Synergieeffekte zwischen Musik und Kunst: Barockwerkstatt 2021

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Synergieeffekte zwischen Musik und Kunst: Barockwerkstatt 2021
Synergieeffekte zwischen Musik und Kunst: Barockwerkstatt 2021

Ordnung, Vanitas, Arkadien und Natur – diese Schlagworte nahmen im Rahmen der
diesjährigen Barockwerkstatt „Der barocke Garten als Symbol der Ordnung. Perspektiven
auf Musik, Architektur und Geschichte“ zwei Tage lang unsere Wohnheimzimmer,
Wohngemeinschaften und Ein-Zimmer-Wohnungen ein. Das hochschulübergreifende
Projekt der Universität Paderborn (Dr. des. Anna Ricke) mit der Musikwissenschaft der
Hochschule für Musik und Tanz Köln (HfMT, Prof. Dr. Sabine Meine) und die der Abteilung
Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln (Vertr.-Prof.
Dr. Daniel Buggert) kam in diesem Jahr in einem neuen, wenn auch durch die vergangenen
Monate vertrauten, Online-Format zusammen. Die Barockwerkstatt ist ein kooperatives
Lehrprojekt der Paderborner Arbeitsgruppe „Barock im Norden!“, die nun zum dritten Mal in
Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln stattfand. Die studentischen
Organisatorinnen Jenny Heilig und Anna Schneider haben das didaktische Konzept der
diesjährigen Barockwerkstatt nicht nur hinsichtlich des digitalen Aspekts grundlegend
verändert.

Im Workshop konnten pandemiebedingt nicht Barockgärten vor Ort studiert werden.
Stattdessen trafen wir uns in einem Zoom-Raum, der nach erster Betrachtung nicht viel mit
unserem eigentlichen Thema, dem Barockgarten, gemeinsam hatte – eine Problematik, die
deutlich spürbar war und thematisiert wurde. Anstatt sich jedoch von dem Gefühl der Distanz
schwächen zu lassen, sprachen wir darüber und betrachteten den Garten als Rückzugsort
– vor allem seit Beginn der Pandemie. Rückzugsorte wurden in den nächsten 48 Stunden
auch unsere interdisziplinären Gruppenräume, in denen wir, mit dem Auftrag, einen
achtminütigen Vortrag für die laufende Ringvorlesung Musikwissenschaft der HfMT Köln
zum Thema „Ins Offene! Die Kunst des Improvisierens“ vorzubereiten, in einen intensiven
fachübergreifenden Austausch traten. Wir lernten uns als Personen kennen und zugleich
die Termini der anderen Fachbereiche, mit denen selbstverständlich und notwendigerweise
umgegangen wurde. Die Gruppen untereinander entwickelten individuelle Dynamiken und
wir konnten dabei auf umfangreich fachspezifische Literatur, Noten, Aufnahmen, Bilder und
Podcasts    nutzen,    die   uns    unsere
Dozent*innen als Input bereit gestellt
hatten.

Als Grundlage unseres diesjährigen
Themas ist zu bedenken, dass es eine
Ordnung der Bereiche im Barockgarten
gibt, die durch Symmetrie und Axialität
charakterisiert ist. Für uns war dabei
besonders interessant, zu studieren, wie
sich Architektur und Musik in diesen
Ordnungen ergänzten und aufeinander
                                                                       Luca Helena Wielage | Ordnung
bezogen waren. Ebenso wie die Struktur
der Barockwerkstatt einer gewissen Ordnung unterlag, in der sich aber Freiräume zur
kreativen Gestaltung boten, fanden wir dieses Prinzip auch in der Ordnung des
Barockgartens. Neben der Symmetrie, die wir in allen Beispielen für Barockgärten, wie
auch etwa in barocken Arien wiederfanden, fielen uns die individuell gestalteten Boskette
ins Auge, die in ihrer Anordnung zwar auch symmetrisch waren, aber durch die
abweichende Bepflanzung ebenso Freiräume von der strikten Ordnung boten. Seitens der
Musik ergab sich innerhalb von Instrumentierungen ebenfalls eine feststehende Ordnung.
So wurde beispielsweise Göttlichkeit durch Trompeten, Krieg durch Schlagwerk und
Vogelgesang durch Flöten vermittelt. Die Musik fanden wir im Barockgarten an den
verschiedensten Orten und aus den unterschiedlichsten Perspektiven wieder. Der Garten
konnte ein zentraler Schauplatz und Handlungsort für die Musik sein und dadurch die
Darstellung unterstützen. Musik konnte im Hof, im Ballsaal, auf der Parterre oder auf einer
Heckenbühne stattfinden und im Zusammenspiel mit der architektonischen Gestaltung ihre
Wirkung und die des Garten-Settings verstärken. Die Ordnung des Barockgartens galt
zudem als Sinnbild für die göttliche Ordnung. Ein Motiv dieser Ordnung ist eine durch den
Garten verlaufende Mittelachse, die derart perspektivisch angelegt ist, dass sie den
Eindruck erweckt, den Horizont zu berühren. Sie symbolisierte auf diese Weise die göttlich
                                                 gestärkte Macht des absolutistischen
                                                 Herrschers.

                                                 Immer wieder entstanden in den Tagen der
                                                 Barockwerkstatt           Schwierigkeiten       –     so
                                                 schien         es    –,     die    verschiedenen
                                                 Fachbereiche und Sprachen miteinander
                                                 zu vereinen. Letztendlich konnten jedoch
                                                 die sich ergänzenden fachspezifischen
                                                 Perspektiven sinnvoll zusammengeführt
Luca Helena Wielage | Arkadien                   werden. Besonders bei der Gruppe, die
                                                 sich     mit        dem      Thema        „Arkadien“
auseinandersetzte, trat dieser Umstand hervor. Wir lernten dabei, dass im Barock das
Streben nach dem Idyllischen oder Natürlichen und einer Vereinigung zwischen Mensch,
Gott und Natur erwachte. Die Musik galt als Sinnbild für die Harmonie innerhalb dieser
Vereinigung. Der Wunsch nach einer zeit- und geschichtslos existierenden Idealwelt aus
mythischer Frühzeit, die von der Natur lebte, bekam somit auch in unseren Wohnräumen
und in unseren Diskussionen neue Bedeutungsebenen.

Im bewusst gesetzten Gegensatz zum
repräsentativen Barockgarten höfischer
Prägung zielte die Arbeit um die Motivik der
Vanitas räumlich, musikalisch und
architektonisch auf eine „Kürbishütte“: Die
kleine Gartenhütte in Königsberg war in der
Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der Pest und
Nöte der Treffpunkt der gleichnamigen Gruppe
von Künstler*innen um Heinrich Albert
(28.06.1604 - 06.10.1651).
                                                                                      Luca Helena Wielage | Vanitas
Die Arbeit der „Gesellschaft der Sterblichkeit Beflissener“, wie sie sich selbst nannten,
spiegelte das Alltagsleben und etablierte Vanitas als kollektives Lebensgefühl in ihren
Werken. In Heinrich Alberts Musiksammlung „Musikalische Kürbishütte“ aus dem Jahr
1641 ermahnte der personifizierte Kürbis selbst die Menschen vor ihrem Gedeih und
Verderben mit den Worten „Wenn der raue Herbst nun kommt, fall ich ab und muss
verderben. Wenn dein Ziel dir ist bestimmt, armer Mensch so musst du sterben“. Die
Motive der Vergänglichkeit des irdischen Vergnügens, des irdischen Wissens und von
irdischen Gütern und dem unvermeidlichen Tod fanden wir ebenfalls im Titelbild dieser
Musiksammlung, sowie in der Vanitas-Malerei. Unsere Arbeit an den Themen „Ordnung“
und „Vanitas“ im Barockgarten führte uns somit die Aspekte von Flüchtigkeit und zeitlicher
Verschiebung zwischen Garten, Musik und den nachhaltigen Akzenten der Architektur vor
Augen. Wir lernten voneinander, halfen uns gegenseitig und gingen Kompromisse ein.

                                                 Die Barockgärten sind, als Exempel einer
                                                 inszenierten Natur, streng geordnet und ein
                                                 Sinnbild eines absolutistischen Herrschers,
                                                 der dadurch seine Macht ausdrückt. Eine
                                                 Besonderheit stellten hierbei Windharfen,
                                                 Naturgrotten, Wasserorgeln und vor allem
                                                 Wasserspiele als Verbindung der Ebenen
                                                 von Bewegung und Klang dar. Das
                                                 Wasser,     ein   zentrales   Element      des
Luca Helena Wielage | Natur                      Gartens, wurde dazu gezielt eingesetzt. In
                                                 Georg Friedrich Händels bekannter Arie
„Augelletti, che cantate“ aus der Oper Rinaldo (UA 24.02.1711) besetzt mit Gesang,
Sopranblockflöte, Altblockflöte, Streicher und Basso Continuo, wurde die Natur als
Harmonie der Klänge von Vögeln und Menschen wahrnehmbar. Über dieses Beispiel hinaus
erfreute sich in dieser Zeit die Da-Capo-Arie großer Beliebtheit, da ein Wiederholungsteil
Raum für frei gestaltbare Koloraturen der Vogelimitation zugutekam und somit dem
barocken Publikum verdeutlichte, dass Kunst die Natur beherrschte und sublimierte.

Wie sich die Räume und Perspektiven unterschieden, die wir an diesen Projekttagen
erforscht haben, so unterschieden sich auch die Räume und Perspektiven, aus welchen wir
diese betrachteten. Unsere Gespräche lebten von den visuellen und auditiven
Synergieeffekten zwischen den Perspektiven der Kunsthistoriker*innen, Musiker*innen und
Musikwissenschaftler*innen. Die Barockwerkstatt vereinte an diesen Tagen eine
Hochschule, zwei Universitäten, drei Fachgebiete und zahlreiche Städte, aus denen wir
gemeinsam auf Barockgärten blickten.

Hannah Otto, Nele Schumacher
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