Testgelände für Partnerschaft mit der NATO - Friedenseinsätze lateinamerikanischer Streitkräfte - DMKN
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Testgelände für Partnerschaft mit der NATO Friedenseinsätze lateinamerikanischer Streitkräfte Sidney E. Dean Foto: NATO D reizehn lateinamerikanische Staaten beteiligen sich an internationalen Frie- denseinsätzen, humanitären Einsätzen oder multinationalen Einsätzen zur Sicherung der Meere. Häufige Einsatzorte sind Afrika und der Mittlere Osten. Das eingesetzte Personal variiert dem Auftrag entsprechend, von einer Handvoll Beobachter bis zu kompanie- und ba- taillonsstarken Einheiten samt Unterstützungs- truppen. Dem operativen Umfeld entsprechend werden primär Heerestruppen eingesetzt, doch auch Marinekräfte kommen zum Zug. Argentinien: Buenos Aires beteiligt sich an Besuch des damaligen kolumbianischen Staatspräsidenten Juan Santos Calderon im NATO- der UN-Friedenstruppe auf Zypern (zwei In- Hauptquartier, Mai 2018 fanteriekompanien zuzüglich Transporthub- schrauber) und entsendet Beobachter auf nalen Einsätzen. So stellte Brasilia von 2004 auch seine Marine im Rahmen internationa- die Sinai-Halbinsel, auf die Golanhöhen so- bis 2017 durchgängig das stärkste nationale ler Operationen ein. Seit 2011 entsendet das wie in die Westsahara. Argentinien entsand- Kontingent der UN-Stabilisierungsmission auf Land jährlich eine Fregatte zur Beteiligung te zwischen 1995 und 2004 auch Truppen zur Haiti (ein Infanteriebataillon und eine Pionier- an der UN-Friedenstruppe im Libanon. Ein Unterstützung des NATO-Stabilisierungsein- kompanie); das multinationale Kontingent, brasilianischer Konteradmiral war bereits satzes in Bosnien und unterstützte anschlie- das rund 5.000 Personen umfasste, wurde mehrmals Kommodore der UNIFIL Maritime ßend zeitweise die dortige EUFOR-Mission; ab bis zur Beendigung der Mission 2017 ständig Task Force. Auch außerhalb der UN-Ägide ist 1999 entsandten die Südamerikaner auch Sa- durch einen brasilianischen General geführt. das brasilianische Militär in Übersee aktiv. So nitätstruppen im Rahmen des NATO-Einsatzes Um die Entsendungskapazitäten des Lan- nimmt die Marine unter anderem an der jähr- im Kosovo. des noch zu steigern, optimiert das brasilia- lichen Übung Obangame Express im Golf von nische Heer derzeit ein für Friedenseinsätze Guinea teil; Ziel der gemeinsam mit US-ame- Brasilien: Als stärkste Militärmacht Latein- ausgerichtetes Bataillon; die Einheit soll 2022 rikanischen, europäischen und afrikanischen amerikas ist Brasilien erwartungsgemäß das einsatzbereit sein. Anders als die meisten la- Seestreitkräften durchgeführten Übungsrei- aktivste Land bei der Beteiligung an internatio- teinamerikanischen Staaten setzt Brasilien he ist die Förderung der Einsatzfähigkeit der Anrainerstaaten des Golfs. Foto: Kolumbianische Marine Chile: Auch Chile will die Beteiligung an UN- Einsätzen steigern. Santiago entsendet der- zeit Beobachter auf die Golanhöhen sowie kleine Gruppen mit jeweils rund 15 Perso- nen zur UN-Mission nach Zypern und zur Un- terstützung der EU-Mission in Bosnien. Von 1995 bis 2004 hatte Santiago bereits Trup- pen zur NATO-Stabilisierungsmission in Bos- nien abgestellt. El Salvador: San Salvador stellt Friedenstrup- pen für fünf UN-Missionen in Afrika und dem Mittleren Osten. Die größten Kontingente wurden nach Mali (rund 100 Infanteristen und eine Hubschrauberstaffel) und in den Libanon (ein Infanteriezug) entsandt. Guatemala: Guatemala beteiligt sich an sechs UN-Entsendungen in Afrika und im Li- Begegnung zwischen der kolumbianischen banon. Das größte Kontingent ist eine Spe- 7 De Agosto und er deutschen Erfurt bei der 34 Operation Atalanta 2015 MarineForum 9-2020
zialkräftekompanie in der Demokratischen Republik Kongo. Kolumbien: Bogota stellte im August 2015 ein Offshore-Patrouillenschiff (OPV) zur EU- geführten Anti-Piraterieoperation Atalanta und zur NATO-Operation Ocean Shield ab; im Rahmen der Entsendung in die Gewässer Foto: UN vor Somalia übte das kolumbianische Schiff ARC 7 de Agosto mit Einheiten der deutschen, spanischen und dänischen Marine. Im Januar Argentinische Friedenstruppen 2019 auf Zypern 2016 folgte eine Grundsatzvereinbarung mit Foto: UN der UN hinsichtlich der möglichen Teilnahme kolumbianischer Streitkräfte an Friedensmis- sionen. Bogota entsendet ein Infanterieba- taillon zur UN-Mission auf der Sinaihalbinsel. Mexiko: Vor fünf Jahren beschloss Mexi- ko die Ausweitung der militärischen Aus- landseinsätze, mit dem Schwerpunkt Frie- denseinsätze. Dabei wurde die Aufstellung eines hierauf ausgerichteten Bataillons mit Einsatzbereitschaft ab 2021 beschlossen. Ein Einsatzführungszentrum für humanitäre Entsendungen wurde 2019 eingerichtet; die Dienststelle soll die Koordinierung gemischter Friedenstruppen aus Uruguay schützen ein Dorf in der Demokratischen Republik Kongo zivil-militärischer Entsendungsgruppen über- nehmen und die vorbereitende Einsatzausbil- NATO Global Partners Einige lateinamerikanische Staaten streben dung des beteiligten Personals durchführen. Wie oben erläutert, gab und gibt es im Rah- die Anerkennung als NATO Global Partner an. Aufgrund verfassungsrechtlicher Einschrän- men der Friedens- und Sicherungseinsätze, an Bei den globalen Partnern handelt es sich um kungen hinsichtlich der Truppenentsendung denen sowohl lateinamerikanische Staaten Staaten außerhalb des geografischen Zustän- beteiligt sich Mexiko aktuell allerdings le- wie NATO-Staaten teilnehmen, des Öfteren digkeitsgebiets des Bündnisses, die dennoch diglich an der UN-Beobachtermission in der Gelegenheit zu Zusammenarbeit und Erfah- aus sicherheitspolitischen Gründen als Part- Westsahara. rungsaustausch. Hinzu kommt die Tatsache, ner in Frage kommen. Die Anerkennung ein- dass die meisten lateinamerikanischen Staaten zelner Staaten als globale Partner wurde auf Uruguay: Montevideos Militär beteiligt sich enge Ausbildungs- und Übungsvereinbarun- dem NATO-Gipfel in Lissabon im Jahr 2010 be- an vier UN-Einsätzen. Das größte Kontingent gen mit den US-Streitkräften und Kanada ha- schlossen. Diese flexible Partnerschaftspoli- umfasst rund 1.200 Soldaten für die Stabili- ben. In geringerem Umfang erfolgen auch mit tik wurde in den Folgemonaten ausgearbeitet sierungsmission in der Demokratischen Re- einigen europäischen Staaten gemeinsame und formell auf dem Berliner Außenminister- publik Kongo. Übungen und Ausbildungsprogramme, zudem treffen des Bündnisses im April 2011 verab- Hinzu kommen Bolivien, Ecuador, Hondu- gibt es operative Zusammenarbeit. Dies ge- schiedet. Ausgewählte Partnerstaaten können ras, Paraguay und Peru. Diese Länder betei- schieht etwa im Bereich der Drogenbekämp- sich damit an allen kooperativen Aktivitäten ligen sich mit einer sehr kleinen Anzahl Be- fung in der Karibik, an der sich Großbritannien, und Übungen des Bündnisses beteiligen. Die obachter an UN-Einsätzen in verschiedenen, Frankreich und die Niederlande aufgrund der Allianz kann nun ein tiefergreifendes Engage- zumeist afrikanischen Staaten. dortigen Besitzungen beteiligen. ment mit Staaten in allen Teilen der Welt su- chen, die einen wesentlichen Beitrag zur Si- Foto: UNIFIL cherheit leisten könnten. Vertrauensbildende Maßnahmen, stärkere Transparenz, Informa- tionsaustausch, und eine vertiefte praktische Zusammenarbeit mit den betreffenden Staa- ten werden möglich. Dies führt einerseits zum Ausbau des politischen Dialogs hinsichtlich ge- meinsamer Sicherheitsinteressen und anderer- seits zu praktischer Hilfe beim Ausbau der mili- tärischen Fähigkeiten der Partner, einschließlich deren Interoperabilität mit der NATO. Ein Ziel des Partnerschaftsprogramms ist der Ausbau der operativen Zusammenar- beit, einschließlich der Einbindung einzelner Partnerländer in NATO-Übungen und -Ein- sätze. Nach Angaben des NATO-Hauptquar- tiers vereinbaren die beteiligten Staaten mit dem Bündnis ein individuell konzipiertes Ko- operationsprogramm und wählen die Auf- Die brasilianische Fregatte ConstituiÇÃo war Flaggschiff der UNIFIL-Mission im Libanon gabenbereiche, auf denen sie aktiv mit der MarineForum 9-2020 35
NATO – zum gegenseitigen Nutzen – zusam- Kolumbien zieht bereits praktische Vor- NATO 2030 menarbeiten möchten. Die meisten globalen teile aus der Partnerschaft. Gemeinsame Partnerstaaten tragen aktiv zu NATO-geführ- Übungen und Ausbildungsmaßnahmen för- NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellt ten Operationen bei. In der Regel sind sie den dern die Interoperabilität mit dem Bündnis grundsätzlich auch weiteren lateinamerikani- NATO-Mitgliedern hinsichtlich der operativen und bewirken eine Steigerung der Einsatz- schen Staaten die Anerkennung als Partner in Einbindung gleichgestellt; dies erstreckt sich fähigkeit der kolumbianischen Streitkräfte. Aussicht. „Es ist durchaus möglich, auch weite- Kolumbianische Offiziere besuchen Lehr- re Partner aus Lateinamerika zu haben, [aber] Foto: US Navy gänge der NATO-Schule in Oberammergau der Wunsch müsste ausdrücklich von dem la- sowie das NATO Defense College in Rom. teinamerikanischen Land vorgetragen werden Bereits seit 2013 ist das kolumbianische Ver- [und] ausführlich durch die 29 Mitgliedsstaa- teidigungsministerium am Building Integri- ten untereinander diskutiert werden“, erklär- ty Program des Bündnisses beteiligt, um die te Stoltenberg im April 2019. Eine Aufnahme Einbindung demokratischer Normen wie po- dieser Staaten als vollwertige NATO-Mitglie- litische Verantwortlichkeit und Transparenz der bleibt allerdings bereits aufgrund der geo- zu festigen. grafischen Einschränkungen des NATO-Ab- Andererseits profitiert das Bündnis von kommens weiterhin ausgeschlossen, erklärte der langjährigen operativen Erfahrung Ko- Stoltenberg, nachdem US-Präsident Donald lumbiens in den Bereichen Minenräumung, Trump eine NATO-Mitgliedschaft Brasiliens Bekämpfung von improvisierten Spreng- vorgeschlagen hatte. sätzen sowie Bekämpfung von Insurgen- Auch vor kurzem wiederholte der General- Flusskampfeinsatz im Kolumbien ten und paramilitärischen Drogenkartellen sekretär die Bereitschaft des Bündnisses, wei- im Dschungel und auf See. Gegenwärtig tere globale Partner zu suchen, allerdings ohne Foto: Brasilianische Marine arbeiten beide Seiten noch aus, wie Ko- Lateinamerika ausdrücklich zu erwähnen. Am lumbien seine spezifischen Erfahrungen 8. Juni stellte Stoltenberg die Initiative NATO und Fähigkeiten am besten zur Unterstüt- 2030 vor. Die Initiative soll die sicherheitspoli- zung des Bündnisses einsetzen kann. Als tischen und gesellschaftlichen Entwicklungen erster Schritt wurde im März 2019 das in- der nächsten Jahre analysieren und Schlussfol- ternationale Minenräumzentrum Kolum- gerungen für die Interessen des Westens zie- biens (Columbian International Demining hen. Die Anpassung an die neuen Realitäten, Center, CIDES) in das Netzwerk der NATO- die sowohl wirtschaftliche wie militärische Be- Ausbildungsstätten integriert; NATO-Per- drohungen wie auch Pandemien und Klima- sonal erhält hierdurch Zugang zu den CI- wandel einschließen, erfordert unter anderem DES-Ausbildungsprogrammen. Im gleichen einen breiter gefächerten globalen Ansatz, er- Jahr wurde in Bogota ein Fortgeschritte- klärte Stoltenberg. Dieser globale Ansatz soll Brasilianische Blauhelme im Libanon nenseminar eingerichtet, um die Erfahrun- nicht in der geografischen Erweiterung der gen der kolumbianischen Streitkräfte bei militärischen Präsenz des Bündnisses mün- auch auf die Einbindung von Verbindungsof- der Bekämpfung der Piraterie und des ma- den, mahnte der Generalsekretär. Im Vorder- fizieren in den entsprechenden Planungsstä- ritimen Drogenschmuggels an die Partner grund liegt vielmehr die Erkenntnis, dass die ben im NATO-Hauptquartier. Allerdings kann zu vermitteln. Die Übertragbarkeit dieser nationalen Interessen und Sorgen der Natio- sich die Zusammenarbeit mit den einzelnen operativen Erfahrungen auf die Terrorbe- nen miteinander verknüpft sind. „Wenn wir globalen Partnern auch auf politische Zusam- kämpfung ist Bestandteil des Kurses. Richtung 2030 schauen, müssen wir noch en- menarbeit beschränken. Es besteht weder ei- Weitere gemeinsame Ansätze, die ver- ger mit gleichgesinnten Ländern [zusammen- ne Beistandsverpflichtung seitens der NATO folgt werden, sind die Stärkung der mariti- arbeiten], um die globalen Regeln und Institu- noch eine Verpflichtung zur Teilnahme an mi- men Interoperabilität und des Informations- tionen zu schützen, die jahrzehntelang unsere litärischen Operationen seitens der Partner. austauschs zwischen den Seestreitkräften Sicherheit gewährleisteten, um [zeitgerechte] Kolumbiens und der NATO-Staaten, sowie ge- Normen und Verhaltensregeln zu entwickeln Vorreiter Kolumbien meinsame Ansätze für den Schutz der Zivilbe- und letztendlich für eine auf Freiheit und De- völkerung (insbesondere Frauen und Kinder) mokratie beruhende Welt einzutreten“, erklär- Bislang genießen neun Staaten weltweit den im Rahmen von Friedenseinsätzen. te Stoltenberg. L Status eines NATO Global Partners. Der bisher Foto: Cotecmar einzige lateinamerikanische Staat in dieser Runde ist Kolumbien. Die Aufnahme des Lan- Flusskampfboot vom Typ LPR-40 des in den Club der globalen Partner wurde 2017, nach vierjährigen Verhandlungen, ver- einbart. Der damalige kolumbianische Staats- präsident Juan Santos Calderon betonte die Vorteile der „Akkreditierung“ in Brüssel. Er stellte eine Kooperation in den Bereichen maritime Sicherheit, Cybersicherheit sowie bei der Bekämpfung von Terrorismus und des internationalen Verbrechens in Aussicht. Der neue Status würde den internationalen Stel- lenwert und Einfluss steigern, erklärte Santos Ende Mai 2018 anlässlich seines Besuchs im NATO-Hauptquartier. 36 MarineForum 9-2020
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