Und dann? Unternehmensnachfolge im Mittelstand - ABG Partner

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Und dann? Unternehmensnachfolge im Mittelstand - ABG Partner
11 | 2017
                                                                                                                                    7,00 €
                                                                                                                            CHF 9,50 B13894

                                      Und dann?
                                        Unternehmensnachfolge im Mittelstand
www.marktundmittelstand.de

                                     Spendabel                  Umweltfreundlich                          Smart
                             Mittelständler engagieren sich      Die Energieeffizienz zu         Augmented Reality erhöht
                             in Vereinen und Initiativen –    steigern ist teuer – doch der    die Produktivität – vor allem in
                               nicht nur aus Altruismus.      Staat hilft mit Fördergeldern.       Logistik und Fertigung.
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20   Strategie und Personal                                                                          Markt und Mittelstand // November 2017

     Bi-Ba-Butzemänner: Wissen die Eltern ihr Kind gut betreut, können sie sich ganz aufs Arbeiten konzentrieren.

     Family first
     Viele Mittelständler setzen auf eine bessere Vereinbarkeit von
     Beruf und Privatleben und erhöhen so die Mitarbeiterbindung.

     Von Gabriele Kalt                                         berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft in
                                                               Köln in einer Studie.
     DER MANN FÄHRT zur Arbeit, die Frau betreut                  Das bedeutet: Die Arbeitswelt muss heute eine
     die Kinder – das war einmal. Heute achten immer           familienbewusste Arbeitszeitgestaltung für Frauen
     mehr Arbeitnehmer auf die Vereinbarkeit von Fami-         und Männer in den unterschiedlichsten Lebenspha-
     lie und Beruf. Beide Partner sorgen für das Einkom-       sen ermöglichen – beginnend bei der Ausbildung
     men und kümmern sich gleichermaßen um die                 über das duale Studium, die Elternschaft, Fortbil-
     Familie.                                                  dungen, Sabbaticals, die Pflege der Angehörigen bis
         Zahlen belegen den Trend: Von allen Beschäftig-       hin zu einem sanften Übergang in die Rente.
     ten mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehöri-             Für Unternehmen wird Familienfreundlichkeit
     gen erwarten rund 90 Prozent von ihrem Arbeitge-          immer mehr zum harten Wettbewerbs- und Stand-
     ber Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Berufs-           ortfaktor. Und ein entsprechendes Angebot rechnet
     und Privatleben zu erhöhen. Und selbst unter denen,       sich, wenn es darum geht, qualifizierte Mitarbei-
                                                                                                                                              Foto: Vaude

     die weder Kinder noch pflegebedürftige Angehörige         ter zu gewinnen oder langfristig an das Unterneh-
     haben, liegt das Thema rund 80 Prozent am Herzen,         men zu binden – gerade für Firmen in struktur- >>
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22   Strategie und Personal                                                                                 Markt und Mittelstand // November 2017

                                  Antje von Dewitz ist Geschäftsführerin von Vaude.           Isabel Franzka ist Steuerberaterin bei ABG-Partner.

                                  schwachen Gebieten, die unter der Abwanderung               hochwertige Mitarbeiter zu einem Mittelständler in
                                  von Fachkräften oder am Ausbleiben geeigneter               die Provinz zu bringen – trotz Vollbeschäftigung in
                                  Nachwuchskräfte leiden.                                     der Region.“
                                                                                                  Vor großen Investitionen scheut Vaude dabei
                                  Mit Auszeichnung // Durchweg positive Erfah-                nicht zurück: 2001 eröffnete der Outdoorausrüster
                                  rungen mit seinem Engagement für mehr Familien-             auf dem Firmengelände sein Kinderhaus, in dem
                                  freundlichkeit hat Vaude gemacht. Schon mehrfach            die Mitarbeiter ihren Nachwuchs tagsüber abge-
                                  wurde der Mittelständler aus dem baden-württem-             ben können. Mittlerweile werden hier 31 Kinder
                                  bergischen Tettnang für seine Programme ausge-              im Alter zwischen sechs Monaten und zehn Jahren
                                  zeichnet. „Da wir in einer sehr dynamischen Bran-           betreut. „Das Kinderhaus ist aber nur das Sahne-
                                  che arbeiten, ist es für uns wichtig, innovativ zu sein“,   häubchen“, betont von Dewitz. „Das Wichtigste ist
                                  erklärt Eigentümerin Antje von Dewitz ihren Erfolg.         die Bereitschaft, für alles offen zu sein.“ Die Hälfte
                                  „Mit unserem Angebot zur Vereinbarkeit von Beruf            aller 500 Mitarbeiter bei Vaude arbeitet in Teilzeit –
                                  und Privatleben schaffen wir es, Talente an unser           mit einem Stundenkontingent zwischen 20 und 90
                                  Unternehmen zu binden: Es gelingt uns, qualitativ           Prozent. Außerdem bietet das Unternehmen mobi-
                                                                                              les Arbeiten für all diejenigen an, bei denen es die
                                                                                              Arbeit erlaubt. Die Basis für eine solche Flexibilität
                                                                                              sei eine „Vertrauenskultur“, betont die Firmeninha-
      Gemeinsam lokal aktiv werden                                                            berin: „Traue ich den Leuten zu, dass sie zu Hause
                                                                                              genauso arbeiten wie in der Firma?“
      Knapp 8.000 deutsche Unternehmen haben sich – an 600 Standorten                             Der „Unternehmensmonitor Familienfreundlich-
      bundesweit – in „Lokalen Bündnissen für Familie“ zusammengeschlos-                      keit“ des Bundesfamilienministeriums zeigt: Ange-
      sen. „Gerade für kleinere Unternehmen sind Kooperationen mit ande-                      bote von Unternehmen werden immer dann beson-
      ren Unternehmen hilfreich“, berichtet Michael Oliva, Leiter Personal und                ders gut von Mitarbeitern angenommen, wenn auch
      Öffentlichkeitsarbeit der GP Grenzach Produktions GmbH aus Lörrach:                     die Führungskräfte selbst davon Gebrauch machen.
      „Wir haben nicht genügend Mitarbeiterkinder, um eine eigene Kinderta-                   Antje von Dewitz kann das bestätigen: „Meine vier
      gesstätte aufzubauen, aber wir können vier Belegplätze anbieten. Für                    Kinder waren alle in der unternehmenseigenen Kita,
                                                                                                                                                       Foto: Vaude (Michael Trippel), ABG-Partner

      die stark nachgefragte Ferienbetreuung haben wir – drei Betriebe in der                 und viele Kinder von Führungskräften sind eben-
      Gemeinde – ein gemeinsames Kontingent bei einem externen Anbieter                       falls dort. Es hat einen starken Vorbildcharakter,
      im Landkreis gekauft. Und auch beim Thema Pflege greifen wir auf die                    wenn männliche Führungskräfte um 17 Uhr abbre-
      Leistungen eines externen Dienstleisters zurück: Unsere Mitarbeiter                     chen müssen, um ihr Kind nach Hause zu bringen.“
      können sich dort individuell beraten lassen, und wir tragen die Kosten.“
                                                                                              Eine Frage der Organisation // Und die betriebs-
      Quelle: Markt und Mittelstand                                                           wirtschaftlichen Schattenseiten? „Die Organisation
                                                                                              ist eine riesige Herausforderung“, konstatiert die >>
24   Strategie und Personal                                                                              Markt und Mittelstand // November 2017

                                                                                           befragten Mütter und Väter gab an, bereits einmal
      Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“                                                     den Arbeitgeber gewechselt zu haben, um Beruf
                                                                                           und Familie besser koordinieren zu können – und
      Unterstützung und Anregungen für ihr Engagement in Sachen Ver-                       vier von fünf Befragten können sich einen solchen
      einbarkeit können sich Unternehmen beim Unternehmensnetzwerk                         Wechsel für die Zukunft vorstellen.
      „Erfolgsfaktor Familie“ holen. Die Initiative von Bundesfamilienminis-                  Wenn Unternehmen sich darauf einstellen
      terium, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften bietet Leitfäden,                    und ihren Mitarbeitern entsprechende Angebote
      aktuelle Studien sowie Best-Practice-Beispiele. Das Netzwerkbüro ver-                machen, können sie auch die Kosten der Ausfallzei-
      mittelt zudem Ansprechpartner: www.erfolgsfaktor-familie.de/netzwerk                 ten durch Elternschaft (Überbrückung der Eltern-
                                                                                           zeit und Wiedereingliederung nach der Elternzeit)
      Quelle: Markt und Mittelstand                                                        reduzieren. Auch die Zahl der Beschäftigten, die
                                                                                           nicht aus der Elternzeit zurückkehren, sinkt – damit
                                                                                           verringert sich der Aufwand, den der Betrieb für die
                                                                                           Neubesetzung der Stelle treiben muss.
                                  Vaude-Chefin. Hinzu kommt: Seitdem das Unter-
                                  nehmen flexible Arbeitsmodelle anbietet, ist es ex-      Mehr Nutzen als Kosten // Die Berater von
                                  trem „fruchtbar“ geworden. Die Zahl der Babys hat        Roland Berger haben in einer Studie für das Fami-
                                  sich verfünffacht. Für die Planung der Arbeitsab-        lienministerium eine „Vereinbarkeitsrendite“ auf
                                  läufe und das Zusammenstellen der Projektteams           Investitionen zur Familienfreundlichkeit berechnet.
                                  bedeutet das erheblichen Mehraufwand. „Wir fan-          Ergebnis: Sowohl „typische“ Maßnahmen zur Erhö-
                                  gen stärker an, die Mitarbeiter in die Pflicht zu neh-   hung der Vereinbarkeit, wie etwa Teilzeit, Kinder-
                                  men, sich so zu organisieren, dass es im Team passt“,    betreuung oder Homeoffice, als auch neue Formen,
                                  sagt von Dewitz. „Dabei muss jeder mithelfen.“           wie die bewusste Einbeziehung von Vätern und Pfle-
                                  Doch auch wenn sich in der Sache alle grundsätzlich      genden, rechnen sich. Der wirtschaftliche Nutzen,
                                  einig seien: „Trotz bestem Willen ist nicht alles mög-   den Unternehmen aus der Implementierung fami-
                                  lich“, sagt die Unternehmerin. Andererseits sei die      lienfreundlicher Maßnahmen ziehen können, über-
                                  Arbeitszufriedenheit hoch: „Unsere Krankenquote          steigt die Kosten dafür deutlich.
                                  und die Fluktuation liegen unter 4 Prozent“, ist die         Auch steuerlich können die Maßnahmen für
                                  45-jährige Firmenchefin stolz.                           Unternehmen wie Arbeitnehmer interessant sein:
                                      Wie wichtig für junge Berufstätige das Thema         „Mit dem ersten Kind entsteht bei Eltern häufig
                                  Familienfreundlichkeit bei der Wahl des Arbeitge-        der Wunsch, die Arbeitszeit zu verkürzen“, berich-
                                  bers ist, belegt auch eine Studie der Gesellschaft für   tet Isabel Franzka, Steuerberaterin im Beratungsver-
                                  Konsumforschung (GfK), Nürnberg. Ein Viertel der         bund ABG-Partner, Dresden. Um die daraus resul-
                                                                                           tierenden Gehaltseinbußen abzumildern, habe der
                                                                                           Arbeitgeber die Möglichkeit, dem Mitarbeiter einen
                                                                                           Zuschuss zu den Kitakosten zu gewähren. Dieser sei
      Vereinbarkeit: Was gibt’s, was geht?                                                 lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei und könne
                                                                                           gewährt werden, solange das Kind noch nicht schul-
      > flexible Arbeitszeitregelungen (Teilzeit, Gleitzeit, Jahres-/Lebens-/              pflichtig sei. Der Beleg für die gezahlten Kitakosten
        Arbeitszeitkonten oder Sabbaticals)                                                müsse dann zum Lohnkonto genommen werden.
      > familienbewusste Arbeitsorganisation (flexible Gestaltung und Vertei-              Auf dieselbe Art und Weise könne auch das Essens-
        lung von Arbeitsaufträgen, multifunktionaler Personaleinsatz)                      geld erstattet werden, sagt Franzka. Wenn Eltern die
      > familienfreundlicher Arbeitsort beziehungsweise Heimarbeit                         Betreuung bei verschiedenen Anbietern wahrneh-
      > Informations- und Kommunikationspolitik, um kontinuierlich über den                men, rät die Steuerexpertin Unternehmen dazu, den
        Nutzen familienfreundlicher Maßnahmen zu informieren                               Betrag des Zuschusses zu deckeln – „um alle gleich
      > Personalentwicklung unter Berücksichtigung familiärer Belange bei                  zu behandeln“.
        Einstellung und Karriereplanung                                                        Vaude kooperiert bei seiner Kinderbetreuung
      > Angebote für den Wiedereinstieg nach der Elternzeit, wie Weiterbil-                mit der Stadt Tettnang. „Unser Kinderhaus wird
        dung und Kontakthalteprogramme                                                     bezuschusst, wie kommunale oder kirchliche Kin-
      > Service für Familien, wie die Vermittlung von Betreuungsplätzen und                dergärten auch“, berichtet Antje von Dewitz, „daher
        Beratung zu Betreuungsangeboten für Kinder und pflegebedürftige                    werden auch externe Kinder bei uns aufgenommen.
        Angehörige oder auch betrieblich unterstützte Kinderbetreuung                      Wir sind ein offenes Kinderhaus, um so wirtschaft-
                                                                                           lich wie möglich zu sein.“
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