STELLUNGNAHME DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN ZU DEN ANLÄSSLICH DER ERSTEN LESUNG BETREFFEND DIE ABÄNDERUNG DES ...
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STELLUNGNAHME DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN ZU DEN ANLÄSSLICH DER ERSTEN LESUNG BETREFFEND DIE ABÄNDERUNG DES JAGDGESETZES AUFGEWORFENEN FRAGEN Behandlung im Landtag Datum 1. Lesung 02./03.09.2021 2. Lesung Schlussabstimmung Nr. 80/2021
3 INHALTSVERZEICHNIS Seite I. STELLUNGNAHME DER REGIERUNG ......................................................... 7 1. Allgemeines ................................................................................................... 7 2. Grundsätzliche Fragen ................................................................................... 8 2.1 Vorbemerkung ..................................................................................... 8 2.2 Schutzwald ........................................................................................... 9 2.2.1 Definition................................................................................ 9 2.2.2 Schutzwaldausscheidung ..................................................... 10 2.2.3 Aktualisierung Schutzwaldausweisung ................................ 13 2.2.4 Waldstrategie 2030+ ............................................................ 13 2.2.5 Waldpriorisierung ................................................................ 14 2.3 Waldverjüngungskontrolle ................................................................. 16 2.3.1 Vorbemerkung ..................................................................... 16 2.3.2 Verbisssituation.................................................................... 17 2.3.3 Baumartenverteilung ........................................................... 18 2.3.4 Analyse der Verjüngungssituation ....................................... 19 2.4 Ist-Soll-Analyse der Waldverjüngung ................................................. 25 2.5 Wildökologische Raumplanung.......................................................... 28 2.6 Aspekte des Tierschutzes ................................................................... 31 2.6.1 Vorbemerkung ..................................................................... 31 2.6.2 Nachtabschüsse ................................................................... 31 2.6.3 Schonung von Mutter- und Jungtieren ................................ 32 2.6.3.1 Schuss- und Schonzeiten bei der ordentlichen Jagd............ 32 2.6.3.2 Schuss- und Schonzeiten bei von der Wildhut koordinierten Massnahmen................................................. 34 2.7 Drei-Phasen Modell ............................................................................ 37 2.7.1 Vorbemerkung ..................................................................... 37 2.7.2 Überlegungen bei der Einteilung des Jagdjahres in drei Phasen .................................................................................. 37 2.7.3 Jagd im Frühjahr ................................................................... 39 2.7.4 Jagd in der dritten Phase...................................................... 41 2.8 Jagdberechtigung (Jagdkarte, Nachweis der Treffsicherheit)............ 42 2.9 Kartierung der Intensivbejagungsgebiete .......................................... 44 2.10 Aktueller Stand der Umsetzung des Massnahmenpakets zur Verbesserung der Waldverjüngung ................................................... 46 2.10.1 Vorbemerkung ..................................................................... 46
4 2.10.2 Wildruhegebiete .................................................................. 46 2.10.3 Anpassung des Jagdwertes der Reviere............................... 47 2.10.4 Absprachen auf Regierungsebene mit Vorarlberg, St. Gallen und Graubünden.................................................. 47 2.10.5 Förderung der Lebensraumvernetzung und von Wanderkorridoren ............................................................... 48 2.10.6 Naturnahe Waldbewirtschaftung ........................................ 48 2.10.7 Zusammenarbeit Forst und Jagd.......................................... 49 3. Fragen zu einzelnen Artikeln ....................................................................... 50 II. ANTRAG DER REGIERUNG ..................................................................... 72 III. REGIERUNGSVORLAGE .......................................................................... 73
5 ZUSAMMENFASSUNG In seiner Sitzung vom 2./3. September 2021 hat der Landtag die Regierungsvorlage betreffend die Abänderung des Jagdgesetzes in erster Lesung beraten. Trotz län- gerer Eintretensdebatte war das Eintreten auf die Gesetzesvorlage letztlich unbe- stritten und erfolgte mit einhelliger Zustimmung. Anlässlich der ersten Lesung wurden verschiedene grundsätzliche Fragen gestellt, so insbesondere zu den Themenbereichen Schutzwald und Waldverjüngung, Ver- bissmonitoring, Tierschutz, Jagdzeiten, Aufgaben der Wildhut, Zulassung zur Jagd und Stand der Umsetzung jener Massnahmen aus dem Massnahmenpaket «Wald- verjüngung» (2020), die nicht Gegenstand dieser Gesetzesvorlage sind. Es bestand in der ersten Lesung weitgehend Einigkeit darüber, dass dem Wald wichtige Schutzfunktionen zukommen und er sich deshalb in ausreichendem Masse verjüngen muss. Umstritten war, welchen Einfluss der Wildbestand auf die vieler- orts ungenügende, teilweise gänzlich fehlende Waldverjüngung hat. Die Regierung geht daher im Kapitel «Grundsätzliche Fragen» noch einmal vertieft auf die genannten Themengebiete ein. Die Regierung ist weiterhin davon überzeugt, dass die gegenständliche Vorlage für eine nachhaltige Verbesserung der Waldverjüngung unerlässlich ist. Konkret wer- den zwei zentrale Empfehlungen des Massnahmenpakets umgesetzt, nämlich die Schaffung einer staatlichen und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestatteten Wildhut sowie die Möglichkeit der Ausscheidung von Intensivbejagungsgebieten. Diese beiden Massnahmen sind Voraussetzung dafür, dass auch die übrigen Mas- snahmen des Massnahmenpakets erfolgreich weiter vorangetrieben werden kön- nen. Die Regierung misst wie der Landtag dem Tierschutz einen hohen Stellenwert bei. Um dies zu unterstreichen und zugleich den anlässlich der ersten Lesung geäusser- ten Bedenken bezüglich des Tierschutzes angemessen Rechnung zu tragen, wird die Vorlage daher wie folgt angepasst: • neu gilt auch für sämtliche Aktivitäten der Wildhut ein generelles Nachtjagd- verbot;
6 • in Intensivbejagungsgebieten und Wildzäunen wird die Schonzeit um einen Monat, somit bis zum 15. Juli, verlängert; und • im Drei-Phasen Modell wird die Jagdzeit um einen Monat, somit auf 31. De- zember, verkürzt. ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt BETROFFENE STELLEN Amt für Umwelt Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen Amt für Bevölkerungsschutz
7 Vaduz, 5. Oktober 2021 LNR 2021-1391 P Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Jagdgesetzes (Bericht und Antrag Nr. 56/2021) aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten. I. STELLUNGNAHME DER REGIERUNG 1. ALLGEMEINES In seiner Sitzung vom 2./3. September 2021 hat der Landtag die Regierungsvorlage betreffend die Abänderung des Jagdgesetzes in erster Lesung beraten. Trotz län- gerer Eintretensdebatte war das Eintreten auf die Gesetzesvorlage letztlich unbe- stritten und erfolgte mit einhelliger Zustimmung. Die Regierung hat Anfang 2020 auf Grundlage der Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Waldverjüngung und der Empfehlungen des entsprechen-
8 den Lenkungsausschusses einen umfassenden Katalog an Massnahmen verab- schiedet. 1 Die Massnahmen, welche einer Änderung des Jagdgesetzes bedürfen, stehen im Zentrum der gegenständlichen Vorlage. Es handelt sich hierbei um die staatliche Wildhut und die Ausscheidung von Intensivbejagungsgebieten. Jene Massnahmen, die hingegen keiner Änderung des Jagdgesetzes bedürfen, sind nicht Gegenstand der gegenständlichen Vorlage. Hierzu zählen beispielsweise die Störungsminimierung, die Lebensraumvernetzung, die naturnahe Waldbewirt- schaftung oder die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die Regierung aner- kennt jedoch die Bedeutung der integralen Umsetzung des Massnahmenpakets und geht daher in Kapitel 2.10 nochmals vertieft auf den aktuellen Umsetzungs- stand dieser weiteren Massnahmen ein. Die Schwerpunkte der gegenständlichen Vorlage werden nachfolgend in den Ka- piteln 2.1 bis 2.9 und in den Fragen zu den einzelnen Artikeln (Kapitel 3) behandelt. 2. GRUNDSÄTZLICHE FRAGEN 2.1 Vorbemerkung Die Regierung möchte noch einmal festhalten, dass mit der Wald-Wild-Strategie 2000 ein Gutachten («Meile-Gutachten») vorliegt, das vom Jagdbeirat, einschliess- lich den Vertretern der Jägerschaft, einvernehmlich verabschiedet wurde. Die da- raus resultierenden Erkenntnisse und Umsetzungsempfehlungen decken sich im Wesentlichen mit dem von der Regierung im Jahr 2020 verabschiedeten Massnah- menpaket zur Verbesserung der Waldverjüngung. 1 https://www.llv.li/files/au/kommissionsbericht-waldverjungung-v04022020.pdf.
9 Das «Meile-Gutachten» sowie alle nachfolgenden Studien, Erhebungen und Beobachtungen kommen dabei zum selben Schluss: 1. Der Schutzwald in Liechtenstein hat an vielen Stellen ein erhebliches Ver- jüngungsdefizit; und 2. der Wildverbiss ist ein ursächlicher Faktor für diesen Zustand. Diese Erkenntnis stützt sich vor allem auf die NaiS-Wegleitung des schweizeri- schen Bundesamtes für Umwelt 2, anhand welcher sich für jeden beliebigen Wald- standort der Ist-Soll-Wert für die erforderliche Waldverjüngung herleiten lässt (vgl. Ausführungen in Kapitel 2.4). Diese Wegleitung wird auch in Liechtenstein als relevante Grundlage für die Waldbewirtschaftung herangezogen. Daraus wird ersichtlich, dass seit über 20 Jahren keine wesentlichen Fortschritte in der Waldverjüngungsthematik erzielt werden konnten. Dies unterstreicht die Dringlichkeit einer ganzheitlichen und raschen Umsetzung des Massnahmenpa- kets. 2.2 Schutzwald 2.2.1 Definition Ein Schutzwald ist ein Wald, welcher Menschen, Tiere, Güter und Infrastrukturen vor Lawinen, Steinschlag, Hangrutsch, Erosion, Murgängen und Hochwasser 3 2 Frehner, M.; Wasser, B., Schwitter, R., 2005: Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald. Wegleitung für Pflegemassnahmen in Wäldern mit Schutzfunktion, Vollzug Umwelt. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern, 564 S. 3 Es sei darauf hingewiesen, dass Hochwasser jene Naturgefahr ist, welche in Liechtenstein das höchste Gefahrenpotential hat. Je grösser ein Einzugsgebiet mit Wald bestockt und der Boden tiefgründig durchwurzelt ist, umso grösser ist die Waldwirkung auf den Wasserabfluss bzw. den Wasserrückhalt.
10 schützt. Einen absoluten Schutz vor diesen Naturgefahren gibt es zwar nicht. Es besteht immer ein gewisses Risiko, dass Naturgefahrenprozesse auftreten. Je nach Naturgefahr verhindert ein Schutzwald jedoch die Entstehung der Gefahr (so wer- den bspw. Lawinen durch die zurückhaltende Wirkung von Schnee durch den Wald verhindert) oder minimiert deren Schadenwirkung (bei Steinschlägen wird bspw. dem Sturzobjekt mit jedem Baumkontakt Energie entzogen, bis es schlussendlich zum Stillstand gebracht wird). Voraussetzung für die Klassifizierung eines Waldes als Schutzwald ist das Vorhan- densein eines Gefahrenpotentials (bspw. instabile Felswand), eines Schadenpo- tentials (bspw. Siedlung oder Verkehrsweg) und der Fähigkeit des Waldes, die Wechselwirkung zwischen Gefahren- und Schadenpotential im Sinne einer Scha- denminimierung günstig zu beeinflussen. In Liechtenstein sind nach dieser Definition über 50% des Waldes als Schutzwald zu klassifizieren. Diese Klassifizierung wird auch bei unseren Nachbarn angewendet. So gelten in Graubünden rund 60%, in St.Gallen rund 62% und in Vorarlberg rund 50% der Wäl- der als Schutzwälder. 2.2.2 Schutzwaldausscheidung Der Schutzwald wird in drei Kategorien unterteilt, nämlich (a) Wald mit allgemei- ner Schutzfunktion, (b) Wald mit wichtiger Schutzfunktion und (c) Wald mit sehr wichtiger Schutzfunktion. a) Wald mit allgemeiner Schutzfunktion Ein Wald mit allgemeiner Schutzfunktion schützt in erster Linie den eigenen Stand- ort vor erosiven Kräften und hält das Ökosystem weitestgehend stabil.
11 29% der liechtensteinischen Waldfläche (1’950ha) fallen in diese Kategorie. b) Wald mit wichtiger Schutzfunktion Ein Wald mit wichtiger Schutzfunktion schützt jene Gebiete vor Naturgefahren, in welchen sich nur temporär viele Personen aufhalten und welche jederzeit evaku- iert oder gesperrt werden können (z.B. Skipisten, Langlaufloipen). Dasselbe gilt für permanent gefährdete Gebiete, wo nur wenige Personen (Einzelhäuser) oder mäs- sige Sachwerte (Alpgebäude) bedroht sind. Ebenfalls in diese Kategorie werden die unmittelbaren Einzugsgebiete der Rüfen eingeordnet. 17% der liechtensteinischen Waldfläche (1’115ha) fallen in diese Kategorie. c) Wald mit sehr wichtiger Schutzfunktion Ein Wald mit sehr wichtiger Schutzfunktion schützt eine grosse Zahl permanent gefährdeter Personen bzw. erhebliche Sachwerte vor Naturgefahren. Vorausset- zung ist immer ein direkter Zusammenhang zwischen Gefahrenprozess, Wald und Schutzobjekt. Als Beispiele lassen sich hier Wälder oberhalb von Siedlungen und Hauptstrassen bzw. oberhalb von bedeutenden Infrastruktureinrichtungen auf- führen. Einen Sonderfall in dieser Schutzkategorie bilden die seitlichen Einhänge von Wildbächen. 10% der liechtensteinischen Waldfläche (640ha) fallen in diese Kategorie.
12 Abbildung 1: Sehr wichtiger und wichtiger Schutzwald in Liechtenstein 4 4 Amt für Wald, Natur und Landschaft, 2009: Der Schutzwald in Liechtenstein: Konzept zur Erhal- tung und Verbesserung der Schutzleistung des Waldes; Schutzwaldausweisung; Abrufbar unter: https://www.llv.li/files/au/schutzwald_brosch_.pdf
13 2.2.3 Aktualisierung Schutzwaldausweisung In den nächsten beiden Jahren wird eine Überarbeitung der Schutzwaldausschei- dung von 2009 vorgenommen. Für Liechtenstein ergibt sich ein Überarbeitungsbedarf vor allem aus drei Grün- den: I. Das Schadenspotential hat in verschiedenen Gebieten zugenommen. II. Es gibt heute eine verbesserte Methodik, der standardisierte Computer- modellierungen zu Grunde liegen. III. Es muss für eine gezielte Bewirtschaftung der Schutzwälder klar sein, ge- gen welche Naturgefahrenprozesse der Wald konkret schützen soll. Das ist jedoch den bisherigen Schutzwaldkarten nur bedingt zu entnehmen. Von der Aktualisierung der Schutzwaldausweisung ist zu erwarten, dass sich im Ergebnis die Steinschlag- und Lawinenschutzwälder nicht wesentlich von den heute als sehr wichtige bzw. wichtige Schutzwälder kategorisierten Wäldern un- terscheiden werden. Bei den Naturgefahrenprozessen Hochwasser und Murgang ist hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit von neuen Ergebnissen auszugehen. Diese Prozesse werden in der heutigen Kartierung nur eingeschränkt berücksich- tigt, sind aber gerade für Liechtenstein mit Blick auf das geltende Abflussregime von zentraler Bedeutung. Es kann somit erwartet werden, dass sich die Schutz- waldfläche vergrössern wird. 2.2.4 Waldstrategie 2030+ Mit Beschluss vom 14. September 2021 hat die Regierung das Amt für Umwelt mit der Ausarbeitung einer langfristigen und in der Bevölkerung breit abgestützten Waldstrategie beauftragt.
14 Die Ziele und Massnahmen der Waldstrategie sollen eine verbindliche Richtschnur für alle Formen der Waldnutzung vorgeben, damit der Wald fachgemäss, auf seine Funktionen ausgerichtet und zukunftsorientiert behandelt wird. Ziel ist es, basierend auf der Waldstrategie sowie der aktualisierten Schutzwald- ausweisung für sämtliche Waldflächen die Waldfunktionen festzulegen, womit letztlich auch die Waldfunktionskartierung 5 eine Überarbeitung erfährt. Die Schutzwaldausweisung und die Waldfunktionskartierung befinden sich somit aktuell in einem Überarbeitungsprozess. Nichtsdestotrotz bietet die heutige be- reits vorliegende Schutzwaldkartierung eine sehr gute Grundlage, um potentielle Intensivbejagungsgebiete zu definieren sowie die Schwerpunkte für jagdliche und waldbauliche Massnahmen festzulegen. 2.2.5 Waldpriorisierung Ein zielgerichtetes Wald- und Wildmanagement hat den unterschiedlichen Gege- benheiten im Wald Rechnung zu tragen. Deshalb werden die Waldgebiete nach Funktion, Waldzustand sowie Dringlichkeit für Veränderungen priorisiert. Es ist sinnvoll, dort anzusetzen, wo der Wald essen- tielle Leistungen erbringen muss, sein Zustand aber schlecht ist oder sich rasch verschlechtert, wenn nicht entsprechende Eingriffe vorgenommen werden. Hier- bei ist zu betonen, dass nur Wälder, die sich verjüngen, in naturnahe, stabile, wi- derstandsfähige und klimafitte Wälder überführt werden können und auf äussere Einwirkungen wie etwa Sturmereignisse oder Schädlingsbefall gut reagieren. 5 Die Waldfunktionskartierung zeigt auf, welche Funktionen eine bestimmte Waldfläche vorrangig erfüllt. Die Funktionen, die der Wald für eine Gesellschaft erfüllt, reichen hierbei vom Schutz vor Naturgefahren, dem Natur- und Landschaftsschutz, dem Trinkwasserschutz, dem Erholungs- und Freizeitraum bis hin zur Rohstoff- und Holzproduktion.
15 Struktur- und artenreiche Wälder garantieren gemäss vorherrschender Lehrmei- nung Stabilität und Resilienz. Hierdurch sind sie auch bestmöglich auf die Heraus- forderungen des Klimawandels vorbereitet. Die wichtigste Voraussetzung für die Schaffung, den Erhalt und die Sicherung ge- sunder, vitaler und widerstandsfähiger Wälder ist das Vorhandensein einer flä- chendeckend sowie permanent vorhandenen Verjüngung. Die Priorisierung spielt dabei nicht nur in Bezug auf die Ausscheidung von Inten- sivbejagungsgebieten und die Schwerpunkte koordinierter Reduktionsjagden eine zentrale Rolle, sondern auch für die weitere Umsetzung des Massnahmenpakets zur Verbesserung der Waldverjüngung. Dies gilt insbesondere für die Optimierung und Neuausscheidung von Wildruhegebieten, die Aufwertung der Schalenwildle- bensräume sowie die Förderung von Lebensraumvernetzung und die Schaffung von Wanderkorridoren. Die Priorisierung der Waldflächen wird konkret im Rahmen eines laufenden Pro- jekts des Amtes für Umwelt vorgenommen: Basierend auf luftgestützten digitalen Laser-Scanning-Daten wird ein flächendeckendes Modell der Waldstrukturen er- stellt, aus dem der Verjüngungsbedarf sowie die Verjüngungsmöglichkeit für jede Teilfläche abgeleitet wird (sogenannte Waldstrukturkartierung). Die Auswertun- gen werden voraussichtlich 2022 vorliegen. Damit kann konkret abgeschätzt wer- den, wo eine Verjüngung nötig wäre und wo sie auf Grund der vorherrschenden Überschirmungs- und Lichtverhältnisse grundsätzlich auch möglich ist. Gestützt auf diesen Daten wird gleichzeitig eine Sensitivitätskartierung erstellt. Diese gibt Aufschluss darüber, wo sich Waldbestände befinden, die mit dem sich rasch ändernden Klima in absehbarer Zeit Schwierigkeiten bekommen dürften. Schliesslich werden die Waldstrukturkartierung und die Sensitivitätskartierung mit der Waldfunktionskarte abgeglichen und daraus ein Modell erstellt, das aufzeigt,
16 wo die Wälder mit der wichtigsten Funktion, der höchsten Verjüngungsnotwen- digkeit und den grössten Risiken durch den Klimawandel liegen. 2.3 Waldverjüngungskontrolle 2.3.1 Vorbemerkung Für die Beurteilung der Waldverjüngungssituation stellen die Verbisssituation so- wie die Baumartenverteilung aussagekräftige Indikatoren dar. Auf Grundlage die- ser Indikatoren wird die Verjüngungssituation detailliert analysiert. Für diese Analyse wird das Land in folgende vier Untersuchungseinheiten einge- teilt: Talreviere, Hangreviere Nord, Hangreviere Süd und Bergreviere. Diese Eintei- lung führt zu einer besseren Auflösung und erlaubt klarere räumliche Aussagen. Abbildung 2: Untersuchungseinheiten für die Waldverjüngungskontrolle
17 2.3.2 Verbisssituation Auf landesweit über 160 systematisch angeordneten Stichprobenflächen mit je- weils einer Ausdehnung zwischen 13 und 78 m2 wird die Pflanzenanzahl pro Baum- art in fünf unterschiedlichen Höhenwachstumsstufen (0.1-0.4m, 0.4-0.7m, 0.7- 1.0m, 1.0-1.3m, 1.3m-BHD 4cm 6) erhoben. Der Anteil jener Pflanzen, die am Terminaltrieb innerhalb der letzten Vegetations- periode einen Verbiss durch Schalenwild erlitten, bildet das Verbissprozent. Das ist das Mass für die Stärke des Wildverbisses. Ein Schaden liegt dann vor, wenn der Verbiss das Wachstum der Bäumchen sehr stark hemmt oder keine ausreichende Anzahl Bäumchen aufzuwachsen vermag. Die Entwicklung der Verbissprozente ist nicht der einzige, aber ein wesentlicher Indikator für die Beurteilung des Einflusses, den das Schalenwild auf die Waldver- jüngung ausübt. Abbildung 3: Entwicklung der Verbissprozente über alle Probenflächen landesweit 6 BHD = Brusthöhendurchmesser. BHD 4 cm bedeutet, dass ein solcher Baum auf rund 1.5m einen Stammdurchmesser von 4cm aufweist.
18 Es wurde anlässlich der ersten Lesung vorgebracht, dass die Entwicklung der Ver- bissprozente nach den ersten vier Aufnahmejahren bei landesweiter Betrachtung doch einen rückläufigen Trend zeige. Das ist zwar richtig; allerdings lassen sich aus diesem Befund wegen dem grossen Flächenbezug (landesweit) und der sehr grossen Bandbreite an unterschiedlichen Standorts- und Einflussfaktoren keine für das Wald- und Wildmanagement ab- schliessenden Erkenntnisse ableiten. Eine detailliertere Betrachtung der Daten ist dazu erforderlich. Denn weder ist auf allen Stichprobenflächen der Verbiss gleich stark, noch ist auf allen Stichprobenflächen der Trend rückläufig. Lokal gibt es Flä- chen mit 2% und solche mit über 70% Wildverbiss. Zu erwähnen ist auch, dass im Aufnahmejahr 2021 viele Verbisswerte wieder höher als im Vorjahr waren. 2.3.3 Baumartenverteilung Die Baumartenverteilung gibt Aufschluss darüber, auf wie vielen Aufnahmeflä- chen sich Bäumchen der unterschiedlichen Höhenwachstumsstufen (0.1-0.4m, 0.4-0.7m, 0.7-1.0m, 1.0-1.3m, 1.3m-BHD 4cm) befinden. Zum besseren Verständnis der Resultate dieser Auswertung soll das Prinzip bei- spielhaft anhand der folgenden zwei Grafiken erläutert werden. Abbildung 4 Abbildung 5
19 Abbildung 4 7 zeigt ein Muster mit einer gut funktionierenden Waldverjüngung. Die Anzahl Aufnahmeflächen mit Bäumchen von 0.1-0.4m Höhe ist am grössten. In den drei folgenden Höhenstufen nimmt die Anzahl ab, da mit zunehmendem Alter durch natürlichen Ausfall (Mortalität) einige Bäumchen absterben. Erst in der Hö- henstufe über 1.3m nimmt der Anteil typischerweise wieder etwas zu, weil der natürliche Ausfall unter den Bäumchen, die es bereits bis dahin geschafft haben, deutlich abnimmt. Im Gegensatz dazu zeigt Abbildung 5 ein Muster einer sehr schlechten Verjün- gungssituation. Obwohl in den beiden ersten Höhenwachstumsstufen Bäumchen auf den Aufnahmeflächen vorkommen, verschwinden sie in den folgenden Stufen vollständig. Ein solches Bild ist ein klares Anzeichen dafür, dass die Waldverjün- gung nicht funktioniert, da schlicht keine Bäumchen nachwachsen. 2.3.4 Analyse der Verjüngungssituation Die Verjüngungssituation in den vier Untersuchungseinheiten lässt sich wie folgt zusammenfassen: Talreviere: Abbildung 6 zeigt bei drei Indikatorbaumarten (Buche, Esche, Ahorn) sehr tiefe Verbissprozente. Einzig die Tanne hat hohe Werte. Die Vierjahrestendenz bei allen Baumarten ist leicht rückläufig. Die Vogelbeere und die Fichte sind in den Waldge- sellschaften der Talreviere nicht standortgerecht, weshalb es keine Werte gibt. 7 Abbildungen 4 – 13: Rüegg D., 2021: Verjüngungskontrolle im Fürstentum Liechtenstein 2021- Faktenblatt; Abrufbar unter: https://www.llv.li/files/au/verjungungskontrolle_2021.pdf
20 Abbildung 6: Verbissintensität in den Talrevieren Abbildung 7 zeigt, dass die Verbreitungsmuster bei allen standortgerechten Indi- katorbaumarten, insbesondere bei Buche, Ahorn und auch Tanne sowie bei den übrigen Laubbäumen sehr gut ausschauen. Abbildung 7: Verbreitungsmuster in den Talrevieren Fazit: Die Waldverjüngungssituation in den Talrevieren ist gut.
21 Hangreviere Süd: Abbildung 8 zeigt bei Berücksichtigung aller Aufnahmeflächen und aller Baumar- ten recht tiefe Verbissprozente. Die Vierjahrestendenz ist leicht rückläufig. Am höchsten liegen die Werte bei Tanne und Vogelbeere, die einerseits beide gerne vom Schalenwild verbissen werden und andererseits im Fall der Vogelbeere ihr Hauptverbreitungsgebiet über 1000 m ü. M. hat. Die Werte des Ahorns sind ver- hältnismässig tief, was auch damit zu tun hat, dass diese Baumart auf allen Vege- tationshöhenstufen vom Tal bis in die untere subalpine Stufe vorkommt und über- all in der frühen Verjüngung (Ansamung und Anwuchs) gut vertreten ist. Der nied- rigere Verbiss in tieferen Lagen täuscht in der vorliegenden Auswertung jedoch über den höheren Verbiss über 1000 m hinweg. Abbildung 8: Verbissintensität in den Hangrevieren Süd Die Verbreitungsmuster von Buche, Esche, Ahorn sprechen für eine funktionie- rende Verjüngung bei diesen Baumarten (Abbildung 9). Beim Ahorn dürfte die Auswertung aber über Unterschiede ober- und unterhalb der 1000 m ü. M.-Linie, analog zum Verbissprozent, hinwegtäuschen. Bei Vogelbeere und Tanne
22 korrespondieren die hohen Verbissprozenten mit dem Fehlen dieser Baumarten in mehreren Wachstumshöhenstufen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Tanne und in höheren Lagen weitere Baumarten ausfallen und damit eine Tendenz zur Entmischung der Baumartenzusammensetzung vorhanden ist. Damit wird das Waldbauziel von artenreichen Mischbeständen schwer oder nicht zu erreichen sein. Abbildung 9: Verbreitungsmuster in den Hangrevieren Süd Fazit: Die Waldverjüngungssituation in den Hangrevieren Süd ist ungenügend. Hangreviere Nord: Die Verbissprozente in den Hangrevieren Nord sind vergleichsweise auf hohem Niveau (Abbildung 10). Die Vierjahrestendenz bei allen Baumarten ist praktisch konstant hoch.
23 Abbildung 10: Verbissintensität in den Hangrevieren Nord Die hohen Verbisswerte stimmen mit den Verbreitungsmustern in Abbildung 11 auffallend gut überein. Bei den Indikatorbaumarten Ahorn, Vogelbeere und Tanne ist von deutlichen Ausfallserscheinungen auszugehen. Nur bei der Buche zeigt sich ein stabiles Muster, was auf eine gesicherte Verjüngung schliessen lässt. Abbildung 11: Verbreitungsmuster in den Hangrevieren Nord
24 Fazit: Die Waldverjüngungssituation in den Hangrevieren Nord ist schlecht. Bergreviere: Für Buche, Esche und Tanne gibt es in Abbildung 12 keine Werte. Dies liegt daran, dass Buche und Esche keine standortgerechten Baumarten sind und deshalb heute keine Rolle spielen. Die Tanne kommt in der Verjüngung auf weniger als fünf Auf- nahmeflächen vor, was einem Totalausfall entspricht (total 2-3 Bäumchen). Auf dieser Probengrundlage lassen sich keine statistischen Aussagen generieren, wes- halb keine Werte dargestellt sind. Die Indikatorbaumarten Ahorn und Vogelbeere zeigen hohe Verbissprozente, was mit dem Verbreitungsmuster in Abbildung 13 übereinstimmt. Abbildung 12: Verbissintensität in den Bergrevieren
25 Bei allen Indikatorbaumarten, ausser der Fichte, sind auf keiner der Aufnahmeflä- chen Bäumchen der Höhenwachstumsstufe über 0.7m zu finden. Abbildung 13: Verbreitungsmuster in den Bergrevieren Fazit: Die Waldverjüngungssituation in den Bergrevieren ist katastrophal. 2.4 Ist-Soll-Analyse der Waldverjüngung Im Zusammenhang mit der Priorisierung von Landschaftsteilen sowie der Auswei- sung von Intensivbejagungsgebieten und von Ruhezonen ist in einem ersten Schritt ein grossflächiger Überblick über den aktuellen Waldverjüngungszustand erforderlich. In einem weiteren Schritt, sind kleinräumige Unterschiede zu lokali- sieren und kartographisch festzuhalten. Für diese Vorgehensweise vom grossen zum kleinen Massstab sind unterschiedliche methodische Ansätze nötig. Dieselben methodischen Ansätze kommen bei einer Ist-Soll-Analyse der Waldver- jüngung zur Anwendung.
26 Ist-Zustand: Seit Sommer 2020 ist das Amt für Umwelt im Begriff, eine gutachterliche Beurtei- lung des Waldverjüngungszustands auf der gesamten Landesfläche zu erarbeiten, die kleinflächige Aussagen zulässt. Die Verjüngungssituation wird dabei vier quali- tativ unterschiedlichen Zuständen zugeordnet. • Grün: alle Baumarten kein Problem; • Gelb: bei einem Teil der Baumarten Ausfalltendenzen; • Orange: Ausfall bei einem überwiegenden Teil der Baumarten und verzö- gerte Verjüngung der restlichen Baumarten; • Rot: Ausfall aller Baumarten (Rot). Die flächendeckende Einschätzung des Verjüngungszustands in Rasterflächen von 100m x 100m erlaubt es, Problemgebiete sehr genau zu lokalisieren (siehe Abbil- dung 14). Dies im Gegensatz zur Waldverjüngungskontrolle (siehe Kapitel 2.3), welche sich auf grössere Aufnahmeeinheiten bezieht und einem empirisch-wis- senschaftlichen Messverfahren unterliegt.8 Die Waldverjüngungskontrolle ist ge- eignet, grossflächige Entwicklungen zu verfolgen, nicht aber um lokale Problem- gebiete einzugrenzen. Dies wird mit der beschriebenen flächendeckenden, gut- achterlichen Einschätzung des Verjüngungszustands ermöglicht. 8 Rüegg D., 1999a: Erhebungen über die Verjüngung in Gebirgswäldern und den Einfluss von frei- lebenden Paarhufern als Grundlage für die forstliche und jagdliche Planung. Diss Nr. 13097 ETH Zürich. Beih. Nr. 88 Schweiz. Z. Forstwes., 182 S; Rüegg, D., 1999b: Zur Erhebung des Einflusses von Wildtieren auf die Waldverjüngung. Schweiz. Z. Forstwes., 150 (1999)9: 327 – 331.
27 Abbildung 14: Gutachterliche Aufnahme der Waldverjüngungssituation oberhalb Schaanwald Detaillierte manuelle Messungen des Waldzustands im Rahmen von Begehungen vor Ort sind sehr aufwändig und zeitintensiv. Heute gibt es diesbezüglich techni- sche Unterstützung. Aus luftgestützten Laser-Scanning-Daten können
28 flächendeckende Modelle der Waldstrukturen erstellt werden, aus denen für jede Teilfläche der Verjüngungsbedarf sowie die Verjüngungsmöglichkeit abgeleitet werden kann. Bereits heute verfügt das Amt für Umwelt über diese Modelle und ab 2022 sind sie für Analysen aufbereitet. Eingrenzungen der Problemgebiete sind mit diesen Modellen und den flächendeckenden Einschätzungen des Verjüngungs- zustands verlässlich durchführbar. Die Kombination der kurz umrissenen metho- dischen Ansätze erlaubt es, Gebiete mit hohem Handlungsbedarf (priorisierte Ge- biete) einzugrenzen. In diesen priorisierten Problemgebieten, insbesondere auf den Flächen, die potentielle Intensivbejagungsgebiete sind, können dann vor Ort vertiefte Detailaufnahmen zum Wald- und Verjüngungszustand (Ist-Zustand) ge- macht werden. Soll-Zustand: Die Soll-Werte der Verjüngung können aus der NaiS-Wegleitung hergeleitet wer- den. Es lassen sich für jeden Standort bzw. für jede Waldgesellschaft, in Bezug auf Baumartenmischung, Bestandsstruktur und Waldverjüngung auf einfache Art und Weise sogenannte Minimal- und Idealwaldbilder generieren. Eine detaillierte Analyse des Ist-Soll-Zustands wird somit für jede beliebige Wald- fläche in Liechtenstein jederzeit möglich sein. Aufgrund des unverhältnismässig grossen Aufwands sollen solche Analysen aber nur in Problemgebieten, etwa für die Ausscheidung von Intensivbejagungsgebieten, detailliert gemacht werden. 2.5 Wildökologische Raumplanung Während der ersten Lesung wurde von einigen Abgeordneten angemerkt, dass eine wildökologische Raumplanung grundlegende Voraussetzung für die Lösung der Wald-Wild-Problematik sei.
29 Dazu ist festzuhalten, dass die Umsetzung raumplanerischer Massnahmen auf- grund der Kleinräumigkeit und der gegenläufigen Nutzungsinteressen im Land sehr anspruchsvoll ist. Dennoch sind Aspekte einer wildökologischen Raumpla- nung integraler Bestandteil des Massnahmenpakets zur Verbesserung der Wald- verjüngung und auch Inhalt der vorliegenden Abänderung des Jagdgesetzes. So soll mit der Einrichtung von Intensivbejagungsgebieten sowie entsprechenden Ru- hezonen eine gezielte Wildlenkung bewerkstelligt werden. Zentrale Aufgabe der Wildbestandsregulierung ist es, den Schalenwildbestand auf ein für den Lebensraum tragfähiges Niveau zu bringen. Es müssen grossflächig ver- teilte, sozial organisierte und gesunde Wildbestände erreicht werden, deren Ein- fluss auf den Wald und seine Verjüngung das tragbare Mass nicht überschreitet. Allerdings sind aufgrund der vielfältigen Nutzungsansprüche sowie der besagten kleinräumlichen Verhältnisse die verträglichen Bestandsgrössen begrenzt. Mit der Lebensraumverbesserung kann zwar die Lebensraumkapazität für die Wildtiere erhöht werden. Zur Verbesserung der Waldverjüngung ist es aber nötig, gleichzei- tig die Wilddichten relativ tief zu halten. Erst dadurch wird sich der Einfluss des Schalenwilds generell auf einem tragbaren Niveau einpendeln. Manche Gebiete sind hierbei von untergeordneter Priorität und weisen eine erhöhte Schadentole- ranz auf. Diese sollen daher auch schwerpunktmässig vom Wild genutzt werden können. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass eine wildökologische Raumplanung in Liechtenstein nur möglich ist, wenn gleichzeitig die Schalenwildbestände auf ein tragfähiges Niveau reduziert werden. Dies kann mit folgender Grafik veranschaulicht werden:
30 Abbildung 15: Wildbestandsregulierung und Ansätzen einer wildökologischen Raumplanung Die Landschaft in Grün symbolisiert geeignete Schalenwildlebensräume mit gerin- gem Schadenpotential. Die roten Flächen repräsentieren Landschaftsteile mit ho- hem Schadenpotential, schlechtem Waldzustand und hohem Wildeinfluss. Die Si- tuationen A (Sommer) und B (Winter) zeigen die Zustände vor der Umsetzung wir- kungsvoller Massnahmen: die Wildbestände sind hoch, teilweise ungünstig ver- teilt und die roten Problemflächen sind ausgedehnt. Insbesondere im Winter (B) gibt es grosse Wildkonzentrationen in den Problemgebieten. Die Situationen C (Sommer) und D (Winter) stellen die Verhältnisse nach der Um- setzung wirkungsvoller Massnahmen dar: Durch Lebensraumaufwertungen, wald- bauliche Massnahmen, Priorisierung von Landschaftsteilen sowie Lebensraumbe- ruhigung haben sich die Problemflächen in ihrer Ausdehnung verringert. Durch die Reduktion der Schalenwildbestände verteilen sich weniger Tiere auf einer grösse- ren Fläche von günstigem Lebensraum. Die Problemflächen können ausgespro-
31 chen wildarm gehalten werden. Die Konservierung des Zustands von C und D stellt ebenso wie die Erlangung desselben eine anspruchsvolle Daueraufgabe dar. Durch die verbesserten Lebensraumbedingungen werden die Nachwuchsraten der Scha- lenwildbestände begünstigt, was eine konsequente Regulierung unentbehrlich macht. Ebenso werden sich längerfristig Verschiebungen der Problemflächen er- geben, was eine konsequente Weiterentwicklung der Lebensraumaufwertungs- und -beruhigungsmassnahmen erfordert. 2.6 Aspekte des Tierschutzes 2.6.1 Vorbemerkung In der ersten Lesung wurden hinsichtlich der Nachtjagd und der Dauer des Mut- tertierschutzes Bedenken geäussert. Die Regierung nimmt diese Bedenken sehr ernst. Auch für sie nimmt der Tierschutz eine ausgesprochen wichtige Stellung ein. Die Regierung schlägt daher Anpassun- gen an die ursprüngliche Vorlage vor. 2.6.2 Nachtabschüsse Die Regierung vertritt ebenfalls die Ansicht, dass regelmässige Nachtjagden dem Tierschutz in der Tat widersprechen würden und negativ für das Wild und die Waldentwicklung wären. Es war daher auch nie das Ziel der Vorlage, Nachtab- schüsse grundsätzlich zu ermöglichen. Einzelne, zielgerichtete und mit Bedacht vorgenommene Nachtabschüsse unter Verwendung modernster technischer Hilfsmittel könnten jedoch einen wertvollen Beitrag zur dringend notwendigen Be- standsreduktion leisten oder eine dringende Schadensabwendung ermöglichen. Daher sah die ursprüngliche Vorlage eine Ausnahme vom Nachtjagdverbot für die von der Wildhut koordinierten Reduktionsjagden (Art. 19h Abs. 4 Bst. a) und b))
32 sowie die Bejagung in Intensivbejagungsgebieten (Art. 19i Abs. 4) und Wildschutz- zäunen (Art. 19l Abs. 3) vor. Die Regierung nimmt jedoch aufgrund der im Landtag vorgebrachten Bedenken nun Abstand von diesen Ausnahmemöglichkeiten. Das heisst, dass auch im Rah- men von durch die Wildhut koordinierten Reduktionsjagden sowie in Intensivbe- jagungsgebieten und in Wildschutzzäunen generell ein Nachtjagdverbot gilt. Die bereits geltenden Ausnahmemöglichkeiten gemäss Art. 34 Abs. 3 und 4 Jagdgesetz bleiben hingegen bestehen. 2.6.3 Schonung von Mutter- und Jungtieren Die Regierung ist der Ansicht, dass es zielführend ist, bei den Schuss- und Schon- zeiten zum einen zwischen den verschiedenen Massnahmen der Wildhut (koordi- nierte Schalenwildreduktion sowie Betreuung von Intensivbejagungsgebieten und Wildschutzzäunen) und zum anderen zwischen den unterschiedlichen betroffenen Tiergruppen zu unterscheiden. Weiter ist die Regierung der Ansicht, dass analog zur Regelung für die Wildhut auch die Schuss- und Schonzeiten für den ordentlichen Jagdbetrieb genauer zu de- finieren sind. 2.6.3.1 Schuss- und Schonzeiten bei der ordentlichen Jagd Gemäss geltendem Art. 31 Abs. 1 JagdG legt die Regierung unter Berücksichtigung diverser Aspekte die Jagdzeit mit Verordnung fest. Ausserhalb dieser Jagdzeit, ins- besondere während der Monate der Aufzucht des Nachwuchses, sind alle Wildar- ten zu schonen (Schonzeit). Die Schonzeit ist hierbei zeitlich nicht genauer defi- niert.
33 Die Jagdzeiten ergeben sich aus der Hegeverordnung 9 und ergänzend aus der jähr- lichen Verordnung über den Abschussplan für das jeweils aktuelle Jagdjahr 10. Die Jagdzeiten für Gams-, Reh und Rotwild sind aktuell in der Hegeverordnung ein- heitlich vom 1. Mai bis 30. November bzw. nach Abschussplanverordnung vom 1. Mai bis 14. bzw. 31. Dezember festgelegt. Den Jägern wird in der Gestaltung des Jagdbetriebs ein grosser Handlungsspiel- raum eingeräumt bzw. eine grosse Selbstverantwortung auferlegt. Sie bestimmen, wie sie den Jagddruck über das Jagdjahr verteilen und, ab welchem Zeitpunkt nach Ende der Schonzeit etwa Muttertiere, Kitze und Kälber erlegt werden können. Um den anlässlich der ersten Lesung geäusserten Bedenken betreffend mangeln- der zeitlicher Regelung des Schutzes der Mutter- und Jungtiere zu begegnen, wird die Regierung nebst klaren Regelungen zu Schuss- und Schonzeiten bei von der Wildhut koordinierten Massnahmen (siehe Kapitel 2.6.3.2) auch die Jagdzeiten für den ordentlichen Jagdbetrieb in der Hegeverordnung nach Altersklassen und Ge- schlecht der Tiere präzisieren. Aus Sicht des Tierschutzes ist zu betonen, dass Jäger eigenverantwortlich die sich aus dem Gebot der Weidgerechtigkeit (Art. 2 JagdG) ergebende Pflicht, bei Ab- schuss von Mutter- und Jungtier (Kalb bzw. Kitz) immer zuerst das Jungtier zu er- legen, einzuhalten haben. 9 Verordnung vom 30. September 2003 über die Hege des Wildes, die Abschussplanung, -durch- führung und -kontrolle sowie die Kostenregelung von Massnahmen der Wildschadenverhütung (Hegeverordnung; HegeV), LR 922.011. 10 Verordnung vom 4. Mai 2021 über den Abschussplan für das Jagdjahr 2021/2022, LR 922.013.
34 2.6.3.2 Schuss- und Schonzeiten bei von der Wildhut koordinierten Massnah- men Die soeben dargelegten Grundsätze der Weidgerechtigkeit gelten selbstverständ- lich auch für die Wildhut. Es gilt damit die Pflicht, bei Abschuss von Mutter- und Jungtier (Kalb oder Kitz) immer zuerst das Jungtier zu erlegen. Kitze und Kälber dürfen erst erlegt werden, wenn es aus Sicht der Weidgerechtigkeit vertretbar ist. Bereits in der ursprünglichen Vorlage wurden klare Regelungen zu Schuss- und Schonzeiten bei von der Wildhut koordinierten Massnahmen festgelegt. Diese wa- ren einheitlich ausgestaltet. Bei erneuter Prüfung ist die Regierung zur Ansicht ge- langt, dass es zielführender ist, differenzierte Regelungen für die koordinierte Schalenwildreduktion, für die Betreuung von Intensivbejagungsgebieten und für Wildschutzzäune zu treffen. Zudem werden jeweils spezifische Schuss- und Schon- zeiten für führende und trächtige Tiere, für Kitze, Kälber und geführte einjährige Tiere sowie für adulte männliche Tiere festgelegt. a) Schuss- und Schonzeiten bei koordinierten Reduktionsjagden Hinsichtlich des Muttertierschutzes war bereits in der ursprünglichen Vorlage vor- gesehen, dass die Erlegung von führenden oder trächtigen Tieren im Rahmen einer koordinierten Schalenwildreduktion vom 1. Mai bis zum 15. Juni (somit während der gesamten ersten Phase) nicht erlaubt ist. Kitze und Kälber dürfen in dieser Zeit bereits aus dem Grundsatz der Weidgerech- tigkeit nicht erlegt werden. Dies gilt – wie oben erwähnt – selbstverständlich auch für die Wildhut. Um in dieser Hinsicht alle Zweifel auszuräumen, wird dies neu ausdrücklich in die Bestimmung zur koordinierten Schalenwildreduktion (Art. 19h) aufgenommen.
35 Damit ist in der nun vorliegenden Vorlage bei koordinierten Reduktionsjagden im Frühjahr vom 1. Mai bis 15. Juni neben der Erlegung von tragenden und führenden Tieren auch die Erlegung von Kitzen und Kälbern ausdrücklich verboten. Ab dem 16. Juni bis Ende Oktober finden keine koordinierten Reduktionsjagden mehr statt, so dass eine weitere Regelung des Schutzes für Muttertiere, Kitze und Kälber über den 15. Juni hinaus im Zusammenhang mit koordinierten Reduktions- jagden nicht notwendig ist. b) Schuss- und Schonzeiten in Intensivbejagungsgebieten Intensivbejagungsgebiete werden nicht ausgeschieden, um hohe Abschusszahlen zu erreichen, sondern um klar abgegrenzte Gebiete – bei denen es sich um beson- ders gefährdete und sanierungsbedürftige Schutzwälder handelt – ganzjährig möglichst wildarm zu halten. Die Bejagung bzw. Vergrämung soll in Intensivbejagungsgebieten, im Unterschied zur konventionellen Jagd, besonders störungsintensiv sein und über das ganze Jahr erfolgen. Häufige Störungen vergrämen das Wild und veranlassen es dazu, diese Gebiete zu meiden. Die Erlegung von einzelnen Tieren in Anwesenheit anderer Tiere, und insbesondere die Erlegung von Kitzen und Kälbern hat dabei einen nach- haltigen Vergrämungseffekt, der für die besonderen Zwecke der Intensivbeja- gungsgebiete genutzt werden soll. Selbstredend ist dem Tierschutz und der Tie- rethik aber auch in diesen Gebieten im gleichen Masse Rechnung zu tragen. Für Intensivbejagungsgebiete war in der ursprünglichen Vorlage vorgesehen, dass trächtige und führende Tiere im Zeitraum vom 1. Februar bis zum 15. Juni nicht erlegt werden dürfen. Um den anlässlich der ersten Lesung geäusserten Bedenken hinsichtlich des Tierschutzes Rechnung zu tragen, wird die Schonzeit in der aktu- ellen Vorlage nunmehr bis zum 15. Juli verlängert.
36 Zudem wird ausdrücklich festgeschrieben, dass vom 1. Mai bis zum 15. Juli auch Kitze und Kälber nicht erlegt werden dürfen. Da die Setzzeit für Kitze und Kälber in der Regel von Mai bis Mitte Juni dauert, wird mit der neuen Regelung ausdrücklich festgehalten, dass neugeborene Kitze und Kälber nicht erlegt werden dürfen. Zu erwähnen ist, dass der Schutz von Muttertieren und neugeborenen Kitzen oder Kälbern in der Gesetzesvorlage weiter geht, als dies etwa bei Freihaltungen im be- nachbarten Vorarlberg der Fall ist. Dort ist jedes Stück Wild, das sich im Freihalte- gebiet einstellt, sofort zu erlegen. In der Praxis werden allerdings zumindest träch- tige Tiere vom Abschuss ausgenommen. Auch in Deutschland ist eine Aufhebung von Schonzeiten zur Ermöglichung/Unter- stützung der Schutzwaldsanierung möglich (§ 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG). c) Schuss- und Schonzeiten in Wildschutzzäunen Auch in Wildschutzzäunen galt gemäss der ursprünglichen Vorlage die Schonung von trächtigen und führenden Tieren im Zeitraum vom 1. Februar bis zum 15. Juni. Aufgrund der Wortmeldungen in der ersten Lesung wird der Zeitraum auch hier auf den 15. Juli ausgedehnt. Kitze und Kälber werden aus Gründen der Klarheit ebenfalls ausdrücklich genannt. Hinzu kommt im Vergleich zur Regelung in Intensivbejagungsgebieten die Scho- nung auch für einjährige geführte Tiere. In Wildschutzzäunen soll somit aus Gründen des Tierschutzes vom 1. Februar bis 15. Juli nicht nur der Abschuss von tragenden und führenden Tieren sowie Kälbern und Kitzen verboten werden, sondern auch der Abschuss von geführten einjähri- gen Tieren. Diese sind allesamt auszutreiben.
37 2.7 Drei-Phasen Modell 2.7.1 Vorbemerkung Wenn und solange die Reduktion von Schalenwildbeständen notwendig ist, soll die Jagdzeit in drei Phasen aufgeteilt werden. Ziel dieser Einteilung ist es, Zeit- räume zu schaffen, in welchen die Wildhut die Möglichkeit hat, zielgerichtete (und wo sinnvoll revierübergreifende) Reduktionsjagden zu koordinieren. Dies soll in der ersten und der dritten Phase der Fall sein. Die ursprüngliche Vorlage sah vor, dass die erste Phase vom 1. Mai bis zum 15. Juni, die zweite Phase vom 16. Juni bis 31. Oktober und die dritte Phase vom 1. November bis zum 31. Januar dauern soll. Dieses Drei-Phasen-Modell führte zu Diskussionen anlässlich der ersten Lesung. Insbesondere waren die grundsätzlichen Überlegungen bei der Einteilung des Jagdjahres in drei Phasen, die Zielsetzung der Frühjahrsjagd in der ersten Phase und die Dauer der dritten Phase bis Ende Januar Gegenstand der Fragen und Be- denken im Landtag. Auf diese Punkte möchte die Regierung daher in der Folge genauer eingehen. Es sei vorausgeschickt, dass die Jagdgemeinschaften wie bisher während der ge- samten ordentlichen Jagdzeit selbständig und selbstbestimmt jagen können. Le- diglich im Rahmen der koordinierten Reduktionsjagden können sich gewisse Ein- schränkungen ergeben. 2.7.2 Überlegungen bei der Einteilung des Jagdjahres in drei Phasen Die Ausgestaltung des Drei-Phasen Modells berücksichtigt die Verteilung der Ab- schüsse zur Abschussplanerfüllung in den letzten Jahren.
38 Die folgende Graphik zeigt die Verteilung der Abschüsse auf die drei Phasen in den Jagdjahren 2012 bis 2020. Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 1+3 Kahlwildabschüsse 2012-2020 01.05.-15.06. 16.06.-31.10. 01.11.-31.12. Bergreviere 15.5% 52.6% 32.0% 47.4% Hangreviere Nord 14.7% 37.6% 47.7% 62.4% Hangreviere Süd 11.0% 39.5% 49.5% 60.5% Gesamt 14.0% 45.2% 40.8% 54.8% Abbildung 16: Kahlwildabschüsse 2012-2020 in den drei Phasen Während der Frühjahrsjagd (1. Mai bis 15. Juni) wird mit 11% – 15.5% der Kahl- wildstrecke beim Rotwild ein nicht unbedeutender Beitrag zur Abschusserfüllung geleistet. Im Zeitraum vom 16. Juni bis 31. Oktober, in welchem der Jagdbetrieb auch künftig – mit Ausnahme der Betreuung von Intensivbejagungsgebieten und Wildschutz- zäunen – ausschliesslich den Pächtern obliegt, werden je nach Revierzone zwi- schen 37% und 52% der Kahlwildstrecke beim Rotwild erzielt. In dieser Phase tra- gen die Pächter somit einen wesentlichen Teil zur Abschussplanerfüllung bei. Mit Ausnahme der Bergreviere wird im Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezem- ber in der Einzelbetrachtung die anteilsmässig höchste Strecke erreicht. Diese Ausführungen machen deutlich, dass es durchaus Sinn macht, das Jagdjahr in die vorgeschlagenen drei Phasen einzuteilen. In den zwei wichtigen Phasen im Frühjahr sowie ab Anfang November kann der Hebel angesetzt werden, um das Ziel einer Steigerung des Jagderfolges zur Reduktion des Schalenwildes zu errei- chen. Die vorgesehenen Zeitfenster für koordinierte Reduktionsjagden sollen eine Abschussplanerfüllung bis zum Ende der dritten Phase ermöglichen. Gleichzeitig bleibt der normale Jagdbetrieb soweit möglich unberührt.
39 Die Wildhut muss also in diesen beiden Zeiträumen betreffend die Durchführung von Reduktionjagden die Koordination übernehmen, vorhandene Synergien nut- zen und sich aktiv an diesen Reduktionsjagden beteiligen. 2.7.3 Jagd im Frühjahr Anlässlich der ersten Lesung wurde die Frage gestellt, was genau das Ziel der Früh- jahrsjagd (erste Phase, 1. Mai bis 15. Juni) sei. Die Frühjahrsjagd ist in Fachkreisen nicht unumstritten. Sie kann jedoch, je nach Revierverhältnissen, wesentlich zur Abschussplanerfüllung beitragen. Dies gilt ins- besondere auch für das kleinräumige Liechtenstein. In den rheintalseitigen Hang- lagen bieten sich beim Rotwild von Mai bis Juni noch sehr gute Jagdmöglichkeiten auf einjährige weibliche und männliche Tiere sowie auf nicht führende und nicht trächtige Tiere, bevor es in die höher gelegenen Sommereinstände wechselt. So wird in diesen Gebieten, wie bereits ausgeführt, im Zeitraum vom 1. Mai bis 15. Juni ein bedeutender Teil der jährlichen Kahlwildstrecke erreicht. Die Jagd ist auf weibliche einjährige Tiere fokussiert. In der gesamten ersten Phase verboten bleibt, wie im vorhergehenden Kapitel ausgeführt, der Abschuss tragender und führender Tiere sowie der Abschuss von Kitzen und Kälbern. Je mehr Vorarbeit im Frühjahr geleistet werden kann, umso grösser ist die Chance, dass die Abschussplanerfüllung bis zum Ende der dritten Phase erreicht werden kann. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, dass die Jagdgemeinschaften in die- sem Zeitraum, neben den durch die Wildhut koordinierten Reduktionsjagden, die Jagd auch weiter ausüben, um damit zur Abschussplanerfüllung beizutragen. Die Aufgabe der Wildhut ist es, bei günstigen Gelegenheiten gemeinsame und un- ter Umständen revierübergreifende Reduktionsjagden zu koordinieren. Bei solchen Jagden soll es sich vorwiegend um gemeinsame Ansitzjagden auf Rotwild handeln, bei denen das Wild allenfalls durch leichte Beunruhigung und ohne Jagdhunde zum
40 Verlassen des Einstandes veranlasst wird und somit den Schützen langsam und möglichst vertraut anwechselt. Dies stellt besonders im Frühjahr, wenn der Wald dicht belaubt ist, eine wesentliche Voraussetzung für ein sicheres Ansprechen der Tiere dar. Im Frühjahr können einjährige Tiere noch besonders gut von älteren und trächtigen Tieren unterschieden werden, was im Verlauf des Jagdjahres immer anspruchsvol- ler wird. Ein weiterer Vorteil der Bejagung im Frühjahr ist, dass die vorjährigen Jungtiere während der Setzzeit von den Muttertieren kurzzeitig verstossen werden, was die unerfahrenen einjährigen Tiere leicht erkennbar und bejagdbar macht. Die Jung- tiere bewegen sich von den Muttertieren getrennt, unter Umständen in kleinen Gruppen, und können so ohne gravierende Störung der Muttertiere erlegt werden. Dies wirkt sich auf deren weitere Bejagung im Spätsommer oder Herbst günstig aus. Im Rahmen der Eintretensdebatte wurde angeregt, auf die Frühjahrsjagd zu ver- zichten, die Pächter erst einmal machen zu lassen und einen Einsatz der Wildhut erst vorzusehen, wenn klar ist, dass die Abschussvorgaben nicht erfüllt werden können. Dazu ist folgendes festzuhalten: Eine Strategie, wonach in jedem Jagdjahr aufs Neue abgewartet wird, ob die Abschussvorgaben erfüllt werden, und bei der erst kurzfristig bei einer absehbaren Nichterfüllung eine Unterstützung durch die Wild- hut erfolgen soll, ist in der Praxis nicht erfolgversprechend. Auch die Unterstützung und Hilfestellung durch die Wildhut benötigt Zeit, gute Ge- legenheiten und vor allem gezielte Vorbereitung. Unterstützende Tätigkeiten der Wildhut am Ende des Jagdjahres, um quasi im letzten Moment die Rückstände auf- zuholen, wären selten erfolgreich.
41 Ohne gezielte Vorbereitung und Kooperation mit den Jagdpächtern können keine sinn- und wirkungsvollen Strategien zur Steigerung der Jagdeffizienz und damit der Jagdstrecken entwickelt werden. Aus diesem Grund braucht es ein System, das Klarheit über die langfristige Strategie schafft und in Bezug auf konkrete jagdliche Eingriffe sehr flexibel ist. Das vorgeschlagene Drei-Phasen Modell erfüllt diese Bedingungen, indem für jedes Jagdjahr unter Berücksichtigung zurückliegender mehrjähriger Entwicklungstrends bei der Abschusserfüllung, der Bestandsentwicklung und der Waldverjüngungskon- trolle festgelegt wird, ob eine Reduktion und damit verbunden die Einteilung des Jagdjahres in drei Phasen erfolgen soll oder nicht. Nur wenn die drei Phasen gelten, wird sich die Wildhut in der ersten und dritten Phase, wo sinnvoll und zielführend, aktiv in den Jagdbetrieb einbringen. Der Fokus richtet sich auf jene Gebiete und Reviere, in welchen auf Grund der mehrjährigen Entwicklungstrends Probleme und Defizite ausgemacht werden oder sich im Sinn einer grossflächigen Rotwildbejagung günstige, revierübergreifende Jagdmöglich- keiten anbieten. Zeigt die mehrjährige Entwicklung, dass die Schalenwildregulierung funktioniert, werden die Jagdjahre nicht in die drei Phasen eingeteilt und der Jagdbetrieb obliegt ausschliesslich den Jagdpächtern. 2.7.4 Jagd in der dritten Phase In der ersten Lesung wurde angeregt, eine Verkürzung der dritten Phase auf den 31. Dezember zu prüfen. Die Regierung kommt nach erneuter Prüfung dieser Anregung nach und schlägt vor, die dritte Phase um einen Monat, somit auf den 31. Dezember, zu kürzen. Die
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