Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften - Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beimBundesministeriumderFinanzen 02/2016

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Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften - Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beimBundesministeriumderFinanzen 02/2016
Chancen und Risiken
Öffentlich-Privater Partnerschaften

Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats
beim Bundesministerium der Finanzen        02/2016
Chancen und Risiken
Öffentlich-Privater Partnerschaften

            Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats
               beim Bundesministerium der Finanzen

                                   September 2016
Inhalt   Seite 3

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			                                                         Seite

Kurzfassung                                                    5

1.    Was ist eine Öffentlich-Private Partnerschaft?           7
2.    Die Bedeutung von ÖPP in Deutschland                    11
3.    Lebenszykluskosten der Infrastruktur                    15
4.    Transaktionskosten                                      19
5.    Verteilung des Risikos                                  23
6.    Finanzierungskosten                                     26
7.    ÖPP versus öffentliche Kreditaufnahme                   28
8.    Eigeninteressen der an ÖPP beteiligten Akteure          31
9.    Erfahrungen mit ÖPP in anderen Ländern                  33
10.   Fazit                                                   35

Literaturverzeichnis                                          37
Verzeichnis der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats     42
Seite 4
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften   Seite 5

     Kurzfassung

In Deutschland haben Öffentlich-Private         Der Beirat kommt zu dem Ergebnis, dass In-
Partnerschaften (ÖPP) zur Bereitstellung öf-    frastrukturprojekte mit großem Finanzvo-
fentlicher Infrastruktur in jüngerer Zeit an    lumen, beispielsweise Fernstraßen, durch-
Bedeutung gewonnen. Bei ÖPP handelt es          aus vorteilhaft in ÖPP realisiert werden
sich um langfristige Vertragsbeziehungen        können. Infrastrukturprojekte mit kleinem
zwischen einem staatlichen und einem pri-       Finanzvolumen sollten dagegen eher kon-
vaten Partner zur Bereitstellung öffentlicher   ventionell realisiert werden. Ferner emp-
Infrastruktur. Der private Partner über-        fiehlt der Beirat, die durch ÖPP in Zukunft
nimmt dabei Errichtung, Betrieb und gege-       eingegangenen staatlichen Finanzierungs-
benenfalls Finanzierung der Infrastruktur       pflichten dem öffentlichen Haushaltsdefizit
und erhält dafür vom öffentlichen Partner       zuzurechnen. Damit würden auch die län-
Entgelte oder das Recht, Entgelte von den       gerfristigen Haushaltslasten von ÖPP-Pro-
Nutzern der Infrastruktur zu erheben. Im        jekten transparent.
vorliegenden Gutachten versucht der Bei-
rat zu klären, unter welchen Bedingungen
ÖPP eine vorteilhafte Form der öffentlichen
Bereitstellung von Infrastruktur darstellen.
Es zeigt sich, dass ÖPP sowohl Chancen als
auch Risiken bergen. ÖPP können dazu bei-
tragen, unrentable öffentliche Infrastruktu-
rinvestitionen zu vermeiden, und begüns-
tigen wegen der Kostenminimierungsan-
reize des privaten Partners eine wirtschaft-
lichere Bereitstellung von Infrastruktur.
Diese Kostenminimierungsanreize können
aber zugleich zu einer geringeren Qualität
der Infrastruktur führen. Zudem sind ÖPP
in der Regel mit hohen Transaktionskosten
verbunden. Schließlich können ÖPP dazu
missbraucht werden, Finanzierungslasten
für öffentliche Infrastruktur in die Zukunft
zu verschieben, ohne diese Lasten heute als
öffentliche Schulden ausweisen zu müssen.
Seite 6   Summary
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften   Seite 7

      1. Was ist eine Öffentlich-Private Partnerschaft?

In der Bereitstellung öffentlicher Infra-                   Auch bei konventioneller Beschaffung
struktur hat sich in jüngerer Zeit neben der            beauftragt der Staat meist private Unter-
konventionellen öffentlichen Bereitstellung             nehmen mit der Erstellung der Infrastruk-
und der vollständigen Privatisierung eine               tur, und gelegentlich übernehmen private
Mischform etabliert, die als Öffentlich-Pri-            Unternehmen zudem deren Betrieb. Im
vate Partnerschaft oder kurz ÖPP bezeich-               Unterschied zu einer ÖPP nimmt diese Auf-
net wird. Zwar existiert bislang keine allge-           gaben aber nicht ein privates Unternehmen
mein verbindliche Definition dafür, welche              oder ein Konsortium privater Unterneh-
Arten der Zusammenarbeit von öffentli-                  men gebündelt wahr. Vielmehr sind bei
chem und privatem Sektor als ÖPP bezeich-               der konventionellen Beschaffung, Erstel-
net werden sollten. Einvernehmen herrscht               lung und Betrieb der Infrastruktur rechtlich
aber darüber, dass in einer ÖPP der private             und organisatorisch voneinander getrennt.
Partner sowohl mit der Erstellung als auch              Vereinfacht ausgedrückt erwirbt der Staat
mit dem Betrieb öffentlicher Infrastruktur              bei konventioneller Beschaffung die Infra-
beauftragt wird.1 Zu öffentlicher Infrastruk-           struktur, während er in einer ÖPP nur deren
tur zählen dabei neben Hoch- und Tiefbau-               Dienste erwirbt.
ten (Verwaltungsgebäude, Bildungseinrich-                   In der öffentlichen Diskussion um das
tungen, Straßen, Brücken, etc.) insbesondere            Für und Wider von ÖPP spielt oft eine zen-
IT-Infrastrukturen.2                                    trale Rolle, dass der private Partner auch
                                                        die Finanzierung der Infrastruktur über-
1 Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und            nimmt. In der Tat finanziert der private
Stadtentwicklung (2003) definiert ÖPP folgender-        Partner in der Regel zumindest einen Teil
maßen: „ÖPP ist eine langfristige, vertraglich gere-   der Infrastrukturinvestitionen, so dass die
gelte Zusammenarbeit zwischen Öffentlicher Hand
und Privatwirtschaft zur wirtschaftlichen Erfüllung     private Finanzierung prima facie als ein
öffentlicher Aufgaben über den gesamten Lebens-         charakterisierendes Merkmal dieser Be-
zyklus eines Projektes. Die für die Aufgabenerfül-
lung erforderlichen Ressourcen (z. B. Know-how,         schaffungsvariante erscheinen mag. Dass
Betriebsmittel, Kapital, Personal etc.) werden von      sich der private Partner an der Finanzierung
den Partnern in einem gemeinsamen Organisa-             beteiligt, ist aber weder Voraussetzung für
tionsmodell zusammengeführt und vorhandene
Projektrisiken entsprechend der Managementkom-          eine ÖPP, noch lassen sich darin besondere
petenz der Projektpartner angemessen verteilt.“         Vorteile einer ÖPP gegenüber konventio-
2 Die gemessen am Investitionsvolumen von               neller Beschaffung erkennen. Grundsätzlich
mehr als 7 Mrd. Euro bislang größte deutsche ÖPP,
das Herkules-Projekt, betrifft eine IT-Infrastruktur.   haben private Akteure gegenüber dem Staat
Im Rahmen dieses Projekts ist die gesamte nicht-        keine Finanzierungsvorteile. Im Gegenteil:
militärische Informationstechnik der Bundeswehr
                                                        Der Staat – soweit solvent – dürfte stets
modernisiert worden. Planmäßig dauert die ÖPP
bis Ende 2016.                                          einen besseren Zugang zum Kapitalmarkt
Seite 8   Was ist eine Öffentlich-Private Partnerschaft?

                         haben als private Unternehmen. Die Finan-           Infrastruktur übernimmt und dafür vom
                         zierungsfrage ist vielmehr, wie sich zeigen         öffentlichen Partner Entgelte erhält und/
                         wird, für die spezifischen Anreize sowohl           oder das Recht, Entgelte von den Nutzern
                         der staatlichen als auch der privaten Seite in      der Infrastruktur zu erheben.
                         ÖPP von Bedeutung.
                             Weil die Finanzierung kein charakteri-          Im Einzelnen können ÖPP sehr unter-
                         sierendes Merkmal einer ÖPP ist, sind ÖPP       schiedliche Formen annehmen. So unter-
                         auch von Leasingverträgen mit einem staat-      scheidet beispielsweise ein von der Finanz-
                         lichen Vertragspartner als Leasingnehmer        ministerkonferenz in Auftrag gegebener
                         und einem privaten Vertragspartner als Lea-     Leitfaden zwischen Erwerber-, Inhaber-,
                         singgeber abzugrenzen. In Leasingmodellen       Leasing-, Miet-, Contracting-, Konzessi-
                         beschränkt sich die Rolle des privaten Part-    ons-, und Gesellschaftsmodellen.5 Diese
                         ners auf die Finanzierung. Als Leasinggeber     unterscheiden sich im Wesentlichen darin,
                         finanziert der private Partner das Leasing-     ob der öffentliche oder der private Partner
                         objekt und überlässt es dem öffentlichen        während der Laufzeit der ÖPP Eigentümer
                         Partner als Leasingnehmer gegen Zahlung         der Infrastruktur ist und welche Regeln für
                         eines Entgelts, wobei der Leasingnehmer,        den Eigentumsübergang getroffen werden
                         sprich der öffentliche Partner, sowohl für      für den Fall, dass der private Partner wäh-
                         den Betrieb als auch den Erhalt des Leasing-    rend der Laufzeit der ÖPP das Eigentum an
                         objekts zuständig ist.3                         der Infrastruktur hat. Beim Erwerbermodell
                             Schließlich wird in der Literatur gele-     erwirbt der öffentliche Partner zum Ver-
                         gentlich zwischen Organisations-ÖPP und         tragsende die Infrastruktur vom privaten
                         Vertrags-ÖPP unterschieden.4 Unter Or-          Partner. Beim Inhabermodell dagegen ist
                         ganisations-ÖPP werden Organisationen           der öffentliche Partner Eigentümer der
                         (Unternehmen) verstanden, an denen der          Infrastruktur, räumt dem privaten Partner
                         öffentliche Sektor und der private Sektor       aber während der Vertragslaufzeit ein um-
                         Anteile halten. Die Deutsche Post beispiels-    fassendes Nutzungs- und Besitzrecht ein.
                         weise ist nach diesem Verständnis eine          Weiterhin unterscheiden sich die Modelle
                         Organisations-ÖPP. Hier werden Organi-          darin, nach welchen Regeln der Eigentums-
                         sations-ÖPP nicht unter dem Begriff ÖPP         übergang am Ende der Vertragslaufzeit
                         behandelt, sondern als eine Form der Priva-     erfolgt. So ist etwa der öffentliche Partner
                         tisierung verstanden.                           beim Leasingmodell6 im Unterschied zum
                             Wenn deshalb im Weiteren von ÖPP die        Erwerbermodell nicht verpflichtet, die Inf-
                         Rede ist, so geht es allein um Vertrags-ÖPP.    rastruktur am Ende der Vertragslaufzeit zu
                         Diese lassen sich wie folgt charakterisieren:   erwerben, sondern hat ein Optionsrecht.
                                                                         Beim Mietmodell wiederum verbleibt die
                             Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) Infrastruktur vertragsgemäß im Eigentum
                             sind langfristige, aber zeitlich befristete des privaten Partners.
                             Vertragsbeziehungen     zwischen     einer
                             staatlichen Instanz und einem privaten
                             Unternehmen oder einem Konsortium
                             privater Unternehmen, in denen der
                             private Partner Errichtung, Betrieb 5 Im Detail siehe Finanzministerkonferenz (2006).
                             und gegebenenfalls Finanzierung einer 6 Das ÖPP-Leasingmodell ist zu unterscheiden
                                                                          vom weiter oben beschriebenen klassischen Lea-
                                                                          sing. Beim klassischen Leasing übernimmt der
                         3   Siehe Statistisches Bundesamt (2015).        private Partner nicht den Betrieb der Infrastruktur,
                         4   Siehe z. B. Budäus (2006).                   sondern beschränkt sich auf dessen Finanzierung.
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften   Seite 9

    Wie auch immer ÖPP im Einzelnen aus-        tragen können. Ob sie freilich im Einzelfall
gestaltet werden, gemeinsames Merkmal ist       gegeben sind, wie das geprüft werden kann
die Bündelung von Erstellung und Betrieb        und welche Änderungen gegebenenfalls
der Infrastruktur beim privaten Partner im      erforderlich sind, ist nicht Gegenstand des
Rahmen eines zeitlich befristeten Vertra-       vorliegenden Gutachtens.
ges. Die Bündelung unterscheidet ÖPP von            Das Gutachten vergleicht zunächst ÖPP
konventioneller öffentlicher Bereitstellung.    mit konventioneller Beschaffung von öf-
Schnittmengen gibt es mit der Privatisie-       fentlicher Infrastruktur aus verschiedenen
rung öffentlicher Aufgaben. Da bei ÖPP der      Kostenperspektiven unter der Vorausset-
Staat Träger der Aufgabe bleibt, kommt es       zung, dass in beiden Beschaffungsvarianten
zwar nicht zu einer formalen Aufgabenpri-       eine gesellschaftlich akzeptable Qualität der
vatisierung. Je nach Ausgestaltung kann die     Infrastruktur bereitgestellt wird. Weil indes-
ÖPP jedoch zu einer funktionellen Privati-      sen nicht allein Kostengründe über das Ob
sierung öffentlicher Aufgaben führen; der       und das Wie von ÖPP entscheiden, sondern
Staat bedient sich hierbei Privater bei der     auch politische Opportunitäten eine erheb-
Aufgabenerfüllung, bleibt aber verantwort-      liche Rolle spielen, betrachtet das Gutachten
lich und damit Träger der Aufgabe. Aller-       die Entscheidung über ÖPP auch aus polit-
dings setzt dies in der Regel die Übertragung   ökonomischer Sicht.
der Einrichtung in privates Eigentum vo-            Sowohl mit ÖPP als auch mit konventi-
raus, was bei ÖPP nur ausnahmsweise der         oneller Beschaffung sind spezifische Kos-
Fall ist. Während Privatisierung in der Regel   tenvorteile und -nachteile verbunden. Die
unbefristet erfolgt, werden ÖPP für einen       Kostenabwägung wird zeigen, dass ÖPP ins-
Zeitraum von 20 bis 30 Jahren geschlossen.      besondere aus Errichtungs- und Betriebs-
Der öffentliche Partner ist in einer ÖPP        kostenperspektive günstiger erscheinen und
zudem stärker sowohl in den Planungs- als       konventionelle Beschaffung insbesondere
auch in den Betriebsprozess eingebunden         aus Transaktionskostenperspektive. Polit-
als bei Privatisierung. Schließlich erfordert   ökonomische Argumente legen freilich
Privatisierung in der Regel Nutzerentgelte,     nahe, dass ÖPP gegebenenfalls auch dann
während ÖPP davon nicht abhängen.               noch politisch opportun sein können, wenn
    Das vorliegende Gutachten versucht zu       sie mit höheren gesellschaftlichen Kosten
klären, unter welchen Bedingungen ÖPP           verbunden sind als herkömmliche Formen
eine vorteilhafte Form der öffentlichen         der Bereitstellung. Vor dem Hintergrund
Bereitstellung von Infrastruktur darstellen     der materiellen und politischen Kosten
und unter welchen Bedingungen konven-           der verschiedenen Beschaffungsvarianten
tionelle Beschaffungsformen oder gege-          entwickelt das Gutachten Empfehlungen,
benenfalls Privatisierung besser geeignet       in welchen Anwendungsbereichen ÖPP
erscheinen. Weil mit ÖPP in der Regel spezi-    Vorteile entfalten und welche Merkmale
fische Einzelprojekte realisiert werden und     ÖPP hinsichtlich der Finanzierungsverant-
zudem auf sehr komplexen und detailrei-         wortung und der Risikoverteilung zwischen
chen Vertragsbeziehungen basieren, kann es      öffentlichen und privaten Partnern aufwei-
hier nicht darum gehen, Blaupausen für die      sen sollten.
Gestaltung von ÖPP zu entwickeln. Das vor-
liegende Gutachten versucht vielmehr, jene
Bedingungen zu identifizieren, unter denen
ÖPP zu einer wirtschaftlicheren und sparsa-
meren Erfüllung öffentlicher Aufgaben bei-
Seite 10   Was ist eine Öffentlich-Private Partnerschaft?

                             Der Gang der Untersuchung gliedert
                         sich wie folgt: Kapitel 2 skizziert zunächst
                         die quantitative Bedeutung von ÖPP in
                         Deutschland. In Kapitel 3 werden die so-
                         genannten Lebenszykluskosten von Infra-
                         strukturprojekten in verschiedenen Be-
                         schaffungsvarianten betrachtet. Kapitel 4
                         befasst sich mit den Transaktionskosten bei
                         öffentlicher Beschaffung und in ÖPP. Kapi-
                         tel 5 untersucht, wie die Risiken zwischen
                         öffentlichem und privatem Partner in einer
                         ÖPP aufgeteilt werden sollten. Kapitel 6
                         vergleicht die Finanzierungskosten bei
                         konventioneller Beschaffung und in ÖPP.
                         In Kapitel 7 werden die Konsequenzen von
                         ÖPP für die öffentliche Kreditaufnahme
                         betrachtet. Kapitel 8 bewertet ÖPP aus polit-
                         ökonomischer Perspektive. Kapitel 9 dis-
                         kutiert internationale empirische Evidenz
                         zu ÖPP. Kapitel 10 enthält abschließende
                         Empfehlungen.
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften    Seite 11

      2. Die Bedeutung von ÖPP in Deutschland

ÖPP haben in Ländern wie Großbritannien                Gemessen an der Anzahl haben ÖPP-
in den vergangenen rund dreißig Jahren             Projekte in Deutschland bislang im Bil-
(dort unter der Bezeichnung Private Finance        dungsbereich die größte Rolle gespielt. Da-
Initiative oder kurz PFI) wesentlich zur Be-       bei handelt es sich aber meist um eher klei-
reitstellung von öffentlicher Infrastruktur        nere Projekte auf kommunaler Ebene (z. B.
beigetragen. In Deutschland haben ÖPP              Kindertagesstätten). Größere ÖPP-Projekte
dagegen erst in jüngerer Zeit an Bedeutung         wurden in jüngerer Zeit auf Bundesebene
gewonnen. Tatsächlich hat man in Deutsch-          im Autobahnbau realisiert. Die Abbildungen
land einen Nachholbedarf bei ÖPP gesehen           1 und 2 liefern Informationen über die an-
und zu diesem Zweck im Jahr 2008 unter Fe-         teilige Bedeutung von ÖPP in verschiedenen
derführung des Bundesministeriums der Fi-          Aufgabenbereichen und die damit verbun-
nanzen die ÖPP Deutschland AG gegründet.           denen Investitionsausgaben.8
Ausdrückliches Ziel dieses Unternehmens
ist es, den ÖPP-Anteil an öffentlichen Inves-
titionen zu erhöhen. Die ÖPP Deutschland
AG wirkt als Beratungsunternehmen für öf-
fentliche Auftraggeber zur Förderung von
ÖPP; 57 % der Anteile werden von Bund,
Ländern und Kommunen gehalten und
43 % der Anteile von einer privaten Betei-
ligungsgesellschaft. Die Gesellschafter der
privaten Beteiligungsgesellschaft entstam-
men im Wesentlichen der Finanz-, der Bau-         der AG angehören dürfen. Gegenwärtig prüft die
                                                  Bundesregierung eine Weiterentwicklung der ÖPP
und der Beratungsindustrie. 7                     Deutschland AG mit dem Ziel, dass diese in Zukunft
                                                  Beratungsleistungen für öffentliche Auftraggeber
7 Im Detail siehe Partnerschaften Deutschland auch bei konventionell realisierten Investitionsvor-
(2015). Mit Hilfe von institutionellen Vorkehrun- haben anbietet. Siehe dazu Bundesministerium für
gen soll sichergestellt werden, dass in der ÖPP Wirtschaft und Energie (2016).
Deutschland AG kein Interessenkonflikt zwischen 8 Die Investitionsausgaben umfassen nicht die
Beratungsdienstleistungen einerseits und den vollen Projektkosten, sondern nur die für die Er-
Erwerbszielen der privaten Partner andererseits richtung der jeweiligen Infrastruktur veranschlag-
entsteht. Zu den institutionellen Vorkehrungen ten Kosten. Zudem sind in den Abbildungen 1 und
gehört unter anderem die gewählte Rechtsform. 2 nicht alle ÖPP in Deutschland berücksichtigt,
Der Vorstand einer AG leitet die Geschäfte unter sondern nur die von der ÖPP Deutschland AG
eigener Verantwortung und damit weisungsun- erfassten ÖPP. Die ÖPP-Projektdatenbank basiert
gebunden gegenüber den Anteilseignern der AG. auf freiwilligen Angaben und zudem im Wesent-
Zu den institutionellen Vorkehrungen gehört lichen auf Hoch- und Tiefbauprojekten. So ist
weiterhin, dass die öffentliche Hand die Mehrheit beispielsweise das bereits erwähnte, bislang größte
an der AG hält und dass weder Mitarbeiter noch deutsche ÖPP-Projekt, das Herkules-Projekt der
Organträger der privaten Partner dem Aufsichtsrat Bundeswehr, nicht erfasst.
Seite 12     Die Bedeutung von ÖPP in Deutschland

       Abbildung 1: ÖPP-Projekte nach Aufgabenbereichen (Stand: 31.10.2015)

                                      Anwendungsfelder nach Projektzahl
                                              Justitzgebäude                  Sonstige
                                                     3%                         3%
                    Gesundheitswesen
                            5%
                   Sicherheit
                      6%

                                                                                              Schulen, Kita's,
                                                                                                 Bildung
                        Straßen
                                                                                                   39%
                          8%

             Verwaltungsgebäude
                     15%
                                                                            Freizeit, Kultur, Sport,
                                                                                     Event
                                                                                      21%

                                  Anwendungsfelder nach Investitionsvolumen
                          Justitzgebäude         Sonstige
                                 3%                5%
                                                                                   Schulen, Kita's,
                                                                                      Bildung
                                                                                        22%
       Gesundheitswesen
             15%

           Sicherheit
              1%                                                                          Freizeit, Kultur, Sport,
                                                                                                   Event
                                                                                                     9%

                   Straßen
                     33%                                                              Verwaltungsgebäude
                                                                                              12%

      Quelle: Eigene Darstellung basierend auf PPP-Projektpartnerschaft; www.ppp-projektdatenbank.de
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften            Seite 13

   Im Straßenbau wurden zwar bislang
anteilsmäßig eher wenige ÖPP-Projekte
realisiert. Diese umfassen aber vergleichs-
weise große Investitionsausgaben, so dass
der Straßenbau einen großen Anteil am
gesamten ÖPP-Investitionsvolumen ein-
nimmt. Dieser dürfte in Zukunft noch
weiter steigen, da weitere ÖPP-Projekte im
Autobahnbau geplant sind und künftig auch
der Ausbau von Bundesstraßen im Rahmen
von ÖPP geschehen soll.9

Abbildung 2:           ÖPP-Projekte im Hoch- und Straßenbau in Mio. Euro (Stand 31.10.2015)

    1.600
                                                    620   657
9    Siehe Bundesministerium der Finanzen (2015).                               Investitionsvolumen im Straßenbau
    1.400                                                                       Investitionsvolumen im Hochbau
                                                                 534
    1.200
                                                                                   540
                                                                                                         386
    1.000

     800

     600
                                51
                                                    887
                                                          775             22
     400                                                         653               611
                                                                                                         604
                                        594                                                        15
     200                       457                                        362
                       350
                                                                                           150    174           153
        0      2
             2002/    2004     2005     2006     2007     2008   2009    2010     2011     2012   2013   2014   2015
             2003

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf PPP-Projektpartnerschaft; www.ppp-projektdatenbank.de
Seite 14    Die Bedeutung von ÖPP in Deutschland

                                  Abbildung 3 enthält Informationen über
                               die vertraglich vereinbarten Projektsum-
                               men (Investitions-, Betriebs- und sonstige
                               Ausgaben) aller laufenden ÖPP-Projekte des
                               Bundes, der Länder sowie der Gemeinden
                               und Gemeindeverbände am Ende des Jahres
                               2014 sowie die in diesen Projekten bereits
                               geleisteten Zahlungen des öffentlichen an
                               den privaten Partner. Gemessen an den Pro-
                               jektsummen ist der Bund die mit Abstand
                               am meisten in ÖPP-Projekten engagierte
                               Gebietskörperschaft. Darin spiegelt sich er-
                               neut die Bedeutung des Bundesfernstraßen-
                               baus für ÖPP wider.

      Abbildung 3: ÖPP-Projekte nach Gebietskörperschaften in Mio. Euro (Stand: 31.12.2014)

           35.000

                          30.549
           30.000
                                                                                  Projektsummen insgesamt
                                                       23.780
           25.000
                                                                                  bisher geleistete Zahlungen
           20.000

           15.000

                                  9.638
           10.000
                                                              7.555

                                                                                    3.660
            5.000                                                                                       3.108
                                                                                            1.051               1.032
               0
                            Insgesamt                      Bund                        Länder          Gemeinden/Gv.

      Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Statistisches Bundesamt (2015), Fachserie 14, Reihe 5
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften   Seite 15

     3. Lebenszykluskosten der Infrastruktur

Charakteristisches Merkmal von ÖPP ist          jene Kosten zu minimieren, die sie für eine
die Bündelung von Errichtung und Betrieb        erfolgreiche Übergabe der Infrastruktur und
öffentlicher Infrastruktur. Die Bündelung       einen reibungslosen Betrieb bis zum Ablauf
dieser Aufgaben löst beim Betreiber Anreize     der Gewährleistungsfrist aufwenden müs-
aus, bei der Errichtung der Infrastruktur       sen. Dass dadurch gegebenenfalls die Le-
den Einfluss auf künftige Unterhaltskosten      benszykluskosten der Infrastruktur steigen,
zu berücksichtigen, um die Lebenszyklus-        dürfte in ihrem Kalkül weniger von Bedeu-
kosten der Infrastruktur, sprich die über       tung sein. Die unterschiedlichen Anreize auf
den gesamten Lebenszyklus der Infrastruk-       privater Seite in ÖPP und bei konventionel-
tur anfallenden Kosten, gering zu halten.       ler Beschaffung legen deshalb nahe, dass die
Geht die Infrastruktur nach Beendigung          Errichtungs- und Betriebskosten bei ÖPP
der ÖPP in öffentliches Eigentum über (wie      insgesamt geringer ausfallen.10
beispielsweise im weiter oben beschriebe-           Dass die Lebenszykluskosten der Infra-
nen Erwerbermodell) und erhält der private      struktur bei ÖPP stärker berücksichtigt wer-
Partner dann ein Entgelt, das vom Zustand       den, muss aber nicht zwingend gesellschaft-
der Infrastruktur abhängt, werden zudem         lich von Vorteil sein. Das gilt insbesondere
bereits bei der Errichtung der Infrastruktur    dann nicht, wenn Investitionen, die die
Anreize für die Verwendung langlebiger Ma-      Lebenszykluskosten der Infrastruktur redu-
terialien und für regelmäßige Erhaltungsin-     zieren, einen negativen Effekt auf die (Ser-
vestitionen gesetzt.                            vice-)Qualität auslösen. Hart (2003) nennt
    Bei konventioneller Beschaffung, in         als Beispiel eine ÖPP zur Errichtung und
der eine staatliche Instanz zwar private        zum Betrieb einer Haftanstalt. Dem privaten
Unternehmen mit der Errichtung der Inf-         Partner mag es aus Kostengründen vorteil-
rastruktur beauftragt, nicht aber mit deren     haft erscheinen, das Gefängnisgebäude mit
Betrieb, haben private Unternehmen dage-        einem Elektrozaun zu umgeben, um Wach-
gen kaum einen Anreiz, langfristige Effekte     personal einzusparen, ohne vermehrte Aus-
auf den Betrieb und den späteren Wert der       brüche zu riskieren. Die Gesellschaft mag es
Infrastruktur zu berücksichtigen. In diesem     aber inakzeptabel finden, Gefängnisinsassen
Fall dürfte ihnen stärker daran gelegen sein,
                                                10 Ausführlich siehe Engel et al. (2009).
Seite 16   Lebenszykluskosten der Infrastruktur

                           hinter einen Elektrozaun zu sperren. Ein für     noch lassen sich für alle nach Vertragsab-
                           Deutschland relevanteres Beispiel könnte         schluss aufkommenden Eventualitäten im
                           eine ÖPP im Straßenbau sein, in der der          Vorhinein verbindliche Regeln schaffen.
                           private Partner einen haltbareren, aber we-      ÖPP basieren mit anderen Worten in vielen
                           niger rutschfesten Straßenbelag entwickelt,      Fällen auf in hohem Maße unvollständigen
                           so dass zwar die Lebenszykluskosten der          Verträgen, die viel Raum für opportunisti-
                           Infrastruktur sinken, zugleich aber die Ver-     sches und für die Partnerschaft abträgliches
                           kehrssicherheit beeinträchtig wird.              Verhalten sowohl des öffentlichen als auch
                               Das Straßenbaubeispiel lässt sich freilich   des privaten Partners lassen.
                           auch so konstruieren, dass die Kostenmini-           Inzwischen existiert eine recht um-
                           mierungsanreize des privaten Partners zu         fangreiche Literatur, die sich mit der Frage
                           einer höheren Qualität der Infrastruktur         befasst, unter welchen Bedingungen die
                           führen. Immerhin könnte sich der haltba-         für eine ÖPP charakteristische Aufgaben-
                           rere Straßenbelag als rutschfester erweisen      bündelung gesellschaftlich von Vorteil ist.
                           und sich entsprechend positiv auf die Ver-       Die Ergebnisse dieser Literatur legen den
                           kehrssicherheit auswirken. Allerdings wird       Schluss nahe, dass eine verallgemeinerbare
                           der private Partner auch die verbesserte Ver-    Aussage darüber kaum getroffen werden
                           kehrssicherheit nicht angemessen in Rech-        kann, wann eine ÖPP als Bereitstellungs-
                           nung stellen, wenn er damit keine höheren        form und wann eher die herkömmliche
                           Erträge realisiert. Der grundsätzliche Kon-      öffentliche Bereitstellung vorteilhafter ist.
                           flikt, um den es hier – aber auch bei konven-    Je nach Informationsverteilung der beteilig-
                           tioneller Beschaffung geht – ist, dass öffent-   ten Partner vor und nach Vertragsabschluss
                           liche und private Partner unterschiedliche       und je nachdem, in welchem Umfang
                           Ziele verfolgen. Während der öffentliche         Merkmale der Infrastruktur und der damit
                           Partner die gesellschaftliche Wohlfahrt im       erbrachten Dienste sowie Aktionen der
                           Auge hat, oder besser: im Auge haben sollte,     beteiligten Partner nach Vertragsabschluss
                           interessieren den privaten Partner die Ge-       verifizierbar sind, wirken sich die stärkeren
                           winne, die er in der ÖPP erzielt.                Kostenminimierungsanreize in einer ÖPP
                               Der Zielkonflikt zwischen öffentlichem       im Vergleich zur herkömmlichen öffent-
                           und privatem Partner ist im Grunde uner-         lichen Bereitstellung positiv oder negativ
                           heblich, wenn die Qualität der Infrastruktur     aus.11 Es hängt deshalb von den spezifischen
                           oder der Dienste, die sie erbringen soll, kon-   Eigenschaften des jeweiligen Projekts ab, ob
                           trahierbar ist. In diesem Fall kann der staat-   eine ÖPP eingegangen werden sollte oder
                           liche Partner den gewünschten Standard           nicht. Viele dieser spezifischen Merkmale
                           der Qualität spezifizieren und dem privaten      offenbaren sich freilich erst, wenn über die
                           Partner die Wahl der Mittel überlassen, mit      Art der Bereitstellung bereits entschieden
                           denen diese Standards erfüllt werden. Die        worden ist. Dadurch wird die Frage nach der
                           Kostenminimierungsanreize des privaten           angemessenen Bereitstellungsform zusätz-
                           Partners dürften dann ihre vollen gesell-        lich erschwert.
                           schaftlichen Vorteile entfalten. Indessen ist
                           volle Kontrahierbarkeit der Qualität eher
                           ein theoretischer Sonderfall als von prak-
                           tischer Bedeutung. ÖPP werden langfristig
                           eingegangen und beziehen sich auf die Er-
                           richtung und den Betrieb komplexer Anla-         11 Im Einzelnen siehe z. B. Bennett und Iossa
                                                                            (2006), Martimort und Pouyet (2008), Chen und
                           gen. Weder lassen sich vor Vertragsabschluss
                                                                            Chiu (2010), Iossa und Martimort (2012, 2015) so-
                           alle Elemente der Anlage exakt spezifizieren,    wie Hoppe und Schmitz (2013).
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften     Seite 17

    Die Bündelung der Aufgaben hat eine                   In den ersten vom Bundesverkehrsmi-
ÖPP mit Privatisierung der Bereitstellung             nisterium im Bundesfernstraßenbau reali-
gemeinsam. Entsprechend gelten auch für               sierten ÖPP (sogenannte 1. Staffel, jeweils
Privatisierung die mit Aufgabenbündelung              Erweiterungen der A1, A4, A5 und A8) wurde
verbundenen Anreizvorteile und -proble-               ein sogenanntes Mautweiterleitungsmodell
me.12 Wenn hier im Weiteren von Privatisie-           angewendet, in dem der öffentliche Partner
rung als alternativer Bereitstellung zu kon-          die Mauteinnahmen voll oder anteilig an
ventioneller Beschaffung oder ÖPP die Rede            den privaten Partner weiterleitet. Zusätzlich
ist, dann ist damit die private Übernahme             hat der private Partner in allen diesen ÖPP
einer Aufgabe gemeint, die staatliche Regu-           eine Anschubfinanzierung erhalten. Bei den
lierung erfordert, weil eine unregulierte Be-         weiteren in Realisierung befindlichen oder
reitstellung in Wettbewerbsmärkten wohl-              geplanten ÖPP im Bundesfernstraßenbau
fahrtsökonomisch nicht angezeigt oder ge-             (2. Staffel, jeweils Erweiterungen der A1,
sellschaftlich nicht gewünscht ist. Regulierte        A6, A7, A8, A9, A44, A61 und A94) sollen
Privatisierung findet sich vor allem dort,            neben dem Mautweiterleitungsmodell ein
wo aufgrund von steigenden Skalenerträ-               Einheitsmautmodell und ein Verfügbar-
gen keine effiziente Versorgung im freien             keitsmodell angewendet werden. Beim Ein-
Wettbewerb gewährleistet ist (netzbasierte            heitsmautmodell erhält der private Partner
Industrien wie Bahn, Telekommunikation                einen fixen Betrag pro LKW und Kilometer,
oder Energieversorgung).                              dessen Höhe im Ausschreibungsverfahren
    Im Wesentlichen unterscheiden sich re-            festgelegt wird. Konzeptionell entspricht das
gulierte Privatisierung und ÖPP darin, dass           Einheitsmautmodell den oben genannten
jene eine unbefristete private Bereitstellung         Schattengebühren. Beim Verfügbarkeitsmo-
beinhaltet, während diese zwar langfristig            dell erhält der private Partner ein Entgelt,
aber zeitlich befristet ist. Darüber hinaus           das von der Verfügbarkeit der Bundesfern-
impliziert regulierte Privatisierung in der           straße abhängt, wobei sich das Entgelt bei
Regel, dass der private Anbieter von den              eingeschränkter Verfügbarkeit (Baustellen
Nutzern der Infrastruktur ein Entgelt erhält.         etc.) reduziert.13
Bei einer ÖPP können neben oder statt Nut-                Vereinfacht lässt sich die bisherige Dis-
zerentgelten sogenannte Schattengebühren              kussion folgendermaßen zusammenfassen
oder Verfügbarkeitszahlungen vom öffent-              (vgl. Tabelle 1).
lichen Partner geleistet werden. Schatten-
gebühren sind genauso wie Nutzerentgelte
abhängig von der Nutzungsmenge der
Infrastruktur, nur werden sie nicht von den
Nutzern entrichtet, sondern vom öffentli-
chen Partner. Verfügbarkeitszahlungen sind
dagegen mengenunabhängig und richten
sich beispielsweise nach der vom privaten
Partner erbrachten (Service-)Qualität.

                                                      13 Gelegentlich wird bei ÖPP im Tiefbau auch
                                                      zwischen A-, V- und F-Modell unterschieden. Das
                                                      A-Modell entspricht dem Mautweiterleitungsmo-
                                                      dell und das V-Modell dem Verfügbarkeitsmodell.
12 Zum Vergleich der Anreizmechanismen bei            Beim F-Modell erhält der private Partner vom öf-
traditioneller Beschaffung und Privatisierung siehe   fentlichen Partner das Recht, von den Nutzern eine
Hart et al. (1997) und Wigger (2004).                 Maut zu erheben.
Seite 18   Lebenszykluskosten der Infrastruktur

   Tabelle 1: Bereitstellungsvarianten öffentlicher Infrastruktur

                                    Kostendeckende
       Bündelung führt zu                                                                        Favorisierte Art der
                                    Nutzergebühren             Qualität kontrahierbar
        Kostenvorteilen                                                                            Bereitstellung
                                     durchsetzbar

                ja                           ja                               ja              regulierte Privatisierung

                ja                          nein                              ja                         ÖPP

                ja                          nein                             nein             ÖPP oder konventionell

                                                                                              regulierte Privatisierung
                ja                           ja                              nein
                                                                                                 oder konventionell

               nein                       ja/nein                        ja/nein                    konventionell

                               Überwiegen die Vorteile der Bündelung          beantworten. Je nachdem, wie stark sich
                           von Erstellung und Betrieb der Infrastruk-         Kostenminimierungsanreize bei Bündelung
                           tur, ist die Qualität der bereitgestellten         von Erstellung und Betrieb negativ auf die
                           Infrastruktur zudem kontrahierbar und              Qualität der Infrastruktur auswirken, ist die
                           sind für deren Nutzung kostendeckende              herkömmliche Bereitstellung den privaten
                           Nutzerentgelte durchsetzbar, so spricht            Varianten gegebenenfalls überlegen. Führt
                           wenig gegen eine regulierte private Be-            schließlich Bündelung von Erstellung und
                           reitstellung der Infrastruktur. Sind freilich      Betrieb nicht zu Kostenvorteilen, bietet sich
                           kostendeckende Nutzerentgelte nicht oder           die konventionelle öffentliche Beschaffung
                           nur für Teilgruppen von Nutzern durch-             und Bereitstellung an.
                           setzbar, beispielsweise weil eine allgemeine
                           Autobahnmaut abgelehnt wird oder weil
                           Gebühren für Bildungseinrichtungen nicht
                           kostendeckend erhoben werden können
                           oder sollen, ist die Qualität der Infrastruktur
                           aber kontrahierbar, so bietet sich eine ÖPP
                           an. Im realistischeren Fall, dass die Qualität
                           der Infrastruktur nicht vollständig kon-
                           trahierbar ist, lässt sich die Frage nach der
                           besten Art der Bereitstellung weniger leicht
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften   Seite 19

      4. Transaktionskosten

Sowohl mit konventioneller Beschaffung              zichten, sobald diese vorteilhaft erscheinen.
als auch mit ÖPP sind spezifische Transakti-        Ein Vertragspartner, der nach Vertragsab-
onskosten verbunden. Allgemein lassen sich          schluss spezifische Investitionen tätigt, die
die Kosten von Transaktionen in Koordina-           sich außerhalb der Vertragsbeziehung nicht
tions- und Motivationskosten einteilen.14           amortisieren lassen, wird deshalb berück-
Unter Koordinationskosten werden all jene           sichtigen, dass er Gefahr läuft, einen Teil
Kosten verstanden, die aufgewendet werden           der Erträge dieser Investitionen in späteren
müssen, damit Käufer und Verkäufer oder,            Nachverhandlungen an die andere Ver-
allgemeiner, Vertragsparteien zusammen-             tragsseite zu verlieren. Entsprechend fallen
kommen und Transaktionen durchführen.               spezifische Investitionen zu gering aus oder
Motivationskosten entstehen zum einen               es werden Kosten eingegangen, um die
aufgrund von Informationsasymmetrien.               andere Vertragsseite daran zu hindern, in
Weil transaktionsrelevante Informationen            Nachverhandlungen Zugriff auf die Erträge
zwischen den Parteien oft ungleich verteilt         dieser Investitionen zu gewinnen. Dieses
sind, müssen die Vertragsparteien Kosten            Problem wird in der Literatur als Hold-up-
aufwenden, damit die jeweils andere Ver-            Problem bezeichnet. Klassisches Beispiel ist
tragsseite Informationsvorteile nicht oppor-        eine Infrastrukturinvestition in eine Schie-
tunistisch, sprich für sich selbst vorteilhaft      nenverbindung zwischen einer Kohlemine
und für die andere Seite nachteilhaft, aus-         und einem Kohlekraftwerk. Findet sich
nutzt.                                              für die Schienenverbindung keine andere
    Zum anderen entstehen Motivations-              Anwendung als die Lieferung von Kohle an
kosten, weil sich die Vertragsparteien bei          das Kraftwerk, so handelt es sich um eine
Vertragsabschluss nicht glaubwürdig daran           spezifische Investition, die sich außerhalb
binden können, auf Nachverhandlungen                der Vertragsbeziehung zwischen Infrastruk-
zu Lasten der anderen Vertragsseite zu ver-         turinvestor und Kraftwerksbetreiber nicht
                                                    amortisieren lässt. Der Kraftwerksbetreiber
14 Siehe auch Milgrom und Roberts (1992, S. 28ff.). hat dann einen Anreiz, verbesserte Bedin-
Seite 20   Transaktionskosten

                          gungen für sich (z. B. geringe Lieferpreise) in
                                                                        für Nach- und Neuverhandlungen. Dazu
                          Nachverhandlungen durchzusetzen, nach-        kommt es sowohl bei konventioneller Be-
                          dem der Infrastrukturinvestor den Schie-      schaffung als auch in ÖPP. Aufgrund der
                          nenweg errichtet hat, d. h. nachdem er Kos-   langen Vertragslaufzeiten sind sie aber ge-
                          ten versenkt hat, die er durch Austritt aus   rade für ÖPP ein typisches Phänomen.17
                          der Vertragsbeziehung nicht zurückholen           Zwar müssen Nachverhandlungen zwi-
                          kann.15                                       schen Vertragspartnern per se kein Problem
                              Sowohl bei öffentlicher Beschaffung als   darstellen. Weil die Vertragspartner anfäng-
                          auch in ÖPP entstehen spezifische Koor-       lich keinen vollständigen Vertrag schließen
                          dinations- und Motivationskosten. Zu den      können, sind sie geradezu darauf ange-
                          Koordinationskosten gehören zunächst alle     wiesen nachzuverhandeln, wenn sich zum
                          Kosten, die bis zum Abschluss von Verträ-     Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch
                          gen zwischen öffentlichen und privaten        nicht bekannte, aber für die Vertragsbezie-
                          Partnern aufgewendet werden, also z. B.       hung relevante Eventualitäten offenbaren.
                          Kosten für Verhandlungen sowie Kosten für     Das Coase-Theorem legt zudem nahe, dass
                          rechtliche, wirtschaftliche und technische    Nachverhandlungen zu effizienten Anpas-
                          Beratung und staatliche Beurkundung. In       sungen der ursprünglichen Verträge führen.
                          ÖPP sind die eingegangenen Vertragsbe-        Mit den Nachverhandlungen sind aber
                          ziehungen in der Regel deutlich komple-       wiederum Transaktionskosten verbunden,
                          xer als bei konventioneller Beschaffung       die den anfänglichen Projektkosten hinzu-
                          – schon deshalb –, weil sie weitaus längere   zurechnen sind.
                          Vertragslaufzeiten beinhalten. Die bis zum        Bei konventioneller Beschaffung fallen
                          Vertragsabschluss eingegangenen Transakti-    die Transaktionskosten nach Vertragsab-
                          onskosten haben daher bei ÖPP regelmäßig      schluss geringer aus, wenn der Staat selbst
                          einen signifikanten Anteil an den gesamten    den Betrieb der Infrastruktur übernimmt.
                          Projektkosten.16                              Anpassungen erfordern dann keine Nach-
                              Weil die Verträge zwischen öffentli-      verhandlungen. Sie können vielmehr in-
                          chen und privaten Partnern in der Regel       nerhalb der staatlichen Hierarchie durch
                          unvollständig sind – nicht für alle nach      entsprechende Weisungen umgesetzt wer-
                          Vertragsabschluss auftretenden Eventua-       den. Wenn beispielsweise Inklusion als
                          litäten lassen sich bereits in anfänglichen   Politikziel in den Betrieb einer Bildungs-
                          Verträgen abschließende Regelungen fin-       einrichtung aufgenommen werden soll, so
                          den –, entstehen nach Vertragsabschluss       kann das bei einer Bildungseinrichtung in
                          weitere Transaktionskosten. Zu den wich-      öffentlichem Betrieb durch entsprechende
                          tigsten Transaktionskosten nach Vertrags-     Weisung umgesetzt werden. Wird die Bil-
                          abschluss gehören neben Kosten für die        dungseinrichtung von einem privaten Part-
                          Einhaltung von Verträgen und die Vermei-      ner betrieben, sind dazu Neuverhandlungen
                          dung opportunistischen Verhaltens (bei-       notwendig.
                          spielsweise versteckte Qualitätsmängel, um        Vertragstheoretisch ausgedrückt liegen
                          Kosten zu sparen) insbesondere Kosten         im vorliegenden Beispiel die sogenannten
                                                                        residualen Kontrollrechte während des
                          15 Siehe Grossman und Hart (1986) sowie Hart Betriebs der Bildungseinrichtung – d. h. die
                          und Moore (1990) zu Hold-Up-Problemen im All-
                          gemeinen und Joskow (1987) zum Kohlebeispiel. Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der
                          16 Yescombe (2007) berichtet, dass diese Trans-
                          aktionskosten in ÖPP regelmäßig 5 % bis 10 % der
                          gesamten Projektkosten umfassen. Zur Höhe der 17 Siehe Shaoul, Stafford und Stapleton (2012) für
                          Transaktionskosten in ÖPP siehe auch Major Con- Evidenz zu Nachverhandlungen in ÖPP in Großbri-
                          tractors Group (2005).                           tannien.
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften        Seite 21

Nutzung der Bildungseinrichtung, soweit                In Deutschland sind die meisten ÖPP
sie nicht vertraglich vereinbart oder gesetz-      bislang auf kommunaler Ebene eingegan-
lich vorgeschrieben sind – beim Staat, wenn        gen worden und dort mit in der Regel eher
die Bildungseinrichtung konventionell öf-          kleinen Investitionsvolumina. Transakti-
fentlich bereitgestellt wird; in einer ÖPP         onskostenüberlegungen lassen vermuten,
liegen sie dagegen beim privaten Partner.          dass diese Projekte bei konventioneller Be-
Dieser wird seine residualen Kontrollrechte        schaffung günstiger hätten realisiert werden
nur dann vertraglich einschränken oder im          können. Zwar lässt sich dagegen argumen-
Sinne des öffentlichen Partners einsetzen,         tieren, dass durch die Zusammenfassung
wenn er dafür entsprechend entgolten wird.         von gleichartigen Infrastrukturprojekten
    Weil sich ÖPP nicht nur auf die Er-            einzelner Kommunen zu einem Gesamt-
richtung von Infrastruktur beschränken,            projekt ein Finanzvolumen erreicht werden
sondern auch auf deren Betrieb, ist die            kann, das ÖPP vorteilhaft erscheinen lässt.
Vertragsintensität in ÖPP im Vergleich zu          Bisherige Erfahrungen mit der Zusammen-
traditioneller Beschaffung nicht nur höher,        fassung von kleinen Projekten in einer ÖPP
die Anreize der Partner dürften in den Ver-        lassen aber eher vermuten, dass dadurch zu-
tragsverhandlungen auch unterschiedlich            sätzliche Kosten entstehen, die das Projekt
verteilt sein. Alles was der private Partner       insgesamt unwirtschaftlich machen.20
in Verhandlungen für sich „rausschlägt“,
erhöht seinen Gewinn. Die Verhandlungs-
erfolge des öffentlichen Partners fallen
dagegen letztlich dem Steuerzahler zu.
                                                   heißt es: „[...] the Government has emphasised that
Entsprechend dürfte der private Partner            PFI would be used where it offered best value for
stärkere Anreize haben, für Verhandlungen          money by [...] stopping PFI where it was not found
                                                   to be likely to generate value for money as was the
entsprechende Ressourcen aufzuwenden               case for information technology projects and pro-
(Berater etc.) als der öffentliche. Selbst wenn    jects with a capital value of less than £20 million.”
es durch Nachverhandlungen zu effizienten          20 Im Landkreis Offenbach wurde die Sanierung
Anpassungen der ursprünglichen Verträge            und Instandhaltung von 91 Schulen mit insgesamt
                                                   500 Schulgebäuden als ÖPP mit einer Laufzeit von
kommen sollte, ist deshalb davon auszuge-          15 Jahren (2004 bis 2019) realisiert. Ursprünglich
hen, dass der private Partner davon mehr           war ein Projektvolumen von 780 Mio. Euro geplant
                                                   (davon 240 Mio. Euro Investitionen). Eine erstma-
profitiert als die Gesellschaft.18                 lige Prüfung des hessischen Landesrechnungs-
    Nun sind die mit Verhandlungen ver-            hofes für den Zeitraum von 2004 bis 2006 stellte
bundenen Transaktionskosten zumindest              weder an der dem Projekt zugrundeliegenden
                                                   Wirtschaftlichkeitsuntersuchung noch an der Ver-
in Teilen unabhängig von der Größe des             tragsgestaltung entscheidende Mängel fest. Auch
Infrastrukturprojekts. Die höheren Transak-        die Schulleiter äußerten sich zufrieden mit der vom
                                                   privaten Partner erbrachten Qualität der Leistun-
tionskosten in ÖPP dürften diese Beschaf-          gen. Allerdings ist es in dieser ÖPP inzwischen zu
fungsform deshalb gerade für eher kleine           erheblichen Kostensteigerungen gekommen. Die
Infrastrukturprojekte unattraktiv machen.          jährlichen Kosten für den öffentlichen Partner wa-
                                                   ren anfangs auf 52,1 Mio. Euro veranschlagt wor-
Aus diesem Grund hat beispielsweise die            den, lagen aber zuletzt (2014) bei 82,2 Mio. Euro.
britische Regierung bereits vor einigen Jah-       Laut eines vom hessischen Landesrechnungshof in
                                                   Auftrag gegebenen Gutachtens der P&P Treuhand
ren beschlossen, Infrastrukturprojekte mit         (2015) werden die jährlichen Kosten bis 2019 auf
einem Investitionsvolumen von weniger als          95,1 Mio. Euro steigen. Das Gutachten bemängelt
20 Millionen Pfund nicht mehr in ÖPP zu            u. a. die hohe Vertragskomplexität der ÖPP und das
                                                   unzulängliche Vertragscontrolling des öffentlichen
realisieren.19                                     Partners. Zur ÖPP im Landkreis Offenbach im Ein-
                                                   zelnen siehe Rechnungshof Hessen (2008, 2015),
                                                   Kreis Offenbach (2010, 2011, 2012, 2013, 2015),
18 So auch Mühlenkamp (2013).                      Frankfurter Rundschau (2015a,b), Offenbach Post
19 In einem Report der HM Treasury (2006, S. 27)   (2015) und P&P Treuhand (2015).
Seite 22   Transaktionskosten

                          Hinzu kommt, dass sich durch die Zusam-            Mit einer gewissen Bereitschaft zur Spe-
                          menfassung von Infrastrukturprojekten zu       kulation bedeutet die Best-Practice-Regel,
                          Großinvestitionen die stark mittelständisch    dass beispielsweise eine Autobahn durchaus
                          geprägte Bauindustrie benachteiligt sieht,     oder sogar besser in ÖPP realisiert werden
                          weil die Vertragswerke in ÖPP als zu kom-      kann. Die Bauphase ist sehr komplex, schon
                          plex angesehen werden und zu wenig Ex-         deshalb weil sie sich über einen langen Zeit-
                          pertise in den Leistungsbereichen außerhalb    raum erstreckt und naturgemäß großräu-
                          des Bauens vorliegt.21                         mig angelegt ist. Die Qualität während des
                              Führt man die hier dargestellte Transak-   Betriebs ist dagegen gut spezifizierbar, weil
                          tionskostenperspektive mit der Lebenszyk-      sich Verfügbarkeit (keine Staus oder Bau-
                          luskostenperspektive des vorangegangenen       stellen) und Verkehrssicherheit vergleichs-
                          Kapitals zusammen, so lässt sich angelehnt     weise einfach messen lassen.
                          an Hart (2003) folgende Best-Practice-Regel        Bildungseinrichtungen wie Kinderta-
                          ableiten: Infrastrukturprojekte sollten in     gesstätten dagegen sollten diesem Argu-
                          ÖPP realisiert werden, wenn sich für den       ment folgend eher konventionell realisiert
                          Bau oder die Errichtung der Infrastruktur      werden. Das Ergebnis der Bauphase, das
                          keine vollständigen Verträge schreiben las-    Gebäude, lässt sich vertraglich gut regeln.
                          sen, aber die (Service-)Qualität während der   Dagegen dürfte die Qualität während des
                          Betriebsphase gut vertraglich spezifizierbar   Betriebs vertraglich nur schwer zu spezifi-
                          ist. Der private Partner hat dann während      zieren sein.22
                          der Bauphase keine ausgeprägten Anreize,
                          kostensparende Innovationen durchzufüh-
                          ren, die zu Lasten der Qualität in der Be-
                          triebsphase gehen. Zugleich wird durch die
                          Lebenszyklusperspektive des privaten Part-
                          ners sichergestellt, dass die Infrastruktur
                          kostenminimal errichtet wird.
                              Infrastrukturprojekte sollten dagegen
                          eher konventionell realisiert werden, wenn
                          sich die Eigenschaften des Baus gut vertrag-
                          lich regeln lassen, aber die (Service-)Qua-
                          lität während der Betriebsphase nicht gut
                          kontrahierbar ist. Dann nämlich spielt die
                          Lebenszyklusperspektive des privaten Part-
                          ners in einer ÖPP während der Bauphase
                          keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
                          Zugleich entstehen während der Betriebs-
                          phase geringere Transaktionskosten. Das gilt
                          insbesondere dann, wenn sich während der
                          Betriebsphase offenbarende Probleme oder
                          notwendige Anpassungen durch Weisungen
                          innerhalb der staatlichen Hierarchie lösen
                          lassen.
                                                                       22 Bezieht sich freilich die ÖPP im Bildungsbe-
                                                                       reich nur auf den Hochbau, so spricht vor dem
                                                                       Hintergrund des weiter oben Ausgeführten nichts
                          21 Siehe Zentralverband Deutsches Baugewerbe gegen ÖPP, zumal wenn es sich um Projekte mit
                          (2016).                                      hinreichend großem Investitionsvolumen handelt.
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften        Seite 23

      5. Verteilung des Risikos

ÖPP beinhalten Risiken bei der Erstellung          Endogene Risiken, die mit Errichtung
der Infrastruktur, während des Betriebs und    und Betrieb der Infrastruktur (Verfügbar-
hinsichtlich der Nachfrage nach den Diens-     keitsrisiken) verbunden sind, sollten vom
ten der Infrastruktur, Finanzierungsrisiken    privaten Partner getragen werden. Nutzer-
und politische Risiken. Vereinbarungen da-     entgelte oder Schattengebühren liefern für
rüber, welche der beiden Seiten der Part-      den privaten Partner Anreize, jene Risiken
nerschaft welche Risiken trägt und welche      zu minimieren, die zu zeitlichen Verzöge-
Risiken implizit den Nutzern der Anlage        rungen in der Errichtungsphase führen.
überlassen werden, sind zentraler Bestand-     Verfügbarkeitszahlungen liefern für den
teil von ÖPP-Verträgen. Die Risikoallokation   privaten Partner Anreize, die Wahrschein-
in einer ÖPP sollte einerseits Anreizproble-   lichkeit zu minimieren, dass häufigere Repa-
men wie den weiter oben genannten Moti-        raturarbeiten notwendig werden.
vationsverzerrungen Rechnung tragen und            Nachfragerisiken sind nur teilweise vom
andererseits Risikoprämien möglichst ge-       privaten Partner zu beeinflussen. Sie sind
ring halten.                                   in starkem Maße exogen oder vom öffent-
    Endogene Risiken, d. h. verhaltensab-      lichen Partner beeinflussbar (beispielsweise
hängige Risiken, sollten von jenem Partner     kann die Politik Anreize setzen, Verkehr
übernommen werden, der diese Risiken           von einer ÖPP-Autobahn auf die Schiene zu
am besten kontrollieren kann, wobei dieser     lenken). Trotzdem sollte der private Partner
Partner dann auch mit den entsprechenden       zumindest einen Teil der Nachfragerisiken
Kontrollrechten ausgestattet werden sollte.    übernehmen. Eines der Probleme der tradi-
Um zugleich Risikoprämien gering zu hal-       tionellen öffentlichen Bereitstellung besteht
ten, sollten exogene Risiken, d. h. von den    darin, dass die gesamten Nachfragerisiken
Partnern nicht beeinflussbare Risiken, von     implizit vom Steuerzahler übernommen
jenem Partner getragen werden, der diese       werden und deshalb keine ausreichenden
Risiken aufgrund entsprechender Risikoprä-     Barrieren für die Anschaffung sogenannter
ferenzen oder Diversifikationsmöglichkei-      „weißer Elefanten“ (z. B. eine Autobahn von
ten am besten absorbieren kann.23              irgendwo nach nirgendwo) bestehen.24

                                               24 In der englischsprachigen Literatur werden
                                               Infrastrukturprojekte, die sich als nutzlos erweisen,
                                               viel Geld kosten, aber nicht ohne weiteres aufge-
23 Siehe dazu auch Irwin (2007).               geben oder beseitigt werden können, als „white
Seite 24   Verteilung des Risikos

                           Ein privater Partner, der zumindest einen          sollte der Tunnel zum entsprechenden Zeit-
                           Teil des Nachfragerisikos trägt, sollte einen      wert an die Stadt Rostock übergehen. Der
                           Anreiz haben, sich nur in solchen Projekten        Tunnel wurde im September 2003 in Betrieb
                           zu engagieren, die eine ausreichende Nach-         genommen. Die Errichtungskosten blieben
                           frage erwarten lassen. Mit mengenabhängi-          weitgehend im ursprünglich vereinbarten
                           gen Entgelten für den privaten Partner, also       Rahmen und die Bauzeit war ein halbes Jahr
                           Nutzer- oder Schattengebühren, wird der            kürzer als zunächst geplant. So weit, so gut.
                           private Partner am Nachfragerisiko beteiligt.          Allerdings entpuppten sich die Progno-
                               Erfahrungen mit ÖPP in anderen Län-            sen hinsichtlich des Verkehrsaufkommens
                           dern zeigen aber, dass damit noch keine            als viel zu optimistisch. Ursprünglich wurde
                           Gewähr gegen „weiße Elefanten“ geschaf-            mit einem Verkehrsaufkommen von 35.000
                           fen wird. Private Partner in ÖPP werden in         Fahrzeugen pro Tag gerechnet. In der ersten
                           der Regel mit Hilfe eines Bieterverfahrens         Zeit nach Eröffnung des Tunnels betrug
                           ausgewählt, wobei der Meistbietende den            das Verkehrsaufkommen jedoch nur 6.800
                           Zuschlag erhält. Das ist aber oft jener Bieter,    Fahrzeuge pro Tag. Zwar wuchs das Ver-
                           der die Nachfrage am meisten überschätzt.          kehrsaufkommen in der Folgezeit auf etwas
                           Viele ÖPP leiden mit anderen Worten an             mehr als 10.000 Fahrzeuge pro Tag an. Die
                           einem systematischen Winner’s-Curse-Pro-           Betreibergesellschaft konnte den Tunnel
                           blem.25                                            aber mit der auf Basis der Prognosen verein-
                               Die ÖPP-Erfahrung mit der Warnow-              barten Maut nicht kostendeckend betreiben.
                           Querung bei Rostock mag diese Problematik          Um eine Insolvenz der Betreibergesellschaft
                           illustrieren.26 Im Jahr 1995 beschloss die         abzuwenden, entschied sich die Rostocker
                           Rostocker Bürgerschaft die Warnow zu un-           Bürgerschaft im Jahr 2006, den Vertrag mit
                           tertunneln und dieses Projekt im Rahmen            der Betreibergesellschaft von 30 auf 50 Jahre
                           einer ÖPP zu realisieren. Im Juli 1996 kam         zu verlängern. Nach gegenwärtigen Berech-
                           es zur Vertragsunterzeichnung mit dem              nungen deckt damit der Gegenwartswert
                           französischen Baukonzern Bouygues als              der künftigen Mautzahlungen die Projekt-
                           Generalunternehmer. Die Projektdurchfüh-           kosten.27
                           rung oblag der Projektgesellschaft Warnow-
                           querung GmbH & Co KG. Die Laufzeit des
                           Projekts sollte 30 Jahre betragen. Insgesamt
                           wurden 215 Mio. Euro in die Projektgesell-
                           schaft eingebracht (20 % Eigenkapital, 68 %
                                                                              27 Im Grunde hat sich die Warnow-ÖPP damit
                           privates Fremdkapital und 12 % öffentliche         einem von Engel et al. (2001) als optimal erachte-
                           Zuschüsse). Nach geplantem Projektende             ten ÖPP-Mechanismus angenähert. Darin legt der
                                                                              öffentliche Partner die Höhe der Mautgebühren
                                                                              (und eine Diskontrate) fest und private Unterneh-
                                                                              men treten in einen Bieterwettbewerb, wobei die
                           elephants“ bezeichnet. Der Begriff geht zurück Gebote im Gegenwartswert der Mauteinnahmen
                           auf den Brauch des Königs von Siam, unliebsam bestehen, die die Bieter erhalten wollen. Das Un-
                           gewordenen Höflingen einen weißen Elefanten ternehmen mit dem niedrigsten Gebot erhält den
                           zu schenken. Für die beschenkten Höflinge war Zuschlag und die ÖPP dauert bis zu dem Zeitpunkt
                           der Unterhalt eines solchen Elefanten ruinös; als an, in dem die kumulierten Mauteinnahmen das
                           Geschenk des Königs konnten sie ihn aber weder ursprüngliche Gebot des Unternehmens erreichen.
                           verkaufen noch töten oder eingehen lassen.         Im vorliegenden Fall hat man sich diesem Mecha-
                           25 Siehe Thaler (1988) zum Konzept des Winner’s- nismus freilich auf dem Weg von Nachverhandlun-
                           Curse-Problems und Perkins (2013) zu seiner Be- gen angenähert und nur deshalb, weil sich die ÖPP
                           deutung in ÖPP.                                    für den privaten Partner als weniger einträglich
                           26 Zur Warnowquerung siehe im Detail Kröger entpuppt hat als zunächst vermutet. Wäre sie für
                           (2004), Gawel (2005), Beckers (2005), Beck (2006), den privaten Partner besser ausgefallen als vermu-
                           Spiegel Online (2006) und Mangler (2013).          tet, hätte es entsprechende Nachverhandlungen
                                                                              wohl nicht gegeben.
Chancen und Risiken Öffentlich-Privater Partnerschaften     Seite 25

    Rückblickend ist schwer zu beurteilen,            zubürden. Außerhalb von ÖPP werden diese
ob man das Projekt Warnow-Querung re-                 Risiken auch von privaten Akteuren getra-
alisiert hätte, wäre man von vornherein               gen. Der private Sektor hat entsprechende
von einer realistischeren Einschätzung der            Instrumente entwickelt, um diese Risiken
Nachfrage ausgegangen. Ferner ist schwer              durch Diversifikation zu absorbieren. Es gibt
zu beurteilen, ob der private Partner die             keinen Grund, private Unternehmen in ÖPP
Nachfrage tatsächlich falsch eingeschätzt             in dieser Hinsicht anders zu behandeln als
hat oder stillschweigend davon ausgehen               sonstige private Akteure.
durfte, dass der öffentliche Partner ihn nicht            Schließlich entstehen aus der Perspek-
in die Insolvenz gehen lassen würde. Sollte           tive des privaten Partners politische Risiken,
der private Partner in der Tat von einem              weil der öffentliche Partner nach Vertrags-
potenziellen Bail-out ausgegangen sein, so            abschluss die Profitabilität einer ÖPP syste-
war er von vornherein nicht mit dem tat-              matisch beeinflussen kann. Beispielsweise
sächlichen Nachfragerisiko konfrontiert. In           könnte der öffentliche Partner, nachdem
dem Fall konnte vom Nachfragerisiko kein              er eine Autobahn-ÖPP eingegangen ist, in
Schutz gegen „weiße Elefanten“ ausgehen.28            der der private Partner ein mengenabhän-
In jedem Fall wurde der öffentliche Partner           giges Entgelt erhält, eine Verlagerung des
durch die Vertragsverlängerung schlechter             Verkehrs von der Straße auf die Schiene
gestellt, da ihm der Tunnel und die daran             fördern. Zwar kontrolliert der öffentliche
gekoppelten Nutzerentgelte nicht nach 30,             Partner dieses Risiko, was zunächst dafür
sondern erst nach 50 Jahren zufallen.                 spricht, es dem öffentlichen Partner zu
    Neben Nachfragerisiken beinhalten In-             übertragen. Änderungen der politischen
frastrukturprojekte finanzielle Risiken, also         Agenda sind aber in der Regel Folge sich
beispielsweise Zins- und Wechselkursri-               ändernder gesellschaftlicher Präferenzen.
siken. Diese sind zwar für den privaten               Die Verlagerung des Verkehrs von der Straße
Partner in beträchtlichem Maße exogen.                auf die Schiene könnte beispielsweise nach
Gleichwohl gibt es kaum einen Grund dafür,            einem Regierungswechsel erfolgen oder
diese Risiken dem öffentlichen Partner auf-           weil sich aufgrund von EU-Vorgaben Um-
                                                      weltstandards geändert haben. Außerhalb
                                                      von ÖPP sind private Akteure solchen Risi-
28 ÖPP bieten auch dann keine Gewähr gegen
„weiße Elefanten“, wenn Investitionsprojekte nicht    ken ausgesetzt. Das spricht dafür, sie auch
grundsätzlich neu bewertet werden, nachdem sich       innerhalb von ÖPP dem privaten Partner zu
in einer ÖPP-Ausschreibung keine privaten Partner
                                                      übertragen.29
gefunden haben. Beispiel dafür mag der Neubau
der Hamburger HafenCity Universität für Baukunst
und Metropolentwicklung sein. Diese Universität
war im Jahr 2006 entstanden und zunächst auf ver-
schiedene Standorte verteilt, die in einem Neubau
in der Hamburger HafenCity zusammengeführt
werden sollten. Für den Neubau wählte die Stadt
Hamburg einen in baulicher und ästhetischer
Hinsicht sehr ehrgeizigen Entwurf des Architek-
turbüros Code Unique aus. Realisiert und betrieben
werden sollte der Neubau im Rahmen einer ÖPP.
Dafür fanden sich aber keine privaten Partner. Des-
halb entschied sich die Stadt Hamburg, das Projekt
konventionell zu realisieren. Der Neubau wurde im
Jahr 2014 mit zwei Jahren Verspätung übergeben.
Ursprünglich wurden für den Neubau 39,4 Mio.          29 Gegebenenfalls ist freilich zu prüfen, ob die
Euro veranschlagt. Im Jahr 2009 ging man aber         Veränderung der Rahmenbedingungen zu einer
bereits von 85 Mio. Euro aus. Wie viel der Neubau     Störung der Geschäftsgrundlage geführt hat, die
tatsächlich gekostet hat, ist offenbar noch nicht     den privaten Partner berechtigt, eine Vertragsan-
abschließend geklärt.                                 passung zu verlangen.
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