"Unternehmen zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit" Unternehmensworkshop im Rahmen des Projekts "Postwachstumspioniere"

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"Unternehmen zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit" Unternehmensworkshop im Rahmen des Projekts "Postwachstumspioniere"
„Unternehmen zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit“
      Unternehmensworkshop im Rahmen des Projekts
                „Postwachstumspioniere“

Die Veranstaltung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der GLS Bank
fand am 01. Juli 2014 von 11 bis 17 Uhr in den Räumen der GLS Bank in Frankfurt/ Main statt.
Die Veranstaltung ist Teil des Projekts „Postwachstumspioniere – Kommunikationsprojekt zur
Erweiterung des Postwachstumsdiskurses um die Rolle mittelständischer Unternehmen“.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert das Projekt, das das IÖW zusammen mit der
Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus – Senftenberg durchführt.
Die GLS Bank unterstützt das Projekt als Veranstaltungspartner.
Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie unter www.postwachstumspioniere.de.
"Unternehmen zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit" Unternehmensworkshop im Rahmen des Projekts "Postwachstumspioniere"
Hintergrund                                               Effizienz und Suffizienz – im Postwachstum
                                                          vereint?
Wachstum ist die vorherrschende Zielvorstellung
modernen Wirtschaftens; Unternehmenswachs-                | Prof. Dr. Angelika Zahrnt, BUND
tum gilt als Normalfall und Leistungsnachweis:
                                                          Angelika Zahrnt führte zunächst in die Postwachs-
Wer es richtig macht, wird auch wachsen. Diese
                                                          tumsdebatte ein und gab einen Überblick über
Erwartung eines klaren Zusammenhangs wurde
                                                          verschiedene Perspektiven und Ansätze hierzu.
vornehmlich durch den Wachstumsschwung der
                                                          Ihr eigenes Postwachstumsverständnis beschrieb
europäischen Nachkriegszeit geprägt; längst je-
                                                          sie vor allem als den Versuch, über das Dogma
doch stößt die Wirtschaft an Grenzen des Wachs-
                                                          des „es gibt keine Alternative zum Wirtschafts-
tums. Stagnierende oder schrumpfende Märkte,
                                                          wachstum“ hinaus zu denken. Sie begründete
ökologische Knappheiten, ökonomische Krisen
                                                          dies damit, dass das bisherige Wirtschaftswachs-
oder einschneidende demografische Veränderun-
                                                          tum die allgemeinen Erwartungen nach Wohl-
gen erfordern heute alternative Entwicklungsori-
                                                          fahrtssteigerung, Beschäftigung oder sozialem
entierungen sowie Strategie- und Handlungsopti-
                                                          Ausgleich nicht erfüllt und stattdessen mit massi-
onen, die vom Wachstum unabhängig und
                                                          ven gesellschaftlichen Problemen einhergeht. Der
gleichwohl zukunftsfähig sind.
                                                          Abschied von einem Wachstum, das an ökologi-
Bislang wissen wir jedoch zu wenig darüber, wie           sche, aber auch demografische und ökonomische
ein Unternehmen, das sich nicht vordergründig an          Grenzen gelangt und zunehmend von staatlichen
betriebswirtschaftlichen Kenngrößen wie Umsatz,           Impulsen abhängig ist, ist für sie vorgezeichnet.
Gewinn oder Mitarbeiterzahl ausrichtet, erfolg-           Man sollte sich daher auf Zeiten mit geringem
reich gesteuert werden kann. Wie können sich              bzw. ohne Wachstum einstellen und beispielswei-
Unternehmen auf Wachstumsgrenzen einstellen               se in der EU-Politik anstelle der wachstumsfokus-
und ihnen gestaltend begegnen? Was heißt dann             sierten Expansionsprogramme verstärkt auf die
„Erfolg“? Welche Rolle spielen qualitative Entwick-       bereits bestehenden nachhaltigkeitsmotivierten
lungsvorstellungen – etwa die Prozess-, Produkt-,         Reduktionsprogramme setzen. Hierbei verwies sie
Beziehungs- und Arbeitsqualität – und wie können          auch auf den notwendigen, letztlich aber nicht
sie gestärkt werden? Sind Wachstum und Nach-              hinreichenden Beitrag von Innovation, Effizienz
haltigkeit echte Widersprüche; wie verhält es sich        und allgemein technischen Lösungen.
mit Effizienz und Suffizienz? Aber auch: Wie las-
                                                          Die Abkehr von einer Politik des Wachstums zu-
sen sich Risiken von zu starkem Unternehmens-
                                                          gunsten einer Politik des Postwachstums bedeu-
wachstum frühzeitig erkennen und gibt es eine
                                                          tet für Zahrnt, eine Gesellschaft zu gestalten, die
optimale Unternehmensgröße, die das Bestehen
                                                          nicht existenziell auf Wirtschaftswachstum ange-
am Markt sichert?
                                                          wiesen ist. Für die Ebene des Konsumhandelns
Um hier neue (oder auch längst bekannte) Wege             verwies sie hierbei auf Konzepte des guten Le-
zu erkunden und aufzuzeigen, richtet das Projekt          bens, die durch eine staatliche Suffizienzpolitik
„Postwachstumspioniere“ den Blick auf kleine und          ermöglicht und befördert werden müssen. Für die
mittelständische Unternehmen (KMU). In Fallstu-           Ebene des Unternehmenshandelns beschrieb sie
dien und einer Online-Befragung unter deutschen,          konkrete Herausforderungen für eine postwachs-
österreichischen und Schweizer Unternehmen                tumsorientierte Gestaltung der Produkte und
zeigte sich: Viele KMU setzen bereits primär auf          Dienstleistungen, der Arbeit, des regionalen Be-
Qualitäten, die Wachstum nach innen oder über             zugs sowie der Unternehmensform.
ihre Partner ermöglichen und häufig die sozialen
                                                          Sie äußerte dabei die Hoffnung, dass sich Unter-
und ökologischen Wirkungen verbessern. Die
                                                          nehmen selbst als Akteure engagieren und Wün-
Erfahrungen solcher Unternehmen sollten durch
                                                          sche an die Politik herantragen. Die Wirtschaft
den Workshop auch für andere nutzbar gemacht
                                                          sollte insgesamt resilienter, widerstandsfähiger
werden.
                                                          gegenüber Konjunkturschwankungen und Wachs-
Der Workshop richtete sich an unternehmerisch             tumsrückgängen werden. Hierfür gilt es, die Ori-
Aktive sowie Vertreterinnen und Vertreter kleiner         entierungen und Erwartungen von und in Unter-
und mittelständischer Unternehmen und zielte auf          nehmen so zu verändern, dass sie auf verschie-
einen intensiven Wissens- und Erfahrungsaus-              dene Entwicklungen vorbereitet sind und nicht
tausch. Drei Impulsreferate aus der praxisnahen           alternativlos von Wachstumsschwäche getroffen
Forschung sowie der direkten Unternehmenspra-             werden. Angelika Zahrnt verteidigte hierbei die
xis gaben am Vormittag einen Einblick in den              Begriffswahl „Postwachstum“ gegenüber der Viel-
aktuellen Wissensstand. Strukturierte Arbeitspha-         zahl von Adjektiv-Verwendungen wie intelligentes,
sen im Welt-Café-Format ermöglichten am Nach-             grünes, qualitatives, sanftes Wachstum usw. –
mittag einen intensiven Austausch mit den ande-           diese Labels für ein „besseres“ Wachstum konn-
ren Teilnehmenden.                                        ten und können kaum die erforderlichen Verände-
                                                          rungen initiieren. „Postwachstum“ hingegen signa-
                                                          lisiert für sie einen substanziellen Bruch und ver-

IÖW und GLS Bank | Unternehmensworkshop | Erfolgreiche Unternehmen zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit    2
weist auf grundsätzliche Überlegungen dazu, wie           Sozial-ökologische Banken: Wachstum durch
Wachstumszwänge beseitigt werden können. Der              Werte – Gegensatz oder Bedingung?
Begriff steht damit nicht für kategorisches Nicht-
                                                          | Joseph Schnitzbauer, GLS Bank
Wachstum, sondern für die Befreiung vom
Wachstumszwang.                                           Zunächst jedoch erläuterte Joseph Schnitzbauer,
                                                          welche Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch wel-
Wachstum – welches Wachstum? KMU-
                                                          che Herausforderungen sich für die Gastgeberin
Strategien jenseits des ‚Alles oder Nichts‘
                                                          der Veranstaltung, die Gemeinschaftsbank für
| Jana Gebauer, IÖW                                       Leihen und Schenken (GLS), durch die Wachs-
                                                          tumsschübe der letzten Jahre ergeben. Seit der
Angesichts der bei Angelika Zahrnt genannten
                                                          Gründung der sozial-ökologischen Universalbank
Herausforderungen für Unternehmen ist ein
                                                          im Jahr 1974 ist die Zahl der Mitarbeiter/innen auf
Wechsel der Perspektive erforderlich: In aller Re-
                                                          470 und die Bilanzsumme auf 3.4 Mrd. Euro an-
gel stehen die wenigen stark wachsenden Unter-
                                                          gewachsen. Die Zahl der Mitglieder der Genos-
nehmen im Zentrum der allgemeinen – öffentli-
                                                          senschaftsbank liegt mittlerweile bei 32.000.
chen, wissenschaftlichen und wirtschaftspoliti-
                                                          Wachstumsschübe erfolgten vor allem in den
schen – Aufmerksamkeit und Förderung. Um zu
                                                          letzten zehn Jahren: Die Übernahme der insolven-
lernen, wie mit den verschiedenen Wachstums-
                                                          ten Ökobank im Jahr 2003 war der bewusste
grenzen umgegangen werden kann, sollte der
                                                          Schritt heraus aus der Nische; in den Jahren der
Blick jedoch zu der Vielzahl der Unternehmen
                                                          Finanz- und Staatsschuldenkrisen 2007 und 2009
gelenkt werden, die bereits jetzt aus unterschied-
                                                          wuchs die Attraktivität der GLS mit der des alter-
lichen Gründen ein Wachstum in Quantitäten nicht
                                                          nativen Geschäftsmodells nachhaltigkeitsorientier-
oder allenfalls moderat realisieren.
                                                          ter Banken insgesamt.
In diesem Sinne stellte Jana Gebauer das aktuel-
                                                          Derzeit verzeichnet die GLS jeden Monat 2.000
le, von der DBU geförderte Projekt „Postwachs-
                                                          Neukund/innen – ein Wachstum, das durchaus
tumspioniere“ vor, das sogenannte wachstums-
                                                          auch schwierig ist. Eine Herausforderung liegt
neutrale und Postwachstumsunternehmen analy-
                                                          beispielsweise darin, auch während dieses weite-
siert. Ausgewählte Ergebnisse der aktuellen Be-
                                                          ren Wachstums den Anteil an „hartem“ Eigenkapi-
fragung des IÖW zu Wachstumsorientierungen,
                                                          tal (Kernkapital) zur besseren Risikovorsorge
Motiven, Strategien und Kenngrößen von KMU
                                                          gemäß Basel III zu erhöhen. Die Bank begegnet
illustrierten den Mehrwert eines solchen Perspek-
                                                          dem Problem, indem sie den Erwerb von Genos-
tivwechsels. Ein zentrales Ergebnis der Online-
                                                          senschaftsanteilen durch Verzinsung attraktiver
Umfrage, an der über 700 KMU aus Deutschland,
                                                          macht. Um verstärkt (neue) Mitarbeiter/innen zu
Österreich und der Schweiz teilnahmen, war da-
                                                          gewinnen und zu halten, die über die erforderli-
bei: Der Großteil der KMU will gar nicht, nicht
                                                          chen GLS-spezifischen Kenntnisse verfügen,
vordergründig oder allenfalls moderat quantitativ
                                                          steigert die Bank die Ausbildungsquote sowie
wachsen und verfolgt stattdessen vielfältige Ent-
                                                          Aktivitäten zur Mitarbeiterbindung. Nicht zuletzt
wicklungsziele, die zu einem quantitativen Unter-
                                                          investiert die GLS, die 80 Prozent ihrer Neu-
nehmenswachstum führen können, oft aber nicht
                                                          kund/innen über das Internet gewinnt, in ihre
müssen oder gar sollen.
                                                          technische Leistungsfähigkeit, Qualität und
Um die Ergebnisse der Online-Befragung und                Schnelligkeit im Online-Service.
weiterer Erhebungen für die nachfolgenden Dis-
                                                          Das Wachstum der Bank ermöglicht laut Joseph
kussionen nutzbar zu machen, präsentierte Jana
                                                          Schnitzbauer einen relevanten Beitrag zur Trans-
Gebauer Überlegungen dazu, wie sich wesentli-
                                                          formation der Realwirtschaft und des Sektors
che unternehmerische Erfolgsaspekte wie die
                                                          selbst: Im Vergleich zu Großbanken „arbeitet“ das
Qualität und der Nutzen von Produkten und
                                                          Geld, das in Banken wie der GLS liegt, tatsächlich
Dienstleistungen, die nachhaltige Gestaltbarkeit
                                                          – 72 Prozent der Bilanzsumme nachhaltiger Ban-
von Arbeit und Produktivität oder Abhängigkeiten
                                                          ken (gegenüber 41 Prozent bei „systemrelevan-
von Fremdkapital und Marktdynamiken aus einer
                                                          ten“ Banken) finanzieren Projekte über das Kre-
Postwachstumsperspektive      darstellen.  Diese
                                                          ditgeschäft. Bei derzeit 310.000 tatsächlichen und
Überlegungen bildeten die Basis für die Themen-
                                                          16    Mio.    potenziellen    Kund/innen    sozial-
tische im Welt-Café, denen sich die Teilnehmen-
                                                          ökologischer Banken in Deutschland zeigt sich
den am Nachmittag frei zuordneten.
                                                          zwar noch viel Raum zur Entwicklung. Zugleich
                                                          wird die Macht der Konsument/innen deutlich, die
                                                          durch einen Bankwechsel letztlich das Banken-
                                                          system mit verändern können. Aufgrund der bis-
                                                          herigen Reichweite retten Nachhaltigkeitsbanken
                                                          zwar nicht die Welt, aber sie können durch ihr
                                                          Wachstum Druck aufbauen, damit sich die kon-
                                                          ventionellen Banken verändern, so Joseph
                                                          Schnitzbauer in seinem Vortrag.

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Welt-Café                                                 der Teilnehmenden einer hohen eigenen Transpa-
                                                          renz und Authentizität.
Am Nachmittag fanden zwei Welt-Café-Runden
an fünf Thementischen statt:                              Produkte und Leistungen mit höherer Qualität
                                                          bzw. größerem sozialen und/ oder ökologischen
   Gute Produkte, guter Service – Bedürfnisse
                                                          Nutzen sind mitunter aufgrund höherer Kosten
    befriedigen, Ressourcen schonen
                                                          deutlich teurer. Einen Weg, um hier eine verrin-
   Die Branche wächst, ich wachse mit! Und               gerte Wettbewerbsfähigkeit und Umsatzeinbußen
    wenn sie schrumpft?                                   zu vermeiden, sahen die Teilnehmenden darin,
                                                          einen zusätzlichen (z. B. funktionalen oder mar-
   Wer zahlt, bestimmt? Externe Finanzierung             kenwertrelevanten) Nutzen der Produkte und
    und Wachstumsdruck                                    Leistungen zu kreieren und so Zusatzkosten aus-
   Gute Arbeit, gut verteilt – Ansätze in und zwi-       zugleichen bzw. den höheren Preis zu rechtferti-
    schen Unternehmen                                     gen. Gerade wenn Wachstumspotenziale auf
                                                          internationalen Märkten nicht gegeben sind oder
   Da holen wir noch was raus. Produktivität             vom Unternehmen nicht genutzt werden können
    sinnstiftend steigern                                 bzw. sollen, liegt eine weitere erfolgversprechen-
Vier Leitfragen strukturierten die zweieinhalbstün-       de unternehmerische Option darin, die eigenen
dige Diskussion:                                          Wertschöpfungsprozesse und Produktkreisläufe
                                                          verstärkt regional oder lokal auszurichten und
   Wie verändern sich unternehmerische Her-              möglichst zu schließen. Zudem sollten Konzepte
    ausforderungen und Möglichkeiten, wenn das            wie Nutzen oder Teilen statt Besitzen verstärkt
    Thema aus der Postwachstums- anstelle der             zum Einsatz kommen. Hierfür müssen unter ande-
    Wachstumsperspektive betrachtet wird?                 ren die Logistikketten verändert bzw. aufgebaut
   Wo sind auf der Unternehmensebene die                 und die Produkte langlebig, reparatur- und up-
    zentralen Stellschrauben, um erfolgreich mit          grade-fähig gestaltet werden.
    (extern bedingter) Wachstumsneutralität um-           Kooperationen kleinerer Unternehmen, netzwerk-
    zugehen bzw. proaktiv „umzustellen“?                  artige Organisationsformen und andere kollabora-
   Welche Rolle können Ansätze alternativen              tive Modelle der Wertschöpfung wurden in diesem
    und/ oder kollaborativen Wirtschaftens spielen        Sinne als innovationsfördernd und erfolgsrelevant
    – welchen Beitrag zu Erfolg und Nachhaltig-           gesehen. Hierbei hilft derzeit (noch) häufig der
    keit können sie leisten?                              Erfolg eines Unternehmens oder Partners auch
                                                          den anderen Beteiligten und erhöht z. B. deren
   Welche Rahmenbedingungen – politisch,                 Bekanntheitsgrad. Zudem bieten kollaborative
    kulturell, ökonomisch – müssen vor allem ver-         Modelle mehr Möglichkeiten für Menschen mit
    ändert und welche Unterstützungsangebote              unterschiedlichen Fähigkeiten, sich einzubringen
    geschaffen werden, damit wachstumsneutrale            und zu entwickeln. Sie werfen jedoch auch Fra-
    Unternehmensführung proaktiv, nachhaltig              gen von Verantwortung und Vertrauen auf. Um
    und erfolgreich gestaltet werden kann?                Kosten und Nutzen unter den Beteiligten fair zu
Die Teilnehmenden wechselten die Thementische             verteilen und dabei ggf. den Schutz der eigenen
nach der ersten Runde; nach jeder Runde präsen-           Ideen zu gewährleisten, gilt es, klare Spielregeln
tierten sie ihre Überlegungen. Im Folgenden wer-          für die Zusammenarbeit zu definieren – eine aller-
den die Ergebnisse zusammengefasst:                       dings große Herausforderung, die wiederum
                                                          durch das Lernen von Beispielen besser gemeis-
| Gute Produkte, guter Service –                          tert werden kann (zur Illustration wurde auf Pre-
Bedürfnisse befriedigen, Ressourcen schonen               mium Cola verwiesen). Schließlich wurde auch
KMU benennen Produkt- und Servicequalität,                auf grundlegende (offene) Fragen verwiesen wie:
Kundennutzen und Kundenzufriedenheit sowie                Welche Prozesse sind tatsächlich kollaborativ
den sozialen und ökologischen Nutzen ihrer An-            besser lösbar und wie lässt sich die Gefahr um-
gebote häufig als relevante Kenngrößen für Un-            gehen, die eigene Kompetenz/ -entwicklung quasi
ternehmenserfolg. Die Teilnehmenden des Work-             auszulagern und letztlich zu verlieren?
shops stellten hierbei aus der Postwachstumsper-          Die Frage, welche Rolle der politischen Regulie-
spektive zunächst „die Sinnfrage“ als besonders           rung zur Unterstützung zukommt, wurde kontro-
relevant heraus: Welche Produkte sind wirklich            vers diskutiert. Die Meinungen reichten von „un-
wichtig? Was sind heute noch Grundbedürfnisse –           ternehmerische Freiräume sind wichtiger“ über
für wen? Die Notwendigkeit und den Sinn von               „Anreize aus der Politik wie Subventionen oder
Produkten und Dienstleistungen festzustellen, ist         gestaffelte Mehrwertsteuersätze könnten sinnvoll
keine einfache Übung; es ist jedoch unabdingbar           sein“ bis zu „Unterstützung seitens des Staates ist
für Unternehmen, die Menschen mit ihren tatsäch-          zunächst erforderlich (z. B. hinsichtlich Produkt-
lichen und dringenden (Konsum-)Bedürfnissen zu            transparenz und -kontrolle), im weiteren kommt es
verstehen, anstatt für die eigenen Produkte künst-        jedoch vor allem auf die eigene Lobbyarbeit post-
lich Bedürfnisse zu erzeugen. Hierbei glaubwürdig         wachstumsorientierter Unternehmen an“. Bei-
am Markt auftreten zu können, bedarf aus Sicht

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spielsweise könnte ein „Postwachstumsunter-               Funktionen oder Nutzen übersetzt werden, die
nehmensverbund“ der Idee einen Rahmen und                 das Unternehmen mit seinen Kompetenzen und
eine Stimme verleihen, um ein größeres politi-            Potenzialen erfüllen kann. Dies kann beispiels-
sches Gewicht zu erringen. Zudem könnten sich             weise für einen Produzenten bedeuten, zuneh-
die Mitglieder untereinander austauschen, ihre            mend produktbegleitende Dienstleistungen wie
Geschäftsbeziehungen ausbauen und sich damit              Beratung, Vermittlung oder Reparatur anzubieten.
gegenseitig stärken. In der Wirtschaft insgesamt          Vorteile könnten darin liegen, die Kundenzufrie-
kommt es vor allem auf einen Wertewandel an –             denheit und Kundenbindung zu erhöhen und –
hier eine kritische Masse zu erreichen, wird aller-       beispielsweise über die Bestandspflege (siehe
dings in manchen Branchen schneller und in an-            Solar- oder Windkraftanlagen) – auch die Früchte
deren deutlich langsamer gehen.                           eines vorherigen Wachstums zu ernten.
| Die Branche wächst, ich wachse mit!                     Da eine Begrenzung der Unternehmensgröße als
Und wenn sie schrumpft?                                   wichtig erachtet wurde, um die Flexibilität des
                                                          Unternehmens zu erhalten, ist für die Teilneh-
Die Marktdynamik hat einen starken Einfluss auf
                                                          menden auch eine Strategie der Risikovermei-
die Wachstumsmöglichkeiten, aber auch die
                                                          dung erfolgversprechend: Auf wachsenden Märk-
grundlegende Wachstumsorientierung von KMU.
                                                          ten sollten Unternehmen rechtzeitig entscheiden,
Herausforderungen liegen für Unternehmen darin,
                                                          hier nicht weiter mitzugehen und eigene Wachs-
die eigenen Handlungsspielräume auch auf stag-
                                                          tumsphasen zu beenden. Stattdessen sollten
nierenden oder schrumpfenden Märkten, und
                                                          Kooperationen eingegangen werden (auf nicht-
damit bei eventuell vornehmlich extern bedingtem
                                                          wachsenden Märkten besteht beinah ein Zwang
Nicht-Wachsen, zu erhalten. Die Teilnehmenden
                                                          zur Kooperation) bis hin zum gemeinsamen Net-
sahen jedoch auch in wachsenden Märkten Ge-
                                                          working und Lobbying beispielsweise über eine
fahren, die eigene Entwicklung nicht mehr steuern
                                                          Organisation wie den bereits skizzierten Verbund.
zu können: Wachsende Märkte sind attraktiv und
ziehen Wettbewerber an, sodass das eigene Un-             | Wer zahlt, bestimmt? Externe Finanzierung und
ternehmen durchaus bisherige Marktanteile, Um-            Wachstumsdruck
satz- und Gewinnpotenziale verlieren kann. All-
                                                          Die Abhängigkeit von externem Kapital und den
gemein bestand die Einschätzung, dass immer
                                                          Renditeerwartungen der Geldgeber wird häufig
dann, wenn es auf einem Markt eng wird, vor
                                                          als ein zentraler Faktor für den Wachstumszwang
allem „aggressive“ Unternehmen von einer Markt-
                                                          von Unternehmen benannt. Die Workshop-
bereinigung profitieren, während zugleich Unter-
                                                          Teilnehmenden sprachen sich daher aus der
nehmen, die selbst vor allem auf dem vorherigen
                                                          Postwachstumsperspektive für einen erweiterten
Marktwachstum „mitsurften“, den Markt zuerst
                                                          Blick auf Möglichkeiten, Kapital aufzunehmen,
verlassen müssen.
                                                          aus: Neben der klassischen Finanzierung über
Allgemein haben es kleinere Unternehmen aus               Bankkredite gibt es immer mehr auch alternative
Sicht der Teilnehmenden leichter als große, sich          Finanzierungsquellen/ -modelle wie Crowdfunding
auf Veränderungen der Marktdynamik einzustel-             und Crowdinvesting, Privatkredite und Mikrofinan-
len: Die Beteiligung an Entscheidungen ist in KMU         zierung, die Beteiligung von Business Angels oder
tendenziell weniger hierarchisch zugespitzt.              Venture Capital Investments. Mit einer weiteren
Dadurch können mehr Perspektiven und Ein-                 Veränderung der Märkte wird erwartet, dass die
schätzungen zusammengetragen und Situationen              Bedeutung herkömmlicher Finanzierung künftig
besser beurteilt werden. Zudem besteht in KMU             abnimmt.
eine größere Flexibilität zu reagieren. Der Erfolg,
                                                          Mit den verschiedenen Finanzierungswegen sind
ein Unternehmen durch Beteiligung, Voraussicht
                                                          in der Regel auch unterschiedliche Rendite-
und Wendigkeit in etwa gleich bleibender Größe
                                                          Erwartungen verbunden. Diese variieren dabei
zu erhalten, wird allerdings einem vor allem
                                                          nicht allein z.B. in der Höhe und Fälligkeit, son-
wachstumsgeprägten Erfolgs- und Fortschrittsbe-
                                                          dern beziehen auch nicht-monetäre Werte ein wie
griff kaum gerecht; hier gilt es, einen kulturellen
                                                          eine moralische Rendite (z.B. Stolz auf sinnvolle
Wandel in Haltung, Zielen und Erfolgsindikatoren
                                                          Unterstützung) oder Naturalien. Da die Rendite-
voranzubringen.
                                                          Erwartungen die Wachstumserwartungen be-
Neben reaktiven Veränderungen etwa des Unter-             stimmen, benötigen Postwachstumsunternehmen
nehmensstandorts, der Preispolitik oder der Pro-          also Finanzierungspartner, die auf geringe oder
duktverpackung sahen die Teilnehmenden die                alternative, langfristige Renditen zielen. Bestimm-
zentrale proaktive Stellschraube für Unternehmen          te Finanzierungsquellen, die auf eine schnelle
vor allem darin, vom Denken in Produkten auf ein          wachstumsgetriebene Unternehmenswertsteige-
Denken in Geschäftsmodellen umzustellen: Un-              rung setzen (z. B. Venture Capital), fallen damit
ternehmen sollten gesellschaftliche Verände-              zwar aus der Menge der Möglichkeiten heraus,
rungsprozesse vorausschauend analysieren und              (fast) alles andere sei jedoch möglich. Auch um
erfassen, wo und wie sich Bedürfnisse ändern              Kredite zu bedienen, sei Wachstum nicht zwin-
oder neu entwickeln. Diese Bedürfnisse sollten            gend.
nun weniger in konkrete Produkte als vielmehr in

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Die zentrale Stellschraube für Unternehmen in             Probleme und Arbeitsweisen entwickeln und Ver-
diesem Bereich sahen die Teilnehmenden daher              trauen aufbauen. Bei jeglicher Zusammenarbeit,
darin, sich alternative Finanzierungswege zu er-          aber auch allgemein gesellschaftlich sollten die
schließen, mit potenziellen Finanzierungspartnern         Unternehmen darauf hinwirken, dass Arbeit eine
vorab die jeweiligen Rendite- und damit Wachs-            größere Wertschätzung entgegengebracht und
tumserwartungen zu klären und die Verträglichkeit         das Bewusstsein dafür, was das eigene Handeln
mit den eigenen Erfolgs- und Entwicklungsvorstel-         für andere bedeutet, gestärkt wird.
lungen anzustreben.
                                                          | Da holen wir noch was raus. Produktivität
| Gute Arbeit, gut verteilt – Ansätze in und              sinnstiftend steigern
zwischen Unternehmen
                                                          Unter Produktivitätsgesichtspunkten ist die Effizi-
Lebens- und Arbeitsqualität, Gesundheit und per-          enz der Arbeitsabläufe klar im Fokus von KMU.
sönliche Weiterentwicklung werden von KMU                 Aus der Postwachstumsperspektive besteht die
häufig als relevante alternative Kenngrößen ge-           Herausforderung darin, mögliche Effizienzgewin-
nannt. Die Workshop-Teilnehmenden diskutierten            ne gezielt mit Anforderungen guter Arbeit sowie
in diesem Sinne ihre Vorstellungen „guter Arbeit“,        Konsistenz- und Suffizienzstrategien zu verbin-
die auch und gerade aus einer Postwachstums-              den. Für die Teilnehmenden stand hierbei zu-
perspektive von Bedeutung sein sollen. Gute Ar-           nächst die Produktivität von Ideen im Vorder-
beit ist dabei für sie sinnstiftend, wirtschaftlich und   grund, bei der nicht die Ebene des Unternehmens
menschengerecht; sie ermöglicht die Identifikation        und damit das organisationale Wachstum, son-
mit der Arbeit, aber auch, Privatleben und Job in         dern vielmehr die Verbreitung nachhaltiger Lö-
Einklang zu bringen; sie bedeutet Mitsprache der          sungen betrachtet werden sollte (was auch be-
Mitarbeiter/innen und Wertschätzung am Arbeits-           deuten kann, dass letztlich andere Unternehmen
platz; sie trägt zur Grundeinkommenssicherung             wachsen).
bei und schafft auch sonst gute Rahmenbedin-
                                                          Eine zentrale Barriere wurde hierbei in privaten
gungen. Die Frage, ob gute Arbeit auch geringe
                                                          Patenten und Lizenzen gesehen, die es entweder
Arbeitszeit bedeutet und Arbeitszeit letztlich redu-
                                                          verunmöglichen oder wesentlich verteuern, rele-
ziert werden sollte, wurde unter anderem mit Ver-
                                                          vante Problemlösungen zu verbreiten. Dies kann
weis auf mögliche Inkompatibilitäten von Workflow
                                                          über common licence und Ansätze kollaborativen
und Teilzeit offen gelassen. Gute Arbeit ergebe
                                                          Wirtschaftens besser gelingen, zumal zugleich der
sich jedoch klar nicht bei der Vorstellung, aus der
                                                          Austausch über Umsetzungsprobleme vereinfacht
Angst vor Verdrängungswettbewerb oder feindli-
                                                          werden kann.
cher Übernahme immer weiter wachsen und mehr
Einkommen hervorbringen zu müssen.                        Generell wurde einem Mehr an Beteiligung zuge-
                                                          sprochen, Ziele im Sinne der Nachhaltigkeit „bes-
Aus einer Postwachstumsperspektive nimmt das
                                                          ser“ zu formulieren: Der jeweilige persönliche
Wachstum in Qualitäten eine größere Rolle ein –
                                                          Profit wird tendenziell zugunsten gemeinsamer
im Fall der guten Arbeit geht es zum einen darum,
                                                          Bedürfnisse und des Gemeinsinns zurückgesetzt.
Entwicklungspotenziale zu erkennen, mehr Quali-
                                                          Beteiligung erhöht zudem das Commitment der
fikationen zu erwerben und sozusagen geistig zu
                                                          Beteiligten und verbessert darüber letztlich die
wachsen. In gezielt eingeräumten Phasen der
                                                          Umsetzung. Die Abgabe von Arbeitsaufgaben und
Reflexion, Positionsbestimmung und Bestands-
                                                          (Entscheidungs-) Kompetenzen kann somit die
aufnahme sollten hierfür die Interessen und Be-
                                                          Effizienz steigern, aber sie verändert auch die
darfe erfasst werden. Zum anderen ist eine neue
                                                          Arbeitsqualität und Arbeitskultur und führt ggf. zu
Kommunikationsbasis zwischen Arbeitgebern und
                                                          einer Abgabe von Kontrolle sowie dem Aufbau
Arbeitnehmer/innen, zwischen Zulieferern und
                                                          von Abhängigkeiten. Daher kommt es zentral auf
Kund/innen zu schaffen. Unterstützung können
                                                          die Ausgestaltung der Zusammenarbeit an, in wie
sich Unternehmen über Coachings, das Lernen
                                                          weit „sinnstiftende“ Produktivitätszuwächse bei-
mit und von anderen oder den Austausch mit Vor-
                                                          spielsweise über kollaborative Ansätze verzeich-
denkern holen.
                                                          net werden können.
Für den Austausch mit Gleichgesinnten sollten die
bestehenden Kontakte gefiltert und Interessen-
gemeinschaften, Vereine oder Kooperativen re-
cherchiert werden, um ein gutes Netzwerk zu-
sammenzuführen. Möglichkeiten der Zusammen-
arbeit entlang der Wertschöpfungskette diskutier-
ten die Teilnehmenden mit Bezug auf die Assozia-
tive Wirtschaft (Anm.: Wirtschaftsform, die auf die
Bildung von Assoziationen als Zusammenschlüs-
se von Wirtschaftsakteuren zur Selbstverwaltung
und zum Erfahrungsaustausch setzt): An Runden
Tischen könnten Produzenten, Händler und Kon-
sument/innen ein geteiltes Verständnis für die

IÖW und GLS Bank | Unternehmensworkshop | Erfolgreiche Unternehmen zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit    6
Zusammenfassung: Erfolgreiche Unternehmen                 mit ein Gewinn an Flexibilität und Selbstbestim-
zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit – Strate-            mung entsteht, ist zunächst grundsätzlich der
gien und Bedingungen für ein Arbeiten im Wider-           Blick auf bzw. für Alternativen zu öffnen. Dies
spruch                                                    betrifft die Finanzierungswege und Geschäftsmo-
                                                          delle ebenso wie die Werte und Kenngrößen, die
In Diskussionen mit unternehmerischen Akteuren
                                                          verfolgt, oder die Partnerschaften, die eingegan-
zum Thema Unternehmenswachstum und Wachs-
                                                          gen werden. Basis hierfür ist, die Frage nach dem
tumskritik ist eine der ersten Rückfragen regel-
                                                          Sinn und den tatsächlichen Bedürfnissen etwa mit
mäßig: Welches Wachstum ist denn gemeint?
                                                          Blick auf das eigene Angebot, die Arbeitsbedin-
Auch die Teilnehmenden des Workshops verban-
                                                          gungen oder die Rendite (immer wieder) zu stel-
den mit Wachstum eine Vielzahl von Indikatoren,
                                                          len – und selbstkritisch zu beantworten. Es ist
die sie für ihre eigenen Unternehmungen mit un-
                                                          zudem erforderlich, Kompetenzen, Qualitäten und
terschiedlichem Gewicht versehen. Aus der nach-
                                                          Kommunikationsformen weiterzuentwickeln. Zu-
haltigkeitsorientierten Postwachstumsperspektive,
                                                          dem sollte Transparenz über das Unternehmens-
die inhärente Grenzen des Wirtschaftswachstums
                                                          handeln, die Produkte und Leistungen hergestellt
anerkennt, dominieren dabei in der Regel Kenn-
                                                          und damit die eigene Glaubwürdigkeit gestärkt
größen der eigenen Qualität und Entwicklung, die
                                                          werden. Dies hilft auch dabei, verstärkt Lobbying
zugleich einen ‚unter dem Strich‘ positiven gesell-
                                                          für alternative, kollaborationsorientierte Wirt-
schaftlichen Beitrag des Unternehmens ermögli-
                                                          schaftsweisen zu betreiben, um Gleichgesinnte zu
chen.
                                                          finden und zu stärken, politisches Gewicht zu
Aus einer Postwachstumsperspektive verändern              gewinnen und schließlich den erforderlichen Wer-
sich sowohl die Herausforderungen als auch die            tewandel bzw. Paradigmenwechsel hervorzubrin-
Möglichkeiten und Wege für unternehmerisches              gen, der zu einer „Befreiung vom Wachstums-
Handeln. Die Workshop-Teilnehmenden hoben                 zwang“ (Zahrnt) führen kann.
insbesondere die selbstbestimmte Entscheidung
                                                          Bei allen Themen spielte die Zusammenarbeit mit
eines Unternehmens über seine Wachstumsorien-
                                                          anderen eine große Rolle. Aus der Postwachs-
tierung, die gezielte Erweiterung unternehmeri-
                                                          tumsperspektive wird einmal mehr bedeutsam,
scher Handlungsspielräume sowie die Notwen-
                                                          Gleichgesinnte zu finden und mit ihnen zusam-
digkeit der Vernetzung und des Wertewandels für
                                                          menzuarbeiten. Dies spricht zum einen die Akteu-
wachstumsneutrales Wirtschaften hervor:
                                                          re und Interessengemeinschaften an, die bereits
Die Auseinandersetzung mit der Größe und dem              mit Ansätzen alternativen und kollaborativen Wirt-
Erhalt des eigenen Unternehmens ist vor allem             schaftens arbeiten und die zum Teil auch durch
auf nicht-wachsenden Märkten virulent, aber               die Teilnehmenden repräsentiert wurden. Hier
durchaus auch auf wachsenden Märkten, wenn                steht im Vordergrund, voneinander zu lernen, sich
sich die Wettbewerbsintensität erhöht. Um flexibel        gegenseitig zu stärken oder gemeinsames Lob-
zu bleiben, bedarf es mitunter bereits in Wachs-          bying zu betreiben. Zum anderen bedürfen soziale
tumsphasen der aktiven Entscheidung gegen                 und ökologische Verbesserungen logisch solcher
weiteres Wachstum und für verstärkte Kooperati-           Ansätze gemeinsamer Wertschöpfung, die Kom-
on. Wann diese Entscheidung getroffen werden              petenzen ergänzen und erweitern, Innovationen
sollte, ist keineswegs leicht zu bestimmen. Dabei         generieren und verbreiten, Kreisläufe schließen
spielen Aspekte wie Mindest- und Optimalgröße,            usw. Dabei wurden immer wieder auch Grenzen
die unterschiedliche Entwicklung von Teilmärkten          oder Risiken einer über die übliche Arbeitsteilung
oder voneinander abweichende Einschätzungen               hinausreichenden Zusammenarbeit diskutiert.
von Entwicklungen innerhalb von Unternehmen               Kollaboration sollte daher mit klaren Regeln und
eine Rolle. Zu prüfen ist auch, wie weit der bishe-       Erwartungsmanagement so gestaltet werden,
rige Bestand an Kund/innen oder Kapazitäten               dass die Vorteile auch tatsächlich zum Tragen
trägt und ob man den Druck eher erhöht, wenn              kommen.
man die Konkurrenz stärkt, indem man selbst
                                                          Rahmenbedingungen für das Unternehmens-
etwa einen Großauftrag ablehnt. Wachstumsneut-
                                                          handeln wurden vor allem auf der kulturellen Ebe-
ralität ist aus Sicht der Teilnehmenden in kleine-
                                                          ne angesprochen. Angesichts des wachstumsfi-
ren Unternehmen leichter auszuprobieren. Der
                                                          xierten Fortschrittsbegriffs, der negative gesell-
Stellschraube „klein bleiben und in Qualitäten
                                                          schaftliche Entwicklungen stetig verstärkt und
investieren“ wurden allerdings Unternehmensbei-
                                                          zugleich den Wachstumsdruck auf die einzelnen
spiele gegenübergestellt, die zeigen, dass Unter-
                                                          Unternehmen erhöht, ist aus Sicht der Teilneh-
nehmenswachstum         aus     Nachhaltigkeitssicht
                                                          menden ein substanzieller Kultur- und Wertewan-
durchaus sinnvoll sein kann: wenn dadurch letzt-
                                                          del erforderlich. Dann wäre eine Entscheidung,
lich Unternehmen oder Produkte bzw. Ge-
                                                          als Unternehmen größenmäßig nicht weiter zu
schäftsmodelle verdrängt werden, die weniger
                                                          wachsen, in der öffentlichen Wahrnehmung auch
nachhaltig sind.
                                                          kein Signal des Versagens mehr, sondern positiv
Unternehmerische Handlungsspielräume lassen               etwa mit Kompetenz und Gelassenheit belegt. Die
sich aus Sicht der Teilnehmenden auch innerhalb           Rolle von Regulierung wurde von den Teilneh-
von Wachstumsgrenzen durchaus erweitern. Da-              menden ambivalent diskutiert – ein klarer Rahmen

IÖW und GLS Bank | Unternehmensworkshop | Erfolgreiche Unternehmen zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit   7
wird vor allem bezüglich Transparenz und Kontrol-         zu erzielen sowie Anforderungen guter Arbeit
le erwartet und gerade Pionierleistungen sollten          umzusetzen, um eine hohe Mitarbeiterzufrieden-
unterstützt und belohnt werden. Mehr jedoch ging          heit zu erreichen. Quantitative Zielgrößen wurden
es den Teilnehmenden darum, selbst und ge-                quasi nicht genannt. Allerdings sahen sie ihre
meinsam aktiv zu werden.                                  aktuell größten Herausforderungen auch und ge-
                                                          rade darin, den Unternehmenserhalt zu sichern,
Die 30 Teilnehmenden des Workshops waren
                                                          Kooperationspartner zu finden, Qualitäten zu ge-
tendenziell selbst „postwachstumsorientiert“ auf-
                                                          währleisten sowie Innovationen hervorzubringen
gestellt, was die Diskussionsergebnisse sicher
                                                          und zu vertreiben.
auch spiegeln. In einer eingangs gestellten
Punktabfrage zu ihrem obersten unternehmeri-              Dies zeigt, wie bedeutsam es ist, den Unterneh-
schen Erfolgskriterium war es ihnen vor allem             men eine Plattform zum Austausch, zur Vernet-
wichtig, mit ihren Produkten und Dienstleistungen         zung und Befähigung zu bieten, um ihre Ansätze
gesellschaftliche (soziale und/ oder ökologische)         so weiterzuentwickeln, zu verstetigen und zu ska-
Probleme zu lösen, einen hohen Kundennutzen               lieren, dass tatsächlich ein substanzieller Beitrag
und damit eine hohe Zufriedenheit der Kund/innen          für eine nachhaltige Entwicklung entsteht.

Kontakt:
Jana Gebauer
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Str. 105
10785 Berlin
Tel.: 030/ 884 594 0
Mail: jana.gebauer[at]ioew.de
Web: www.ioew.de; www.postwachstumspioniere.de

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