Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen - www.kup.at
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Ultraschall in der Diagnostik Homepage: peripherer Nervenläsionen www.kup.at/ Peer S JNeurolNeurochirPsychiatr Journal für Neurologie Online-Datenbank mit Autoren- Neurochirurgie und Psychiatrie und Stichwortsuche 2009; 10 (1), 54-59 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
EINLADUNG ZUM WEBINAR MS UND DIE VERBORGENEN SYMPTOME DER KOGNITION Freitag, 12. November 2021 | 16.00 bis 18.00 Uhr Erkenntnisse zum Thema “MS & Kognition” werden von nationalen und internationalen Experten und Expertinnen vorgetragen. Die Vorträge decken die wissenschaftliche Perspektive über Diagnose, neuropsychologische Aspekte als auch die Patientensicht eines Betroffenen ab. Hier geht´s zum Programm Wissenschaftlicher Vorsitz REFERENT*INNEN Univ.-Prof. Dr. Christian Enzinger Univ.-Prof. Dr. Prof. Dr. Dipl.-Psych. MBA, FEAN Christian Enzinger Iris-Katharina Penner Uniklinik Graz MBA, FEAN Düsseldorf Uniklinik Graz Prim. Univ.-Prof. Dr. Priv.-Doz. Mag. Dr. Elisabeth Fertl Daniela Pinter Wien Uniklinik Graz Bitte melden Sie sich über folgenden Link für die virtuelle Veranstaltung an: Nach erfolgreicher Anmeldung erhalten Sie innerhalb weniger Minuten ein E-Mail mit Informationen zur Teilnahme. https://medahead-fortbildung.at/event/ms-und-kognition-2021/ Entsprechende Vorkehrungen für die Veranstaltung und bei der Veranstaltung werden nach der aktuellen COVIDGesetzgebung bzw. COVID-Verordnung getroffen. Live-Übertragung aus Wien Laut Regelwerk der Ärztekammer (Ärztlicher Verhaltenskodex) und Pharmaindustrie (Pharmig Verhaltenskodex) gilt diese Einladung ausschließlich für Ausübende von Gesundheitsberufen und ist nicht übertragbar. Novartis Pharma GmbH Jakov-Lind-Straße 5 / Top 3.05, 1020 Wien Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH Tel.: 01-866 57-0, Fax.: 01-866 57 16369, www.novartis.at Datum der der Erstellung Erstellung 10/2021 11/2021 AT2110041868 AT2111021580 Schlaganfall Akademie Fortbildungsreihe zum Thema Stroke ÖGSF Online-Fortbildung Management raumfordernder Hirninfarkte 15. November 2021 14.00 bis 15.00 Uhr Referent: Priv.-Doz. DDr. Simon Fandler-Höfler Universitätsklinik für Neurologie Medizinische Universität Graz Jetzt online unter Onlineanmeldung https://bit.ly/3AuYk7J anmelden AT/PX/0921/PC-AT-102638 Die Teilnahme an dieser Fortbildungsveranstaltung ist Angehörigen der Fachkreise gemäß Pharmig VHC Artikel 2.2 vorbehalten und ist nicht übertragbar. Wissenschaftlicher Fortbildungsanbieter: Österreichische Schlaganfall Gesellschaft, 1070 Wien Mit freundlicher Unterstützung von
Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen S. Peer Kurzfassung: Die Anwendung der Sonographie besteht die Möglichkeit, die Sonographie zur the interactive approach and the reliable results, für die Untersuchung von Erkrankungen des peri- Steuerung der Regionalanästhesie, von Biopsi- sonography is ideally suited for the assessment pheren Nervs hat in den letzten Jahren deutlich en oder therapeutischen Instillationen einzuset- of a multitude of peripheral nerve pathologies: zugenommen. Durch hohe Detailauflösung, zen. In dieser Arbeit wird eine Übersicht über not only nerve compression syndromes but also Interaktivität und zuverlässige Ergebnisse bietet den derzeitigen Stand der Sonographie des peri- traumatic lesions, tumors, and inflammatory con- sich die Sonographie geradezu als ideale Me- pheren Nervensystems gegeben. ditions are demonstrated with high diagnostic thode für die Abklärung einer Vielzahl von accuracy. In addition, sonography can be used Pathologien des peripheren Nervs an: Nicht nur Abstract: Sonographic Diagnosis of Pe- for the control of regional anesthesia, of biop- Kompressionssyndrome, sondern auch traumati- ripheral Nerve Lesions. The use of sono- sies or therapeutic instillations. This article sche Läsionen, Tumoren und Entzündungen des graphy for the examination of peripheral nerve gives an overview of the current state of periph- peripheren Nervs können mit hoher diagnosti- diseases has steadily evolved during the last eral nerve sonography. Neurochir Psychiatr scher Sicherheit dargestellt werden. Daneben years. Because of the high spatial resolution, 2009; 10 (1): 54–9. Einleitung Ein Wort zur Technik Die Sonographie des peripheren Nervensystems wurde be- Eine Methode ist nur so gut, wie wir als Anwender damit reits relativ früh versucht: 1988 publizierte Radiology einen umgehen. Ohne entsprechende Geräteausstattung bzw. Grund- Artikel von Bruno Fornage mit dem Titel „Peripheral nerves kenntnisse in Sonographie und der sonographischen Topolo- of the extremities: Imaging with ultrasound“ [1], in dem gie bzw. regionalen Anatomie ist der Wert der Sonographie erstmals die Struktur peripherer Nerven mit Hilfe der Sono- für die Praxis minimal. Um gute Ergebnisse zu erzielen, ist ein graphie analysiert wurde. Daneben beschäftigte sich dieser modernes Sonographiegerät mit entsprechender Artefakt- Artikel – wegen der damals noch limitierten Detailauflösung reduktionssoftware notwendig. Die einzelnen Hersteller wäh- – hauptsächlich mit der Darstellung großer Nerven und von len dafür unterschiedliche Methoden, aber meist handelt es Nerventumoren. Danach dauerte es relativ lange, bis Mitte der sich um eine Kombination aus Image Compounding, Har- 1990er Jahre die ersten Arbeiten erschienen, welche die de- monic Imaging und anderen Software-Paketen, welche letzt- taillierte Ultrastruktur von Nerven mit der Sonographie ver- lich dazu führen, dass Grenzflächen schärfer dargestellt, glichen [2] bzw. versuchten, die Sonographie gezielt auf die Kantenartefakte reduziert, Unterschiede in der Schallabsorp- Analyse bestimmter Pathologien des peripheren Nervs anzu- tion bzw. Reflexion deutlicher voneinander diskriminiert wer- wenden [4–6]. Seither hat der kontinuierliche technologische den bzw. die Auflösung im Nahfeld verbessert wird. Wichtiger Fortschritt in der Sonographie dazu geführt, dass mehr und jedoch ist die Verwendung eines hochauflösenden Trans- mehr Veränderungen am peripheren Nerv der Sonographie ducers. Für die meisten Fragestellungen ist hier ein 12 Mhz zugänglich sind bzw. die Detailauflösung auch kleinerer Ner- Linearschallkopf geeignet, je nach Größe des zu untersuchen- ven immer besser wird. den Nervs bzw. der Lage kann jedoch auch ein anderer Trans- ducer besser geeignet sein. Tabelle 1 zeigt eine exemplarische Wozu aber sollte man sich mit der Sonographie des periphe- Übersicht der von uns verwendeten Transducer und der dazu ren Nervs befassen, bestehen doch für die Primärdiagnostik passenden Untersuchungsregion, wobei der angegebene und den Follow-up peripherer Nervenläsionen eine Reihe von Transducer die Minimalanforderung wiedergibt. etablierten Methoden: Neben der ausgefeilten klinisch-neuro- logischen Untersuchungstechnik haben wir Elektrophysiolo- Neben der korrekten Technologie ist die Kenntnis des Nor- gie, Liquordiagnostik, CT und MRT zur Verfügung. Francis malbefundes wesentlich: Periphere Nerven sind tubuläre Walker gibt uns in seinem Reviewartikel aus dem Jahr 2004 Strukturen mit einer typischen sonographischen Textur eine mögliche Antwort auf diese Frage: „It seems likely that (Abb. 1a, b): Im Querschnitt stellen sich die einzelnen Faszi- imaging technology will continue to evolve and ultrasound kelgruppen als rundliche, hypoechogene Strukturen dar, appears to be the most suitable technique for neuromuscular welche durch echoreiches epineurales Gewebe voneinander clinicians to begin using at the bedside to address clinical and abgegrenzt sind. Unabhängig von der zugrundeliegenden research questions in the field“ [7]. In der Folge werde ich Pathologie kommt es bei Läsionen peripherer Nerven in der versuchen, diese Einschätzung mit Beispielen aus der derzei- Regel zum Verlust dieser typischen Gliederung im Rahmen tigen Praxis zu untermauern. einer unspezifischen Ödemreaktion. Auch im Längsschnitt kommt die typische Gliederung eines Nervs in der Sonogra- Aus der Universitätsklinik für Radiologie, Medizinische Universität Innsbruck phie zum Ausdruck, wobei sich die langen, hypoechogen Korrespondenzadresse: Ao. Univ.-Prof. Dr. med. Siegfried Peer, Universitätsklinik tubulären Faszikelgruppen sehr deutlich von den diskonti- für Radiologie, Medizinische Universität Innsbruck, nuierlichen Signalen angrenzender Sehnen abgrenzen lassen A-6020 Innsbruck, Anichstraße 35; E-Mail: siegfried.peer@i-med.ac.at (Abb. 2). 54 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (1) For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen Klinische Anwendungen Untersuchung des Nervs unter Flexion/Extension eines Ge- lenks oder Muskelaktivierung kann zusätzliche Information Kompressionssyndrome über die lokale Verschiebbarkeit eines Nervs liefern (bei Eine Kompressionsneuropathie kann an unterschiedlichsten Kompressionssyndromen u. U. reduziert), eine dynamische Stellen im Körper auftreten, wobei manche periphere Nerven Kompression durch Muskeldruck bestätigen oder eine Verla- durch ihre spezielle anatomische Situation besonders anfällig gerung des Nervs über eine Knochenkante wie z. B. beim für ein Kompressionssyndrom sind: So z. B. der Nervus (N) Snapping Ulnaris/Snapping Triceps-Syndrom nachweisen. medianus, N. ulnaris, N. peronaeus und N. tibialis. Auf den klinischen Hintergrund soll hier nicht näher eingegangen wer- Wann ist ein Nerv sonographisch wirklich als pathologisch den, aus Sicht der Sonographie liegt jedoch allen Kompres- einzustufen? Für jedes Kompressionssyndrom bestehen hier sionssyndromen ein relativ uniformes Reaktionsmuster zu- bestimmte zusätzliche Kriterien bzw. Normwerte für das nor- grunde (Abb. 3a, b, c): male Kaliber des jeweiligen Nervs bzw. Grenzwerte, ab wann • Plötzliche Kaliberänderung am Ort der Kompression mit der Nerv als pathologisch abgeflacht/verdickt zu beurteilen Abflachung des Nervs (ausgedrückt in einer Änderung des ist. Für die Beurteilung einer pathologischen Verdickung des Nervenquerschnitts) N. medianus im proximalen Karpaltunnel schwankt z. B. der • Schwellung des Nervs proximal der Kompression durch in der Literatur angegebene kritische Grenzwert für die venöse Kongestion Querschnittsfläche zwischen > 9 mm2 und > 15 mm2, wodurch • Verlust der faszikulären Gliederung durch endoneurales sich eine Sensitivität/Spezifität von 82 %/97 % bzw. 88 %/ Ödem (venöse Kongestion) 96 % ergibt [10]. Für eine akzeptable Relation zwischen aus- • Unscharfe Abgrenzung des Nervs durch Verstreichen des reichender Sensitivität und Spezifität hat sich in der Routine echoreichen äußeren Epineuriums (Ödem durch reaktiv ent- ein Grenzwert von > 10 mm2 bis > 12 mm2 für den N. media- zündliche Reaktion bzw. Perineuritis) nus ergeben. Für den N. ulnaris zeigt sich bei Messung des • Vermehrte Durchblutung in der Farb-Doppler-Sonographie größten Durchmessers des Nervs im Kubitaltunnel und bei (Ausdruck der reaktiven Neuritis) einem Grenzwert von > 2,5–2,7 mm (je nach Position entlang des Kubitaltunnels) eine Sensitivität/Spezifität von 81 %/91 % [11]. Alle diese Zeichen sind an unterschiedlichen Nerven mehr- In beiden Fällen sind jedoch unabhängig vom gewählten Grenz- fach belegt worden [3, 5, 8, 9]. Wichtig ist in diesem Zusam- wert die weiteren Zeichen einer Kompressionsneuropathie menhang, nicht auf eine Beurteilung der umliegenden Struk- (s. o.) in die Gesamtbeurteilung unbedingt mit einzubeziehen. turen zu vergessen, damit ein sekundäres Kompressionssyn- Neuere Studien geben einen in der Praxis sehr einfach anzu- drom (durch akzessorische Muskelbäuche, arterielle Aneu- wendenden Hinweis: rysmen etc.) nicht übersehen wird (Abb. 4). Eine dynamische 1. Vergleich mit der gesunden Gegenseite. Tabelle 1: Übersicht der Ultraschall-Transducer und deren Eignung (Mindestanforderung) für die Sonographie bestimmter Nerven/Regionen bzw. Fragestellungen. Transducer Nerv Fragestellung 3–9 Mhz oder ähnlich N. ischiadicus (proximal) Trauma 5–12 Mhz oder ähnlich N. ischiadicus (distal), Plexus brachialis, Trauma, Tumoren, Kompressionssyndrome (Querschnittsbeurtei- N. femoralis, N. radialis, ulnaris, medianus lung), postoperative Läsionen (z. B. Narbenkompression), Inter- ventionssteuerung 5–17 Mhz oder ähnlich N. radialis, ulnaris, medianus, N. peroneus, Kompressionssyndrome (Binnendiagnostik), Trauma, Neuritiden, tibialis, saphenus, Fingernerven kleine Tumoren a b Abbildung 2: Sonographischer Längsschnitt durch den Nervus medianus (Pfeile) am distalen Unterarm eines Abbildung 1: Sonographischer Transversalschnitt (a) und Plastinationsschnitt (b) durch ein anatomisches Hand- Probanden mit Darstellung der typischen longitudinal gelenkspräparat mit Darstellung des Nervus medianus. In der Korrelation zeigt sich der Aufbau des Nervs aus mehreren verlaufenden, durch echoreiches Epineurium geglie- Faszikelgruppen (Pfeile), welche durch echoreiches epineurales Gewebe voneinander getrennt und durch eine äu- derten, hypoechogenen Faszikelgruppen. Im Gegensatz ßeres Epineurium (Pfeilspitzen) gegen die Umgebung abgegrenzt sind. FS: Flexorensehnen, PQM: Pronator quadra- dazu diskontinuierliche, eher echoreiche Faszikel der tus-Muskel. Beugesehnen (Pfeilspitzen). J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (1) 55
Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen a Abbildung 4: Sonographischer Querschnitt durch den Karpaltunnel einer Patientin mit klinischem Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom. Der Nerv weist eine grenzwertige Querschnittsfläche von 0,11 cm2 auf, allerdings zeigt sich bei Hyper- extension ein weit unter das Ligamentum carpi transversum (Pfeilspitzen) reichender Muskelbauch (M).* : normale Beugesehne. b Abbildung 5: Sonographischer Querschnitt durch den Sulcus nervi ulnaris bei einem Patienten mit posttraumatischer Ulnarisparese. Im Seitenvergleich ist der Nervus ulnaris (Pfeil) der betroffenen linken Seite deutlich ödematös aufgetrieben, bei Ver- lust der faszikulären Gliederung. E: Epicondylus medialis numeri. c Abbildung 3: (a) Sonographischer Längsschnitt durch den Nervus medianus (Pfeile) am distalen Unterarm eines Patienten mit Karpaltunnelsyndrom: Abrupter Kaliber- sprung (Pfeilspitzen) im Verlauf unter dem Ligamentum carpi transversum. (b) Sonographischer Querschnitt durch den Nervus medianus bei einem weiteren Patien- ten mit Karpaltunnelsyndrom: Deutliche Auftreibung des Nervs im proximalen Ver- Abbildung 6: Sonographischer Längsschnitt („Extended field of view“-Sonogramm) lauf unter dem Ligamentum carpi transversum (Pfeilspitzen) mit einer Querschnitts- durch den Nervus peronaeus bei einem Patienten nach Kniegelenksluxation mit Aus- fläche von 0,21 cm2 (Normwert bis 12 cm2). (c) Sonographischer Längsschnitt (selber bildung eines „Neuroma in continuity“. Der Nerv (Pfeilspitzen) ist bei erhaltener äu- Patient) durch den aufgetriebenen Nervus medianus (Pfeilspitzen) mit Darstellung ßerer Hülle langstreckig aufgetrieben (Doppelpfeil) und von mehreren Traktions- multipler Farbsignale, hinweisend auf eine reaktive Entzündung. neuromen (Pfeile) durchsetzt. 2. Vergleich des gemessenen, ödematösen, verdickten Ab- Daneben gibt es allerdings eine Reihe von Nervenläsionen, schnitts z. B. des N. medianus mit der Dicke wenige Zenti- die nicht primär traumatisch sind, aber zum Beispiel nach der meter proximal. Ein Quotient zwischen der verdickt impo- operativen Versorgung einer Fraktur auftreten können. Zu- nierenden Stelle proximal einer Kompression und dem sammen mit anderen Nervenläsionen, welche ursächlich mit Nerv wenige Zentimeter weiter kranial von über 1,1 ist in einer ärztlichen Intervention zusammenhängen – Durchtren- der Regel als pathologisch zu bewerten [12]. nung, Lagerungsschaden, thermische Schäden etc. – sind sie der Gruppe iatrogener Läsionen zuzuordnen, welche auch ju- ristisch ein großes Problem darstellen [14, 15]. Nerventrauma Primäre traumatische Läsionen peripherer Nerven sind gar Bei den primär traumatischen Nervenläsionen, welche an sich nicht so selten. Wenn man die Verletzung des Plexus problemlos klinisch-neurologisch zu diagnostizieren sind, ist brachialis und der Nervenwurzeln mit einbezieht, dann kom- in der diagnostischen Abklärung nach Möglichkeit die Frage men derartige Läsionen in immerhin 5 % der Patienten vor, nach der Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention zu welche in ein Traumazentrum eingeliefert werden [13]. beantworten, d. h. zwischen einer „Minor lesion“ und einer 56 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (1)
Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen a Abbildung 7: Sonographischer Längsschnitt durch den Nervus radialis (Pfeilspitzen) bei einem Patienten mit Radialisparese nach operativer Versorgung einer Humerusschaftfraktur. Der Nerv wird durch die vom Knochen etwas abstehende Plat- te (kurze Pfeile) abgedrängt und komprimiert (langer Pfeil). b Abbildung 9: (a) Sonographischer Längsschnitt durch eine exzentrisch dem Nervus medianus (Pfeile) anliegende Raumforderung (Pfeilspitzen) mit etwas inhomogener feingranulärer Binnentextur. Zusammen mit einer hohen Binnenvaskularisierung im Farbdoppler-Sonogramm (b) typisch für ein Schwannom. Reihe von möglichen sonographischen Befunden: So kann eine Kompression durch chirurgische Implantate, Narben oder Hämatome vorliegen (Abb. 7), bei Operation direkt am Abbildung 8: Sonographischer Querschnitt durch den Nervus medianus bei einem Nerv ist die Sonographie auch geeignet, eine ungünstige Hei- Patienten nach operativer Versorgung einer Schnittverletzung. Während Teile des Nervs im Nahtbereich eine regelrechte Faszikelstruktur aufweisen (Pfeile), findet lung mit partieller oder kompletter Lockerung der Nerven- sich eine partielle Diskontinuität mit einem exzentrischen Anastomosenneurom naht, Diskontinuität oder die Ausbildung von Anastomosen- (Pfeilspitzen). neuromen (Abb. 8) zu dokumentieren [14]. „Major lesion“ zu unterscheiden. Während bei „Minor le- sions“, wie z. B. Überdehnungen eines Nervs ohne faszikuläre Nerventumoren Ruptur (Abb. 5) ein konservatives Vorgehen (unter regelmä- Obwohl Tumoren des peripheren Nervs eher seltene Entitäten ßiger klinischer und elektrophysiologischer Kontrolle) zu darstellen, ist die Kenntnis ihrer sonographischen Kriterien für empfehlen ist, ist bei „Major lesions“ (komplette/inkomplette den Radiologen nicht unwichtig, da derartige Läsionen eine Durchtrennung, „Neuroma in continuity“ etc.) eine frühe In- wichtige Differenzialdiagnose unter den Weichteiltumoren dar- tervention sinnvoll (Abb. 6). Hier bietet die Sonographie zahl- stellen. Für den klinisch tätigen Neurologen primär weniger von reiche Vorteile hinsichtlich der Graduierung und Ausdehnung Bedeutung, kann sich allerdings bei Auftreten einer neurologi- der Läsion, der exakten Beurteilung des betroffenen Nerven- schen Symptomatik zusammen mit einer Raumforderung die abschnitts und in der Beurteilung eventueller Sekundär- Frage ergeben, ob es sich um eine indirekte Symptomatik durch faktoren (Kompression durch Knochensporn, Hämatom, Bedrängung eines Nervs oder um eine direkt vom Nerv ausge- Narbenbildung etc.) [16]. Im Rahmen einer geplanten chirur- hende Raumforderung handelt. Hier stellt die Sonographie eine gischen Intervention kann die Sonographie zudem wichtige schnelle und sehr zuverlässige Methode für die Differenzialdiag- Informationen über die genaue Lage des Nervs bzw. der nose dar [17]. Durch die Darstellung einer direkten Verbindung Nervenstümpfe oder die Ausdehnung der Rupturzone liefern der Läsion mit einem Nerv und die entsprechenden sonogra- – Daten, welche klinisch und elektrophysiologisch praktisch phischen Kriterien der Binnentextur des Tumors, zusammen mit kaum fassbar sind. Dadurch ergibt sich unter Umständen eine einer Beurteilung der Durchblutung in der Doppler-Sonogra- komplette Änderung des chirurgischen Vorgehens (anderer phie, lassen sich benigne Läsionen wie Schwannome (Abb. 9) bzw. größerer operativer Zugang). und Neurofibrome, aber auch maligne Nervenscheiden- tumoren mit hoher Spezifität differenzieren [17]. Darüber hi- Bei Nervenläsionen, welche nach einer chirurgischen Inter- naus besteht die Möglichkeit, die Sonographie zur Steuerung vention neu auftreten oder sich verschlechtern, gibt es eine einer Tumorbiopsie zu verwenden. J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (1) 57
Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen a Abbildung 10: Sonographischer Querschnitt durch die Fußsohle bei einem Patienten mit interdigitalen Schmerzen und Verdacht auf ein Morton-Neurom. Darstellung ei- ner rundlichen hypoechogenen Raumforderung (Pfeilspitzen) im 3. Interdigitalraum vereinbar mit einem Morton-Neurom. Im Vergleich dazu normaler 2. Interdigitalraum (Kreis). Reaktive pseudotumoröse Veränderungen wie Morton-Neu- rome sind in den meisten Fällen ebenfalls relativ sicher zu di- agnostizieren (Abb. 10). Ebenso eignet sich die Sonographie für den Nachweis von Stumpfneuromen bei Patienten mit a Phantomschmerzen. Intervention Die Sonographie wird bereits seit Langem zur Steuerung der Regionalanästhesie verwendet. Sie bietet dabei den Vorteil, dass die Punktion, zum Beispiel des Plexus brachialis, ge- zielter, rascher und weniger traumatisierend erfolgen kann. Aus einer Vielzahl von Arbeiten ist das geringere Kompli- kationsrisiko bzw. die höhere „Success rate“ bei sonogra- phisch gesteuerter Regionalanästhesie bekannt [18, 19]. Daneben besteht die Möglichkeit, Tumoren am peripheren b Nerv unter sonographischer Kontrolle zu biopsieren. Wichti- ger für die neurologische Praxis ist aber wohl die Möglichkeit Abbildung 11: (a) Sonographischer Querschnitt durch den Nervus cutaneus femoris der gezielten Instillation von Pharmaka an Nerven bei chroni- lateralis (Pfeilspitzen) im Seitenvergleich. Der Nerv der linken Seite ist massiv öde- matös verdickt. (b) Sonographisch gezielte Cortison-Instillation an den Nerv (lange schen Schmerzsyndromen wie z. B. der Meralgia paraesthe- Pfeile). Kurzer Pfeil = Nadel; Pfeilspitzen = verteiltes Cortison. tica [20] (Abb. 11), dem Karpaltunnelsyndrom [21] aber z. B. auch als Ultraschall-gezielte Facettenblockade an der LWS chungstechnik mit schrägen Schichten entlang des Plexus [22]. Bei Patienten mit Phantomschmerz nach Amputation ei- gute Ergebnisse in der Abklärung des Plexus brachialis bzw. ner Gliedmaße kann durch die kontrollierte Applikation von des lumbosakralen Plexus. In allen anderen Fragestellungen Phenol in den Nervenhals proximal eines Stumpfneuroms un- ist die MRT der Sonographie in der Regel unterlegen: Dies ter Ultraschallsicht in vielen Fällen eine bleibende Besserung einerseits wegen der schlechteren Detailauflösung, aber auch der Schmerzsymptomatik erzielt werden [23]. Die sonogra- wegen des komplexen anatomischen Verlaufs peripherer Ner- phische Kontrolle verbindet dabei eine hohe Effektivität mit ven. Während sonographisch ein Nerv problemlos entlang einer äußerst niedrigen Komplikationsrate. So konnte in einer seiner gesamten Länge verfolgt und evaluiert werden kann, eigenen Arbeit gezeigt werden, dass bei mehr als 50 % der mit sind gute Ergebnisse in der MRT nur mit hochauflösenden Phenol behandelten Patienten mit Phantomschmerz eine blei- Oberflächenspulen zu erzielen, allerdings eben nur bei einge- bende Verbesserung der Beschwerden erzielt werden kann. schränktem Bildfeld. Relevante Komplikationen traten nur in ca. 1 % der behandel- ten Patienten auf. Probleme für die Sonographie bestehen bei tief liegenden Nerven bzw. Adipositas, bei Abschattung des interessieren- Abgrenzung zu anderen bildgebenden den Nervs durch Narbengewebe, Hämatome oder Knochen. Verfahren Die Detailauflösung der Sonographie ist in der Regel ausrei- chend für die Beantwortung praktisch aller Fragestellungen, Die einzige Alternative zur Sonographie des peripheren Nervs lediglich bei sehr kleinen Nerven (Finger, Fazialisäste etc.) stellt die MRT dar. Sie liefert bei entsprechender Untersu- besteht hier noch eine Einschränkung. 58 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (1)
Ultraschall in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen Zusammenfassung und Ausblick pearance of supinator syndrome. J Ultra- sound Med 2002; 21: 1289–93. plexus – can it improve therapeutic deci- sions in patients with plexus trauma? Eur 9. Peer S, Kovacs P, Harpf C. High resolution Radiol 2007; 17: 1611–20. Bei entsprechender Expertise ist die Sonographie eine relativ sonography of lower extremity peripheral 17. Gruber H, Glodny B, Bendix N, Tzankov einfach durchzuführende, den Patienten nicht belastende Me- nerves: anatomic correlation and spectrum A, Peer S. High-resolution ultrasound of pe- of pathology. J Ultrasound Med 2002; 21: ripheral neurogenic tumors. Eur Radiol 2007; thode und erlaubt eine rasche und valide Diagnose bei einer 315–22. 17: 2880–8. Vielzahl unterschiedlicher Pathologien des peripheren Nervs. 10. Beekmann R, Visser LH. Sonography in 18. 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