Unser Schulpatron Kaspar Hauser

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Unser Schulpatron Kaspar Hauser
Unser Schulpatron Kaspar Hauser

Es war vor knapp 200 Jahren. Am frühen Morgen eines Pfingstmontags, den 26. Mai 1828, steht
ein ungefähr 16-jähriger junger Mann auf dem Unschlittplatz in Nürnberg. Kaum fähig zu laufen,
steht er da mit einem Brief in der Hand. Auch ist er nicht fähig zu sprechen. Die Bürger der Stadt
Nürnberg wissen nichts mit dem sonderbaren Jüngling anzufangen, und so landet der junge Mann
zuerst einmal im Gefängnis der Stadt Nürnberg, im Turm «Luginsland». Dort wird er erfolglos
verhört, denn er versteht die Fragen nicht. Stattdessen wiederholt er bei jeder passenden und
unpassenden Gelegenheit – ohne Sinn und Verstand – den Satz: „I möcht´ ein solcher Reiter
werden, wie mein Vater einer gewesen ist“. Endlich gibt ihm einer der Beamten einen Bleistift und
ein Papier, und zum Erstaunen aller Anwesenden kann der Jüngling zwei Worte schreiben, den
Namen: «Kaspar Hauser»

                      Kaspar wurde vom ersten Tag seines Auftretens an von Amts wegen
                      genauestens untersucht. Auch wurden alle Beobachtungen und
                      Untersuchungen in unzähligen Protokollen akribisch festgehalten, so unter
                      anderem auch von Stadtgerichtsarzt Dr. Preu.

                      Die Menschen Nürnbergs konnten im ersten Moment nicht glauben, was sie
                      hier sahen. Der eine oder andere glaubte gar, einen Betrüger vor sich zu
                      haben. Doch alle Menschen, die von Kaspar Hauser in den ersten Tagen
                      und Wochen einen eigenen, unmittelbaren Eindruck bekommen konnten,
                      waren sich sicher: Hier wurde ein unfassbares Verbrechen an einem
                      Menschen verübt. So erlebte es auch der erfahrene Gefängnisleiter Andreas
                      Hiltel, der den Findling in den ersten Tagen wie kein anderer intensiv
                      wahrgenommen hatte. Im Rückblick auf seine Begegnung mit Kaspar
                      Hauser schrieb Hiltel unter anderem:

  «Sein ganzes Benehmen war sozusagen ein reiner Spiegel kindlicher Unschuld; er hatte nichts
  Falsches an sich, wie es ihm ums Herz war, so sprach er sich aus, soweit es nämlich seine
  dürftige Sprache zuließ.»

Der Bürgermeister der Stadt Nürnberg, Jakob Friedrich Binder, kümmerte sich höchstpersönlich
um den sonderbaren Jüngling. Als Vorsteher der Nürnberger Polizeibehörde leitete er die Verhöre
Kaspar Hausers. In einer öffentlichen Bekanntmachung schrieb er in sehr persönlicher und
emotionaler Weise von dem Verbrechen an diesem jungen Menschen.

                        «Sein reiner, offener, schuldloser Blick dagegen, die breite hohe
                        Stirn, die höchste Unschuld der Natur,…seine unbeschreibliche
                        Sanftmut, seine alle seine Umgebung anziehende Herzlichkeit und
                        Gutmütigkeit,…seine Abneigung gegen alles, was einem Menschen
                        oder Thier nur den leisesten Schmerz verursachen könnte,…seine
                        Freiheit von jeder Unart und Untugend,… seine ganz außerordentli-
                        che Lernbegierde, sein ganz kindliches Wesen und sein reines unbe-
                        flecktes Innere – diese wichtigen Erscheinungen zusammen geben…
                        die volle Überzeugung, dass die Natur ihn mit den herrlichsten Anla-
                        gen des Geistes, Gemüts und Herzens reich ausgestattet hat.»

                                                            Bürgermeister Jakob Friedrich Binder
                                                         Bekanntmachung, Nürnberg, 7. Juli 1828

Das Interesse und Erstaunen über diesen sonderbaren Findling war so groß, dass sich diese
Nachricht in Windeseile in ganz Europa verbreitete. Schon sehr bald sprach man vom «Kind
Europas», und selbst die Zeitungen New Yorks berichteten von dem «Lost Boy from Nürnberg».
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Aber nicht das Schicksal und die Verbrechen, die an diesem Kind verübt wurden, waren für die
Menschen in seinem Umfeld unfassbar. Sein reines Wesen, sein unermüdlicher Lerneifer und
seine unglaubliche Lernfähigkeit faszinierte und ergriff alle Menschen, die ihn während dieser
ersten Zeit nach seinem Auftreten in Nürnberg erlebt hatten.

                             Der 28-jährige «Professor Daumer» lernte Kaspar Hauser schon im
                             Nürnberger Gefängnisturm kennen. Drei Wochen später nahm er
                             Kaspar als sein Lehrer und Pflegevater in seine Wohnung auf. Hier
                             schlief Kaspar erstmals in einem Bett. Als liebevoller Erzieher und
                             akribischer Forscher war Daumer für seinen Schützling Kaspar von
                             ganz besonderer Bedeutung. Durch seine liebevolle Hingabe und
                             unvoreingenommene Beobachtungsfähigkeit wurde Daumer
                             Kaspars größter Förderer und Lehrer. Vielleicht noch wichtiger war
                             jedoch sein Kampf gegen die Gegner Kaspar Hausers nach dessen
                             Ermordung im Jahre 1833. Daumer ergriff engagiert und furchtlos
                             das Wort gegen sie. Er veröffentlichte Verteidigungsschriften, in
                             denen er Verleumdungen, Angriffe und falschen Behauptungen
                             richtigstellte und diejenigen als Betrüger entlarvte, die Kaspar als
                             Betrüger hinstellen wollten.

                             «Als Hauser aus seiner Verborgenheit hervor in die Welt trat, war
                             seine Seele der Spiegel und Abglanz einer himmlischen Güte,
                             Reinheit und Unschuld, wie sonst noch kein Beispiel vorgekommen
                             oder bekannt geworden war. So blieb es nicht…»

                                                                         Georg Friedrich Daumer
                                                                   Pflegevater von Kaspar Hauser

Die Menschen in Kaspar Hausers Umfeld standen vor einem unfassbaren Rätsel. Sie waren sich
einerseits des Verbrechens sicher, das hier an einem Menschen verübt worden war. Gleichzeitig
aber wurden sie auch Zeuge eines Menschen, der trotz seiner verlorenen Kindheit in kürzester
Zeit unglaubliche Fortschritte machte, nachholte, was ihm über viele Jahre seines kurzen Lebens
genommen worden war. Ein Jahr nach seinem Auftauchen in Nürnberg war es Kaspar Hauser
möglich, diese Tatsache in einem einfachen Gedicht festzuhalten:

           Mein erstes Jahr begrüß ich heut
           In Dank und Liebe hoch erfreut.
           Von vieler Noth und Last gedrückt
           Von heute an genieß ich was mein Herz entzückt
           Und fühl auch jetzt mich neu beglückt.
           In mein ersten Jahr steh ich nun
           Da gibt's erstaunlich viel zu thun
           Zu schreiben und zu malen
           Zu rechnen oft mit Zahlen.
           Jetzt muß ich mich vorbereiten
           Täglich fortzuschreiten
           Weil so viele tausend Stunden
           Lieber Gott! sind mir verschwunden.
           Aber ein Schritt ist nicht gar viel
           Doch wird er mich noch führen
           Zu mein erwünschten Ziel.
           Auch wollte Gott, daß ich auch seh'
           Wie's in der Welt hergeht
Unser Schulpatron Kaspar Hauser
Und auch zu lesen was in den Büchern steht
Und anzubauen mein Gartenbeet.

Zu mein ersten Jahr erbitt ich mir
Verstand, Gesundheit guter Gott von Dir
Gib mir auch Kraft in den Jugendtagen
Um die Klugen auszufragen.
Des Lebens schönste Rosenzeit
Soll sein meine einzige Fröhlichkeit;
Und stets dem unverdroßnen Fleiß geweiht.
Erfüllt ist dann mein Lebenssinn
Mein süßes Glück ist da,
So wandle ich durch's Leben hin
Und siehe mich dem Ziele nah.
Die Zeit vergeht, sie gräbt mein Grab,
Scheut meinen Engel fort
Haucht meinen Wangen Rosen ab
Ist einst mein Rächer dort.
Fest will ich mich an dich schließen
Trifft mich Leiden oder Schmerz
So hilfst du mir's versüßen
Und ich schenke dir mein kindlich's Herz.
Sanft soll mein Leben schwinden
Und gepflegt wird's von deiner Hand
So sollst du auch die kindliche Liebe finden
So wie ich's auch von dir empfand.
Das schönste schließ ich mit festem Band in meine Brust,
Es hebt mich in's Götterland
Wo verklärt ist jede Freud u. Lust.
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