Sternenstaub für jeden - Sternwarte Essen
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Mikrometeoriten Sternenstaub für jeden Täglich rieseln ca. 100 Tonnen außerirdischen Staubs auf die Erde. Die allermeisten Teilchen sind we- niger als einen halben Millimeter groß und von natürlichen oder menschgemachten Partikeln kaum zu unterscheiden. Es gibt aber einen Weg, diesen Sternenstaub auch im städtischen Umfeld aufzuspüren. Eine neue Fachgruppe an der Walter-Hohmann-Sternwarte in Essen will genau dies nun versuchen. Der Mikro- meteorit »Liertop- pen« (NMM 1380) ist ein typischer Vertreter der eher unspektakulären Gruppe der Barred Olivine (BO), den mit Abstand häu- figsten Mikrometeo- riten. Gut zu sehen sind die Linien- und Balkenstrukturen, die auch für unge- übte Mikrometeori- tenjäger unter dem Mikroskop leicht zu erkennen sind. Foto: Larsen/Kihle, mit freundlicher Genehmigung des Benevento-Verlags 2009 hatte der norwegische Berufsmusiker Jon Lar- Sternenstaub? Gleichwohl das Fundstück kurz dar- sen ein Schlüsselerlebnis: Auf dem weiß gedeckten auf wieder verloren ging, ließ ihn dieser Gedan- Frühstückstisch im Garten lag plötzlich ein winzi- ke nicht mehr los. Jahrelang sammelte er Staub ger schwarzer Krümel, der kurz zuvor noch nicht rund um den Erdball, wann immer er mit seiner da war. Sollte dieses Steinchen soeben vom Him- Band »Hot Club de Norvége« auf Tournee war. mel gefallen sein? Milliarden Jahre alter 2015 gelang dann die Sensation: Jon Larsen fand Ausgabe 11 85
den ersten Mikrometeoriten im urbanen Umfeld gleich vor seiner Haustür. Der lange Weg zur Anerkennung In seinem im Herbst 2019 erschienen Buch »Sternenjäger – Meine Suche nach dem Stoff, aus dem das Universum ge- macht ist« schildert Larsen im Detail, mit welcher Strategie er damals vorge- gangen ist: Weil ihm sechs lange Jahre die wichtigsten Protagonisten der Mik- rometeoritenforschung einen wissen- schaftlichen Austausch verweigerten, machte er sich selbst auf die Suche nach Informationen. Doch diese gestaltete sich äußerst schwierig: Es gab kaum öf- fentlich zugängliches Material und For- Wie ein exotischer Himmelskörper sieht der Mikrometeorit NMM 1149B aus der Gruppe schungen zu Mikrometeoriten im der Porphyritic Olivine (PO) unter dem Auflichtmikroskop aus. In Wirklichkeit ist »Sognsveien städtischen Umfeld gab es gar nicht. 11« (benannt nach dem Fundort in Oslo) gerade einmal 0,25 mm groß. Durch die Reibungs- Sein größtes Problem: Wie sehen Mikro- hitze beim Sturz durch die Atmosphäre ist das Material vollständig aufgeschmolzen und hat meteoriten unter einem Auflichtmikros- sich durch die Trägheit beim Abbremsen teilweise voneinander getrennt: Der nach vorn kop eigentlich aus, nachdem sie ihre gerutschte, schwerere Teil (oben) besteht aus Nickeloxyd, dahinter Magnesiumsilikat mit Jahrmilliarden währende Reise mit ei- gut erkennbaren Ablationsspuren, die sich beim Erstarrungsprozess manifestiert nem Sturz durch die irdische Atmosphä- haben. Foto: Larsen/Kihle, mit freundlicher Genehmigung des Benevento-Verlags re überstanden haben? Larsen ging nach dem Prinzip der nega- vor der eigenen Haustür machen Foto eines vermeintlichen Mikrometeo- tiven Auslese vor: In Urlauben und auf können. riten, den er in der Dachrinne seines Fe- weltweisen Reisen mit der 1979 von ihm Dann ging es Schlag auf Schlag: Im Feb- rienhauses gefunden hat. »Das ist es. gegründeten Jazz-Band sammelte er mit ruar 2015 kam mit Dr. Matthew Genge Das ist ein Mikrometeorit«, sagte Genge einem starken Magneten Staub in Stra- vom Imperial College London einer der fast beiläufig. Ein Jahr später dann die ßengräben. Zu Hause siebte er dann die weltweit führenden Experten für Mikro- Bestätigung: Larsen ließ einige seiner Teilchen einer bestimmten Größe heraus meteoriten für einen Fachvortrag an die mutmaßlichen Mikrometeoriten, von und analysierte sie unter dem Mikros- Universität Bergen nach Norwegen. Lar- denen er ja mittlerweile weiß, wie sie kop. Denn eines wusste man bereits: Mi- sen nutzte die Gelegenheit und zeigte aussehen müssen, am Londoner Natural krometeoriten haben einen Genge am Rande der Veranstaltung das History Museum analysieren – alle aus- Durchmesser von typisch 0,3 mm, sind gesuchten Steine waren außerirdischen überwiegend magnetisch und eher rund Ursprungs. Genge und Larsen veröffent- bzw. tropfenförmig. Über die Jahre hin- lichen später gemeinsam einen weltweit weg konnte er so mehr als 50 verschie- beachteten Fachartikel. dene Kugelformen identifizieren, die definitiv nicht aus dem Weltall Meteoritensuche im Ruhrgebiet stammen. Im Oktober 2019 machte Larsen im 2011 kam Larsen schließlich mit dem Rahmen seiner Werbetour für den »Ster- norwegischen Mineralogen Jan Braly nenjäger« im Naturkundemuseum in Kihle in Kontakt. Beide entwickelten ge- Berlin Station. Im Publikum des Vor- meinsam eine Fototechnik, mit deren trags »Stardust in the City« saß auch der Hilfe sich hochauflösende Bilder der Autor dieses Artikels, der schon im Sep- Partikel herstellen lassen. Diese bildete Weil Mikrometeoriten vom Himmel tember im Internet über Larsens Ge- die Grundlage dafür, dass sich später fallen, sind Flachdächer und Regenrin- schichte gestolpert und von ihr fasziniert weltweit engagierte Amateurforscher nen das natürliche Biotop für Mikrome- war. Nach dem Vortrag kam er mit Lar- selbst auf die Suche nach Sternenstaub teoriten-Jäger. Foto: Peter Gärtner sen ins Gespräch und beide 86
vereinbarten, miteinander in Kontakt zu bleiben. In Essen entstand bald eine Gruppe weiterer Interes- sierter, die die vom Autor geleitete neue Fachgruppe »Mikrometeoriten« an der dortigen Walter-Hoh- mann-Sternwarte gründeten. Sie luden Larsen auch zu einem Vortrag und Workshop ein, der eigentlich Anfang Mai anlässlich des ATT stattfinden sollte, der von der Walter-Hohmann-Sternwarte organ- sierten bekannten Astronomie-Börse. Das Corona- Virus machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung und bremste die Aktivitäten der Gruppe erst einmal aus. Doch an Plänen hat sich seitdem nichts geändert: a Ähnlich wie am Naturkundemuseum Berlin soll mittelfristig ein regionales Citizen-Science-Projekt »Mikrometeoriten im Ruhrgebiet« ins Leben geru- fen werden. Die Idee: Interessierte Bürgerinnen und Bürger sammeln Staub in ihrem persönlichen Um- feld, bringen das Material zur weiteren Untersu- chung mit Magnet, Sieb und Mikroskop zur Walter-Hohmann-Sternwarte und stellen im Er- folgsfall die Mikrometeoriten der Wissenschaft für weitere Forschungen zur Verfügung. Mit dem Mik- roskopie-Labor der Physik-Fakultät an der Univer- sität Duisburg-Essen, das u. a. über Rasterelektronenmikroskope und entsprechende Analysemethoden verfügt, steht ein wissenschaftli- cher Partner bereit. b Aktivitäten im Internet Nachdem durch die Covid19-Pandemie persönliche Treffen im regionalen Umfeld schwierig waren, hat die Gruppe ihre Aktivitäten kurzerhand ins Internet verlegt. Auf einer eigenen Website stehen Informa- tionen und weiterführende Links zum Thema bereit und auch eine Facebook-Gruppe »Mikrometeori- ten« wurde gegründet. Mittlerweile haben sich dort Interessierte aus ganz Deutschland versammelt, da- Der »Dreck vom runter auch ausgewiesene Experten aus Astrono- Dach« wird anschlie- mie, Mineralogie und Mikrofotografie. Demnächst ßend gereinigt (a), will man den Austausch untereinander mittels Vi- magnetisch getrennt deokonferenzen weiter intensivieren. (b) und gesiebt (c), Jon Larsen ruft in seinem Buch weltweit alle Inter- c dabei kann die Rei- essierten dazu auf, sich an der Suche nach Mikro- henfolge ja nach Situ- meteoriten zu beteiligen. So trage die Forschung ation variieren. Unter darüber dazu bei, mehr über die Entstehung des dem Auflichtmikros- Sonnensystems, der Planeten und nicht zuletzt des kop (d) schließlich Lebens auf der Erde zu erfahren. Wer an einer Mit- wird das so vorberei- wirkung im Rahmen des regionalen Citizen-Scien- tete Material weiter ce-Projektes »Mikrometeoriten« an der untersucht. Ungeübte Walter-Hohmann-Sternwarte in Essen oder eines sollten sich zunächst bundesweiten Austausches u. a. per Facebook- auf Vertreter der Gruppe interessiert ist, findet weitere Informatio- Gruppe der Barred nen und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme auf Olivine mit ihrer typi- der Website der Gruppe. • Peter Gärtner schen Oberflächen- struktur konzen- Weiterführende Informationen trieren. Fotos: Peter d im Internet unter www.mikrometeoriten.de Gärtner Ausgabe 11 Aus: astronomie – DAS MAGAZIN, Ausgabe 11, Juli/August 2020 – www.astronomie-magazin.com 87 © Astronomie Medien GmbH. Nur für den privaten Gebrauch. Keine unerlaubte Weitergabe und Veröffentlichung.
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