257 Ökosysteme - Umwelt - Bundesverband Deutscher Gartenfreunde eV
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Fachberatung Management Öffentlichkeitsarbeit Recht Umwelt > 257 Umwelt Ökosysteme – die Wechselwirkung zwischen Kleingartenanlage und Umland bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 1
Impressum Schriftenreihe des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e. V., Berlin (BDG) Heft 6/2017 – 39. Jahrgang Seminar: Umwelt vom 13. bis 15. Oktober 2017 in Schwerin Herausgeber: Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V., Platanenallee 37, 14050 Berlin Telefon (030) 30 20 71-40/-41, Telefax (030) 30 20 71-39 Präsident: Peter Paschke Seminarleiter: Dr. Wolfgang Preuß Präsidiumsmitglied für Seminare BDG Layout&Satz: Uta Hartleb Nachdruck und Vervielfältigung – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG) ISSN 0936-6083 Dieses Projekt wurde finanziell vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert. Der Förderer übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen des Förderers übereinstimmen.
Seminar Umwelt vom 13. bis 15. Oktober 2017 in Schwerin Ökosysteme – die Wechselwirkung zwischen Kleingartenanlage und Umland Schriftenreihe des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V., Berlin (BDG) Heft Nr. 6/2017 – 39. Jahrgang
Seminar Umwelt vom 13. bis 15. Oktober 2017 in Schwerin INHALTSVERZEICHNIS Einleitung 7 Kleingartenanlage – Hotspot der Artenvielfalt – letztes Rückzugsgebiet für viele Tier- und Pflanzenarten Tommy Brumm (Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e. V.) 9 Pilze im Kleingarten und ihr Ausbreitungsgebiet René Jarling (Spezialist für Kleinpilze, Deutsche Gesellschaft für Mykologie) 14 Neobiota – Ist der Garten ein Drehkreuz der Bioinvasion? Tommy Brumm (Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e. V.) 19 Kleingärten bieten ganzjährig Nahrung für Wild- und Honigbienen Cornelis Hemmer (Gesamtkoordination und Management sowie Akquise für Deutschland summt!) 23 Nützlinge im Kleingarten ansiedeln Dr. Barbara Jäckel (Pflanzenschutzamt Berlin) 31 Interaktion der Vogelwelt mit der Kleingartenanlage Ulf Bähker (NABU Mecklenburg-Vorpommern) 40 Anhang Impressionen 50 Die Grüne Schriftenreihe seit 1997 52 bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 5
Liebe Gartenfreundinnen, liebe Gartenfreunde, Kleingärten ermöglichten Stadtmenschen schon vor 200 Jahren die Produktion von Lebensmit- teln, boten Zugang zur Natur, Erholung im Alltag und weckten schon früher die Begeisterung für den Naturschutz. Diese Leidenschaft gewinnt an Bedeutung – immer mehr Gartenfreunde sind sich ihrer ökologischen Verantwortung im Stadtgefü- ge bewusst und engagieren sich mit und in ihren Kleingärten auch für Stadtnatur. Welche Rolle Kleingärten im Gefüge urbaner Öko- systeme spielen und wie man sie als Lebensraum und Rückzugsort für wild lebende Pflanzen und Tieren attraktiv machen kann, erfuhren die Teilneh- mer des BDG-Umweltseminars in Schwerin. Referate: • K leingartenanlage – Hotspot der Artenvielfalt – letztes Rückzugsgebiet für viele Tier- und Pflan- zenarten • Pilze im Kleingarten und ihr Ausbreitungsgebiet • N eobiota – Ist der Garten ein Drehkreuz der Bioinvasion? • K leingärten bieten ganzjährig Nahrung für Wild- und Honigbienen • Nützlinge im Kleingarten ansiedeln • I nteraktion der Vogelwelt mit der Kleingarten- anlage bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 7
Ökosysteme – die Wechsewirkung zwischen KleingartenAnlage und Umland Kleingartenanlage – Hotspot der Artenvielfalt – letztes Rückzugsgebiet für viele Tier- und Pflanzenarten Tommy Brumm Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e.V. Unsere Kleingartenanla- hat. Unsere Gärten sind natürlich nicht arm an Nährstof- gen sind ein seit über 100 fen, hier übernimmt meist unbewusst der Mensch diese Jahren vom Menschen Regulation. Die Fauna passt sich dem Artenreichtum der gestalteter Lebensraum Flora an. und somit ein Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Die Bedeutung der In der Entstehungszeit Kleingartenanlage der meisten Gartenan- als Arche für viele lagen befanden sich diese am Rande der Städte, aber Tier- und Pflanzen- dennoch meist in der Nähe der Wohn- und Arbeitsstät- arten steigt ständig. ten der Menschen. Die Entwicklung der Städte ging aber Viele Gartenfreun- weiter, und so wurden viele Gartenanlagen von Wohnan- de sind sich dem lagen eingeschlossen. Dies blieb nicht ohne Folgen für Wert ihrer Tätigkeit die Flora und Fauna. Arten, welche auf große Territorien im Rahmen des angewiesen waren verschwanden, aber viele blieben. Der Artenschutzes gar Charakter einer Gartenanlage entspricht in etwa dem nicht bewusst. Ein einer Streuobstwiese und bietet somit einer Vielzahl von interessantes Beispiel hierfür ist die Ringelnatter, gerade Arten eine Lebensnische. Die hohe Artendichte ist auf diese Tierart wurde vom Menschen ihrer natürlichen Le- die Bewirtschaftung des Menschen zurückzuführen, gibt bensräume beraubt. Sie hat in unseren Kleingärten ein der Mensch einen Garten auf, so wird dieser in kürzester neues Rückzugsgebiet gefunden, besonders die Vorliebe Zeit von reproduktionsstarken Arten besiedelt. Diese der Kleingärtner für kleine Gartenteiche machte ihr das drängen die meisten Kulturpflanzen zurück und somit Überleben leichter. Gerne nutzen sie auch unseren Kom- verschwinden auch viele Tierarten. Diese Gesetzmäßig- post zur Eiablage und sie arrangieren sich schnell mit keit ist leicht erklärbar, in der Natur entsteht ein artenrei- den Menschen. Meist bemerken wir sie auch nicht, aber ches Biotop, wie z. B. der tropische Regenwald oder eine wenn, sollten wir sie respektieren. Aber die großen Tiere Wildblumenwiese wie Ringelnatter & Co sind die Zeiger für das Ökosys- durch nährstoff- tem, es gibt jede Menge kleine Akteure, diese möchten arme Böden. wir natürlich gerne vorstellen. Keine Art kann Bei den bedrohten Pflanzenarten sind nicht nur Wild- eine übermäßige pflanzen gemeint, auch alte Obst- und Gemüsearten Dichte erreichen, können hier ihren Bestand sichern. Die Lebensmittelin- da jede Pflanze ein dustrie hat ein gewisses Spektrum an Pflanzen erschlos- Speziallist ist und sen und diese werden in großem Stil produziert. Viele ein begrenztes dieser Pflanzen ziehen wir auch in unseren Gärten und Einzugsgebiet für der kluge Gärtner tut dies ohne Chemie und genetische ihre Ernährung Veränderung. bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 9
Aber in den letzten 4000 Jahren hat der Mensch viele Der Pflanzenbestand der Kleingartenanlage liefert Pflanzenarten als Nahrung genutzt und weitergezüchtet. auch einen nicht unbedeutenden Anteil an benötigtem Von diesem großen Spektrum nutzen wir jetzt verhältnis- Sauerstoff der Städte. Gerade dieser vielfältige Bestand mäßig wenig und große Saatgutkonzerne versuchen welt- an Pflanzen bringt den größten Beitrag für das Umland weit auch noch diesen Genpool zu kontrollieren. Viele der Gartenanlage, er bildet ein Refugium für viele Tiere dieser alten Obst- und Gemüsesorten sollten eine Heimat und Pilze. Sicher am greifbarsten ist die Vogelwelt, sie in unseren Gärten finden und würden somit die Bedeu- benötigt unsere Bäume, Hecken oder auch Gartenlauben tung des Kleingartenwesens steigern. als Rückzugsgebiet oder Nistmöglichkeit. Viele Arten Der Mensch hat mit seiner Lebensweise bereits eine könnten sich nicht ohne Gärten im städtischen Bereich weltweite Artenwanderung in Gang gesetzt und dieser so weit in die Welt der heutigen Menschen vorwagen. Prozess beschleunigt sich jährlich. Extrem anpassungsfä- Ein schönes Beispiel sind die Spatzen, der früher häufige hige Spezies erobern schnell Lebensräume und verdrän- Vogel kam mit dem Wandel der Städte und besonders gen die ansässigen Arten, dies ist nur eine der vielen der Veränderung der Fortbewegung der Menschen Ursachen des weltweiten Artensterbens. Eine weitere nicht zurecht. Vor und noch gravierendere Ursache des Artensterbens ist die während der Industria- Vernichtung von Lebensräumen, gerade bei uns in Eu- lisierung der Städte gab ropa ist der Anteil der „Unberührten Natur“ verschwin- es noch viel Grün in den dend gering. Der Kontinent wird bereits seit Jahrtausen- Städten und es wurde den von den Menschen umgestaltet und die Arten an der viel Grün zur Ernährung Spitze der Nahrungskette sind in großen Teilen Europas der Pferde in die Stadt verschwunden. Italien, Spanien, Griechenland und die gebracht. Außerdem bo- Türkei waren vor 2000 bis 3000 Jahren noch bewaldet, ten die Pferdeställe auch diese Wälder fielen dem Bau der Flotten der Griechen hervorragende Nistmöglichkeiten. All dies verschwand und Römer zum Opfer. Die Wälder Zentraleuropas wur- in kurzer Zeit nach der Erfindung des Automobils und den im Mittelalter bis zur Zeit der industriellen Revoluti- die Bestände der Spatzen brachen ein. Ein Rückzugsre- on abgeholzt, ohne jede Wiederaufforstung. fugium bieten in der heutigen Zeit auch unsere Gar- Eine weitere Ursache für das immer massiver werdende tenanlagen, aber wir haben noch mehr sprichwörtliche Artensterben ist unsere Lebensweise. Die natürlichen Zaungäste. Einer davon ist der Zaunkönig, er ist ebenso Ressourcen unseres Planeten werden immer intensiver auf grüne Bereiche in der Stadt angewiesen und die Viel- genutzt und für eine natürliche Regeneration ist kaum falt der Gartenanlage weiß er zu schätzen. Eine weitere, noch Zeit. Die weltweite Bevölkerungsexplosion bindet allen bekannte Spezies, die vom städtischen Grün pro- immer mehr natürliche Ressourcen unseres Planeten fitiert, ist die Honigbiene und ihre wilden Verwandten. und für deren Ernährung werden besonders in der Land- Die Imker haben schon lange erkannt, dass die Stadt in wirtschaft die Methoden immer intensiver. Kombination mit Grünflächen den Bienen das gesamte Im Kleingarten haben wir es in der Hand, schon der Jahr Nahrung bietet. Kleingartenanlagen, die auch wie Verzicht auf chemische Mittel wie Herbizide und Insek- eine Kleingartenanlage betrieben werden, bieten ein tizide steigert die Vielzahl der Arten. Die Schnittstelle blühendes Umfeld über die gesamte Vegetationsperio- Mensch – Natur liegt im Garten. Das Potential ist für de. Von dieser immer blühenden Welt profitieren aber junge Familien sehr groß, gerade die Eltern, welche ihre nicht nur die Bienen, auch viele Schmetterlinge sind Kinder noch im Verbund mit der Natur aufwachsen auf diese grünen Zonen angewiesen und können nur so sehen wollen, sind hier richtig. ihr Fortleben sichern. Aber wir Menschen sind in dieser Je näher die Kleingartenanlage am Zentrum einer Stadt Geschichte nicht nur die, die den Garten betreiben, wir liegt, desto größer ist deren Bedeutung für ihr Umfeld. sind die Nutznießer dieser Entwicklung, da auch wir auf Die kontinuierliche Erwärmung des Erdklimas wird die eine Vielfalt der Arten angewiesen sind. Auch wenn der Wichtigkeit städtischen Grüns noch steigern. Liest man Mensch aktuell zu wenig für die Vielfalt der Arten tut. In Konzepte für eine zukünftige Raumordnung der Städte, den städtischen Konzepten der Zukunft werden grüne so gehört Grün zu den wichtigsten Elementen, um die Areale eine große Bedeutung besitzen und dieser Joker Überhitzung zu regulieren. In diesen Konzepten spielt sollte nicht für Baugrundstücke verspielt werden! Eine auch die Biodiversität eine große Rolle, aber die meisten Vielzahl von Vögeln haben unsere Kleingartenanlagen der Planer erkennen in diesem Zusammenhang nicht für sich entdeckt. Der Garten dient als Jagdrevier und als die bereits vorhandenen Kleingartenanlagen. Grünflä- Kinderstube zugleich und so ganz nebenbei unterstüt- chen ermöglichen eine Abkühlung des Umlandes und zen sie uns bei der Schädlingsbekämpfung. Viele unsere gerade eine Gartenanlage mit einem flachen Bewuchs Kleingärtner unterstützen die Gartenvögel über das Jahr, im Verhältnis zu den umliegenden Gebäuden ist hierzu sei es mit Nistkästen oder einer Zufütterung im Winter. besonders gut geeignet. Leider tun wir aber auch Dinge, welche all dies wieder zu 10 bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
Nichte machen! Glücklicherweise hat der Insektizitein- teme“ nachhaltig belasten. Ein wohl vielen bekanntes satz im Kleingarten in den letzten Jahren abgenommen Beispiel ist die Elster. In einem intakten Ökosystem mit und unsere kleinen Helfer können wieder ungefährdeter genügend Gegenspielern ist die Elster als intelligenter auf Jagd gehen, aber ein anderes Phänomen nimmt Jäger ein wichtiges Glied in der Nahrungskette. Aber in stetig zu. Verwilderte Katzen werden immer mehr zu ei- unserer Kulturlandschaft wird sie zum Problem für viele nem Problem in den Gartenanlagen, sie bedrohen nicht Vogelarten. Die Elstern machen regelmäßig Razzia in nur die Vogelbestände, sondern auch die Reptilien. Der der Brutzeit der meisten Gartenvögel und erbeuten dabei Bestand verdichtet sich zunehmend und dieser Umstand viele Jungvögel. wird von Tierfreunden mit falsch verstandener Tierliebe Für die Zugvögel, wie z.B. die Mönchsgrasmücke, noch gefördert. Viele Kleingärtner mit einem Fütter- stehen aber noch viel größere Gefahren bei ihrem Flug zwang sind vom Frühjahr bis Herbst im Garten, aber im in den Süden an, sie stehen in südlichen Ländern auf Winter sind die Katzen sich selbst überlassen. Natürlich so mancher Speisekarte. Auch wenn dies offiziell in den suchen diese Katzen jetzt nach Alternativen und eine da- Ländern der europäischen Union untersagt ist, schert von sind die Vögel, welche im Winter in unserer Heimat sich dort niemand um dieses Verbot. Die Jagd mit Leim- bleiben. Dieses Anfüt- ruten und Lockvögeln zieht oft ein großes Leiden für die tern gibt den Katzen ein bejagten Vögel nach sich. Viele Vögel werden auch ein- völlig falsches Signal, fach aus Spaß getötet oder wegen der Trophäe. Ob diese es sind „Gute Zeiten“ Tiere unter Naturschutz stehen oder nicht interessiert und dies beantworten dort niemanden. Eine Organisation, welche bereits seit diese mit deutlich mehr vielen Jahren gegen diesen Missstand ankämpft, ist das Nachwuchs. Besonders „Komitee gegen den Vogelmord e. V.. Diese Organisation fatal wird die Katzen- hat uns das Foto mit den zubereiteten Mönchsgrasmü- plage in der Zeit, wo cken zur Verfügung gestellt. der Nachwuchs der Vögel aufgezogen wird. Viele Vögel haben eine Ästlingszeit, in dieser Phase werden die nur teilweise flugfähigen Jungvögel außerhalb des Nestes Das Foto wurde in einem Restaurant bei Larnaca/Zypern gefüttert. Diese Strategie macht für die Vögel auch Sinn, aufgenommen. Wer mehr über die Arbeit dieser Orga- so müssen die Elterntiere nicht die wertvolle Zeit, in nisation wissen möchte, kann sich auf der Homepage der die Aufzucht der Jungtiere möglich ist, mit dem www.komitee.de informieren. Bau sehr großer Nester verbringen und können somit zwei Bruten durchbringen. Im Rahmen eines normalen Raubtierbestandes ist der Tribut an die Nahrungskette Der Kleingarten – Eine Arche für für die Bestände erträglich, jedoch verschieben die Haus- Schmetterlinge katzen die Verluste zu Ungunsten der Vögel. Viele Vogelarten, welche ursprünglich Übergangsberei- Schmetterlinge werden wohl gleich wie die Honigbiene che zwischen Wald und Wiese oder Lichtungen bewohnt mit der Bestäubung von Blüten in Verbindung gebracht. hatten, finden in einer Kleingartenanlage ideale Le- Sie erreichen nicht die bensbedingungen. Eine Leistung bei der Bestäu- dieser Vogelarten, welche bung der Blüten wie die diesen Lebensraum für an Individuen stärkeren sich entdeckt haben, ist Bienenvölker, aber ihre der Buchfink. Alle für ihn zahlreichen Spezialisie- wichtige Bedingungen rungen machen sie in den erfüllt die Kleingartenan- Ökosystemen unentbehr- lage, als Rückzugsgebiet lich. sind ausreichend Hecken Wir möchten diese schönen Tiere sicherlich nicht in un- und Bäume vorhanden. Der Lebensraum bietet das serem Garten missen, auch wenn einige als Raupe nicht gesamte Futterspektrum, von Beeren und Samen bis zu immer durchweg nützlich sind. Der wohl als Schädling Insekten und Spinnen. Auch die kleine Blaumeise ist ein am bekanntesten gewordene Schmetterling ist der Kohl- vertrauter Gartenvogel, gerade ihre Unterstützung im weißling. Es kann jedoch angenommen werden, dass der Frühjahr bei der Bekämpfung der Blattlausinvasion ist Kohl nicht seine ursprüngliche Futterpflanze war, seine nicht zu unterschätzen. Raupen verschmähen auch nicht die Kapuzinerkresse Leider ist in den Kreisläufen der Natur vieles aus dem und viele andere Kreuzblütler. Der schön in Reih und Gleichgewicht geraten, oft haben verkannte Schutzmaß- Glied gepflanzte Kohl im Garten erleichtert halt die Eiab- nahmen Arten gefördert, welche die instabilen „Ökosys- lage. Jedoch ist er auf Grund seiner stark zurück gegan- bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 11
genen Populationsdichte keine ernsthafte Bedrohung für Eine Zuflucht im Garten für bedrohte Käfer unsere Kohlpflanzen. Eine nützliche und wehrhafte Pflanze kann in unseren Er gehört zu den großen Käfern unserer Heimat und Garten viele Schmetterlingsarten fördern, es ist die sein Lebensraum verschwand in den letzten 100 Jahren Brennnessel. Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Admiral in großen Dimensionen. und das Landkärtchen benötigen diese Pflanze als Fut- Der Nashornkäfer erobert terpflanze. Jeder dieser Falter ist auf seine Weise ein- jetzt unsere Gärten und zigartig, so z. B. das Tagpfauenauge. Dieser Falter setzt sollte bei jedem Gärtner als Schutz für seine Raupen auf Masse, seine Raupen im Kompost willkommen schützen sich mit einem gemeinsamen Gespinst. Sie sein. Wir Gärtner müs- fressen ca. drei bis vier Wochen an der Futterpflanze und sen ihn nicht fürchten, verfallen anschließend in eine zweiwöchige Puppenru- seine Larve ernährt sich he. Dieser Schmetterling kommt auf zwei Generationen ausschließlich von totem pro Jahr und nutzt gerne Gartenlauben als Überwinte- Pflanzenmaterial. Die Er- rungsquartier. Ein weiterer Brennnesselliebhaber ist der nährung des ausgewachsenen Käfers ist wissenschaftlich Kleine Fuchs, seine Strategie für die Raupengeneration noch nicht vollständig geklärt, aber es wird vermutet, ist ähnlich wie die des Tagpfauenauges, nur legt er seine dass er sich von austretenden Pflanzensäften ernährt. Eier ausschließlich an junge Triebe der Brennnessel. Er bevölkert Laubwälder seit rund 5 Millionen Jahren Der Admiral setzt zum Schutz seiner Raupen nicht auf im jetzigen Europa und sicherlich schon viel länger auf den Schutz der Gruppe, seine Raupen leben einzeln. Die der ganzen Erde. Sein Lebensraum ist das Totholz der Raupen des Admirals sind schwer zu entdecken, sie na- Laubwälder und hier leben die Engerlinge in einem rich- gen die Stängel unterhalb der Spitze der Brennnessel an tigen Holzmulm. Genau diese Lebensweise schaffte eine und bringen diese zum Abwelken. Anschließend spinnt Brücke in unsere Gärten. Seine Larven bevorzugen einen sich die Raupe mit den Blättern ein. Die Zahl der Brenn- Kompost, der mit stark verholzten Pflanzenmaterial ver- nesselliebhaber ließe sich noch beliebig verlängern, aber setzt ist und ihre starken Kiefer haben kein Problem mit noch ein bemerkenswerter Vertreter ist das Landkärt- dem harten Material. Ihre Entwicklung dauert von der chen. Lange Zeit nahmen Wissenschaftler an, es würde Eiablage bis zum fertigen Käfer zwischen 2 – 5 Jahren, sich um zwei Arten handeln, dieser Falter bringt eine abhängig von der Temperatur. Aber diese lange Ent- Frühjahrsgeneration und eine Sommergeneration her- wicklungszeit im Kompost birgt auch Gefahren, schon vor, welche eine unterschiedliche Farbgebung besitzen. ein Umsetzen des Kompostes kann für den Engerling Schmetterlinge ernähren sich als erwachsene Tiere lebensgefährlich sein. Finden wir die Engerlinge unbe- überwiegend von Nektar, bis auf wenige, die eine andere schadet, so sollten wir diese behutsam in einem Teil des Nahrungsquelle erschlossen haben, wie z.B. der Toten- Kompostes vergraben der noch längere Zeit ruhen wird. kopfschwärmer, der Bienenwaben plündert, oder die Schließlich sollten wir einen solchen Spezialisten im Schillerfalter, die sich von Tierexkrementen ernähren. Kompost bei seiner Tätigkeit unterstützen. Die Larven Aber im Laufe ihrer Entwicklung als Insekt verlangen die sind in der Lage, Zellulosefasern zu verdauen und hier Schmetterlinge den Pflanzen auch einiges ab, was diese kommen tatsächlich Parallelen mit einer Kuh auf. Als nicht so bereitwillig an die Nahrungskette weitergeben, sich die Wissenschaft mit der Verdauung der Nashorn- ihre Blätter. Das Leben als Raupe ist nicht ganz unge- käferengerlinge beschäftigte, stellte man fest, dass der fährlich und ein großer Teil der Raupen wird von Vögeln, Engerling über keine Enzyme verfügt, welche in der Wespen und vielen anderen Fressfeinden erbeutet. Aus Lage gewesen wären die Zellulosefasern abzubauen. diesem Grunde haben viele Raupen Abwehrstrategien Der Engerling verfügt, ähnlich dem Pansen einer Kuh, entwickelt, sich die Fressfeinde vom Hals zu halten. So über eine Gärkammer im Enddarm. Auch bei ihm ent- ist die Ahorneule z.B. dicht behaart und rollt sich bei steht als Abbauprodukt Methan! Seine Hauptnahrung ist Gefahr zur Wollkugel zusammen. Der Mittlere Wein- jedoch nicht das verholzte Material, sondern die Proteine schwärmer imitiert große Augen und versucht somit der Mikroorganismen, welche das verholzte Material bedrohlich auszusehen, besonders für Vögel, welche ihn vergären. für einen appetitlichen Happen halten. Über das markante Dies war nur ein kleiner Streifzug durch die faszinieren- Horn verfügen nur die de Welt der Schmetterlinge, wir werden im Rahmen die- Männchen, die Weibchen ser Reihe noch viele Arten beschreiben. Die vorbenann- besitzen an dieser Stelle ten sind die wohl noch häufigsten Vertreter in unserem ein kleineres Horn oder Garten, aber es gibt noch viele kaum Wahrgenommene. einen kleinen Höcker. Die Lebenserwartung des ausgewachsenen Käfers 12 bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
ist nicht besonders hoch, sie liegt bei 4 bis 6 Wochen. te genommen. So war das Verschwinden der Feldhaine Die Weibchen legen im Hochsommer einzeln 5 mm eine Katastrophe für die Vogelwelt, aber gleichermaßen große Eier in Totholz oder einem Kompost ab, danach auch für die Insekten. Die Landwirtschaft hat sich in haben sie ihre Aufgabe erfüllt. den letzten Jahren grundlegend verändert, so sind zum Die Nashornkäfer wurden als „besonders geschützte“ Teil Fruchtfolgen nicht mehr so notwendig wie vor 20 Tierart nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz einge- Jahren. Fehlende Nährstoffe werden durch speziell auf stuft. Dies zeigt wieder einmal, welche Bedeutung das die gewünschte Sorte angepassten Dünger ersetzt und Kleingartenwesen für den Erhalt bedrohter Tier- und machen eine mehrmalige Nutzung durch die gleiche Pflanzenarten haben kann. Nach Gesprächen mit den Sorte möglich. Konkurrenzpflanzen werden durch den Fachberatern unseres Verbandes ist die Verbreitung von Herbiziteinsatz beseitigt, gleichermaßen erhält das Dresden über Leipzig bis Zwickau in unseren Klein- Samenkorn bereits einen vorbeugenden Schutz gegen gartenanlagen bestätigt, zum Teil sogar mit großen Insektenfraß und Pilze. Alle diese Stoffe reichern sich Populationen! Noch nicht gefunden wurden die Käfer im im Boden an und können bislang noch nicht absehbare Vogtland und Erzgebirge. Spätfolgen verursachen. Aktuell wird vermutet, dass Der Nashornkäfer gehört zur Familie der Blatthornkäfer diese Stoffe die Orientierung der Bienen beeinträchtigen, (Scarabaeidae), zu dieser Familie gehören auch der Gold- aber statt die finanziellen Mittel dafür einzusetzen, die glänzende Rosenkäfer, der Maikäfer, der Waldmistkäfer Forschung dahin zu intensivieren, dies auszuschließen, und viele große Käferarten mehr. werden die Anwälte losgeschickt, um jeden mundtot zu machen, der diesen Verdacht öffentlich macht. Was hat dies alles mit unseren Kleingärten zu tun? In Die Vielfalt der Arten war noch nie so bedroht einer Zeit, wo täglich zwischen 50 und 150 Tier- und wie jetzt!!! Pflanzenarten unwiederbringlich von der Weltbühne verschwinden, hat sich der Kleingarten zu einer Ar- Der Hilfeschrei der che entwickelt. Eine Rückbesinnung zum naturnahen grünen Verbände wird Gärtnern ist ein Schritt in die richtige Richtung und nur sehr zögerlich war gibt vielen Arten eine Möglichkeit, um ihr Bestehen zu genommen oder auch sichern. Uns fallen meist die großen Arten auf wie z.B. bewusst ignoriert. Dabei die Ringelnattern, die den Kleingarten für sich entdeckt ist es bereits fünf nach haben. Viele kleine Akteure fallen hier deutlich weni- Zwölf für die Vielfalt der ger auf, wie z.B. Wildbienen, wer kennt schon alle 500 Arten und jeder der mit heimischen Arten. Verschwindet eine Art, so wird dies offenen Augen durch kaum bemerkt! Aber gerade diese Spezialisten benötigen die Welt geht, kann die eine feine Balance zwischen ihren Futterpflanzen und Symptome erkennen. ihrem gewünschten Brutplatz. Oftmals ist die Populati- Ein uns konkret betref- onsdichte nicht sehr hoch und kleinste Veränderungen, fender Verlust ist unsere besonders im Brutgebiet, können das Verschwinden der Gartenvogelpopulation, gesamten Art zur Folge haben. Natürlich sind Arten wie welche mit dem Insek- z.B. der Aurorafalter, dessen Raupe Knoblauchrauke und tensterben einhergeht. das Wiesen- Schaumkraut als Futterpflanze bevorzugt, Hier bricht gerade eine ganze Nahrungskette zusammen im Vorteil. Da die Knoblauchrauke eine sehr reprodukti- und dies mit noch nicht absehbaren Folgen. Wer vor onsstarke Pflanze ist und sich nicht so schnell aus einem 10 Jahren eine Überlandfahrt an einem warmen Som- Areal wieder vertreiben lässt, ist die Nahrung gesichert. mertag unternommen hatte, musste im Anschluss die Die Zukunft des Kleingartenwesens liegt im naturnahen Frontscheibe gründlich reinigen, so viele Fluginsekten Gärtnern und einem sorgsamen Umgang mit Pflanzen- fanden den Tod auf der Frontscheibe des Autos. Jetzt ist schutzmitteln. Wir sind nur ein Mosaiksteinchen im dies völlig anders, es sind bedeutend weniger Insekten großen Netzwerk der Erhaltung der Artenvielfalt, aber unterwegs. Die Gründe sind vielschichtig, aber egal wel- wir sind ein wichtiger Partner, da wir flächendeckend chen wir ansetzen, am Ende ist es immer der Mensch. organisiert sind. Insekten wurden immer als ein unverwüstlicher Pool angesehen und ihre Robustheit mit der der Schaben gleichgesetzt. Aber dem ist beim überwiegenden Teil der Arten überhaupt nicht so. Die intensive Landwirtschaft hat ihnen immer mehr Rückzugsgebiete und Brutgebie- bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 13
Ökosysteme – die Wechsewirkung zwischen KleingartenAnlage und Umland Pilze im Kleingarten und ihr Ausbreitungsgebiet René Jarling Spezialist für Kleinpilze, Deutsche Gesellschaft für Mykologie Was sind Pilze? Keine Pilze: Beispiel Schleimpilze Wie leben Pilze? Pilze und Kleingärten ■ Fuligo-Arten – Lohblüten ■ Amöben-Formen bewegen sich über Oberflächen (z.B. Holzraspeln) Was sind Pilze? ■ Fressen Mikroorganismen ■ Umwandlung zu auffällig gefärbter sporulierender ■ Ca. 120000 Arten beschrieben Form ■ 2,2 – 3,8 Millionen Arten vermutet ■ Häufig in Gärten anzutreffen ■ Früher uneinheitlich definiert ■ Werden in Mexiko als „Drachenkotze“ gegessen ■ Heute: Phylogenetische Definition Rekonstruktion von Entwicklungs-Stammbäumen aus Fragmenten der Genome heute existierender Keine Pilze: Beispiel Eipilze Lebewesen ■ Phytophthora infestans – Braunfäule ■ Häufiger Befall von Tomaten und Kartoffeln Äußere Systematik ■ Teilweise 100%iger Ernteausfall Diaphoretickes Ophistokonta ■ Benötigt Regennässe zur Entwicklung (z.B. Pflanzen & Eipilze) Amoebozoa Tiere ■ Auslöser des Kohlrübenwinters 1916/17 Excavata (z.B. Schleimpilze) ■ Weitere Eipilze (Oomyceten): Falsche Mehltaue, Weißroste Archaeen Bakterien Innere Systematik Microsporidia (einzellige Krankheitserreger, z.B. Nosemose bei Bienen) div. Gruppen von Kleinstpilzen (z.B. Entomophthoromycotina) Glomeromycota (u.a. Endosymbionten von Pflanzen) Mucoromycotina (Jochpilze) Basidiomycota (Ständerpilze) Ascomycota (Schlauchpilze) Vereinfacht nach Ebersberger et al. 2012 14 bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
Entomophthoromycotina: Beispiel ■ Entomophthora muscae – Gemeiner Fliegentöter Leben unter Ausnutzung ■ Befällt lebende Fliegen eines Wirtes (biotroph) Töten und zersetzen Wirt (nekrotroph) ■ Beeinflusst das Verhalten des Opfers Parasiten ■ Befallene Fliege sucht hochgelegene offen Stellen, „Jäger“ klammert sich fest und stirbt ■ Pilz durchwuchert Fliege und lässt Hinterleib an- schwellen ■ Andere Fliegen versuchen sich mit befallener Fliege zu Symbionten Saprophyten paaren und stecken sich dabei an Partnerschaft mit Zersetzten abgestorbenes gegenseitigem Nutzen Material Mucoromycotina: Beispiel ■ Pilobolus sp. – Pillenwerfer „Jäger“: Beispiele ■ Kleinpilz – mehrere Millimeter groß ■ Zersetzt Dung Cylindrocladium buxicola – Buchsbaum-Triebsterben ■ Bildet ein Sporenpaket, welches bis zu 2,8 m weit ■ Spezifisch an Buchsbaum geschossen werden kann ■ Unterschiedliche Sorten unterschiedlich empfänglich, jedoch keine absolute Resistenz* ■ Lässt Blätter und Triebe absterben, Pflanzen verkahlen, Basidiomycota (Ständerpilze) schwarze Streifen an Trieben, weiße Schimmelrasen an Bilden Sporen auf einem Ständer aus Blattunterseiten* ■ Seit 2004 in Deutschland in Ausbreitung ■ Vergleichbar mit dem Eschensterben (Hymenoscyphus Pucciniomycetes (Rostpilze) fraxicola) Ustilaginomycotina (Brandpilze) Botrytis cinerea – Grauschimmel Tremellomycetes (Zitterlingsverwandte) ■ Schlauchpilz (Leotiomycetes) ■ Befällt breites Spektrum an Wirtspflanzen Agaricomycetes (Großpilze) ■ Z.B. Erdbeeren, Brombeeren, krautige Pflanzen ■ Bei Weinanbau teilweise gewünscht ■ Allgegenwärtig Ascomycota (Schlauchpilze) Bilden Sporen in einem Schlauch aus; besitzen häufig eine asexuelle Form (gemeinhin „Schimmel“ genannt) Jäger-Parasiten: Beispiele ■ Monilinia spp. – Triebsterben, Ringelfäulen, Monilia Taphrinomycotina (Spalthefen, Wucherlinge) ■ Schlauchpilze (Leotiomycetes) Saccharomycotina (Echte Hefen) ■ spezifisch an Stein- und Kernobst (v. a. Pflaume, Apfel) ■ Befallene Fruchte mit charakteristischem „Schimmel“ Pezizomycetes (Becherlingsverwandte) ■ Überwintern in Ästen und Fruchtmumien ■ Triebe über Blüten infiziert, sterben ab Eurotiomycetes & Dothideomycetes Parasiten: Beispiele Leotiomycetes (u.a. Mehltaue, Runzelschorfe) Sordariomycetes (u.a. Holzkeulen) Taphrina sp. – Wucherlinge ■ Schlauchpilze (Taphrinomycotina) ■ hochspezifisch an Wirte angepasst, verursachen Defor- Wie leben Pilze? mationen, u.a. Pilze sind abbauende Organismen – Heterotrophe Narrentaschen an Pflaumen und Schlehen (T. pruni) Kräuselkrankheit des Pfirsichs (T. deformans) ■ Überwintern in Ästen & Zweigen des Wirtes ■ Bilden Schläuche auf deformierten Pflanzenteile bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 15
Parasiten: Beispiele Parasiten: Beispiel Brandpilze ■ Pucciniomycetes – Rostpilze Ustilago maydis – Mais-Beulenbrand ■ Ständerpilze ■ Brandpilz (Ustilaginomycotina) an Mais (Zea mays) ■ Hochspezifisch angepasst ■ Verursacht auffällige Wucherungen, die mit schwar- ■ I. d. R. vier Stadien unterscheidbar (0, I, II, III) zer Sporenmasse gefüllt sind ■ Können einen spezifischen, teils obligaten Wirts- ■ Sporen überwintern im Boden und bilden im nächs- wechsel vollziehen ten Jahr Basidiosporen aus, die erneut infizieren ■ Gilt in Mexiko als Delikatesse ■ Viele Brandpilze infizieren Einkeimblättrige (z. B. Gräser, Liliengewächse), sind aber hochgradig I - Aecien II - Uredien wirtspezifisch 0 - Pycnidien III - Telien Mehltaue ■ Schlauchpilze (Leotiomycetes) (Gelbrost) (Braunrost) ■ oft wirtspezifisch ■ Zwei Stadien: 1. Bildung von Konidien in Ketten auf der Wirts- Parasiten: Rostpilze oberfläche 2. Bildung von Sporen in Schläuchen in winzigen Gymnosporangium sabinae – Birnen-Gitterrost Fruchtkörpern ■ Befällt Stink-Wacholder (Juniperus sabinae) mit II ■ Letztere Überwintern im Boden und III ■ Mehltaue besonders in trockenen Jahren ■ Bildet im Frühjahr gelatineartige Fruchtkörper ■ Überwintert in diesem Wirt ■ Wechselt im Sommer zur Birne (Pyrus sp.), dort 0 Parasiten: Bestimmung und I gebildet ■ Diese können wiederum Wacholder-Pflanzen Art-Bestimmung oft schwierig, nur mikroskopisch oder infizieren mit Hilfe von Gensequenzierung, aber Einteilung in ■ Kann mitunter auch andere Wirte besiedeln Gruppen oft möglich (z. B. Äpfel, Quitten) ■ Auf Gemeinem Wacholder (J. communis) häufig Derzeit aktuellstes Bestimmungswerk: Klenke, Scholler, Weißdorn-Gitterrost Pflanzenparasitische Kleinpilze. Im Internet: Parasiten: Rostpilze ohne Wirtswechsel ■ J. Krause: www.jule.pflanzenbestimmung.de ■ H. J. Buhr: www.hansbuhr.de Phragmidium spp. – Rosenroste ■ Mehrere Arten befallen unterschiedliche Rosen-Arten Verbreitungsdatenbanken: 0, I, II (leuchtend orange) und III (schwarzbraun) ■ www.pilze-deutschland.de gebildet ■ www.smnk.de/sammlungen/botanik/pilze/datenbank- info/ Cumminsiella mirabilissima – Mahonienrost ■ Befällt Mahonien (Mahonia sp.), dort nur II und III gebildet Parasiten: Gründe für Befall ■ auf Mahonien kommt auch der Berberitzenrost vor ■ Anfällige Sorten Puccinia malvacearum – Malvenrost ■ Zu dichte Pflanzung ■ Befällt Stockrose und Malven (Malvaceae) ■ Zu viel Stress für die Pflanze ■ dort nur III ausgebildet (Trockenheit, Dunkelheit) ■ Überdüngung ■ Starker Infektionsdruck ■ Falscher Standort ■ Regional bedingt 16 bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
Parasiten: Bekämpfung Saprophyten – Holzpilze ■ Auswahl resistenter Pflanzen-Sorten Leben von der Zersetzung von Holz ■ Auswahl der Pflanzen anhand der Bedingungen im Einige Beispiele: Kleingarten (z.B. nach Standort) ■ Hallimasch (Armillaria spp.), auch parasitisch an ■ Genügend Abstand zu anderen Pflanzen halten, Obstbäume, roh giftig Gehölze auslichten, lokale Luftfeuchte senken ■ Schwefelköpfe (Hypholoma spp.), teils giftig, ■ Infektionsdruck senken: Schwächeparasit ■ Entfernung von befallenen Pflanzenteilen ■ Schillerporlinge (Inonotus spp.) an Laubbäumen ■ Diese nicht kompostieren (teils parasitisch) ■ Mögliche Wechselwirte entfernen ■ Zunderschwamm (Fomes fomentarius) ■ Glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum), Machen sie dem Pilz das Leben schwer! Vitalpilz ■ Schmetterlingstramete (Trametes versicolor) ■ ekämpfung mit chemischen Mitteln meist nur kurz- B ■ Korallenroter Pustelpilz (Nectria cinnabarina), fristig erfolgreich bzw. ganz erfolglos Ubiquitist ■ In Kleingärten nur Mittel anwenden, die explizit für die Anwendung in Kleingärten zugelassen sind ■ Auf das Nötigste reduzieren Symbionten ■ Biologische Strategien erwägen (z. B. Nützlinge) ■ Besser: Andere Obst- und Gemüsesorten auswählen, Wichtigste Interaktionen zwischen Pilzen und Pflanzen auf regionale Besonderheiten achten ■ Endomykorrhiza (Arbuskuläre M.) ■ Ektomykorrhiza ■ Flechten Saprophyten – Zersetzer Daneben sind auch Symbiosen zw. Tieren und Pilzen bekannt ■ Zersetzen abgestorbenes organisches Material ■ Holz, Pflanzenreste, Dung, Dünger, ... ■ Teilweise spezialisiert auf einzelnes Substrat Endomykorrhiza (Arbuskuläre M.) ■ Wichtigste Funktion der Pilze im globalen Stoffkreislauf ■ ymbiose, wobei der Pilz zum Teil INNERHALB der S ■ Im Kleingarten von Bedeutung: Pflanze lebt ■ Rasenpilze ■ Bei ca. 80% aller Landpflanzen vorhanden ■ Holzabbauer ■ Glomeromycota ■ Ermöglichten den „Landgang“ der Pflanzen im Ordovizium Saprophyten – Rasenpilze ■ weitere Formen von Endomykorrhiza bekannt, z. B. ■ Orchideen-Mykorrhiza Leben von Nährstoffen im Boden, häufig in Rollrasen ■ Ericoide Mykorrhiza Einige Beispiele: ■ Düngerlinge, wie Heuschnittpilz (Panaeolus foeniseci) oder Blauender Düngerling (Panaeolus cyanescens), Ektomykorrhiza teils giftig ■ Milchweißes Samthäubchen (Conocybe albipes) Symbiose, wobei der Pilz AUSSERHALB der Pflanze lebt ■ Krönchenträuschling (Stropharia coronila) ■ Hauptsächlich bei Bäumen, gemäßigte Klimazonen ■ Trichterlinge (Clitocybe spp.) & Schirmlinge (Lepiota Basidiomyceten (und einige Ascomyceten) spp.), stark giftig ■ Pilz umhüllt Wurzelspitzen, dringt in Zellen ein, ■ Saftlinge (Hygrocybe spp.), vom Aussterben bedroht Stoffaustausch ■ Schirmpilze (Macrolepiota spp.) & Tintlinge (Coprinus ■ Pilz versorgt Pflanze mit Nährstoffen (Phosphat), s.l.) Wasser ■ Pflanze gibt Zucker an Pilz, Schutzfunktion ■ Ermöglicht Besiedlung von lebensfeindlichen Stand- orten ■ Baum kann auch auf Symbiose verzichten, Pilz nicht Wood-wide-web (Mycelnetzwerk ermöglicht Kommu- nikation) bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 17
Beispiele: Weiterführende Literatur & Quellen ■ Laubhölzer (z.B. Eichen, Buche, Birken, Hainbuche, Linden, Haselnuss) Klenke/Scholler: Pflanzenparasitische Kleinpilze. ■ Fast alle Nadelbäume (z.B. Kiefern, Fichten, Lärchen, Tannen) Schwantes: Biologie der Pilze. ■ Viele bekannte Speisepilze (Steinpilz, Pfifferling, Marone, Trüffel) Ebersberger et al. 2012, A Consistent Phylogene- ■ Stark giftige Pilze (Grüner Knollenblätterpilz, tic Backbone for the Fungi. Mol. Biol. Evol. 29(5), Pantherpilz, Schleierlinge 1319–1334. Hawksworth und Lücking 2017, Fungal diversity revi- Flechten sited: 2.2 to 3.8 million species. Microbiol. Spectrum ■ Symbiose, zwischen Pilzen und Algen bzw. 5(4), FUNK-0052-2016 Cyanobakterien ■ Autotropher Organismus produziert Zucker via Photosynthese ■ Pilz übt Schutzfunktion aus ■ Besiedlung von Lebensräumen, an denen sonst kein höheres Leben möglich wäre (Felsoberflächen, Wüsten, Tundra) ■ Pionierfunktion ■ Keine pflanzenschädlichen Flechten bekannt Pilze und Kleingärten Pflanzliche Artenvielfalt Vielfalt an Pilzen Hohe Diversität an Biotopen innerhalb kleiner Flächen, z. B. ■ Gemüsegarten ■ Rasenfläche ■ Steine & andere harte Oberflächen ■ Bäume ■ Komposthaufen (Klein-)Gärten schaffen Lebensräume für Pilze, die in der freien Natur selten zu finden sind Illegale Komposte im nahegelegenen Wald Schaffung weiterer Lebensräume, aber... ■ Überdüngung der Forste ■ Verdrängung von gefährdeten Arten ■ Ausbreitung von Neobiota bzw. invasiven Arten Massenauftreten von Drogenpilzen (Magic Mushrooms) Beispiel: Blauender Kahlkopf (Psilocybe cyanescens) Gärten pilzlich gestalten – warum nicht? ■ Pilze züchten für die Selbstversorgung ■ Raum für Pilze lassen, nicht jedes tote Blatt entfernen ■ Pflanzenauswahl (z.B. Wirte für seltene Parasiten) ■ Nährstoffreiche neben nährstoffarmen Standorten ■ Holz verrotten lassen, anstatt es zu verbrennen ■ Im Idealfall: Ansiedlung von Mykorrhiza-Pilzen 18 bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
Ökosysteme – die Wechsewirkung zwischen KleingartenAnlage und Umland Neobiota – Ist der Garten ein Drehkreuz der Bioinvasion? Tommy Brumm Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e.V. „Neobiota“ ist kein Krankheiten im Gepäck. Würden wir aus unseren Gärten Begriff des täglichen alle Pflanzen verbannen, welche nach dem 12. Oktober Sprachgebrauchs! 1492 eingeführt wurden, so wären diese erstaunlich leer! Der Überbegriff „Ne- Der größte Teil der Nutzpflanzen wurde bewusst durch obiota“ umfasst alle den Menschen eingeführt, oftmals noch gar nicht den Arten der Pflanzen wahren Nutzen der Pflanze erkennend, wie z.B. bei der (Neophyten), der Kartoffel. Gerade nach der Entdeckung Amerikas wur- Tiere (Neozoene) den große Mengen an Pflanzen eingeführt, aber nicht und der Pilze (Neo- alle konnten sich im Klima Europas behaupten. Gefährli- myzen), welche nach cher wird die Einfuhr von Pflanzen aus raueren Klimazo- dem 12. Oktober 1492 nen, wie z. B. der Riesen-Bärenklau aus dem Kaukasus. in ein neues Gebiet Diese Pflanze stammt aus Gebirgsregionen mit einer eingewandert sind. recht kurzen Vegetationszeit, in dieser Zeit kann sie es Alle Organismen, die sich nicht leisten, gefressen zu werden oder von Konkur- vor diesem Stichtag renten verdrängt zu werden. Die Pflanze hat geeignete eingewandert sind, Mechanismen entwickelt, um genau dies zu verhindern, bezeichnet man als zum einen giftigen Pflanzensaft und zum anderen einen Archiophyten. Was extrem schnellen Wuchs, ihre enorme Reproduktions- hat das alles mit un- freudigkeit tut ihr übriges. So ausgestattet kamen die serem Garten zu tun? Mehr als wir glauben! Pflanzen im milderen Klima Europas an und die heimi- Um all dies zu verstehen, muss man sich mit den sche Vegetation hat ihr nichts entgegenzusetzen. Diese Grundmechanismen des Lebens beschäftigen. Ein Pflanze wurde bewusst eingeführt, aber es findet auch elementarer Mechanismus ist das Bestreben, immer eine meist unbemerkte Invasion statt und je kleiner der neue Lebensräume zu erobern und sich so dem Konkur- Organismus, umso schwerer ist seine Entdeckung! renzdruck im angestammten Lebensraum zu entziehen. Oftmals erschließen auch Tiere eines angestammten Auch nach großen klimatischen Ereignissen, wie z.B. Lebensraumes eingeführte Pflanzen als neue Futter- der Eiszeit, kommt es zu einem völligen Verschwinden pflanze und werden anschließend zu einem invasiven oder einer Verarmung der Artendichte. Zum Beispiel Neozoon. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Kartoffelkä- hat sich der Artenbestand der Wälder Nord- und Mittel- fer, dieser Blattkäfer stammt aus Amerika, genauer aus europas durch die Eiszeit von 400 auf 40 Baumarten Colorado. Seine ursprüngliche Futterpflanze war der reduziert. Genau jetzt sind wir wieder im Kleingarten Stachel-Nachtschatten (Solanum rostratum). Erst durch angekommen. In unsere Kleingärten werden entgegen die ersten weißen Siedler kamen die Kartoffel und der der Rahmenkleingartenordnung die Verlierer der Eiszeit Kartoffelkäfer zusammen und er konnte sein Ausbrei- wieder zurückgeholt, wie z.B. der „Abendländische tungsgebiet im Gepäck der Kartoffel vergrößern über die Lebensbaum“. Den Sprung in den Baumbestand der gesamte Welt. Wälder haben sie noch nicht geschafft, aber sie haben Aber es geht noch viel kleiner! Gerade im Bereich der Pil- bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 19
ze ist das Spektrum groß und die Folgen sind drastisch. Walderdbeere als Nutzpflanze, es existieren Überlie- So betrat der „Echte Mehltau“ 1845 die Bühne Europas. ferungen, dass diese bereits im Mittelalter kultiviert Der Pilz stammt aus Nordamerika und ist sicher mit wurde. Nicht ihr Geschmack ließ sie gegenüber ihren Pflanzen aus Nordamerika nach Europa gekommen. In Verwandten aus Übersee verlieren, sondern lediglich die den Krautschichten der Wälder Nordamerikas hatte er Fruchtgröße. eine regulierende Funktion, er selektierte die schwächs- Aber nicht nur Pflanzen, welche der Ernährung dienen, ten Jungbäume aus und ermöglichte den stärkeren fanden aus fernen Ländern den Weg in unsere Gärten. Bäumen ein schnelleres Wachstum. Schnell erschloss Wenn wir an Tulpen er neue Nahrungsquellen, unsere Nutzpflanzen. Die denken, so bringen Fortpflanzung der Pilze durch Sporen macht ein Ver- wir diese wohl eher hindern ihrer Ausbreitung sehr schwer. Der Pilz Batra- mit Holland in Ver- chochytrium dendrobatidis bedroht seit rund 20 Jahren bindung, aber diese die Amphibienbestände der Welt, besonders dramatisch stammen aus der war sein Erscheinen in Mittelamerika, hier hat er bereits Türkei. Es ist bereits für das Aussterben von 30 Froscharten gesorgt. Pilze früh gelungen, Hyb- dieser Art sind ein Bestandteil der Kompostierung und riden von der Tulpe völlig harmlos, aber dieses spezielle Exemplar greift die zu züchten, welche empfindliche Haut der Amphibien an. Seine Herkunft besser mit dem Klima ist bislang unbekannt, sicherlich hatte er sich in einem Zentraleuropas zu- Tümpel X irgendwo auf der Welt mit den dortigen Am- rechtkommen. Die Kaiserkrone fand ihren Weg zu uns phibien arrangiert, aber irgendwann kam ein Mensch zu aus Persien. Bei einem großen Teil der Pflanzen ist nicht diesem Tümpel und trug die Sporen an seiner Kleidung belegt, wie diese zu uns kamen, aber in der Geschichte oder den Schuhen in die Welt. der Botanik haben viele „Pflanzenjäger“ für die Einfuhr Wir Europäer sind aber nicht nur ein Importkontinent, so mancher Gartenpflanze gesorgt. So z. B. Philipp sondern wir sind auch Meister im Export von ungewoll- Franz von Siebold (1796 – 1866). Der Deutsche brachte ten Organismen! So wächst der Breitwegerich bereits seit beispielsweise die Hortensie aus Japan nach Europa. Er vielen Jahren in den Wüstengebieten Australiens. hatte aber auch einige bedenkliche Ansichten, so war er Das Thema der Neobiota ist so komplex und vielschich- der Meinung, die heimische Natur durch die Einführung tig, dass es nicht in einem Artikel beschrieben werden von Pflanzen aus fernen Erdteilen zu „verbessern“. Der kann. In vielen der nachfolgenden Artikel werden The- Engländer John Tradescant führte Astern, Sonnenblu- men aufgegriffen, welche auf die eine oder andere Weise men und viele mehr aus Nordamerika ein. mit diesem Thema zu tun haben. Im nächsten Artikel Es ist ein großer Vorteil des Gärtners zu wissen, woher beschäftigen wir uns mit der Herkunft der eigenen Gar- die Gartenpflanzen ursprünglich stammen. So z. B. die tenpflanzen! Steppenkerze, diese stammt aus kalten Hochebenen des zentralen und westlichen Asiens. Sie mag nicht mit Sträuchern und Bäumen um das Licht ringen und extre- Herkunft unserer Gartenpflanzen me Nässe passt auch nicht in das Anpassungskonzept in ihrer Heimat. Unsere Gärten be- heimaten eine große Wichtig ist es für Sammlung an Pflan- unsere Kulturpflan- zen und weiterentwi- zen, immer den ckelten Zuchtformen wilden Vertreter noch dieser. So manche verfügbar zu haben, Pflanzen sind schon bei massivem Krank- so lange in unseren heitsbefall kann unter Gärten, dass diese als Umständen das Ein- heimische Vertreter betrachtet werden. Interessant ist kreuzen der Stamm- oder Urform hilfreich sein. So ist hierbei beispielsweise die Erdbeere, die Sorten, welche z. B. die Stammform des Mangolds noch verfügbar, trotz wir im Garten anbauen, haben ihre Reise in fernen Län- einer bereits seit 2900 Jahren andauernden Zucht und dern begonnen. Die Urväter unserer Gartenerdbeeren Nutzung. Der Urvater nennt sich Beta maritima L. und sind die kleine Scharlacherdbeere aus Amerika (Fragaria kommt im Mittelmeerraum und entlang des Atlantiks virginiana) und die großfruchtige Chileerdbeere (Fraga- vor. Der vorbenannte Urvater Beta maritima L. ist auch ria chiloensis) und nicht die heimische Walderdbeere. der Vorfahre der Zuckerrübe, Runkelrübe und der Roten Wir liegen aber nicht völlig falsch mit der heimischen Rübe. Es gibt aber lieb gewonnene Gartenpflanzen, wo 20 bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257
der Urvater mit großer Wahrscheinlichkeit bereits ausge- Ein weiteres Gehölz, welches storben ist, wie z. B. der Kohlrabi. in Asien und Nordamerika beheimatet ist, ist die Magnolie. Ein Botaniker, der schon früh zur Erkenntnis kam, wilde Neben Rhododendren und Mag- Urväter unserer Nutzpflanzen zu erhalten, war Nikolai nolien existieren viele Pflanzen- Iwanowitsch Wawilow (1887-1943). Der russische Botani- arten parallel in Nordamerika ker sammelte in vielen Expeditionen in der ganzen Welt und Asien und dies hat einen Samen aller möglichen Nutzpflanzen. Noch heute beher- prähistorischen Hintergrund. bergt das Wawilow-Institut in Pavlovsk viele der damals Des Rätsels Lösung nennt sich gesammelten Samen, selbst in den Wirren des zweiten „Beringia“, die Landbrücke Weltkriegs vergriffen sich die Mitarbeiter des Instituts zwischen Asien und Nordame- nicht an der Sammlung. Wawilow selbst wurde Opfer rika. Diese Landbrücke tauchte einer Intrige seines Kollegen Trofim Denissowitsch Lys- in den letzten 100 Tausend Jahren bis zuletzt vor ca. 11 senko und starb am 26. Januar 1943 an Hunger in einem Tausend Jahren mehrfach für viele Jahre aus den Fluten der Gefängnisse Stalins. des Meeres auf. Dies geschah jeweils in den Kaltzeiten Es gibt aber noch viel alltäglichere Gartenpflanzen, der Eiszeit, welche genau genommen noch nicht zu deren wilde Vorfahren nicht mehr existieren. So z.B. die Ende ist. Auch die Menschen nutzten diese Landbrücke Zwiebel, alle in der Natur gefundenen Zwiebeln stellten neben vielen Pflanzen und Tierarten um neuen Lebens- sich als verwilderte Kulturzwiebel heraus. So war es doch raum zu erobern. ein Glücksfall, den „Asiatischen Wildapfel“ wieder zu Das nächste Gehölz, dessen Herkunft wir beleuchten entdecken und somit seine genetische Reserve wieder möchten, ist die Felsenbirne. Leider ist diese wunder- verfügbar zu haben. schöne Pflanze als Wirtspflanze für den Feuerbrand in Verruf geraten. Jedoch ist die Aussage, alle Felsenbirnen sind anfällig für Feuerbrand, nicht korrekt, Amelanchier Gehölze aus aller Welt im Garten lamarcki (Kupferfelsenbirne) und Amelanchier ovalis (Gewöhnliche Felsenbirne) sind nicht empfänglich für Unsere Gärten den Feuerbrand. beherbergen eine Der überwiegende Artenbestand der Felsenbirnen große Sammlung stammt aus Nordamerika und hat seinen Weg zu uns von Pflanzen aus vor ca. 300 Jahren gefunden. Auch die Felsenbirne blüht aller Welt, darunter zeitig im Frühjahr und ihre Frucht hat viele Liebhaber in auch viele Gehöl- der Vogelwelt gefunden. ze. Die Geschichte dazu, wie diese Pflanzen in unsere Bedrohte Schnecken Gärten fanden, ist meist unbekannt. Schnecken gehören wohl zu den nicht unbedingt belieb- Ein besonders im Frühjahr sehr auffälliges Gehölz testen Tieren im Garten, aber ohne sie würde das „Mi- ist die Forsythie, wohl eher unbekannt ist, dass die in niökosystem Garten“ in unserer Kulturlandschaft nicht unseren Gärten angepflanzte Forsythie so in der Natur funktionieren. Dass die Waage zwischen Reproduktion nicht vorkommt. Sie ist ein Hybrid und entstand durch und Fressfeinden bei einer Schnecke sich zu Gunsten die Kreuzung von Hänge-Forsythie (Forsythia suspensa) derer verschoben hat, ist für alle Kleingärtner harte Re- und der Grünen Forsythie (Forsythia viridissima). Die alität. Es handelt sich hierbei um die „Spanische Nackt- Grüne Forsythie (Forsythia viridissima) stammt aus den schnecke“, einen unermüdlichen „Nimmersatt“. Sie ist Trockenwäldern und Steppen Südchinas und ist frost- eine falsch als Neozoen bezeichnete Spezies, aber diese empfindlich, aus der gleichen Gegend kommt auch die Erkenntnis ist erst wenige Wochen alt. Eine aktuelle Hänge-Forsythie (Forsythia suspensa). Der Gartenhybrid Untersuchung der DNA brachte zu Tage, dass die Schne- ist bestens an unser Klima in Zentraleuropa angepasst cke eher heimisch ist. Es ist wahrscheinlicher, dass ihr und als Frühblüher bei allen Nektar sammelnden Insek- Ursprungsgebiet in einem begrenzten Gebiet Mitteleuro- ten sehr beliebt. pas lag und unser aktuelles Kaufverhalten bei Gartenpro- Auch zu den zeitigen Blühern gehören die Rhododen- dukten ihren Siegeszug über Europa ermöglichte. Die dren, diese Gehölze sind in Asien und Nordamerika „Spanische Nacktschnecke“ ist bestens für die Mehrung verbreitet, jedoch meist in Asien. Der überwiegende Teil ihrer Spezies ausgestattet, sie hat einen fast ungenießba- der Arten existiert in hochgelegenen Regenwäldern, dies ren Schleim, der von vornherein viele natürliche Feinde, erklärt die Vorliebe für feuchte Standorte. wie den Igel, ausschließt. Sie ist sehr vermehrungs- bundesverband deutscher gartenfreunde e. v. – grüne schriftenreihe 257 21
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