Unterwegs in der Schweiz - von Menschen, Mäusen und Zecken - Labor Spiez
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
© 2013 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Therapeutische Umschau 2013; 70 (6): DOI 10.1024/0040-5930/a000416 Übersichtsarbeit 353 1 Abteilung übertragbare Krankheiten und Zentrum für Reisemedizin, Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich 2 Bundesamt für Bevölkerungsschutz, Labor Spiez, Fachbereich Biologie, Gruppe Virologie, Spiez Sabine Schmid1, Eldar Aliyev1, Olivier Engler2, Margot Mütsch1 Unterwegs in der Schweiz – von Menschen, Mäusen und Zecken In der Schweiz sind durch Zecken übertragbare Infektionen endemisch. Am häu- Am bekanntesten sind die Borrelia- figsten wird die Borreliose diagnostiziert, gefolgt von der durch Impfung verhüt- Arten (Borreliose) und das Frühsom- baren Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und seltener Anaplasmose, merzeckenenzephalitis-Virus (FSME, Frühsommer-Meningoenzephalitis). Rickettsiosen und anderen Erkrankungen, wie der Babesiose. Zur Prävention Seltener werden Anaplasma phagocy- werden beim Wandern in Endemiegebieten und abseits der Wege, den Haltern tophilum (Anaplasmose, früher Ehrli- von Hunden oder Katzen und für Waldarbeiter, Orientierungsläufer, Förster, chiose genannt) und Rickettsia-Arten Bauern, Rekruten und Kinder (mit Insektiziden imprägnierte) helle, geschlossene (Rickettsiosen) nachgewiesen. Es wer- Kleidung und Schuhe empfohlen. Nach einem Waldaufenthalt sollen Körper und den auch immer wieder neue Erreger Kleidung auf Zecken untersucht und diese sofort entfernt werden. Bei Auftreten beschrieben, wie zum Beispiel kürzlich Candidatus Neoehrlichia mikurensis von Fieber und/oder eines Erythema migrans soll ein Arzt aufgesucht werden. [3, 4] oder Babesia spp. [5], an welchen Durch Mäuse übertragene Hantavirus-Infektionen: Von den europäischen Han- bei uns bisher ausschließlich immun- taviren ist bei uns die Seroprävalenz für Puumala-Viren am höchsten. Puumala- geschwächte Personen erkrankten. Viren werden durch infizierte, asymptomatische Rötelmäuse ausgeschieden und weiterverbreitet. Sie können die Nephropathia epidemica auslösen, welche mit hohem Fieber, Kopfschmerzen, Abdominal-, Flanken- oder Rückenschmer- Lyme Borreliose zen und einem akuten, reversiblen Nierenversagen mit initial Oligurie einher- Je nach Region liegt die Durchseu- geht. In Deutschland traten in den vergangenen Jahren in 2 – 3-Jahreszyklen chung der Zecken in der Schweiz mit regionale Epidemien auf mit einer geschätzten, durchschnittlichen Inzidenz für Borrelia-Spirochäten in Nymphen bei 2012 von 2.7 Fällen/100'000 Einwohnern. Einzelne Epidemieregionen verschieben 9 – 40 % und in adulten Zecken zwi- sich weiter südlich, Richtung Schweiz. Campieren und das Reinigen von Wald-, schen 22 und 47 % [6] und die unter der Garten- oder Lagerhütten gelten in Endemiegebieten als Risikoaktivitäten, da Bezeichnung Borrelia burgdorferi sen- su lato zusammengefassten Arten sind Exkremente von Nagerinfestationen aufgewirbelt und eingeatmet werden somit die am häufigsten in Zecken können. Ärzte sollten bei der entsprechenden Kombination von Symptomen und nachgewiesenen Pathogene [5, 7]. Bis- Risikosituation an Puumalavirus-Infektionen denken. her wurden sieben Arten beschrieben, wobei in Europa hauptsächlich die ersten fünf als humanpathogen gelten (Borrelia burgdorferi sensu strictu, B. Zeckenübertragbare Infektionen unter minus 15 °C. Dies bedeutet, dass afzelii, B. garinii, B. spielmanii, B. bava- Zecken in wärmeren Wintern immer riensis, B. valaisiana, B. lusitaniae). In der Schweiz wurden bisher 20 Zecken- noch aktiv sein können und zum Bei- Die Borrelien-Arten unterscheiden arten nachgewiesen, wobei die Schild- spiel bei einem Waldspaziergang durchs sich sowohl hinsichtlich Reservoirtiere zecke Ixodes ricinus am bekanntesten Unterholz aufgelesen werden können, wie auch bezüglich der hauptsächlich ist und häufig vorkommt [1]. Sie wird was jedoch weitaus seltener geschieht beim Menschen gefundenen Klinik, auch Holzbock genannt und tritt un- als in der wärmeren Jahreszeit. wobei es oft Überschneidungen gibt: terhalb von 1'500 Metern über Meer Zecken müssen in jedem Entwicklungs- So ist zum Beispiel B. afzelii vor allem verbreitet auf. Zecken leben im Un- stadium – Larve, Nymphe, erwachsenes mit dermatologischen Manifestationen terholz an Waldrändern, auf Waldlich- Tier – einmal Blut saugen, was in der assoziiert und wurde in kleinen Säuge- tungen oder an Waldwegen und sind in Regel einige Tage dauert [2]. Menschen tieren (z. B. Nager) und Eichhörnchen nicht regelmäßig gepflegten Hecken werden meist von Nymphen oder er- gefunden, währenddem für B. garinii von Gärten anzutreffen. Sie sind in der wachsenen Tieren gestochen, wobei Vögel als Reservoir fungieren und es wärmeren Jahreszeit aktiv, meist zwi- sich nur etwa die Hälfte an einen Ze- wird wie B. bavariensis mit neurolo- schen März und Oktober und erstarren ckenstich erinnert. Zecken können bei gischen Symptomen beim Menschen unter etwa 8 °C. Damit sie erfrieren, ihrer Blutmahlzeit verschiedene Patho- assoziiert. B. burgdorferi sensu strictu braucht es jedoch Bodentemperaturen gene auf den Menschen übertragen. findet sich vorwiegend in Eichhörnchen
Sabine Schmid, Eldar Aliyev, Olivier Engler, Margot Mütsch Unterwegs in der Schweiz – von Menschen, Mäusen und Zecken 354 Übersichtsarbeit und bewirkt beim Menschen haupt- Eine diagnostisch sinnvolle Serologie das obligatorische Meldesystem dem sächlich Gelenkprobleme. Hautaffek- setzt das Vorhandensein von klini- Bundesamt für Gesundheit gemeldeten tionen werden oft bei B. spielmanii ge- schen Manifestationen voraus. Dabei Fallzahlen liegen in den letzten fünf funden und der Gartenschläfer wird als wird ein sensitiver Suchtest gegen Jahren zwischen 82 und 161 Fällen pro Reservoirtier betrachtet [1]. Nutztiere, Spirochäten-Antikörper durchgeführt Jahr [9]. Im Unterschied zur Lyme wie Kühe, Waldtiere, z. B. Hirsche, Rehe (IgG – oder IgM – ELISA). Um falsch Borreliose kommen die mit FSME und Hasen, und Haustiere, z. B. Hunde positive Testresultate auszuschließen, durchseuchten Zecken (0,5 – 3 %) eher und Katzen, sind als Wirtstiere be- wird in einem zweiten Schritt ein Be- lokal in bestimmten Endemiegebieten kannt. Sie spielen jedoch keine Rolle stätigungstest durchgeführt (Western- bis rund 1'000 Meter über Meer vor als Reservoir. Es wird jedoch vermutet, blot der dritten Generation). Dieser er- (Naturherde), wie Abbildung 1 zeigt. dass sie zur Aufrechterhaltung der Ze- fasst verschiedene Antikörper, welche Die Impfung ist ab dem Alter von 6 Jah- ckenpopulation [8] und für den Kon- spezifisch sind für die verschiedenen ren für Aufenthalte in Endemiegebie- takt zum Menschen wichtig sind. Spezies von Borrelia burgdorferi sensu ten empfohlen. Das Impfschema um- lato [10 – 12]. fasst drei Dosen (Abstand: 0/1/6 – 10 Diagnostik und Therapie Monate, allenfalls Schnellschema ver- Gemäß Schätzungen erkranken in der fügbar) und schützt für 10 Jahre. Schweiz jährlich etwa 10'000 Menschen Zeckenenzephalitis Bei der Mehrheit der von einer mit an Lyme Borreliose [9]. Beim Krank- FSME Viren infizierten Zecke gesto- heitsbild werden prinzipiell drei Sta- In der Schweiz ist die Frühsommer- chenen Personen treten keine Krank- dien unterschieden, die sich zeitlich Meningoenzephalitis (FSME) bis jetzt heitszeichen auf. Sieben bis 14 Tage überlappen und mehrere Organe um- die einzige durch Impfung verhütbare, nach dem Zeckenstich können sich fassen können (Haut, Nervensystem, zeckenübertragene Infektion. Die durch aber in einer ersten unspezifischen Gelenke, Herz) und Differentialdiagno- sen müssen abgeklärt werden: Das frühe lokalisierte Stadium I, wozu das Erythema migrans (EM) gehört, welches von grippeähnlichen Allge- meinsymptomen begleitet werden kann. Das gleichzeitige Auftreten von mehreren EM weist auf eine Dissemi- nation der Infektion hin. Da das EM meist vor einer Serokonversion auf- tritt, sind serologische oder andere Untersuchungen meist nicht indiziert. Die Therapie der ersten Wahl für Erwachsene umfasst Doxyzyklin (2 × 100 mg p.o. für 10 Tage) oder Am- oxicillin (3 × 500 mg p.o. für 14 – 21 Tage). Detaillierte Angaben zur Dia- gnostik und Therapie liefern die Richt- linien der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie [10 – 12]. Beim frühen disseminierenden Stadi- Abbildung 1 Karte des Bundesamtes für Gesundheit (BAG): „Gebiete mit FSME- Impfempfehlung (ehemals Endemiegebiete) 2013: In „Rot“ sind die Gebiete mit um II ist eine Serologie indiziert, wel- Impfempfehlung für die FSME dargestellt. Diese Karte berücksichtigt die Daten des che in der Regel eine Sensitivität von obligatorischen Meldesystems seit 1984 und die Resultate von Studien zu infizier- 80 % aufweist. ten Zecken. Bei der diesjährigen Aktualisierung wurde die Karte der Endemiege- Beim späten oder chronischen Stadi- biete, Stand 2011, mit der Karte, welche die Gebiete mit lokalen Häufungen 2003 um III ist ebenfalls eine Serologie in- bis 2012 darstellt, abgeglichen. Das Resultat ist die untenstehende Karte, welche diziert und unter Umständen auch ein neu unter map.geo.admin.ch/?layers=ch.bag.zecken-fsme-impfung zu finden ist Erregernachweis mittels PCR. und Abfragen auf Gemeindeebene möglich macht.“
Therapeutische Umschau 2013; 70 (6): 353 – 358 Übersichtsarbeit 355 Krankheitsphase grippeartige Sympto- spezifisches Fieber, Kopfschmerzen Zeckenschutzmittel auf die Haut me entwickeln. Nach deren Abklingen und Myalgien bis hin zu neurolo- (DEET (N, N-Diethyl-m-Toluamid) oder und einer beschwerdefreien Zeit kommt gischen Manifestationen [21]. In der EBAAP (Ethyl-Butylacetylaminopropi- es bei 5 – 15 % der Erkrankten zum Be- Schweiz wurde für R. helvetica eine onat)) weist nur eine Effektivität von fall des zentralen Nervensystems mit Seroprävalenz von 11 % gefunden bei etwa 40 % auf und diese ist in den ers- Kopfschmerzen, Lichtscheu, Schwin- Patienten mit Zeckenstich und Fieber ten zwei Stunden nach Applikation am del, Konzentrations- und anderen neu- in der Anamnese [22]. größten [23]. Deshalb ist der Impräg- rologischen Störungen. Etwa 1 % der nierung der Kleidung mit einem In- Fälle mit neurologischen Manifestatio- sektizid den Vorrang zu geben. Nach nen verlaufen tödlich. Die Behandlung Prävention von Zeckenstichen und einem Aufenthalt in einem Endemie- erfolgt symptomatisch und supportiv Verhalten nach Zeckenstich gebiet wird empfohlen, Kleidung und [13]. Residuen sind bekannt. Körper nach Zecken abzusuchen, zu Um Zeckenstiche zu vermeiden oder baden oder duschen, allenfalls gefun- früh zu erkennen, müssen die Risiko- dene Zecken sofort zu entfernen und Anaplasmose faktoren bekannt sein. Dabei geht es die Stichstelle zu beobachten. einerseits um das Freizeitverhalten, Bei der humanen granulozytären Ana- welches auch die Haltung von Haus- plasmose (früher Ehrlichiose genannt) tieren umfasst und andererseits um die Hantavirus-Infektionen handelt es sich um eine Infektion mit berufliche Exposition. Beim Wandern dem obligat intrazellulären Bakterium, querfeldein in Endemiegebieten oder Hantaviren Anaplasma phagocytophilum, welches beim Rasten am Waldrand werden Ze- Anfang der 50er-Jahre erkrankten mehr sich in den Granulozyten vermehrt. In cken bis etwa 80 – 100 cm über dem als 3'000 Soldaten im Koreakrieg an der Nordwest- und Westschweiz liegt Boden von Pflanzen abgestreift oder einem unbekannten hämorrhagischen die Prävalenz von A. phagocytophilum haften sich an. Neben den Wanderern Fieber. Das 1977 isolierte Virus wurde in Zecken (Ixodes ricinus) zwischen gehören Waldarbeiter, Förster, Bauern, nach dem koreanischen Fluss Hantan- 1 % und 4 % [14, 15]. Für die etwas Orientierungsläufer, Rekruten, aber gang Hantaanvirus genannt. Seither über 100 Fälle, die bisher in Europa auch Halter von Hunden und Katzen wurden weltweit über 20 verschiedene beschrieben worden sind, war Fieber und Kinder, die sich oft außerhalb von Hantaviren isoliert. Sie gehören zur Fa- nach einem Zeckenstich charakteris- regelmäßig gepflegten Naturflächen milie der Bunyaviridae, werden aber als tisch, oft assoziiert mit einer Leukope- aufhalten, zu den Risikogruppen. Ih- bisher einzige dieser Familie nicht von nie und/oder Thrombozytopenie und nen wird das Tragen von hellen, langen Arthropoden auf den Menschen über- einem erhöhten C-reaktiven Protein und anliegenden Kleidern und Schu- tragen, sondern über die Inhalation [16]. In der Schweiz wurde erst ein ver- hen empfohlen. Das Auftragen eines von Staub, der mit virushaltigen Exkre- muteter Fall dokumentiert [14]. Da jedoch eine Seroprävalenz zwischen 13 % und 19 % gefunden wurde, verlau- Allgemeine Schutzmaßnahmen in Endemiegebieten umfassen: fen die meisten Infektionen vermutlich • Kein Verlassen der breiten Waldwege asymptomatisch [17, 18]. • Tragen von langer, heller und geschlossener Kleidung und Schuhen, wenn möglich imprägniert mit Insektizid • Kontrollieren der Kleidung und des Körpers auf Zecken (inklusive Axilla, Rickettsiosen Leiste, Kniekehle, Nacken, Kopf) • Kontrollieren der Hunde und Katzen auf Zecken, allenfalls präventive Die Gattung Rickettsia umfasst ver- Behandlung schiedene intrazelluläre, gram-negative • Duschen oder Baden nach Waldaufenthalt Bakterien. In der Schweiz kommt Ri- • Gefundene Zecken sofort entfernen, am besten mit einer Zeckenkarte ab- ckettsia helvetica am häufigsten vor [1] streichen. Allenfalls zurückbleibende Mundwerkzeuge der Zecken fallen und die Durchseuchung der Zecken von selbst heraus. Stichstelle desinfizieren und zusammen mit der umge- (Ixodes ricinus) beträgt zwischen 7 % benden Körperregion während 14 – 21 Tagen beobachten. Beim Auftreten und 36 % [19, 20]. Die klinischen Sym- von Fieber und/oder eines Erythema migrans einen Arzt aufsuchen. ptome beim Menschen beinhalten un-
Sabine Schmid, Eldar Aliyev, Olivier Engler, Margot Mütsch Unterwegs in der Schweiz – von Menschen, Mäusen und Zecken 356 Übersichtsarbeit menten von Nagetieren kontaminiert Diagnose: An die klinische Verdachts- denz 0.25/100'000 Einwohner). 2005, ist. Jede Hantavirusart hat ihr spezifi- diagnose schließt die Serologie mit IgM 2007 und 2010 waren Epidemiejahre sches Wirtstier und kommt in dessen respektive IgG ELISA Test an, der zu mit über 1000 gemeldeten Fällen. 2012 Verbreitungsgebiet vor [24, 25]. eher unspezifischen Resultaten führt. kam es erneut zu einer starken Zunah- Die Altwelt-Hantaviren verursachen Mit einem Immunoblot assay (IBA) me an Erkrankungen mit 2'656 gemel- ein hämorrhagisches Fieber mit Nie- und Immunofluoreszenz Test (IFA) deten Fällen (Inzidenz 2.73/100'000 renbeteiligung, die Neuwelt-Hantaviren wird die Diagnose bestätigt. Für die Einwohner) (Stand 14.11.2012) [30]. Amerikas ein hämorrhagisches Fieber Serotypisierung braucht es einen Vi- Betroffen war 2012 vor allem Baden- mit Lungen- und eventuell Herzbetei- rusneutralisationstest, der nur in Württemberg (Abb. 2). ligung mit hoher Letalität. Betroffen Speziallabors der Sicherheitsstufe 3 Die Epidemiejahre laufen parallel zur sind mehrheitlich Männer (Verhältnis durchgeführt wird. Zunahme der Mäusepopulation. Rötel- Männer: Frauen etwa 3:1) zwischen 30 Therapie: Keine kausale Therapie vor- mäuse ernähren sich primär von Buch- und 49 Jahren [26]. handen, supportive Maßnahmen. Ge- eckern; günstige Jahre für die Vermeh- In Europa sind die in den 80er-Jahren mäß Zahlen des Landesgesundheits- rung der Tiere sind die Mastjahre der entdeckten Puumala-Viren am häu- amtes Baden-Württemberg müssen Bucheckern (Jahre mit mildem Sommer figsten. Sie verursachen eine meist etwa 66 % der diagnostizierten Fälle und Herbst) [31]. Die Größe der Mäuse- milder verlaufende Krankheit, die Ne- hospitalisiert werden und 3 % benöti- population ist natürlich auch abhängig phropathia endemica. gen eine Dialyse [27]. von der Wintersterblichkeit, das heißt, einerseits vom Ernährungszustand der Nephropathia epidemica Hantaviren im benachbarten Ausland Mäuse und andererseits auch von den Symptome: Die Krankheit beginnt nach Die Nephropathia epidemica war seit Temperaturen im Winter [32]. Die Ende- einer durchschnittlichen Inkubations- ihrer Entdeckung vor allem eine aus miegebiete scheinen sich mit der Wan- zeit von 2 bis 4 Wochen schlagartig mit Skandinavien (Schweden und Finnland) derung der männlichen Mäuse auszu- hohem Fieber, Kopfschmerzen, Abdomi- importierte Krankheit [28]. In Mittel- dehnen. Das Beobachten der Zunahme nal-, Flanken- oder Rückenschmerzen. europa (vor allem Deutschland, Frank- der Mäusepopulationen könnte allen- Die Patienten können ein akutes, rever- reich, Belgien und weniger Österreich) falls als Frühwarnsystem dienen [33]. sibles Nierenversagen entwickeln mit ist die Nephropathia epidemica seit Oligurie, einem Serumkreatininanstieg, etwa 10 Jahren auf dem Vormarsch. In Prävention [26] Proteinurie und Mikrohämaturie. Im Frankreich und Deutschland nehmen Das Risiko für eine Infektion besteht Labor findet sich neben allgemeinen nicht nur die gemeldeten Fälle zu, son- beim Camping oder bei einem Aufent- Entzündungszeichen eine Thrombozy- dern die Gebiete mit Erkrankungen halt in, beziehungsweise beim Reinigen topenie. Nach einer polyurischen Phase dehnen sich – vor allem Richtung Sü- von selten benutzten Waldhütten oder folgt die eventuell mehrwöchige Rekon- den – aus [29]. Hantavirus-Infektionen Gartenhäusern. Beim Reinigen wird valeszenz. Die Krankheit kann sehr mild sind seit 2001 in Deutschland mel- mit Nagerexkrementen infizierter verlaufen und ist wahrscheinlich stark depflichtig. Durchschnittlich werden Staub aufgewirbelt und eingeatmet. unterdiagnostiziert [26]. etwa 200 Fälle pro Jahr gemeldet (Inzi- Seltener wird das Virus durch einen Mäusebiss übertragen. Deshalb lauten 450 die Empfehlungen: 400 • Staub vor dem Wischen anfeuchten 350 • Tote Mäuse und Mäusekot vor dem 300 Entfernen desinfizieren und nicht 250 200 mit bloßen Händen berühren 150 • Tragen einer Feinstaubmaske 100 • Das Verhindern einer Infestation mit 50 Nagetieren wäre die ursächlichste 0 Prävention, ist aber nur selten mög- 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 1 4 7 10 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 lich. Unter anderem ist es zu vermei- den, Lebensmittel oder Abfälle her- Abbildung 2 An das RKI übermittelte Hantavirus-Fälle (Referenzdefinition) nach umliegen zu lassen. Meldemonat und -jahr seit 2002, Deutschland; Stand: 1.3.2012 • Keine Wildtiere als Haustiere
Therapeutische Umschau 2013; 70 (6): 353 – 358 Übersichtsarbeit 357 Und in der Schweiz? area of the tick bite has to be observed populations carrying Candidatus Fälle von Nephropathia epidemica sind and a physician visit is strongly urged Neoehrlichia mikurensis in Eastern in der Schweiz äußerst selten und häufig in case of rising fever and/or of ery- Switzerland. J Clin Microbiol 2012, importiert [28, 34]. Im Nordosten der published ahead of print on 31 thema migrans. Schweiz wurde 2002/2003 eine sero- October 2012. logische Studie durchgeführt, in wel- Hantavirus infections: Nephropathia 5. Lommano E, Bertaiola L, Dupas- cher eine Seroprävalenz von 0.5 % ge- epidemica is a zoonosis caused by the quier C, Gern L. Infections and co- funden wurde (in Deutschland circa Puumala type of hantavirus and trans- infections of questing Ixodes rici- 1 %) [35]. Eine Meldepflicht für hämor- mission occurs by inhaling aerolized nus ticks by emerging zoonotic rhagische Fieber mit der Untergruppe excretions of the bank vole. There is no pathogens in Western Switzerland. Hantaviren besteht in der Schweiz seit Appl Environ Microbiol 2012; 78: known human to human transmis- dem 1.12.1987. 4606 – 12. Ist die Schweiz tatsächlich eine Insel, sion. The incidence of this infection 6. Jouda F, Perret JL, Gern L. Density durch den Rhein und andere Gewässer varies in a cyclic fashion and typical of questing Ixodes ricinus nymphs vor infizierten Mäusen aus dem betrof- clinical symptoms include sudden on- and adults infected by Borrelia fenen Ausland geschützt, oder werden set of fever, headache, abdominal and burgdorferi sensu lato in Switzer- Fälle von Nephropathia epidemica, be- back pain and transient renal impair- land: spatio-temporal pattern at a dingt durch ihr offensichtlich seltenes regional scale. Vector Borne Zo- ment with initial oliguria and later Vorkommen, nicht oder nur selten er- onotic Dis 2004; 4: 23 – 32. kannt? Für das nächste Hantavirus- polyuria. At-risk activities include 7. Rauter C, Hartung T. Prevalence of Epidemiejahr im nahen Ausland ist camping and cleaning of rodent infes- Borrelia burgdorferi sensu lato eine Studie zur Sensibilisierung und tations. In these cases, face masks genospecies in Ixodes ricinus ticks Früherkennung in Vorbereitung. Mit should be worn and the excretions be in Europe: a metaanalysis. Appl der Möglichkeit, dass sich die Nephro- moistened before cleaning is started. Environ Microbiol 2005; 71: pathia epidemica weiter nach Süden 7203 – 16. In Germany, 2 – 3 years-cycles of out- ausdehnt und auch die Schweiz errei- 8. Stanek G, Wormser GP, Gray J, Strie chen könnte, sollte gerechnet werden! breaks were observed between 2005 F. Lyme borreliosis. Lancet 2012; and 2012 with regional clusters ap- 379: 461 – 73. proaching Switzerland. Therefore, 9. Bundesamt für Gesundheit (BAG). En route in Switzerland – tick-borne disease awareness of physicians and Aktuelle Lage: Geschätzte Fälle and hantavirus infections infection surveillance are essential. von Arztbesuchen wegen Zecken- stich bzw. Lyme-Borreliose, sowie Tick-borne infections are endemic in Fälle von FSME in der Schweiz – Switzerland with borreliosis being the Literatur Woche 42/2012. Stand: 25.10.2012. most frequent one, followed by the 10. Evison J, Aebi C, Francioli P et al. vaccine-preventable tick-borne enceph- 1. Gern L, Lienhard R, Péter O. Mala- Abklärung und Therapie der Lyme- alitis and more rarely by anaplasmosis, dies et agents pathogènes transmis Borreliose bei Erwachsenen und rickettsioses and babesiosis. Short par les tiques en Suisse. Rev Med Kindern. Teil 1: Epidemiologie und Suisse 2010; 6: 1906 – 9. Diagnostik. Schweiz Aerzteztg characteristics of these infections are 2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). 2005; 86: 2332 – 8. presented. The main preventive meas- Wie gefährlich sind Zeckenstiche? 11. Evison J, Aebi C, Francioli P et al. ures for stays in endemic regions in- Januar 2012. Abklärung und Therapie der Lyme- clude not leaving forest tracks and 3. Fehr JS, Bloemberg GV, Ritter C et al. Borreliose bei Erwachsenen und wearing closely fitted clothes and Septicemia caused by tick-borne Kindern. Teil 2: Klinik und The- shoes, impregnated with an insecticide. bacterial pathogen Candidatus rapie. Schweiz Aerzteztg 2005; 86: Neoehrlichia mikurensis. Emerg 2375 – 84. Following at-risk activities, clothes as Infect Dis 2010; 16: 1127 – 29. 12. Evison J, Aebi C, Francioli P et al. well as the body should be searched 4. Maurer FP, Keller PM, Beuret C et Abklärung und Therapie der Lyme- for ticks and they have to be removed al. Close geographic association of Borreliose bei Erwachsenen und using a tick removing tool. The body human neoehrlichiosis and tick Kindern. Teil 3: Prävention, Schwan-
Sabine Schmid, Eldar Aliyev, Olivier Engler, Margot Mütsch Unterwegs in der Schweiz – von Menschen, Mäusen und Zecken 358 Übersichtsarbeit gerschaft, Immundefizienz, Post- Ixodes ticks. Appl Environ Micro- landsaufenthalt. Schweiz Med Fo- Lyme-Syndrom. Schweiz Aerzteztg biol 2009; 75: 3230 – 7. rum 2004; 137: 482 – 4. 2005; 86: 2422 – 8. 21. Nilsson K, Elfving K, Pahlson C. 29. Essbauer SS, Schmidt-Chanasit J, 13. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Rickettsia helvetica in patients with Madeja EL et al. Nephropathia Merkblatt zur Frühsommer-Me- meningitis, Sweden 2006. Emerg epidemica in a metropolitan area, ningoenzephalitis (FSME)/Zecke- Infect Dis 2010; 16: 490 – 2. Germany. Emerg Infect Dis 2007; nenzephalitis 2011. 22. Baumann D, Pusterla N, Péter O et 13: 1271 – 3. 14. Lienhard R, Tritten ML, Siegrist al. [Fever after a tick bite: clinical 30. Hantavirus – Erkrankungen: Hin- HH, Gern L, First case of Anaplas- manifestations and diagnosis of weise auf Anstieg der Fallzahlen in ma phagocytophilum seroconver- acute tick bite-associated infec- 2012. Epidemiologisches Bulletin sion and seroepidemiology in tions in northeastern Switzerland]. des RKI; 12.3.2012, Nr 10. northern Switzerland. Poster ICLB Dtsch Med Wochenschr 2003; 128: 31. Semenza JC, Menne B. Climate Ljubljana 2010, 2010. 1042 – 7. change and infectious diseases in 15. Liz JS, Anderes L, Sumner JW et al., 23. Staub D, Debrunner M, Amsler L, Europe. Lancet Infect Dis 2009; 9: PCR detection of granulocytic ehr- Steffen R. Effectiveness of a repel- 365 – 75. lichiae in Ixodes ricinus ticks and lent containing DEET and EBAAP 32. Heyman P, Ceianu CS, Christova I wild small mammals in western for preventing tick bites. Wilder- et al. A five-year perspective on the Switzerland. J Clin Microbiol 2000; ness Environ Med 2002; 13: situation of haemorrhagic fever 38: 1002 – 7. 12 – 20. with renal syndrome and status of 16. Hildebrandt A, Krämer A, Sachse S, 24. Krüger DH, Ulrich R, Schütt M, the hantavirus reservoirs in Eu- Straube E. Detection of Rickettsia Meisel H. Hantavirusinfektionen rope, 2005 – 2010. Euro Surveill spp. and Anaplasma phagocytophi- als Ursache des akuten Nierenver- 2011; 16 (36). lum in Ixodes ricinus ticks in region sagens. Dtsch Arztebl 2002; 99: A 33. Kurth N. Forscher planen Früh- of Middle Germany. Ticks Tick 645 – 651 [Heft 10]. warnsystem gegen Hantavirus. Borne Dis 2010; 1: 52 – 6. 25. Iowa State University, Center for Spiegel online 23.5.2012. 17. Brouqui P, Dumler JS, Lienhard R et Food Security and Public Health, 34. Schultze D, Schumacher Rojanawi- al. Human granulocytic ehrlichio- Factsheet about Hantavirus. http:// sut B, Krüger DH et al. Erste in der sis in Europe. Lancet 1995; 346: www.cfsph.iastate.edu/Disease- Schweiz erworbene Nephropathia 782 – 3. Info/disease.php?name=hantavirus epidemica. Forum Med Suisse 2008; 18. Pusterla N, Weber R, Wolfensberger &lang=en (abgefragt am 17.12.2012). 8: 595 – 7. C, Schär G. Serological evidence of 26. Ratgeber des Robert Koch Institutes 35. Schultze D, Fierz W, Matter HC et human granulocytic ehrlichiosis in (RKI) Deutschland. Merkblatt Han- al. Cross-sectional survey on hanta- Switzerland. Eur J Clin Microbiol taviren. http://www.rki.de/DE/Con- virus seroprevalence in Canton St. Infect Dis 1998; 17: 207 – 9. tent/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/ Gallen, Switzerland. Swiss Med 19. Burri C, Dupasquier C, Bastic V, Ratgeber_Hantaviren.html;jsessioni Wkly; 2007; 137: 21 – 6. Gern L, Pathogens of emerging d=55F0443D630FC2A8FF252849A9 tick-borne diseases, Anaplasma BE72A3.2_cid241?nn=2374512#doc phagocytophilum, Rickettsia spp., 2397634bodyText (abgefragt am Korrespondenzadresse and Babesia spp., in Ixodes ticks 17.12.2012). collected from rodents at four sites 27. Winter CH, Brockmann SO, Piecho- PD Dr. Margot Mütsch, PhD, MPH in Switzerland (Canton of Bern). towski I et al. Survey and case-con- Universität Zürich Vector Borne Zoonotic Dis 2011; trol study during epidemics of Institut für Sozial- und 11: 939 – 44. Puumala virus infection. Epidemiol Präventivmedizin 20. Boretti FS, Perreten A, Meli ML, Infect 2009 Mar 17: 1479 – 85. Hirschengraben 84 Cattori V, et al. Molecular investiga- 28. Schultze D, Fierz W, Winiger U, 8001 Zürich tions of Rickettsia helvetica infec- Schmidli M. Interstitielle Nephritis tion in dogs, foxes, humans, and durch ein Hantavirus nach Aus- muetsch@ifspm.uzh.ch
Sie können auch lesen