Trotz Knietotalprothese schmerzt das Knie - was nun?
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praxis Trotz Knietotalprothese schmerzt das Knie – was nun? Michael T. Hirschmann Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Kantonsspital Baselland, Bruderholz lichen oder postoperativ neu aufgetretenen Kniegelenks- beschwerden durch degenerative Veränderungen des Quintessenz Hüftgelenks oder der Lendenwirbelsäule verursacht [1, 6]. P Bei ungefähr einem Drittel aller Patienten nach Knieprothesen-Opera- Patienten, die sich in der Spezialsprechstunde «Die tion finden sich persistierende oder wiederkehrende Schmerzen und/oder schmerzhafte Knieprothese» vorstellen, benötigen auch eine Unzufriedenheit. deshalb eine sehr ausgiebige, individuell zugeschnittene, sowohl klinische als auch radiologische Diagnostik. Nur P Klinisch zeigt sich ein sehr komplexes und individuell sehr unterschied- liches Beschwerdebild. Die diagnostische Abklärung ist schwierig und dann ist es möglich, die Ursache(n) der Beschwerden zu sollte durch einen in der Knieprothetik spezialisierten Orthopäden erfolgen. erkennen und eine optimale Therapie einzuleiten. P Nur wenn die Ursache(n) der Beschwerden erkannt werden, besteht Aussicht auf eine Besserung, unabhängig davon, ob konservativ oder Anamnese operativ therapiert wird. Eine detaillierte Anamnese bildet neben der klinischen Untersuchung den Grundpfeiler jeder diagnostischen Die Implantation einer Knietotalprothese gilt allgemein Abklärung [1]. Ziel der Anamnese ist es, sich einen Ein- als sehr erfolgreiche Operation zur Behandlung einer blick in den zeitlichen Verlauf der vier Hauptsymptome fortgeschrittenen Arthrose des Kniegelenks [1]. Die (Schmerz, Instabilität, Steifheit und Schwellung) zu ver- meisten Patienten sind postoperativ mit dem Ergebnis schaffen. Entscheidende Fragen und Punkte der Ana- zufrieden und schmerzfrei [1–3]. Im Durchschnitt zeigen mnese sind in Tabelle 1 p zusammengefasst. diese eine gute Funktion für alltägliche und in vielen Austritts-, Sprechstunden- oder Operationsberichte, die Fällen auch sportliche Belastungen [1]. Allerdings exis- Auskunft über die Voranamnese, vorherige Behandlung, tiert eine nicht unerhebliche Anzahl von Patienten, die Diagnosen und Operationen geben können, sollten in nach einer Knietotalprothese (Knie-TP) nicht zufrieden die Sprechstunde des Spezialisten mitgebracht werden. sind. Diese 20–30% aller operierten Patienten klagen Vor allem die Operationsberichte geben dem Spezialisten typischerweise über persistierende oder wiederkehrende Auskunft über den Prothesentyp, das Design und das Schmerzen, ein Instabilitätsgefühl, eine Schwellneigung zugrundeliegende mechanische Konzept der Kniepro- oder ein in der Beweglichkeit eingeschränktes, steifes these als auch dessen Verankerungsprinzip (zementiert Kniegelenk [1, 4–6]. versus unzementiert). Die initial gestellte Indikation zur Implantation einer Knie-TP sollte in Frage gestellt werden, da es erwiesen Ursachen ist, dass Patienten, die nur eine geringgradige Arthrose oder Osteonekrose aufweisen, schlechtere Ergebnisse Die Ursachen für die Beschwerden des Patienten nach zeigen können. Könnte es sein, dass die nun beklagten Knie-TP sind mannigfaltig, können einzeln oder in Kom- Beschwerden schon vor der Knieprothesen-Operation so bination verantwortlich sein. Generell lassen sich arti- bestanden haben und eigentlich eine andere Ursache kuläre von extraartikulären Ursachen abgrenzen [1]. Zu oder ein anderes Gelenk dafür verantwortlich waren den häufigsten artikulären Ursachen gehören eine Infek- resp. sind? tion, die Instabilität, die Prothesen-Fehlpositionierung, die aseptische Lockerung (Abb. 1 x), eine Arthrofibrose (Abb. 2 x), Probleme des Streckapparats und ein Im- Klinische Diagnostik Michael T. pingement der umliegenden Weichteile [1]. Zu den extra- Hirschmann artikulären Ursachen zählen typischerweise vaskuläre Die klinische Diagnostik ist der zweite Grundpfeiler der (z.B. tiefe Beinvenenthrombose, arterielle Verschluss- diagnostischen Abklärung [1]. Die in der Anamnese ge- Der Autor hat krankheit) oder neurologische Ursachen (z.B. Spinalka- wonnenen Informationen und Verdachtsdiagnosen gilt es keine finanzielle nalstenose, Neurom des R. infrapatellaris des N. saphe- nun einzugrenzen. Passt das klinische Bild zu der in der Unterstützung und keine Interessen- nus, komplexes regionales Schmerzsyndrom) [1, 6]. Die Anamnese gestellten Verdachtsdiagnose? Die klinische konflikte im jeweiligen Beschwerden können zudem durch psycho- Untersuchung lässt sich in Inspektion, Palpation und Zusammenhang logische Faktoren wie Angst, Depression oder die Er- klinische Tests unterteilen. mit diesem Beitrag wartungshaltung des Patienten beeinflusst oder sogar Die erste Beurteilung des Kniegelenks erfolgt bereits, deklariert. verursacht sein [1]. Nicht selten werden die ursprüng- während der Patient das Untersuchungszimmer betritt; Schweiz Med Forum 2013;13(22):427–431 427
praxis Abbildung 1 Abbildung 2 Intraoperatives Bild eines Kniegelenks mit ausgeprägtem Metall- und Polyethylenabrieb Erkennbares Streckdefizit eines Patienten mit Arthrofibrose nach Implantation einer Teilprothese des Kniegelenks. nach totalem Kniegelenksersatz rechts. die betroffene Seite sollte jeweils mit der «normalen», unbetroffenen Seite verglichen werden. So werden hier bereits ein ausgeprägtes O- oder X-Bein oder ein Schon- Tabelle 1 oder Enlastungshinken erkannt. Durch den Zehenspit- Entscheidende Fragen und Punkte der Anamnese. zen- als auch Fersengang lassen sich eine Instabilität Schmerz Charakter des Schmerzes (dumpf, stechend, ziehend, brennend)? oder eine Überstreckbarkeit ausmachen. Die Inspektion des Patienten beginnt im Stehen mit der Intensität des Schmerzes? Beurteilung der Narben sowie der Rötung, Schwellung Dauer des Schmerzes (Dauerschmerz versus kommenden und möglicher Verfärbungen am und um das Kniege- und gehenden Schmerz)? lenk. Es stellt sich hier die Frage nach dem verwendeten Belastungsabhängiger Schmerz versus Ruheschmerz? Zugang. Je nach Zugang sind unterschiedliche Kompli- Ort und Ausstrahlung des Schmerzes? kationen möglich (z.B. Irritation des R. infrapatellaris Abschwächende, verstärkende und auslösende Faktoren? des N. saphenus bei parapatellär medialem Zugang). Zeitpunkt des ersten Auftretens der Beschwerden? Das Wissen um den verwendeten Zugang und die prä- Welche Schmerzen bestanden vor der Knieprothese? und postoperativ bestehende Beinachse kann einen Hin- weis auf einen ausreichendes oder insuffizientes Lösen Sind die aktuellen Schmerzen anders als vor der Operation? der Weichteile geben. Schmerzen beim Gehen auf ebener Fläche? Die Höhe und Zentrierung der Kniescheibe im Stehen Schmerzen beim Treppensteigen? deuten im Seitenvergleich auf eine mögliche Insuffizienz Vollständige Medikamentenanamnese des Streckapparats (Quadrizeps- und Patellarsehne) Schwellneigung Handelt es sich um einen permanenten oder belastungs- oder eine veränderte Führung der Kniescheibe hin abhängigen Erguss? (Abb. 3 x). Abschwächende, verstärkende und auslösende Faktoren? Mit einer eingehenden und strukturierten Palpation, mit der alle tastbaren anatomischen Landmarken er- Zeitpunkt des ersten Auftretens der Beschwerden? tastet werden, lässt sich eine lokale Überwärmung als Schwellneigung vor der Knieprothesen-Operation? Zeichen eines persistierenden Reizzustands oder einer Hinweis auf rheumatologische Grunderkrankung? Infektion erkennen. Die Palpation wird statisch und wäh- Steifheit Genaue Beschreibung des steifen Gefühls rend Flexions-Extensions-Bewegungen des Kniegelenks Abschwächende, verstärkende und auslösende Faktoren? durchgeführt, um auch dynamische Pathologien wie ein Zeitpunkt des ersten Auftretens der Beschwerden? Tractus- oder Popliteus-Schnappen zu erkennen. Sie um- fasst alle tastbaren knöchernen und ligamentären Land- Wie war die Beweglichkeit vor der Knieprothese? marken. Instabilität Abschwächende, verstärkende und auslösende Faktoren? Gefühlsstörungen sowie das Tinel-Zeichen mit Angabe Bei welchen Belastungen und Bewegungen wird das Knie von elektrisierenden, brennenden Schmerzen können nicht als stabil empfunden? auf neurologische Probleme hinweisen. Verspüren Sie ein «Klacken» bei Belastung? Die Beweglichkeitsprüfung sollte immer aktiv und passiv Instabil beim Gehen auf ebener Fläche? anhand der Neutral-Null-Methode dokumentiert werden. Instabil beim Treppensteigen? Gleichzeitig wird hier der Lauf der Patella und deren War das Knie vor der Knieprothese stabil? Verschieblichkeit nach medial und lateral in unterschied- lichen Beugegraden erfasst. Es lassen sich neben einer Schweiz Med Forum 2013;13(22):427–431 428
praxis einteilen [7]. Die Frühinfektion tritt innerhalb der ersten drei Monate nach Implantation der Knieprothese auf und ist im Allgemeinen durch die Primäroperation bedingt. Die verspätete Infektion erfolgt zwischen drei Monaten und zwei Jahren nach Knie-TP. In der Regel sind hierfür weniger virulente Keime wie Propionibacterium acnes und Staphylococcus epidermidis verantwortlich. Spätinfektio- nen erfolgen hämatogen, später als 24 Monate nach Knie- TP. Der häufigste Keim ist Staphylococcus aureus [8]. Am besten orientiert man sich bei der Diagnostik einer Infektion an den aktuellen Richtlinien der American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS) [9–11]. Ge- mäss dieser Richtlinien ist dann von einer periprotheti- schen Infektion zu sprechen, wenn entweder eine Fistel zum Gelenk vorliegt oder ein Keim eindeutig in zwei se- paraten Gelenk-Biopsien oder -Punktaten nachgewiesen wurde. Folgende Kriterien werden genannt: 1. Erhöhte Blutsenkung oder C-reaktives Protein (CRP kann im Falle eines Low-grade-Infekts auch normal sein!) 2. Erhöhte Zahl der synovialen weissen Blutkörperchen 3. Erhöhter Anteil an Neutrophilen in Synovialflüssigkeit 4. Eiter im Gelenk 5. Identifikation von Keimen in einer Kultur aus Punktat oder Biopsie. Wenn BSG und/oder CRP positiv sind, sollte im Antibio- tika-freien Fenster (mindestens 14 Tage) entweder unter sterilen Kautelen eine Punktion oder eine arthroskopi- sche Biopsieentnahme erfolgen. Es sollten aus unserer Sicht mindestens drei Biopsien zur bakteriologischen und eine zur histologischen Aufarbeitung entnommen Abbildung 3 werden. Es ist zu betonen, dass oberflächliche Abstriche Persistierende Schmerzen im Knie rechts bei tiefstehender Kniescheibe (Patella baja) mit patellärer Überlastung bei Knietotalprothese rechts. in der Diagnostik keine Rolle mehr spielen sollten [12]. femoralen oder tibialen Fehlrotation eine Fehlpositio- nierung der Patellakomponente oder auch ein «Overstuf- Radiologische Diagnostik fing» des patellofemoralen Gelenks vermuten. Die Stabilitätsbeurteilung unter Varus-Valgus-Stress er- Allein aufgrund der Anamnese und klinischen Untersu- folgt in Strecknähe sowie in 30°- und 90°-Beugung. Mit chung ist es meist schwierig, klar zwischen den verschie- viel klinischer Erfahrung lässt sich eine Fehlbalancierung denen Ursachen zu unterschieden, die eine Revision der von Flexions- und Extensionsspalt ausmachen, der beim Knie-TP notwendig machen oder konservativ therapiert Patienten zu einer Instabilität vor allem in Beugung führt. werden können [1, 2]. Die radiologische Diagnostik kann Ein instabiles Gefühl beim Treppensteigen kann auf eine hier, wenn richtig durchgeführt, entscheidende zusätz- Instabilität in anterior-posteriorer Richtung hinweisen. liche Informationen liefern. Abschliessend bleibt festzuhalten, dass immer die an- grenzenden Gelenke (Hüftgelenk, Sprunggelenk und lum- Röntgen bale Wirbelsäule) mit zu untersuchen sind, um nicht eine Konventionelle Projektionsradiographien gelten als pri- von einem angrenzenden Gelenk ausgehende Patho- märe Bildgebung der Wahl [1, 2, 13–15]. Diese bestehen logie zu verpassen. typischerweise aus Röntgenaufnahmen in Belastung in Eine diagnostische Infiltration der lumbalen Wirbelsäule, anterior-posteriorer und lateraler Richtung sowie einer des Knie- oder Hüftgelenks kann hier ebenfalls entschei- Patella-Aufnahme. Wenn verfügbar, sollten vom Patien- dende Hinweise liefern und sollte grosszügig durch- ten zum Vergleich Bilder mitgebracht werden, die sowohl geführt werden. vor als auch nach der Knie-TP angefertigt wurden. Nur dann ist es möglich, die Indikation für die Knie-TP und den postoperativen Verlauf zu beurteilen. Diagnostik bei Verdacht auf Infektion Im konventionellen Standard-Röntgen lässt sich nur eine grobe Fehlpositionierung der Prothesenkomponenten Laboruntersuchungen ergänzen die klinische Diagnostik erkennen, vor allem in frontaler (Varus-Valgus-) als auch vor allem bei Verdacht auf eine Infektion. Die peripro- sagittaler (Flexions-Extensions-)Ausrichtung. Eine Fehl- thetische Infektion lässt sich abhängig vom Zeitpunkt rotation ist auf Standard-Röntgenbildern nicht verläss- des Auftretens in früh, verspätetet (delayed) und spät lich auszumachen [13–15]. Auf der lateralen Knieauf- Schweiz Med Forum 2013;13(22):427–431 429
praxis Abbildung 4 Konventionelle Röntgenbilder (anterior-posterior und seitlich) eines Patienten mit instabiler Knietotalprothese und subluxierten Polyethylen-Inlays. nahme lassen sich zusammen mit der tangentialen Patella-Aufnahme die Position und Höhe der Patella be- urteilen. Eine Ganzbeinaufnahme gibt zusätzliche Infor- Abbildung 5 mationen über die mechanische und anatomische Bein- 99mTc-HDP-SPECT/CT einer Patientin mit tibialer Lockerung nach Knietotalprothese rechts, erkennbar am vermehrten Tracer-Uptake achse sowie die Gelenklinie [13–15]. unterhalb des lateralen Tibiaplateaus bei medial verlaufender Bei aseptischen oder auch septischen Lockerungen las- Ganzbeinachse. sen sich um die Prothesen sichtbare Osteolysen >2 mm und/oder verstärkter Abrieb des Polyethlyens erkennen. Magnetresonanztomographie (MRI) und Ultraschall Grösstes Problem ist jedoch die starke Abhängigkeit Aktuell spielt das MRI aufgrund der Anfälligkeit für Me- von der Projektion des Röntgens. Für die weniger offen- tallartefakte eine untergeordnete Rolle. In seltenen Fäl- sichtlichen Frühformen der Prothesenlockerung oder len kann es jedoch hilfreich sein zur Beurteilung von auch geringere Fehlstellungen der Prothesenkomponen- Bändern und anderen Weichteilstrukturen. Ultraschall ten sind Röntgenbilder nur wenig sensitiv und klinisch kann ebenfalls bei Verdacht auf Weichteilschäden hilf- kaum zu gebrauchen [1, 2]. reich sein. Stress-Röntgen-Aufnahmen bzw. die fluoroskopische Untersuchung des Kniegelenks ergänzen die konventio- Nuklearmedizin (Szintigraphie, SPECT, nell-radiologische Untersuchung bei Verdacht auf In- SPECT/CT, PET/CT) stabilität (Abb. 4 x). Die Szintigraphie und auch die 3-D-Szintigraphie (SPECT) waren zwar aufgrund ihrer hohen Sensitivität über Computertomographie (CT) viele Jahrzehnte ein dauerhafter Bestandteil der dia- Die CT als 3-D-Bildgebung ist den konventionellen Rönt- gnostischen Abklärung bei Patienten mit Schmerzen genbildern in ihrer diagnostischen Güte klar überlegen nach Knie-TP, allerdings zeigten diese Methoden nur [14]. Mit Hilfe spezieller Bildgebungsprotokolle ist es eine geringe Spezifität [13, 15]. Grösstes Problem war möglich, die Position der Prothesenkomponenten in al- die exakte anatomische Lokalisation der Areale mit er- len sechs Freiheitsgraden verlässlich auszumessen höhtem Tracer-Uptake. Mit der Einführung von SPECT/ (Abb. 5 x). Auch die Identifizierung einer möglichen CT-Hybridgeräten eröffnen sich der radiologisch-nukle- Prothesen-Über- oder -Untergrösse ist möglich. Eine me- armedizinischen Diagnostik von Patienten mit Schmer- dial überhängende Komponente kann zur Irritation des zen nach Knie-TP neue Dimensionen [13, 15]. Es ist nun medialen Seitenbands, eine lateral überhängende Kom- mit einer 3-D-Bildgebung möglich, die Prothesenposition ponente zu einem Popliteus- oder Bizepssehnen-Im- im Verhältnis zu standardisierten anatomischen Land- pingement führen. Auch das Ausmass und die Grösse marken verlässlich auszumessen, die mechanische Achse von periprothetischen Osteolysen lassen sich sicher er- und die Struktur des Knochens zu beurteilen und dies kennen. Eingeschränkt bleibt allerdings trotz verbes- mit den Stoffwechsel-Informationen, die Auskunft über serter Metallartefakt-Protokolle die Beurteilbarkeit des das «Remodelling» nach Knie-TP geben, zu kombinieren Prothesen-Knochen-Interfaces [14]. [13, 15]. Schweiz Med Forum 2013;13(22):427–431 430
praxis Zusammenarbeit ermöglicht es vor der Therapie, ob konservativ oder operativ, die Beschwerdenursache(n) des Patienten zu erkennen. Therapieentscheid Die Therapie kann nur so gut wie die vorher durchge- führte Diagnostik sein. Therapiert man die falsche Ur- sache, führt dies zwangsläufig zu einer Persistenz, im schlimmsten Fall sogar zu einer Zunahme der Beschwer- den. Als Patient sollte man vor einer etwaigen Revisions- Operation immer nach der ausgemachten Ursache der Beschwerden fragen. Auch die Chance auf eine Besse- rung der Beschwerden gilt es vor jeder Revisionsopera- tion zu thematisieren. Die Therapie sollte schliesslich individuell auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten werden. Dem behandelnden Hausarzt kommt eine Schlüsselrolle in der Erkennung von Patienten mit Problemen nach Knieprothese zu. Bei ungewöhnlich protrahierten Be- schwerden (>1 Jahr nach Knie-TP) sollte dieser nicht zögern, eine Zweitmeinung bei einem Orthopäden ein- zuholen, der auf schmerzhafte Knie-TP spezialisiert ist. Bei Patienten mit typischen Infektzeichen sollte die Vor- stellung schon vorher erfolgen. Abbildung 6 Ausblick Verlässliche Bestimmung der Position der Knietotalprothese im 3-D-CT im Vergleich zur nicht-operierten Gegenseite mit Hilfe einer spezialisierten Analyse-Software (www.orthoimagingsolutions.com). Die diagnostische Abklärung von Patienten mit Proble- men nach Knie-TP ist schwierig, weshalb die Bildgebung in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus SPECT/CT hat seinen hohen klinischen Nutzen für das gerückt ist. Neben der weiteren Verbesserung vorhan- Erkennnen von Prothesen-Fehlpositionierungen, Locke- dener Bildgebungsverfahren (v.a. MRI und CT) wird mit rungen (Abb. 6 x), patellofemoralen Problemen, Weich- Nachdruck an der Entwicklung von Metall-Artefakt-Re- teil-Impingements oder Infektionen in den letzten Jahren duktionsprotokollen für MRI und CT gearbeitet. Diese in einer Vielzahl von Studien bewiesen [13, 15]. Analy- versprechen in Zukunft eine bessere Beurteilbarkeit des siert werden die metabolische Aktivität in den jeweiligen Knochen-Prothesen-Interfaces, also des Ortes, an dem Knochenarealen um die Knie-TP. Zudem sollte die Pro- sich eine Prothese lockert. Standardisierte Bildgebungs- thesenposition in allen sechs Freiheitsgraden im 3-D-CT Protokolle zusammen mit einer spezifischen Analyse- mit Hilfe einer Spezialsoftware (Abb. 5) mit einer Ge- Software erlauben es schon heute, die Position der Pro- nauigkeit von 81° ausgemessen werden. thesenkomponenten und die Beinachsen verlässlich Entscheidend für eine gute Diagnostik ist allerdings auch und exakt auszumessen; solche Protokolle werden zu- das Wissen um das verwendete Implantat, die Fixations- nehmend in die klinische Routine eingeführt werden. methode (zementiert versus unzementiert, langer Schaft SPECT/CT als Hybridbildgebung aus CT und SPECT hat versus kurzen Schaft) und das zugrundeliegende bio- das Potential, die Diagnostik von (Früh-)Lockerungen mechanische Prothesen-Konzept [13, 15]. neu zu definieren und eine frühere, für den Patienten Der optimale Zeitpunkt für die SPECT/CT-Bildgebung weniger invasive Behandlung zu ermöglichen. Grosse wird weiterhin kontrovers diskutiert. In der Ära der Revisionsoperationen aufgrund von Lockerungen müss- Szintigraphie galt das Dogma, dass vor zwölf Monaten ten dann wesentlich seltener durchgeführt werden. nach Knie-TP eine Szintigraphie aufgrund des Remode- lings nicht sinnvoll ist. Für die SPECT/CT gilt dies nicht. Korrespondenz: PD Dr. med. Michael T. Hirschmann Aus unserer Erfahrung und andauernder Forschungs- Orthopädische Chirurgie und Traumatologie tätigkeit lässt sich sagen, dass bereits in den ersten sechs des Bewegungsapparates Monaten in einer hohen Zahl der Fälle klare diagnosti- Kantonsspital Baselland, Bruderholz sche Aussagen in Bezug auf Infektion, Lockerung und CH-4101 Bruderholz Fehlpositionierung gemacht werden können. michael.hirschmann[at]ksbh.ch Die Beurteilung der SPECT/CT-Bilder erfolgt wegen de- michael.hirschmann[at]unibas.ch ren Komplexität gemeinsam durch einen ausgewiese- Literatur nen Radiologen/Nuklearmediziner und einen speziali- Die vollständige nummerierte Literaturliste finden Sie unter sierten Orthopäden. Nur diese enge interdisziplinäre www.medicalforum.ch. Schweiz Med Forum 2013;13(22):427–431 431
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