Synagoge - Jüdisches Leben in Graz - Arbeitsmappe
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INHALTSVERZEICHNIS 1. Themen und Lernziele des Lehrausganges und der übergeordneten Unter- richtssequenzen 2. Thema, Zielgruppe, Lehrplanbezug, Vorkenntnisse 3. Einheiten a) 1. Einheit – Einführung in das Thema b) 2. Einheit – Jüdisches Leben in Graz c) 3. Einheit – Antisemitismus und Holocaust d) 4. Einheit – Besichtigung der Synagoge e) 5. Einheit – Nachbesprechung, Nachbearbeitung 4. Weitere Besichtigungsmöglichkeiten / Arbeitsaufgaben zum Thema
Lehrausgang Synagoge – Jüdisches Leben in Graz Thema: Synagoge – Jüdisches Leben in Graz: • Allgemeine Einführung zum Judentum • Jüdisches Leben in Graz • Antisemitismus und Holocaust • Religiöses Leben (Projektarbeit verbunden mit dem Religionsunterricht) Zielgruppe: 7. Klasse AHS Lehrplanbezug: • nationalsozialistisches System und Holocaust (Entwicklung; Österreich im Drit- ten Reich; Widerstands- und Freiheitsbewegungen) • Förderung der Sach- und Sozialkompetenz • Der Überwindung von Vorurteilen, Rassismen und Stereotypen. • Akzeptanz und gegenseitige Achtung fördert die Identitätsbildung. • Die Schülerinnen und Schüler sollen weiters befähigt werden, Sachverhalte und Probleme in ihrer Vielschichtigkeit, ihren Ursachen und Folgen zu erfas- sen und ein an den Menschenrechten orientiertes Politik-und Demokratiever- ständnis zu erarbeiten. Vorkenntnisse: • Die Schüler wissen über den Ursprung und die Tradition der jüdischen Re- ligion bescheit. Die jeweilige Thematik wurde in Kooperation mit dem Reli- gionsunterricht genau besprochen. Weiters wurde auf die Ursprünge des Antisemitismus, die Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit und im Fa- schismus eingegangen.
1. Einheit: Einführung in das Thema Inhalt: • Was versteht man unter Judentum? • Woher kommt der Name „Jude“? • Wie entwickelte sich das Judentum? • Was ist eine Synagoge? Lernziele: • Die Schüler sollen einen allgemeinen Überblick über diese Thematik be- kommen. Allgemeines (Besprochen im Religionsunterricht) Der Davidstern (hebräisch magen david = Schild Davids) gilt als das neuzeitliche Symbol des Juden- tums und des jüdischen Volkes. Unter Judentum versteht man die Gesamtheit aus Kultur, Geschichte, Religion und Tradition des sich selbst als Volk Israel (hebr. am jisrael, bnei jisrael) bezeichnenden jüdischen Volkes. Mit dem Begriff können auch gezielt die jüdische Religion oder, als
Gruppe, die sowohl ein Volk als auch eine Glaubensgemeinschaft darstellenden Ju- den angesprochen werden. Das Judentum wird zu den Weltreligionen gezählt, wenngleich ihm nur ca. 13,5 Mil- lionen Menschen angehören (Vergleich: Christentum ca. 2,1 Milliarden, Islam ca. 1,3 Milliarden). Dies hat historische Gründe: Nicht nur, dass Christentum und Islam sich vielfach auf die Überlieferungen des Judentums berufen, das Judentum war auch hinsichtlich seiner Verbreitung die erste Weltreligion. Zum Ende der Antike fanden sich jüdische Gemeinden weit über den römisch-hellenistischen Raum hinaus ver- streut bis nach China, Indien und Afrika. Name Die Bezeichnung „Juden“ bedeutete ursprünglich „Judäer“ und geht auf das Königreich Juda zurück, das seinen Namen wiederum von den darin lebenden Angehörigen des Stammes Juda hatte. Der Name „Judentum“ bezieht sich ursprünglich nur auf diesen einen von den Stämmen Gesamtisraels. Nach der Babylonischen Gefangenschaft wurden alle Bewohner der Region von den umliegenden Völkern als „Judäer“ bezeichnet und damit der Name „Juden“ auf alle Israeliten ausgedehnt. In der Diaspora wurde der Name „Juden“ dann zu ihrer Selbstbezeichnung. Jüdische Geschichte Als Urväter der Juden gelten Abraham, Isaak und Jakob, die westsemitische Noma- denstämme anführten, die irgendwo zwischen dem Mittelmeer und Mesopotamien lebten. Historische Belege für ihre Existenz gibt es keine. Wenn, dann lebten sie wahrscheinlich während der Zeit der Sesshaftwerdung der Nomaden zu Beginn der Bronzezeit, also zwischen 1900 und 1500 v. Chr. Als Stifter der jüdischen Religion gilt Mose. Daher wird die jüdische Religion auch als „mosaische Religion“ bezeich- net. Moses ist im Judentum der höchste Prophet aller Zeiten, der Gott so nah kam, wie sonst kein Mensch vorher oder seitdem. Historische Belege für die Existenz Mo- se fehlen jedoch. In der Bibel führt Mose den Auszug des hebräischen Volkes aus Ägypten an. Wann und ob dieser historisch stattgefunden hat, ist jedoch ebenfalls
unklar. Traditionell gilt Mose zudem als Verfasser der nach ihm so benannten "Fünf Bücher Mose" (in der jüdischen Religion i.d.R. Tora genannt), die die Basis des jüdi- schen Glaubens bilden. Diese Auffassung wird heute jedoch außerhalb des Orthodoxen Judentums (sofern dort überhaupt mit der Historizität des Mose gerech- net wird) kaum mehr vertreten. Nach der Tora, (den fünf Büchern Mose), beginnt die Geschichte des jüdischen Vol- kes mit dem Bund, den Gott mit Abraham schließt (Gen 12). Die jüdische Tradition sieht Abraham als den Begründer des Monotheismus, des Glaubens an einen einzi- gen, unsichtbaren Gott. Diesen Bund setzt Gott mit Abrahams Sohn Isaak und des- sen Sohn Jakob fort, der seit dem Ringkampf am östlichen Ufer des Flusses Jabbok (1. Mose 32) Jisrael genannt wurde. Jakob hatte zwölf Söhne, die als Stammväter der Zwölf Stämme Israels (Israeliten) gelten. Diese ziehen von Kanaan, dem heutigen Palästina bzw. Israel nach Ägypten, wo ihre Nachfahren vom Pharao versklavt werden. Aus dieser Sklaverei werden die von Mosche (Moses) angeführten Hebräer durch Gott befreit, der ihnen am Berg Si- nai die (schriftliche und mündliche) Tora offenbart. Bereits in hellenistischer Zeit fanden Auswanderungsbewegungen aus Palästina statt: Das so genannte Hellenistische Judentum entstand. Spätestens seit der Zerstö- rung des jüdischen Staates im 1. Jahrhundert nach Christus und der Zerstörung Je- rusalems unter Hadrian zerstreuten sich die Juden als regional greifbares und ge- schlossenes Volk endgültig, wobei jedoch die große Mehrheit innerhalb des Römi- schen Reiches siedelte. In der Spätantike und dem frühen Mittelalter verschob sich der Schwerpunkt nach Babylonien. Die übrigen Anhänger des Judentums verteilten sich im Hochmittelalter auch in ande- re Teile Europas, im Spätmittelalter, im Zuge der Pestpogrome und der Ausweisung beispielsweise aus Frankreich, besonders nach Osteuropa, ferner in die islamische Welt und im Anschluss (Vertreibung aus Spanien 1492) wieder ins heutige Palästina sowie auch in die Neue Welt. Juden wurden oft verfolgt und ghettoisiert, konnten sich stellenweise aber auch unter Beibehaltung von Glaube und Tradition als integraler Bestandteil der lokalen Gesellschaften etablieren.
Synagogen Eine Synagoge ist ein jüdisches Versammlungs- und Gotteshaus für Gebet, Schrift- studium und Unterweisung. Mit zehn männlichen Betern, dem Minjan, kann sich eine Gemeinde konstituieren. Die hebräische Bezeichnung für die Synagoge ist „eda“ oder „Beth knesset“ (Haus der Versammlung) oder Beth Tefila (Haus des Gebets), jiddisch auch „Schul“. Sie ist unterteilt in den Gebetsraum und kleinere Räume zum Studium. Diese Lehrräume werden als Beth Midrash (hebr.: Haus der Lehre) bezeichnet. Die Entstehungszeit der Synagogen ist unklar. Oftmals wird sie mit dem babyloni- schen Exil (586-538 v. Chr.) in Verbindung gebracht. Der Begriff selbst taucht ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. als Bezeichnung für die „Versammlungshäuser“ der jüdi- schen Diasporagemeinden auf. Synagogen fielen immer wieder Judenpogromen zum Opfer. An ihrer Stelle wurden teilweise Frauenkirchen errichtet, so in Rothenburg ob der Tauber, Bamberg, Würzburg, Nürnberg, Weißenburg in Bayern, Regensburg und Ingolstadt (Schutter- kirche). In Deutschland und Österreich zerstörten Nationalsozialisten (zumeist Angehörige der SA) bei den Novemberpogromen 1938 (von den Nazis wegen der vielen Glas- splitter zynisch auch „Reichskristallnacht“ genannt) am 9. und 10. November 1938 2676 Synagogen und jüdische Gemeindehäuser, wobei etwa 400 Menschen getötet wurden, in den folgenden Tage ist es zur Inhaftierung von etwa 30.000 Jüdinnen und Juden gekommen. Allein in Wien wurden 42 Synagogen und Gebetshäuser in Brand gesteckt.
2. Einheit: Juden in Graz – Ein kurzer Überblick Die Geschichte der Grazer Juden beginnt um etwa 1160. Der steirische Markgraf Otakar III. brachte 1160 durch Hinrichtung des adeligen Grundbesitzergeschlechtes, wegen angeblichen Hochverrates, den Grazer Boden in seinen Besitz. Im Zuge die- ser Entwicklung erhielt Graz auch einen riesigen Marktplatz. Südlich dieses neu ent- standenen Marktplatzes entwickelte sich das Judenviertel. In diesem Gebiet wurden nun die Juden der umliegenden Gebiete angesiedelt. Das bestehende Judenviertel wurde daraufhin 1261 erstmals urkundlich erwähnt. Das Judenviertel bildet ein etwa 100 mal 140 Meter großes Rechteck, dessen südliche Längsseite an die Stadtmauer grenzte, wobei eine eigene Ausgangspforte, das „Judentürl“, in die Stadtmauer ein- gelassen wurde. Außerhalb der damaligen Stadtmauern, in der Nähe des heutigen Joanneumrings, lag der alte Judenfriedhof, von dem der letzte Grabstein als Sockel in der Grazer Burg erhalten ist. Gründung einer jüdischen Gemeinde in Graz Die Juden stellten für den Fürsten eine wichtige direkte Steuerquelle da und so konn- te man annehmen, dass durch die Umsiedlung der bisherigen Straßengler Judendor- fes, das Grazer Getto entstand. Bereits diese erste Gemeinde im Mittelalter hat eine Synagoge errichtet. Von dieser gibt es allerdings keine archäologischen Funde. Der Grund dafür ist, dass das gesamte Judenviertel bei der Vertreibung der jüdischen Gemeinde Ende des 15. Jahrhunderts niedergerissen worden ist. Schon vor dem Lateranskonzil von 1179, bei welchem beschlossen wurde, dass jü- dische Wohnviertel von der christlichen Umwelt abzuschließen, haben Juden fast immer zusammen in eigenen Siedlungen gewohnt. Das Getto in Graz war ein deut- lich in sich geschlossener Straßenzug, in der Mitte befand sich ein Häuserblock, in welchem sich die Synagoge sowie die Wohnung des Rabbiners befanden. Im 15. Jahrhundert waren bei einer Gesamtbevölkerung von 5.000 Menschen circa 200 Juden in Graz wohnhaft. In diesem Jahrhundert begann aber auch eine Welle von Judenaustreibungen in Europa. Der Auslöser war, dass bei Adel und Bürgertum
die religiösen Bedenken gegen das Zinsnehmen gefallen sind, daher wurde darauf- hin versucht, sich der jüdischen Konkurrenz zu entledigen. Im Jahr 1438/39 wurde das Getto auf Wunsch der Bürgerschaft von Herzog Friedrich IV. aufgelöst. Die Ju- den mussten die Stadt verlassen, durften aber ihr bewegliches Eigentum mitnehmen, ihre Häuser wurden zu Gunsten der Kassa des Herzogs verkauft. Der ganze östliche Teil des Judenviertels musste einem geistlichen Baukomplex wei- chen, zunächst war dies eine geweihte Kapelle jedoch wurde diese später zur „Kir- che zum heiligen Blut“ erweitert. Ab 1447 wurden die Juden wieder in Graz geduldet, da Kaiser Friedrich III. nicht auf die Steuern der Juden verzichten wollte. Die Zustimmung des Adels musste sich der Kaiser erkaufen und das Bürgertum wurde beschwichtigt, indem die Juden mit einem Handelsverbot belegt wurden. Das ehemalige Getto wurde weiter abgebrochen und die zuziehenden Juden mussten verstreut in der Stadt leben. Nach dem Tod von Friedrich III. bekamen die Judengegner neuen Auftrieb, die steirischen Landesstände intervenierten beim Nachfolger Maximilian I. gegen die Juden. Nach einer Ab- schlagszahlung der Landesstände an den Kaiser, erließ jener einen schriftlichen Ausweisungsbefehl für alle Juden in „Innerösterreich (Kärnten, Steiermark, Krain). Diese Deportation wurde mit angeblicher Hostienschändung, Ritualmorden und Fäl- schungen der Schuldbriefe begründet. Jedoch waren diese Gründe nur ein Vorwand, der wahre Grund war jener, dass große Teile der Bevölkerung am Ende des Mittelal- ters bei den Juden hoch verschuldet waren und sie in der Vertreibung dieser einen Weg fanden, sich ihrer Schulden zu entledigen. Diese Umstände führten zum Juden- verbot von 1496, die Juden durften ihr bewegliches Hab und Gut mitzunehmen, je- doch mussten sie ihrer Häuser so schnell wie möglich verkaufen, wobei sie kaum einen guten Preis erhielten. Die Regierungszeit von Maria Theresia brachte eine Verbesserung der Zustände für die Reisefreiheit der privilegierten „Hofjuden“ ein, aber in Graz und der Steiermark blieb es bei der absoluten Judensperre. Erst am 9. 11. 1783 wurde es den Juden durch ein Hofdekret erlaubt, Jahrmärkte in Graz, Klagenfurt und Laibach zu besu- chen. Jedoch war fast bis 1850 in Graz kein Jude dauernd ansässig, erst das Patent vom 28. März 1849 brachte eine leichte Verbesserung, denn ab diesem Zeitpunkt
war der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte vom Religionsbekenntnis unabhängig. Erst im 19. Jahrhundert kam es schließlich wieder zur Ansiedelung von Juden in Graz. 1869 ist die „Grazer Israelitische Kultusgemeinde“ gegründet worden. In den folgenden Jahren wuchs die Gemeinde rasch an. 1880 haben etwa 1200 Juden in der Stadt gelebt. 1938 ist es zum sogenannten „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland gekom- men. Der damalige Gauleiter Uiberreiter forderte, dass Graz „rasch judenfrei“ wer- den müsse. Von den ursprünglich 2.200 Juden waren im März 1938 nur mehr etwa 1.700 in der Stadt, viele von ihnen waren bereits geflohen. Am 9. November 1938 kam es schließlich zur sogenannten „Reichskristallnacht“. Dabei sind systematisch jüdische Einrichtungen im gesamten damaligen „Deutschen Reich“ zerstört worden. Etwa 400 Juden sind ermordet worden, in den folgenden Ta- gen ist es zur Inhaftierung von etwa 30.00 Juden gekommen. Auch Graz blieb davon nicht verschont: in der Pogromnacht sind die Synagoge und die Aufbewahrungshalle am jüdischen Friedhof in Brand gesteckt worden. Etwa 300 Grazer Juden wurden damals ins KZ Dachau deportiert. Ein Zitat eines NSDAP-Mitglied zu den damaligen Vorgängen gibt das barbarische Treiben folgendermaßen wieder: „Das Tor zum Judentempel – ein aufdringlich orientalischer Bau, der als Sitz des gei- stigen Zentrums der Juden in der Steiermark jedem verhasst ist – wurde erbrochen. Die Menge drang in das Innere ein. Volksgenossen erkletterten die Spitze der Kuppel und entfernten den Zionsstern, der in die Tiefe stürzte und hier in Stücke brach, Symbol des Zusammenbruchs der jüdischen Weltherrschaftsgelüste. Plötzlich flamm- te in der Kuppel Feuer auf, das in rasender Schnelligkeit um sich griff. Gegen 1 Uhr brach die Kuppel zusammen.“
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl Arbeitsauftrag 1 Betrachte die Stadtkarten aus dem 14. Jahrhundert und dem 16. Jahrhundert, auf welchen das Grazer Judenviertel eingezeichnet ist. Versuche diese Viertel nun auf eine Stadtkarte des heutigen Graz zu übertragen und überlege ob man damalige Zü- ge eines Gettos auch noch heute erkennen kann? (z.B. geschlossenes Gassensy- stem) Tipp: Im Bereich südlich des Hauptplatzes, der einst bis zur Landhausgasse reichte, kann man westlich der Herrengasse ein geschlossenes Gassensystem erkennen. Der Straßenzug Frauengasse - Jungferngasse – Pfarrgasse (Fischer von Erlach- gasse) hieß bis in das 18. Jahrhundert Judengasse. 11
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl Arbeitsauftrag 2: Suche im Bereich des ehemaligen jüdischen Viertels nach Spuren, die auf dieses hinweisen. Diskutiert anschließend in der Gruppe eure Ergebnisse und besprecht, was der Grund für die (nicht) vorhandenen Spuren sein könnte. 12
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl 3. Einheit: Judenfeindlichkeit und Holocaust Inhalt: • Ursprünge des religiösen und „rassischen“ Antisemitismus • Die Shoah • Antisemitismus heute Der „Judenstern“ war eine Zwangskennzeichnung für jüdische Bürger im Nationalsozialismus. Antisemitismus (auch Judenhass, Judenfeindschaft, gegebenenfalls Judenverfol- gung) ist die pauschale Ablehnung der Juden und des Judentums. Dieses Phäno- men ist seit etwa 2500 Jahren bekannt und hat besonders die Geschichte Europas über weite Strecken begleitet. Feindschaft gegen Juden reicht von Verleumdung, Diskriminierung und Unterdrückung über lokale und regionale Ausgrenzung, Verfol- gung und Vertreibung bis hin zu Versuchen einer vollständigen Ausrottung. Diese führten in der Zeit des Nationalsozialismus zum Holocaust (1941–1945). Die Anfänge des Antisemitismus sind eng verstrickt mit dem Christentum. Als jüdische Sekte entstanden, musste sich das Christentum von seiner ursprünglichen Religion, dem Judentum, abgrenzen. Dies führte – auch unter dem Eindruck der Christenverfolgungen im römischen Reich – dazu, dass sich bald die Legende des „jüdischen Gottesmordes“ etablierte. Den Kreuzzügen im Mittelalter, in denen die arabischen „Heiden“ im „heiligen Land“ bekämpft wurden, gingen immer Pogrome in den Kreuzfahrerstaaten selbst voraus. 13
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl Ideologisch legitimiert durch den unterstellten Christusmord und Legenden über angebliche Brunnenvergiftungen, hatte der katholische Antijudaismus seine ökonomische Basis in den Verhältnissen der Zeit. Zwei Verbote waren dafür ausschlaggebend: Einerseits das selbst auferlegte der Christen, Geld gegen Zinsen zu verleihen und andererseits das, das es Juden nicht gestattete, Land zu besitzen. So wurden wohlhabende jüdische Händler in die Rolle der „Wucherer“ gedrängt. Nicht selten ermöglichten diese mit ihren Krediten Luxus und Reichtum von Kirche und Adel. Durch die Verfolgung und Ermordung von Juden konnten sich so die Herrschenden ihrer Schulden entledigen. Aus dieser Zeit rührt auch das Bild des „habgierigen jüdischen Parasiten“, das sich bis heute in verschieden Formen erhalten und weiter entwickelt hat. Den antijüdischen Verfolgungen in dieser Zeit konnten sich die Jüdinnen und Juden durch den Übertritt zu einer christlichen Kirche entziehen. Das änderte sich mit dem Aufkommen des „rassischen“ Antisemitismus Ende des 19. Jahrhunderts. Nun wurden die Jüdinnen und Juden nicht mehr als religiöse Gemeinschaft sondern als „Rasse“ betrachtet. Eine neue Dimension erreichte der Antisemitismus mit dem Aufstieg der Nazis in Deutschland. Die Auswirkungen des nazistischen Antisemitismus waren anfänglich der Boykott jüdischer Geschäfte und die Zerstörung jüdischer Einrichtungen und Synagogen in der sog. „Reichskristallnacht“. Er führte sodann zur völligen Isolierung und gipfelte in der Shoah – der systematischen Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden in den Vernichtungslagern des Hitlerfaschismus. Propagandabild der NS-Zeit: „Wandernder Jude“ 14
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl Als Holocaust oder als Shoah (hebräisch für „Unheil“, „große Katastrophe“) be- zeichnet man heute den Völkermord an Juden in der Zeit des Nationalsozialismus. Der Holocaust gilt als einzigartiges Verbrechen, da er die europäischen Juden voll- ständig, systematisch und mit industriellen Methoden auszurotten anstrebte. Alle Menschen, die das NS-Regime als Juden definierte, waren schon deshalb zur Er- mordung vorgesehen und hatten kaum Überlebenschancen, wenn sie in die Hände des nationalsozialistischen Machtapparats fielen. In den Konzentrations- und Ver- nichtungslagern des Nazi-Faschismus wurden etwa sechs Millionen Menschen, viel- fach durch den Einsatz von Giftgas, ermordet. Konzentrations- und Vernichtungslager im von Nazi-Deutschland beherrschten Europa Antisemitismus heute Antisemitismus gilt auch nach dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust noch nicht als überwunden und tritt in unterschiedlichen Formen auf. Darunter fallen etwa die Leugnung der Shoah durch sogenannte „Revisionisten“ oder das Aufgreifen antise- mitischer Stereotype, die etwa das Bild einer angeblich „jüdisch dominierten“ Welt auf- greifen, deren Zentrum die US- amerikanische Ostküste sein soll. Immer wieder kommt es auch zu Übergriffen gegen Juden oder zur Schändung jüdischer Friedhöfe (siehe Bild). 15
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl Arbeitsauftrag 3 (Hausübung): Finde heraus, um welches Konzentrationslager es sich hier handelt und führe wichti- ge Informationen an. Arbeitsauftrag 4: Fülle diesen Fragebogen zum Thema Antisemitismus und Holocaust aus und ver- gleiche ihn mit deinem Nachbarn. 1. Was versteht man unter Antisemitismus? 2. Warum kam es im Mittelalter zu Vertreibungen von Juden? 16
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl 3. Was waren die Auswirkung des nazistischen Antisemitismus? 4. Was versteht man unter Holocaust? 5. Hast du schon Erfahrungen mit Judenfeindlichkeit gemacht? Wenn ja, welche? 17
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl Arbeitsauftrag 5 (Hausübung): Versetze dich in die Lage eines Juden und schildere deine Gefühle und Ansichten zu diesem Bild in einem kurzen Text. 18
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl 4. Einheit: Besichtigung der Synagoge Die alte Synagoge Die Errichtung der ersten Synagoge am Grieskai ist 1887 in Auftrag gegeben worden. Der damit beauftragte Architekt Maximilian Katschner hat einen quaderförmigen Back- steinbau entworfen, der von einer Kuppel ge- krönt war. Wie bereits oben erwähnt, ist dieser Bau 1938 eingeäschert und gesprengt worden. Die neue Synagoge Der Neubau der Synagoge ist erst 1998 vom Grazer Stadtparlament beschlossen worden. Dieser Neubau sollte keine Rekonstruktion der alten Synagoge sein, geich- zeitig sollte er aber einen Bezug zu dieser herstellen. Diese Verbindung zwischen alt und neu ist vor allem durch die Verwendung der alten Synagogenziegel geschaffen worden. Die Synagoge bietet etwa 150 Perso- nen Platz, im Untergeschoß findet sich ein Saal, der für Vorträge oder Ausstel- lungen der Kultusgemeinde genutzt wird. Übergeben ist der Neubau an die Kultusgemeinde am 9. November 2000 worden, als 62 Jahre nach der Zerstö- rung der letzten Synagoge. 19
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl 5. Einheit: Nachbesprechung, Nachbearbeitung Die Ergebnisse werden besprochen, zusammengefasst und gemeinsam verarbeitet. Mögliche Verarbeitungsformen: • Fotoreportage • Quiz bzw. Rätselblätter zu dieser Thematik • Fächerübergreifend mit Deutsch: Reportage, Berichte, Gedichte, Briefe, Tagebucheintrag etc. Schülerzeitschrift Buch: Anne Frank • Zusätzliche Informationen aus Internet oder Bibliothek beschaffen • Exkursion in das ehem. KZ Mauthausen 4. Weitere Besichtigungsmöglichkeiten / Arbeitsaufgaben zum Thema: Der jüdische Friedhof: (Wetzelsdorferstraße 33 - Ecke Alte Poststraße, 8020 Graz) Der Jüdische Friedhof Graz ist ein 1864/65 gegründeter jüdischer Fried- hof im heutigen Grazer Stadtteil Wetz- elsdorf. Er dient seit dieser Zeit als Hauptbegräbnisstätte der jüdischen Gemeinde in Graz. 1910 wurde auf dem Friedhofsgelände die Zeremo- nienhalle eingeweiht. Während der Novemberpogrome 1938 wurde die Leichenhalle am 10. November 1938 in Brand 20
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl gesetzt und zerstört. Das Gelände wurde enteignet und an die Stadt Graz verkauft. Mit Ausnahme der zerstörten Zeremonienhalle und weniger Gräber blieb der Friedhof jedoch bis Kriegsende erhalten und wurde 1946 an die Israelitische Kultusgemeinde restituiert. Am 11. November 1991 wurde im Anschluss an das "Bedenk-/Gedenkjahr 1938/88" eine neue Zeremonienhalle eröffnet. Ausstellung: Der Koffer der Adele Kurzweil Im Herbst 2009 findet die Ausstellung „Der Koffer der Adele Kurzweil in Graz statt. Der Inhalt dieser Ausstellung ist folgender: 1995 wurden geheimnisvolle Koffer ge- funden. Die Koffer erwiesen sich als die letzten Habseligkeiten der Grazer Familie Kurzweil, die 1938 vor den Nationalsozialisten nach Montauban emigrierte und im August 1942 in Auschwitz ermordet wurde... Ausgehend von diesem Projekt bietet die Israelitische Kultusgemeinde gemeinsam mit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus, interessierten Jugendlichen ab der 8. Schulstufe bzw. StudentInnen die Möglichkeit, an einer Projektfortführung teilzunehmen: Persönliche Lebensgeschichten um Flucht und Vertreibung aus dem Heimatland, Willkür und Verfolgung – Identitäten in unterschiedlichen Kulturkreisen – Aktuelle Gesetze zu Flucht und Migration, soziale Situation von MigrantInnen im Ver- gleich. Das Lesen verschiedener Schriften: Bsp.: Das kaiserliche Edikt aus dem Jahr 1496, mit welchem die Juden aus der Steiermark vertrieben wurden. KZ Mauthausen: Das KZ Mauthausen war das größte Konzentrationslager der Nationalsozialisten in den damaligen Donau- und Alpenreichsgauen, dem heutigen Österreich. Es befand sich in Mauthausen, 15 Kilometer östlich von Linz, und existierte vom 8. August 1938 bis zu seiner Befreiung durch US-amerikanische Truppen am 5. Mai 1945. Auf dem 21
Außerschulische Lernorte, VU, SS 2009 - Gugl Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers befindet sich heute eine Gedenkstät- te. 22
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