Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd

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Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
Unsere Bäche und Flüsse
renaturieren – entwickeln
 – naturnah unterhalten
Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
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          iet III1.1
                 2.4Grundsatzfragen, Nachhaltigkeitsstrategien
Postfach
und        14 06 Ressourcenschonung
     -szenarien,
06813 Dessau-Roßlau
Postfach   14 06
Tel: +49Dessau-Roßlau
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Redaktion:
Dr. Georg Lamberty,
Autorinnen               Planungsbüro Zumbroich
               und Autoren:
Melanie
Sarah     Kemper, Ecologic Institut
        Hackfort
Stephan
Jakob      Naumann, Umweltbundesamt
       Zwiers
Martin Hirschnitz-Garbers
Grafikdesign
Michael           und Layout:
          Schipperges
Lena Aebli, Ecologic Institut
Unter Mitarbeit von:
Publikationen
Johanna    Schickals pdf:
www.umweltbundesamt.de/publikationen
Redaktion:
ISSN (Online):
Ullrich Lorenz 2363-832X

Dessau-Roßlau,
Satz und Layout:Februar 2020
Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
Inhaltsverzeichnis

 1    Einführung.............................................................................................................................4
      Unser Tun verändert Flüsse und Bäche
      Renaturierungen geben Gewässern ihre Natürlichkeit zurück
      Gewässerzustand verbessern – ein gesetzlicher Auftrag
      Informationsplattform: Renaturierung von Fließgewässern

 2    Effektive Renaturierung durch gute Planung ............................................................................6
      Gewässerentwicklung ist Teamarbeit
      Das Gewässerleitbild gibt die Richtung vor
      Übergeordnete Defizite und Planungen berücksichtigen
      Planungsprozess ist abhängig von Genehmigungsverfahren

 3    Viele Interessen am Fluss...................................................................................................... 11
      Kooperation und Mitbestimmung für erfolgreiche Renaturierungsprojekte
      Mitbestimmung für neue Ideen und Konfliktvermeidung
      Gewässerschutz kann nur gemeinsam mit der Landwirtschaft gelingen

 4    Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung.............................................................14
      Zahlreiche Förderprogramme für Renaturierungen
      Bundesländer sind primär für Förderung von Renaturierungen verantwortlich
      Synergien durch Verknüpfung von Bauleitplanung und Eingriffsregelung
      Stiftungen, Sponsoring und Lotterien

 5    Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn ….............................................................18
      … wenn Hindernisse, aber kaum Platz vorhanden sind: Maßnahmen für die Durchgängigkeit
      … wenn der Gewässerlauf nicht verändert werden kann: Maßnahmen im bestehenden Profil
      … wenn das Gewässerprofil und die Ufer verändert werden können: Maßnahmen im und am Gewässer
      ... wenn weiträumige Entwicklung möglich ist: Maßnahmen bis weit in die Aue

 6    Dynamische Gewässer – die Kraft des Wassers nutzen...........................................................28
      Renaturierung durch Eigendynamik und Hochwasser
      Den Bach Bach sein lassen
      Hochwasser – günstig renaturieren lassen statt teuer reparieren
      Eigendynamik erfordert Entwicklungsraum

 7    Flächen sichern für dynamische Gewässer.............................................................................31
      Platz schaffen für Renaturierungsmaßnahmen
      Gewässerentwicklung beansprucht land- und forstwirtschaftliche Flächen

 8    Hochwasser durch Auenreaktivierung entschärfen.................................................................34
      Flüssen erlauben, über die Ufer zu treten
      Natürliche Überschwemmungsflächen halten Hochwasser zurück

 9    Naturnahe Unterhaltung statt Baumaßnahme.........................................................................37
      Veränderte Gewässerpflege als Alternative zu Renaturierungsmaßnahmen
      Noch Unterhaltung oder schon Ausbau? – ein wichtiger Unterschied

10    Naturschutz und Gewässerentwicklung – ein schönes Paar.....................................................39
      Tiere und Pflanzen profitieren von Gewässerrenaturierungen
      Angel- und Fischereivereine engagieren sich für Gewässerentwicklung

11 Erholung am renaturierten Fluss in Stadt und Land.................................................................42
      Renaturierung macht Fließgewässer erlebbarer und wertet Wohnumfeld auf

12 Renaturierungserfolge beobachten und messen.....................................................................44
      Vorher/Nachher-Untersuchungen des Gewässers einplanen

13    Beratung und Förderung durch die Bundesländer...................................................................46
14 Weiterführende Literatur.......................................................................................................48
15 Abbildungsverzeichnis..........................................................................................................50

                                                                                                                                            3
Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
1        Einführung
Unser Tun verändert Flüsse und Bäche                           Korsett gezwungen. Wehre, Talsperren und andere
Seit jeher nutzt und verändert der Mensch Fließge­             Querbauwerke unterbrechen die Durchgängigkeit der
wässer und Auen mit den unterschiedlichsten Zielen.            Gewässer. Oftmals sind auch die Auen bis unmittel­
Dazu zählen beispielsweise die Landgewinnung für               bar an das Ufer genutzt oder versiegelt.
Siedlungen und für die Produktion von Nahrungs­                Diese Eingriffe wirken auf die natürlichen Prozesse
mitteln, die Energieerzeugung, die Abwasserablei­              im Gewässerraum. Abflussgeschwindigkeiten
tung und der Warentransport. Um diese vielfältigen             erhöhen sich und der Wasserrückhalt der Aue wird
Nutzungen zu ermöglichen werden Gewässerläufe                  ver­ringert. Die Gewässer tiefen sich ein und die Ver­
begradigt, eingeengt oder durch Verbau in ein starres          zahnung zwischen Fluss und Aue wird unterbrochen.

Abbildung 1.1

Viele Flüsse und Bäche wurden vom Menschen tiefgreifend verändert

                                1                                        2                                                 3

1 mit Spundwänden gesichertes Flussufer   2 begradigter Bach     3 verrohrter Abschnitt des Mehlemer Baches

                                                                                      Fotos: Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich

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Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
1 Einführung

Aus strukturreichen Naturräumen werden eintönige,        willigkeitsprinzips. Potenzielle Maßnahmenträger
vegetationslose Gerinne. Übermäßige Wasserent­           von Gewässerrenaturierungen sind z. B. Städte und
nahmen oder die Verschlechterung der Wasserquali­        Gemeinden, Wasserwirtschaftsbehörden, Gewäs­
tät, beispielsweise durch den Eintrag von Düngemit­      serunterhaltungsverbände, Angelvereine oder Bür­
teln und Pestiziden aus der Landwirtschaft, belasten     gerinitiativen. Insbesondere kleine und mittelgroße
die Fließgewässer zusätzlich.                            Flüsse und Bäche sind häufig im Eigentum der Städte
                                                         und Gemeinden und müssen von ihnen unterhalten
Renaturierungen geben Gewässern                          werden. Zudem sind die Kommunen für die örtliche
ihre Natürlichkeit zurück                                Raum- und Umweltplanung verantwortlich und spie­
Gewässerrenaturierung ist die Rückführung eines vom      len eine zentrale Rolle bei der Bewirtschaftung und
Menschen veränderten Gewässers hin zu seinem na­         nachhaltigen Entwicklung von Fließgewässern.
türlichen Zustand. Das heißt aber nicht, dass eine Re­
naturierung diesen Naturzustand vollständig erreichen    Informationsplattform: Renaturierung von
muss. Das Ziel ist es, den ökologischen Zustand von      Fließgewässern
Flüssen und Bächen zu verbessern, denn natürliche        Diese Broschüre bietet einen Einblick in die Inhalte
und naturnahe Fließgewässer haben viele Vorteile:        der online Informationsplattform „Renaturierung
                                                         von Fließgewässern“ des Umweltbundesamtes
▸ Sie steigern die Lebensqualität und das Wohlbe­        (uba.de/renaturierung). Ziel der Plattform und dieser
  finden in Stadt und Land.                              Broschüre ist die Ermunterung und Unterstützung po­
▸ Sie reduzieren die Hochwassergefahr.                   tenzieller Maßnahmenträger zur vermehrten Durch­
▸ Sie bieten zahlreichen Pflanzen- und Tierarten         führung von Renaturierungsmaßnahmen. Dazu wird
  einen Lebensraum.                                      Grundlagenwissen zur naturnahen Entwicklung von
▸ Sie unterstützen den Abbau umweltbelastender           Flüssen und Bächen vermittelt. Zudem geht es um
  Stoffe (z. B. Abwasser, Düngemittel).                  praktische Fragen wie Planung, Finanzierung und
▸ Sie können Auswirkungen des Klimawandels bes­          Flächenbereitstellung, aber auch um Hochwasser­
  ser abfedern (z. B. Trockenperioden, Starkregen).      schutz, Naturschutz, Landwirtschaft und Erholung.
                                                         Die Themen werden durch Praxisbeispiele von Rena­
Gewässerzustand verbessern                               turierungsprojekten illustriert.
– ein gesetzlicher Auftrag
Die EG-Wasserrahmenrichtlinie und das deutsche
Wasserhaushaltsgesetz verpflichten dazu, den “guten
ökologischen Gewässerzustand“ bis 2015 herzustel­
len. Dieses Ziel wurde in Deutschland vielerorts nicht
erreicht. Für knapp 92 % aller Gewässer wurden
Fristverlängerungen und Ausnahmen in Anspruch
genommen. Monotone Gewässerstrukturen sind
neben stofflichen Belastungen eine der Hauptursa­
chen für die Verfehlung der Ziele der EG-Wasser­
rahmenrichtlinie in Deutschland. Renaturierungen
zielen auf eine Verbesserung der Gewässerstruktur
und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Um­
setzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und des
Wasserhaushaltsgesetzes.

Planung und Umsetzung von Renaturierungsmaß­
nahmen erfolgen oft durch die lokalen Maßnahmen­
träger auf der Grundlage des Kooperations- und Frei­

         Mehr zur Renaturierung von Fließgewässern: uba.de/renaturierung

                                                                                                            5
Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
2       Effektive Renaturierung durch gute Planung
Gewässerentwicklung ist Teamarbeit                         Bekenntnis der Politik zur Renaturierung. Dadurch
                                                           kann Unterstützung in Form von Erlassen und Vor­
Naturnahe Gewässerentwicklung ist ein komple­
                                                           schriften gegeben sowie Personal und finanzielle Mittel
xes Unterfangen. Es gilt klare Renaturierungs­
                                                           bereitgestellt werden.
ziele zu formulieren, verschiedene Interessen
­ab­­zuwägen und vielfältige Gesetzesvorgaben zu
 berücksichtigen. Ein gut strukturiertes Planungs­         Das Gewässerleitbild gibt die Richtung vor
 management ist daher entscheidend. Es schafft die         Wenn Renaturierungsmaßnahmen für einen Fluss
 Voraussetzungen für einen ausgewogenen Lösungs­           geplant werden, sollte in Erfahrung gebracht werden,
 weg und eine effiziente Maßnahmenumsetzung.               um welchen Fluss- oder Bachtyp es sich handelt. Die
                                                           Form eines Flusses ist typisch für eine bestimmte
                                                           Region. Ein gemächlich fließender Sandbach im
Eine wichtige Aufgabe des Maßnahmenträgers ist es,
                                                           Norddeutschen Tiefland unterscheidet sich deutlich
frühzeitig und in allen Planungsphasen mit den Betei­
                                                           von einem turbulenten, tief in die Landschaft einge­
ligten zu kommunizieren und die Zusammenarbeit zu
                                                           schnittenen Mittelgebirgsbach. In Deutschland wer­
koordinieren. Alle Beteiligten sollten die Möglichkeit
                                                           den 25 Fließgewässertypen in den drei Ökoregionen
zur Mitgestaltung erhalten. Dies fördert das gegenseiti­
                                                           unterschieden.
ge Verständnis, schafft Akzeptanz und gibt Planungs­
                                                           Das Leitbild dieser Typen wird in den sogenannten
sicherheit für alle. Die Wasserwirtschaftsverwaltungen
                                                           hydromorphologischen Steckbriefen beschrieben
übernehmen oft die Verantwortung für Renaturie­
                                                           (Pottgiesser 2018). Welchem Fließgewässertyp der
rungsprojekte. Sie binden andere Ressorts und Behör­
                                                           Fluss oder Bach zugeordnet wird, der renaturiert wer­
den ein (z. B. Raumordnung, Umwelt- und Stadtpla­
                                                           den soll, lässt sich bei der zuständigen Wasserbehör­
nung, Naturschutz, Denkmalpflege). (Mehr dazu siehe
                                                           de erfragen oder im Internet recherchieren (https://
Kapitel 3 „Viele Interessen am Fluss“, Seite 11.)
                                                           geoportal.bafg.de/mapapps/resources/apps/WKSB/
                                                           index.html?lang=de).
Es bieten sich zudem Partnerschaften mit Institutionen
an, die in der Region etabliert sind. Dies können z. B.
                                                           Das Leitbild ist die Grundlage der Gewässerbewer­
Landschaftspflegeverbände, biologische Stationen, re­
                                                           tung und der Maßnahmenplanung und bestimmt, in
gionale Entwicklungsgruppen, Angelvereine oder Was­
                                                           welche Richtung eine Fließgewässerrenaturierung
ser- und Bodenverbände sein. Immer hilfreich ist ein
                                                           gehen sollte. So wird beispielsweise die Sohle ei­

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Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung

nes Sandbaches im Tiefland von Sand geprägt. Das                 Übergeordnete Defizite und Planungen
Einbringen von groben Steinen im Zuge einer Renatu­              ­berücksichtigen
rierung würde in diesem Fall nicht dem natürlichen               Der Grund für die Planung einer Renaturierungsmaß­
Leitbild entsprechen. Der Naturzustand ist in unseren            nahme ergibt sich oft aus einem konkreten Anlass.
– über Jahrhunderte veränderten – Fließgewässern                 Dies kann beispielsweise ein schlechter ökologischer
oftmals nicht wiederherzustellen. Renaturierungen                Zustand des Gewässers oder große Hochwasserschä­
sollen Flüsse und Bäche als Bestandteile unserer                 den sein. Neben lokalen Beeinträchtigungen (z. B.
Kulturlandschaften revitalisieren, also wiederbele­              Querbauwerk, Sohlverbau) sind oftmals übergeord­
ben. Das Leitbild liefert dafür eine Orientierungs­              nete Faktoren (z. B. veränderter Sedimenthaushalt)
hilfe. Es wird mit dem Machbaren abgeglichen, um                 ausschlaggebend für defizitäre Gewässerstrukturen.
ein realistisches Entwicklungsziel zu entwerfen. Je              Der Zustand des Baches oder Flusses sollte daher
nach Ausgangslage ergeben sich somit unterschied­                großräumig analysiert und verstanden werden. Dafür
liche Möglichkeiten für die Gewässerentwicklung.                 ist es oftmals notwendig, einen Blick auf das Einzugs­
Es können kleinräumige Maßnahmen in einem                        gebiet des Gewässers zu werfen. Andernfalls beheben
verbauten Stadtgewässer durchgeführt oder großflä­               die Maßnahmen nur kurzfristig lokale Symp­tome,
chige, dynamische Gewässerentwicklungen in wenig                 während die übergeordneten Ursachen (z. B. Über­
genutzten Gebieten angestoßen werden. (Mehr dazu                 düngung oder eine erhöhte Wassertemperatur durch
siehe Kapitel 5 „Renaturierung von Fließgewässern:               Einleitungen) weiterhin bestehen bleiben.
was tun, wenn …“, Seite 18.)
                                                                 Für Gewässer mit einem Einzugsgebiet größer als
                                                                 10 km² erstellen die Bundesländer großräumige
                                                                 konzeptionelle Planungen in Form von Bewirtschaf­
                                                                 tungsplänen und Maßnahmenprogrammen.

Abbildung 2.1

Habitatskizze LAWA-Fließgewässertyp 5: „Grobmaterialreicher, silikatischer Mittelgebirgsbach“

Leitbilder für den sehr guten ökologischen Zustand der Gewässertypen werden in den hydromorphologischen Steckbriefen
der deutschen Fließgewässertypen beschrieben und mit solchen Habitatskizzen illustriert.

                                                       Quelle: UBA Texte 43/2014: Hydromorphologische Streckbriefe der deutschen­­­Fließgewässertypen

                                                                                                                                                        7
Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung

Diese geben den Rahmen für die Planung lokaler                     ­ lanfeststellung oder Plangenehmigung oder im Rah­
                                                                   P
Renaturierungsprojekte vor. Bei kleineren Gewässern                men der Gewässerunterhaltung durchgeführt werden.
fehlen diese Konzepte häufig. Aber auch hier ist eine
Planung von Maßnahmen sinnvoll. Hierfür kann der                   Bei kleineren Projekten erfolgt in der Regel eine Ab­
Maßnahmenträger im ersten Schritt eine Machbar­                    stimmung mit der Genehmigungsbehörde. Viele Ämter
keitsstudie oder ein Gewässerentwicklungskonzept                   haben Vorgaben, die den Planungsrahmen abstecken.
erstellen. Dazu gibt es in den Bundesländern unter­                Kleinere Projekte lassen sich ggf. auch im Rahmen der
schiedliche Vorgaben.                                              Gewässerunterhaltung umsetzen.

 Planungsprozess ist abhängig von                                  Größere Renaturierungsprojekte werden hingegen
­Genehmigungsverfahren                                             meist durch ein Planfeststellungsverfahren oder
Der konkrete Planungsprozess von kleinen und großen                Plangenehmigungsverfahren realisiert. Wurde bereits
Projekten kann sehr unterschiedlich sein und ist                   im Zuge früherer Verfahren eine Planfeststellung oder
abhängig von der Verfahrensart. Welche Verfahrens­                 eine Plangenehmigung vorgenommen, so können
art im Einzelfall durchzuführen ist, entscheidet die               Renaturierungsmaßnahmen möglicherweise über eine
Genehmigungsbehörde, an die sich Maßnahmenträ­                     Planänderung des ehemaligen Beschlusses stattfin­
ger wenden können. Die gesetzlichen Vorgaben und                   den. Ist dies nicht der Fall, ist ein neues Planfeststel­
Anforderungen können je nach Bundesland abwei­                     lungs- oder Plangenehmigungsverfahren erforderlich,
chen. Renaturierungsprojekte können im Rahmen                      je nachdem ob die Maßnahme einer Umweltverträg­
von Verwaltungsverfahren wie einer Planänderung,                   lichkeitsprüfung (UVP) bedarf oder nicht.

    Masterplan Fuldaaue: Interkommunale Planung zur Renaturierung der Fulda

    Die Hochwasserproblematik an der Fulda war 2012
    Auslöser für die Entwicklung des interkommuna­
    len Masterplans Fuldaaue. Den drei Kommunen
    Bebra, Rotenburg und Alheim dient dieser Master­
    plan seitdem als flexibles Planungsinstrument
    außerhalb starrer Genehmigungsverfahren. Bei der
    Entwicklung des Masterplans konnten die Interes­
    sen von Naturschutz, Wasserwirtschaft, Tourismus,
    Landwirtschaft und der Bevölkerung eingebracht
    werden. Kern des Masterplans ist ein Zonierungs­
    konzept, das räumliche Schwerpunkte z. B. für
    Naturschutz, Ackerbau, Grünlandnutzung, Freizeit
    oder Kiesabbau definiert. Auf Basis des Masterplans
    entstehen nach und nach konkrete Renaturierungs­
    projekte, die von den Kommunen Bebra, Rotenburg
    und Alheim umgesetzt werden.

    Rechts: Auf der Grundlage des interkommunalen Masterplans
    Fuldaaue sorgen Flussaufweitungen und Auenreaktivierungen in
    Rotenburg für einen deutlich verbesserten Hochwasserschutz.

          Mehr zur Renaturierung der Fulda: uba.de/fulda

8
Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung

Abbildung 2.2

Planung und Umsetzung von Renaturierungsprojekten

                                                                          Landesbehörde,
                                                                        Naturschutzbehörde

                       Planungsziele festlegen
                                                                         Finanzierung klären
                   • Einzelprojekt in Gewässerent-
                     wicklungskonzept einbetten                      • Fördermöglichkeiten
                                                                                                                           Flächen sichern
                   • Konfliktpotenziale                                sondieren
                     identifizieren und verringern                                                                   • Flächen kaufen
                                                                     • Synergien identifizieren
                   • Lösungsvarianten gemeinsam                                                                      • Flächen tauschen
                                                                     • Kompensationspools
                     erarbeiten                                        (Eingriffsregelung) nutzen                    • Langfristige Strategie für
                                                                                                                       Flurneuordnung entwickeln

                                                                                      Eigentümerinnen + Eigentümer, Flurbereinigungsbehörde

                                                              Genehmigungsbehörde, Fachbehörden

                                                                Naturschutz-         Öffentlichkeit
                                                                 verbände

            §          Planungsverfahren                                 Planen und                                      Baumaßnahme
                       festlegen                                    Genehmigung einholen                                  durchführen
                • Maßnahmenart identifizieren                                                                     • Ausführungsplanung
                  (Aus- bzw. Umbau, Unterhaltung)                 • Technische Planung
                                                                                                                  • Ausschreibung
                • Art des Genehmigungs-                           • Umweltplanung
                                                                                                                  • Vergabe
                  verfahrens klären
                                                                                                                  • Bauarbeiten
                • Rechtliche und planerische
                                                                                                                  • Bauaufsicht
                  Anforderungen klären
                                                                                                                  • Abnahme

                                                                        Fachplanung

                Unterhaltungspflichtige

                                                                                                                Zielkriterien

                    Gewässer-
                    unterhaltung
                                                                                                               Erfolgskontrolle mit Moni-
           • Folgenutzung                                                                                      toring vorher/nachher
            (z.B. extensive Beweidung)
           • Naturnahe Gewässer-                                                                         • Tiere und Pflanzen im Gewässer
             unterhaltung                                                                                • Biodiversität an Land
            (z.B. Eigendynamik zulassen)
                                                                                                         • Akzeptanz in der Bevölkerung
           • Hochwasserschutz
            (z.B. Gehölzpflege)

                                                                                         Kommunikation               Projektablauf
         Maßnahmenträger                  Projektbeteiligte

Naturnahe Gewässerentwicklung ist ein komplexes Unterfangen. Der Projektablauf von Gewässerrenaturierungen kann sehr
unterschiedlich sein. Ein gut strukturiertes Planungsmanagement schafft die Voraussetzungen für einen ausgewogenen Lö-
sungsweg und eine effiziente und erfolgreiche Maßnahmenumsetzung. Diese Grafik benennt die in vielen Fällen wichtigsten
Projektschritte.

                                                                                                                         CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019

                                                                                                                                                             9
Unsere Bäche und Flüsse - renaturieren - entwickeln - naturnah unterhalten - SGD Süd
2 Effektive Renaturierung durch gute Planung

Die erforderlichen Antragsunterlagen in einem                       Landschaftsplanung (z. B. Landschaftspflegerische
wasserrechtlichen Plangenehmigungs- oder Plan­                      Ausführungsplanung, Umweltbaubegleitung) not­
feststellungsverfahren nach § 68 Wasserhaushalts­                   wendig werden.
gesetz setzen sich aus einem technisch-wasserwirt­
schaftlichen Teil und den Umweltfachbeiträgen                       Nachdem die Genehmigung durch die zuständige
(z. B. Umweltverträglichkeitsprüfung, Eingriffsrege­                Behörde erteilt wurde, schließen sich die technische
lung, Artenschutz, Natura-2000) zusammen. Auch                      Ausführungsplanung, Ausschreibung, Vergabe,
nach der Genehmigung einer Renaturierungsmaß­                       Bauausführung, technische Bauaufsicht, ökologische
nahme können Fachbeiträge von Naturschutz und                       Baubegleitung und Abnahme an.

             Mehr zur Planung und Durchführung von Renaturierungen: uba.de/planrenat

  Wern: Mit systematischer Gewässerentwicklung zum Erfolg

     Die fränkische Wern wurde in den 1930er Jahren
     ausgebaut, um die fruchtbaren Ackerböden bis an
     den Gewässerrand bewirtschaften zu können.
     Dadurch nahmen Biotop- und Artenvielfalt deutlich
     ab. Seit 1995 gewinnt die Wern durch den ökologi­
     schen Um- bzw. Rückbau ihren naturnahen Zustand
     zurück. Hauptinitiatoren der Wern-Renaturierun­
     gen sind das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen
     und die Untere Naturschutzbehörde am Landrat­
     samt Schweinfurt. Weitere Partner sind der Bezirk
     Unterfranken, die Gemeinde Geldersheim und die
     Fischerei­fachberatung Unterfranken. Die Umset­
     zung der einzelnen Renaturierungsmaßnahmen
     erfolgt auf Grundlage eines Gewässerpflegeplans
     aus dem Jahr 1993, der die Vorstufe eines Gewäs­
     serentwicklungskonzeptes bildete. Diese konzep­
     tionelle Rahmenplanung ist die Grundlage für ein
     systematisches Abarbeiten von aufeinander folgen­
     den Bauabschnitten.

     Rechts: Im Bauabschnitt IV der Wern wurde mit Hilfe eines
     Entwicklungskorridors Abstand zwischen Gewässer und land-
     wirtschaftlichen Flächen geschaffen, die zuvor direkt an die
     Gewässerkante grenzten.

           Mehr zur Renaturierung der Wern: uba.de/wern

10
3      Viele Interessen am Fluss
Kooperation und Mitbestimmung                        ▸ Der Denkmalschutz ist um den Erhalt historischer
für erfolgreiche Renaturierungsprojekte                Bauwerke (z. B. Wehre, Mühlen) bemüht.
Behörden, Verbände, Vereine, Landwirtschaft          ▸ Angel- und Fischereivereine wünschen sich
und Bevölkerung – sie alle sind an Projekten zur       ­optimale Lebensbedingungen für die Fische.
Fließgewässerrenaturierung beteiligt. Ihre Zu­       ▸ Der Naturschutz setzt sich für den Erhalt von
ständigkeiten, Interessen und Ansprüche sind oft        Lebens­räumen für Tiere und Pflanzen ein.
unterschiedlich. Das kann zu Konflikten führen.      ▸ Die Bevölkerung nutzt Fließgewässer als Ort der
Frühzeitige Partizipation ermöglicht Akzeptanz          Erholung und des Naturerlebens.
und Planungssicherheit.
                                                     Mitbestimmung für neue Ideen
                                                     und Konfliktvermeidung
Es kann zu einer großen Herausforderung werden,
                                                     Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Interes­
bis alle Beteiligten eine Renaturierungsmaßnahme
                                                     sen hat nicht nur die Lösung von Nutz­ungskonflikten
akzeptieren. Denn die aus ökologischer Sicht not­
                                                     zum Ziel, sondern bringt auch gute Ideen und kosten­
wendigen Verbesserungen können in Konkurrenz mit
                                                     sparende Synergieeffekte hervor.
anderen Nutzungen, Interessen und Zielen stehen:
                                                     Die größten Chancen für eine konstruktive Zusam­
                                                     menarbeit bestehen dann, wenn die Interessen und
▸ Die Wasserwirtschaft ist u. a. für die Entwässe­
                                                     Belange aller Betroffenen angehört und berück­
  rung und einen geregelten Abfluss zuständig –
                                                     sichtigt werden. Ideal sind Lösungen, bei denen
  insbesondere bei Hochwasser.
                                                     alle Seiten einen Vorteil erhalten, etwa durch einen
▸ Land- und Forstwirtschaft nutzen Flächen entlang
                                                     Flächentausch von Grundstücken.
  von Gewässern und streben Erträge an.
▸ Wasserkraftwerke sollen Strom produzieren und
                                                     Eine Beteiligung der Bevölkerung am Planungspro­
  brauchen für ihre volle Auslastung eine Mindest­
                                                     zess kann wesentlich zur Akzeptanz von Renaturie­
  menge an Wasser und eine ausreichend große
                                                     rungen beitragen. Wichtig ist es nicht nur, frühzeitig
  Fallhöhe.
                                                     zu informieren, sondern auch in einem offenen
▸ Flächeneigentümer und –eigentümerinnen wollen
                                                     Austausch gemeinsame Lösungen zu finden und
  den Wert ihrer Grundstücke am Gewässer erhalten
                                                     Entscheidungen zu treffen. Zudem kann die Mobili­
  und Hochwasserschäden vermeiden.
                                                     sierung Freiwilliger einzelne Vorhaben unterstützen

                                                                                                          11
3 Viele Interessen am Fluß

und die Menschen für den Gewässerschutz insge­             den Projektverantwortlichen sorgfältig miteinander
samt sensibilisieren. Für eine effektive Einbindung        abgestimmt werden.
sollten haupt- und ehrenamtliche Aktivitäten von

           Mehr zu Kooperation und Partizipation für erfolgreiche Renaturierungen: uba.de/partrenwat

Gewässerschutz kann nur gemeinsam mit                      zu extensivieren. Beispielsweise sollte innerhalb
der Landwirtschaft gelingen                                von Bachauen auf den Einsatz von Großmaschinen
An Gewässern im ländlichen Raum treffen die In­ter­­­­     verzichtet werden, um eine Bodenverdichtung und
essen der Landbewirtschaftung und einer öko­lo­            Uferschädigung zu vermeiden. Gewässerbegleitende
gisch­en Gewässerentwicklung aufeinander. Zen­tra­ler      Gehölzstreifen können den Eintrag von Düngemitteln
Abstimmungspunkt ist die Bereitstellung von Gewäs­         ins Gewässer reduzieren. Fichten im Uferbereich von
serentwicklungsflächen. (Mehr dazu siehe Ka­pitel 7        Waldbächen sollten durch Laubholzarten ersetzt wer­
„Flächen sichern für dynamische Gewässer“, Seite           den. Freiwillige Gewässerschutzmaßnahmen, die von
31.) Weitere Berührungspunkte sind die gewässer­           den Landwirten und Landwirtinnen durchgeführt
schonende Bewirtschaftung und die Reduzierung              werden, können auch mit Hilfe von Agrarumweltpro­
von Stoffeinträgen in Flüsse und Bäche. Im Zuge            grammen oder anderen Umweltförderprogrammen
von Renaturierungen ist es deshalb häufig sinnvoll,        honoriert werden.
die landwirtschaftliche Nutzung in Gewässernähe

           Mehr zu Renaturierung im Einklang mit der Land- und Forstwirtschaft: uba.de/landrenat

  Frühe Einbindung der Landwirtschaft verhindert Missverständnisse an der Hase

     Bei der Renaturierung des Schierenbaches als Zulauf
     der Hase wurde die betroffene Landwirtschaft von
     Beginn an eingebunden. In zahlreichen Vor-Ort-Ter­
     minen diskutierten Vertreter und Vertreterinnen des
     projektleitenden Unterhaltungsverbands Hase-Was­
     seracht und der Landwirtschaft über die Ziele des
     Projekts. So konnten anfängliche Bedenken bezüg­
     lich Vernässung und Verlust hochwertiger Ackerflä­
     chen sowie einer „unordentlichen“ Landschaft durch
     Gespräche und Besichtigungen ausgeräumt werden.
     Insgesamt konnte der Schierenbach nach Ankauf der
     notwendigen Flächen auf einer Gesamtfläche von          „Die Landwirte hatten Angst, dass hochwertige
     ca. 8,5 ha nach fließgewässerökologischen Gesichts­     Ackerflächen durch Vernässung verloren gehen.
     punkten umgestaltet werden. Die Revitalisierung         Wir konnten diese Bedenken im Gespräch aus-
     erstreckt sich in Form eines durchgängigen „grünen      räumen.“
     Bandes“ auf eine Gesamtlänge von 2,5 km.                Manfred Kramer, Unterhaltungsverband Hase-Wasseracht

          Mehr zur Renaturierung der Hase: uba.de/hase

12
3 Viele Interessen am Fluß

Abbildung 3.1

Gewässerrenaturierung im Spannungsfeld der Interessen

                           rierung
            Gewässerrenatu

            • Naturschutz
            • Öko log ie
                              tz
             • Hochwasserschu
                              ung
             • Abwasserreinig
                • Landwirtschaft
                • Wasserkraft
                 • Erholung
                 • Tourismus
                  • Denkmalschutz

                                                                                   Kompromisslösung
                                                                                  „Kom  promisslösUnserbach
                                                                                                    ung Unserbach“

                Interessenfelder

                Ökologie und Naturschutz                      Landwirtschaft und Energie                       Siedlungswasserwirtschaft

                                    Dynamisches Gewässer                  Äckerflächen                                      Überflutungsflächen für den
                                    mit natürlicher Aue                                                                     Hochwasserschutz

                                    Naturschutzgebiet zur                 Weideflächen                                      Einleitung von
                                    Erhaltung von Tier-                                                                     gereinigtem Abwasser
                                    und Pflanzenarten

                                    Totholz und Ufergehölze               Wasserkraftwerk zur
                                                                          regenerativen Stromproduktion

                Erholung und Tourismus

                                    Rad- und Fußweg am Ufer               Angelstelle                                       Denkmalschutz zur Erhaltung
                                                                                                                            historischer Mühlen, Schleusen
                                                                                                                            und Wehre

                                    Badestelle                            Wasserwanderrastplatz

An Gewässern treffen viele Interessen zusammen. Für Renaturierungsprojekte müssen neue Kompromisse gefunden und
Nutzungskonflikte planerisch gelöst werden. Frühzeitige, offene und regelmäßige Kommunikation zwischen allen Beteilig-
ten erhöht die Zufriedenheit mit dem Renaturierungsergebnis.

                                                                                                                               CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019

                                                                                                                                                               13
4      Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung
Zahlreiche Förderprogramme                              Flussrenaturierung z. B. in Projekte zur Hochwasser­
für Renaturierungen                                     risikominderung, Wasserkraft, Schiffbarkeit, Stadter­
Renaturierungen von Fließgewässern kosten               neuerung oder zum Naturschutz zu integrieren.
Geld. Gerade für Kommunen als Maßnahmenträ­
ger sind diese Kosten häufig nur schwer aufzu­          Im Rahmen von Bundesförderprogrammen betreut
bringen. Hilfe bieten Programme zur Finanzie­           das Bundesamt für Naturschutz beispielsweise Natur­
rung und Förderung vom Bund, den Ländern und            schutzprojekte, die dem Schutz, der Entwicklung und
anderen Organisationen.                                 der dauerhaften Sicherung von Fließgewässern und
                                                        Auen dienen (https://www.bfn.de/foerderung.html).
                                                        Das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“
Die Kosten für Renaturierungen können sehr un­
                                                        hat zum Ziel, durch Renaturierungsmaßnahmen an
terschiedlich ausfallen. Mit kleineren Maßnahmen
                                                        Bundeswasserstraßen einen Biotopverbund aufzu­
lassen sich bereits für ca. 10 Euro pro Gewässermeter
                                                        bauen (https://www.bfn.de/blauesband.html).
deutliche Verbesserungen erzielen. Dem gegenüber
stehen umfangreiche Umbaumaßnahmen, die 600
                                                        Bundesländer sind primär für Förderung von
Euro pro Gewässermeter und mehr kosten können.
                                                        Renaturierungen verantwortlich
                                                        Wasserwirtschaft und Naturschutz sind in Deutsch­
Für Renaturierungsmaßnahmen bieten sich zahlrei­
                                                        land weitestgehend Sache der Bundesländer. Jedes
che Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten. Dazu
                                                        Bundesland hat dafür eigene Förderprogramme.
zählen Förderprogramme der Bundesländer, des Bun­
                                                        Zudem beteiligen sich der Bund und die EU an der
des und der Europäischen Union sowie Ausgleichs­
                                                        Förderung von Gewässerrenaturierungen. Die EU-För­
maßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen
                                                        derung erfolgt nicht aus einem eigens eingerichteten
Eingriffsregelung. Aber auch Stiftungen und Sponso­
                                                        Topf, sondern aus den bestehenden Fonds der EU.
ring kommen in Frage. Vor allem durch eine geschick­
                                                        Die Nutzung dieser Fonds setzt immer eine Kofinan­
te Kombination mehrerer Instrumente lassen sich
                                                        zierung durch den Bund oder die Länder voraus. Die
Renaturierungsprojekte bis zu 100 % finanzieren.
                                                        Bereitstellung der Mittel aus den EU-Fonds erfolgt in
Oftmals bieten sich Kombinationsmöglichkeiten mit
                                                        der Regel in Form spezieller Landesprogramme.
anderen Aktivitäten an, die die Kosten auf ­mehrere
Schultern verteilen. Daher empfiehlt es sich, die

14
4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung

(Mehr zu den Förderprogrammen und Kontaktstellen           zur Finanzierung des Eigenanteils von förderfähigen
der Bundesländer siehe Kapitel 13 „Beratung und            Gewässerentwicklungsprojekten eingesetzt werden.
Förderung durch die Bundesländer“, Seite 46.)
                                                           Stiftungen, Sponsoring und Lotterien
Synergien durch Verknüpfung von                            Einige Stiftungen unterstützen Projekte zur Gewäs­
­Bauleitplanung und Eingriffsregelung                      serrenaturierung. Bei der Suche nach einer passen­
Renaturierungen lassen sich als Ausgleichs- und            den Stiftung kann die Datenbank des Bundesverban­
Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Land­           des Deutscher Stiftungen (stiftungen.org) helfen. Als
schaft finanzieren. Dies ist durch die Eingriffsregelung   finanzielle oder materielle Sponsoren für Renaturie­
des Bundesnaturschutzgesetzes möglich. Eingriffe           rungsprojekte eignen sich auch regional verankerte
mit negativen Folgen für Natur und Landschaft sind         Unternehmen. Die Einnahmen aus Lotterien wie
demzufolge zu vermeiden oder zumindest auszuglei­          Bingo!, Glücksspirale und Umweltlotterie GENAU
chen. In diesen Fällen trägt derjenige, der den Eingriff   werden von den Bundesländern zur Förderung von
verursacht hat, die Kosten der Renaturierung. Finan­       Projekten im Natur- und Umweltschutz genutzt. Dabei
zielle Synergien können durch die Verknüpfung der          werden die Mittel in der Regel über Landesstiftungen
Bauleitplanung mit der Eingriffsregelung entstehen.        ausgeschüttet oder Zusatzgewinne für Umwelt- und
Mit der Bauleitplanung haben die Gemeinden die Pla­        Naturschutzprojekte vorgesehen.
nungshoheit für die Flächennutzung und die Bebau­
ungsplanung. Kompensationsmaßnahmen können so

         Mehr zu Finanzierung und Förderung von Gewässerrenaturierungen: uba.de/finrenat

 Renaturierung der Murg durch Hochwasser­schutz und Naturschutz gefördert

  Die Renaturierung der Murg in Rastatt ist von großer
  Bedeutung für das FFH-Gebiet „Rheinniederung
  zwischen Wintersdorf und Karlsruhe“. Deshalb
  wurden zwei der zehn Millionen Euro Projektkos­
  ten von der Europäischen Union im Rahmen des
  LIFE+-Projekts „Rheinauen bei Rastatt“ finanziert.

  Da es sich bei dem Projekt primär um Hochwasser­
  schutzmaßnahmen handelt, ­wurden die restlichen
  acht Millionen Euro anteilig vom Land Baden-Würt­          „Bei der Renaturierung der Murg in Rastatt ist es
  temberg (70 %) und von der Stadt Rastatt (30 %)            uns gelungen, durch Kombination verschiedener
  aufgebracht.                                               Finanzierungsmöglichkeiten die Projektkosten
                                                             ­komplett zu decken.“
        Mehr zur Renaturierung der Murg: uba.de/murg         Axel Pälchen, Regierungspräsidium Karlsruhe

                                                                                                                 15
4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung

Abbildung 4.1

Finanzierung für Gewässerrenaturierung

     Bundesländer                                          Europäische   Kommunen                               Weitere
     • Aktion Fluss (Thüringen)                            Union         • Ausgleichs- und                      • Stiftungen
     • Naturnahe Gewässer (Hessen)                                         Ersatzmaßnahmen                      • Sponsoring
                                                           • ELER
     • Aktion Blau Plus (Rheinland-Pfalz)                                • Ökopunkte                            • Paten-
                                                           • EFRE
                                                                         • Wasserabgaben                          schaften
                                                           • EMFF
                                                                         • Fischereiabgaben                     • Lotterien
     Bund                                                  • LIFE+
                                                                         • Gewässernachbarschaften
                                                            usw.                                                    usw.
     • Bundesprogramm                                                    • Arbeitsbeschaffung
       Blaues Band Deutschland                                            usw.
     • Bundesförderung Naturschutz
       chance.natur
      usw.

                 Projektkasse

                                         vorher: verbaut                                     nachher: renaturiert

Gewässerrenaturierungen kosten Geld, aber es gibt viele Finanzierungsinstrumente und Förderungen, die kombiniert werden
können. Zudem können Ausgleichsmaßnahmen und Interessenüberschneidungen mit anderen Akteuren (z. B. Hochwasser-
schutz, Naturschutz) genutzt werden.

                                                                                                   CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019

16
4 Finanzierung von ökologischer Gewässerentwicklung

Kreative Finanzierung zur Maßnahmen­umsetzung an der Fulda

Die Renaturierung der Fulda wurde zu 85 % aus
Landesmitteln des Hessischen Förderprogramms
„Naturnahe Gewässer“ und zu 15 % aus anderen
Mitteln (z. B. über Abwasserabgaben) finanziert.

Synergien ergaben sich zudem aus der „Umleitung“
von Mitteln für den technischen Hochwasser­
schutz in Renaturierungsmaßnahmen. So konnte
beispielsweise an einem Zulauf der Fulda statt
eines geplanten Kanals und Rückhaltebeckens ein       „Bei Alheim haben wir eine eigendynamische
Seitenarm der Fulda als natürlicher Retentionsraum    ­Entwicklung der Fulda durch den Bau von
geschaffen und ca. 200.000 Euro Baukosten einge­       ­Strömungsbuhnen ausgelöst. Als Material dafür
spart werden.                                           haben wir einfach den vor Ort entfernten Ufer-
                                                        verbau ­verwendet. Dadurch lagen die Kosten pro
                                                        Buhne deutlich unter 1.000 Euro.“
     Mehr zur Renaturierung der Fulda: uba.de/fulda
                                                      Heinrich Wacker, Büro für Landschaftsplanung

                                                                                                          17
5      Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn ...
Je nach Ausgangslage ergeben sich unterschied­         in einem verbauten S
                                                                          ­ tadtgewässer bis hin zu
liche Möglichkeiten für die G
                            ­ ewässerentwicklung.      eigendynamischer E­ ntwicklung des ­Gewässers in
Die Bandbreite reicht von baulichen Aufwertungen       einer weitestgehend ­nutzungsfreien Landschaft.

… wenn Hindernisse, aber kaum Platz vorhanden sind: Maßnahmen für die Durchgängigkeit
Talsperren, Rückhaltebecken, Wehre, Abstürze und       Umbau von Querbauwerken: Ungeregelte Bauwerke
Rampen unterbrechen die Durchgängigkeit der Gewäs­     (z. B. Stützschwelle) können in vielen Fällen zu einer
ser für wandernde Fische und andere Gewässerorga­      fischpassierbaren, rauen Sohlrampe oder Sohlgleite
nismen. Zudem beeinflussen solche Bauwerke auch        umgebaut werden. Hierbei wird die Gewässersohle
den Sedimenthaushalt und das Abflussverhalten eines    bei einem mäßigen – dem Flusstyp entsprechenden –
Gewässers. Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit   Gefälle durch große Steinblöcke gesichert.
ist daher nicht nur für wandernde Arten sondern auch
für die Lebensraumqualität im gesamten Gewässer        Anlage von naturnahen Umgehungsgewässern:
bedeutend.                                             Ist eine Beseitigung oder ein Umbau eines Querbau­
                                                       werks nicht realisierbar, ermöglicht ein Umgehungs­
Konkrete Maßnahmen zur Herstellung der Durchgän­       gewässer Fischen und anderen Lebewesen die Über­
gigkeit sind:                                          windung des Hindernisses und kann zusätzlichen
                                                       Lebensraum zur Verfügung stellen. Dabei ist der
Entfernen von Querbauwerken: Eine vollständige         Flächenbedarf zu berücksichtigen.
Beseitigung von Querbauwerken ist möglich, wenn die
Nutzung (z. B. einer Wassermühle) aufgegeben wurde.    Bau von technischen Fischwanderhilfen: ­Technische
An Querbauwerken bestehende Wasserspiegeldifferen­     Fischwanderhilfen gibt es in unterschiedlichen Aus­
zen können nach Entfernung des Querbauwerks z. B.      führungen, wie dem Schlitzpass oder dem Borsten­
durch eine Aufweitung des Gewässerprofils oder eine    pass. Im Gegensatz zu naturnahen Umgehungsge­
Sohlenstabilisierung (z. B. durch große Steinblöcke)   wässern weisen technische Fischwanderhilfen kaum
ausgeglichen werden.                                   naturnahe Elemente auf und zielen einzig auf die
                                                       Herstellung der Durchgängigkeit ab.

18
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn …

Abbildung 5.1

Durchgängigkeit wiederherstellen

                                                         Vorher                  Nachher

                 Längsschnitt                                                  Längsschnitt

Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit und einer naturnahen Abfluss- und Geschiebedynamik ist von zentraler
­Bedeutung, da diese Faktoren die Lebensraumqualität im Gewässer maßgeblich beeinflussen.

                                                                                                                            CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019

Umgestaltung von Durchlässen und Verrohrungen:                             querungen) passierbar gestalten. An kleinen Gewäs­
Auch enge Durchlässe oder lange Verrohrungen kön­                          sern im ländlichen Raum bieten sich Furten anstelle
nen die Wanderung von Wasserlebewesen durch glatte                         von Rohrdurchlässen an.
Betonsohlen und hohe Strömungsgeschwindigkeiten
behindern. Zudem können zu eng bemessene Profile                           Wiederanbindung von Zuläufen: Mündungsbereiche
einen Wasserrückstau und den Rückhalt von Sedimen­                         von Seitengewässern wurden im Zuge des Gewässer­
ten verursachen. Durch das Öffnen von Verrohrungen,                        ausbaus oftmals verlegt und befestigt. Zudem entstan­
das Aufweiten von Durchlässen und das Herstellen                           den durch die Eintiefung der Hauptgewässer für Fische
relativ naturnaher Sohl- und Uferstrukturen lassen                         und andere Organismen unüberwindbare Wasserspie­
sich auch solche Zwangspunkte (z. B. Straßenunter­                         geldifferenzen zwischen Haupt- und Zulauf. Durch die

Abbildung 5.2

Streichwehr wird zu durchgängigem Beckenpass umgebaut
Durch den Umbau der Nebel bei Lüssow in Mecklenburg im Jahr 2015 können Fische nach über 130 Jahren wieder von der
Ostsee über die Warnow zu Laichgebieten in der Nebel schwimmen.

                                 1                                                            2                                                      3

1 Streichwehr vor Maßnahmenbeginn        2 Rückbau 2015              3 durchgängiger Beckenpass 2018

                                     Fotos: 1+2 Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, 3 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich

                                                                                                                                                             19
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn …

Entwicklung naturnaher, niveaugleicher Mündungsbe­                   rampen lassen sich Zuläufe wieder an das Gewässer­
reiche oder den Bau von fi
                        ­ schpassierbaren Mündungs­                  system anbinden.

            Mehr zu Maßnahmen für die Durchgängigkeit: www.uba.de/massrenat-hinderniss

     Umgehungsgewässer als Ersatzlebensraum für Fische am Inn

     Aufgrund der intensiven energiewirtschaftlichen
     Nutzung ist am Inn eine Beseitigung der Staustufen
     nicht realistisch. Umgehungsgewässer ermöglichen
     Fischen und anderen aquatischen Lebewesen die
     Überwindung der Hindernisse. Die Umgehungs­
     gewässer wurden strukturreich gestaltet (z. B.
     mit Stillwasserpools) und dienen gleichzeitig als
     Ersatzlebensräume für Fische.
     Rechts: Der Fischpass zur Umgehung des Kraftwerks Gars am Inn
     enthält zahlreiche Strukturen und wird somit auch selbst zum
     Lebens- und Rückzugsraum für Fische.

           Mehr zur Renaturierung des Inns: uba.de/inn

… wenn der Gewässerlauf nicht verändert werden kann: Maßnahmen im bestehenden Profil

In Städten oder intensiv genutzten Landschaften ist                  Einbau von Strukturelementen: Störsteine oder Ufer­
oftmals keinerlei Entwicklungsraum vorhanden. Hier                   sporne können auch in ausgebauten Gewässern vielfäl­
bietet sich die Möglichkeit, wertvolle Strukturen für                tige Lebensräume für Tiere und Pflanzen s­ chaffen. Sie
Tiere und Pflanzen zu schaffen, ohne das bestehende                  sorgen für abwechslungsreiche Strömungs- und Subs­
Profil zu verändern. Die kleinräumigen und oft kos­                  tratverhältnisse. Gleichzeitig können solche Elemente
tengünstigen Maßnahmen konzentrieren sich dabei                      zur naturnahen Sicherung von Sohle und Ufer dienen.
auf strukturelle Aufwertungen der Gewässerböschun­
gen und der Gewässersohle.                                           Einbringen von Totholz: Neben dem Belassen von
                                                                     Totholz im Gewässer und der Entwicklung von natür­
Konkrete Maßnahmen zur Strukturaufwertung im                         lichen Totholzquellen (Ufergehölze) bietet sich insbe­
bestehenden Gewässerprofil sind:                                     sondere in stark ausgebauten Gewässerabschnitten
                                                                     das gezielte Einbringen von Totholz an. Verankertes
Herstellen einer natürlichen Gewässersohle:                          Totholz und Sturzbäume stabilisieren zudem die Sohle,
Gepflasterte oder betonierte Sohlen bieten den meisten               ohne die Durchgängigkeit für Fische zu beeinträchti­
Tieren und Pflanzen keinerlei Lebensraum. Durch das                  gen. Darüber hinaus bietet Totholz z. B. Fischen oder
Entfernen von massivem Sohlverbau kann bereits eine                  Insektenlarven Lebensraum, Nahrungsgrundlage und
erhebliche ökologische Aufwertung erzielt werden.                    Schutz vor Fressfeinden.
Zusätzlich kann gewässertypisches Substrat in die
Sohle eingebracht werden. In Bereichen, in denen die                 Gestaltung von Niedrigwasserrinnen: Für einen geregel­
Strömung unerwünscht Geschiebe in Bewegung zu                        ten Hochwasserabfluss wurden viele Gewässer deut­
setzen droht, können Wasserbausteine zur Sohlsiche­                  lich breiter als im natürlichen Zustand ausgebaut. Das
rung verwendet werden.                                               führt dazu, dass die Wasserstände bei ­Trockenheit sehr
                                                                     niedrig sind. Durch Strömungslenker (Buhnen, Steine,

20
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn …

Abbildung 5.3

Gewässerstruktur im bestehenden Profil verbessern

                                                 Vorher          Nachher

                 Querschnitt                                    Querschnitt

In Restriktionsbereichen mit angrenzenden Nutzungen können kleinräumige Maßnahmen zu Habitatverbesserungen f­ ühren,
ohne den Gewässerlauf zu verändern.

                                                                                                            CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019

Totholz) kann die Ausbildung einer langfristig stabilen,    verbaue aus Beton oder Stein ersetzen. Sie sichern die
stets wasserführenden Niedrigwasserrinne erzielt wer­       Ufer und haben gleichzeitig ökologische Funktionen
den. Diese ist besonders in den trockenen Sommermo­         als Lebensräume und Nahrungsquellen. Zu naturna­
naten mit geringen Abflüssen für Fische wichtig.            hem Uferverbau zählen beispielsweise Böschungsbe­
                                                            grünung, Geotextilien, Trockenmauern, Steckhölzer,
Austausch von technischem mit naturnahem Uferver­           Weidenspreitlagen, Flechtbuhnen, Faschinenwände,
bau: Wenn der Rückbau von Ufersicherungen nicht             Wurzelstöcke, Stangenverbau, Krainerwände oder
möglich ist, können natürliche Baustoffe massive Ufer­      Raubäume.

Abbildung 5.4

Aufwertung der Gewässersohle bei unverändertem technischen Profil
Die Ufer und Gewässersohlen massiv ausgebauter Gewässer in der Stadt können durch Kies, Störsteine und Vegetation
ökologisch aufgewertet werden. In Verrohrungen können Lichtschächte eingebaut werden, da auch Dunkelheit Fische am
Durchwandern hindern kann.

                                 1                                            2                                                      3

1 Bach zwischen Betonwänden 2 Eipbach in Ortslage 3 überbauter Bach mit Lichtschächten und offener Sohle

                                                                          Fotos: 1 Werner H. Baur, 2+3 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich

                                                                                                                                             21
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn …

Abbildung 5.5

Einbau von Strukturelementen im Gewässer
Das Einbringen von Totholz und das Anlegen von fischfreundlichen Kiesbänken sind einfache und kostengünstige
­Renaturierungsmaßnahmen, die auch in stark veränderten Gewässern für Strukturvielfalt sorgen.

                                                      1                                                                                     2

1 gezielt eingebrachte, befestigte Totholz-Baumstämme 2 angelegte Kiesbänke

                                                       Fotos: 1 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich , 2 Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau

          Mehr zu Maßnahmen im bestehenden Profil: uba.de/massrenat-laufbleibt

… wenn das Gewässerprofil und die Ufer verändert w
                                                 ­ erden können: Maßnahmen im und am
G
­ ewässer

In landwirtschaftlich genutzten Landschaften wird                  bereich kann der Eintiefung des Gewässers entgegen­
Fließgewässern kaum Raum zugestanden. Flächen­                     gewirkt und eine Sekundäraue geschaffen werden. In
nutzungen wie Viehweiden, Grünland oder Acker rei­                 diesem Bereich kann sich das Gewässer selbstständig
chen oftmals bis an die Gewässerkante der Flüsse und               entwickeln. Die Außengrenzen der Sekundäraue
Bäche. Mit einem strategischen Flächenmanage­ment                  können durch versteckten bzw. „schlafenden“ Verbau
und einer guten Kooperation mit der Landwirtschaft                 gesichert werden.
lässt sich Platz für eine naturnahe Gewässerentwick­
lung schaffen. Deutliche Habitatverbesserungen im                  Wiederherstellen einer naturnahen Linienführung:
Gewässerbett und den angrenzenden Flächen können                   Dazu zählen die Wiederherstellung einzelner Fluss-
erzielt werden, wenn Maßnahmen an möglichst lan­                   oder Mäanderbögen oder die Neutrassierung längerer
gen Gewässerabschnitten oder in kurzen Abständen                   Gewässerabschnitte mit gewundener bis mäandrie­
in sogenannten Trittsteinhabitaten umgesetzt werden.               render Linienführung. Neutrassierung kommt
                                                                   insbesondere dann zum Einsatz, wenn der Fluss
Konkrete Maßnahmen zur Gewässerentwicklung bei                     nicht genügend Fließdynamik und Geschiebetätigkeit
limitierter Flächenverfügbarkeit sind:                             mitbringt, um sich seinen Verlauf selbst zu gestalten.

Anlage von Gewässerrandstreifen: Möglichst breite,                 Entfernen von Uferverbau: Der Rückbau von Ufersi­
nutzungsfreie Streifen schützen das Gewässer vor                   cherungen gibt dem Gewässer die Möglichkeit der
schädlichen Einflüssen aus der angrenzenden Nut­                   eigendynamischen Entwicklung zurück. Steht genü­
zung (z. B. übermäßiger Eintrag von Feinsedimenten                 gend Raum zur Verfügung, können mit dieser Maß­
und Nährstoffen aus Ackerflächen).                                 nahme großflächige Umgestaltungen in dynamischen
                                                                   Gewässern initiiert werden.
Abflachen der Ufer und Gewässernahbereiche: Durch
Uferabflachungen und Bodenabtrag im Gewässernah­

22
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn …

Abbildung 5.6

Gewässerbett und Gewässernahbereich aufwerten

                                           Vorher            Nachher

         Querschnitt                                       Querschnitt

Wenn angrenzende Flächen zur Verfügung stehen, können Renaturierungsmaßnahmen neben der Gewässersohle auch
weitere Uferbereiche einschließen.

                                                                                           CC BY-ND 4.0 Umweltbundesamt 2019

Strukturierung von Ufern mit Buchten, Flachwas­          Aufweiten des Gewässerbettes: Das Aufweiten des
serbereichen, Totholz: Monotone Ufer können durch        Gewässerbettes kann zu einer wünschenswerten
bauliche Veränderungen naturnah und vielseitig           Verzweigung des Flusslaufes führen. Allerdings sollte
gestaltet werden. Bei ausreichender Abflussdyna­         darauf geachtet werden, dass eine Niedrigwasserrin­
mik werden solche Initialstrukturen vom Gewässer         ne für einen ökologisch notwendigen Mindestwasser­
selbst weiterentwickelt. Raubäume und Wurzelstöcke       abfluss in Trockenperioden vorhanden ist.
dienen als zusätzliche Lebensräume und können
gleichzeitig Prallufer stabilisieren und – wo notwen­    Verengung des Querprofils: Bei unnatürlich breiten
dig – gegen Ufererosion schützen.                        und flachen Gewässerbetten kann eine Verengung
                                                         des Abflusses durch Strömungslenker die Ausbildung
Einbau von Strömungslenkern: Bei ausreichend             von typischen Strukturen wie Prall- und Gleithängen
starker Eigendynamik bieten Strömungslenker wie          bewirken.
Steinbuhnen (z. B. aus ehemaligem Uferverbau),
Raubäume oder Wurzelstöcke eine kostengünstige
Möglichkeit eigendynamische Entwicklungen auszu­
lösen. Durch wechselseitige Strömungslenkung kann
sich an einem geradlinig ausgebauten Gewässer ein
naturnah pendelnder Verlauf entwickeln.

           Mehr zu Maßnahmen im Gewässer und im Nahbereich: uba.de/massrenat-uferprofil

                                                                                                                         23
5 Renaturierung von Fließgewässern: was tun, wenn …

Abbildung 5.7

Naturnaher Uferverbau
Naturnahe Uferbefestigung verrottet mit der Zeit und lässt mehr Eigendynamik des Gewässers zu. Zudem dient das sich
zersetzende Holz als Nahrung für Insektenlarven.

                                                      1                                                                                      2

1 ingenieurbiologische Sicherung der Niedrigwasserrinne des Schierenbachs mit Faschinenwalzen, Kieshinterfütterung und
Wurzelstöcken 2015 2 Zustand der naturnahen Uferbefestigung am Schierenbach 2018

                                                          Fotos: 1 Unterhaltungsverband 98 Hase-Wasseracht, 2 Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich

Abbildung 5.8

Strukturverbesserung und Laufverlängerung
An der Wern wurde ein gewundenes Bachbett hergestellt, Flachwasserbereiche und Altarme angelegt sowie ein einheimi-
scher Gehölzsaum angepflanzt. In einem 185 m breiten Entwicklungskorridor kann sich die Wern seitdem eigendynamisch
e
­ ntwickeln.

                                   1                                               2                                                        3

1 begradigter Abschnitt der Wern   2 Wern bei Geldersheim während der Bauphase 2005 3 Wern bei Geldersheim 2018

                                                           Fotos: 1+2 Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen, 3 Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau

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