Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden - Fokus Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung - mhp Shop
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POSITIONSPAPIER | Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung POSITIONSPAPIER Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden – Fokus Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung T. Bonkowski, S. Eder, J. Forster, I. Hoffmann-Tischner, K. Protz, M. Schmalzbauer, A. Schwarzkopf, W. Sellmer, B. Temme Korrespondierender ZUSAMMENFASSUNG chronischen Wunden immer über spezi- Autor Bei der indikationsgerechten Versorgung alisierte, fachübergreifende Netzwerke Andreas Schwarzkopf, von Patienten mit chronischen Wunden erfolgen. Institut Schwarzkopf, kommt der antimikrobiellen Behandlung Oberstes Ziel ist die Infektionsprä- Otto von Bambergstraße 10, mit Verbandmitteln eine große Bedeu- vention und somit der Patientenschutz, 97717 Aura a. d. Saale, tung zu. Zum einen, da lokale Wundinfek- die Vermeidung von Komplikationen und tionen eine häufige, schwerwiegende Ur- erhöhte Heilungschancen. Damit wird E-Mail: a.schwarzkopf@ sache für Wundheilungsstörungen sind. das Risiko kostenintensiver Komplikati- institutschwarzkopf.de Zum anderen steht die lokale Wundbe- onen minimiert und die Lebensqualität handlung mit Antibiotika im Widerspruch des Betroffenen gesteigert. Ein ganz- Interessenkonflikt zu den aktuellen wissenschaftlichen und heitlicher Ansatz ist dabei unverzicht- Die vorliegende Publikation politischen Bestrebungen einer geziel- bar. wurden seitens des Unter- ten Antibiotikabehandlung mit strenger Im Hinblick auf die lokale Behandlung nehmens Coloplast GmbH Indikationsstellung. nicht-heilender Wunden werden die bei- finanziell unterstützt. Um dem Komplexitätsgrad in der den Wirkprinzipien passive Keimelimi- B ehandlung ausreichend gerecht zu nation, bzw. Keimbindung, und aktive Zitierweise werden und vor dem Hintergrund einer Keimabtötung diskutiert. Verbandmittel T. Bonkowski, S. Eder, J. Forster, heute oft unzureichenden Versorgung mit passiver Keimelimination sind bei I. Hoffmann-Tischner, K. Protz, sollte eine Betreuung von Patienten mit geringer bakterieller Belastung indi- M. Schmalzbauer, A. Schwarz- ziert. Die aktive Keimabtötung in der kopf, W. Sellmer, B. Temme. T. Bonkowski Wunde erreicht hingegen deutlich hö- Versorgung von Menschen Universitätsklinikum Regensburg e.V., Franz- here Keimreduktionswerte. Diese Ver- mit chronischen Wunden – Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg bandstoffe sind daher bei verzögerter Fokus Wundinfektion in der S. Eder Wundheilung aufgrund einer bakteriel- außerklinischen Versorgung. Klinik für Gefäßchirurgie, Schwarzwald-Baar len Belastung, bis hin zur lokalen In WUNDmanagement 2019; Klinikum, Klinikstraße 11, 78052 Villingen- 13(5):244–248. fektion, indiziert. Aufgrund der teils Schwenningen mehrtätigen Wirksamkeit und der damit J. Forster deutlich längeren Tragedauer sind sie Manuskriptdaten Klinikum Links der Weser, Senator-Weßling- Eingereicht: 30.072019 Straße 1a, 28277 Bremen zudem gerade in der ambulanten Ver- Revidierte Fassung sorgung von großem Vorteil. Folgerich- I. Hoffmann-Tischner angenommen: 26.08.2019 Kölner Pflegedienst & Wundmanagement, tig müssen beide Optionen den Thera- Hohe Straße 85, 51149 Köln peuten zur Versorgung zur Verfügung K. Protz stehen. Dies muss auch in der aktuellen Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg politischen Diskussion zur Abgrenzung e. V., Bramfelder Chaussee 200, von Verbandmitteln und sonstigen Pro- 22177 Hamburg dukten der Wundversorgung Berück- M. Schmalzbauer sichtigung finden. Ospedale Regionale di Lugano – Civico, Via Tesserete 45, Piano 12, 6903 Lugano, SCHLÜSSELWÖRTER Schweiz Keimbindung, Keimabtötung, Wund A. Schwarzkopf infektion, Infektionsprävention, Ambu- Institut Schwarzkopf, Otto-von-Bamberg- Straße 10, 97717 Aura a. d. Saale lante Wundversorgung, Abgrenzung Ver- bandmittel W. Sellmer Schatzmeister Wundzentrum Hamburg e. V., Bramfelder Chaussee 200, 22177 Hamburg SUMMARY B. Temme When treating patients with chronic Wundpraxis Berlin, Rudower Straße 48, wounds, antimicrobial treatment with 12351 Berlin dressings is of great importance. First, 244 WUNDmanagement | 13. Jahrgang | 5/2019
Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung | POSITIONSPAPIER In diesem Positionspapier wird eine Faktenbox: 900.000 Menschen mit chronischen Wunden [30] Übersicht über die Grundlagen und die In Deutschland wurden 2012 bei 2,7 Mio. Menschen Wunden mit den Indika- Evidenz zur Behandlung lokal infizier- tionen Dekubitus, Ulcus cruris, diabetisches Fußulcus, posttraumatische Wun- ter, nicht-heilender Wunden unter Be- de, Verbrennung/Verätzung und andere Wunden, wie Amputationswunden rücksichtigung der beiden Wirkprin und Wunden bei bösartigen Neubildungen, diagnostiziert. Zwei Drittel der zipien Keimelimination und Keimabtö- Wundpatienten (1,8 Mio.) wurden nicht länger als acht Wochen behandelt. tung zusammengefasst. Besonders wird Bei ca. einem Drittel der Wundpatienten (892.305) wurden die Wunden chro- in diesem Rahmen Bezug auf den au- nisch, d. h. der Behandlungszeitraum wurde länger als acht Wochen dokumen- ßerklinischen Versorgungsbereich ge- tiert. Zudem gibt es noch eine Dunkelziffer von Patienten, die sich mit den nommen. Wunden nicht in medizinische Behandlung begaben und daher hier nicht er- fasst wurden. Das in Vergessenheit geratene Die Prävalenz chronischer Wundpatienten beträgt somit mindestens 1,1 % Leiden hinter den Schlagzeilen der Gesamtbevölkerung. Der Anstieg chronischer Krankheiten, Man geht aufgrund der steigenden Krankheitshäufigkeiten der Grunder- wie Diabetes mellitus, ist eng verbunden krankungen, wie z. B. des Diabetes mellitus (Shaw 2010), auch von einer stei- mit der veränderten Altersstruktur, ei- genden Prävalenz der chronischen Wunde aus. ner erhöhten Lebenserwartung und dem Umfeld der Betroffenen. Damit kommt der chronischen Wunde als Symptom because local wound infections are a on the differentiation of dressings and verschiedener zugrundeliegender Krank- common, serious cause of wound hea- other wound care products. heitsbilder, z. B. Diabetes mellitus, arte- ling disorders. On the other hand, local rielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder treatment of wounds with antibiotics is KEYWORDS chronisch venöse Insuffizienz (CVI), zu- in contradiction to the current scientific Germ binding, bacteria sequestration, künftig gleichfalls eine wachsende Be- and political efforts of a targeted anti- germ killing, woundinfection, infection deutung zu. Im Mittelpunkt dieser Dis- biotic treatment with a strict indication. prevention, outpatient woundcare, dif- kussion steht jedoch meist die Heraus- In order to address the degree of com- ferentiation of dressings forderung an die Wundversorgung aus plexity in treatment and considering Sicht der Pflege (Pflegenotstand), Ärzte the background of often inadequate (Ärztemangel) und finanzieller Ge- Einleitung sichtspunkte. Leider geraten dabei der care, treatment of patients with chronic In der aktuellen Diskussion über die in- Betroffene, nämlich der Patient, mit sei- wounds should always be provided th- dikationsgerechte Versorgung von Pati- nem gesetzlichen Anspruch auf best- rough specialized, interdisciplinary net- enten mit chronischen Wunden kommt mögliche Versorgung sowie die Ein- works. der Behandlungsoption der nicht anti- schränkungen hinsichtlich seiner Le- Thereby, ultimate goal is infection biotischen, aber antimikrobiellen Be- bensqualität und seine Angehörigen, prevention and thus patient protection, handlung mit Verbandmitteln eine gro- aus dem Fokus. Patienten mit nicht-hei- the avoidance of complications and in- ße Bedeutung zu. Dies zum einen, da lenden Wunden leiden unter Schmer- creased chances of recovery. This mini- lokale Wundinfektionen eine häufige, zen, Wundgeruch und weiteren Symp- mizes the risk of cost-intensive comp schwerwiegende Ursache für Wundhei- tomen, wie Schlafstörungen, Mobilitäts- lications and increases the patient’s lungsstörungen sind. Zum anderen steht verlust und sozialer Isolation. Weiterhin quality of life. A holistic approach is in- die lokale Wundbehandlung mit Anti- kann es zu Extremitätenverlust, Sepsis dispensable. biotika im Widerspruch zu den aktuel bis hin zu einem letalen Verlauf kom- With regard to the local treatment of len wissenschaftlichen [8, 9, 21] und po- men [17]. Demgegenüber wird eine non-healing wounds, the two principles litischen Bestrebungen [5] einer geziel- Mehrklassenmedizin eingeführt, die den passive germ elimination, or germ bin- ten Antibiotikabehandlung mit streng finanziell Solventesten auch die beste ding, and active germ killing are discus- er Indikationsstellung. Qualität der Behandlung sichert. sed. Dressings with passive germ elimi- nation are indicated at low bacterial load. Active germ killing in the wound, Faktenbox: Defizitäre Versorgung however, achieves significantly higher Die meisten chronischen Wunden in Europa sind vaskulärer Genese. Somit germ reduction values. These dressings sind die Gefäßmediziner im besonderen Maße gefordert, eine professionelle are therefore indicated for delayed und adäquate Diagnostik und Therapie sowohl der chronischen Wunde, als wound healing due to bacterial load, up auch der zugrundeliegenden Störung der Mikrozirkulation durchzuführen. to local infection. Due to often sever- Eine Studie zeigte, dass jedoch nur rund 25 % aller Patienten eine gefäßmedi- al-day effectiveness and the signifi- zinische Diagnostik erhalten [11]. cantly longer wearing time, active dres- Etwa 70 % der Menschen mit Ulcus cruris venosum werden ausschließlich sings are also of great advantage in von Hausärzten und 6,8 % von nicht auf das Krankheitsbild spezialisierten outpatient care. Consequently, both op- Versorgern betreut. Patienten mit solchen Problemwunden werden meist spät tions must be available to the thera- an einen Spezialisten überwiesen: im Durchschnitt erst, nachdem sie bereits pists. This must also be taken into ac- 3,5 Ärzte aufgesucht haben [31]. count in the current political discussion WUNDmanagement | 13. Jahrgang | 5/2019 245
POSITIONSPAPIER | Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden Faktenbox: Faktoren, die die Wundheilung beeinflussen Eine Wunde wird als chronisch einge- Lokale Einflussfaktoren Systemische Einflussfaktoren stuft, wenn sie nach 4 –12 Wochen – die • Lokalisation, z. B. Infektions • Lebensalter Fachgesellschaft ICW e.V. definiert acht gefahr im Analbereich •A llgemeinzustand/Grund- und Wochen [13] – nicht abgeheilt ist. Un- •D ruck oder mangelnde Ruhig- Begleiterkrankungen: abhängig von dieser zeitlich orientier- stellung z. B. pAVK, Diabetes mellitus ten Definition gibt es Wunden, die von •N ekrosen, Fremdkörper, Beläge • Ernährungs- und Flüssigkeits Beginn an als chronisch anzusehen sind, oder Hämatome zustand des Patienten da ihre Behandlung eine Therapie der •B eschaffenheit von Wundrand • Immunsuppression weiterhin bestehenden Ursache erfor- und -umgebung • Medikamentöse Therapie dert [13, 14]. Hierzu gehören beispiels- •W undgröße und -tiefe • Psychosoziale Situation: weise das diabetische Fußulkus, Wun- •A rt der lokalen Behandlung: psychische Erkrankungen, Sucht, den bei pAVK, Ulcus cruris venosum atraumatische und aseptische Demenz, Selbstmanipulation, oder Dekubitus [13]. Das Risiko der Verbandwechsel, individuell Depression Entstehung von chronischen Wunden angepasstes Exsudatmanagement • Systemische Infektionen, wird auch durch eine Reihe von Fakto- •A ufrechterhaltung feuchtes z. B. Sepsis ren erhöht (siehe „Faktenbox: Faktoren, Wundmilieu und Temperatur; • Aufenthalt in medizinischer die die Wundheilung beeinflussen“). Wundheilung erfolgt im feuchten Einrichtung, z. B. Intensiv- Da die chronische Wunde nur ein Milieu schneller und Auskühlung station Symptom der zugrundeliegenden Krank- der Wunde verzögert bei vielen heitsbilder und somit keine eigenständi- Wunden die Wundheilung ge Krankheit ist, erfordert die Diagnos- • Wundalter tik und Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden eine strukturierte, Lokale Einflussfaktoren oder nur eingeschränkt, diese Schutz- sektorenübergreifende Versorgung. Die- auf die Wundheilung hülle durchdringen können. Diese bio- se Versorgung ist heute oft unzurei- Nach Diagnostik und wenn möglich da- filmbildenden Bakterien kommen auch chend und geht hin bis zur Unter- oder rauf basierender Kausaltherapie beein- in tieferen Gewebeschichten vor und Fehlversorgung. Eine fachärztliche Be- trächtigen lokale Faktoren den Heilungs- spielen damit eine Rolle in der verzö- treuung in der Wundversorgung erfolgt prozess von chronischen Wunden. Hier- gerten Wundheilung [3, 25, 33]. in Deutschland nur bei rund der Hälfte bei ist die lokale Wundinfektion eine aller Behandelten mit chronischen Wun- schwerwiegende Komplikation, die zu Lokale Wundinfektionen den [11]. Gewebeuntergang und Stagnation der vermeiden Eine spezialisierte Wundversorgung Wundheilung führt. Die Ziele der Infektionsprävention sind mit Implementierung von Leitlinien und Trotz deutlich verbessertem Ver- der Patientenschutz, die Vermeidung von Behandlungspfaden reduziert die Kom- ständnis der Wundheilung und neuer plikationsrate signifikant [10]. Trotz er- Komplikationen und erhöhte Heilungs- Behandlungsoptionen stellt eine lokale heblicher Bemühungen der ärztlichen chancen. Damit wird das Risiko kosten- Wundinfektion weiterhin ein Kernprob- und pflegerischen Fachkräfte sind die intensiver Behandlungen von Komplika- lem der gestörten Wundheilung dar [4, Rahmenbedingungen in der nicht-stati- tionen (z. B. florider Sepsis) minimiert 16, 19, 24]. Unter einer Wundinfektion onären Behandlung für einen asepti- und die Lebensqualität des Betroffenen versteht man den Eintritt von Mikro schen Verbandwechsel somit ungünstig. gesteigert. Für die erfolgreiche Präven- organismen (Infektion) in eine Wunde tion einer lokalen Wundinfektion müs- mit den charakteristischen Zeichen ei- Ökonomische Aspekte sen die möglichen Ursachen, die Über- ner lokalen Entzündung [32]. Das Vor- Die Kosten für die Behandlung eines Ul- tragungswege sowie die Effektivität der handensein von Bakterien in Wunden cus cruris in Deutschland betragen pro ist seit langer Zeit bekannt, jedoch führt präventiven Maßnahmen und der syste- Patienten jährlich 9.060 Euro. Diese dies nicht immer zu einer Störung der mischen Behandlungsansätze bekannt Kosten setzen sich zusammen aus dem Wundheilung oder Wundinfektion [27]. sein [23]. Das Risiko für die Entwick- Betrag von 8.288 Euro, der zu Lasten Das Risiko einer Infektion steigt in Ab- lung einer Wundinfektion kann z. B. der Gesetzlichen Krankenversicherung hängigkeit vom Immunstatus des Pati- mittels des WAR Score (Wounds-at-Risk) (GKV) abgerechnet wird, und dem Ei- enten, der Virulenz und der Menge der ermittelt werden und stützt dann Ent- genanteil von 772 Euro, den der Patient Erreger [27]. scheidungen über den Einsatz von prä- trägt. Verlässliche Daten zu den Kosten Im Zusammenhang mit lokaler Wund- ventiven Behandlungsmaßnahmen. Er und volkswirtschaftlichen Belastungen infektion und deren Prävention wird in beruht auf einer klinisch orientierten aufgrund von chronischen Wunden sind den letzten Jahren verstärkt die Rolle der Risikoerhebung und berücksichtigt kon- bislang nicht verfügbar [1]. Basierend Biofilme in Wunden diskutiert [28, 29]. krete Sachverhalte aus der Wund- und auf den oben genannten Werten lassen Bakterien können sich durch Bildung Lebenssituation des Patienten [15]. Bei sich damit aber jährliche Gesamtkosten einer Schutzhülle (extrazellulären Mat- den Reaktionen kann zwischen lokalen von mindestens 8,1 Mrd. Euro für alle rix) vor antimikrobiellen Substanzen Präventionsmaßnahmen, z. B. dem Ein- chronischen Wunden abschätzen. schützen, da diese Substanzen nicht, satz antimikrobieller Verbandstoffe und 246 WUNDmanagement | 13. Jahrgang | 5/2019
Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung | POSITIONSPAPIER Antiseptika sowie systemischen Maß- duzieren. Hierzu gibt es zwei grund- Konsequenzen für die nahmen, wie der Blutzuckereinstellung, sätzlich verschiedene Wirkprinzipien: Behandlung chronischer Wunden und Hygienemaßnahmen unterschieden Zum einen die passive Keimeliminati- Im Sinne einer differenzierten Diagnos- werden. on/Keimbindung und zum anderen die tik sowie der darauf basierenden Kau- aktive Keimabtötung in der Wunde. saltherapie, soweit diese umsetzbar ist, Lokale Wundinfektionen Die passive Keimelimination/Keim- sollte eine Versorgung von Patienten effektiv behandeln bindung reduziert durch die Aufnahme mit chronischen Wunden immer über Der erste Schritt der lokalen antimikro- des Exsudats und der darin enthalten- spezialisierte, fachübergreifende Netz- biellen Behandlung ist, die Notwendig- den Keime die Bakterienlast in Wunden. werke erfolgen. Nur so kann man dem keit einer Wundreinigung und die Ent- Ein direkter Kontakt zum Wundgrund Komplexitätsgrad in der Versorgung chro- fernung von Biofilm zu überprüfen und ermöglicht mit der Exsudataufnahme nischer Wunden ausreichend gerecht durchzuführen. Diesem Schritt kommt eine schnelle, direkte Entfernung der werden. Die Prävention ist dabei erstes eine zentrale Bedeutung zu [18]. Bakterien vom Wundgrund. Naturge- Ziel, die erforderlichen Maßnahmen rich- Die Behandlung bei lokal infizierten mäß darf aus dem Verband kein bakte- ten sich nach dem klinischen Bild und Wunden mit nicht-antibiotischen Wirk- rienhaltiges Exsudat zurück in die Wun- tragen dazu bei, weitere Komplikatio- stoffen ist heute State of the Art [22]. de treten. Die Effektivität dieses Wirk- nen, wie die Entstehung neuer Wunden, Eine lokale Infektion kann meistens mit prinzips wird durch eine geeignete die Verschlechterung der Wundsituati- zeitgemäßen antimikrobiellen Wund Wundreinigung und die Häufigkeit der on oder eine Wundinfektion, zu verhin- therapeutika, wie Octenidin, Polihexa Verbandwechsel erhöht. Somit sind dern. Ein ganzheitlicher Ansatz ist dabei nid oder antimikrobiellen Verbandmit- Verbandmittel mit passiver Keimelimi- unverzichtbar und umfasst Grunder- teln, beispielsweise mit Silber, effektiv nation im Bereich der Infektionspräven- krankungen, Edukation, Ernährung so- behandelt werden [12, 20]. Der Einsatz tion bei geringer bakterieller Belastung wie weitere Komponenten. lokaler antimikrobieller Wirkstoffe soll indiziert. Bezogen auf die Lokalsituation sind, unter strenger Indikationsstellung [22] und zeitlich befristet erfolgen. Eine Wird ein aktiver Wirkstoff in die je nach Grad der bakteriellen Belastung, Überprüfung des Behandlungserfolges Wunde abgegeben, sollte dieser auf kür- die beiden Wirkprinzipien Keimelimi- sollte nach spätestens 14 Tagen erfol- zestmöglichem Weg in das Wundbett nation und Keimabtötung indiziert. gen und in Abhängigkeit der Wundver- freigesetzt werden. Hierzu ist ein direk- Bislang fehlt es an einer allgemein ak- hältnisse kann die antimikrobielle Be- ter Kontakt des Wirkstoffträgers zum zeptierten Bewertung der antimikrobi- handlung auch längere Zeit andauern. Wundgrund vorteilhaft, denn so kann ellen Wirksamkeit von keimbindenden Ein präventiver Einsatz sollte nur aus- die benötigte Dosis und daraus resultie- und keimabtötenden Behandlungsopti- nahmsweise, z. B. in der Reinigungspha- rende chemische Belastung reduziert onen und der darauf basierenden Hand- se oder bei erhöhtem Infektionsrisiko, werden. Die aktive Abtötung in der lungsempfehlungen. Erste Ansätze hier- erfolgen [6]. Wunde erreicht deutlich höhere Keim- zu gibt es [22], und diese sollten von reduktionswerte als die passive Entfer- den Fachgesellschaften weiter ausgear- Aseptischer Verbandwechsel und nung [7], und die keimabtötende Wirk- beitet werden. Vorerst ist es zu früh, ei- Débridement/ Wundreinigung samkeit ist auch bei einem mehrtägigen nes der Wirkprinzipien auszuschließen; Nach ggf. erforderlicher Schmerzlinde- Verbandwechselintervall gegeben [6]. folgerichtig müssen beide den Thera- rung erfolgt – nicht nur therapeutisch, Aufgrund der effektiven Keimabtötung peuten zur Versorgung der Patienten sondern auch präventiv – eine Wundrei- sind diese Verbandstoffe insbesondere zur Verfügung stehen – insbesondere nigung und bei Bedarf ein Débridement. bei verzögerter Wundheilung durch eine auch im außerklinischen Bereich. Ein ungenügendes Débridement ist ein bakterielle Belastung, bis hin zur loka- wesentlicher Grund für eine verzögerte Literatur len Infektion, indiziert. Diese teils mehr- Wundheilung. Die Verfügbarkeit eines 1. Augustin M, Brocatti LK, Rustenbach tätige Wirksamkeit und die damit deut- SJ, Schäfer I, Herberger K. Cost-of-illness effektiven Débridement, gerade in der lich längere Tragedauer ist gerade in of leg ulcers in the community. Int Wound außerklinischen Versorgung, stellt hier- der ambulanten Versorgung von gro- J. 2014; 11(3) 283-92y bei eine Herausforderung dar. 2. Bianchet A, Taherinejad F, Wellner E, ßem Vorteil. Die Verbandwechselinter- Lokal infizierte Wunden sind häufig Hamberg K. Bacterial binding does not valle müssen in Abhängigkeit von der durch ein hohes Exsudataufkommen ge- reduce viable counts in the surrounding Patientensituation, den klinischen Be- media in vitro. Poster Präsentation EWMA kennzeichnet. In Behandlungskonzepten ist daher unbedingt auf ein gutes Exsu- funden, etc. in individueller Risikoab- 2019 wägung geplant werden. 3. Bjarnsholt T. The role of bacterial biofilms datmanagement zu achten. Wundver- Nach aktuellem Erkenntnisstand zu in chronic infections. APMIS Suppl. 2013 bände mit einem Kontakt zum Wund- May; (136):1-51 grund erleichtern die Exsudataufnahme. Biofilmen wird empfohlen, Wunden mit 4. B jarnsholt T, Eberlein T, Malone M, Der Einsatz von systemischen Anti- Verdacht auf Biofilmbelag regelmäßig Schultz G. Management of wound bio- biotika sollte gemäß dem 10-Punkte- mechanisch bzw. chirurgisch zu débri- film Made Easy. London: Wounds Inter- Plan [5] zur Bekämpfung resistenter dieren oder zu reinigen sowie antimik- national 2017; 8(2). Available from: robielle Substanzen und Wundverbände www.woundsinternational.com Erreger nur dann erfolgen, wenn dies 5. BMG 2015 https://www.bundesgesund- zwingend notwendig ist, z. B. bei syste- zu applizieren, die eine Rekontaminati- heitsministerium.de/ministerium/mel- mischen Infektionen. Umso wichtiger ist on der Wunde verhindern und eine Bio- dungen/2015/10-punkte-plan-zu-anti- es, die Bakterienlast in Wunden zu re- film-Neubildung unterdrücken [4]. biotika-resistenzen.html WUNDmanagement | 13. Jahrgang | 5/2019 247
POSITIONSPAPIER | Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung 6. Böttrich JG, Braunwarth H, Dissemond 17. Expertenstandard Pflege von Menschen 29. Percival SL, McCarty SM, Lipsky B. Bio- J, Münter KC, Schümmelfeder F, Wil mit chronischen Wunden. DNQP 2009 films and Wounds: An Overview of the ken P. Best Practice zu Silber-Wundver- 18. Falanga V. Introducing the concept of Evidence. Adv Wound Care (New Ro- bänden – Ergebnisse einer Expertenum- wound bed preparation (2001) Int Fo- chelle). 2015 Jul 1; 4(7):373–381 frage mit dem, Ziel einer Konsertierung. rum Wound Care 16(1):1–4. 30. PMV Forschungsgruppe Primärmedizi Wundmanagement 2018 (6): 311-322 19. Han G, Ceilley R. Chronic Wound Hea- nische Versorgung Köln. Epidemiologie 7. Braunwarth H, Brill FHH. Antimicrobial ling: A Review of Current Management und Versorgung von Patienten mit chro- Efficacy of Modern Wound Dressings: Oli- and Treatments. 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