Studiengang Stadt- und Raumplanung in Erfurt - Impulse nicht nur für den Osten
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Fortbildung Impulse aus Erfurt nicht nur für den Osten Prof. Dr. Heidi Sinning Studiengang Stadt- und Raumplanung in Erfurt – Impulse nicht nur für den Osten Sieben Jahre nach Gründung ist die Fachrichtung etabliert Sub- und Reurbanisierung, Gentrifizierung und Segregation, nachhaltige Sied- lungsentwicklung, Stadtumbau Ost und West, Belebung der Innenstädte, Migra- tion und Integration, bürgerorientierte öffentliche Räume … – für die Stadt- und Raumplanung stellen sich gegenwärtig zahlreiche Herausforderungen. Im Winter- semester 2008/09 startete die Fachhochschule Erfurt – University of Applied Sci- ences (FHE) den neuen konsekutiven Studiengang Stadt- und Raumplanung als Vollstudiengang mit einem akkredierten Bachelor- und Masterabschluss. 2011 er- hielten die ersten Absolventinnen und Absolventen den Bachelor-Abschluss, 2013 folgten die ersten Masterabschlüsse. Seitdem werden die Studiengänge der Stadt- und Raumplanung jährlich angeboten. Der Beitrag zieht ein Zwischenresümee. Lernorte in der Stadt und darüber hinaus lungsaufgaben in den Städten und Gemeinden der Region bieten sich gegenwärtig einige besondere Lernorte: die IBA – Großprojekte IBA Thüringen, BUGA und Thüringen 2023, die Bundesgartenschau (BUGA) Erfurt 2021 ICE-City Erfurt und die ICE-City in unmittelbarer Nähe des Erfurter Haupt- Neben bundesweiten und überregionalen Themenstellungen bahnhofes. bieten aktuell die Landeshauptstadt Erfurt und der Freistaat IBA Thüringen 2023 Thüringen eine Reihe von Planungsthemen, die für angehen- de Stadt- und Raumplanerinnen und -planer anspruchsvolle „Die IBA Thüringen versteht sich als Zukunftslabor! Bis 2023 Lernorte ermöglichen. Die Stadt Erfurt hat rund 206.000 Ein- sollen Projekte gemeinsam mit Partnern entwickelt und umge- wohner (Stand: 2015) und registriert seit einigen Jahren ein setzt werden. Leitthemen der IBA Thüringen sind: die großen stetiges Wachstum. Vor allem Familien und Studierende, aber Herausforderungen der Energiewende und des demografi- auch Ältere, Singles und Paare suchen in der Großstadt die schen Wandels in ihren baulichen und landschaftlichen Aus- Lebensqualität, die sie in kleineren Städten und Gemeinden wirkungen“, so heißt es auf der Website der IBA-Gesellschaft. nicht (mehr) finden – kurze Wege zu Arbeits- und Ausbil- Der demografische Wandel wird in seinen vielfältigen Ausprä- dungsstätten, Einkaufen, Erholen, Freizeit- und Kinderbetreu- gungen als Gestaltungs- und Neuorganisationsaufgabe ver- ungsangebote, gute medizinische Versorgung... Nicht nur aus standen. Im Zusammenhang mit dem energetischen Wandel dem Umland und der weiteren Region ist Zuwachs zu verbu- soll auch die kulturelle Dimension in den Blickpunkt genom- chen, sondern neben diesem Trend zur Reurbanisierung sind men werden und über die gestalterische Behandlung in Stadt auch Zuwanderungen aus ganz Deutschland zu verzeichnen. und Land sowie in der regionalen Wertschöpfung ihren Aus- Nichtsdestotrotz ist die Bevölkerungsstruktur Erfurts durch druck finden. Alterung gekennzeichnet, so dass der demografische Wandel Im Jahr 2023 sollen Ergebnisse präsentiert werden – nicht als auch hier eine Herausforderung für die Zukunft ist. Verände- klassische Ausstellung, sondern als kontinuierliches Kommu- rungen am Wohnungsmarkt verlangen nach zielgruppenspe- nizieren und Vermitteln des IBA-Programms, ihrer Projekte zifischen Wohnformen und lösen eine Debatte aus, ob vor und Prozesse. Erste Projekte wurden ausgewählt und mit dem dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsleitbilds und der Bevöl- IBA-Label versehen, z.B. die Projekte „Bauen mit Weitblick kerungsprognosen eher Neubau oder Bestandsentwicklung – Bezahlbar zusammen wohnen. Individualität zu Großseri- zielführend sein sollte. enpreisen“ der Kommunalen Wohnungsgesellschaft Erfurt, „Lernorte vor der eigenen Haustür“ ermöglichen „angewand- „APOLDA. Nächster Halt Zukunft!“ der Stadt Apolda, „Gera: tes Studieren mit kritisch wissenschaftlicher Distanz“, so der Stadtentwicklung im Dialog – Die vernetzte Stadt & Geras Anspruch des noch jungen Studiengangs Stadt- und Raumpla- starke Mitte“ der Stadt Gera und „Thüringer Landstrom“ des nung in Erfurt. Neben den vielfältigen Planungs- und Entwick- Vereins BürgerEnergie Thüringen e.V. vhw FWS 2 / März – April 2015 103
Fortbildung Impulse aus Erfurt nicht nur für den Osten Die IBA als international anerkanntes Instrument der Bau- und gebiet verteilten Kernbereiche sehr weitläufige BUGA-Areal Planungskultur bietet für Studierende optimale Ansatzpunk- soll nicht nur zu Fuß erkundet werden, sondern auch „grüne, te. Sie können hinterfragen, modellhaft experimentieren und nachhaltige Mobilität“ wird angestrebt. Die Stadtbahn verbin- nicht zuletzt Praxispartnern Impulse geben. Mit der IBA wird det die BUGA-Areale, ausleihbare E-Bikes sollen neue Formen die Idee verfolgt, ein ergebnisoffenes, zeitlich begrenztes von Zukunftsmobilität veranschaulichen. Zukunftslabor anzubieten, das Innovationsprozesse forciert Studierende der Stadt- und Raumplanung befassten sich bei- und konkrete Projekte verfolgt. Studierende der Stadt- und spielsweise unter dem Motto „BUGA connections“ mit tem- Raumplanung befassten sich u.a. im Städtedreieck Saalfeld, porären BUGA-bezogenen Konzepten der Besucherlenkung, Rudolstadt und Bad Blankenburg (Saalebogen) unter dem aber auch mit Ansätzen zu einer langfristigen funktionalen Titel „FlussStadtpark Saalebogen“ mit der interkommunal und gestalterischen Aufwertung dieser Stadtbereiche für die abgestimmten Revitalisierung innenstadtnaher Brachflächen Stadtbewohnerinnen und -bewohner.2 durch Konzepte für innovative Wohn- und Lebensformen und entwickelten Impulsen für die IBA.1 Absolventin Cathrin Gudurat B.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Umwelt in Köln Arbeitgeber: Difu – Deutsches In- stitut für Urbanistik gGmbH Aufgabenbereiche: Kommunaler Klimaschutz; Klimaschutz in der Raumplanung; Kommunalbera- tung, Veranstaltungsmanagement „Das Studium hat mich auf meine derzeitigen Tätigkeiten Abb. 1: Herkunftsbundesländer der Erstsemester im Bachelorstudium des sehr gut vorbereitet. Durch die Praxisnähe des Studiums Wintersemesters 2014/15 (N = 72) sind mir viele Abläufe und Aufgaben in meinem Beruf leich- ter gefallen.“ ICE-City Erfurt – neues Stadtquartier in der schnellen Mitte Deutschlands BUGA 2021 Erfurt Erfurt wird 2017 zur „schnellen Mitte Deutschlands“, mit dem ICE wird München in 2:30 Std., Frankfurt in 2:10 Std. und Ber- Unter dem Motto GartenKulturStadt wird in Erfurt im Jahr lin in 1:45 Std. erreichbar sein. Erwartet werden damit ein er- 2021 eine Bundesgartenschau als stadtweites Entwicklungs- höhtes wirtschaftliches Nachfragepotenzial, Investitionen und vorhaben verfolgt, das neben den Schaugärten einer BUGA Wachstum in der Landeshauptstadt, aber auch in der Region auch langfristig zu neuen städtischen Wohn- und Lebens- und im weiteren Thüringen. Um den Hauptbahnhof Erfurt, qualitäten beitragen soll. Ziel ist es, im Zuge der BUGA ver- der an die Innenstadt angrenzt, stehen umfangreiche Flächen- schiedene Freiräume von besonderer Bedeutung in der Stadt reserven zur Verfügung. Hier soll die ICE-City als neues Stadt- aufzuwerten und damit nachhaltige Impulse in verschiedenen quartier und städtebauliches Großprojekt entstehen. Neben Quartieren der Stadt zu setzen. neuen Wohnungen ist Raum für Büroflächen, Kongress- und Neben dem egapark mit 37 Hektar (dem Austragungsort der Tagungszentren, Hotels und Boardinghäuser, regionale Head- Ersten Internationalen Gartenbauausstellung der sozialisti- quarter und Unternehmensvertretungen sowie für die Kreativ- schen Länder (iga) 1961, die als sozialistisches Gegenstück und Kulturwirtschaft vorgesehen. Schon frühzeitig befasste zum IGA-Austragungsort in Hamburg und zur westdeutschen sich ein Studienprojekt mit der Rahmen-, Entwurfs- und Bau- Bundesgartenschau angelegt war) bilden der Petersberg, der leitplanung für die städtebauliche Entwicklung der ICE-City.3 Nordpark und der Kilianipark drei weitere Kernbereiche der Ausstellung. Die zwischen diesen Kernbereichen liegenden Standort Erfurt – Studium mit ‚Korrespondenzflächen‘, insbesondere die Geraaue, stellen wichtige Bindeglieder zwischen diesen Kernbereichen und bil- Lebensqualität in Mitteldeutschland den einen weiteren zentralen Baustein in der Umsetzung der Die Fachhochschule Erfurt (FHE) wurde 1991 gegründet. Sie Gartenschaukonzeption. Das aufgrund der über das Stadt- folgt einer langjährigen Hochschultradition, die bis auf die 1 Betreuung durch Vertr.-Prof. Dr. Celina Kress und Vertr.-Prof. Dr. Lars Bölling der 2 Betreuung durch Prof. Dr. Doris Gstach der FHE. FHE. 3 Betreuung durch Prof. Dr. Ingo Wietzel (✝), Prof. Dr. Reinhold Zemke der FHE. 104 vhw FWS 2 / März – April 2015
Fortbildung Impulse aus Erfurt nicht nur für den Osten königlich-preußische Baugewerkschule von 1901 zurückgeht. unterstützen bis heute das nach wie vor junge Studienange- Die Fakultät Architektur und Stadtplanung ist eine von ins- bot. Studierende der Fachrichtung Stadt- und Raumplanung gesamt sechs Fakultäten der FHE und umfasst insgesamt 13 kommen nicht nur aus Thüringen und den benachbarten Fachrichtungen. Durch eine Reihe stadt- und raumplanungs- Bundesländern Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, naher Fachrichtungen, beispielsweise Architektur, Bauinge- sondern auch aus anderen Bundesländern, etwa Baden-Würt- nieurwesen, Gebäudetechnik und Informatik, Landschaftsar- temberg und NRW. Damit wird das bundesweite Studienan- chitektur, Restaurierung, Sozialwesen, Verkehrswesen sowie gebot der Stadt- und Raumplanung erweitert. Wirtschaftswissenschaften, bietet die FHE vielfältige Schnitt- Der viersemestrige Master schließt sich an den sechssemestri- stellen für die Planungsausbildung. gen Bachelor an. Studienprojekte zeichnen den gesamten Stu- Mit rund 5.000 Studierenden und jährlich rund 1.000 Studien- dienverlauf aus. Die Nachfrage nach dem Studiengang ist sehr anfängern ist die FHE eine stark frequentierte Hochschule des groß und wuchs in den vergangenen Jahren weiter an. 2014 „Campus Thüringen“. Eine moderne Ausstattung, das Um- erhielt die Hochschule rund 450 Bewerbungen für die BA- und feld der Landeshauptstadt und gute Erreichbarkeiten in die MA-Studiengänge Stadt- und Raumplanung. Entsprechend Ballungsräume Berlin, Rhein-Main, Leipzig-Halle oder Nürn- wurde nach dem ersten Jahrgang ein NC eingeführt, um die berg charakterisieren die Studienbedingungen. Aufnahme zu begrenzen und ein hochwertiges Studium ge- währleisten zu können. Der Bachelor-Studiengang ist auf 65 Entstehung der Fachrichtung Stadt- Studierende begrenzt, im Masterstudiengang werden jedes Jahr rund 35 Studierende neu aufgenommen. und Raumplanung an der FH Erfurt Im Rahmen einer Diversifizierungsstrategie, die darauf zielte, neue zukunftsweisende Fachrichtungen aufzubauen, wurde Profil des Studiengangs – integrierte 2007 auch über die Entwicklung der Fachrichtung Stadt- und Stadtentwicklung, Stadtumbau und Raumplanung diskutiert. Mit ihr sollte die im mitteldeutschen kommunikatives Planungsmanagement Raum bestehende Lücke in der Planungsausbildung geschlos- Die Stadt- und Raumplanung steht immer wieder vor der sen werden. Es folgten Beschlüsse im Konvent der Hochschu- Herausforderung, sich an neue Rahmenbedingungen anzu- le, in Ausschüssen und im Fachbereichsrat Architektur. Im passen. Gegenwärtig sind dies insbesondere der soziale und September 2008 erhielt die Hochschule die Anerkennung der ökonomische Wandel sowie die weitreichenden demogra- externen Akkreditierungskommission für den konsekutiven fischen Veränderungen. Dies bedeutet unter anderem, dass Bachelor- und Master-Studiengang Stadt- und Raumplanung. sich das bisherige Berufsbild von Planerinnen und Planern 2013 wurden beide Studiengänge reakkreditiert. verändert und neue Planungsinhalte und -methoden an Be- Der erste Jahrgang startete 2008 mit 72 Studierenden – da- deutung gewinnen. Die Stadt- und Raumplanung der FHE mals noch ohne Numerus clausus. Namhafte Akademien und legt den Schwerpunkt auf eine integrierte Ausrichtung. Da- Verbände, darunter ARL, DASL, IfR und SRL, unterstützten und bei werden ökologische, soziale, kulturelle und ökonomische Aspekte gleichberechtigt berücksichtigt. Dazu zählt auch eine kooperative Planungsmethodik, die auf die Beteiligung rele- Paul Kirschstein M.Sc. vanter Akteure – insbesondere auch aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft – an Planungs- und Entwicklungsprozessen ausge- Städtebaureferendar in Nieder- richtet ist. Dabei finden die speziellen Herausforderungen des sachsen demografischen Wandels besondere Berücksichtigung. Arbeitgeber: Stadtverwaltung Wolfsburg Den Profilbereich „Integrierte Stadtentwicklung und Stadtum- bau“ erschließt die Stadt- und Raumplanung der FHE durch Aufgabenbereiche: Rechts- und ein ausgeprägt disziplinübergreifendes Lehrangebot. Das Pro- Verwaltungsgrundlagen, Städte- fil des Studiengangs wird durch sechs Kernfachgebiete und bau, Stadtplanung, Raumordnung, weitere Professuren aus der FH Erfurt untersetzt, so dass den Führungsaufgaben und Wirtschaft- Studierenden die Komplexität und Vielfalt des Gegenstands- lichkeit bereichs der Stadt- und Raumplanung in seiner ganzen Breite „Im Bachelor- und Masterstudium der Stadt- und Raum- vermittelt werden kann. planung an der FH Erfurt erwarb ich ein breitgefächertes Fachwissen und wertvolle Schlüsselkompetenzen, welche Zu einer Kernkompetenz von Stadt- und Raumplanern gehört eine gute Basis für das städtebauliche Referendariat bilden. heutzutage die Gestaltung von kommunikativen Planungs- Meine Qualifikationen kann ich nun um Aspekte des bau- prozessen. Dies beinhaltet auch die Rolle der Vermittlung und technischen Verwaltungsdienstes vertiefen.“ Moderation in Planungs- und Entwicklungsverfahren sowie dialog- und prozessorientiert zu arbeiten und neben den fach- vhw FWS 2 / März – April 2015 105
Fortbildung Impulse aus Erfurt nicht nur für den Osten lichen auch kommunikative verfahrensbezogene Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen. Eine Aneignung des Know- Susanne Spieß M.Sc. hows zu entsprechendem „planungs-methodischem Hand- Stadtplanerin im Bereich Stadt- und werkszeug” ist gefordert, um in dieser neuen Rolle effektiv Regionalentwicklung in Bayern arbeiten zu können. Arbeitgeber: Stadtplanungs- und Landschaftsarchitekturbüro Bern- hard Bartsch, Neutraubling (bei Re- Breites Modulangebot – gensburg) Pflicht-, Wahlpflicht- und Praxisangebote … Aufgabenbereiche: Entwürfen, Entsprechend dem Profil des Studiengangs wird ein breites Mo- Beratung von Gemeinden, fach- dulangebot vorgehalten. Sowohl der Bachelor-Studiengang liche Abstimmung mit Gutachtern und weiteren Fachpla- als auch der konsekutive Master-Studiengang wurden aus den nern, Präsentation der Planungen bei Gemeindegremien aktuellen Richtlinien für die Architektur- und Planungsstudi- und Behörden engänge des Akkreditierungsverbundes für Studiengänge der „Das Studium an der FH Erfurt hat mich insgesamt sehr Architektur und Planung (ASAP) „Fachliche Standards für die gut auf den beruflichen Planungsalltag vorbereitet. Durch Akkreditierung von Studiengängen der Stadtplanung/Raum- die frühzeitige Zusammenarbeit mit Kommunen anhand planung – Studiengänge Stadtplanung/Regionalplanung, Lan- von Studienprojekten während des gesamten Studiums be- desplanung und Raumplanung“ entwickelt. Vorteil war, dass kommt man einen guten Vorgeschmack auf die Planungs- keine „Altlasten“ aus Vorgänger- bzw. Diplomstudiengängen praxis. Damit wird der Einstieg in die Arbeit eines Stadtpla- mitgenommen werden mussten, sondern dass eine komplette ners wesentlich erleichtert.“ Neuentwicklung möglich war. Die beiden Studiengänge verfolgen neben den jeweiligen Ein Praxissemester im Bachelorstudium, das viele Studieren- fachlichen auch gemeinsame übergeordnete Ziele: de auch im Ausland absolvieren und für das sie u.a. über E- Die Persönlichkeit der Studierenden soll in Richtung intellek- Learning-Angebote mit den Lehrenden in Verbindung bleiben, tueller Reife, Umweltbewusstsein, ökonomischem Verständnis unterstreicht diese Ziele. und sozialer Verantwortung geprägt werden; die notwendigen beruflichen Kompetenzen des Planens und Projektstudium – praxisorientierte Lernform Entwerfens sollen als Prozess der Integration kreativer, sozia- Studienprojekte sind ein besonderes Merkmal aller Studien- ler, wissenschaftlicher und künstlerischer Anforderung erlernt gänge der Stadt- und Raumplanung in Deutschland und eine werden; Qualität, die sie von vielen benachbarten raumbezogenen Aus- schließlich geht es um den Erwerb von Prozess- und Manage- bildungen unterscheidet. Sie sind eine besonders geeignete mentfertigkeiten und von Schlüsselkompetenzen, wie Team- Lehr- und Lernform, damit das erworbene disziplinäre Wissen und Kommunikationsfähigkeit, Selbstinitiative und Eigenver- in realitätsnahen Anwendungsfällen eingesetzt und integriert antwortung. bzw. miteinander in Beziehung gesetzt werden kann. Auch an der FHE ist es gelungen, Studienprojekte als Kernelement ■■ Die Ziele sind gleichzeitig auf die aktuellen Anforderungen prominent im Lehrkonzept der Bachelor- und Masterstudien- der Berufspraxis ausgelegt. Der Bachelor- und der Master- gänge Stadt- und Raumplanung zu verankern. Sie werden je studiengang Stadt- und Raumplanung sollen die Studieren- Semester zu wechselnden Themen mit Bezug zum Profil der den befähigen: Studiengänge angeboten. In den Studiengängen werden: ■■ komplexe räumliche Zusammenhänge zu analysieren, ■■ zukunftsorientierte und effiziente Arbeitsprozesse in einem ■■ zukunftsfähige Problemlösungsvorschläge zu entwickeln Planungs- und Ingenieurbüro oder einer Verwaltung simuliert; und zu gestalten, ■■ die auftretenden Fragen und Probleme so weit und so lan- ■■ zielorientierte Methoden zur Kommunikation im gesell- ge vertieft, bis jeweils eine tragfähige und innovative Lö- schaftlichen und politischen Raum anzuwenden sowie4 sung gefunden wird; ■■ die eigenen Soft Skills, z.B. Kommunikation und Rhetorik, ■■ die verschiedenen fachlichen Inhalte der eigenen Disziplin das Schreiben wissenschaftlicher Texte oder Entwurf und miteinander koordiniert und eine interdisziplinäre Zusam- Darstellung von Plänen sowie das eigene Projekt- und Zeit- menarbeit mit anderen Disziplinen erlernt. management weiter zu qualifizieren. Die Studienprojekte vermitteln zudem Schlüsselkompetenzen, beispielsweise: 4 Akkreditierungsverbund für Studiengänge der Architektur und Planung 2014: Fachliche Standards für die Akkreditierung von Studiengängen der Stadtplanung/ ■■ kognitive Kompetenzen, also Denken in Zusammenhängen, Raumplanung, 4. Auflage, Hannover. konzeptionelles Denken, Problemlösungsfähigkeit etc.; 106 vhw FWS 2 / März – April 2015
Fortbildung Impulse aus Erfurt nicht nur für den Osten ■■ kommunikative Kompetenzen, also zielgruppenorientierte Die Forschungsprojekte ermöglichen zahlreiche Synergien mit Ausdrucks-, Diskussions- und Präsentationsfähigkeit; der Lehre, etwa Fragestellungen für Abschlussarbeiten, Pro- ■■ soziale Kompetenzen, also Team-, Konflikt- und Kritikfähig- jektgebiete, theoretische Kontexte, aktuelle Trends und He- keit; rausforderungen sowie Good-Practices für die Vorlesungen oder herausfordernde Fragestellungen für Seminare. Daneben ■■ personale Kompetenzen, also Selbstständigkeit, Kreativität, finden Studierende qualifizierte Jobs in den Forschungsprojek- Eigeninitiative, Verantwortungsbereitschaft, Zuverlässig- ten, die sie gut mit ihrem Studium verbinden können. keit, Urteilsvermögen, Entscheidungsfreudigkeit etc.; ■■ allgemeine Kompetenzen, also interkulturelles Wissen, Die Forschungsstärke der Fachrichtung Stadt- und Raumpla- Fremdsprachen, wissenschaftliche Arbeitstechniken etc. nung und des mit dieser verbundenen Instituts für Stadtfor- Die Studienprojekte sind eine besonders geeignete Lehrform, schung, Planung und Kommunikation der FHE (ISP) soll in den damit das disziplinär erworbene Wissen in realitätsnahen An- nächsten Jahren im nationalen und internationalen Kontext wendungsfällen eingesetzt und integriert bzw. miteinander in weiter verstetigt werden. Allein das ISP hat seit 2004 rund 2 Beziehung gesetzt werden kann. Die Studiengänge erschlie- Mio. Euro Drittmittel eingeworben. Drittmittelgeber sind u.a. ßen für die Studierenden damit ein breites Tätigkeitsfeld, das das BMBF, BMVBS bzw. BMUB, Stiftungen wie DBU, Deutsch- von den klassischen Berufsfeldern wie Städtebau, Stadt- und Polnische-Wissenschaftsstiftung, Schwäbisch Hall Stiftung Raumplanung, über Stadtentwicklung und Stadtumbau bis und Wüstenrot Stiftung. Die Synergien zwischen Lehre und hin zu neueren Aufgaben des Stadtmarketings und -manage- Forschung sollen weiter ausgebaut und im Sinne forschenden ments sowie energetische Quartiersentwicklung reicht. Lernens und forschungsnaher Lehre weiterentwickelt werden. „Study abroad“ – Julia Zimmer M.Sc. Internationalität im Studium Stadtplanerin in der Abteilung Die vielfältigen Kontakte der Fakultät Architektur und Stadt- Stadtplanung in Westerland (Sylt) planung in Europa, beispielsweise in Litauen, Polen, Schwe- Arbeitgeber: Gemeinde Sylt den und der Schweiz, sowie im außereuropäischen Ausland, Aufgabenbereiche: Bauleitpla- etwa in Indonesien und den USA, vernetzen die Stadt- und nung (besondere Herausforderung Raumplanung international. Die Fachrichtung ist zudem seit der Thematik Dauerwohnen und 2014 Vollmitglied im AESOP-Netzwerk der Europäischen Pla- Ferienwohnen), sonstige städte- nungshochschulen. Im Rahmen der Head of School-Meetings bauliche Satzungen, informelle der internationalen Konferenzen und gemeinsamer Summer Konzepte, Öffentlichkeitsbeteiligung, Beratung für Archi- Schools findet eine intensive Vernetzung mit Partnerhoch- tekten, Bauherren, Bürger. schulen aus allen Teilen Europas statt. „Ein gutes Studium bildet ein stabiles Fundament, welches auch einer Sturmflut standhalten kann. Am Meer besteht Forschung mit Synergien zur Lehre häufig Sturmgefahr.“ Die Fachrichtung Stadt- und Raumplanung ist vorrangig im Forschungsschwerpunkt „Nachhaltiges Planen und Bauen, Landnutzungs- und Ressourcenmanagement“ der FH Erfurt Qualitätsmanagement – Angebot im Dialog aktiv. Im Wesentlichen liegen die vielfältigen Forschungspro- mit den Studierenden gestalten jekte der Fachrichtung in den folgenden Bereichen: Um die Ziele des Studiengangs zu realisieren, ist ein kontinu- ■■ Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung, ierliches Qualitätsmanagement für die Lehre erforderlich. Die hochschulweiten Aktivitäten zur Förderung von Exzellenz und ■■ Integrierte Stadt(teil)entwicklung, Qualität setzen nicht nur eine regelmäßige Evaluation der Leh- ■■ Nachhaltige Siedlungs- und Freiraumentwicklung, re, sondern auch den direkten Dialog mit den Studierenden ■■ Nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität, über Veränderungs- und Verbesserungsbedarf voraus. Ziel ist ■■ Klimaschutz und Energieeffizienz, es, eine sehr gute und konstante Lehrqualität zu ermöglichen. ■■ Planungsrecht, Mit einer Größe von rund 60 Studierenden pro Semester im Bachelor und rund 35 Studierenden im Master kann dies gut ■■ Kommunikative Planung und Governance, gewährleistet werden. Ein Numerus clausus, der ab Winter- ■■ Schrumpfende Städte, soziale Diversität und Segregation in semester 2009/10 eingeführt wurde, sorgt dafür, dass das Städten. Studium der Stadt- und Raumplanung an der FHE nicht zum (Nähere Informationen: www.fh-erfurt.de/sr und www.fh- „Massenbetrieb“ wird und die seminaristische Lehre im Mit- erfurt.de/isp) telpunkt steht. vhw FWS 2 / März – April 2015 107
Fortbildung Impulse aus Erfurt nicht nur für den Osten Zur Qualitätssicherung tragen auch die aktive Beteiligung der ein Teil der Studierenden findet auch bereits mit dem Bache- Studierenden in der Selbstverwaltung der Hochschule und die lorabschluss einen Berufseinstieg. Der Studiengang Stadt- und Unterstützung der studentischen Selbstorganisation bei. So Raumplanung der FHE ist somit „ins Rollen“ gekommen und existiert beispielsweise ein regelmäßiges Feedbacksystem der kann nach sieben Jahren als weitestgehend etabliert gelten. verschiedenen Jahrgänge durch ihre Sprecher in der Studien- In den kommenden Jahren wird die Aufgabe darin bestehen, kommission. Hier werden Verbesserungsbedarfe der Studie- die hohe Qualität des Studiums weiterzuentwickeln. Dazu bie- renden dreimal pro Semester konstruktiv beraten und nach ten die eingangs genannten Großprojekte IBA, BUGA und ICE- Lösungsansätzen gesucht. City inspirierende Lernorte. Aber auch viele andere Themen Ein lebendiger Studiengang funktioniert nur mit dem Enga- der Stadt- und Raumentwicklung in Thüringen, bundesweit gement der Fachschaft. Sie begleitet in Erfurt die „Erstis“, or- und international dienen dazu, die Studierenden zu fachlich ganisiert thematische Diskussionsabende, wie Urban Diaries, kompetenten und kritischen Planerinnen und Planern auszu- ist in der Bundesfachschaftenkonferenz präsent und aktiv bei bilden. Zugleich versteht sich der Studiengang auch als kriti- den je Semester stattfindenden PiTs – PlanerInnentreffen der scher Begleiter der Praxis der Stadt- und Raumentwicklung. Studierenden an deutschsprachigen Hochschulen. In 2010 Die Herausforderung wird deshalb darin bestehen, Wirkungen und 2014 organisierte die Erfurter Fachschaft Stadt- und der Planungspraxis zu untersuchen und die Ergebnisse ent- Raumplanung gemeinsam mit Weimarer Studierenden den sprechend in einen fachbezogenen bzw. öffentlichen Dialog PiT gemeinsam in Erfurt und Weimar. einzuspeisen sowie dafür die nötige Plattform zur Reflexion der Planungspraxis zu bieten. Arbeitsprofile der Absolventinnen Im Zuge der Diskussion über den Bologna-Prozess standen und Absolventen die Bachelor- und Masterstudiengänge in den letzten Jahren grundsätzlich immer wieder in der Kritik, sie würden zu wenig Nach Abschluss des konsekutiven Masterstudiengangs Stadt- Freiräume für eigenständiges Studieren ermöglichen, wären zu und Raumplanung besteht in der Regel – entsprechend den verschult und würden die angestrebten Vorteile nicht ausrei- Regelungen der jeweiligen entsprechenden Architektenkam- chend realisieren. Die Studienevaluationen und die Akkreditie- mer – die Möglichkeit, nach Vorlage bestimmter berufsprak- rungen der Stadt- und Raumplanung an der FHE zeigen aber, tischer Nachweise den Titel Stadtplaner bzw. Stadtplane- dass diese Kritikpunkte für diese Studiengänge offensichtlich rin zu führen. Die neuen Stadt- und Raumplaner setzen als nicht zuzutreffen scheinen. Vielleicht ist der Vorteil der Bache- kreative Köpfe der Gesellschaft bereits im Studium wichtige lor- und Masterstudiengänge, dass sie nicht aus einem bereits Impulse für die Stadt- und Regionalentwicklung. Als Teil der bestehenden Diplomstudiengang heraus entwickelt wurden, „Creative Class“ können sie mit ihrem Abschluss als Stadt- sondern dass es sich um ein neues Studienangebot mit einem und Raumplanerinnen und -planer den Arbeitsmarkt berei- neu zusammengestellten Lehrkörper handelt. Dadurch gab es chern. Die Bandbreite der Arbeitgeber für Einstiegsjobs der keine Vorfestlegungen oder -belastungen und es waren keine ersten Erfurter Stadt- und Raumplanungs-Absolventinnen Kompromisse nötig, sondern es bestand die Möglichkeit, das und -Absolventen ist groß. Sie reicht von Planungsbüros mit Studium weitgehend idealtypisch entlang den Anforderungen unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen (u.a. Stadtplanung, der ASAP zu entwickeln, sei es in Bezug auf Studienprojekte, Landschafts- und Freiraumplanung, Regionalentwicklung, einen breiten Fächerkanon, die Verknüpfung zur Forschung Architektur) und Landesentwicklungsgesellschaften, über oder die Integration von Praxisphasen. Aber natürlich werden Verwaltungen auf verschiedenen Ebenen (v.a. Ministerien, erst die nächsten Jahre zeigen, wie sich diese gute Ausgangs- Landesverwaltungsämter, Städte und Gemeinden) bis hin zu lage in der Umsetzung weiter bewähren wird. Forschungseinrichtungen, wie das Difu oder Forschungsinsti- tute an Hochschulen und Universitäten. Einige Kurzporträts illustrieren exemplarisch das Tätigkeitsspektrum (siehe Kästen Prof. Dr.-Ing. Heidi Sinning im Text). Gründungsstudiendekanin Stadt- und Raumplanung, Fakul- tät für Architektur und Stadtplanung, Leiterin des ISP – Ins- titut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der Resümee und Ausblick Fachhochschule Erfurt Die Nachfrage von Studieninteressierten an der Stadt- und Raumplanung an der FHE ist seit 2008 ungebrochen hoch, obwohl darauf hingewiesen wird, dass durch den demogra- fischen Wandel ein Rückgang der Erstsemester zu erwarten sei. Gleichzeitig reagiert die Praxis – nicht nur in den neuen Bundesländern – sehr interessiert auf das „neue Potenzial“ in Form von Absolventinnen und Absolventen der Studiengänge. Dies bezieht sich in erster Linie auf den Masterabschluss, aber 108 vhw FWS 2 / März – April 2015
Sie können auch lesen