Steuerpolitische Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft - Bundesfinanzministerium
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Analysen und Berichte BMF-Monatsbericht September 2020 Steuerpolitische Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ● Die europäische Steuerpolitik soll durch die Einführung einer effektiven Mindestbesteuerung modernisiert werden. ● Die Stärkung der zuständigen Gremien soll den schädlichen Steuerwettbewerb wirksam be- kämpfen. ● Ein ausgeweiteter steuerlicher Informationsaustausch soll die Zusammenarbeit der Mitglied- staaten verbessern. ● Durch die Einführung einer Finanztransaktionsteuer sollen die Finanzmärkte an der Finanzie- rung des Gemeinwohls beteiligt werden. Steuern für ein starkes Europa Zur Sicherstellung einer fairen Besteuerung in der EU einigten sich die EU-Mitgliedstaaten bereits Deutschland will seine Ratspräsidentschaft im im Jahr 1997 darauf, die Gruppe Verhaltenskodex 2. Halbjahr 2020 dazu nutzen, sich für ein starkes (Unternehmensbesteuerung) einzusetzen. Aufgabe und souveränes Europa einzusetzen. Eine moderne dieser Gruppe ist es, schädliche Steuerpraktiken und innovative Steuerpolitik ist wesentlich für die innerhalb der EU-Mitgliedstaaten auszumachen Förderung der wirtschaftlichen Stärke Europas. und einzudämmen. Darüber hinaus ist die Gruppe Eine solche Steuerpolitik ist zugleich unverzicht- seit 2016 damit betraut, Drittstaaten mit Blick auf bar zur Sicherung des Steueraufkommens der Mit- die Einhaltung der internationalen Maßstäbe der gliedstaaten. Eine europäische Architektur für eine Transparenz und fairen Besteuerung zu überprü- faire und effektive Besteuerung stellt sicher, dass in fen und mit ihnen in Dialog zu treten. Um die Ef- einer starken und souveränen Europäischen Union fektivität der Arbeit der Gruppe Verhaltenskodex (EU) der Wettbewerb im Binnenmarkt und darüber (Unternehmensbesteuerung) weiter zu stärken, ist hinaus funktioniert und dass die Mitgliedstaaten eine Erneuerung des mittlerweile über 20 Jahre al- über ausreichende Mittel zur Finanzierung des Ge- ten Mandats der Gruppe notwendig. meinwohls verfügen. Zudem will Deutschland während seiner Ratsprä- Wirtschaftsaktivitäten und Unternehmensstruktu- sidentschaft die Zusammenarbeit der EU-Mitglied- ren haben sich durch die Digitalisierung stark ver- staaten in Steuerfragen verbessern, um eine trans- ändert. Die damit verbundenen steuerlichen Her- parente und gerechte Besteuerung zu erreichen. ausforderungen lassen sich am besten durch ein Deshalb soll der steuerliche Informationsaustausch international abgestimmtes Vorgehen bewältigen. ausgeweitet werden. Insbesondere sollen digitale Aus diesem Grunde setzt sich Deutschland dafür Plattformen stärker in die Pflicht genommen wer- ein, dass die internationalen Beschlüsse für eine den, steuerlich relevante Tätigkeiten zu melden. faire Verteilung von Besteuerungsrechten und ei- ner effektiven globalen Mindestbesteuerung auf der europäischen Ebene umgesetzt werden. 16
Analysen und Berichte BMF-Monatsbericht Steuerpolitische Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft September 2020 Des Weiteren strebt Deutschland einen Konsens in Herausforderungen durch die Digitalisierung Bezug auf die Einführung einer Finanztransaktion- steuer an. Gemeinsam mit anderen EU-Mitglied- Bereits im Jahr 1923 legte der Völkerbund ei- Analysen und Berichte staaten will der Bund im Rahmen einer verstärkten nen Bericht vor, der sich mit der Frage be- Zusammenarbeit die Finanzmärkte stärker in die fasst, welcher Staat das Recht haben soll, Finanzierung des Gemeinwesens einbinden. Einkünfte zu besteuern. Die internationa- le Gemeinschaft einigte sich darauf, dass Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der ein Staat diejenigen Einkünfte besteuern COVID-19-Pandemie ist es unerlässlich, Arbeit- darf, die auf seinem Territorium erzielt wur- nehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unterneh- den. Im 20. Jahrhundert war das im Grund- men gleichermaßen zu schützen und zu stärken. satz nicht schwer zu ermitteln: Ein Unter- Durch eine faire und effektive Besteuerung kann nehmen musste in dem Staat, in dem es tätig auch in den nächsten Jahren sichergestellt werden, werden wollte, physisch präsent sein. Das dass die Staaten über die nötigen Mittel verfügen. Unternehmen musste, um dort seine Pro- Jeder wirtschaftliche Akteur soll seinen angemes- dukte oder Dienstleistungen zu vermarkten, senen Beitrag zum Allgemeinwohl leisten. Unsere eine Betriebstätte haben. Digitale Unterneh- Vision von einer leistungsgerechten und transpa- men brauchen diese physische Präsenz nun renten Besteuerung lässt sich in einer global ver- nicht mehr, um in einem anderen Staat tätig netzten Welt am besten durch gemeinschaftliches zu werden. Handeln erreichen. Auch durch die strategische Lokalisierung von Kapital und immateriellen Werten (z. B. Besteuerung der digitalisierten eigene Erfindungen, Markennamen, Verlags- Wirtschaft rechte) können multinationale Konzerne ihre Gewinne auf Niedrigsteuerländer verlagern Während der COVID-19-Pandemie wurden uns die und dadurch ihre Steuerlast auf ein Mini- Vorzüge der Digitalisierung besonders vor Augen mum senken. geführt. In der Isolation bleiben wir mit unserer Fa- milie, Freundinnen und Freunden sowie Kollegin- Aufgrund der fortschreitenden Verbreitung nen und Kollegen verbunden. Allerdings entstehen der Digitalisierung ist die digitale Wirtschaft für die Wirtschaft auch zunehmend neue steuerli- nicht als ein eigener Sektor abgrenzbar – die che Herausforderungen durch die Digitalisierung Digitalisierung betrifft fast alle Wirtschafts- (wie z. B. der Schutz und die Sicherheit von Daten). bereiche. Das Problem der Gewinnverla- gerung erstreckt sich daher auf zahlreiche Wirtschaftszweige. 17
Analysen und Berichte BMF-Monatsbericht Steuerpolitische Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft September 2020 Eine umfassende und nachhaltige Strategie ge- Die Arbeiten der OECD im Kampf gegen gen die Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer den unfairen Steuerwettbewerb ist unabdingbar, um eine gerechte Verteilung der Steuerlast weiterhin zu gewährleisten. Es gilt dabei 90 Jahre nachdem der Völkerbund den Be- der Grundsatz, dass die Besteuerung dort erfolgen richt zur Vermeidung von Doppelbesteue- soll, wo die Wertschöpfung stattfindet. rung (s. o.) vorgelegt hatte, kam die OECD im Auftrag der G20 zusammen, um Maß- Die Reaktion auf die steuerlichen Herausforde- nahmen gegen die Gewinnverlagerung und rungen der digitalen Wirtschaft ist eine der zen- den unfairen Steuerwettbewerb (Base Eros- tralen Prioritäten der deutschen EU-Ratspräsi- ion and Profit Shifting, BEPS) zu erarbeiten. dentschaft. Deutschland ist ein multinationales Diese wurden 2015 veröffentlicht und ent- Vorgehen wichtig, um eine Fragmentierung der in- halten Empfehlungen für faire Besteuerung ternationalen Steuerlandschaft zu verhindern. Ent- und Transparenz. wickelte jeder Staat eine eigene Strategie zur Be- steuerung der digitalisierten Wirtschaft, entstünde Zur Fertigstellung der verbliebenen Arbeiten ein Nebeneinander von unterschiedlichen Steuern zur Digitalwirtschaft (BEPS-Aktionspunkt 1: mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen. Un- „Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft“) ter anderem wären eine zunehmende Bürokratie- arbeiten derzeit 137 Staaten im sogenann- belastung der Unternehmen, aber potenziell auch ten Inclusive Framework on BEPS bei der Besteuerungslücken im internationalen Kontext OECD zusammen und sind kurz davor, ei- die Folge. Zudem wäre die Fragmentierung des nen konkreten Lösungsvorschlag vorzule- Steuerrechts kontraproduktiv für die Stärkung des gen, der aus zwei Säulen besteht. Unter Säu- EU-Binnenmarkts. le 1 sollen bestehende Besteuerungsrechte umverteilt werden (Reallokation von Besteu- Derzeit wird auf internationaler Ebene an einer erungsrechten). Mit Säule 2 soll eine globa- Strategie zur Besteuerung der digitalisierten Wirt- le effektive Mindestbesteuerung eingeführt schaft gearbeitet. Bis Ende 2020 strebt die G20 werden. Die hierbei erzielten Ergebnisse sol- eine Einigung in dem von der Organisation für len anschließend auch in der EU implemen- wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- tiert werden. lung (OECD) geführten Verhandlungsprozess an. Die Diskussionen und die Arbeiten der OECD im Kampf gegen den unfairen Steuerwettbewerb auf internationaler Ebene verlaufen konstruktiv und Einführung einer effektiven dynamisch. Mindestbesteuerung Die Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer darf sich nicht mehr „lohnen“. Durch eine globale effektive Mindestbesteuerung soll sichergestellt werden, dass jedes Unternehmen unabhängig von seinem Firmensitz oder seinen Betriebstätten sei- nen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemein- wohls beiträgt. 18
Analysen und Berichte BMF-Monatsbericht Steuerpolitische Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft September 2020 Die Mindestbesteuerung beruht auf einem Liste nicht kooperativer Länder und Gebie- deutsch-französischen Vorschlag und ist Teil des te für Steuerzwecke Zwei-Säulen-Konzepts der OECD zur Besteuerung Analysen und Berichte der digitalisierten Wirtschaft. Wird ein Gewinn im Zweimal im Jahr überprüft die Gruppe Ver- Ausland nicht hinreichend besteuert, dürfen Quel- haltenskodex (Unternehmensbesteuerung) lenstaaten (also die Länder, in dem Einkommen er- die Einhaltung der Standards für ein ver- zielt werden) die Differenz zwischen dem Niedrig- antwortungsvolles Handeln im Steuerbe- steuersatz und dem Mindeststeuersatz erheben. reich und dokumentiert die Ergebnisse. Das Darüber hinaus sollen Zahlungen in Niedrigsteu- „Naming and Shaming“ hat sich durchaus als erländer nicht oder nur anteilig als Betriebsaus- wirksam erwiesen, denn seit der Veröffent- gaben abziehbar sein. Dadurch wird einerseits die lichung der Liste haben eine Vielzahl von Gewinnverlagerung weniger attraktiv und ande- Staaten und Gebieten steuerpolitische Maß- rerseits das Steueraufkommen gesichert. nahmen ergriffen, um den internationalen Standards der Transparenz, für einen fairen Deutschland will während der EU-Ratspräsident- Steuerwettbewerb und der Implementie- schaft den Weg für eine einheitliche Umsetzung der rung von BEPS-Maßnahmen zu entsprechen. effektiven Mindestbesteuerung in das EU-Steuer- recht ebnen. Um möglichen Störungen des Binnen- Als weiteren Schritt haben sich die EU-Mit- markts entgegenzuwirken, ist es dabei wichtig, die gliedstaaten im Dezember 2019 darauf ge- Auswirkungen der internationalen Entwicklungen einigt, ab 2021 bestimmte steuerliche für die EU zu analysieren und schließlich diese in ge- Abwehrmaßnahen gegen gelistete Steuerge- eigneter Form in das EU-Steuerrecht zu überführen. biete einzuführen. Bekämpfung des schädlichen Allerdings sind die im Jahr 1997 beschlossenen Steuerwettbewerbs Grundsätze der Gruppe Verhaltenskodex (Unter- nehmensbesteuerung) gegen schädlichen Steu- Seit dem Jahr 1997 prüft die Gruppe Verhaltens- erwettbewerb innerhalb der EU noch nicht an kodex (Unternehmensbesteuerung) inwieweit die die zwischenzeitlichen Entwicklungen angepasst Mitgliedstaaten die Regeln zur Bekämpfung des worden. Insbesondere die Empfehlungen zum schädlichen Steuerwettbewerbs einhalten. Zu- OECD-Aktionsplan gegen Gewinnverlagerung und dem führt sie seit 2017 die Liste nicht kooperativer unfairen Steuerwettbewerb (BEPS), die 2015 verab- Länder und Gebiete für Steuerzwecke („schwarze schiedet worden sind, haben die Kriterien für ver- Liste“). Deshalb erstreckt sich die Aufgabe der antwortungsvolles Handeln im Steuerbereich prä- Gruppe als „Watchdog“ des fairen Steuerwettbe- zisiert und geschärft. Auch beruht die Prüfung der werbs nicht mehr nur auf EU-Staaten, sondern Steuerjurisdiktionen nicht auf den Grundsätzen auch auf Länder und Gebiete (sogenannte Steuer- des Jahres 1997, sondern auf EU-Ratsschlussfolge- jurisdiktionen) außerhalb der EU. rungen aus dem Jahre 2017. Die unterschiedlichen Handlungsermächtigungen haben dazu geführt, dass die Maßstäbe für die Prü- fung von steuerlichen Regelungen der EU-Mitglied- staaten nicht deckungsgleich sind mit denen für die Prüfung von Drittstaaten. 19
Analysen und Berichte BMF-Monatsbericht Steuerpolitische Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft September 2020 Deshalb ist es notwendig, das Mandat der Gruppe Durch eine EU-weite Zusammenarbeit können Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung) zu nicht nur Besteuerungslücken geschlossen wer- aktualisieren, um ihre vielfältigen Aufgaben wi- den. Der Meldestandard dient daneben der Ver- derzuspiegeln. Wichtig ist vor diesem Hintergrund wirklichung des Binnenmarkts, erhält einen fairen auch, dass bei einer Neufassung des Mandats die Wettbewerb zwischen digitaler und traditionel- aktuelle Diskussion um die Mindestbesteuerung ler Wirtschaft und reduziert den Aufwand, der für entsprechend berücksichtigt wird. Plattformbetreiber und Steuerpflichtige mit der Meldeverpflichtung beziehungsweise der Befol- gung steuerlicher Pflichten verbunden ist. Stärkung der Verwaltungszusammenarbeit durch Ausweitung Finanztransaktionsteuer des steuerlichen Die Diskussion um die Einführung einer Fi- Informationsaustauschs nanztransaktionsteuer wird auf europäischer Ebene seit vielen Jahren engagiert geführt. Zehn Seit 2011 gibt es die Amtshilferichtlinie für die Zu- EU-Mitgliedstaaten wollen im Rahmen einer ver- sammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im stärkten Zusammenarbeit eine Steuer auf den Han- Steuerbereich (Directive on Administrative Co- del mit Finanzprodukten erheben. operation, DAC). Diese wurde bereits mehrere Male ergänzt und erweitert. Am 15. Juli 2020 hat die Kommission nun den Vorschlag zu einer wei- Die verstärkte Zusammenarbeit teren Überarbeitung der Richtlinie vorgelegt, die Deutschland während seiner Präsidentschaft er- gemäß Art. 326 ff. des Vertrags über die Ar- folgreich verhandeln will. beitsweise der Europäischen Union ist ein Verfahren, mit dem mindestens neun Bei der Überarbeitung stehen zwei wesentliche EU-Staaten eine erweiterte Integration oder Bausteine im Vordergrund: einerseits die Optimie- Zusammenarbeit in einem Bereich inner- rung bereits vorhandener Instrumente der Ver- halb der EU-Strukturen vereinbaren können, waltungszusammenarbeit, wozu insbesondere ohne dass sich die anderen EU-Staaten da- rechtliche Regelungen für gemeinsame Betriebs- ran beteiligen müssen. An der Finanztrans- prüfungen zählen, und andererseits die Einführung aktionsteuer arbeiten Belgien, Estland (bis einer Meldeverpflichtung für Unternehmen der Dezember 2015), Frankreich, Griechenland, Plattformökonomie mit einem flankierenden au- Italien, Österreich, Portugal, Slowakei, Slo- tomatischen Informationsaustausch. Nicht immer wenien, Spanien und Deutschland. werden steuerpflichtige Einkünfte, die über Platt- formen erzielt werden, gegenüber Finanzbehörden angegeben; das Entdeckungsrisiko ist gering. Vor Die Idee zur Einführung einer Finanztrans dem Hintergrund einer zunehmenden digitalen aktionsteuer auf europäischer Ebene entstand in- Transformation ganzer Wirtschaftsbereiche stellt folge der Finanzkrise 2008 und sollte Akteure der dies die Steuerbehörden aller Mitgliedstaaten vor Finanzmärkte bei der Finanzierung des Gemein- wachsende Herausforderungen. Deutschland setzt wohls stärker in die Verantwortung nehmen. Der sich dafür ein, dass steuerlich relevante Informa- ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kom- tionen von den Plattformbetreibern proaktiv den mission wurde 2011 veröffentlicht. Nachdem Steuerbehörden zur Verfügung gestellt werden. sich die Mitgliedstaaten nicht einstimmig für den 20
Analysen und Berichte BMF-Monatsbericht Steuerpolitische Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft September 2020 Vorschlag ausgesprochen hatten, entschieden zu- Während der nächsten Monate strebt die deutsche nächst elf Mitgliedstaaten, die Steuer im Rahmen Ratspräsidentschaft innerhalb der verstärkten Zu- einer verstärkten Zusammenarbeit weiter verhan- sammenarbeit eine politische Einigung an, um im Analysen und Berichte deln zu wollen. Da die Diskussionen auf Basis des Anschluss den gesetzgeberischen Prozess im Rat Vorschlags der EU-Kommission über viele Jahre zu beginnen zu können. keinem Ergebnis kamen, machte sich Deutschland gemeinsam mit Frankreich 2018 dafür stark, fortan die bereits bestehende französische Finanztrans- Fazit aktionsteuer zum Vorbild zu nehmen. Die anderen Mitgliedstaaten der verstärkten Zusammenarbeit Grundlage für ein starkes Europa ist ein funktio- folgten diesem Vorschlag. nierender Binnenmarkt. Dieser braucht eine solide finanzielle Basis, um die notwendigen Ausgaben für das Gemeinwesen tragen zu können. Gleichzei- Die französische Finanztransaktionsteuer tig basiert der Binnenmarkt auf der wirtschaftli- chen Stärke der Unternehmen und ihrer Fähigkeit, In Frankreich wurde 2012 eine Steuer ein- sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. geführt für Geschäfte mit Anteilen franzö- sischer Firmen, die einen Börsenwert von Auf europäischer Ebene wird uns die solidarische mehr als 1 Mrd. € haben. Die Abgabe in Hö- Zusammenarbeit und das Streben nach gemeinsa- he von 0,3 % auf den gehandelten Wert wird men Lösungen auch dabei helfen, die wirtschaftli- bei Erwerb der Anteile erhoben. Voraus- chen Folgen der COVID-19-Pandemie zu überwin- setzung ist, dass das Unternehmen, dessen den. Ein gerechtes und modernes Steuersystem ist Anteil gehandelt wird, seinen Hauptsitz in unerlässlich, um auch die zukünftigen Herausfor- Frankreich hat. derungen zu meistern. Deutschland will seine Präsidentschaft dazu nut- Die Einführung einer Finanztransaktionsteuer soll zen, gemeinsam entschlossen an der europäischen zu einem angemessenen und gerechten Beitrag des Architektur für eine faire und effektive Besteue- Finanzsektors zur Staatsfinanzierung führen. Eine rung weiterzuarbeiten. Es geht um einen europä- Besteuerung nach dem französischen Modell ist ischen Regelungsrahmen, der die Einnahmen si- ein wichtiger Schritt hin zu einer fairen Besteue- chert, indem er schädlichen Steuerwettbewerb rung des Finanzsektors. Auf europäischer Ebene unterbindet und die Verwaltungszusammenarbeit wird derzeit ein Steuersatz von nicht unter 0,2 % der Mitgliedstaaten weiter stärkt. Schließlich pro- diskutiert. Gleichzeitig wird die einzuführende Fi- fitieren von koordinierten Lösungen sowohl die nanztransaktionsteuer weder zu relevanten nega- Steuerpflichtigen als auch die Mitgliedstaaten und tiven Auswirkungen auf die Finanzstabilität führen damit das europäische Gemeinwesen. noch nennenswerte negative Effekte auf die Akti- enkultur oder das Sparverhalten mit sich bringen. Dies zeigen die Beispiele aus anderen Staaten, wo ähnliche Regelungen bereits national seit vielen Jahren etabliert sind. 21
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