Theoretischer Hintergrund und Evaluationsergebnisse - Verein Programm Klasse2000 e. V.
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Gesundheitsförderung in der Grundschule Gewaltvorbeugung und Suchtvorbeugung Verein Programm Klasse2000 e. V. Theoretischer Hintergrund und Evaluationsergebnisse Verein Programm Klasse2000 e. V. www.klasse2000.de
2 Ziele und Zielgruppe des Grundlagenpapiers 3 Einordnung der Begriffe 3 Gesundheit 3 Prävention 3 Salutogenese 4 Gesundheitsförderung 4 Lebenskompetenzen 5 Psychologische Theorien als Grundlage der Programmkonzeption 6 Die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und die „Theorie des Problemverhaltens“ 6 Risiko- und Schutzfaktorenmodell 7 Sozial-kognitive Lerntheorie und Theorie des geplanten Verhaltens 7 Selbstmanagement-Ansatz 8 Theorie der sozialen Informationsverarbeitung 8 Was kennzeichnet ein wirksames Präventionsprogramm? - Empirische Befunde und die Umsetzung im Programm Klasse2000 9 Frühzeitiger Beginn 9 Methodisch-didaktisches Konzept und praktische Umsetzung 9 Intensität und konzepttreue Umsetzung in der Praxis 10 Klasse2000: die wichtigsten Evaluationsergebnisse 11 Wirksamkeit von Klasse2000 11 Konzept und Praktikabilität – die Sicht der Lehrkräfte 12 Eltern als Partner schulischer Gesundheitsförderung 12 Die Umsetzung in der Praxis 13 Literatur 15 Impressum: Herausgeber: Verein Programm Klasse2000 e. V., Feldgasse 37, 90489 Nürnberg, www.klasse2000.de, E-Mail: info@klasse2000.de Verantwortlich: Thomas Duprée, Geschäftsführer, Autorinnen: Prof. Dr. Christina Storck, Dipl.-Psych. Sabine Beer Nürnberg: Verein Programm Klasse2000 e. V., 3. Auflage Januar 2013, Alle Rechte vorbehalten.
Begriffe zur Gesundheitsförderung 3 Ziele und Zielgruppe des Grundlagenpapiers Ein Qualitätskriterium präventiver Maßnahmen ist ihr Dieses Grundlagenpapier zum Programm Klasse2000 theoretischer Hintergrund. Die inhaltliche und metho- verfolgt zwei Ziele: Zum einen sollen in kurzen ver- dische Ausgestaltung des Programms sollte sich an ständlichen Erklärungen Begriffe aus dem Themen- wissenschaftlichen Theorien und Erkenntnissen orien- spektrum der Prävention und Gesundheitsförderung tieren. Die Programmkonzeption wird dabei explizit beschrieben werden. Zum anderen soll die theoretische anhand des aktuellen Forschungsstands begründet und empirische Begründung von Klasse2000 aufge- und weist eine Stringenz zwischen wissenschaftlicher zeigt und anhand von Beispielen aus dem Programm Begründung und inhaltlicher Ausgestaltung auf. Ist veranschaulicht werden. Das Papier richtet sich damit diese „Passung“ von Ergebnissen der Grundlagen vor allem an Gesundheitsförderer und Lehrkräfte, die forschung und Programmkonzeption gegeben, so mit der Umsetzung von Klasse2000 befasst sind. Es bezeichnet man dies als „Research-Based-Practice“. zeichnet das „theoretische Gerüst“ von Klasse2000, um den Aufbau und die Inhalte des Programms für die An- wender schlüssig und nachvollziehbar zu begründen. Einordnung der Begriffe Gesundheit, Gesundheitsförderung, Salutogenese, Prävention und Lebenskompetenzen Gesundheit: Prävention: Einen wesentlichen Impuls für die Entwicklung einer Unter Prävention versteht man die Verhütung von konzeptionellen Grundlage für Theorie und Praxis der Krankheiten. Sie kann sowohl auf die allgemeine Gesundheitsförderung bildet die WHO-Definition von Bevölkerung (universelle Prävention), auf Risiko Gesundheit (World Health Organization, 1946). gruppen (selektive Prävention) oder auf Personen mit Gesundheit wird als der „Zustand des vollständigen bereits existierenden manifesten Problemen (indizierte körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“ Prävention) abzielen. Prävention und Gesundheits bezeichnet. Obwohl diese Definition in der Folgezeit förderung wurden häufig synonym gebraucht. In häufig kritisiert wurde, war sie wegweisend aufgrund zwischen hat sich jedoch ein differenziertes Ver zweier fundamentaler Neuerungen: zum einen dem ständnis durchgesetzt, demzufolge das Konzept der positiven Gesundheitsverständnis (im Gegensatz zur Gesundheitsförderung immer eine Verknüpfung von „Abwesenheit von Krankheit“) und zum anderen der „Verhaltensprävention“ (Beeinflussung individuellen Erweiterung um die psychische und um die soziale Handelns) mit „Verhältnisprävention“ (Einwirken auf Dimension. Sie kennzeichnet damit die Abkehr von die Lebens- und Umweltbedingungen, s.u.) darstellt. einer rein biomedizinischen Sichtweise.
4 Begriffe zur Gesundheitsförderung Salutogenese: Gesundheitsförderung: Ab den 80er Jahren wurde die einseitige Orientierung Im Begriff der „Gesundheitsförderung“ kommen das an Krankheiten und Risikofaktoren durch den saluto e rweiterte Gesundheitsverständnis sowie der Blick auf genetischen Ansatz abgelöst. Diesen kennzeichnet die die gesamte Bevölkerung in ihren alltäglichen Lebens- Orientierung an der Entwicklung und der Förderung zusammenhängen zum Ausdruck. Gesundheitsförde- von Gesundheit und er folgt somit einem positiven rung wendet sich an alle Personen einer bestimmten Gesundheitsverständnis, demzufolge Gesundheit mehr Gruppe (z.B. eine Schulklasse), ohne dass bestimmte umfasst als die Abwesenheit von Krankheit. Das ur- Risikobedingungen der Einzelnen berücksichtigt wer- sprünglich von Antonovsky (1979) formulierte Konzept den. Der Begriff wurde in der Ottawa-Charta von 1986 lenkt den Blick auf Fähigkeiten, die dem Menschen geprägt und kennzeichnet eine sozial-ökologische helfen, mit biologischen, psychischen und sozialen Wende der Prävention (WHO, 1986): In der Vision, dass alle ihre Gesundheit selbstbestimmt fördern können, wurde der Schwerpunkt präventiver Arbeit auf die Gestaltung von Lebenswelten und Lebensräumen (Setting-Ansatz) gesetzt. Gesundheitsförderung ver- folgt dabei zwei Ziele: die Entwicklung von Persönlich- keit und sozialen Kompetenzen und die Gestaltung von Lebenswelten, wie Schule und Elternhaus. Auf die Primärprävention bezogen bedeutet diese Sichtweise eine Abkehr von der defizitorientierten Ge- sundheitserziehung der 70er Jahre, die bestimmt war durch eine „Pädagogik des erhobenen Zeigefingers“. Klasse2000 vermittelt den Kindern eine positive Ein- stellung zur Gesundheit und zum eigenen Körper und stärkt das Vertrauen der Kinder in die Möglichkeiten, selbst etwas für die Gesundheit zu tun. Dabei wird in Anlehnung an die WHO-Definition ein umfassendes Verständnis von Gesundheit zugrunde gelegt, welches Von der Gesundheitserziehung zur Gesundheitsförderung: In den 80er Jahren wurde die einseitige Krankheitsorientierung durch eine Gesundheits orientierung (Salutogenetische Perspektive) abgelöst. Gleichzeitig rückte die Gestaltung gesundheitsfördernder sozialer Verhältnisse (Verhältnisprävention) stärker in den Blick. elastungen umzugehen. Sind ausreichend Bewälti- B gungskompetenzen vorhanden, so bildet sich ein so Gesundheitsförderung verfolgt zwei genannter „Kohärenzsinn“ heraus, der als ein positives, grundlegende Ziele: aktives Selbstbild verstanden werden kann und die 1) die Förderung von Kompetenzen, um alle Gewissheit beinhaltet, sich selbst und die eigenen Menschen zur Stärkung ihrer Gesundheit zu Lebensbedingungen steuern und gestalten zu können befähigen und (Selbstwirksamkeit). 2) die Schaffung von gesundheitsfördernden Lebenswelten.
5 Lebenskompetenzen: sowohl körperliche als auch emotionale und soziale „Lebenskompetenzen sind diejenigen Fähigkeiten, die Komponenten des Wohlbefindens einbezieht. einen angemessenen Umgang sowohl mit unseren Mit- Obwohl Klasse2000 grundsätzlich dem verhaltensprä- menschen als auch mit Problemen und Stresssituati- ventiven Ansatz zuzuordnen ist, folgt das Konzept dem onen im alltäglichen Leben ermöglichen.“ So definiert Grundverständnis der Gesundheitsförderung. Die Maß- die World Health Organization den Begriff und nennt nahmen finden in Vernetzung mit der zentralen Le- insgesamt zehn zentrale Fertigkeiten (WHO, 1994; siehe benswelt der Kinder statt und werden in den normalen unten). In einer Vielzahl unabhängiger Studien, vorwie- Unterricht integriert. Über die Einbindung der Eltern gend aus dem US-amerikanischen Raum, haben sich und die konzeptuelle Unterstützung der Schulleiter Programme zur Förderung von Lebenskompetenzen als durch einen Leitfaden zur Schulentwicklung der erfolgreichste Ansatz der Suchtprävention heraus- („Schule2020“) gibt Klasse2000 über die verhaltensbe- gestellt. Diesem Ansatz liegen das Risiko- und Schutz- zogene Ebene hinaus Impulse ins schulische Setting. faktorenmodell sowie die Theorie des Problemver- haltens zugrunde. Man geht davon aus, dass einige riskante Verhaltensweisen von den gleichen Faktoren verursacht werden. Gut ausgebildete persönliche und soziale Kompetenzen verringern die Wahrscheinlichkeit von z.B. Substanzkonsum und Gewalt. Lebenskompetent ist, wer: • durchdachte Entscheidungen trifft, • erfolgreich Probleme löst, • kreativ denkt, • kritisch denkt, • effektiv kommuniziert, • Beziehungen führen kann, • sich seiner selbst bewusst ist, • sich in Andere einfühlt, • mit Gefühlen umgehen und • Stress bewältigen kann. Definition 10 zentraler „Life Skills“, WHO (1994)
6 Theoretischer Hintergrund Gesundheit von Kindern Psychologische Theorien und Jugendlichen in als Grundlage der Deutschland Programmkonzeption In regelmäßigen Abständen werden vom Robert Koch- Was muss ein Präventionsprogramm leisten, damit Kin- Institut (z.B. KiGGS-Studie) und von der Bundeszen- der gesund aufwachsen? Theorien und Modelle der trale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Studien Grundlagenforschung geben Aufschluss über Ursachen durchgeführt, um den Gesundheitszustand und den und Entwicklungsbedingungen von Ziel- und Risikover- Drogenkonsum von Kindern und Jugendlichen in haltensweisen. Sie liefern damit Hinweise für die kon- Deutschland zu ermitteln. Die Ergebnisse der Studien zeptionelle Ausgestaltung von Programmen. werden u.a. auf den Internetseiten der beiden Instituti- Im Folgenden werden theoretische Modelle vorgestellt, onen veröffentlicht. die der Konzeption von Klasse2000 zugrunde liegen. Die konkrete Umsetzung im Programm wird anhand • 14,2 % der 12- bis 17-Jährigen trinken regelmäßig von Beispielen aufgezeigt. (mindestens einmal die Woche) Alkohol. 15,2 % der 12- bis 17-Jährigen praktizieren mindestens einmal im Monat Rauschtrinken (mind. fünf Gläser Alkohol Die Bewältigung von Entwicklungs hintereinander), bei den männlichen 16- und aufgaben und die „Theorie des 17-Jährigen sind es 45,0 % (BZgA, 2012). Problemverhaltens“: • 11,7 % der 12- bis 17-Jährigen rauchen (BZgA, Kinder und Jugendliche bewältigen beim Aufwachsen 2012). altersspezifische Anforderungen, die als „Entwicklungs- aufgaben“ bezeichnet werden (Havinghurst, 1972; • 15 % aller Kinder im Grundschulalter sind laut Reese & Silbereisen, 2001). Hierzu gehören beispiels- KiGGS-Studie übergewichtig, 6,4 % so stark, dass weise das Wissen darüber, wer man ist und was man das Übergewicht als Krankheit betrachtet und be- will, der Aufbau von Freundschaften und die Entwick- handelt werden muss (Kurth & Schaffrath Rosario, lung von Werten und Normen. Kinder lernen Verhal- 2007). tensweisen, die ihnen Spaß und Genuss verschaffen, • Mehr als 20 % aller Kinder und Jugendlichen im Spannung und Entspannung sowie Akzeptanz und Zu- Alter von 7 bis 17 Jahren zeigen laut KiGGS-Studie gehörigkeitsgefühl. Abweichende Verhaltensweisen Hinweise auf psychische Auffälligkeiten. Am häu- können als misslungene Auseinandersetzung mit den figsten sind Störungen des Sozialverhaltens (Gewalt Aufgaben der jeweiligen Lernphase betrachtet werden. und/oder aufsässiges Verhalten), Ängste und Die „Theorie des Problemverhaltens“ (Jessor & Jessor, Depressionen (Ravens-Sieberer et al., 2007). 1977) greift diese Sichtweise auf: sie erklärt Problem- Das „Jahrbuch Sucht“ der Deutschen Hauptstelle für verhalten funktional als den Versuch, bestimmte Ziele Suchtfragen e. V. fasst jährlich die aktuellen Statistiken zu erreichen, die anders scheinbar unerreichbar sind. zum Konsum von Alkohol, Tabak, Arzneimitteln, illega- Ein Beispiel: Substanzmittelkonsum kann als bewusste len Drogen sowie zu Glücksspiel und Essstörungen Demonstration der Unabhängigkeit von den Eltern und zusammen. In Deutschland werden pro Einwohner im der Zugehörigkeit zu Gleichaltrigen gesehen werden. In Jahr über 9 Liter Alkohol konsumiert und über 1000 der Suche nach neuen Erfahrungen werden psychoak- Zigaretten geraucht. Das Alter bei Alkoholerstkonsum tive Substanzen (z.B. Alkohol oder Tabak) ausprobiert, liegt bei durchschnittlich 13 Jahren. die zum Ausdruck eines persönlichen Lebensstils wer- den. Gleichzeitig wird durch den Konsum ein Vermei- dungsverhalten eingeübt, um sozialen Belastungen und Förderung von Kompetenzen zur Bewältigung Überforderungen kurzfristig auszuweichen. von Entwicklungsaufgaben bei Klasse2000: Den beiden Ansätzen zufolge muss es schulischer Ge- sundheitsförderung gelingen, „das Lebensgefühl Heran- • Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung Anderer wachsender, das weniger an gesundheitlichem Vorsor- („KLARO der Gefühleforscher“, „So fühlen sich geverhalten als vielmehr an der Befriedigung expres- Gefühle an“, „Empathieübungen“) siver und sozialer Bedürfnisse orientiert ist, anzuspre- • Effektive Kommunikation chen.“ (Bölcskei et al. 1997). Ziel ist der Aufbau von z.B. Zuhören und Sprechen („Kreisgespräche“, Kompetenzen, die hilfreich sind für die Bewältigung „Wir verstehen uns“), eigene Bedürfnisse und von Entwicklungsaufgaben. Lebenskompetenzpro- Gefühle mitteilen („Ich-Botschaften“) gramme berücksichtigen diese Erkenntnisse, indem sie umfassend allgemeine Kompetenzen fördern, nicht nur • Problemlösen und Stressbewältigung die, die direkt mit Problemverhalten verbunden sind. z.B. „KLAROs Zauberformel“, Atmen und Entspannung
7 Sozial-kognitive Lerntheorie und Theorie des geplanten Verhaltens: Verhaltensweisen werden durch Beobachtung von Handlungen Anderer erworben. Darauf aufbauend ent- wickeln Menschen Erwartungen über die Konsequenzen ihres eigenen Verhaltens. Für die Praxis der Gesund- heitsförderung bedeutet dies, dass es wichtig ist, glaubwürdige und attraktive Vorbilder zu vermitteln. Aus der Sozialen Lerntheorie heraus entwickelte sich auch das Konzept der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1986; 1997). Es bezeichnet die Erwartung, aufgrund ei- Risiko- und Schutzfaktorenmodell: gener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolg- Das Risikofaktorenmodell wurde Anfang der 60er Jahre reich ausführen zu können. Die Stärkung der gesund- entwickelt und beeinflusst noch heute die Konzeption heitsbezogenen Selbstwirksamkeit ist eine wichtige von Präventionsmaßnahmen. In wissenschaftlichen Un- Wirkungskomponente des Programms Klasse2000. Po- tersuchungen wurden Faktoren ermittelt, die mit ge- sitive Konsequenzen gesundheitsbewussten Verhaltens sundheitsschädigendem Verhalten gemeinsam auftreten. werden aufgezeigt und „erlebbar“ gemacht. In Verhal- Risikofaktoren erhöhen und Schutzfaktoren senken die tensübungen werden eine Vielzahl gesundheitsför- Wahrscheinlichkeit dieser Verhaltensweisen. Beispiels- dernder Verhaltensweisen ausprobiert und gefestigt, so weise sind ein geringer Selbstwert sowie fehlende Be- dass die Kinder Zutrauen bekommen, diese auch im wältigungsstrategien Risikofaktoren für den ersten Sub- Alltag einzusetzen. stanzkonsum (Petraitis et al., 1998). Die Fähigkeit zum Die „Theorie des geplanten Verhaltens“ (Ajzen, 1985, Nein-Sagen und eine hohe Einschätzung der eigenen 1991) beschreibt den Zusammenhang von Einstellung Standfestigkeit können dagegen als protektive Faktoren und Verhalten. Die Absicht zu konsumieren hängt von die Wahrscheinlichkeit eines Substanzkonsums senken. vier Faktoren ab (vgl. Bühler & Kröger 2006): Beispiels- Eng verwandt ist das Konzept der „Resilienz“ (Luthar, weise trinkt ein Jugendlicher Alkohol, wenn er erwartet, Cicchetti & Becker, 2000). Es beschreibt, wie sich Indivi- duen mit denkbar schlechten Ausgangschancen den- Durch die Soziale Lerntheorie und die noch kompetent und funktional verhalten können. Theorie des geplanten Verhaltens begründete Inhalte und Methoden bei Klasse2000 Risiko- und Schutzfaktoren bei Klasse2000 (Beispiele): Schutzfaktoren stärken (Beispiele): Suchtspezifische Elemente: • Nein-Sagen („Nein darf sein“) • Information über die Wirkung von Substanzen („Informationen über Rauchen und Alkohol- • Gesundheitsbewusstsein (eigenen Trinken“) Körper kennen lernen, Achtsamkeit) • Aufbau realistischer Normen Risikofaktoren schwächen (Beispiele): („Umfrage zum Rauchen und Alkohol-Trinken“) • Mediendarstellung von Konsum • Kritische Bewertung („Glück und Werbung“) („Ich entscheide mich“) • Bullying im Klassenverband • Stärkung der Selbstwirksamkeit abstinent zu (z.B. „Zusammen sind wir stark“) bleiben (z.B. „Ich verpflichte mich“) Interaktive / verhaltensbezogene Methoden: • Lernen am Modell / Rollenspiele („Gruppendruck“, „Nein darf sein“) • Verhaltensvertrag („Ich entscheide mich“)
8 dadurch lockerer zu werden (positive Wirkerwartung), wenn dies wichtig für ihn ist (subjektiver Wert), wenn er glaubt, dass „Sich-Betrinken“ auf einer Party normal ist (Normerwartungen) und wenn er weiß, wie er die- sen Rauschzustand erreichen kann (hohe Selbstwirk- samkeit hinsichtlich des Konsumverhaltens). Das Alko- holtrinken auf einer Party wurde durch die Beobach- tung Anderer „am Modell“ gelernt und wird sozial ver- stärkt. Die Theorien liefern konkrete Hinweise, welche Inhalte und welche Methoden entscheidend sind: Wichtig sind korrekte Informationen über die Wirkung von Substanzen, deren kritische Bewertung, die Korrek- tur verzerrter Normerwartungen und die Stärkung der Theorie der sozialen Informations Selbstwirksamkeit abstinent zu bleiben. Letztere wird verarbeitung methodisch durch einen konkreten Verhaltensvertrag unterstützt. In Rollenspielen können Selbstbehauptung Aggressives Verhalten bei Kindern kann durch das Mo- und das Ablehnen von Konsumangeboten am Modell dell der sozialen Informationsverarbeitung (Crick & gelernt und selbst geübt werden. Durch Lob und Aner- Dodge, 1994) erklärt werden: Zuerst erfolgt in einer kennung der Mitschüler und der Lehrkraft wird das ge- sozialen Situation die Wahrnehmung der Situation, an- lernte Verhalten sozial verstärkt. schließend die Interpretation der damit erhaltenen In- formationen und deren Bewertung, dann die Reakti- Selbstmanagement-Ansatz: onssuche im eigenen Verhaltensrepertoire. Aus den verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten wird die optimal Gesundheitsförderung vermittelt Kindern Fähigkeiten, erscheinende Verhaltensweise ausgewählt und umge- um selbstbestimmt Verantwortung für ihre eigene Ge- setzt. sundheit zu übernehmen. Wenn Kinder verstehen, wa- Aggressive Kinder schätzen die Situation häufiger als rum sie bestimmte Gefühle haben oder ein bestimmtes andere Kindern als bedrohlich oder feindselig ein, sie Verhalten ausüben, können sie für sich selbst Lösungs- haben relativ wenig Handlungsalternativen zur Verfü- möglichkeiten und Verhaltensalternativen entwickeln. gung und bevorzugen gewalttätige Lösungen. Des Wei- In Programmen werden verhaltenstherapeutische Tech- teren nehmen sie negative Konsequenzen ihrer Hand- niken und Prinzipien, wie Selbstbeobachtung, Selbstbe- lung für sich und andere nicht oder zu wenig wahr. wertung und Selbstverstärkung (vgl. Kanfer, Reinecker Entsprechend ist es im Bereich der Gewaltprävention & Schmelzer, 1991) eingesetzt. Sie erhöhen die Wahr- wichtig, mit den Kindern soziale Situationen zu bespre- scheinlichkeit, dass das im Programm gelernte Verhal- chen, Interpretations- und Reaktionsmöglichkeiten zu ten in den Alltag übertragen wird. erörtern und den Bereich Empathie zu fördern. Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Elemente zur Gewaltvorbeugung bei Selbstverstärkung bei Klasse2000: Klasse2000 (Beispiele): • Selbständiger Einsatz von Entspannungsverfahren: • Wahrnehmen und Benennen von Gefühlen „KLARO-Atmung: Atemprotokoll“, „Die längste („KLARO der Gefühleforscher“) Entspannung der Welt – Schlafprotokoll“ • Förderung des Einfühlungsvermögens • Modifikation von Ernährungsgewohnheiten: („Empathie-Übungen I und II“) „KLAROs Pausen-Check“ • Erlernen eines effektiven Problemlöseverhaltens • Modifikation von Medien- oder Süßigkeitenkonsum: („KLAROs Zauberformel“) „Experiment zur Unabhängigkeit“ mit Wochen • Formulieren von Ich-Botschaften protokoll („Geschichten zum Wütend-Werden“) • Selbstverpflichtung zur Abstinenz: • Förderung von Kooperation und Teamfähigkeit „Ich verpflichte mich“ mit Verhaltensvertrag („Zusammen sind wir stark“)
Klasse2000 – Wirkfaktoren 9 Was kennzeichnet ein wirksames Präventionsprogramm? - Empirische Befunde und die Umsetzung im Programm Klasse2000 Wissenschaftliche Übersichtsarbeiten und Metaanaly- sen geben Aufschluss darüber, welche Kriterien ein ef- fektives Präventionsprogramm kennzeichnen. Unter- sucht werden auch Faktoren, die die Effektivität schu- lischer Programme beeinflussen und moderieren kön- nen. Ergebnisse zum Konsum und zur Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen (z.B. Tabak oder Alkohol), zur Entstehung und Vermeidung von Gewalt sowie zum Thema Gesundheit (v.a. Ernährung, Bewegung und Ent- spannung) ergänzen den Wissensstand, der – neben ei- genen Evaluationsergebnissen – als Grundlage für eine fortwährende Überarbeitung und Verbesserung des Klasse2000-Unterrichtskonzepts dient. Als erfolgversprechende Präventionsprogramme gelten strukturierte, fähigkeitsorientierte und interaktive Pro- werden. Hier kann Prävention einen Beitrag zur Ver- gramme, die konkrete Verhaltensweisen vermitteln und minderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesund- einüben (Beelmann, 2006). Wichtig für die Wirksamkeit heitschancen leisten (vgl. Storck, Duprée & Bölcskei, des Programms erscheinen auch die konzepttreue Um- 2008). setzung sowie das Engagement der Trainer. Weitere Wirkfaktoren sind die theoretische Fundiertheit des Methodisch-didaktisches Konzept und Programms, die Langfristigkeit des Programms, die praktische Umsetzung Ressourcen- und Defizitorientierung, die kulturelle An- passung, die Strukturiertheit und gleichzeitige Variabili- Die Unterrichtsinhalte im Klasse2000-Programm wer- tät des Programms und die Bereitschaft der Klientel den erlebnis- und handlungsorientiert vermittelt. Dabei (Röhrle, 2007). werden konsequent interaktive Methoden eingesetzt, die im Modell der sozialen Beeinflussung (s.o.) begrün- Frühzeitiger Beginn det sind und bei denen ein Austausch der Schüler un- tereinander angeregt wird. Im Gegensatz zu nicht-in- Empfohlen wird der Einsatz suchtpräventiver Maßnah- teraktiven Programmen können Programme mit einem men spätestens ab dem fünften Lebensjahr (Künzel- interaktiven Vermittlungsstil nicht nur Wissenseffekte, Böhmer, Bühringer & Janik-Konecny, 1993). Die Not- sondern auch Effekte auf die Einstellungen und das wendigkeit, frühzeitig mit Maßnahmen der Primärprä- Verhalten nachweisen. Einen Transfer in den Alltag er- vention zu beginnen, wird durch epidemiologische Da- möglichen verhaltensbezogene Strategien wie bei- ten untermauert. Beispielsweise sammelt ein nicht un- spielsweise Rollenspiele, Verstärkereinsatz oder Verhal- erheblicher Anteil der Kinder erste Erfahrungen mit tensverträge. Der Einsatz professioneller Gesundheits- dem Rauchen bereits in der Grundschulzeit (Hanewin- förderer ist effektiver als die Durchführung von Lehre- kel, 2003). Je früher der Konsum von Alkohol oder Zi- rinnen und Lehrern allein. Strukturierte Manuale erhö- garetten begonnen wird, desto höher ist die Wahr- hen die Konsistenz der Programmdurchführung und scheinlichkeit eines späteren Missbrauchs (vgl. Kröger tragen dadurch ebenfalls zur Qualitätssicherung bei et al., 1999). Auch die Prävalenz von Übergewicht führt (vgl. Bühler & Heppekausen, 2005). uns vor Augen, wie wichtig es ist, frühzeitig präventiv zu wirken. Der KIGGS-Studie zufolge sind bereits 15% aller Grundschulkinder in Deutschland übergewichtig (Kurth & Schaffrath Rosario, 2007). Der Beginn in der Grundschule ist auch aus einem an- deren Grund von Bedeutung. Im Setting der Grund- schule besteht die Möglichkeit, alle Kinder gleicherma- ßen zu erreichen, unabhängig von ihrer sozialen Her- kunft und zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kinder noch nicht durch unterschiedliche Schulformen selektiert
10 Klasse2000 – Wirkfaktoren Intensität und konzepttreue Umsetzung in der Praxis Klasse2000 – Profil und Vorteile Die Intensität des Programms ist ein wichtiger Faktor für die Effektivität. Eine Metaanalyse kam zu dem Gesundheits- „Alles ist drin“: und Lebenskompetenzen, Ergebnis, dass interaktive Programme mit einer Länge von mehr als 10 Stunden erfolgreicher wa- Sucht- und Gewaltprävention, Bewegung, Ernährung ren als kürzere Programme (Tobler & Stratton, 1997; Tobler et al, 2002). Dabei müssen minde- Durchführung im Team: Lehrer und externe Experten stens 60% der Inhalte an die Kinder vermittelt Wundissenschaftliche Überarbeitung Fundierung, laufende Evaluation werden (Botvin, Baker & Dusenbury, 1995). Im Klasse2000-Unterrichtskonzept sind jährlich 12- 15 Unterrichtsstunden vorgesehen. Eine bundes- Kontinuierliche intensive Durchführung in der breiten Praxis weite Lehrerbefragung konnte zeigen, dass die Geringer Zusatzaufwand für die Lehrkräfte Lehrkräfte im Durchschnitt 75% der Inhalte umset- zen (Storck, Duprée & Bölcskei, 2007). Die Umsetzung Detaillierte Manuale und Bereitstellung von Materialien von Klasse2000 erfolgt zudem kontinuierlich über vier Jahre der Grundschulzeit. Studien haben gezeigt, dass Maßnahmen, die über einen längeren Zeitraum erfol- gen kurzen, intensiven Maßnahmen (z.B. Projektwo- chen) überlegen sind (Bühler & Heppekausen, 2005).
Klasse2000 – die wichtigsten Evaluationsergebnisse 11 Klasse2000: die wichtigsten Evaluationsergebnisse Das Klasse2000-Programm wird fortlaufend evaluiert, Über die Grundschulzeit hinaus vom Verein Programm Klasse2000 e. V. oder von ande- • Frühere Klasse2000-Schüler sahen mehr Möglich- ren Institutionen. In jedem Schuljahr beantworten keiten, selbst etwas für ihre Gesundheit zu tun Schüler, Eltern, Lehrer oder Gesundheitsförderer Fra- (6. Klasse). Als eine konkrete Möglichkeit, gesund zu gebögen über ihre Zufriedenheit mit unterschiedlichen bleiben, nannten sie häufiger die Ernährung (6. und Aspekten des Programms. Diese Studien belegen die 7. Klasse). hohe Zustimmung aller Beteiligten. So erreichte das Klasse2000-Konzept bei Klassenlehrern Zustimmungs- • In der Klasse2000-Gruppe hatte ein geringerer Anteil quoten (Beurteilung „sehr gut“ oder „gut“) je nach der Schüler schon einmal geraucht (6. und 7. Klasse). Jahrgangsstufe von bis zu 89%. Die Fragebogenerhe- • Frühere Klasse2000-Schüler waren gegenüber bungen bilden zudem eine wichtige Grundlage für die Zigarettenangeboten von Freunden weniger Überarbeitung und Verbesserung des Programms. empfänglich (6. Klasse). Wirksamkeit von Klasse2000 • In der Klasse2000-Gruppe hatte ein geringerer Prozentsatz der Schüler schon einmal Alkohol Die Wirkung von Klasse2000 ist durch eine langjährige getrunken (6. Klasse). Evaluationsstudie (Isensee & Hanewinkel, 2009; Maruska • Unter den bereits Alkohol konsumierenden Jugend- et al., 2010, Maruska et al., 2012) belegt: Die Studie lichen (7. Klasse) gab es in der Klasse2000-Gruppe wurde durchgeführt vom IFT-Nord als vierjährige Kon- signifikant weniger Jugendliche mit hohem Alkohol- trollgruppenstudie mit Messwiederholung (Initiale Stich- konsum und Trunkenheitserfahrungen. probengröße zur Baseline: 119 Grundschulklassen, N=2059; Stichprobengröße am Ende der 4. Klasse: • Frühere Klasse2000-Schüler nahmen zur Bewältigung N=1333) und schriftliche Nachbefragungen in der 6. von Stress tendenziell häufiger soziale Unterstützung Klasse (N=501) und 7. Klasse (N=408). Die Finanzierung in Anspruch. Bei der Verarbeitung unangenehmer erfolgte von 2005-2008 durch die AOK Hessen, 2009 Gefühle versuchten sie tendenziell häufiger, das zu- und 2011 durch den Verein Programm Klasse2000 e. V. grundeliegende Problem kognitiv zu lösen (7. Klasse). Zu allen Befragungszeitpunkten wurden Klasse2000- Kinder mit einer Kontrollgruppe verglichen, die nicht Schlussfolgerungen am Programm teilnahm. Die Teilnahme am Unterrichtsprogramm Klasse2000 Ergebnisse führt zu positiven Effekten bei Schülerinnen und Schülern, Klassen und Schulen, v.a. im Bereich Substanz Die Ergebnisse belegen die positive Wirkung von konsum. Das Unterrichtsprogramm zeichnet sich zudem Klasse2000: durch eine hohe Praxistauglichkeit aus, und der Einsatz In der Grundschulzeit von Klasse2000 ist häufig Anstoß für weitere Initiativen zur Gesundheitsförderung in der Schule. • Klasse2000-Kinder verfügten über größeres Wissen im Bereich Gesundheit. Lebenszeitprävalenz und Inzidenz des Rauchens • Klasse2000-Kinder waren stärker davon überzeugt, im 7. Schuljahr selbst etwas für ihre Gesundheit tun zu können. Prozent 25 • Problematische Verhaltensweisen nahmen bei ehemalige Klasse2000-Kinder Kontrollgruppe Klasse2000-Kindern tendenziell stärker ab (z. B. 20 19,7 mangelndes Selbstwertgefühl). 15,1 15 • Klasse2000-Kinder hatten seltener mit dem p=0,00 a p=0,01 a Substanzkonsum begonnen. 10 7,9 • Das Klassenklima entwickelte sich in Klasse2000- 5,7 Klassen positiver. 5 • Klasse2000 initiierte weitere Maßnahmen zur 0 Gesundheitsförderung in teilnehmenden Schulen. Lebenszeitprävalenz: Inzidenz: seit Ende der 4.Klasse mind. einmal geraucht mit dem Rauchen begonnen a kontrolliert nach Alter, Geschlecht und Schultyp
12 Klasse2000 – die wichtigsten Evaluationsergebnisse Konsummenge, Trunkenheitserfahrung und Binge drinking unter den Alkohol-Konsumenten im 7. Schuljahr Prozent 60 ehemalige Klasse2000-Kinder Kontrollgruppe 50 48,2 40 p=0,04 a 30 25,9 25,9 eine hohe Akzeptanz seitens der Lehrkräfte. Die durch- 21,4 schnittlichen Urteile lagen für das Unterrichtskonzept 20 a a und die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsförderern p=0,05 p=0,03 10 im oberen Skalenbereich, wobei Lehrer aus „Brenn- 3,6 3,6 punkt-Schulen“ Konzept und Arbeitsmaterialien noch 0 Konsummenge Trunkenheitserfahrung Binge drinking positiver bewerteten als ihre Kollegen. Sie beurteilten (regelmäßig mind. 3-4 alkoholische Getränke) (mind. einmal) (mind. einmal 5 und mehr alkoholische Getränke) die durch die Gesundheitsförderer abgehaltenen Unter- a kontrolliert nach Alter, Geschlecht und Schultyp richtsstunden kritischer, gaben jedoch häufiger als ihre Kollegen an, von der Zusammenarbeit mit den externen Experten zu profitieren. Die Befunde zeigen, dass das Konzept und Praktikabilität – die Sicht der Programm Klasse2000 an „Brennpunkt-Schulen“ er- Lehrkräfte folgreich implementiert wird und den besonderen Im Schuljahr 2005/06 wurden alle teilnehmenden Bedürfnissen der Zielgruppe gerecht wird (Storck, Lehrkräfte zu ihren Erfahrungen mit dem Programm Duprée & Bölcskei, 2008). Klasse2000 befragt (n = 3756, Rücklauf = 41,3%; vgl. Storck, Duprée & Bölcskei, 2008). Gegenstand der Eltern als Partner schulischer Gesund- Befragung war die Akzeptanz und Praktikabilität des heitsförderung neu überarbeiteten Unterrichtskonzepts sowie die Durchführungs- und Konzepttreue der Umsetzung. Ausgehend von der grundlegenden Bedeutung der Darüber hinaus wurde die Qualität der Kooperation mit Eltern-Kind-Beziehungen für die kindliche Entwicklung den Gesundheitsförderern aus Sicht der Lehrkräfte wird bei Klasse2000 ein besonderer Fokus auf die Ein- differenziert erfasst. Auf einer fünfstufigen Skala von bindung der Eltern gelegt. Eine Fragebogenerhebung 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“) bewerteten die bei 1430 Eltern in Hessen mit Kindern in der 2. Jahr- Lehrkräfte das Unterrichtskonzept mit 1,9. Die Koope- gangsstufe zeigte (Kraus, Duprée & Bölcskei, 2003), ration mit den Gesundheitsförderern wurde sehr posi- dass die überwiegende Mehrheit der Schüler (90%) zu tiv gesehen. 86% der Lehrkräfte bewerteten die Zu- Hause von Klasse2000 berichtete. Die Kinder initiierten sammenarbeit mit „sehr gut“ oder „gut“, rund 75% zudem vielfach Gespräche mit den Eltern über die im gaben an, von dieser Zusammenarbeit zu profitieren. Unterricht behandelten Gesundheitsthemen. Die unter- Nach Einschätzung der Lehrkräfte stammten 24% der schiedlichen Klasse2000-Informationsmaterialien wur- teilnehmenden Klassen aus einem „sozialen Brenn- den von 77% der Eltern zur Kenntnis genommen und punkt“. Dieser Prozentsatz war in der Gruppe, die vier in der Regel mit Interesse gelesen. Spezifische Informa- Jahren zuvor mit dem Programm begonnen hatte, am tionen zum Programminhalt waren für die Eltern wich- geringsten, in der 1. Jahrgangsstufe mit 24,9% am tiger als allgemeine Anregungen. Väter nahmen die höchsten. Dies bedeutet, dass der Anteil an Klassen aus Unterlagen jedoch deutlich seltener zur Kenntnis als » einem sozialen Brennpunkt in diesen Jahren kontinuier- Mütter. Einladungen zu speziellen Informationsabenden lich gesteigert werden konnte. Die Ergebnisse belegen nahmen rund 80% der Eltern an. Mehr als 82% der Teilnehmer ließen sich dabei von Klasse2000 überzeu- gen. Die Teilnahme am Elternabend erhöhte auch die Ein effektives Präventionsprogramm Bereitschaft zu einem finanziellen Engagement. in der Schule ist eine der kosteneffek- Die Umsetzung in der Praxis tivsten Maßnahmen, die eine Nation Ein Programm kann noch so gut konzipiert sein, ent- scheidend für die Wirkung ist die konzepttreue Umset- treffen kann, um gleichzeitig die « zung in der Praxis. Damit diese gelingen kann, ist es notwendig, dass sich das Konzept in stimmiger Weise Bildung und die Gesundheit ihrer in das schulische Setting einfügen lässt. Nur wenn die Kinder zu fördern. Ziele der Bildungsinstitution Schule mit denen des Prä- ventionsprogramms übereinstimmen, wird das Projekt Dr. Gro Harlem Brundtland nicht als „zusätzlicher Aufwand“ empfunden, sondern WHO Generaldirektorin, 2002 lässt sich als intensiver und wertvoller Baustein im
Klasse2000 – die wichtigsten Evaluationsergebnisse 13 schulischen Bildungsprozess verankern. Die Akzeptanz bei, eine kontinuierliche konzepttreue Durchführung zu und Praktikabilität des Konzepts im schulischen Alltag gewährleisten. bildet die Grundlage dafür, dass sich die Wirkung des Im Schuljahr 2009/10 wurden bundesweit die Lehrer Programms entfalten kann. Viele Anforderungen, die der 4. Klassen aller beteiligten Schulen zum Programm im Bildungs- bzw. Erziehungsauftrag der Schule im allgemein und zur Umsetzung und Bewertung des Schulgesetz verankert sind, finden sich in den Inhalten überarbeiteten Programms für die 4. Jahrgangsstufe von Klasse2000 wieder. So bildet beispielsweise die befragt (Beer, 2011). Die Antworten (N = 1036) zeigten Kommunikationsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, eigene eine sehr hohe Zufriedenheit der Lehrer mit den neu Gedanken und Ideen anderen transparent zu machen, überarbeiteten Klasse2000-Stunden, sie bewerteten aber auch die Fähigkeit, sich in die Gedankenwelt ande- das Programm mit einem Wert von 1,90 auf einer fünf- rer hinein versetzen zu können, zentrale Pfeiler des stufigen Skala von 1 („sehr gut“) bis 5 („mangelhaft“). Bildungsbegriffs und damit eine wichtige Basis für alle Besonders positiv wurde erneut die Zusammenarbeit weitergehenden Aspekte der Bildung, wie moralisches mit den Gesundheitsförderern angesehen (1,51). Denken und Handeln, Kreativität oder instrumentelle 95,5% der Lehrer meinten, dass die Kinder von den Fertigkeiten. Somit „lohnt sich“ die Förderung von Besuchen der Gesundheitsförderer profitieren. Die Lebenskompetenzen nicht nur im Hinblick auf die Ge- Beurteilung der Unterrichtsziele erfolgte im Durch- sundheit, sondern auch zur Wegbereitung von Lernpro- schnitt mit 1,66. Die Arbeitsmaterialien wurden mit zessen. Die Klasse2000-Inhalte sind allesamt in den 1,94 und das methodisch-didaktische Vorgehen mit Lehr- und Bildungsplänen abgebildet. Durch die Teil- 1,99 bewertet. nahme am Programm erfahren Lehrkräfte durch detail- lierte Unterrichtsvorschläge und attraktive Materialien Zufriedenheit der Schulleitungen mit dem wissenschaftlich fundierte Unterstützung in der Um- Programm setzung. Durch die Zusammenarbeit mit den externen Fachkräften bekommen die Inhalte einen besonderen Im Schuljahr 2008/09 wurden bundesweit die Schullei- Stellenwert – auch bei den Kindern. Mehr als 80% der ter aller beteiligten Schulen zu Akzeptanz und Durch- teilnehmenden Lehrkräfte schätzen insbesondere dieses führung des Programms befragt (Beer, 2012). Die Ant- Element und geben an, persönlich von der Zusammen- worten (N=2153) zeigten ebenfalls eine sehr hohe Zu- arbeit zu profitieren (Storck, Duprée & Bölcskei, 2007). friedenheit der Schulleiter mit dem Programm Zur Erfassung der Vollständigkeit der Programmum Klasse2000, sie bewerteten das Programm mit einem setzung wurden Lehrkräfte aus vier Jahrgangsstufen Wert von 1,79 auf einer fünfstufigen Skala von 1 („sehr retrospektiv befragt (Storck, Duprée & Bölcskei, 2007). gut“) bis 5 („mangelhaft“). Besonders positiv wurde Die Ergebnisse zeigen eine kontinuierlich hohe Umset- auch hier mit einem Wert von 1,63 die Zusammenar- zung, am höchsten in der 1. und 4. Jahrgangsstufe. Im beit mit den Gesundheitsförderern angesehen und da- Durchschnitt wurden 75% der Programminhalte von mit eine Besonderheit, die Klasse2000 von anderen den Lehrkräften durchgeführt. Mehr als 80% der Schü- Programmen unterscheidet. Der hohe Anteil an Brenn- lerinnen und Schüler waren aktiv in den Klasse2000- punktschulen (25,6%) zeigt, dass Klasse2000 die be- Unterricht eingebunden. Rund 80% der Lehrkräfte sonders wichtigen Zielgruppen erreicht. Die Höhe des hielten sich bei der Umsetzung des Programms voll- Patenschaftsbetrages (zu diesem Zeitpunkt 220 Euro ständig oder weitgehend an das vorgegebene Konzept. pro Klasse und Schuljahr) wurde von der Mehrheit der Einige Programmkomponenten wurden zum regelmä- Schulleiter (58%) für angemessen gehalten. Insgesamt ßigen Bestandteil des Schulalltags. So wurden die Be- wurden 94,4% der beteiligten Schulen bei der Finanzie- wegungspausen in den ersten beiden Jahrgangsstufen rung des Programms unterstützt. Dabei kam die größte von 84-87% der Lehrkräfte eingesetzt, in bis zu 83% Hilfestellung von den Lions Clubs (54,8%), gefolgt von der Klassen fanden die Bewegungspausen Eingang in den Eltern der jeweiligen Klasse (41,5%) und den För- den Klassenalltag. dervereinen der Schulen (23,2%). 28,7% der Schulleiter Um ein Präventionsprogramm langfristig in den Schul- strebten eine Zertifizierung als „Klasse2000“-Schule an. alltag zu implementieren ist es notwendig, dauerhaft Die Broschüre „Schule 2020“ (Konzept und Tipps zur Impulse zur Aufrechterhaltung einer konzepttreuen Schulentwicklung) wurde mit gut (1,98) bewertet. Sie Umsetzung zu setzen sowie Akzeptanz und Praktika war für die Mehrheit (58,6%) eine Hilfestellung, für bilität zu überprüfen. Insgesamt trägt die Kooperation 11,9% sogar der entscheidende Anstoß auf dem Weg von Lehrern und Gesundheitsförderern besonders dazu zur Gesundheitsfördernden Schule.
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Paten-Bereichen „Firma“ (27,8%), „Privatperson“ de/uploads/pdf/berichtschulleiter-befragung-06-10.pdf [14.11.2013] (15,2%) oder „Lions Club“ (11,8%). Der Schulbereich Beer, S. (2011). Bundesweite Befragung teilnehmender Lehrer der insgesamt (Eltern, Schule, Förderverein) nahm 20,5% 4. Klassen im Schuljahr 2009/10. Verein Programm Klasse2000 e. V., ein. Nürnberg. Verfügbar unter: http://klasse2000.de/uploads/pdf/kurz- berichtlehrerbefragung4.klasse-mai-2011.doc.pdf [14.11.2013] • Von den Lions-Clubs wurden im Durchschnitt sieben Beer, S. (2012). Bundesweite Befragung der Klasse2000-Paten. Patenschaften, vom Patenbereich „Firma“ drei Paten- Verein Programm Klasse2000 e. V., Nürnberg. Verfügbar unter: schaften und vom Bereich „Privatperson“ eine Paten- http://klasse2000.de/downloads/bericht_patenbefragung-2011_ schaft übernommen. final.pdf [14.11.2013] Bölcskei, P.L., Hörmann, A., Hollederer, A., Jordan, S. & Fenzel, • Als Motiv stand mit 81,3% an erster Stelle der H. (1997). Suchtprävention an Schulen. Besondere Aspekte des Wunsch, die Gesundheit von Kindern zu fördern, zu Nikotinabusus. Prävention und Rehabilitation, 9, 82 - 88. 57,4% sollte eine Schule vor Ort unterstützt werden. Botvin, G.J., Baker, E., Dusenbury, L. et al. (1995). Long-term • 87,5% der Paten hielten den Patenschaftsbetrag in follow-up of a randomized drug abuse prevention trial in a white middle-class population. JAMA, 207, 1106-1112. Höhe von 220 Euro pro Schuljahr und Klasse für Bühler, A. & Kröger, Ch. (2006). Expertise zur Prävention des angemessen. Substanzmissbrauchs. Forschung und Praxis der Gesundheitsförde- • In erster Linie hatten die Paten über die Schulen von rung, Band 29. Köln: BZgA. Klasse2000 erfahren (59,3%). Bühler, A., Heppekausen, K. (2005). Gesundheitsförderung durch Lebenskompetenzprogramme in Deutschland. Grundlagen und kom- • 89,9% der Paten hielten den Kontakt zur geförderten mentierte Übersicht. Gesundheitsförderung konkret 6, Köln: BZgA. Klasse bzw. Schule für ausreichend. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2012). Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland • Die befragten Paten würden zu 97,6% Klasse2000 2011. Teilband Rauchen. Köln: BZgA. weiterempfehlen. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2012). Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2011. Der Konsum von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen: aktuelle Die Ergebnisse zeigen, dass die Klasse2000-Paten über- Verbreitung und Trends. Köln: BZgA. wiegend sehr zufrieden mit dem Programm und den Crick, N.R. & Dodge, K.A. (1994). A review and reformulation of formalen Abläufen waren. Die Lions Clubs bleiben die social information-processing mechanisms in children´s social wichtigste Unterstützergruppe. Immer mehr Paten adjustment. Psychological Bulletin, 115, 74-101. werden aber auch über die Schulen gewonnen, was Cuijpers, P. (2002). 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Gesundheitsförderung in der Grundschule Gewaltvorbeugung und Suchtvorbeugung Klasse2000 – stark und gesund in der Grundschule Klasse2000 ist das in Deutschland am weitesten verbreitete Unterrichtsprogramm zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltvorbeugung. Es begleitet Kinder von Klasse 1-4. Lehrkräfte und speziell geschulte Klasse2000- Gesundheitsförderer gestalten pro Schuljahr ca. 15 Unterrichtseinheiten zu den wichtigsten Gesundheits- und Lebenskompetenzen: • Gesund essen & trinken • Bewegen & entspannen • Sich selbst mögen & Freunde haben • Probleme & Konflikte lösen • Kritisch denken & Nein sagen, z. B. zu Alkohol und Tabak. Vielfältige Methoden, Spiele, die Besuche der Gesundheitsförderer und interessante Materialien - z. B. Atemtrainer, Taschenhirn und Gefühlebuch - begeistern die Kinder für das Thema Gesundheit. Das Programm wird laufend aktualisiert. Seine positive Wirkung ist wissenschaftlich belegt: Ehemalige Klasse2000-Kinder haben auch noch am Ende der 7. Klasse seltener schon einmal geraucht und konsumieren weniger Alkohol als Jugendliche, die nicht an dem Programm teilgenommen haben. Träger von Klasse2000 ist ein gemeinnütziger Verein. Das Programm wird über Spenden finanziert, meist in Form von Patenschaften für einzelne Klassen (200 € pro Klasse und Schuljahr). Wichtigste Unterstützergruppe sind die Lions Clubs in Deutschland. Kontakt Dipl.-Psych. Sabine Beer Verein Programm Klasse2000 e. V. Feldgasse 37 • 90489 Nürnberg Tel.: (0911) 89 121 18 Fax: (0911) 89 121 30 E-Mail: sabine.beer@klasse2000.de www.klasse2000.de
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