Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
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Impr pre ess ssu um Herausg Herau sgeber: eber: Umw Um wel eltb tbuunde ndessamt Fac achg hgeb ebiet iet III1.1 2.4Grundsatzfragen, Nachhaltigkeitsstrategien Postfach und 14 06 Ressourcenschonung -szenarien, 06813 Dessau-Roßlau Postfach 14 06 Tel: +49Dessau-Roßlau 06813 340-2103-0 Email: Tel: +49info@umweltbundesamt.de 340-2103-0 Internet: www.umweltbundesamt.de buergerservice@umweltbundesamt.de Internet: www.umweltbundesamt.de /umweltbundesamt.de /u /um mwel eltb tbu ndessamt.de unde /u /um mwel eltb tbuunde ndessamt /um /umwel eltb tbuunde ndessamt /umweltbundesamt Redaktion: Dr. Georg Lamberty, Autorinnen Planungsbüro Zumbroich und Autoren: Melanie Sarah Kemper, Ecologic Institut Hackfort Stephan Jakob Naumann, Umweltbundesamt Zwiers Martin Hirschnitz-Garbers Grafikdesign Michael und Layout: Schipperges Lena Aebli, Ecologic Institut Unter Mitarbeit von: Publikationen Johanna Schickals pdf: www.umweltbundesamt.de/publikationen Redaktion: ISSN (Online): Ullrich Lorenz 2363-832X Dessau-Roßlau, Satz und Layout:Februar 2020
Inhaltsverzeichnis 1 Einführung.............................................................................................................................4 Unser Tun verändert Flüsse und Bäche Renaturierungen geben Gewässern ihre Natürlichkeit zurück Gewässerzustand verbessern – ein gesetzlicher Auftrag Informationsplattform: Renaturierung von Fließgewässern 2 Effektive Renaturierung durch gute Planung ............................................................................6 Gewässerentwicklung ist Teamarbeit Das Gewässerleitbild gibt die Richtung vor Übergeordnete Defizite und Planungen berücksichtigen Planungsprozess ist abhängig von Genehmigungsverfahren 3 Viele Interessen am Fluss...................................................................................................... 11 Kooperation und Mitbestimmung für erfolgreiche Renaturierungsprojekte Mitbestimmung für neue Ideen und Konfliktvermeidung Gewässerschutz kann nur gemeinsam mit der Landwirtschaft gelingen 4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung.............................................................14 Zahlreiche Förderprogramme für Renaturierungen Bundesländer sind primär für Förderung von Renaturierungen verantwortlich Synergien durch Verknüpfung von Bauleitplanung und Eingriffsregelung Stiftungen, Sponsoring und Lotterien 5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn ….............................................................18 … wenn Hindernisse, aber kaum Platz vorhanden sind: Maßnahmen für die Durchgängigkeit … wenn der Gewässerlauf nicht verändert werden kann: Maßnahmen im bestehenden Profil … wenn das Gewässerprofil und die Ufer verändert werden können: Maßnahmen im und am Gewässer ... wenn weiträumige Entwicklung möglich ist: Maßnahmen bis weit in die Aue 6 Dynamische Gewässer – die Kraft des Wassers nutzen...........................................................28 Renaturierung durch Eigendynamik und Hochwasser Den Bach Bach sein lassen Hochwasser – günstig renaturieren lassen statt teuer reparieren Eigendynamik erfordert Entwicklungsraum 7 Flächen sichern für dynamische Gewässer.............................................................................31 Platz schaffen für Renaturierungsmaßnahmen Gewässerentwicklung beansprucht land- und forstwirtschaftliche Flächen 8 Hochwasser durch Auenreaktivierung entschärfen.................................................................34 Flüssen erlauben, über die Ufer zu treten Natürliche Überschwemmungsflächen halten Hochwasser zurück 9 Naturnahe Unterhaltung statt Baumaßnahme.........................................................................37 Veränderte Gewässerpflege als Alternative zu Renaturierungsmaßnahmen Noch Unterhaltung oder schon Ausbau? – ein wichtiger Unterschied 10 Naturschutz und Gewässerentwicklung – ein schönes Paar.....................................................39 Tiere und Pflanzen profitieren von Gewässerrenaturierungen Angel- und Fischereivereine engagieren sich für Gewässerentwicklung 11 Erholung am renaturierten Fluss in Stadt und Land.................................................................42 Renaturierung macht Fließgewässer erlebbarer und wertet Wohnumfeld auf 12 Renaturierungserfolge beobachten und messen.....................................................................44 Vorher/Nachher-Untersuchungen des Gewässers einplanen 13 Beratung und Förderung durch die Bundesländer...................................................................46 14 Weiterführende Literatur.......................................................................................................48 15 Abbildungsverzeichnis..........................................................................................................50 3
1 Einführung Unser Tun verändert Flüsse und Bäche Korsett gezwungen. Wehre, Talsperren und andere Seit jeher nutzt und verändert der Mensch Fließge Querbauwerke unterbrechen die Durchgängigkeit der wässer und Auen mit den unterschiedlichsten Zielen. Gewässer. Oftmals sind auch die Auen bis unmittel Dazu zählen beispielsweise die Landgewinnung für bar an das Ufer genutzt oder versiegelt. Siedlungen und für die Produktion von Nahrungs Diese Eingriffe wirken auf die natürlichen Prozesse mitteln, die Energieerzeugung, die Abwasserablei im Gewässerraum. Abflussgeschwindigkeiten tung und der Warentransport. Um diese vielfältigen erhöhen sich und der Wasserrückhalt der Aue wird Nutzungen zu ermöglichen werden Gewässerläufe verringert. Die Gewässer tiefen sich ein und die Ver begradigt, eingeengt oder durch Verbau in ein starres zahnung zwischen Fluss und Aue wird unterbrochen. Abbildung 1.1 Viele Flüsse und Bäche wurden vom Menschen tiefgreifend verändert 1 2 3 1 mit Spundwänden gesichertes Flussufer 2 begradigter Bach 3 verrohrter Abschnitt des Mehlemer Baches Fotos: Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich 4
1 Einführung Aus strukturreichen Naturräumen werden eintönige, willigkeitsprinzips. Potenzielle Maßnahmenträger vegetationslose Gerinne. Übermäßige Wasserent von Gewässerrenaturierungen sind z. B. Städte und nahmen oder die Verschlechterung der Wasserquali Gemeinden, Wasserwirtschaftsbehörden, Gewäs tät, beispielsweise durch den Eintrag von Düngemit serunterhaltungsverbände, Angelvereine oder Bür teln und Pestiziden aus der Landwirtschaft, belasten gerinitiativen. Insbesondere kleine und mittelgroße die Fließgewässer zusätzlich. Flüsse und Bäche sind häufig im Eigentum der Städte und Gemeinden und müssen von ihnen unterhalten Renaturierungen geben Gewässern werden. Zudem sind die Kommunen für die örtliche ihre Natürlichkeit zurück Raum- und Umweltplanung verantwortlich und spie Gewässerrenaturierung ist die Rückführung eines vom len eine zentrale Rolle bei der Bewirtschaftung und Menschen veränderten Gewässers hin zu seinem na nachhaltigen Entwicklung von Fließgewässern. türlichen Zustand. Das heißt aber nicht, dass eine Re naturierung diesen Naturzustand vollständig erreichen Informationsplattform: Renaturierung von muss. Das Ziel ist es, den ökologischen Zustand von Fließgewässern Flüssen und Bächen zu verbessern, denn natürliche Diese Broschüre bietet einen Einblick in die Inhalte und naturnahe Fließgewässer haben viele Vorteile: der online Informationsplattform „Renaturierung von Fließgewässern“ des Umweltbundesamtes ▸ Sie steigern die Lebensqualität und das Wohlbe (uba.de/renaturierung). Ziel der Plattform und dieser finden in Stadt und Land. Broschüre ist die Ermunterung und Unterstützung po ▸ Sie reduzieren die Hochwassergefahr. tenzieller Maßnahmenträger zur vermehrten Durch ▸ Sie bieten zahlreichen Pflanzen- und Tierarten führung von Renaturierungsmaßnahmen. Dazu wird einen Lebensraum. Grundlagenwissen zur naturnahen Entwicklung von ▸ Sie unterstützen den Abbau umweltbelastender Flüssen und Bächen vermittelt. Zudem geht es um Stoffe (z. B. Abwasser, Düngemittel). praktische Fragen wie Planung, Finanzierung und ▸ Sie können Auswirkungen des Klimawandels bes Flächenbereitstellung, aber auch um Hochwasser ser abfedern (z. B. Trockenperioden, Starkregen). schutz, Naturschutz, Landwirtschaft und Erholung. Die Themen werden durch Praxisbeispiele von Rena Gewässerzustand verbessern turierungsprojekten illustriert. – ein gesetzlicher Auftrag Die EG-Wasserrahmenrichtlinie und das deutsche Wasserhaushaltsgesetz verpflichten dazu, den “guten ökologischen Gewässerzustand“ bis 2015 herzustel len. Dieses Ziel wurde in Deutschland vielerorts nicht erreicht. Für knapp 92 % aller Gewässer wurden Fristverlängerungen und Ausnahmen in Anspruch genommen. Monotone Gewässerstrukturen sind neben stofflichen Belastungen eine der Hauptursa chen für die Verfehlung der Ziele der EG-Wasser rahmenrichtlinie in Deutschland. Renaturierungen zielen auf eine Verbesserung der Gewässerstruktur und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Um setzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und des Wasserhaushaltsgesetzes. Planung und Umsetzung von Renaturierungsmaß nahmen erfolgen oft durch die lokalen Maßnahmen träger auf der Grundlage des Kooperations- und Frei Mehr zur Renaturierung von Fließgewässern: uba.de/renaturierung 5
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung Gewässerentwicklung ist Teamarbeit Bekenntnis der Politik zur Renaturierung. Dadurch kann Unterstützung in Form von Erlassen und Vor Naturnahe Gewässerentwicklung ist ein komple schriften gegeben sowie Personal und finanzielle Mittel xes Unterfangen. Es gilt klare Renaturierungs bereitgestellt werden. ziele zu formulieren, verschiedene Interessen abzuwägen und vielfältige Gesetzesvorgaben zu berücksichtigen. Ein gut strukturiertes Planungs Das Gewässerleitbild gibt die Richtung vor management ist daher entscheidend. Es schafft die Wenn Renaturierungsmaßnahmen für einen Fluss Voraussetzungen für einen ausgewogenen Lösungs geplant werden, sollte in Erfahrung gebracht werden, weg und eine effiziente Maßnahmenumsetzung. um welchen Fluss- oder Bachtyp es sich handelt. Die Form eines Flusses ist typisch für eine bestimmte Region. Ein gemächlich fließender Sandbach im Eine wichtige Aufgabe des Maßnahmenträgers ist es, Norddeutschen Tiefland unterscheidet sich deutlich frühzeitig und in allen Planungsphasen mit den Betei von einem turbulenten, tief in die Landschaft einge ligten zu kommunizieren und die Zusammenarbeit zu schnittenen Mittelgebirgsbach. In Deutschland wer koordinieren. Alle Beteiligten sollten die Möglichkeit den 25 Fließgewässertypen in den drei Ökoregionen zur Mitgestaltung erhalten. Dies fördert das gegenseiti unterschieden. ge Verständnis, schafft Akzeptanz und gibt Planungs Das Leitbild dieser Typen wird in den sogenannten sicherheit für alle. Die Wasserwirtschaftsverwaltungen hydromorphologischen Steckbriefen beschrieben übernehmen oft die Verantwortung für Renaturie (Pottgiesser 2018). Welchem Fließgewässertyp der rungsprojekte. Sie binden andere Ressorts und Behör Fluss oder Bach zugeordnet wird, der renaturiert wer den ein (z. B. Raumordnung, Umwelt- und Stadtpla den soll, lässt sich bei der zuständigen Wasserbehör nung, Naturschutz, Denkmalpflege). (Mehr dazu siehe de erfragen oder im Internet recherchieren (https:// Kapitel 3 „Viele Interessen am Fluss“, Seite 11.) geoportal.bafg.de/mapapps/resources/apps/WKSB/ index.html?lang=de). Es bieten sich zudem Partnerschaften mit Institutionen an, die in der Region etabliert sind. Dies können z. B. Das Leitbild ist die Grundlage der Gewässerbewer Landschaftspflegeverbände, biologische Stationen, re tung und der Maßnahmenplanung und bestimmt, in gionale Entwicklungsgruppen, Angelvereine oder Was welche Richtung eine Fließgewässerrenaturierung ser- und Bodenverbände sein. Immer hilfreich ist ein gehen sollte. So wird beispielsweise die Sohle ei 6
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung nes Sandbaches im Tiefland von Sand geprägt. Das Übergeordnete Defizite und Planungen Einbringen von groben Steinen im Zuge einer Renatu berücksichtigen rierung würde in diesem Fall nicht dem natürlichen Der Grund für die Planung einer Renaturierungsmaß Leitbild entsprechen. Der Naturzustand ist in unseren nahme ergibt sich oft aus einem konkreten Anlass. – über Jahrhunderte veränderten – Fließgewässern Dies kann beispielsweise ein schlechter ökologischer oftmals nicht wiederherzustellen. Renaturierungen Zustand des Gewässers oder große Hochwasserschä sollen Flüsse und Bäche als Bestandteile unserer den sein. Neben lokalen Beeinträchtigungen (z. B. Kulturlandschaften revitalisieren, also wiederbele Querbauwerk, Sohlverbau) sind oftmals übergeord ben. Das Leitbild liefert dafür eine Orientierungs nete Faktoren (z. B. veränderter Sedimenthaushalt) hilfe. Es wird mit dem Machbaren abgeglichen, um ausschlaggebend für defizitäre Gewässerstrukturen. ein realistisches Entwicklungsziel zu entwerfen. Je Der Zustand des Baches oder Flusses sollte daher nach Ausgangslage ergeben sich somit unterschied großräumig analysiert und verstanden werden. Dafür liche Möglichkeiten für die Gewässerentwicklung. ist es oftmals notwendig, einen Blick auf das Einzugs Es können kleinräumige Maßnahmen in einem gebiet des Gewässers zu werfen. Andernfalls beheben verbauten Stadtgewässer durchgeführt oder großflä die Maßnahmen nur kurzfristig lokale Symptome, chige, dynamische Gewässerentwicklungen in wenig während die übergeordneten Ursachen (z. B. Über genutzten Gebieten angestoßen werden. (Mehr dazu düngung oder eine erhöhte Wassertemperatur durch siehe Kapitel 5 „Renaturierung von Fließgewässern: Einleitungen) weiterhin bestehen bleiben. was tun, wenn …“, Seite 18.) Für Gewässer mit einem Einzugsgebiet größer als 10 km² erstellen die Bundesländer großräumige konzeptionelle Planungen in Form von Bewirtschaf tungsplänen und Maßnahmenprogrammen. Abbildung 2.1 Habitatskizze LAWA-Fließgewässertyp 5: „Grobmaterialreicher, silikatischer Mittelgebirgsbach“ Leitbilder für den sehr guten ökologischen Zustand der Gewässertypen werden in den hydromorphologischen Steckbriefen der deutschen Fließgewässertypen beschrieben und mit solchen Habitatskizzen illustriert. Quelle: UBA Texte 43/2014: Hydromorphologische Streckbriefe der deutschenFließgewässertypen 7
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung Diese geben den Rahmen für die Planung lokaler lanfeststellung oder Plangenehmigung oder im Rah P Renaturierungsprojekte vor. Bei kleineren Gewässern men der Gewässerunterhaltung durchgeführt werden. fehlen diese Konzepte häufig. Aber auch hier ist eine Planung von Maßnahmen sinnvoll. Hierfür kann der Bei kleineren Projekten erfolgt in der Regel eine Ab Maßnahmenträger im ersten Schritt eine Machbar stimmung mit der Genehmigungsbehörde. Viele Ämter keitsstudie oder ein Gewässerentwicklungskonzept haben Vorgaben, die den Planungsrahmen abstecken. erstellen. Dazu gibt es in den Bundesländern unter Kleinere Projekte lassen sich ggf. auch im Rahmen der schiedliche Vorgaben. Gewässerunterhaltung umsetzen. Planungsprozess ist abhängig von Größere Renaturierungsprojekte werden hingegen Genehmigungsverfahren meist durch ein Planfeststellungsverfahren oder Der konkrete Planungsprozess von kleinen und großen Plangenehmigungsverfahren realisiert. Wurde bereits Projekten kann sehr unterschiedlich sein und ist im Zuge früherer Verfahren eine Planfeststellung oder abhängig von der Verfahrensart. Welche Verfahrens eine Plangenehmigung vorgenommen, so können art im Einzelfall durchzuführen ist, entscheidet die Renaturierungsmaßnahmen möglicherweise über eine Genehmigungsbehörde, an die sich Maßnahmenträ Planänderung des ehemaligen Beschlusses stattfin ger wenden können. Die gesetzlichen Vorgaben und den. Ist dies nicht der Fall, ist ein neues Planfeststel Anforderungen können je nach Bundesland abwei lungs- oder Plangenehmigungsverfahren erforderlich, chen. Renaturierungsprojekte können im Rahmen je nachdem ob die Maßnahme einer Umweltverträg von Verwaltungsverfahren wie einer Planänderung, lichkeitsprüfung (UVP) bedarf oder nicht. Masterplan Fuldaaue: Interkommunale Planung zur Renaturierung der Fulda Die Hochwasserproblematik an der Fulda war 2012 Auslöser für die Entwicklung des interkommuna len Masterplans Fuldaaue. Den drei Kommunen Bebra, Rotenburg und Alheim dient dieser Master plan seitdem als flexibles Planungsinstrument außerhalb starrer Genehmigungsverfahren. Bei der Entwicklung des Masterplans konnten die Interes sen von Naturschutz, Wasserwirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und der Bevölkerung eingebracht werden. Kern des Masterplans ist ein Zonierungs konzept, das räumliche Schwerpunkte z. B. für Naturschutz, Ackerbau, Grünlandnutzung, Freizeit oder Kiesabbau definiert. Auf Basis des Masterplans entstehen nach und nach konkrete Renaturierungs projekte, die von den Kommunen Bebra, Rotenburg und Alheim umgesetzt werden. Rechts: Auf der Grundlage des interkommunalen Masterplans Fuldaaue sorgen Flussaufweitungen und Auenreaktivierungen in Rotenburg für einen deutlich verbesserten Hochwasserschutz. Mehr zur Renaturierung der Fulda: uba.de/fulda 8
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung Abbildung 2.2 Planung und Umsetzung von Renaturierungsprojekten Landesbehörde, Naturschutzbehörde Planungsziele festlegen Finanzierung klären • Einzelprojekt in Gewässerent- wicklungskonzept einbetten • Fördermöglichkeiten Flächen sichern • Konfliktpotenziale sondieren identifizieren und verringern • Flächen kaufen • Synergien identifizieren • Lösungsvarianten gemeinsam • Flächen tauschen • Kompensationspools erarbeiten (Eingriffsregelung) nutzen • Langfristige Strategie für Flurneuordnung entwickeln Eigentümerinnen + Eigentümer, Flurbereinigungsbehörde Genehmigungsbehörde, Fachbehörden Naturschutz- Öffentlichkeit verbände § Planungsverfahren Planen und Baumaßnahme festlegen Genehmigung einholen durchführen • Maßnahmenart identifizieren • Ausführungsplanung (Aus- bzw. Umbau, Unterhaltung) • Technische Planung • Ausschreibung • Art des Genehmigungs- • Umweltplanung • Vergabe verfahrens klären • Bauarbeiten • Rechtliche und planerische • Bauaufsicht Anforderungen klären • Abnahme Fachplanung Unterhaltungspflichtige Zielkriterien Gewässer- unterhaltung Erfolgskontrolle mit Moni- • Folgenutzung toring vorher/nachher (z.B. extensive Beweidung) • Naturnahe Gewässer- • Tiere und Pflanzen im Gewässer unterhaltung • Biodiversität an Land (z.B. Eigendynamik zulassen) • Akzeptanz in der Bevölkerung • Hochwasserschutz (z.B. Gehölzpflege) Kommunikation Projektablauf Maßnahmenträger Projektbeteiligte Naturnahe Gewässerentwicklung ist ein komplexes Unterfangen. Der Projektablauf von Gewässerrenaturierungen kann sehr unterschiedlich sein. Ein gut strukturiertes Planungsmanagement schafft die Voraussetzungen für einen ausgewogenen Lö- sungsweg und eine effiziente und erfolgreiche Maßnahmenumsetzung. Diese Grafik benennt die in vielen Fällen wichtigsten Projektschritte. CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019 9
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung Die erforderlichen Antragsunterlagen in einem Landschaftsplanung (z. B. Landschaftspflegerische wasserrechtlichen Plangenehmigungs- oder Plan Ausführungsplanung, Umweltbaubegleitung) not feststellungsverfahren nach § 68 Wasserhaushalts wendig werden. gesetz setzen sich aus einem technisch-wasserwirt schaftlichen Teil und den Umweltfachbeiträgen Nachdem die Genehmigung durch die zuständige (z. B. Umweltverträglichkeitsprüfung, Eingriffsrege Behörde erteilt wurde, schließen sich die technische lung, Artenschutz, Natura-2000) zusammen. Auch Ausführungsplanung, Ausschreibung, Vergabe, nach der Genehmigung einer Renaturierungsmaß Bauausführung, technische Bauaufsicht, ökologische nahme können Fachbeiträge von Naturschutz und Baubegleitung und Abnahme an. Mehr zur Planung und Durchführung von Renaturierungen: uba.de/planrenat Wern: Mit systematischer Gewässerentwicklung zum Erfolg Die fränkische Wern wurde in den 1930er Jahren ausgebaut, um die fruchtbaren Ackerböden bis an den Gewässerrand bewirtschaften zu können. Dadurch nahmen Biotop- und Artenvielfalt deutlich ab. Seit 1995 gewinnt die Wern durch den ökologi schen Um- bzw. Rückbau ihren naturnahen Zustand zurück. Hauptinitiatoren der Wern-Renaturierun gen sind das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen und die Untere Naturschutzbehörde am Landrat samt Schweinfurt. Weitere Partner sind der Bezirk Unterfranken, die Gemeinde Geldersheim und die Fischereifachberatung Unterfranken. Die Umset zung der einzelnen Renaturierungsmaßnahmen erfolgt auf Grundlage eines Gewässerpflegeplans aus dem Jahr 1993, der die Vorstufe eines Gewäs serentwicklungskonzeptes bildete. Diese konzep tionelle Rahmenplanung ist die Grundlage für ein systematisches Abarbeiten von aufeinander folgen den Bauabschnitten. Rechts: Im Bauabschnitt IV der Wern wurde mit Hilfe eines Entwicklungskorridors Abstand zwischen Gewässer und land- wirtschaftlichen Flächen geschaffen, die zuvor direkt an die Gewässerkante grenzten. Mehr zur Renaturierung der Wern: uba.de/wern 10
3 Viele Interessen am Fluss Kooperation und Mitbestimmung ▸ Der Denkmalschutz ist um den Erhalt historischer für erfolgreiche Renaturierungsprojekte Bauwerke (z. B. Wehre, Mühlen) bemüht. Behörden, Verbände, Vereine, Landwirtschaft ▸ Angel- und Fischereivereine wünschen sich und Bevölkerung – sie alle sind an Projekten zur optimale Lebensbedingungen für die Fische. Fließgewässerrenaturierung beteiligt. Ihre Zu ▸ Der Naturschutz setzt sich für den Erhalt von ständigkeiten, Interessen und Ansprüche sind oft Lebensräumen für Tiere und Pflanzen ein. unterschiedlich. Das kann zu Konflikten führen. ▸ Die Bevölkerung nutzt Fließgewässer als Ort der Frühzeitige Partizipation ermöglicht Akzeptanz Erholung und des Naturerlebens. und Planungssicherheit. Mitbestimmung für neue Ideen und Konfliktvermeidung Es kann zu einer großen Herausforderung werden, Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Interes bis alle Beteiligten eine Renaturierungsmaßnahme sen hat nicht nur die Lösung von Nutzungskonflikten akzeptieren. Denn die aus ökologischer Sicht not zum Ziel, sondern bringt auch gute Ideen und kosten wendigen Verbesserungen können in Konkurrenz mit sparende Synergieeffekte hervor. anderen Nutzungen, Interessen und Zielen stehen: Die größten Chancen für eine konstruktive Zusam menarbeit bestehen dann, wenn die Interessen und ▸ Die Wasserwirtschaft ist u. a. für die Entwässe Belange aller Betroffenen angehört und berück rung und einen geregelten Abfluss zuständig – sichtigt werden. Ideal sind Lösungen, bei denen insbesondere bei Hochwasser. alle Seiten einen Vorteil erhalten, etwa durch einen ▸ Land- und Forstwirtschaft nutzen Flächen entlang Flächentausch von Grundstücken. von Gewässern und streben Erträge an. ▸ Wasserkraftwerke sollen Strom produzieren und Eine Beteiligung der Bevölkerung am Planungspro brauchen für ihre volle Auslastung eine Mindest zess kann wesentlich zur Akzeptanz von Renaturie menge an Wasser und eine ausreichend große rungen beitragen. Wichtig ist es nicht nur, frühzeitig Fallhöhe. zu informieren, sondern auch in einem offenen ▸ Flächeneigentümer und –eigentümerinnen wollen Austausch gemeinsame Lösungen zu finden und den Wert ihrer Grundstücke am Gewässer erhalten Entscheidungen zu treffen. Zudem kann die Mobili und Hochwasserschäden vermeiden. sierung Freiwilliger einzelne Vorhaben unterstützen 11
3 Viele Interessen am Fluß und die Menschen für den Gewässerschutz insge den Projektverantwortlichen sorgfältig miteinander samt sensibilisieren. Für eine effektive Einbindung abgestimmt werden. sollten haupt- und ehrenamtliche Aktivitäten von Mehr zu Kooperation und Partizipation für erfolgreiche Renaturierungen: uba.de/partrenwat Gewässerschutz kann nur gemeinsam mit zu extensivieren. Beispielsweise sollte innerhalb der Landwirtschaft gelingen von Bachauen auf den Einsatz von Großmaschinen An Gewässern im ländlichen Raum treffen die Inter verzichtet werden, um eine Bodenverdichtung und essen der Landbewirtschaftung und einer ökolo Uferschädigung zu vermeiden. Gewässerbegleitende gischen Gewässerentwicklung aufeinander. Zentraler Gehölzstreifen können den Eintrag von Düngemitteln Abstimmungspunkt ist die Bereitstellung von Gewäs ins Gewässer reduzieren. Fichten im Uferbereich von serentwicklungsflächen. (Mehr dazu siehe Kapitel 7 Waldbächen sollten durch Laubholzarten ersetzt wer „Flächen sichern für dynamische Gewässer“, Seite den. Freiwillige Gewässerschutzmaßnahmen, die von 31.) Weitere Berührungspunkte sind die gewässer den Landwirten und Landwirtinnen durchgeführt schonende Bewirtschaftung und die Reduzierung werden, können auch mit Hilfe von Agrarumweltpro von Stoffeinträgen in Flüsse und Bäche. Im Zuge grammen oder anderen Umweltförderprogrammen von Renaturierungen ist es deshalb häufig sinnvoll, honoriert werden. die landwirtschaftliche Nutzung in Gewässernähe Mehr zu Renaturierung im Einklang mit der Land- und Forstwirtschaft: uba.de/landrenat Frühe Einbindung der Landwirtschaft verhindert Missverständnisse an der Hase Bei der Renaturierung des Schierenbaches als Zulauf der Hase wurde die betroffene Landwirtschaft von Beginn an eingebunden. In zahlreichen Vor-Ort-Ter minen diskutierten Vertreter und Vertreterinnen des projektleitenden Unterhaltungsverbands Hase-Was seracht und der Landwirtschaft über die Ziele des Projekts. So konnten anfängliche Bedenken bezüg lich Vernässung und Verlust hochwertiger Ackerflä chen sowie einer „unordentlichen“ Landschaft durch Gespräche und Besichtigungen ausgeräumt werden. Insgesamt konnte der Schierenbach nach Ankauf der notwendigen Flächen auf einer Gesamtfläche von „Die Landwirte hatten Angst, dass hochwertige ca. 8,5 ha nach fließgewässerökologischen Gesichts Ackerflächen durch Vernässung verloren gehen. punkten umgestaltet werden. Die Revitalisierung Wir konnten diese Bedenken im Gespräch aus- erstreckt sich in Form eines durchgängigen „grünen räumen.“ Bandes“ auf eine Gesamtlänge von 2,5 km. Manfred Kramer, Unterhaltungsverband Hase-Wasseracht Mehr zur Renaturierung der Hase: uba.de/hase 12
3 Viele Interessen am Fluß Abbildung 3.1 Gewässerrenaturierung im Spannungsfeld der Interessen rierung Gewässerrenatu • Naturschutz • Öko log ie tz • Hochwasserschu ung • Abwasserreinig • Landwirtschaft • Wasserkraft • Erholung • Tourismus • Denkmalschutz Kompromisslösung „Kom promisslösUnserbach ung Unserbach“ Interessenfelder Ökologie und Naturschutz Landwirtschaft und Energie Siedlungswasserwirtschaft Dynamisches Gewässer Äckerflächen Überflutungsflächen für den mit natürlicher Aue Hochwasserschutz Naturschutzgebiet zur Weideflächen Einleitung von Erhaltung von Tier- gereinigtem Abwasser und Pflanzenarten Totholz und Ufergehölze Wasserkraftwerk zur regenerativen Stromproduktion Erholung und Tourismus Rad- und Fußweg am Ufer Angelstelle Denkmalschutz zur Erhaltung historischer Mühlen, Schleusen und Wehre Badestelle Wasserwanderrastplatz An Gewässern treffen viele Interessen zusammen. Für Renaturierungsprojekte müssen neue Kompromisse gefunden und Nutzungskonflikte planerisch gelöst werden. Frühzeitige, offene und regelmäßige Kommunikation zwischen allen Beteilig- ten erhöht die Zufriedenheit mit dem Renaturierungsergebnis. CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019 13
4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung Zahlreiche Förderprogramme Flussrenaturierung z. B. in Projekte zur Hochwasser für Renaturierungen risikominderung, Wasserkraft, Schiffbarkeit, Stadter Renaturierungen von Fließgewässern kosten neuerung oder zum Naturschutz zu integrieren. Geld. Gerade für Kommunen als Maßnahmenträ ger sind diese Kosten häufig nur schwer aufzu Im Rahmen von Bundesförderprogrammen betreut bringen. Hilfe bieten Programme zur Finanzie das Bundesamt für Naturschutz beispielsweise Natur rung und Förderung vom Bund, den Ländern und schutzprojekte, die dem Schutz, der Entwicklung und anderen Organisationen. der dauerhaften Sicherung von Fließgewässern und Auen dienen (https://www.bfn.de/foerderung.html). Das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ Die Kosten für Renaturierungen können sehr un hat zum Ziel, durch Renaturierungsmaßnahmen an terschiedlich ausfallen. Mit kleineren Maßnahmen Bundeswasserstraßen einen Biotopverbund aufzu lassen sich bereits für ca. 10 Euro pro Gewässermeter bauen (https://www.bfn.de/blauesband.html). deutliche Verbesserungen erzielen. Dem gegenüber stehen umfangreiche Umbaumaßnahmen, die 600 Bundesländer sind primär für Förderung von Euro pro Gewässermeter und mehr kosten können. Renaturierungen verantwortlich Wasserwirtschaft und Naturschutz sind in Deutsch Für Renaturierungsmaßnahmen bieten sich zahlrei land weitestgehend Sache der Bundesländer. Jedes che Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten. Dazu Bundesland hat dafür eigene Förderprogramme. zählen Förderprogramme der Bundesländer, des Bun Zudem beteiligen sich der Bund und die EU an der des und der Europäischen Union sowie Ausgleichs Förderung von Gewässerrenaturierungen. Die EU-För maßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen derung erfolgt nicht aus einem eigens eingerichteten Eingriffsregelung. Aber auch Stiftungen und Sponso Topf, sondern aus den bestehenden Fonds der EU. ring kommen in Frage. Vor allem durch eine geschick Die Nutzung dieser Fonds setzt immer eine Kofinan te Kombination mehrerer Instrumente lassen sich zierung durch den Bund oder die Länder voraus. Die Renaturierungsprojekte bis zu 100 % finanzieren. Bereitstellung der Mittel aus den EU-Fonds erfolgt in Oftmals bieten sich Kombinationsmöglichkeiten mit der Regel in Form spezieller Landesprogramme. anderen Aktivitäten an, die die Kosten auf mehrere Schultern verteilen. Daher empfiehlt es sich, die 14
4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung (Mehr zu den Förderprogrammen und Kontaktstellen zur Finanzierung des Eigenanteils von förderfähigen der Bundesländer siehe Kapitel 13 „Beratung und Gewässerentwicklungsprojekten eingesetzt werden. Förderung durch die Bundesländer“, Seite 46.) Stiftungen, Sponsoring und Lotterien Synergien durch Verknüpfung von Einige Stiftungen unterstützen Projekte zur Gewäs Bauleitplanung und Eingriffsregelung serrenaturierung. Bei der Suche nach einer passen Renaturierungen lassen sich als Ausgleichs- und den Stiftung kann die Datenbank des Bundesverban Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Land des Deutscher Stiftungen (stiftungen.org) helfen. Als schaft finanzieren. Dies ist durch die Eingriffsregelung finanzielle oder materielle Sponsoren für Renaturie des Bundesnaturschutzgesetzes möglich. Eingriffe rungsprojekte eignen sich auch regional verankerte mit negativen Folgen für Natur und Landschaft sind Unternehmen. Die Einnahmen aus Lotterien wie demzufolge zu vermeiden oder zumindest auszuglei Bingo!, Glücksspirale und Umweltlotterie GENAU chen. In diesen Fällen trägt derjenige, der den Eingriff werden von den Bundesländern zur Förderung von verursacht hat, die Kosten der Renaturierung. Finan Projekten im Natur- und Umweltschutz genutzt. Dabei zielle Synergien können durch die Verknüpfung der werden die Mittel in der Regel über Landesstiftungen Bauleitplanung mit der Eingriffsregelung entstehen. ausgeschüttet oder Zusatzgewinne für Umwelt- und Mit der Bauleitplanung haben die Gemeinden die Pla Naturschutzprojekte vorgesehen. nungshoheit für die Flächennutzung und die Bebau ungsplanung. Kompensationsmaßnahmen können so Mehr zu Finanzierung und Förderung von Gewässerrenaturierungen: uba.de/finrenat Renaturierung der Murg durch Hochwasserschutz und Naturschutz gefördert Die Renaturierung der Murg in Rastatt ist von großer Bedeutung für das FFH-Gebiet „Rheinniederung zwischen Wintersdorf und Karlsruhe“. Deshalb wurden zwei der zehn Millionen Euro Projektkos ten von der Europäischen Union im Rahmen des LIFE+-Projekts „Rheinauen bei Rastatt“ finanziert. Da es sich bei dem Projekt primär um Hochwasser schutzmaßnahmen handelt, wurden die restlichen acht Millionen Euro anteilig vom Land Baden-Würt „Bei der Renaturierung der Murg in Rastatt ist es temberg (70 %) und von der Stadt Rastatt (30 %) uns gelungen, durch Kombination verschiedener aufgebracht. Finanzierungsmöglichkeiten die Projektkosten komplett zu decken.“ Mehr zur Renaturierung der Murg: uba.de/murg Axel Pälchen, Regierungspräsidium Karlsruhe 15
4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung Abbildung 4.1 Finanzierung für Gewässerrenaturierung Bundesländer Europäische Kommunen Weitere • Aktion Fluss (Thüringen) Union • Ausgleichs- und • Stiftungen • Naturnahe Gewässer (Hessen) Ersatzmaßnahmen • Sponsoring • ELER • Aktion Blau Plus (Rheinland-Pfalz) • Ökopunkte • Paten- • EFRE • Wasserabgaben schaften • EMFF • Fischereiabgaben • Lotterien Bund • LIFE+ • Gewässernachbarschaften usw. usw. • Bundesprogramm • Arbeitsbeschaffung Blaues Band Deutschland usw. • Bundesförderung Naturschutz chance.natur usw. Projektkasse vorher: verbaut nachher: renaturiert Gewässerrenaturierungen kosten Geld, aber es gibt viele Finanzierungsinstrumente und Förderungen, die kombiniert werden können. Zudem können Ausgleichsmaßnahmen und Interessenüberschneidungen mit anderen Akteuren (z. B. Hochwasser- schutz, Naturschutz) genutzt werden. CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019 16
4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung Kreative Finanzierung zur Maßnahmenumsetzung an der Fulda Die Renaturierung der Fulda wurde zu 85 % aus Landesmitteln des Hessischen Förderprogramms „Naturnahe Gewässer“ und zu 15 % aus anderen Mitteln (z. B. über Abwasserabgaben) finanziert. Synergien ergaben sich zudem aus der „Umleitung“ von Mitteln für den technischen Hochwasser schutz in Renaturierungsmaßnahmen. So konnte beispielsweise an einem Zulauf der Fulda statt eines geplanten Kanals und Rückhaltebeckens ein „Bei Alheim haben wir eine eigendynamische Seitenarm der Fulda als natürlicher Retentionsraum Entwicklung der Fulda durch den Bau von geschaffen und ca. 200.000 Euro Baukosten einge Strömungsbuhnen ausgelöst. Als Material dafür spart werden. haben wir einfach den vor Ort entfernten Ufer- verbau verwendet. Dadurch lagen die Kosten pro Buhne deutlich unter 1.000 Euro.“ Mehr zur Renaturierung der Fulda: uba.de/fulda Heinrich Wacker, Büro für Landschaftsplanung 17
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn ... Je nach Ausgangslage ergeben sich unterschied in einem verbauten S tadtgewässer bis hin zu liche Möglichkeiten für die G ewässerentwicklung. eigendynamischer E ntwicklung des Gewässers in Die Bandbreite reicht von baulichen Aufwertungen einer weitestgehend nutzungsfreien Landschaft. … wenn Hindernisse, aber kaum Platz vorhanden sind: Maßnahmen für die Durchgängigkeit Talsperren, Rückhaltebecken, Wehre, Abstürze und Umbau von Querbauwerken: Ungeregelte Bauwerke Rampen unterbrechen die Durchgängigkeit der Gewäs (z. B. Stützschwelle) können in vielen Fällen zu einer ser für wandernde Fische und andere Gewässerorga fischpassierbaren, rauen Sohlrampe oder Sohlgleite nismen. Zudem beeinflussen solche Bauwerke auch umgebaut werden. Hierbei wird die Gewässersohle den Sedimenthaushalt und das Abflussverhalten eines bei einem mäßigen – dem Flusstyp entsprechenden – Gewässers. Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit Gefälle durch große Steinblöcke gesichert. ist daher nicht nur für wandernde Arten sondern auch für die Lebensraumqualität im gesamten Gewässer Anlage von naturnahen Umgehungsgewässern: bedeutend. Ist eine Beseitigung oder ein Umbau eines Querbau werks nicht realisierbar, ermöglicht ein Umgehungs Konkrete Maßnahmen zur Herstellung der Durchgän gewässer Fischen und anderen Lebewesen die Über gigkeit sind: windung des Hindernisses und kann zusätzlichen Lebensraum zur Verfügung stellen. Dabei ist der Entfernen von Querbauwerken: Eine vollständige Flächenbedarf zu berücksichtigen. Beseitigung von Querbauwerken ist möglich, wenn die Nutzung (z. B. einer Wassermühle) aufgegeben wurde. Bau von technischen Fischwanderhilfen: Technische An Querbauwerken bestehende Wasserspiegeldifferen Fischwanderhilfen gibt es in unterschiedlichen Aus zen können nach Entfernung des Querbauwerks z. B. führungen, wie dem Schlitzpass oder dem Borsten durch eine Aufweitung des Gewässerprofils oder eine pass. Im Gegensatz zu naturnahen Umgehungsge Sohlenstabilisierung (z. B. durch große Steinblöcke) wässern weisen technische Fischwanderhilfen kaum ausgeglichen werden. naturnahe Elemente auf und zielen einzig auf die Herstellung der Durchgängigkeit ab. 18
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn … Abbildung 5.1 Durchgängigkeit wiederherstellen Vorher Nachher Längsschnitt Längsschnitt Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit und einer naturnahen Abfluss- und Geschiebedynamik ist von zentraler Bedeutung, da diese Faktoren die Lebensraumqualität im Gewässer maßgeblich beeinflussen. CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019 Umgestaltung von Durchlässen und Verrohrungen: querungen) passierbar gestalten. An kleinen Gewäs Auch enge Durchlässe oder lange Verrohrungen kön sern im ländlichen Raum bieten sich Furten anstelle nen die Wanderung von Wasserlebewesen durch glatte von Rohrdurchlässen an. Betonsohlen und hohe Strömungsgeschwindigkeiten behindern. Zudem können zu eng bemessene Profile Wiederanbindung von Zuläufen: Mündungsbereiche einen Wasserrückstau und den Rückhalt von Sedimen von Seitengewässern wurden im Zuge des Gewässer ten verursachen. Durch das Öffnen von Verrohrungen, ausbaus oftmals verlegt und befestigt. Zudem entstan das Aufweiten von Durchlässen und das Herstellen den durch die Eintiefung der Hauptgewässer für Fische relativ naturnaher Sohl- und Uferstrukturen lassen und andere Organismen unüberwindbare Wasserspie sich auch solche Zwangspunkte (z. B. Straßenunter geldifferenzen zwischen Haupt- und Zulauf. Durch die Abbildung 5.2 Streichwehr wird zu durchgängigem Beckenpass umgebaut Durch den Umbau der Nebel bei Lüssow in Mecklenburg im Jahr 2015 können Fische nach über 130 Jahren wieder von der Ostsee über die Warnow zu Laichgebieten in der Nebel schwimmen. 1 2 3 1 Streichwehr vor Maßnahmenbeginn 2 Rückbau 2015 3 durchgängiger Beckenpass 2018 Fotos: 1+2 Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, 3 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich 19
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn … Entwicklung naturnaher, niveaugleicher Mündungsbe rampen lassen sich Zuläufe wieder an das Gewässer reiche oder den Bau von fi schpassierbaren Mündungs system anbinden. Mehr zu Maßnahmen für die Durchgängigkeit: www.uba.de/massrenat-hinderniss Umgehungsgewässer als Ersatzlebensraum für Fische am Inn Aufgrund der intensiven energiewirtschaftlichen Nutzung ist am Inn eine Beseitigung der Staustufen nicht realistisch. Umgehungsgewässer ermöglichen Fischen und anderen aquatischen Lebewesen die Überwindung der Hindernisse. Die Umgehungs gewässer wurden strukturreich gestaltet (z. B. mit Stillwasserpools) und dienen gleichzeitig als Ersatzlebensräume für Fische. Rechts: Der Fischpass zur Umgehung des Kraftwerks Gars am Inn enthält zahlreiche Strukturen und wird somit auch selbst zum Lebens- und Rückzugsraum für Fische. Mehr zur Renaturierung des Inns: uba.de/inn … wenn der Gewässerlauf nicht verändert werden kann: Maßnahmen im bestehenden Profil In Städten oder intensiv genutzten Landschaften ist Einbau von Strukturelementen: Störsteine oder Ufer oftmals keinerlei Entwicklungsraum vorhanden. Hier sporne können auch in ausgebauten Gewässern vielfäl bietet sich die Möglichkeit, wertvolle Strukturen für tige Lebensräume für Tiere und Pflanzen s chaffen. Sie Tiere und Pflanzen zu schaffen, ohne das bestehende sorgen für abwechslungsreiche Strömungs- und Subs Profil zu verändern. Die kleinräumigen und oft kos tratverhältnisse. Gleichzeitig können solche Elemente tengünstigen Maßnahmen konzentrieren sich dabei zur naturnahen Sicherung von Sohle und Ufer dienen. auf strukturelle Aufwertungen der Gewässerböschun gen und der Gewässersohle. Einbringen von Totholz: Neben dem Belassen von Totholz im Gewässer und der Entwicklung von natür Konkrete Maßnahmen zur Strukturaufwertung im lichen Totholzquellen (Ufergehölze) bietet sich insbe bestehenden Gewässerprofil sind: sondere in stark ausgebauten Gewässerabschnitten das gezielte Einbringen von Totholz an. Verankertes Herstellen einer natürlichen Gewässersohle: Totholz und Sturzbäume stabilisieren zudem die Sohle, Gepflasterte oder betonierte Sohlen bieten den meisten ohne die Durchgängigkeit für Fische zu beeinträchti Tieren und Pflanzen keinerlei Lebensraum. Durch das gen. Darüber hinaus bietet Totholz z. B. Fischen oder Entfernen von massivem Sohlverbau kann bereits eine Insektenlarven Lebensraum, Nahrungsgrundlage und erhebliche ökologische Aufwertung erzielt werden. Schutz vor Fressfeinden. Zusätzlich kann gewässertypisches Substrat in die Sohle eingebracht werden. In Bereichen, in denen die Gestaltung von Niedrigwasserrinnen: Für einen geregel Strömung unerwünscht Geschiebe in Bewegung zu ten Hochwasserabfluss wurden viele Gewässer deut setzen droht, können Wasserbausteine zur Sohlsiche lich breiter als im natürlichen Zustand ausgebaut. Das rung verwendet werden. führt dazu, dass die Wasserstände bei Trockenheit sehr niedrig sind. Durch Strömungslenker (Buhnen, Steine, 20
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn … Abbildung 5.3 Gewässerstruktur im bestehenden Profil verbessern Vorher Nachher Querschnitt Querschnitt In Restriktionsbereichen mit angrenzenden Nutzungen können kleinräumige Maßnahmen zu Habitatverbesserungen f ühren, ohne den Gewässerlauf zu verändern. CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019 Totholz) kann die Ausbildung einer langfristig stabilen, verbaue aus Beton oder Stein ersetzen. Sie sichern die stets wasserführenden Niedrigwasserrinne erzielt wer Ufer und haben gleichzeitig ökologische Funktionen den. Diese ist besonders in den trockenen Sommermo als Lebensräume und Nahrungsquellen. Zu naturna naten mit geringen Abflüssen für Fische wichtig. hem Uferverbau zählen beispielsweise Böschungsbe grünung, Geotextilien, Trockenmauern, Steckhölzer, Austausch von technischem mit naturnahem Uferver Weidenspreitlagen, Flechtbuhnen, Faschinenwände, bau: Wenn der Rückbau von Ufersicherungen nicht Wurzelstöcke, Stangenverbau, Krainerwände oder möglich ist, können natürliche Baustoffe massive Ufer Raubäume. Abbildung 5.4 Aufwertung der Gewässersohle bei unverändertem technischen Profil Die Ufer und Gewässersohlen massiv ausgebauter Gewässer in der Stadt können durch Kies, Störsteine und Vegetation ökologisch aufgewertet werden. In Verrohrungen können Lichtschächte eingebaut werden, da auch Dunkelheit Fische am Durchwandern hindern kann. 1 2 3 1 Bach zwischen Betonwänden 2 Eipbach in Ortslage 3 überbauter Bach mit Lichtschächten und offener Sohle Fotos: 1 Werner H. Baur, 2+3 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich 21
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn … Abbildung 5.5 Einbau von Strukturelementen im Gewässer Das Einbringen von Totholz und das Anlegen von fischfreundlichen Kiesbänken sind einfache und kostengünstige Renaturierungsmaßnahmen, die auch in stark veränderten Gewässern für Strukturvielfalt sorgen. 1 2 1 gezielt eingebrachte, befestigte Totholz-Baumstämme 2 angelegte Kiesbänke Fotos: 1 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich , 2 Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau Mehr zu Maßnahmen im bestehenden Profil: uba.de/massrenat-laufbleibt … wenn das Gewässerprofil und die Ufer verändert w erden können: Maßnahmen im und am G ewässer In landwirtschaftlich genutzten Landschaften wird bereich kann der Eintiefung des Gewässers entgegen Fließgewässern kaum Raum zugestanden. Flächen gewirkt und eine Sekundäraue geschaffen werden. In nutzungen wie Viehweiden, Grünland oder Acker rei diesem Bereich kann sich das Gewässer selbstständig chen oftmals bis an die Gewässerkante der Flüsse und entwickeln. Die Außengrenzen der Sekundäraue Bäche. Mit einem strategischen Flächenmanagement können durch versteckten bzw. „schlafenden“ Verbau und einer guten Kooperation mit der Landwirtschaft gesichert werden. lässt sich Platz für eine naturnahe Gewässerentwick lung schaffen. Deutliche Habitatverbesserungen im Wiederherstellen einer naturnahen Linienführung: Gewässerbett und den angrenzenden Flächen können Dazu zählen die Wiederherstellung einzelner Fluss- erzielt werden, wenn Maßnahmen an möglichst lan oder Mäanderbögen oder die Neutrassierung längerer gen Gewässerabschnitten oder in kurzen Abständen Gewässerabschnitte mit gewundener bis mäandrie in sogenannten Trittsteinhabitaten umgesetzt werden. render Linienführung. Neutrassierung kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn der Fluss Konkrete Maßnahmen zur Gewässerentwicklung bei nicht genügend Fließdynamik und Geschiebetätigkeit limitierter Flächenverfügbarkeit sind: mitbringt, um sich seinen Verlauf selbst zu gestalten. Anlage von Gewässerrandstreifen: Möglichst breite, Entfernen von Uferverbau: Der Rückbau von Ufersi nutzungsfreie Streifen schützen das Gewässer vor cherungen gibt dem Gewässer die Möglichkeit der schädlichen Einflüssen aus der angrenzenden Nut eigendynamischen Entwicklung zurück. Steht genü zung (z. B. übermäßiger Eintrag von Feinsedimenten gend Raum zur Verfügung, können mit dieser Maß und Nährstoffen aus Ackerflächen). nahme großflächige Umgestaltungen in dynamischen Gewässern initiiert werden. Abflachen der Ufer und Gewässernahbereiche: Durch Uferabflachungen und Bodenabtrag im Gewässernah 22
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn … Abbildung 5.6 Gewässerbett und Gewässernahbereich aufwerten Vorher Nachher Querschnitt Querschnitt Wenn angrenzende Flächen zur Verfügung stehen, können Renaturierungsmaßnahmen neben der Gewässersohle auch weitere Uferbereiche einschließen. CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019 Strukturierung von Ufern mit Buchten, Flachwas Aufweiten des Gewässerbettes: Das Aufweiten des serbereichen, Totholz: Monotone Ufer können durch Gewässerbettes kann zu einer wünschenswerten bauliche Veränderungen naturnah und vielseitig Verzweigung des Flusslaufes führen. Allerdings sollte gestaltet werden. Bei ausreichender Abflussdyna darauf geachtet werden, dass eine Niedrigwasserrin mik werden solche Initialstrukturen vom Gewässer ne für einen ökologisch notwendigen Mindestwasser selbst weiterentwickelt. Raubäume und Wurzelstöcke abfluss in Trockenperioden vorhanden ist. dienen als zusätzliche Lebensräume und können gleichzeitig Prallufer stabilisieren und – wo notwen Verengung des Querprofils: Bei unnatürlich breiten dig – gegen Ufererosion schützen. und flachen Gewässerbetten kann eine Verengung des Abflusses durch Strömungslenker die Ausbildung Einbau von Strömungslenkern: Bei ausreichend von typischen Strukturen wie Prall- und Gleithängen starker Eigendynamik bieten Strömungslenker wie bewirken. Steinbuhnen (z. B. aus ehemaligem Uferverbau), Raubäume oder Wurzelstöcke eine kostengünstige Möglichkeit eigendynamische Entwicklungen auszu lösen. Durch wechselseitige Strömungslenkung kann sich an einem geradlinig ausgebauten Gewässer ein naturnah pendelnder Verlauf entwickeln. Mehr zu Maßnahmen im Gewässer und im Nahbereich: uba.de/massrenat-uferprofil 23
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn … Abbildung 5.7 Naturnaher Uferverbau Naturnahe Uferbefestigung verrottet mit der Zeit und lässt mehr Eigendynamik des Gewässers zu. Zudem dient das sich zersetzende Holz als Nahrung für Insektenlarven. 1 2 1 ingenieurbiologische Sicherung der Niedrigwasserrinne des Schierenbachs mit Faschinenwalzen, Kieshinterfütterung und Wurzelstöcken 2015 2 Zustand der naturnahen Uferbefestigung am Schierenbach 2018 Fotos: 1 Unterhaltungsverband 98 Hase-Wasseracht, 2 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich Abbildung 5.8 Strukturverbesserung und Laufverlängerung An der Wern wurde ein gewundenes Bachbett hergestellt, Flachwasserbereiche und Altarme angelegt sowie ein einheimi- scher Gehölzsaum angepflanzt. In einem 185 m breiten Entwicklungskorridor kann sich die Wern seitdem eigendynamisch e ntwickeln. 1 2 3 1 begradigter Abschnitt der Wern 2 Wern bei Geldersheim während der Bauphase 2005 3 Wern bei Geldersheim 2018 Fotos: 1+2 Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen, 3 Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau 24
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