mitbestimmung
                                                                                sind Frauen in den letzten zehn Jahren in den mitt-
                                                                                leren Positionen stärker vertreten als in höheren
                                                                                Mitbestimmungspositionen. Und auch in Betriebs-
                                                                                ratsgremien sind Frauen – trotz veränderter gesetz-
                                                                                licher Vorgabe – noch nicht entsprechend ihres
                                                                                Belegschaftsanteils vertreten bzw. als Vorsitzende
                                                                                des Gremiums deutlich unterrepräsentiert.

                         5 BILDUNG
                                                                                                                              Infobox 1

                                  Zentrale Befunde

                                  Schulisches Bildungsniveau
                                  Insgesamt haben Frauen die Männer beim schulischen Bildungsniveau leicht überholt.
                                  Bei Abitur/Fachhochschulreife liegen Frauen und Männer (im Alter 15 bis 65 Jahre) gleichauf
                                  (38 Prozent). Frauen weisen häufiger als Männer die mittlere Reife auf, Männer häufiger nur
                                  einen Hauptschulabschluss.

                                  Berufliches Qualifikationsniveau
                                  Beim beruflichen Qualifikationsniveau haben die Frauen zu den Männern fast aufgeschlossen.

                                  Segregation in der beruflichen Ausbildung
                                  Im System der dualen Berufsausbildung ist immer noch eine starke geschlechtsspezifische
                                  Segregation festzustellen: Frauen erlernen häufiger als Männer einen Beruf im Dienstleis-
                                  tungsbereich und seltener im Handwerk. Von den 25 wichtigsten Ausbildungsberufen sind
                                  12 männlich, aber nur 6 weiblich dominiert.

                                  Weiterbildung
                                  Erwerbstätige Frauen absolvieren Weiterbildungen in ähnlichem Umfang wie Männer.
                                  Frauen sind jedoch weiterhin seltener als Männer an betrieblichen Weiterbildungen beteiligt.

WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 6
5.1    Schulisches Bildungsniveau

Beim schulischen Bildungsniveau lassen sich zwi- Keinen Schulabschluss weist nur noch eine Min-
schen Frauen und Männern im Erwerbsalter nur derheit der Frauen und Männer auf (jeweils 4 Pro-
noch geringe Unterschiede feststellen. Insgesamt zent). Bei einem regionalen Vergleich zeigen sich
haben Frauen die Männer beim schulischen Bil- deutliche Unterschiede hinsichtlich des Bildungs-
dungsniveau inzwischen überholt.                 niveaus zwischen Ost- und Westdeutschland – die
– Jeweils mehr als ein Drittel der Frauen und    geschlechterbezogenen Unterschiede innerhalb
  Männer im Erwerbsalter haben das Abitur oder   von West- und innerhalb von Ostdeutschland fallen
  die Fachhochschulreife.                        dagegen gering aus.
– Die mittlere Reife (Realschulabschluss) errei-
  chen Frauen etwas häufiger als Männer (37
  gegenüber 31 Prozent), während sie etwas
  seltener einen Hauptschulabschluss haben (21
  gegenüber 26 Prozent der Männer).

                                                                                                                                                    Abbildung 1

 Höchster Schulabschluss von Frauen und Männern in Deutschland, West- und Ostdeutschland (2017),
 in Prozent *
                                                                                                                                                     DEUTSCHLAND
100

  90
                                                                                     33,3         30,1
  80      38,3         38,0                     39,3        39,6
                                                                                                                        Abitur/Fachhochschulreife
  70

  60                                                                                                                    Realschulabschluss (oder gleichwertig)

  50
          36,8
                       31,3
                                                32,4
                                                            25,8                                                        Haupt-/Volksschulabschluss
  40                                                                                              58,5
                                                                                     59,5
  30                                                                                                                    kein Schulabschluss

  20                                                        29,6
          20,6
                       26,1                     23,6                                                                    Keine Angaben
  10
                                                                                                   8,6
                       4,2                      4,4          4,5                      5,2
           4,0
   0
         Frauen      Männer                   Frauen      Männer                    Frauen      Männer
                                                                                      1,9          2,6
          Deutschland                        Westdeutschland                        Ostdeutschland

 * Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren. Nicht berücksichtigt wurden Personen, die (noch) in Schulausbildung sind.

 Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, eigene Berechnungen                                       Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

                                                                                                                                                WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 7
5.2 Berufliches Qualifikationsniveau

                         Bei der höchsten beruflichen Qualifikation beste- Im West-Ost-Vergleich sind beim höchsten be-
                         hen kaum noch Unterschiede zwischen Frauen und ruflichen Abschluss noch deutliche regionale
                         Männern:                                          Unterschiede festzustellen, die auf Unterschie-
                         – Jeweils mehr als die Hälfte der Frau-           de in den beruflichen Bildungssystemen der
                           en und Männer hat eine berufliche Lehre         ehemaligen DDR und BRD zurückzuführen sind.
                           abgeschlossen.                                  Auffallende Unterschiede zwischen Frauen und
                         – Einen Fachschulabschluss als höchsten beruf-    Männern zeigen sich dabei vor allem in Ostdeutsch-
                           lichen Abschluss hat mindestens jede zehnte     land: Hier haben Frauen häufiger als Männer ei-
                           Frau und fast jeder elfte Mann.                 nen Fachschulabschluss (17 gegenüber 9 Prozent),
                         – Bei den akademischen Abschlüssen liegen         und seltener einen Lehrabschluss (55 gegenüber
                           Frauen und Männer fast gleichauf: Mehr als ein  63 Prozent).
                           Fünftel der Frauen und Männer haben einen
                           Hochschulabschluss.
                         – Ähnlich sind sich Frauen und Männer auch
                           beim Anteil derjenigen ohne beruflichen Ab-
                           schluss: Etwa ein Sechstel der Frauen und der
                           Männer haben keine berufliche Ausbildung
                           abgeschlossen.

                                                                                                                                                                                  Abbildung 2

                             Höchster beruflicher Abschluss von Frauen und Männern in Deutschland,
                             Westdeutschland und Ostdeutschland (2017), in Prozent *
                                                                                                                                                                         WEST-/OSTDEUTSCHLAND
                            100

                              90          20,6     22,2                     20,7                                  19,8        18,3
                                                                                        23,0

                              80
                                                                                                                               9,7
                                          10,3     9,3                       9,0
                                                                                         9,3                      17,3                                    Akademische Abschlüsse
                              70

                              60
                                                                                                                                                          Fachschulabschluss
                                                                                                                                                          (inkl. Meister/in und Techniker/in)
                              50
                                          51,3     52,2
                                                                            50,6                                                                          Lehre/Berufsausbildung
                                                                                         50,1                                 62,8
                              40
                                                                                                                  54,9
                              30                                                                                                                          kein beruflicher Abschluss

                              20                                                                                                                          keine Angaben
                              10          17,2     15,7                     19,2         17,1
                                                                                                                  7,6          8,8
                                  0
                                        Frauen   Männer                    Frauen      Männer                   Frauen      Männer
                                          Deutschland                    Westdeutschland                        Ostdeutschland

                             * Bevölkerung im Alter ab 15 bis unter 65 Jahren. Nicht berücksichtigt wurden Personen, die (noch) in Ausbildung sind.

                          Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, eigene Berechnungen                                        Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

WSI Report Nr. 56, Februar 2020       Seite 8
5.3 Segregation in der beruflichen Ausbildung

Bei der jüngeren Generation besteht eine starke                                                   – Lediglich 6 von 25 Berufen sind (stark) weiblich
geschlechterbezogene Segregation in der dualen                                                      dominiert (mit einem Frauenanteil von min-
Ausbildung entlang von beruflichen Tätigkeitsbe-                                                    destens 70 Prozent). Hierbei handelt es sich
reichen. Frauen erlernen häufiger als Männer einen                                                  um kaufmännische oder Verwaltungsberufe
Beruf im Dienstleistungsbereich und seltener im                                                     sowie zwei Handwerksberufe (Friseur*in und
Handwerk, außerdem konzentrieren sich Frauen                                                        Fachverkäufer*in im Lebensmittelhandwerk).
bei ihrer Berufswahl stärker auf wenige Berufe. Für                                                 Berufliche Ausbildungen im medizinischen
die 25 Ausbildungsberufe mit den meisten neuen                                                      Bereich werden sogar fast ausschließlich von
Auszubildenden (im Jahr 2017) gilt:                                                                 Frauen begonnen.
– Die Hälfte der Ausbildungsberufe ist (stark)                                                    – Nur 7 Berufe unter den 25 häufigsten Aus-
   männlich dominiert (mit einem Frauenanteil un-                                                   bildungsberufen in Deutschland können als
   ter 30 Prozent). Männerdomänen in der berufli-                                                   geschlechtsunspezifisch gelten (mit einem Frau-
   chen Ausbildung sind vor allem technische oder                                                   enanteil zwischen 30 Prozent und 70 Prozent).
   mechanische Berufe in Industrie und Handwerk.                                                    Dazu zählen vor allem kaufmännische Berufe
   Besonders in den Berufsbereichen Kraftfahr-                                                      und die Hotelfachleute.
   zeugmechatronik, Elektronik, Fachinformatik
   sowie Industrie- und Anlagenmechanik bleiben
   Männer fast ausschließlich unter sich.

                                                                                                                                                                            Abbildung 3

  Die 25 Ausbildungsberufe mit den meisten Neuabschlüssen in Deutschland (2017)
                                                                                                                                                                                DEUTSCHLAND

                                                                                                                                                  Frauenanteil an den
                                                Neuabschlüsse (in absoluten Zahlen)                                                               Neuabschlüssen (in Prozent)
        Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel                                                                                        28.479                                  51,4

   Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement                                                                                         27.927                                          72,2

                               Verkäufer/-in                                                                   22.104                                                    53,4

             Kraftfahrzeugmechatroniker/-in                                                                    21.798                                 4,2

               Industriekaufmann/-kauffrau                                                           17.673                                                               58,0

          Medizinische/-r Fachangestellte/-r                                                     15.708                                                                                  97,5

  Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel                                                13.914                                                                    38,5

                             Elektroniker/-in                                            13.623                                                       2,0

                        Fachinformatiker/-in                                            13.095                                                         7,4

                    Industriemechaniker/-in                                           12.537                                                           6,8

     Zahnmedizinische/-r Fachangestellte/-r                                        12.006                                                                                                98,0
        Anlagenmechaniker/-in für Sanitär-,                                        11.823                                                             1,3
               Heizungs- und Klimatechnik
                Fachkraft für Lagerlogistik                                    10.560                                                                   11,8

                                  Friseur/-in                                  10.281                                                                                             78,6

                   Hotelfachmann/-fachfrau                                 8.700                                                                                           62,0

                                Koch/Köchin                                8.679                                                                             21,8

                   Bankkaufmann/-kauffrau                              8.103                                                                                             51,6

                                 Tischler/-in                          7.971                                                                            13,2

                          Mechatroniker/-in                            7.899                                                                           7,0

                    Steuerfachangestellte/-r                       6.762                                                                                                        69,2

         Elektroniker/-in für Betriebstechnik                      6.576                                                                              5,5
                                                                                                          Frauenanteil > 70%
              Verwaltungsfachangestellte/-r                        6.438                                                                                                        70,9
                                                                                                          Frauenanteil 30–70%
                 Maler/-in und Lackierer/-in                       6.429                                                                                    15,3
                                                                                                          Frauenanteil < 30%
  Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk                       6.141                                                                                                            81,8

                Zerspanungsmechaniker/-in                        6.057                                                                                 6,8

                                                0                         10.000                      20.000                    30.000            0                 50                 100

  Datenquelle: BIBB, Datensystem Auszubildende, eigene Berechnungen                                                            Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

                                                                                                                                                                          WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 9
5.4 Weiterbildung

                         Erwerbstätige Frauen nehmen in ähnlichem Um-
                         fang an Weiterbildungen teil wie erwerbstätige
                         Männer. Sie sind jedoch von 2012 bis 2018 selte-
                         ner als Männer an betrieblichen Weiterbildungen
                         beteiligt:
                         – Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen
                            und Männer (58 bzw. 60 Prozent) im Erwerbsal-
                            ter nimmt an einer Weiterbildung teil.
                         – Am häufigsten werden betriebliche Weiterbil-
                            dungen absolviert, die ganz oder überwiegend
                            in der bezahlten Arbeitszeit stattfinden oder
                            vom Arbeitgeber finanziert werden. Dabei neh-
                            men Frauen etwas seltener an betrieblichen
                            Weiterbildungen teil als Männer (48 gegenüber
                            53 Prozent).
                         – An einer berufsbezogenen Weiterbildung außer-
                            halb des betrieblichen Kontextes beteiligt sich
                            etwa jede zwanzigste Frau und jeder zwanzigste
                            Mann (6 bzw. 5 Prozent).
                         – An Weiterbildungen, die keinen (unmittelbaren)
                            Berufsbezug haben, nehmen erwerbstätige
                            Frauen etwas häufiger teil als Männer – 11 im
                            Vergleich zu 8 Prozent.

                                                                                                                                                                                   Abbildung 4

                            Teilnahme erwerbstätiger Frauen und Männer an Weiterbildungen nach Art der Weiterbildung in
                            Deutschland (2012–2018), in Prozent
                                                                                                                                                                                    DEUTSCHLAND
                            100

                             90

                             80

                             70
                                             59                     60
                                                  57 58        58
                             60    56 55                  55
                                                                                                        53
                                                                                      51                                                                                               Frauen
                                                                              48 48             48 48
                             50                                          44
                                                                                           46
                                                                                                                                                                                       Männer
                             40

                             30

                             20                                                                                                                                  14
                                                                                                                                               13       13
                                                                                                             11       11                                                  11
                                                                                                                  7        7   7                    8        7        8        8
                             10                                                                                                    4
                                                                                                                                       6 5

                              0
                                   2012 2014 2016 2018                   2012 2014 2016 2018                 2012 2014 2016 2018               2012 2014 2016 2018

                                           Weiterbildung                         Betriebliche                Individuelle berufsbezogene            Nicht berufsbezogene
                                            insgesamt                           Weiterbildung                       Weiterbildung                      Weiterbildung

                            Datenquelle: BMBF (2019): Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2018                                            Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 10
6 ERWERBSARBEIT
                                                                                                    Infobox 2

   Zentrale Befunde

   Erwerbsbeteiligung
   Aktuell beträgt der geschlechterbezogene Abstand bei der Erwerbsbeteiligung knapp
   8 Prozentpunkte. Seit 1991 (21 Prozent) hat er sich stark verringert.

   Erwerbsverhältnis
   Minijobs als einzige Erwerbstätigkeit: Mit 62 Prozent stellen Frauen den deutlich größeren
   Anteil an den ausschließlich im Minijob arbeitenden Beschäftigten dar. In den letzten 10 Jah-
   ren ist die Zahl der Frauen mit Minijob als einziger Erwerbsarbeit allerdings zurückgegangen.

   Leiharbeit: Frauen stellen fast ein Drittel aller Leiharbeitnehmer*innen. Damit ist Leiharbeit
   zwar immer noch männlich dominiert, aber der Frauenanteil ist seit 1991 um 10 Prozent-
   punkte angestiegen.

   Befristungen: Abhängig beschäftigte Frauen und Männer weisen ähnliche Befristungsquo-
   ten auf (mit knapp über 7 Prozent).

   Selbstständigkeit: Frauen sind seltener selbstständig als Männer. Der Frauenanteil an allen
   Selbstständigen beträgt ein Drittel (34 Prozent). Unter den Solo-Selbstständigen stellen
   Frauen sogar 41 Prozent, und unter den Selbstständigen mit Beschäftigten nur 26 Prozent.

   Berufliche Segregation
   Von den insgesamt 14 Berufssegmenten stellen Männer in 7 Berufssegmenten die große
   Mehrheit, während nur 3 Berufssegmente Frauendomänen sind.

   Arbeitsqualität
   Männer sind stärker als Frauen von klassischen Arbeitsbelastungen – körperlich schwere
   Arbeit und Lärm – betroffen. Dagegen sind Frauen häufiger anderen Belastungen bei der
   Arbeit ausgesetzt wie Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen und emotionaler Belastung.

                                                                                              WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 11
6.1      Erwerbsbeteiligung

                         Mit einer Erwerbstätigenquote von 72 Prozent sind
                         Frauen immer noch seltener erwerbstätig als Män-
                         ner (80 Prozent). Der geschlechtsbezogene Ab-
                         stand bei der Erwerbstätigenquote liegt aktuell bei
                         knapp 8 Prozentpunkten.
                            Allerdings haben Frauen bei der Erwerbstätigen-
                         quote seit Beginn der 1990er Jahre stark aufgeholt,
                         denn noch 1991 lag die Erwerbstätigenquote der
                         Frauen bei 57 Prozent und ist seit Ende der 1990er
                         Jahre stark angestiegen.
                            Im Vergleich dazu war die Erwerbstätigenquo-
                         te der Männer zwischen 1991 und 2003 zunächst
                         stark zurückgegangen (von 78 auf 71 Prozent). Seit-
                         her ist sie aber wieder gestiegen, und liegt aktuell
                         sogar etwas höher als zu Beginn der 1990er Jahre.

                                                                                                                                                                       Abbildung 5

                           Erwerbstätigenquoten und Erwerbsquoten der 15- bis unter 65-jährigen Frauen und Männer
                           in Deutschland (1991– 2018), in Prozent
                                                                                                                                                                       DEUTSCHLAND
                          100

                            90
                                                                                                                                                       Männer
                                                                                                                                                                   Erwerbsquote
                            80
                                  78,4                                                                             77,7   77,7    78,9   79,6                      Erwerbstätigen-
                                                                                                            77,3
                                             75,0                                             74,5   75,3                                                          quote
                            70                      73,9
                                                           71,9   72,4   72,7   70,9   71,2                                              72,1
                                                                                                                                  71,5
                                                                                                            67,7   68,8   69,8                         Frauen
                                                                                                     65,1
                            60                                                                63,1                                                                 Erwerbsquote
                                                                         58,8   58,8   59,5
                                  57,0
                                                           55,2
                                                                  56,9                                                                                             Erwerbstätigen-
                                             54,9   55,1
                            50                                                                                                                                     quote

                            40

                            30
                                  21,4       20,1
                            20                      18,8
                                                           16,7   15,5
                                                                         13,9                                                                               Geschlechtsbezogener
                                                                                12,1   11,7   11,4                                                          Abstand der Erwerbs-
                                                                                                     10,2   9,6    8,9
                            10                                                                                            7,9     7,4    7,5                tätigenquoten in
                                                                                                                                                            Prozentpunkten
                                                                                                                                                            (Männer minus Frauen)
                             0

                                  1991   1993       1995   1997   1999   2001   2003   2005   2007   2009   2011   2013   2015   2017    2018

                           Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, auf Anfrage                                        Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 12
6.2 Erwerbsverhältnis (1) – Minijobs als einzige Erwerbstätigkeit

Fast 5 Millionen Beschäftigte sind ausschließ-                                                         Seit 1991 ist die Zahl der ausschließlich in Mini-
lich geringfügig beschäftigt. Damit stellen die                                                        jobs beschäftigten Frauen allerdings rückläufig,
Minijobber*innen einen Anteil von mehr als                                                             während die Zahl der ausschließlich in Minijobs
13 Prozent an allen abhängig Beschäftigten in                                                          beschäftigten Männer seit 2004 kontinuierlich an-
Deutschland.                                                                                           gestiegen ist.
   Frauen sind deutlich häufiger als Männer aus-
schließlich geringfügig beschäftigt: Im Jahr 2017
hatte unter den abhängig Beschäftigten jeder zehn-
te Mann, aber fast jede sechste Frau einen Mini-
job. An allen ausschließlich geringfügig Beschäf-
tigten stellen Frauen mit 62 Prozent die deutliche
Mehrheit.

                                                                                                                                                                                     Abbildung 6

  Ausschließlich geringfügig beschäftigte Frauen und Männer in Deutschland (2004–2017),
  Angaben in Tausend
                                                                                                                                                                                       DEUTSCHLAND
  4.000

                                   3.451       3.502       3.503       3.508       3.467
  3.500    3.391       3.397                                                                   3.434       3.380       3.364       3.330
                                                                                                                                               3.189       3.122
                                                                                                                                                                       3.047
  3.000

  2.500
                                                                                                                                                                                          Frauen
  2.000                                                                                                        1.851       1.893       1.918       1.885       1.894       1.898
                                                                           1.806       1.826       1.842
               1.730       1.733       1.747       1.752       1.757                                                                                                                      Männer
  1.500

  1.000

   500

      0
            2004        2005        2006        2007        2008        2009        2010        2011        2012        2013        2014        2015        2016        2017

  Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik (revidierte Daten), eigene Berechnungen                                   Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2018

                                                                                                                                                                                   WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 13
6.3 Erwerbsverhältnis (2) – Leiharbeit

                         Leiharbeit hat seit Beginn der 1990er Jahre und
                         ganz besonders in den Jahren nach 2004 stark an
                         Bedeutung gewonnen, denn .im Vergleich zu 1991
                         ist die Zahl der Leiharbeitnehmer*innen bis 2017
                         auf mehr als das Siebenfache angewachsen. Sei-
                         nen vorläufigen Höchststand erreichte die Zahl der
                         Leiharbeitnehmer*innen 2017 mit mehr als einer
                         Million Beschäftigten.
                            Dennoch ist der Anteil der Leiharbeit-
                         nehmer*innen an der Gesamtbeschäftigung
                         noch relativ gering: 3 Prozent der sozialver-
                         sicherungspflichtig    Beschäftigten     sind    als
                         Leiharbeitnehmer*in tätig. Dabei spielt Leiharbeit
                         bei Männern (4 Prozent) eine größere Rolle als bei
                         Frauen (knapp 2 Prozent).
                            Frauen stellen fast ein Drittel (30 Prozent) aller
                         Leiharbeitnehmer*innen. Leiharbeit ist in Deutsch-
                         land zwar immer noch männlich dominiert, aber
                         der Frauenanteil ist – im Vergleich zu 1991 – um
                         10 Prozentpunkte deutlich angestiegen.

                                                                                                                                                                                                            Abbildung 7

                           Leiharbeitnehmer/innen in Deutschland (1991–2017), Angaben in Tausend

                                                                                                                                                                                                             DEUTSCHLAND
                           1.100
                                                                                                                                                                                                1.034

                           1.000                                                                                                                                                     952

                                                                                                                                                       882               865
                             900
                                                                                                                                                                                                            Alle
                             800
                                                                                                                               715                                                                          Leiharbeit-
                             700
                                                                                                                                          625
                                                                                                                                                                                                728         nehmer/
                                                                                                                                                                                    664                     innen
                             600                                                                                                                      637
                                                                                                                                                                        598

                             500                                                                                  444         529

                             400                                                                                                          439
                                                                                             341        330
                                                                                                                                                                                                      306
                                                                                                                                                                                                                   Männer
                                                                                  276                             334                                                                     288
                             300                                                                                                                                              267
                                                                                                                                                            245                                                    Frauen
                                                                       201                  264        253                          186         187
                             200                            166
                                         131                                     217
                                                    114
                                                                      162                                               110
                             100                           135                                    77         77
                                        106                                            58
                                              26   92 23         31         39
                                  0
                                        1991       1993    1995       1997       1999       2001       2003       2005        2007        2009        2011              2013        2015        2017

                           Anmerkung: Infolge der Umstellung der Statistik zur Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) seit 2013 ist die Vergleichbarkeit in der Zeitreihe eingeschränkt.

                           Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitnehmerüberlassungsstatistik, eigene Berechnungen                                          Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2018

WSI Report Nr. 56, Februar 2020       Seite 14
6.4 Erwerbsverhältnis (3) – Befristungen

In Deutschland hatten im Jahr 2018 fast 2,5 Milli- Bei den 15 bis unter 25-jährigen Frauen und Män-
onen abhängig Beschäftigte einen befristeten Ar- nern sind die Anteile an Befristung im Vergleich zu
beitsvertrag (obwohl sie sich nicht in Ausbildung anderen Altersgruppen am höchsten. (Und dies,
befanden). Damit standen mehr als 7 Prozent der obwohl hier alle Personen ausgeschlossen sind, die
Beschäftigten in einem zeitlich befristeten Arbeits- sich in einer schulischen, beruflichen oder univer-
verhältnis. Von einer Befristung betroffen sind sitären Ausbildung befinden.) Während des Beob-
Frauen und Männer (im Alter zwischen 15 und achtungszeitraums ist die Befristungsquote insge-
64 Jahren) in ähnlichem Umfang (mit 7,4 Prozent samt stark angestiegen. Der zu Beginn der 1990er
bzw. 7,2 Prozent).                                   Jahre noch deutliche Abstand zwischen Männern
    Über den gesamten Beobachtungszeitraum seit und Frauen ist inzwischen fast ganz verschwunden:
Anfang der 1990er Jahre ist der Anteil an befriste- – Noch im Jahr 1991 hatte unter den jüngeren Be-
ten Beschäftigungsverhältnissen bei Frauen und          schäftigten nur jede elfte Frau und jeder achte
Männern insgesamt jeweils leicht angestiegen.           Mann einen befristeten Arbeitsvertrag.
Besonders deutlich fiel der Anstieg in den Jahren – Besonders hohe Befristungsquoten hatten jün-
zwischen 2004 und 2007 aus. Seitdem sind die Be-        gere Beschäftigte zwischen 2005 und 2011. In
fristungsquoten bei Frauen wie Männern – in fast        diesen Jahren war ein Drittel der jungen Män-
allen Altersgruppen – wieder leicht rückläufig.         ner und mehr als ein Viertel der Frauen befristet
    Im Jahr 2018 weisen Männer nur in der jüngsten      beschäftigt.
Altersgruppe – den Arbeitnehmer*innen von 15 bis – Trotz eines starken Rückgangs der Befris-
unter 25 Jahren – eine etwas höhere Befristungs-        tungsquoten seit 2011 war im Jahr 2018 immer
quote auf. In allen anderen Altersgruppen sind          noch mehr als ein Fünftel der jungen Frauen
Frauen jeweils etwas stärker von Befristung betrof-     und Männer (mit 22 bzw. 21 Prozent) befristet
fen als Männer (ohne Abb.).                             beschäftigt.

                                                                                                                                                       Abbildung 8

     Anteil der befristet beschäftigten Frauen und Männer an den abhängig Beschäftigten im Alter von
     15 bis unter 25 Jahren und 15 bis unter 65 Jahren in Deutschland (1991– 2018), in Prozent
                                                                                                                                                 DEUTSCHLAND
     35
                                                                        31,8   31,3

                                                                                      28,7   29,1
     30                                                                        28,8
                                                                        27,4
                                                             25,5                            28,8
                                             24,8                                     28,0
     25
                                                     24,3                                           23,8     23,7    23,3
                                                                                                                                         15 bis unter 25
                                                                                                                             22,1
                                     21,2                                                                                                            Männer
     20
                                             19,4
                                                     18,4
                                                                                                    22,3     21,9    21,5
                                                                                                                                                     Frauen
                                                                                                                             21,0
                            16,9                              19,7

                    14,1            14,5
     15    13,3
                            11,8

            8,9                                                         8,7
                                                                               9,3    9,5    9,6                                         15 bis unter 65
     10             8,6                      8,1                                                    8,4       8,2     7,9
                                                      7,6                                                                     7,4
            6,9
                             7,2     6,9                      7,1                                                                                   Frauen
                    6,3                                                 8,6    8,9           8,6
                                                                                      8,3
                                             7,5      7,2     7,1                                   7,6       7,4     7,4     7,2                   Männer
      5     5,8              6,2     6,5
                    5,6

      0
           1991    1993    1995     1997    1999     2001    2003       2005   2007   2009   2011   2013     2015    2017    2018

     Datenquelle: Statistisches Bundesamtes, Mikrozensus, auf Anfrage                                      Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2020

                                                                                                                                                     WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 15
6.5 Erwerbsverhältnis (4) – Selbstständige

                         Frauen sind in Deutschland immer noch seltener                                    Selbstständigkeit von Frauen ist aber vor allem
                         selbstständig als Männer: Der Frauenanteil an allen                               Solo-Selbstständigkeit. Der Frauenanteil an den
                         Selbstständigen liegt bei einem Drittel (34 Prozent).                             Solo-Selbstständigen liegt mit 41 Prozent deutlich
                            Zwischen 1991 und 2017 hat sich die Zahl der                                   höher als der Frauenanteil an allen Selbstständi-
                         Selbstständigen in Deutschland stark erhöht – von                                 gen. Bei den Selbstständigen mit Beschäftigten
                         2,9 Millionen auf 3,7 Millionen. In diesem Zeitraum                               haben Frauen nur einen Anteil von 26 Prozent
                         hat sich vor allem die Anzahl der selbstständigen                                 und sind damit im Vergleich zu Männern deutlich
                         Frauen stark erhöht (von 0,74 Mio. auf 1,25 Mio.),                                unterrepräsentiert.
                         während die Anzahl der selbstständigen Männer
                         lediglich um etwa ein Achtel angestiegen ist (von
                         2,16 Mio. auf 2,43 Mio.). Als Folge dieser Verän-
                         derungen ist der Frauenanteil an allen Selbststän-
                         digen zwischen 1991 und 2017 um gut 8 Prozent-
                         punkte angestiegen.

                                                                                                                                                                      Abbildung 9

                          Anteil der Frauen an allen Selbstständigen, den Solo-Selbstständigen und den Selbstständigen
                          mit Beschäftigten in Deutschland (1991–2017), in Prozent
                                                                                                                                                                       DEUTSCHLAND
                             50

                                                                                                                                                             Frauenanteil an
                                                                                                                                            40,6
                             40
                                                                                                                                                             Solo-Selbstständigen
                                                                                                                                            34,0
                                   31,2
                             30                                                                                                                              allen Selbstständigen
                                   25,6                                                                                                     25,9

                                   21,0
                                                                                                                                                             Selbstständigen mit
                                                                                                                                                             Beschäftigten
                             20

                             10

                              0
                                   1991      1993   1995    1997    1999    2001     2003    2005   2007     2009   2011   2013     2015    2017

                          Datenquelle: Eurostat, Labor Force Survey (EU-LFS), eigene Berechnungen                                 Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 16
6.6 Berufliche Segregation

Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen                                                – Männerdominierte Berufssegmente mit nied-
und Männer verteilen sich sehr ungleich auf unter-                                                rigem Frauenanteil (unter 30 Prozent). sind
schiedliche Berufe und Berufssegmente. Diese Un-                                                  IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleis-
gleichverteilung wird auch als horizontale Segre-                                                 tungsberufe, Sicherheitsberufe, die Berufe des
gation des Arbeitsmarktes bezeichnet. Insgesamt                                                   Land-/Forst- und Gartenbaus sowie die Ver-
stellen Frauen nur in drei der insgesamt 14 Berufs-                                               kehrs-/Logistikberufe. Besonders gering fällt der
segmente den dominierenden Anteil an Beschäftig-                                                  Frauenanteil in den Bau-/Ausbauberufen, den
ten. Demgegenüber sind sieben Berufssegmente                                                      fertigungstechnischen Berufen und den Ferti-
Männerdomänen:                                                                                    gungsberufen aus.
– Frauendominierte Berufssegmente (mit Frau-                                                    – Zu den geschlechtsunspezifischen Berufsseg-
   enanteil von über 70 Prozent) finden sich vor                                                  menten (mit einem Frauenanteil von 30 Prozent
   allem in personenbezogenen Dienstleistungsbe-                                                  bis unter 70 Prozent) zählen Lebensmittel- und
   rufen, etwa in Gesundheitsdienstberufen, Reini-                                                Gastgewerbeberufe, Handelsberufe, Berufe in
   gungsberufen sowie in sozialen und kulturellen                                                 Unternehmensführung/ -organisation sowie un-
   Dienstleistungsberufen.                                                                        ternehmensbezogene Dienstleistungsberufe.

                                                                                                                                                        Abbildung 10

Frauen- und Männeranteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Berufssegmenten
in Deutschland (2017), in Prozent
                                                                                                                                                          DEUTSCHLAND

                                                           Frauendominierte Berufssegmente
medizinische u. nichtmedizinische Gesundheitsberufe                                                                          82,2        17,8

                                  Reinigungsberufe                                                                    75,3               24,7

        soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe                                                                 73,7                26,3

                                                           Geschlechtsunspezifische Berufssegmente
     unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe                                                               65,0                       35,0

 Berufe in Unternehmensführung und -organisation                                                             64,3                        35,7

                                     Handelsberufe                                                          62,2                         37,8
                                                                                                                                                                Frauen
             Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe                                                     53,6                                46,4

                                                           Männerdominierte Berufssegmente                                                                      Männer
                     Land-, Forst-, Gartenbauberufe                                 28,5                                                 71,5

                                  Sicherheitsberufe                               27,9                                                   72,1

IT- und naturwissenschaftliche Dienstleistungsberufe                         23,7                                                        76,3

                       Verkehrs- und Logistikberufe                     20,1                                                             79,9

                                   Fertigungsberufe                   17,1                                                               82,9

                        fertigungstechnische Berufe              13,2                                                                    86,8

                            Bau- und Ausbauberufe          6,5                                                                           93,5

                                                       0         10          20            30   40   50      60      70       80    90     100

Datenquelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berufe im Spiegel der Statistik                          Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

                                                                                                                                                       WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 17
6.7 Arbeitsqualität

                         Männer sind stärker von klassischen Arbeitsbe- Frauen sind häufiger als Männer anderen Belastun-
                         lastungen – körperlich schwere Arbeit und Lärm – gen bei der Arbeit ausgesetzt, wie etwa häufigen
                         betroffen als Frauen. Zugleich werden an Männer Arbeitsunterbrechungen, Arbeiten unter Zeitdruck
                         größere Erwartungen in punkto Erreichbarkeit au- und der Anforderung, die eigenen Gefühle zu
                         ßerhalb der Arbeitszeit gestellt.                     verbergen.
                         – Jeder dritte Mann in Vollzeit und jede vierte       – Häufige Arbeitsunterbrechungen – durch tech-
                            voll- oder teilzeiterwerbstätige Frau arbeitet        nische Probleme, Telefonate oder Kolleg*innen
                            „oft“ bzw. „sehr häufig“ körperlich schwer.           – geben sechs von zehn vollzeitbeschäftigten
                            Körperliche Belastungen treten nicht nur in           Frauen an, im Vergleich zu fünf von zehn voll-
                            männerdominierten Berufen, sondern auch in            zeitbeschäftigten Männern. Unter den Teilzeiter-
                            Pflegeberufen auf, in denen überwiegend Frau-         werbstätigen gilt dies für fünf von zehn Frauen
                            en tätig sind.                                        sowie für vier von zehn Männern.
                         – Männer sind deutlich häufiger als Frauen Lärm       – Über starken Zeitdruck bei der Arbeit berichten
                            oder lauten Umgebungsgeräuschen am Arbeits-           59 Prozent der vollzeitbeschäftigten Frauen und
                            platz ausgesetzt: Dies trifft auf knapp die Hälfte    51 Prozent der vollzeitbeschäftigten Männer.
                            der Männer, aber nur auf ein gutes Drittel der        Teilzeitbeschäftigte Frauen und Männer fühlen
                            Frauen zu.                                            sich hingegen etwas seltener bei der Arbeit
                         – Jeder vierte abhängig beschäftigte Mann, aber          gehetzt.
                            nur jede fünfte Frau ist häufig mit der Erwar-     – Frauen geben zudem häufiger an, dass sie bei
                            tung konfrontiert, auch außerhalb der Arbeits-        der Arbeit ihre Gefühle verbergen müssen: Auf
                            zeit erreichbar zu sein.                              annähernd jede dritte Frau in Voll- oder Teilzeit
                                                                                  trifft dies oft oder sehr häufig zu, aber nur etwa
                                                                                  für jeden vierten Mann (in Voll- oder Teilzeit).

                                                                                                                                                                                        Abbildung 11

                         Körperliche Belastung und Lärmbelastung durch Arbeit sowie erwartete Erreichbarkeit außerhalb der
                         Arbeitszeit von Frauen und Männern in Deutschland (2018), in Prozent *
                                                                                                                                                                                         DEUTSCHLAND

                                                                                                               27
                                                             Vollzeit
                                                                                                                        34
                              Körperlich schwere
                              Arbeit **                                                                       26
                                                             Teilzeit
                                                               (n.s.)                                          27

                                                                        0         10          20                   30             40        50   60           70          80

                                                                                                                                  39
                                                             Vollzeit
                                                                                                                                            49                                             Frauen
                              Lärm am
                              Arbeitsplatz ***                                                                          34                                                                 Männer
                                                             Teilzeit
                                                                                                                                       45

                                                                        0         10          20                   30             40        50   60           70          80

                                                                                               19
                                                             Vollzeit
                              Erreichbarkeit außerhalb                                                   23
                              der Arbeitszeit ****
                              (z.B. telefonisch/per Email)                                          21
                                                             Teilzeit
                                                                                                                             36

                                                                        0         10          20                   30             40        50   60           70          80

                         *
                              Abgebildet wird der Anteil der Befragten, der die jeweiligen Fragen mit „oft“ bzw. „sehr häufig“ beantwortet hat.
                         **
                              Fragentext in der Erhebung: „Wie häufig kommt es vor, dass Sie körperlich schwer arbeiten müssen (...)?“
                         ***
                              Fragentext in der Erhebung: „Wie häufig kommt es vor, dass Sie an Ihrem Arbeitsplatz Lärm oder lauten Umgebungsgeräuschen ausgesetzt sind?“
                         ****
                              Fragentext in der Erhebung: „Wie häufig wird von Ihnen erwartet, dass Sie außerhalb Ihrer normalen Arbeitszeit, (...) für Ihre Arbeit erreichbar sind?“

                         Datenquelle: DGB-Index "Gute Arbeit", auf Anfrage, eigene Berechnung                                                    Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

WSI Report Nr. 56, Februar 2020     Seite 18
Abbildung 12

Häufige Arbeitsunterbrechungen, Zeitdruck und Kontrolle der Gefühle bei der Arbeit von Frauen und
Männern in Deutschland (2018), in Prozent *
                                                                                                                                                                   DEUTSCHLAND

                                                                                                                                  60
                                   Vollzeit
                                                                                                                          54
     Häufige Arbeits-
     unterbrechungen **                                                                                    46
                                   Teilzeit
                                     (n.s.)                                                          42

                                              0        10           20           30             40              50             60         70         80

                                                                                                                                59
                                   Vollzeit
                                                                                                                     51                                                  Frauen
     Unter Zeitdruck stehen/
     sich gehetzt fühlen ***                                                                                     50                                                      Männer
                                   Teilzeit
                                     (n.s.)                                                               45

                                              0        10           20           30             40              50             60         70         80

                                                                                           36
                                   Vollzeit
                                                                           24
     Gefühle verbergen
     müssen ****                                                                      31
                                   Teilzeit
                                     (n.s.)                                     27

                                              0        10           20           30             40              50             60         70         80

*
     Abgebildet wird der Anteil der Befragten, der die jeweiligen Fragen mit „oft“ bzw. „sehr häufig“ beantwortet hat.
**
     Fragentext in der Erhebung: „Wie häufig kommt es vor, dass Sie bei Ihrer Arbeit gestört oder unterbrochen werden, z.B. durch techn. Probleme, Telefonate, Kollegen?“
***
     Fragentext in der Erhebung: „Wie häufig fühlen Sie sich bei der Arbeit gehetzt oder stehen unter Zeitdruck?“
****
     Fragentext in der Erhebung: „Wie häufig verlangt es Ihre Arbeit von Ihnen, dass Sie Ihre Gefühle verbergen?“

Datenquelle: DGB-Index "Gute Arbeit", auf Anfrage, eigene Berechnung                                                           Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

                                                                                                                                                               WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 19
7 EINKOMMEN
                                                                                                                                Infobox 3

                                  Zentrale Befunde

                                  Gender Pay Gap
                                  Der Gender Pay Gap ist in Deutschland in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. Den-
                                  noch verdienen Frauen pro Arbeitsstunde durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer.

                                  Gender Pension Gap
                                  Die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern beträgt aktuell 53 Prozent (2015). Zwischen
                                  1992 und 2015 hat sich die geschlechterbezogene Rentenlücke verringert – von 69 auf
                                  53 Prozent.

                                  Niedrigeinkommen
                                  Niedrigeinkommen trotz Vollzeit betrifft Frauen weitaus häufiger als Männer: 25 Prozent der
                                  Frauen, aber nur 14 Prozent der Männer verdienen monatlich weniger als 2.000 Euro brutto.
                                  Zwischen 2011 und 2016 haben sich diese Anteile verringert: bei Frauen von 34 auf 25 Pro-
                                  zent und bei Männern von 20 auf 14 Prozent.

                                  Existenzsicherung
                                  Im Fall von Erwerbslosigkeit oder einer Beschäftigung von weniger als 15 Stunden pro Wo-
                                  che sind Frauen deutlich häufiger auf die Unterstützung durch Angehörige angewiesen als
                                  Männer (49 zu 30 Prozent). Und Männer sind besser durch staatliche Transferleistungen ab-
                                  gesichert als Frauen (54 zu 33 Prozent).

WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 20
7.1     Gender Pay Gap

Frauen verdienen im Durchschnitt deutlich weni- Anmerkung: Eine der Hauptursachen für die fest-
ger pro Arbeitsstunde als Männer. Der Gender Pay stellbare Verringerung des Gender Pay Gap in
Gap – also der prozentuale Anteil, den Frauen im Deutschland ist die Einführung des Mindestlohns.
Durchschnitt pro Arbeitsstunde weniger verdienen Mit ihm wurden die unteren Löhne deutlich ange-
als Männer – beträgt 20,9 Prozent.                  hoben. Da Frauen in Deutschland weitaus häufiger
   Zwar stiegen im Beobachtungszeitraum 2006 als Männer im Niedriglohnsektor beschäftigt sind,
bis 2018 die durchschnittlichen Brutto-Stunden- hat sich damit auch der Gender Pay Gap etwas ver-
verdienste (ohne Sonderzahlungen wie Urlaubs- ringert (Herzog-Stein et al. 2018).
geld o. ä.) für Frauen und Männer kontinuierlich an
– um jeweils mehr als 20 Prozent. Da der Anstieg
für beide Geschlechtergruppen aber vergleichbar
hoch ausfiel, hat sich der Gender Pay Gap kaum
verändert. Er lag im Beobachtungszeitraum von
2006 bis 2018 stets zwischen 21 und 23 Prozent. In
den letzten 4 Jahren ist der Gender Pay Gap leicht
abgesunken und hat 2018 erstmals 21 Prozent
unterschritten.

                                                                                                                                                                                                             Abbildung 13

Gender
   GenderPay
          PayGap   unddurchschnittliche
              Gap und  durchschnittliche   Brutto-Stundenverdienste
                                        Brutto-Stundenverdienste        vonund
                                                                 von Frauen Frauen und Männern
                                                                               Männern
in Deutschland
   in Deutschland(2007–2014),
                  (2006–2018), in
                               in Prozent  undininEuro
                                  Prozent und       Euro
                                                                                                                                                                                                               DEUTSCHLAND
  25      22,3        22,8        22,8        22,5            22,3            22,4            22,7                            22,3
                                                                                                              22,1                            22,0            21,5            21,0            20,9
  20

  15                                                                                                                                                                                                        Gender
                                                                                                                                                                                                            Pay Gap
  10                                                                                                                                                                                                        (in Prozent)

   5

   0

  25
                                                                                                                                                                    20,71           21,00           21,60
                                                                                                                    19,89           19,87           20,25
  20        17,90       18,21       18,46           18,74           18,81           19,17           19,63                                                                                                   Durchschnittl.
                                                                                                            15,50           15,44           15,80           16,26           16,59           17,09           Stunden-
                                                                            14,88           15,18
  15    13,91       14,05       14,25       14,52           14,62                                                                                                                                           verdienst
                                                                                                                                                                                                            (brutto, in Euro)
  10
                                                                                                                                                                                                                  Frauen
   5
                                                                                                                                                                                                                  Männer
   0
         2006        2007        2008        2009            2010             2011           2012             2013            2014           2015             2016            2017           2018

  Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Verdienststrukturerhebung, Vierteljährliche Verdiensterhebung, auf Anfrage.                                            Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2019

                                                                                                                                                                                                            WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 21
7.2      Gender Pension Gap

                         Die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern Anmerkung: Die Rentenlücke fällt bei verheirateten
                         liegt bei 53 Prozent. Frauen beziehen folglich ein und verwitweten Personen, bei Rentenbeziehenden
                         um 53 Prozent niedrigeres Alterssicherungsein- mit niedrigem Berufsabschluss, bei Personen mit
                         kommen als Männer. Berücksichtig werden dabei einer höheren Zahl von Kindern sowie bei Älteren
                         alle drei Säulen der Alterssicherung: die gesetzli- besonders hoch aus (Deutscher Bundestag 2017,
                         che Rentenversicherung (GRV) bzw. Beamtenver- Loose 2015, Faik/Köhler-Rama 2012). So beträgt
                         sorgung (BV) sowie betriebliche Alterssicherung die geschlechterbezogene Rentenlücke in West-
                         und private Alterssicherung.                        deutschland unter Verheirateten sogar 64 Prozent
                            Innerhalb des Beobachtungszeitraums 1992 bis und unter Verwitweten 62 Prozent. Generell fällt die
                         2015 hat sich der Gender Pension Gap in Deutsch- Rentenlücke in Westdeutschland (58 Prozent) weit-
                         land von 69 auf 53 Prozent verkleinert.             aus höher aus als in Ostdeutschland (28 Prozent).

                                                                                                                                          Abbildung 14

                          Entwicklung des Gender Pension Gap in Deutschland (1992–2015), in Prozent

                                                                                                                                             DEUTSCHLAND
                          100

                           90

                           80         73               72
                                                                       68       67
                           70                                                          64
                                                                                              61
                                      69               69                                              58
                           60                                          64                                                             Westdeutschland
                                                                                63
                                                                                       59
                           50                                                                57
                                                                                                       53
                                                                                                                                      Deutschland
                           40                          45              46
                                                                               43
                                      39
                           30                                                          37     35                                      Ostdeutschland
                                                                                                       28
                           20

                           10

                            0
                                     1992            1995             1999     2003   2007   2011     2015

                          * Westdeutschland mit West-Berlin

                          Datenquelle: Loose, B. (2015) und BT-Drs. 18/13119                            Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2017

WSI Report Nr. 56, Februar 2020   Seite 22
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