Wo schläft das Kind? Babyschlaf, Bedsharing und SIDS im Kontext widersprüchlicher Empfehlungen - Hebammenkongress
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Wo schläft das Kind? Babyschlaf, Bedsharing und SIDS im Kontext widersprüchlicher Empfehlungen Christine Wehrstedt Hebamme/ MSc Midwifery Doktorandin Universität Witten-Herdecke 21.06.2019 Christine Wehrstedt 1
Auf einen Blick • Hintergründe der Debatte • Evidenzen zum Thema beurteilen • Evolutionäre und salutophysiologische Grundlagen 21.06.2019 Christine Wehrstedt 2
AWMF S1 LL 2018 […] Lassen Sie Ihr Kind bei sich im Zimmer, aber im eigenen Kinderbett schlafen; dies gilt vor allem für die ersten 3 Lebensmonate […] 21.06.2019 Christine Wehrstedt 3
NICE Postnatal Care 2015 […] We need clear evidence to say that a factor directly causes SIDS. […] However, the evidence does not allow us to say that co-sleeping causes SIDS. […] 21.06.2019 Christine Wehrstedt 4
Triple Risk Model Intrinsische Faktoren: Innere Faktoren: Angeborene Vulnerables Kind Ursache: Empfindliches/ Verwundbares Kind Extrinsische Faktoren: Von Exogene Kritische außen kommende Auslöser/ Entwicklungs ungünstige Entwicklung Stressoren phase Zusatzfaktoren des Nerven- oder Immunsystems Nach: https://www.nichd.nih.gov/sts/campaign/science/PublishingImages/triple_risk_model.jpg 21.06.2019 Christine Wehrstedt 6
Gesicherte Risikofaktoren für Unfälle im Schlaf Personenbezogen Settingbezogen • Alkohol, Drogen, • Dicke Decken Schlafmittel der Co- • Schnüre Sleeper • Krempel im Bett • Bedsharing mit • Wasserbett anderen Personen als • Instabile Unterlage der Mutter • Sofa etc. • Extremes Übergewicht des Erwachsenen Mitchell, & Steward; Kenner & Kerbl, 2000; Blair, 2008; Moon et al. (AAP), 2011 21.06.2019 Christine Wehrstedt 8
Zinka 2004, Dissertation LMU/M Außergewöhnlich intensive Obduktion von 93 Säuglingen ➢66% Aller Kinder in Bauchlage aufgefunden! ➢Fand in 95% der Fälle pathologische Veränderungen, die NICHT mit dem Schlafort in Zusammenhang standen 21.06.2019 Christine Wehrstedt 9
Zinka, 2004 „Diese Ergebnisse lassen deutlich werden, dass es den plötzlichen Säuglingstod, so wie er im Allgemeinen bekannt ist, nicht gibt.“ ➢Mehr Untersuchungsmethoden erhöht Chancen, Todesursachen zu klären 21.06.2019 Christine Wehrstedt 10
Carpenter et al. 2013: Forderungen • Hundertprozentig gegen Bedsharing • Ineffektiv, Eltern zu erlauben, bei Abwesenheit sonstiger Risiken Bedsharing zu praktizieren, da häufig Zusatzrisiken im Bedsharingkontext mit anzutreffen seien. ➢Autoritätsanmaßung und defizitäres Bild von Elternverantwortung; Ethik! 21.06.2019 Christine Wehrstedt 11
Carpenter et al. 2013: Schwächen Schwere methodische Schwächen Unvollständige Angaben: Imputation of Data; äußerst diverse Populationen und Erhebungszeitpunkte Teils gänzlich unklarer Stillstatus Keine Auswertung bekannter Risikofaktoren bei im Elternbett schlafenden Kindern: Vermengung! Keine Unterscheidung, ob die Babys nur in der letzten Nacht im Elternbett schliefen oder generell Nur geklärt, dass Kinder im Elternbett an SIDS verstorben sind, aber nicht, ob Kausalität vorliegt 21.06.2019 Christine Wehrstedt 12
Prinzipen von EBM ➢Epidemiologische Daten sollen testbare und belastbare Hypothesen generieren, ehe sie in generalisierte Empfehlungen transferiert werden ➢Das ist bei SIDS und insbesondere Bedsharing nicht möglich, da diese Datenlage nicht generierbar ist! Sackett 2002 21.06.2019 Christine Wehrstedt 13
Generelle Probleme bezüglich SIDS Studien 1 • Keine randomisierte oder andere experimentelle oder prospektive Forschung möglich • Nur retrospektive Auswertungen ➢Kein Protokoll im Vorfeld definierbar ➢Häufig unvollständige Gesamtangaben ➢Reichliche Biasquellen • Unterschiede in der SIDS Diagnostik je nach Land ➢ Verringerte Aussagekraft hinsichtlich Kausalität 21.06.2019 Christine Wehrstedt 14
Fehlannahme ➢Keine Schäden durch generalisierte Empfehlung gegen Bedsharing? 21.06.2019Christine Wehrstedt 15
Was sagen die Eltern? Rehmann-Zauner, 2017 Sehen sich beim BS als Gefahr fürs Kind Zur Schlafempfehlung? Es kommt nicht Schuldgefühl an, dass Stillen beim SIDS protektiv Bedsharing wirkt wird provoziert Trotz dessen hoher Evidenzbasis 21.06.2019 Christine Wehrstedt 16
Blair et al. 2010 Höchste Bedsharing-Wahrscheinlichkeit bei Stillen Konsequenzen Implikationen Nicht Rauchten Forciertens Getrenntschlafen ►Geringes gefährdet ggf. die Von Bedsharing Stillcompliance Grundrisiko für sollte nur ab- ►Erhöhung SIDS- geraten werden, SIDS Risiko ►Gesamtmorbidität und wenn belegte -mortalität durch Risikofaktoren weniger Stillen steigt an vorliegen (über SIDS Mortalitätsraten hinaus) 21.06.2019 Christine Wehrstedt 17
Blair et al. 2014: Ziel Ziel: SIDS Risiko von Kindern bei Bedsharing in nicht riskanten Schlafarrangements? ➢Binnendifferenzierung 21.06.2019 Christine Wehrstedt 18
Blair et al. 2014: Ergebnisse Drogen, Ohne Alkohol Binnendifferenzierung F18 SIDS bei BS 3 fach erhöht Ohne SIDS Risikofaktoren: Risiko Rauchen F3 Mo und BS ➢ Bedsharing erhöht nur bei Nichtstillen F2 ungünstigen Begleitumständen SIDS Risiko
Blair et al. 2014: Erg.2 Bei Kindern unter drei Monaten leicht erhöhtes Risiko bei Bedsharing errechnet, allerdings ohne statistische Signifikanz ➢ Kausalität zwischen BS und SIDS damit nicht erwiesen ➢ Es könnte an anderen Zusatzparametern liegen 21.06.2019 Christine Wehrstedt 20
Bedeutend für Etablierung der Lactogenese Physiologischer Säuglingsschlaf Bindung nur in Stilldyaden Stillen & ungehinderter Zugang zu Körperkontakt Tag und Nacht wechselseitig abhängig & Gehirnwachstum verstärkend Mobbs et al. 2015; McKenna & Gettler, 2016
Abhängigkeiten ➢ Neugeborene sind an den mütterlichen Körper adaptiert und vice versa ➢Stillende Mütter äußerst reaktiv ➢Neugeborene Menschen sehr unreif und in der physiologischen Regulation auf die Mutter angewiesen ➢ Breastsleeping beeinflusst Schlafarchitektur und Stoffwechsel in einem hoch wechselseitig integrierten adaptiven System Mobbs et al. 2015; McKenna & Gettler, 2016 21.06.2019 Christine Wehrstedt 22
6 Mio. Jahre Evolution von Breastsleeping Normverhalten Gesundheits- von Säugetieren Fördernd Anthropologische Grundlagen Wird von vielen Ubiquitär Babys praktiziert eingefordert ➢ Starkes System: führt kulturelle Annullierung ad absurdum Mobbs et al. 2015; McKenna & Gettler, 2016
Perspektiven Pixabay.de 16.04.2019Christine Wehrstedt 24
Gefahren rigider Empfehlungen • Bedsharing bei völliger Erschöpfung mit • Kontrollverlust schlechtem • Beschneidung Gewissen Kompe- von Autonomie • Einschlafen mit Gesund- tenz- dem Kind an heitlich gefühl unsicheren Orten aus Übermüdung (Sofa, Stuhl) Früheres Bindung Abstillen Folgerisiken und - Schaffung von morbiditäten Schuldgefühlen 21.06.2019 Christine Wehrstedt 25
➢Stilldyaden müssen als eigene epidemiologische Kategorie behandelt werden! McKenna & Gettler, 2016 21.06.2019 Christine Wehrstedt 26
Dos höchster Evidenz 3R Rückenlage/ Richtige Richtig Rauchfrei Ernährung: gebettet Stillempfehlungen! 21.06.2019 Christine Wehrstedt 27
Körperkontakt Reichlich Körperkontakt stimuliert alle Überlebensfunktionen 21.06.2019 Christine Wehrstedt 28
Risikoreduzierung ➢Alle „Do“s können das Risiko reduzieren ➢Keine Garantie, dass es nicht trotzdem passiert ➢Absolutes und relatives Risiko jedoch so gering, dass die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls im ersten Lebensjahr viel höher ist 21.06.2019 Christine Wehrstedt 29
DON‘Ts 21.06.2019 Christine Wehrstedt 30
Risikokonglomerate Kind Frühgeburt Unter 3 Monaten SGA Bett Tod mgl Viele im Bett Eltern Sofa Sediert Schwere Alkohol, Drogen Decken Rauchen Instabile übermüdet Unterlage Nach: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1440-1754.2012.02565.x 21.06.2019 Christine Wehrstedt 31
Risikosteigerung ➢Alle „Don‘t“s steigern das Risiko ➢Risiken haben eine Hierarchie ➢Rauchen, Drogen, Bauchlage, Nichtstillen ➢Dennoch ist das absolute Risiko so gering, dass viele Eltern das eine oder andere hin und wieder machen werden, ohne dass etwas passiert 21.06.2019 Christine Wehrstedt 32
Konsequenzen aus den Studienergebnissen ➢Beratung, wie Bedsharings möglichst sicher gestalten ➢Keine Tabuisierung und damit Provokation riskanteren Bedsharings! 21.06.2019 Christine Wehrstedt 33
Empowerment der Frauen • Informed Decision Making ➢Recht auf differenzierte Information statt einseitige Ratschläge • Eingriff in einen intimen Lebensbereich ➢Besonders problematisch zu sehen bei mangelhafter Evidenzbasis 21.06.2019 Christine Wehrstedt 34
Quintessenz Bedsharing ist kein unabhängiger Risikofaktor für SIDS Breast Sleeping Wird zum Risiko sicher Die anderen bei Hinzukommen gestalten Faktoren sind einer der harten überwiegend Faktoren Unfallgründe 20.05.2019 Christine Wehrstedt 35
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