257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV

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257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
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Umwelt
Ökosysteme –
die Wechselwirkung zwischen
Kleingartenanlage und Umland

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257   1
257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
Impressum

Schriftenreihe des Bundesverbandes
Deutscher Gartenfreunde e. V., Berlin (BDG)
Heft 6/2017 – 39. Jahrgang

Seminar:           Umwelt
                   vom 13. bis 15. Oktober 2017 in Schwerin

Herausgeber: 	Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V.,
               Platanenallee 37, 14050 Berlin
               Telefon (030) 30 20 71-40/-41, Telefax (030) 30 20 71-39

Präsident:         Peter Paschke

Seminarleiter: Dr. Wolfgang Preuß
               Präsidiumsmitglied für Seminare BDG

Layout&Satz:       Uta Hartleb

Nachdruck und Vervielfältigung – auch auszugsweise –
nur mit schriftlicher Genehmigung des
Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG)

ISSN 0936-6083

Dieses Projekt wurde finanziell vom Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert.

Der Förderer übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte
Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit
denen des Förderers übereinstimmen.
257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
Seminar Umwelt
vom 13. bis 15. Oktober 2017 in Schwerin

Ökosysteme –
die Wechselwirkung zwischen
Kleingartenanlage und Umland

Schriftenreihe des Bundesverbandes
Deutscher Gartenfreunde e.V., Berlin (BDG)
Heft Nr. 6/2017 – 39. Jahrgang
257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
Seminar Umwelt
vom 13. bis 15. Oktober 2017 in Schwerin

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung                                                                                  7

Kleingartenanlage – Hotspot der Artenvielfalt –
letztes Rückzugsgebiet für viele Tier- und Pflanzenarten
Tommy Brumm (Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e. V.)              9

Pilze im Kleingarten und ihr Ausbreitungsgebiet
René Jarling (Spezialist für Kleinpilze, Deutsche Gesellschaft für Mykologie)              14

Neobiota – Ist der Garten ein Drehkreuz der Bioinvasion?
Tommy Brumm (Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e. V.)             19

Kleingärten bieten ganzjährig Nahrung für Wild- und Honigbienen
Cornelis Hemmer (Gesamtkoordination und Management sowie Akquise für Deutschland summt!)   23

Nützlinge im Kleingarten ansiedeln
Dr. Barbara Jäckel (Pflanzenschutzamt Berlin)                                              31

Interaktion der Vogelwelt mit der Kleingartenanlage
Ulf Bähker (NABU Mecklenburg-Vorpommern)                                                   40

Anhang
Impressionen                                                                               50
Die Grüne Schriftenreihe seit 1997                                                         52

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257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
Liebe Gartenfreundinnen, liebe Gartenfreunde,

                                                                         Kleingärten ermöglichten Stadtmenschen schon
                                                                         vor 200 Jahren die Produktion von Lebensmit-
                                                                         teln, boten Zugang zur Natur, Erholung im Alltag
                                                                         und weckten schon früher die Begeisterung für
                                                                         den Naturschutz. Diese Leidenschaft gewinnt an
                                                                         Bedeutung – immer mehr Gartenfreunde sind sich
                                                                         ihrer ökologischen Verantwortung im Stadtgefü-
                                                                         ge bewusst und engagieren sich mit und in ihren
                                                                         Kleingärten auch für Stadtnatur.

                                                                         Welche Rolle Kleingärten im Gefüge urbaner Öko-
                                                                         systeme spielen und wie man sie als Lebensraum
                                                                         und Rückzugsort für wild lebende Pflanzen und
                                                                         Tieren attraktiv machen kann, erfuhren die Teilneh-
                                                                         mer des BDG-Umweltseminars in Schwerin.

                                                                         Referate:

                                                                         • K
                                                                            leingartenanlage – Hotspot der Artenvielfalt –
                                                                           letztes Rückzugsgebiet für viele Tier- und Pflan-
                                                                           zenarten

                                                                         • Pilze im Kleingarten und ihr Ausbreitungsgebiet

                                                                         • N
                                                                            eobiota – Ist der Garten ein Drehkreuz der
                                                                           Bioinvasion?

                                                                         • K
                                                                            leingärten bieten ganzjährig Nahrung für Wild-
                                                                           und Honigbienen

                                                                         • Nützlinge im Kleingarten ansiedeln

                                                                         • I nteraktion der Vogelwelt mit der Kleingarten-
                                                                            anlage

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                         7
257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
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Ökosysteme – die Wechsewirkung zwischen KleingartenAnlage und Umland

Kleingartenanlage – Hotspot der Artenvielfalt –
letztes Rückzugsgebiet für viele Tier- und Pflanzenarten

Tommy Brumm
Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e.V.

                                   Unsere Kleingartenanla-               hat. Unsere Gärten sind natürlich nicht arm an Nährstof-
                                   gen sind ein seit über 100            fen, hier übernimmt meist unbewusst der Mensch diese
                                   Jahren vom Menschen                   Regulation. Die Fauna passt sich dem Artenreichtum der
                                   gestalteter Lebensraum                Flora an.
                                   und somit ein Bestandteil
                                   unserer Kulturlandschaft.                                                    Die Bedeutung der
                                   In der Entstehungszeit                                                       Kleingartenanlage
                                   der meisten Gartenan-                                                        als Arche für viele
lagen befanden sich diese am Rande der Städte, aber                                                             Tier- und Pflanzen-
dennoch meist in der Nähe der Wohn- und Arbeitsstät-                                                            arten steigt ständig.
ten der Menschen. Die Entwicklung der Städte ging aber                                                          Viele Gartenfreun-
weiter, und so wurden viele Gartenanlagen von Wohnan-                                                           de sind sich dem
lagen eingeschlossen. Dies blieb nicht ohne Folgen für                                                          Wert ihrer Tätigkeit
die Flora und Fauna. Arten, welche auf große Territorien                                                        im Rahmen des
angewiesen waren verschwanden, aber viele blieben. Der                                                          Artenschutzes gar
Charakter einer Gartenanlage entspricht in etwa dem                                                             nicht bewusst. Ein
einer Streuobstwiese und bietet somit einer Vielzahl von                 interessantes Beispiel hierfür ist die Ringelnatter, gerade
Arten eine Lebensnische. Die hohe Artendichte ist auf                    diese Tierart wurde vom Menschen ihrer natürlichen Le-
die Bewirtschaftung des Menschen zurückzuführen, gibt                    bensräume beraubt. Sie hat in unseren Kleingärten ein
der Mensch einen Garten auf, so wird dieser in kürzester                 neues Rückzugsgebiet gefunden, besonders die Vorliebe
Zeit von reproduktionsstarken Arten besiedelt. Diese                     der Kleingärtner für kleine Gartenteiche machte ihr das
drängen die meisten Kulturpflanzen zurück und somit                      Überleben leichter. Gerne nutzen sie auch unseren Kom-
verschwinden auch viele Tierarten. Diese Gesetzmäßig-                    post zur Eiablage und sie arrangieren sich schnell mit
keit ist leicht erklärbar, in der Natur entsteht ein artenrei-           den Menschen. Meist bemerken wir sie auch nicht, aber
ches Biotop, wie z. B. der tropische Regenwald oder eine                 wenn, sollten wir sie respektieren. Aber die großen Tiere
                                          Wildblumenwiese                wie Ringelnatter & Co sind die Zeiger für das Ökosys-
                                          durch nährstoff-               tem, es gibt jede Menge kleine Akteure, diese möchten
                                          arme Böden.                    wir natürlich gerne vorstellen.
                                          Keine Art kann                 Bei den bedrohten Pflanzenarten sind nicht nur Wild-
                                          eine übermäßige                pflanzen gemeint, auch alte Obst- und Gemüsearten
                                          Dichte erreichen,              können hier ihren Bestand sichern. Die Lebensmittelin-
                                          da jede Pflanze ein            dustrie hat ein gewisses Spektrum an Pflanzen erschlos-
                                          Speziallist ist und            sen und diese werden in großem Stil produziert. Viele
                                          ein begrenztes                 dieser Pflanzen ziehen wir auch in unseren Gärten und
                                          Einzugsgebiet für              der kluge Gärtner tut dies ohne Chemie und genetische
                                          ihre Ernährung                 Veränderung.

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                              9
257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
Aber in den letzten 4000 Jahren hat der Mensch viele          Der Pflanzenbestand der Kleingartenanlage liefert
Pflanzenarten als Nahrung genutzt und weitergezüchtet.        auch einen nicht unbedeutenden Anteil an benötigtem
Von diesem großen Spektrum nutzen wir jetzt verhältnis-       Sauerstoff der Städte. Gerade dieser vielfältige Bestand
mäßig wenig und große Saatgutkonzerne versuchen welt-         an Pflanzen bringt den größten Beitrag für das Umland
weit auch noch diesen Genpool zu kontrollieren. Viele         der Gartenanlage, er bildet ein Refugium für viele Tiere
dieser alten Obst- und Gemüsesorten sollten eine Heimat       und Pilze. Sicher am greifbarsten ist die Vogelwelt, sie
in unseren Gärten finden und würden somit die Bedeu-          benötigt unsere Bäume, Hecken oder auch Gartenlauben
tung des Kleingartenwesens steigern.                          als Rückzugsgebiet oder Nistmöglichkeit. Viele Arten
Der Mensch hat mit seiner Lebensweise bereits eine            könnten sich nicht ohne Gärten im städtischen Bereich
weltweite Artenwanderung in Gang gesetzt und dieser           so weit in die Welt der heutigen Menschen vorwagen.
Prozess beschleunigt sich jährlich. Extrem anpassungsfä-      Ein schönes Beispiel sind die Spatzen, der früher häufige
hige Spezies erobern schnell Lebensräume und verdrän-         Vogel kam mit dem Wandel der Städte und besonders
gen die ansässigen Arten, dies ist nur eine der vielen        der Veränderung der Fortbewegung der Menschen
Ursachen des weltweiten Artensterbens. Eine weitere                                            nicht zurecht. Vor und
noch gravierendere Ursache des Artensterbens ist die                                           während der Industria-
Vernichtung von Lebensräumen, gerade bei uns in Eu-                                            lisierung der Städte gab
ropa ist der Anteil der „Unberührten Natur“ verschwin-                                         es noch viel Grün in den
dend gering. Der Kontinent wird bereits seit Jahrtausen-                                       Städten und es wurde
den von den Menschen umgestaltet und die Arten an der                                          viel Grün zur Ernährung
Spitze der Nahrungskette sind in großen Teilen Europas                                         der Pferde in die Stadt
verschwunden. Italien, Spanien, Griechenland und die                                           gebracht. Außerdem bo-
Türkei waren vor 2000 bis 3000 Jahren noch bewaldet,                                           ten die Pferdeställe auch
diese Wälder fielen dem Bau der Flotten der Griechen          hervorragende Nistmöglichkeiten. All dies verschwand
und Römer zum Opfer. Die Wälder Zentraleuropas wur-           in kurzer Zeit nach der Erfindung des Automobils und
den im Mittelalter bis zur Zeit der industriellen Revoluti-   die Bestände der Spatzen brachen ein. Ein Rückzugsre-
on abgeholzt, ohne jede Wiederaufforstung.                    fugium bieten in der heutigen Zeit auch unsere Gar-
Eine weitere Ursache für das immer massiver werdende          tenanlagen, aber wir haben noch mehr sprichwörtliche
Artensterben ist unsere Lebensweise. Die natürlichen          Zaungäste. Einer davon ist der Zaunkönig, er ist ebenso
Ressourcen unseres Planeten werden immer intensiver           auf grüne Bereiche in der Stadt angewiesen und die Viel-
genutzt und für eine natürliche Regeneration ist kaum         falt der Gartenanlage weiß er zu schätzen. Eine weitere,
noch Zeit. Die weltweite Bevölkerungsexplosion bindet         allen bekannte Spezies, die vom städtischen Grün pro-
immer mehr natürliche Ressourcen unseres Planeten             fitiert, ist die Honigbiene und ihre wilden Verwandten.
und für deren Ernährung werden besonders in der Land-         Die Imker haben schon lange erkannt, dass die Stadt in
wirtschaft die Methoden immer intensiver.                     Kombination mit Grünflächen den Bienen das gesamte
Im Kleingarten haben wir es in der Hand, schon der            Jahr Nahrung bietet. Kleingartenanlagen, die auch wie
Verzicht auf chemische Mittel wie Herbizide und Insek-        eine Kleingartenanlage betrieben werden, bieten ein
tizide steigert die Vielzahl der Arten. Die Schnittstelle     blühendes Umfeld über die gesamte Vegetationsperio-
Mensch – Natur liegt im Garten. Das Potential ist für         de. Von dieser immer blühenden Welt profitieren aber
junge Familien sehr groß, gerade die Eltern, welche ihre      nicht nur die Bienen, auch viele Schmetterlinge sind
Kinder noch im Verbund mit der Natur aufwachsen               auf diese grünen Zonen angewiesen und können nur so
sehen wollen, sind hier richtig.                              ihr Fortleben sichern. Aber wir Menschen sind in dieser
Je näher die Kleingartenanlage am Zentrum einer Stadt         Geschichte nicht nur die, die den Garten betreiben, wir
liegt, desto größer ist deren Bedeutung für ihr Umfeld.       sind die Nutznießer dieser Entwicklung, da auch wir auf
Die kontinuierliche Erwärmung des Erdklimas wird die          eine Vielfalt der Arten angewiesen sind. Auch wenn der
Wichtigkeit städtischen Grüns noch steigern. Liest man        Mensch aktuell zu wenig für die Vielfalt der Arten tut. In
Konzepte für eine zukünftige Raumordnung der Städte,          den städtischen Konzepten der Zukunft werden grüne
so gehört Grün zu den wichtigsten Elementen, um die           Areale eine große Bedeutung besitzen und dieser Joker
Überhitzung zu regulieren. In diesen Konzepten spielt         sollte nicht für Baugrundstücke verspielt werden! Eine
auch die Biodiversität eine große Rolle, aber die meisten     Vielzahl von Vögeln haben unsere Kleingartenanlagen
der Planer erkennen in diesem Zusammenhang nicht              für sich entdeckt. Der Garten dient als Jagdrevier und als
die bereits vorhandenen Kleingartenanlagen. Grünflä-          Kinderstube zugleich und so ganz nebenbei unterstüt-
chen ermöglichen eine Abkühlung des Umlandes und              zen sie uns bei der Schädlingsbekämpfung. Viele unsere
gerade eine Gartenanlage mit einem flachen Bewuchs            Kleingärtner unterstützen die Gartenvögel über das Jahr,
im Verhältnis zu den umliegenden Gebäuden ist hierzu          sei es mit Nistkästen oder einer Zufütterung im Winter.
besonders gut geeignet.                                       Leider tun wir aber auch Dinge, welche all dies wieder zu

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Nichte machen! Glücklicherweise hat der Insektizitein-                   teme“ nachhaltig belasten. Ein wohl vielen bekanntes
satz im Kleingarten in den letzten Jahren abgenommen                     Beispiel ist die Elster. In einem intakten Ökosystem mit
und unsere kleinen Helfer können wieder ungefährdeter                    genügend Gegenspielern ist die Elster als intelligenter
auf Jagd gehen, aber ein anderes Phänomen nimmt                          Jäger ein wichtiges Glied in der Nahrungskette. Aber in
stetig zu. Verwilderte Katzen werden immer mehr zu ei-                   unserer Kulturlandschaft wird sie zum Problem für viele
nem Problem in den Gartenanlagen, sie bedrohen nicht                     Vogelarten. Die Elstern machen regelmäßig Razzia in
nur die Vogelbestände, sondern auch die Reptilien. Der                   der Brutzeit der meisten Gartenvögel und erbeuten dabei
Bestand verdichtet sich zunehmend und dieser Umstand                     viele Jungvögel.
wird von Tierfreunden mit falsch verstandener Tierliebe                  Für die Zugvögel, wie z.B. die Mönchsgrasmücke,
noch gefördert. Viele Kleingärtner mit einem Fütter-                     stehen aber noch viel größere Gefahren bei ihrem Flug
zwang sind vom Frühjahr bis Herbst im Garten, aber im                    in den Süden an, sie stehen in südlichen Ländern auf
Winter sind die Katzen sich selbst überlassen. Natürlich                 so mancher Speisekarte. Auch wenn dies offiziell in den
suchen diese Katzen jetzt nach Alternativen und eine da-                 Ländern der europäischen Union untersagt ist, schert
von sind die Vögel, welche im Winter in unserer Heimat                   sich dort niemand um dieses Verbot. Die Jagd mit Leim-
                                bleiben. Dieses Anfüt-                   ruten und Lockvögeln zieht oft ein großes Leiden für die
                                tern gibt den Katzen ein                 bejagten Vögel nach sich. Viele Vögel werden auch ein-
                                völlig falsches Signal,                  fach aus Spaß getötet oder wegen der Trophäe. Ob diese
                                es sind „Gute Zeiten“                    Tiere unter Naturschutz stehen oder nicht interessiert
                                und dies beantworten                     dort niemanden. Eine Organisation, welche bereits seit
                                diese mit deutlich mehr                  vielen Jahren gegen diesen Missstand ankämpft, ist das
                                Nachwuchs. Besonders                     „Komitee gegen den Vogelmord e. V.. Diese Organisation
                                fatal wird die Katzen-                   hat uns das Foto mit den zubereiteten Mönchsgrasmü-
                                plage in der Zeit, wo                    cken zur Verfügung gestellt.
der Nachwuchs der Vögel aufgezogen wird. Viele Vögel
haben eine Ästlingszeit, in dieser Phase werden die nur
teilweise flugfähigen Jungvögel außerhalb des Nestes                     Das Foto wurde in einem Restaurant bei Larnaca/Zypern
gefüttert. Diese Strategie macht für die Vögel auch Sinn,                aufgenommen. Wer mehr über die Arbeit dieser Orga-
so müssen die Elterntiere nicht die wertvolle Zeit, in                   nisation wissen möchte, kann sich auf der Homepage
der die Aufzucht der Jungtiere möglich ist, mit dem                      www.komitee.de informieren.
Bau sehr großer Nester verbringen und können somit
zwei Bruten durchbringen. Im Rahmen eines normalen
Raubtierbestandes ist der Tribut an die Nahrungskette                    Der Kleingarten – Eine Arche für
für die Bestände erträglich, jedoch verschieben die Haus-                Schmetterlinge
katzen die Verluste zu Ungunsten der Vögel.
Viele Vogelarten, welche ursprünglich Übergangsberei-                    Schmetterlinge werden wohl gleich wie die Honigbiene
che zwischen Wald und Wiese oder Lichtungen bewohnt                      mit der Bestäubung von Blüten in Verbindung gebracht.
hatten, finden in einer Kleingartenanlage ideale Le-                                                    Sie erreichen nicht die
                                bensbedingungen. Eine                                                    Leistung bei der Bestäu-
                                dieser Vogelarten, welche                                                bung der Blüten wie die
                                diesen Lebensraum für                                                    an Individuen stärkeren
                                sich entdeckt haben, ist                                                 Bienenvölker, aber ihre
                                der Buchfink. Alle für ihn                                               zahlreichen Spezialisie-
                                wichtige Bedingungen                                                     rungen machen sie in den
                                erfüllt die Kleingartenan-                                               Ökosystemen unentbehr-
                                lage, als Rückzugsgebiet                                                 lich.
                                sind ausreichend Hecken                  Wir möchten diese schönen Tiere sicherlich nicht in un-
und Bäume vorhanden. Der Lebensraum bietet das                           serem Garten missen, auch wenn einige als Raupe nicht
gesamte Futterspektrum, von Beeren und Samen bis zu                      immer durchweg nützlich sind. Der wohl als Schädling
Insekten und Spinnen. Auch die kleine Blaumeise ist ein                  am bekanntesten gewordene Schmetterling ist der Kohl-
vertrauter Gartenvogel, gerade ihre Unterstützung im                     weißling. Es kann jedoch angenommen werden, dass der
Frühjahr bei der Bekämpfung der Blattlausinvasion ist                    Kohl nicht seine ursprüngliche Futterpflanze war, seine
nicht zu unterschätzen.                                                  Raupen verschmähen auch nicht die Kapuzinerkresse
Leider ist in den Kreisläufen der Natur vieles aus dem                   und viele andere Kreuzblütler. Der schön in Reih und
Gleichgewicht geraten, oft haben verkannte Schutzmaß-                    Glied gepflanzte Kohl im Garten erleichtert halt die Eiab-
nahmen Arten gefördert, welche die instabilen „Ökosys-                   lage. Jedoch ist er auf Grund seiner stark zurück gegan-

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                           11
genen Populationsdichte keine ernsthafte Bedrohung für      Eine Zuflucht im Garten für bedrohte Käfer
unsere Kohlpflanzen.
Eine nützliche und wehrhafte Pflanze kann in unseren        Er gehört zu den großen Käfern unserer Heimat und
Garten viele Schmetterlingsarten fördern, es ist die        sein Lebensraum verschwand in den letzten 100 Jahren
Brennnessel. Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Admiral                                         in großen Dimensionen.
und das Landkärtchen benötigen diese Pflanze als Fut-                                        Der Nashornkäfer erobert
terpflanze. Jeder dieser Falter ist auf seine Weise ein-                                     jetzt unsere Gärten und
zigartig, so z. B. das Tagpfauenauge. Dieser Falter setzt                                    sollte bei jedem Gärtner
als Schutz für seine Raupen auf Masse, seine Raupen                                          im Kompost willkommen
schützen sich mit einem gemeinsamen Gespinst. Sie                                            sein. Wir Gärtner müs-
fressen ca. drei bis vier Wochen an der Futterpflanze und                                    sen ihn nicht fürchten,
verfallen anschließend in eine zweiwöchige Puppenru-                                         seine Larve ernährt sich
he. Dieser Schmetterling kommt auf zwei Generationen                                         ausschließlich von totem
pro Jahr und nutzt gerne Gartenlauben als Überwinte-                                         Pflanzenmaterial. Die Er-
rungsquartier. Ein weiterer Brennnesselliebhaber ist der    nährung des ausgewachsenen Käfers ist wissenschaftlich
Kleine Fuchs, seine Strategie für die Raupengeneration      noch nicht vollständig geklärt, aber es wird vermutet,
ist ähnlich wie die des Tagpfauenauges, nur legt er seine   dass er sich von austretenden Pflanzensäften ernährt.
Eier ausschließlich an junge Triebe der Brennnessel.        Er bevölkert Laubwälder seit rund 5 Millionen Jahren
Der Admiral setzt zum Schutz seiner Raupen nicht auf        im jetzigen Europa und sicherlich schon viel länger auf
den Schutz der Gruppe, seine Raupen leben einzeln. Die      der ganzen Erde. Sein Lebensraum ist das Totholz der
Raupen des Admirals sind schwer zu entdecken, sie na-       Laubwälder und hier leben die Engerlinge in einem rich-
gen die Stängel unterhalb der Spitze der Brennnessel an     tigen Holzmulm. Genau diese Lebensweise schaffte eine
und bringen diese zum Abwelken. Anschließend spinnt         Brücke in unsere Gärten. Seine Larven bevorzugen einen
sich die Raupe mit den Blättern ein. Die Zahl der Brenn-    Kompost, der mit stark verholzten Pflanzenmaterial ver-
nesselliebhaber ließe sich noch beliebig verlängern, aber   setzt ist und ihre starken Kiefer haben kein Problem mit
noch ein bemerkenswerter Vertreter ist das Landkärt-        dem harten Material. Ihre Entwicklung dauert von der
chen. Lange Zeit nahmen Wissenschaftler an, es würde        Eiablage bis zum fertigen Käfer zwischen 2 – 5 Jahren,
sich um zwei Arten handeln, dieser Falter bringt eine       abhängig von der Temperatur. Aber diese lange Ent-
Frühjahrsgeneration und eine Sommergeneration her-          wicklungszeit im Kompost birgt auch Gefahren, schon
vor, welche eine unterschiedliche Farbgebung besitzen.      ein Umsetzen des Kompostes kann für den Engerling
Schmetterlinge ernähren sich als erwachsene Tiere           lebensgefährlich sein. Finden wir die Engerlinge unbe-
überwiegend von Nektar, bis auf wenige, die eine andere     schadet, so sollten wir diese behutsam in einem Teil des
Nahrungsquelle erschlossen haben, wie z.B. der Toten-       Kompostes vergraben der noch längere Zeit ruhen wird.
kopfschwärmer, der Bienenwaben plündert, oder die           Schließlich sollten wir einen solchen Spezialisten im
Schillerfalter, die sich von Tierexkrementen ernähren.      Kompost bei seiner Tätigkeit unterstützen. Die Larven
Aber im Laufe ihrer Entwicklung als Insekt verlangen die    sind in der Lage, Zellulosefasern zu verdauen und hier
Schmetterlinge den Pflanzen auch einiges ab, was diese      kommen tatsächlich Parallelen mit einer Kuh auf. Als
nicht so bereitwillig an die Nahrungskette weitergeben,     sich die Wissenschaft mit der Verdauung der Nashorn-
ihre Blätter. Das Leben als Raupe ist nicht ganz unge-      käferengerlinge beschäftigte, stellte man fest, dass der
fährlich und ein großer Teil der Raupen wird von Vögeln,    Engerling über keine Enzyme verfügt, welche in der
Wespen und vielen anderen Fressfeinden erbeutet. Aus        Lage gewesen wären die Zellulosefasern abzubauen.
diesem Grunde haben viele Raupen Abwehrstrategien           Der Engerling verfügt, ähnlich dem Pansen einer Kuh,
entwickelt, sich die Fressfeinde vom Hals zu halten. So     über eine Gärkammer im Enddarm. Auch bei ihm ent-
ist die Ahorneule z.B. dicht behaart und rollt sich bei     steht als Abbauprodukt Methan! Seine Hauptnahrung ist
Gefahr zur Wollkugel zusammen. Der Mittlere Wein-           jedoch nicht das verholzte Material, sondern die Proteine
schwärmer imitiert große Augen und versucht somit           der Mikroorganismen, welche das verholzte Material
bedrohlich auszusehen, besonders für Vögel, welche ihn      vergären.
für einen appetitlichen Happen halten.                                                       Über das markante
Dies war nur ein kleiner Streifzug durch die faszinieren-                                    Horn verfügen nur die
de Welt der Schmetterlinge, wir werden im Rahmen die-                                        Männchen, die Weibchen
ser Reihe noch viele Arten beschreiben. Die vorbenann-                                       besitzen an dieser Stelle
ten sind die wohl noch häufigsten Vertreter in unserem                                       ein kleineres Horn oder
Garten, aber es gibt noch viele kaum Wahrgenommene.                                          einen kleinen Höcker.
                                                                                             Die Lebenserwartung des
                                                                                             ausgewachsenen Käfers

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ist nicht besonders hoch, sie liegt bei 4 bis 6 Wochen.                  te genommen. So war das Verschwinden der Feldhaine
Die Weibchen legen im Hochsommer einzeln 5 mm                            eine Katastrophe für die Vogelwelt, aber gleichermaßen
große Eier in Totholz oder einem Kompost ab, danach                      auch für die Insekten. Die Landwirtschaft hat sich in
haben sie ihre Aufgabe erfüllt.                                          den letzten Jahren grundlegend verändert, so sind zum
Die Nashornkäfer wurden als „besonders geschützte“                       Teil Fruchtfolgen nicht mehr so notwendig wie vor 20
Tierart nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz einge-                         Jahren. Fehlende Nährstoffe werden durch speziell auf
stuft. Dies zeigt wieder einmal, welche Bedeutung das                    die gewünschte Sorte angepassten Dünger ersetzt und
Kleingartenwesen für den Erhalt bedrohter Tier- und                      machen eine mehrmalige Nutzung durch die gleiche
Pflanzenarten haben kann. Nach Gesprächen mit den                        Sorte möglich. Konkurrenzpflanzen werden durch den
Fachberatern unseres Verbandes ist die Verbreitung von                   Herbiziteinsatz beseitigt, gleichermaßen erhält das
Dresden über Leipzig bis Zwickau in unseren Klein-                       Samenkorn bereits einen vorbeugenden Schutz gegen
gartenanlagen bestätigt, zum Teil sogar mit großen                       Insektenfraß und Pilze. Alle diese Stoffe reichern sich
Populationen! Noch nicht gefunden wurden die Käfer im                    im Boden an und können bislang noch nicht absehbare
Vogtland und Erzgebirge.                                                 Spätfolgen verursachen. Aktuell wird vermutet, dass
Der Nashornkäfer gehört zur Familie der Blatthornkäfer                   diese Stoffe die Orientierung der Bienen beeinträchtigen,
(Scarabaeidae), zu dieser Familie gehören auch der Gold-                 aber statt die finanziellen Mittel dafür einzusetzen, die
glänzende Rosenkäfer, der Maikäfer, der Waldmistkäfer                    Forschung dahin zu intensivieren, dies auszuschließen,
und viele große Käferarten mehr.                                         werden die Anwälte losgeschickt, um jeden mundtot zu
                                                                         machen, der diesen Verdacht öffentlich macht.
                                                                         Was hat dies alles mit unseren Kleingärten zu tun? In
Die Vielfalt der Arten war noch nie so bedroht                           einer Zeit, wo täglich zwischen 50 und 150 Tier- und
wie jetzt!!!                                                             Pflanzenarten unwiederbringlich von der Weltbühne
                                                                         verschwinden, hat sich der Kleingarten zu einer Ar-
                                Der Hilfeschrei der                      che entwickelt. Eine Rückbesinnung zum naturnahen
                                grünen Verbände wird                     Gärtnern ist ein Schritt in die richtige Richtung und
                                nur sehr zögerlich war                   gibt vielen Arten eine Möglichkeit, um ihr Bestehen zu
                                genommen oder auch                       sichern. Uns fallen meist die großen Arten auf wie z.B.
                                bewusst ignoriert. Dabei                 die Ringelnattern, die den Kleingarten für sich entdeckt
                                ist es bereits fünf nach                 haben. Viele kleine Akteure fallen hier deutlich weni-
                                Zwölf für die Vielfalt der               ger auf, wie z.B. Wildbienen, wer kennt schon alle 500
                                Arten und jeder der mit                  heimischen Arten. Verschwindet eine Art, so wird dies
                                offenen Augen durch                      kaum bemerkt! Aber gerade diese Spezialisten benötigen
                                die Welt geht, kann die                  eine feine Balance zwischen ihren Futterpflanzen und
                                Symptome erkennen.                       ihrem gewünschten Brutplatz. Oftmals ist die Populati-
                                Ein uns konkret betref-                  onsdichte nicht sehr hoch und kleinste Veränderungen,
                                fender Verlust ist unsere                besonders im Brutgebiet, können das Verschwinden der
                                Gartenvogelpopulation,                   gesamten Art zur Folge haben. Natürlich sind Arten wie
                                welche mit dem Insek-                    z.B. der Aurorafalter, dessen Raupe Knoblauchrauke und
                                tensterben einhergeht.                   das Wiesen- Schaumkraut als Futterpflanze bevorzugt,
Hier bricht gerade eine ganze Nahrungskette zusammen                     im Vorteil. Da die Knoblauchrauke eine sehr reprodukti-
und dies mit noch nicht absehbaren Folgen. Wer vor                       onsstarke Pflanze ist und sich nicht so schnell aus einem
10 Jahren eine Überlandfahrt an einem warmen Som-                        Areal wieder vertreiben lässt, ist die Nahrung gesichert.
mertag unternommen hatte, musste im Anschluss die                        Die Zukunft des Kleingartenwesens liegt im naturnahen
Frontscheibe gründlich reinigen, so viele Fluginsekten                   Gärtnern und einem sorgsamen Umgang mit Pflanzen-
fanden den Tod auf der Frontscheibe des Autos. Jetzt ist                 schutzmitteln. Wir sind nur ein Mosaiksteinchen im
dies völlig anders, es sind bedeutend weniger Insekten                   großen Netzwerk der Erhaltung der Artenvielfalt, aber
unterwegs. Die Gründe sind vielschichtig, aber egal wel-                 wir sind ein wichtiger Partner, da wir flächendeckend
chen wir ansetzen, am Ende ist es immer der Mensch.                      organisiert sind.

Insekten wurden immer als ein unverwüstlicher Pool
angesehen und ihre Robustheit mit der der Schaben
gleichgesetzt. Aber dem ist beim überwiegenden Teil der
Arten überhaupt nicht so. Die intensive Landwirtschaft
hat ihnen immer mehr Rückzugsgebiete und Brutgebie-

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                          13
Ökosysteme – die Wechsewirkung zwischen KleingartenAnlage und Umland

Pilze im Kleingarten und ihr Ausbreitungsgebiet
René Jarling
Spezialist für Kleinpilze, Deutsche Gesellschaft für Mykologie

Was sind Pilze?                                                       Keine Pilze: Beispiel Schleimpilze
Wie leben Pilze?
Pilze und Kleingärten                                                 ■ Fuligo-Arten – Lohblüten
                                                                      ■	
                                                                        Amöben-Formen bewegen sich über Oberflächen
                                                                        (z.B. Holzraspeln)
Was sind Pilze?                                                       ■	
                                                                        Fressen Mikroorganismen
                                                                      ■	
                                                                        Umwandlung zu auffällig gefärbter sporulierender
■ Ca. 120000 Arten beschrieben                                          Form
■ 2,2 – 3,8 Millionen Arten vermutet                                  ■	
                                                                        Häufig in Gärten anzutreffen
■ Früher uneinheitlich definiert                                      ■	
                                                                        Werden in Mexiko als „Drachenkotze“ gegessen
■ Heute: Phylogenetische Definition

  Rekonstruktion von Entwicklungs-Stammbäumen
  aus Fragmenten der Genome heute existierender                       Keine Pilze: Beispiel Eipilze
  Lebewesen
                                                                      ■	
                                                                        Phytophthora infestans – Braunfäule
                                                                      ■	
                                                                        Häufiger Befall von Tomaten und Kartoffeln
Äußere Systematik                                                     ■	
                                                                        Teilweise 100%iger Ernteausfall
   Diaphoretickes                                      Ophistokonta   ■	
                                                                        Benötigt Regennässe zur Entwicklung
     (z.B. Pflanzen & Eipilze)
                                 Amoebozoa Tiere                      ■	
                                                                        Auslöser des Kohlrübenwinters 1916/17
            Excavata             (z.B. Schleimpilze)                  ■	
                                                                        Weitere Eipilze (Oomyceten): Falsche Mehltaue,
                                                                        Weißroste

               Archaeen
      Bakterien                                                       Innere Systematik
                                                                                  Microsporidia (einzellige Krankheitserreger, z.B. Nosemose bei Bienen)
                                                                                  div. Gruppen von Kleinstpilzen (z.B. Entomophthoromycotina)
                                                                                  Glomeromycota (u.a. Endosymbionten von Pflanzen)
                                                                                  Mucoromycotina (Jochpilze)

                                                                                  Basidiomycota (Ständerpilze)

                                                                                  Ascomycota (Schlauchpilze)

                                                                                                               Vereinfacht nach Ebersberger et al. 2012

14                                                                    bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
Entomophthoromycotina: Beispiel
■ Entomophthora muscae – Gemeiner Fliegentöter                                               Leben unter Ausnutzung
■ Befällt lebende Fliegen                                                                     eines Wirtes (biotroph)         Töten und zersetzen Wirt
                                                                                                                                    (nekrotroph)
■ Beeinflusst das Verhalten des Opfers                                                              Parasiten
■	Befallene Fliege sucht hochgelegene offen Stellen,                                                                          „Jäger“
   klammert sich fest und stirbt
■	Pilz durchwuchert Fliege und lässt Hinterleib an-
   schwellen
■	Andere Fliegen versuchen sich mit befallener Fliege zu                      Symbionten                          Saprophyten
   paaren und stecken sich dabei an                                            Partnerschaft mit                Zersetzten abgestorbenes
                                                                             gegenseitigem Nutzen                        Material

Mucoromycotina: Beispiel
■ Pilobolus sp. – Pillenwerfer                                           „Jäger“: Beispiele
■ Kleinpilz – mehrere Millimeter groß
■ Zersetzt Dung                                                          Cylindrocladium buxicola – Buchsbaum-Triebsterben
■	
  Bildet ein Sporenpaket, welches bis zu 2,8 m weit                      ■ Spezifisch an Buchsbaum
  geschossen werden kann                                                 ■	 Unterschiedliche Sorten unterschiedlich empfänglich,
                                                                             jedoch keine absolute Resistenz*
                                                                         ■ Lässt Blätter und Triebe absterben, Pflanzen verkahlen,
Basidiomycota (Ständerpilze)                                                 schwarze Streifen an Trieben, weiße Schimmelrasen an
Bilden Sporen auf einem Ständer aus                                          Blattunterseiten*
                                                                         ■ Seit 2004 in Deutschland in Ausbreitung
                                                                         ■ Vergleichbar mit dem Eschensterben (Hymenoscyphus
             Pucciniomycetes (Rostpilze)
                                                                             fraxicola)

             Ustilaginomycotina (Brandpilze)
                                                                         Botrytis cinerea – Grauschimmel
                         Tremellomycetes (Zitterlingsverwandte)          ■ Schlauchpilz (Leotiomycetes)
                                                                         ■ Befällt breites Spektrum an Wirtspflanzen
                         Agaricomycetes (Großpilze)                      ■ Z.B. Erdbeeren, Brombeeren, krautige Pflanzen
                                                                         ■ Bei Weinanbau teilweise gewünscht
                                                                         ■ Allgegenwärtig
Ascomycota (Schlauchpilze)
Bilden Sporen in einem Schlauch aus; besitzen häufig eine
asexuelle Form (gemeinhin „Schimmel“ genannt)                            Jäger-Parasiten: Beispiele

                                                                         ■   Monilinia spp. – Triebsterben, Ringelfäulen, Monilia
            Taphrinomycotina (Spalthefen, Wucherlinge)
                                                                         ■   Schlauchpilze (Leotiomycetes)
            Saccharomycotina (Echte Hefen)                               ■   spezifisch an Stein- und Kernobst (v. a. Pflaume, Apfel)
                                                                         ■   Befallene Fruchte mit charakteristischem „Schimmel“
                       Pezizomycetes (Becherlingsverwandte)              ■   Überwintern in Ästen und Fruchtmumien
                                                                         ■   Triebe über Blüten infiziert, sterben ab
                       Eurotiomycetes & Dothideomycetes
                                                                         Parasiten: Beispiele
                       Leotiomycetes (u.a. Mehltaue, Runzelschorfe)

                       Sordariomycetes (u.a. Holzkeulen)                 Taphrina sp. – Wucherlinge
                                                                         ■ Schlauchpilze (Taphrinomycotina)
                                                                         ■	hochspezifisch an Wirte angepasst, verursachen Defor-
Wie leben Pilze?                                                            mationen, u.a.
Pilze sind abbauende Organismen – Heterotrophe                                 Narrentaschen an Pflaumen und Schlehen (T.
                                                                                 pruni)
                                                                             Kräuselkrankheit des Pfirsichs (T. deformans)
                                                                         ■ Überwintern in Ästen & Zweigen des Wirtes
                                                                         ■ Bilden Schläuche auf deformierten Pflanzenteile

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                                               15
Parasiten: Beispiele                                         Parasiten: Beispiel Brandpilze

■ Pucciniomycetes – Rostpilze                                Ustilago maydis – Mais-Beulenbrand
■ Ständerpilze                                               ■ Brandpilz (Ustilaginomycotina) an Mais (Zea mays)
■ Hochspezifisch angepasst                                   ■ Verursacht auffällige Wucherungen, die mit schwar-
■ I. d. R. vier Stadien unterscheidbar (0, I, II, III)          zer Sporenmasse gefüllt sind
■	
  Können einen spezifischen, teils obligaten Wirts-          ■ Sporen überwintern im Boden und bilden im nächs-
  wechsel vollziehen                                            ten Jahr Basidiosporen aus, die erneut infizieren
                                                             ■ Gilt in Mexiko als Delikatesse
                                                             ■ Viele Brandpilze infizieren Einkeimblättrige (z. B.
                                                                Gräser, Liliengewächse), sind aber hochgradig
      I - Aecien                             II - Uredien
                                                                wirtspezifisch

     0 - Pycnidien                            III - Telien   Mehltaue
                                                             ■ Schlauchpilze (Leotiomycetes)
       (Gelbrost)                              (Braunrost)   ■ oft wirtspezifisch
                                                             ■ Zwei Stadien:
                                                             		 1.	Bildung von Konidien in Ketten auf der Wirts-
Parasiten: Rostpilze                                                oberfläche
                                                             		 2.	Bildung von Sporen in Schläuchen in winzigen
Gymnosporangium sabinae – Birnen-Gitterrost                         Fruchtkörpern
■ Befällt Stink-Wacholder (Juniperus sabinae) mit II        ■ Letztere Überwintern im Boden
   und III                                                   ■ Mehltaue besonders in trockenen Jahren
■ Bildet im Frühjahr gelatineartige Fruchtkörper
■ Überwintert in diesem Wirt
■ Wechselt im Sommer zur Birne (Pyrus sp.), dort 0          Parasiten: Bestimmung
   und I gebildet
■	Diese können wiederum Wacholder-Pflanzen                  Art-Bestimmung oft schwierig, nur mikroskopisch oder
   infizieren                                                mit Hilfe von Gensequenzierung, aber Einteilung in
■	Kann mitunter auch andere Wirte besiedeln                 Gruppen oft möglich
   (z. B. Äpfel, Quitten)
■ Auf Gemeinem Wacholder (J. communis) häufig               Derzeit aktuellstes Bestimmungswerk: Klenke, Scholler,
   Weißdorn-Gitterrost                                       Pflanzenparasitische Kleinpilze.

                                                             Im Internet:
Parasiten: Rostpilze ohne Wirtswechsel                       ■ J. Krause: www.jule.pflanzenbestimmung.de
                                                             ■ H. J. Buhr: www.hansbuhr.de
Phragmidium spp. – Rosenroste
■ Mehrere Arten befallen unterschiedliche Rosen-Arten       Verbreitungsdatenbanken:
   0, I, II (leuchtend orange) und III (schwarzbraun)        ■ www.pilze-deutschland.de
   gebildet                                                  ■	www.smnk.de/sammlungen/botanik/pilze/datenbank-
                                                                info/
Cumminsiella mirabilissima – Mahonienrost
■ Befällt Mahonien (Mahonia sp.), dort nur II und III
   gebildet                                                  Parasiten: Gründe für Befall
■ auf Mahonien kommt auch der Berberitzenrost vor
                                                             ■   Anfällige Sorten
Puccinia malvacearum – Malvenrost                            ■   Zu dichte Pflanzung
■ Befällt Stockrose und Malven (Malvaceae)                   ■   Zu viel Stress für die Pflanze
■ dort nur III ausgebildet                                        (Trockenheit, Dunkelheit)
                                                             ■    Überdüngung
                                                             ■    Starker Infektionsdruck
                                                             ■    Falscher Standort
                                                             ■    Regional bedingt

16                                                           bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
Parasiten: Bekämpfung                                                    Saprophyten – Holzpilze

■   Auswahl resistenter Pflanzen-Sorten                                  Leben von der Zersetzung von Holz
■   Auswahl der Pflanzen anhand der Bedingungen im                      Einige Beispiele:
     Kleingarten (z.B. nach Standort)                                    ■ Hallimasch (Armillaria spp.), auch parasitisch an
■    Genügend Abstand zu anderen Pflanzen halten,                          Obstbäume, roh giftig
      Gehölze auslichten, lokale Luftfeuchte senken                      ■ Schwefelköpfe (Hypholoma spp.), teils giftig,
■     Infektionsdruck senken:                                               Schwächeparasit
      ■ Entfernung von befallenen Pflanzenteilen                         ■ Schillerporlinge (Inonotus spp.) an Laubbäumen
    ■ Diese nicht kompostieren                                              (teils parasitisch)
    ■ Mögliche Wechselwirte entfernen                                    ■ Zunderschwamm (Fomes fomentarius)
                                                                         ■ Glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum),
Machen sie dem Pilz das Leben schwer!                                      Vitalpilz
                                                                         ■ Schmetterlingstramete (Trametes versicolor)
■     ekämpfung mit chemischen Mitteln meist nur kurz-
     B                                                                   ■ Korallenroter Pustelpilz (Nectria cinnabarina),
     fristig erfolgreich bzw. ganz erfolglos                                Ubiquitist
■    In Kleingärten nur Mittel anwenden, die explizit für
      die Anwendung in Kleingärten zugelassen sind
■     Auf das Nötigste reduzieren                                        Symbionten
■     Biologische Strategien erwägen (z. B. Nützlinge)
■   Besser: Andere Obst- und Gemüsesorten auswählen,                    Wichtigste Interaktionen zwischen Pilzen und Pflanzen
     auf regionale Besonderheiten achten                                 ■ Endomykorrhiza (Arbuskuläre M.)
                                                                         ■ Ektomykorrhiza
                                                                         ■ Flechten
Saprophyten – Zersetzer                                                  Daneben sind auch Symbiosen zw. Tieren und Pilzen
                                                                         bekannt
■ Zersetzen abgestorbenes organisches Material
■ Holz, Pflanzenreste, Dung, Dünger, ...
■ Teilweise spezialisiert auf einzelnes Substrat                         Endomykorrhiza (Arbuskuläre M.)
■	
  Wichtigste Funktion der Pilze im globalen
  Stoffkreislauf                                                         ■  ymbiose, wobei der Pilz zum Teil INNERHALB der
                                                                           S
■ Im Kleingarten von Bedeutung:                                            Pflanze lebt
■ Rasenpilze                                                             ■ Bei ca. 80% aller Landpflanzen vorhanden
■ Holzabbauer                                                            ■ Glomeromycota
                                                                         ■	
                                                                           Ermöglichten den „Landgang“ der Pflanzen im
                                                                           Ordovizium
Saprophyten – Rasenpilze                                                 ■ weitere Formen von Endomykorrhiza bekannt, z.  B.
                                                                         ■ Orchideen-Mykorrhiza
Leben von Nährstoffen im Boden, häufig in Rollrasen                      ■ Ericoide Mykorrhiza
Einige Beispiele:
■ Düngerlinge, wie Heuschnittpilz (Panaeolus foeniseci)
   oder Blauender Düngerling (Panaeolus cyanescens),                     Ektomykorrhiza
   teils giftig
■ Milchweißes Samthäubchen (Conocybe albipes)                            Symbiose, wobei der Pilz AUSSERHALB der Pflanze lebt
■ Krönchenträuschling (Stropharia coronila)                              ■ Hauptsächlich bei Bäumen, gemäßigte Klimazonen
■ Trichterlinge (Clitocybe spp.) & Schirmlinge (Lepiota                    Basidiomyceten (und einige Ascomyceten)
   spp.), stark giftig                                                   ■ Pilz umhüllt Wurzelspitzen, dringt in Zellen ein,
■ Saftlinge (Hygrocybe spp.), vom Aussterben bedroht                        Stoffaustausch
■ Schirmpilze (Macrolepiota spp.) & Tintlinge (Coprinus                 ■ Pilz versorgt Pflanze mit Nährstoffen (Phosphat),
   s.l.)                                                                    Wasser
                                                                         ■ Pflanze gibt Zucker an Pilz, Schutzfunktion
                                                                         ■ Ermöglicht Besiedlung von lebensfeindlichen Stand-
                                                                            orten
                                                                         ■ Baum kann auch auf Symbiose verzichten, Pilz nicht
                                                                            Wood-wide-web (Mycelnetzwerk ermöglicht Kommu-
                                                                            nikation)

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                          17
Beispiele:                                                  Weiterführende Literatur & Quellen
■ Laubhölzer (z.B. Eichen, Buche, Birken, Hainbuche,
   Linden, Haselnuss)                                       Klenke/Scholler: Pflanzenparasitische Kleinpilze.
■ Fast alle Nadelbäume (z.B. Kiefern, Fichten, Lärchen,
   Tannen)                                                  Schwantes: Biologie der Pilze.
■ Viele bekannte Speisepilze (Steinpilz, Pfifferling,
   Marone, Trüffel)                                         Ebersberger et al. 2012, A Consistent Phylogene-
■ Stark giftige Pilze (Grüner Knollenblätterpilz,          tic Backbone for the Fungi. Mol. Biol. Evol. 29(5),
   Pantherpilz, Schleierlinge                               1319–1334.

                                                            Hawksworth und Lücking 2017, Fungal diversity revi-
Flechten                                                    sited: 2.2 to 3.8 million species. Microbiol. Spectrum
■ Symbiose, zwischen Pilzen und Algen bzw.                 5(4), FUNK-0052-2016
   Cyanobakterien
■	Autotropher Organismus produziert Zucker via
   Photosynthese
■ Pilz übt Schutzfunktion aus
■ Besiedlung von Lebensräumen, an denen sonst kein
   höheres Leben möglich wäre (Felsoberflächen,
   Wüsten, Tundra)
■ Pionierfunktion
■ Keine pflanzenschädlichen Flechten bekannt

Pilze und Kleingärten

Pflanzliche Artenvielfalt  Vielfalt an Pilzen
Hohe Diversität an Biotopen innerhalb kleiner Flächen,
z. B.
■ Gemüsegarten
■ Rasenfläche
■ Steine & andere harte Oberflächen
■ Bäume
■ Komposthaufen
(Klein-)Gärten schaffen Lebensräume für Pilze, die in
der freien Natur selten zu finden sind

Illegale Komposte im nahegelegenen Wald
 Schaffung weiterer Lebensräume, aber...
■ Überdüngung der Forste
■ Verdrängung von gefährdeten Arten
■ Ausbreitung von Neobiota bzw. invasiven Arten
 	Massenauftreten von Drogenpilzen (Magic
    Mushrooms)
    Beispiel: Blauender Kahlkopf (Psilocybe cyanescens)

Gärten pilzlich gestalten – warum nicht?
■ Pilze züchten für die Selbstversorgung
■ Raum für Pilze lassen, nicht jedes tote Blatt entfernen
■ Pflanzenauswahl (z.B. Wirte für seltene Parasiten)
■ Nährstoffreiche neben nährstoffarmen Standorten
■ Holz verrotten lassen, anstatt es zu verbrennen
■ Im Idealfall: Ansiedlung von Mykorrhiza-Pilzen

18                                                          bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
Ökosysteme – die Wechsewirkung zwischen KleingartenAnlage und Umland

Neobiota – Ist der Garten ein Drehkreuz
der Bioinvasion?
Tommy Brumm
Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e.V.

                                   „Neobiota“ ist kein                   Krankheiten im Gepäck. Würden wir aus unseren Gärten
                                   Begriff des täglichen                 alle Pflanzen verbannen, welche nach dem 12. Oktober
                                   Sprachgebrauchs!                      1492 eingeführt wurden, so wären diese erstaunlich leer!
                                   Der Überbegriff „Ne-                  Der größte Teil der Nutzpflanzen wurde bewusst durch
                                   obiota“ umfasst alle                  den Menschen eingeführt, oftmals noch gar nicht den
                                   Arten der Pflanzen                    wahren Nutzen der Pflanze erkennend, wie z.B. bei der
                                   (Neophyten), der                      Kartoffel. Gerade nach der Entdeckung Amerikas wur-
                                   Tiere (Neozoene)                      den große Mengen an Pflanzen eingeführt, aber nicht
                                   und der Pilze (Neo-                   alle konnten sich im Klima Europas behaupten. Gefährli-
                                   myzen), welche nach                   cher wird die Einfuhr von Pflanzen aus raueren Klimazo-
                                   dem 12. Oktober 1492                  nen, wie z. B. der Riesen-Bärenklau aus dem Kaukasus.
                                   in ein neues Gebiet                   Diese Pflanze stammt aus Gebirgsregionen mit einer
                                   eingewandert sind.                    recht kurzen Vegetationszeit, in dieser Zeit kann sie es
                                   Alle Organismen, die                  sich nicht leisten, gefressen zu werden oder von Konkur-
                                   vor diesem Stichtag                   renten verdrängt zu werden. Die Pflanze hat geeignete
                                   eingewandert sind,                    Mechanismen entwickelt, um genau dies zu verhindern,
                                   bezeichnet man als                    zum einen giftigen Pflanzensaft und zum anderen einen
                                   Archiophyten. Was                     extrem schnellen Wuchs, ihre enorme Reproduktions-
                                   hat das alles mit un-                 freudigkeit tut ihr übriges. So ausgestattet kamen die
serem Garten zu tun? Mehr als wir glauben!                               Pflanzen im milderen Klima Europas an und die heimi-
Um all dies zu verstehen, muss man sich mit den                          sche Vegetation hat ihr nichts entgegenzusetzen. Diese
Grundmechanismen des Lebens beschäftigen. Ein                            Pflanze wurde bewusst eingeführt, aber es findet auch
elementarer Mechanismus ist das Bestreben, immer                         eine meist unbemerkte Invasion statt und je kleiner der
neue Lebensräume zu erobern und sich so dem Konkur-                      Organismus, umso schwerer ist seine Entdeckung!
renzdruck im angestammten Lebensraum zu entziehen.                       Oftmals erschließen auch Tiere eines angestammten
Auch nach großen klimatischen Ereignissen, wie z.B.                      Lebensraumes eingeführte Pflanzen als neue Futter-
der Eiszeit, kommt es zu einem völligen Verschwinden                     pflanze und werden anschließend zu einem invasiven
oder einer Verarmung der Artendichte. Zum Beispiel                       Neozoon. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Kartoffelkä-
hat sich der Artenbestand der Wälder Nord- und Mittel-                   fer, dieser Blattkäfer stammt aus Amerika, genauer aus
europas durch die Eiszeit von 400 auf 40 Baumarten                       Colorado. Seine ursprüngliche Futterpflanze war der
reduziert. Genau jetzt sind wir wieder im Kleingarten                    Stachel-Nachtschatten (Solanum rostratum). Erst durch
angekommen. In unsere Kleingärten werden entgegen                        die ersten weißen Siedler kamen die Kartoffel und der
der Rahmenkleingartenordnung die Verlierer der Eiszeit                   Kartoffelkäfer zusammen und er konnte sein Ausbrei-
wieder zurückgeholt, wie z.B. der „Abendländische                        tungsgebiet im Gepäck der Kartoffel vergrößern über die
Lebensbaum“. Den Sprung in den Baumbestand der                           gesamte Welt.
Wälder haben sie noch nicht geschafft, aber sie haben                    Aber es geht noch viel kleiner! Gerade im Bereich der Pil-

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                           19
ze ist das Spektrum groß und die Folgen sind drastisch.      Walderdbeere als Nutzpflanze, es existieren Überlie-
So betrat der „Echte Mehltau“ 1845 die Bühne Europas.        ferungen, dass diese bereits im Mittelalter kultiviert
Der Pilz stammt aus Nordamerika und ist sicher mit           wurde. Nicht ihr Geschmack ließ sie gegenüber ihren
Pflanzen aus Nordamerika nach Europa gekommen. In            Verwandten aus Übersee verlieren, sondern lediglich die
den Krautschichten der Wälder Nordamerikas hatte er          Fruchtgröße.
eine regulierende Funktion, er selektierte die schwächs-     Aber nicht nur Pflanzen, welche der Ernährung dienen,
ten Jungbäume aus und ermöglichte den stärkeren              fanden aus fernen Ländern den Weg in unsere Gärten.
Bäumen ein schnelleres Wachstum. Schnell erschloss                                               Wenn wir an Tulpen
er neue Nahrungsquellen, unsere Nutzpflanzen. Die                                                denken, so bringen
Fortpflanzung der Pilze durch Sporen macht ein Ver-                                              wir diese wohl eher
hindern ihrer Ausbreitung sehr schwer. Der Pilz Batra-                                           mit Holland in Ver-
chochytrium dendrobatidis bedroht seit rund 20 Jahren                                            bindung, aber diese
die Amphibienbestände der Welt, besonders dramatisch                                             stammen aus der
war sein Erscheinen in Mittelamerika, hier hat er bereits                                        Türkei. Es ist bereits
für das Aussterben von 30 Froscharten gesorgt. Pilze                                             früh gelungen, Hyb-
dieser Art sind ein Bestandteil der Kompostierung und                                            riden von der Tulpe
völlig harmlos, aber dieses spezielle Exemplar greift die                                        zu züchten, welche
empfindliche Haut der Amphibien an. Seine Herkunft                                               besser mit dem Klima
ist bislang unbekannt, sicherlich hatte er sich in einem                                         Zentraleuropas zu-
Tümpel X irgendwo auf der Welt mit den dortigen Am-          rechtkommen. Die Kaiserkrone fand ihren Weg zu uns
phibien arrangiert, aber irgendwann kam ein Mensch zu        aus Persien. Bei einem großen Teil der Pflanzen ist nicht
diesem Tümpel und trug die Sporen an seiner Kleidung         belegt, wie diese zu uns kamen, aber in der Geschichte
oder den Schuhen in die Welt.                                der Botanik haben viele „Pflanzenjäger“ für die Einfuhr
Wir Europäer sind aber nicht nur ein Importkontinent,        so mancher Gartenpflanze gesorgt. So z. B. Philipp
sondern wir sind auch Meister im Export von ungewoll-        Franz von Siebold (1796 – 1866). Der Deutsche brachte
ten Organismen! So wächst der Breitwegerich bereits seit     beispielsweise die Hortensie aus Japan nach Europa. Er
vielen Jahren in den Wüstengebieten Australiens.             hatte aber auch einige bedenkliche Ansichten, so war er
Das Thema der Neobiota ist so komplex und vielschich-        der Meinung, die heimische Natur durch die Einführung
tig, dass es nicht in einem Artikel beschrieben werden       von Pflanzen aus fernen Erdteilen zu „verbessern“. Der
kann. In vielen der nachfolgenden Artikel werden The-        Engländer John Tradescant führte Astern, Sonnenblu-
men aufgegriffen, welche auf die eine oder andere Weise      men und viele mehr aus Nordamerika ein.
mit diesem Thema zu tun haben. Im nächsten Artikel           Es ist ein großer Vorteil des Gärtners zu wissen, woher
beschäftigen wir uns mit der Herkunft der eigenen Gar-       die Gartenpflanzen ursprünglich stammen. So z. B. die
tenpflanzen!                                                 Steppenkerze, diese stammt aus kalten Hochebenen
                                                             des zentralen und westlichen Asiens. Sie mag nicht mit
                                                             Sträuchern und Bäumen um das Licht ringen und extre-
Herkunft unserer Gartenpflanzen                              me Nässe passt auch nicht in das Anpassungskonzept in
                                                             ihrer Heimat.
                                    Unsere Gärten be-
                                    heimaten eine große                                         Wichtig ist es für
                                    Sammlung an Pflan-                                          unsere Kulturpflan-
                                    zen und weiterentwi-                                        zen, immer den
                                    ckelten Zuchtformen                                         wilden Vertreter noch
                                    dieser. So manche                                           verfügbar zu haben,
                                    Pflanzen sind schon                                         bei massivem Krank-
                                    so lange in unseren                                         heitsbefall kann unter
                                    Gärten, dass diese als                                      Umständen das Ein-
heimische Vertreter betrachtet werden. Interessant ist       kreuzen der Stamm- oder Urform hilfreich sein. So ist
hierbei beispielsweise die Erdbeere, die Sorten, welche      z. B. die Stammform des Mangolds noch verfügbar, trotz
wir im Garten anbauen, haben ihre Reise in fernen Län-       einer bereits seit 2900 Jahren andauernden Zucht und
dern begonnen. Die Urväter unserer Gartenerdbeeren           Nutzung. Der Urvater nennt sich Beta maritima L. und
sind die kleine Scharlacherdbeere aus Amerika (Fragaria      kommt im Mittelmeerraum und entlang des Atlantiks
virginiana) und die großfruchtige Chileerdbeere (Fraga-      vor. Der vorbenannte Urvater Beta maritima L. ist auch
ria chiloensis) und nicht die heimische Walderdbeere.        der Vorfahre der Zuckerrübe, Runkelrübe und der Roten
Wir liegen aber nicht völlig falsch mit der heimischen       Rübe. Es gibt aber lieb gewonnene Gartenpflanzen, wo

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der Urvater mit großer Wahrscheinlichkeit bereits ausge-                                          Ein weiteres Gehölz, welches
storben ist, wie z. B. der Kohlrabi.                                                              in Asien und Nordamerika
                                                                                                  beheimatet ist, ist die Magnolie.
Ein Botaniker, der schon früh zur Erkenntnis kam, wilde                                           Neben Rhododendren und Mag-
Urväter unserer Nutzpflanzen zu erhalten, war Nikolai                                             nolien existieren viele Pflanzen-
Iwanowitsch Wawilow (1887-1943). Der russische Botani-                                            arten parallel in Nordamerika
ker sammelte in vielen Expeditionen in der ganzen Welt                                            und Asien und dies hat einen
Samen aller möglichen Nutzpflanzen. Noch heute beher-                                             prähistorischen Hintergrund.
bergt das Wawilow-Institut in Pavlovsk viele der damals                                           Des Rätsels Lösung nennt sich
gesammelten Samen, selbst in den Wirren des zweiten                                               „Beringia“, die Landbrücke
Weltkriegs vergriffen sich die Mitarbeiter des Instituts                                          zwischen Asien und Nordame-
nicht an der Sammlung. Wawilow selbst wurde Opfer                                                 rika. Diese Landbrücke tauchte
einer Intrige seines Kollegen Trofim Denissowitsch Lys-                  in den letzten 100 Tausend Jahren bis zuletzt vor ca. 11
senko und starb am 26. Januar 1943 an Hunger in einem                    Tausend Jahren mehrfach für viele Jahre aus den Fluten
der Gefängnisse Stalins.                                                 des Meeres auf. Dies geschah jeweils in den Kaltzeiten
Es gibt aber noch viel alltäglichere Gartenpflanzen,                     der Eiszeit, welche genau genommen noch nicht zu
deren wilde Vorfahren nicht mehr existieren. So z.B. die                 Ende ist. Auch die Menschen nutzten diese Landbrücke
Zwiebel, alle in der Natur gefundenen Zwiebeln stellten                  neben vielen Pflanzen und Tierarten um neuen Lebens-
sich als verwilderte Kulturzwiebel heraus. So war es doch                raum zu erobern.
ein Glücksfall, den „Asiatischen Wildapfel“ wieder zu                    Das nächste Gehölz, dessen Herkunft wir beleuchten
entdecken und somit seine genetische Reserve wieder                      möchten, ist die Felsenbirne. Leider ist diese wunder-
verfügbar zu haben.                                                      schöne Pflanze als Wirtspflanze für den Feuerbrand in
                                                                         Verruf geraten. Jedoch ist die Aussage, alle Felsenbirnen
                                                                         sind anfällig für Feuerbrand, nicht korrekt, Amelanchier
Gehölze aus aller Welt im Garten                                         lamarcki (Kupferfelsenbirne) und Amelanchier ovalis
                                                                         (Gewöhnliche Felsenbirne) sind nicht empfänglich für
                                      Unsere Gärten                      den Feuerbrand.
                                      beherbergen eine                   Der überwiegende Artenbestand der Felsenbirnen
                                      große Sammlung                     stammt aus Nordamerika und hat seinen Weg zu uns
                                      von Pflanzen aus                   vor ca. 300 Jahren gefunden. Auch die Felsenbirne blüht
                                      aller Welt, darunter               zeitig im Frühjahr und ihre Frucht hat viele Liebhaber in
                                      auch viele Gehöl-                  der Vogelwelt gefunden.
                                      ze. Die Geschichte
                                      dazu, wie diese
                                      Pflanzen in unsere                 Bedrohte Schnecken
                                      Gärten fanden, ist
                                      meist unbekannt.                   Schnecken gehören wohl zu den nicht unbedingt belieb-
Ein besonders im Frühjahr sehr auffälliges Gehölz                        testen Tieren im Garten, aber ohne sie würde das „Mi-
ist die Forsythie, wohl eher unbekannt ist, dass die in                  niökosystem Garten“ in unserer Kulturlandschaft nicht
unseren Gärten angepflanzte Forsythie so in der Natur                    funktionieren. Dass die Waage zwischen Reproduktion
nicht vorkommt. Sie ist ein Hybrid und entstand durch                    und Fressfeinden bei einer Schnecke sich zu Gunsten
die Kreuzung von Hänge-Forsythie (Forsythia suspensa)                    derer verschoben hat, ist für alle Kleingärtner harte Re-
und der Grünen Forsythie (Forsythia viridissima). Die                    alität. Es handelt sich hierbei um die „Spanische Nackt-
Grüne Forsythie (Forsythia viridissima) stammt aus den                   schnecke“, einen unermüdlichen „Nimmersatt“. Sie ist
Trockenwäldern und Steppen Südchinas und ist frost-                      eine falsch als Neozoen bezeichnete Spezies, aber diese
empfindlich, aus der gleichen Gegend kommt auch die                      Erkenntnis ist erst wenige Wochen alt. Eine aktuelle
Hänge-Forsythie (Forsythia suspensa). Der Gartenhybrid                   Untersuchung der DNA brachte zu Tage, dass die Schne-
ist bestens an unser Klima in Zentraleuropa angepasst                    cke eher heimisch ist. Es ist wahrscheinlicher, dass ihr
und als Frühblüher bei allen Nektar sammelnden Insek-                    Ursprungsgebiet in einem begrenzten Gebiet Mitteleuro-
ten sehr beliebt.                                                        pas lag und unser aktuelles Kaufverhalten bei Gartenpro-
Auch zu den zeitigen Blühern gehören die Rhododen-                       dukten ihren Siegeszug über Europa ermöglichte. Die
dren, diese Gehölze sind in Asien und Nordamerika                        „Spanische Nacktschnecke“ ist bestens für die Mehrung
verbreitet, jedoch meist in Asien. Der überwiegende Teil                 ihrer Spezies ausgestattet, sie hat einen fast ungenießba-
der Arten existiert in hochgelegenen Regenwäldern, dies                  ren Schleim, der von vornherein viele natürliche Feinde,
erklärt die Vorliebe für feuchte Standorte.                              wie den Igel, ausschließt. Sie ist sehr vermehrungs-

bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257                                                           21
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