US-Steuerreform 2018 Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland - Stellungnahme 01/2019 - Bundesfinanzministerium
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Stellungnahme 01/2019 US-Steuerreform 2018 Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland
US-Steuerreform 2018 Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen Stellungnahme 01/2019
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 3 Inhalt Seite Kurzfassung 5 1. Überblick 7 2. Steuerpolitisches Umfeld 8 2.1 Steuerreform in den USA 8 2.2 Steuersatzsenkungen in der OECD 9 3. Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik 11 3.1 Investitionswirkungen der Gewinnsteuern 11 3.2 Senkung des Satzes der Körperschaftsteuer 15 3.3 Ergänzende Maßnahmen im System der Unternehmensbesteuerung 18 3.3.1 Anpassung der Hinzurechnungsbesteuerung 18 3.3.2 Eigen- und Fremdfinanzierung der Kapitalgesellschaften 19 3.3.3 Besonderer Einkommensteuersatz für nicht entnommene Gewinne von Personenunternehmen 20 3.4 Steuerliche Förderung von F&E 21 3.5 Beschleunigte Abschreibung 22 4. Aufkommens- und Verteilungswirkungen 24 5. Zusammenfassung 27 6. Literaturverzeichnis 29 Verzeichnis der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats 34
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Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 5 Kurzfassung Die Steuersätze für Gewinne der Kapital- OECD-Durchschnitt liegen und in etwa gesellschaften fallen weltweit. Im Jahr 2018 die durchschnittliche US-Steuerbelastung haben die USA diesen Steuersatz von etwa erreichen. Eine Abschaffung des 39 % auf etwa 26 % gesenkt. Der entspre- Solidaritätszuschlags ist demgegenüber chende Steuersatz in Deutschland hat sich weniger geeignet, die steuerlichen entgegen dem internationalen Trend seit Standortbedingungen zu verbessern: dem Jahr 2008 aufgrund der gestiegenen Sie würde die Steuerbelastung Gewerbesteuer im Bundesdurchschnitt von von Kapitalgesellschaften auf rund 30 % auf rund 31 % erhöht. Der mitt- Unternehmensebene um lediglich lerweile vergleichsweise hohe deutsche Ge- 0,83 Prozentpunkte reduzieren. winnsteuersatz schafft Anreize, Investitio- Eine Senkung des Körperschaftsteuersat- nen und Gewinne in Staaten mit niedrige- zes erfordert Anpassungen im System der ren Gewinnsteuern zu verlagern. Unternehmensbesteuerung: Um einer Verlagerung von Investitionen und Gewinnen in andere Staaten entgegen- • Bei der Hinzurechnungsbesteuerung zuwirken, schlägt der Wissenschaftliche Bei- sollte der Steuersatz, der eine niedrige rat folgende Maßnahme vor: Besteuerung im Ausland anzeigt, dem Satz der Körperschaftsteuer gleichen. • Der tarifliche Satz der Körperschaftsteuer sollte von zurzeit 15 % auf 10 % • Die Abgeltungsteuer sollte beibehalten gesenkt werden. Bei unverändertem werden, um nicht starke Anreize zum Solidaritätszuschlag und gegebenen Einbehalt von Gewinnen zu schaffen. gewerbesteuerlichen Regelungen ergibt sich dann eine tarifliche • Der Einkommensteuersatz für Gewinnsteuerbelastung der nicht entnommene Gewinne von Kapitalgesellschaften von rund 25 %. Personenunternehmen sollte auf 25 % Damit würde Deutschland nur noch gesenkt werden. knapp über dem für 2020 zu erwartenden
Seite 6 Kurzfassung • Die steuerliche Förderung von Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) würde Deutschland als Standort für F&E attraktiver machen. • Eine beschleunigte steuerliche Abschreibung würde die Investitionsbedingungen aller Unternehmen in Deutschland verbessern. Die Umsetzung dieser Vorschläge besei- tigt nicht die grundlegenden Probleme der deutschen Unternehmensbesteuerung. Die Senkung des Satzes der Körperschaftsteuer verstärkt das Gewicht der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist aber eine anerkannt problematische Steuer. Im internationalen Steuerwettbewerb ist eine umfassende Re- form der Unternehmensbesteuerung not- wendig, die weitgehende Investitions-, Fi- nanzierungs- und Rechtsformneutralität gewährleistet. Dazu hat der Wissenschaft- liche Beirat schon mit seinem Gutachten (2004) zur Flat Tax und zur Dualen Einkom- mensteuer geeignete Alternativen geprüft.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 7 1. Überblick Die Steuersätze für Gewinne der Kapital- verbessern. Da Deutschland im Jahr 2020 gesellschaften fallen weltweit. Im Jahr 2018 den höchsten Steuersatz für Gewinne der haben die USA diesen Steuersatz von etwa Kapitalgesellschaften in der OECD aufwei- 39 % auf etwa 26 % gesenkt. Der entspre- sen wird – vorausgesetzt die für die beiden chende Steuersatz in Deutschland hat sich kommenden Jahre von anderen Staaten entgegen dem internationalen Trend seit angekündigten oder bereits beschlosse- dem Jahr 2008 aufgrund der gestiegenen nen Steuerreformen treten in Kraft – ist die Gewerbesteuer im Bundesdurchschnitt von wichtigste Maßnahme eine deutliche Ab- rund 30 % auf rund 31 % erhöht. Der mitt- senkung dieses Steuersatzes. lerweile vergleichsweise hohe deutsche Ge- winnsteuersatz schafft Anreize, Investitio- nen und Gewinne in Staaten mit niedrige- ren Gewinnsteuern zu verlagern. Basierend auf einem Maßnahme-Paket der OECD hat die Europäische Union eine Richtlinie zur Bekämpfung internationaler Gewinnverla- gerungen beschlossen. Wenn diese Maßnah- men greifen und es deswegen für Unterneh- men schwieriger wird, Gewinne zu verla- gern, nimmt der Anreiz für diese Unterneh- men zu, stattdessen vermehrt Investitionen in Staaten mit niedrigen Gewinnsteuern zu verlagern. Es ist nicht auszuschließen, dass dies zu Lasten der Investitionen in Deutsch- land gehen würde. Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt deswegen, die steuerlichen Investitionsbedingungen in Deutschland zu
Seite 8 Steuerpolitisches Umfeld 2. Steuerpolitisches Umfeld 2.1 Steuerreform in den USA Gleichzeitig werden aber eine Beschrän- kung für den Zinsabzug eingeführt (Zins- schranke von 30 % des EBITDA, ab dem Jahr Zum 1. Januar 2018 trat in den USA der „Tax 2022 von 30 % des EBIT) und der (nunmehr) Cuts and Jobs Act“1 in Kraft. Die Reform2 ist zeitlich unbegrenzte Verlustvortrag betrags- umfangreich. Zu ihren zentralen Elemen- mäßig begrenzt (auf 80 % des zu versteuern- ten gehört die Absenkung des Steuersatzes den Einkommens). des Bundes (Federal Corporate Tax Rate) Die USA geben zudem als einer der we- für Gewinne der Kapitalgesellschaften von nigen verbliebenen Staaten die Besteue- 35 % auf 21 %. Dieser Bundessteuersatz er- rung ausgeschütteter, im Ausland erzielter höht sich noch um Steuern der Bundesstaa- Gewinne von Kapitalgesellschaften auf und ten (State Income Taxes), die als Ausgaben gehen stattdessen zu der international ver- bei der Bundessteuer abzugsfähig sind. Im breiteten Freistellung dieser Gewinne über. Durchschnitt ergibt sich daraus eine tarifli- Gegen die internationale Gewinnverlage- che Steuerbelastung des Gewinns von etwa rung richtet sich die Base Erosion Anti-Ab- 26 %.3 Zusätzlich entlastend wirkt die So- use Tax (BEAT). Besteuert wird hier der Ge- fortabschreibung bestimmter materieller winn zuzüglich bestimmter Zahlungen an Wirtschaftsgüter, die bis zum Jahr 2022 er- ausländische verbundene Unternehmen; worben werden. der Steuersatz der BEAT beträgt 5 % im Jahr 2018, 10 % ab dem Jahr 2019 und steigt ab 1 Vgl. 115th Congress of the United States of dem Jahr 2026 auf 12,5 %.4 Bemerkenswert America (2017). sind zwei neue Steuerregime für im Ausland 2 Vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche erwirtschaftete Gewinne aus Immaterialgü- Dienste (2018) oder Gsödl/Schmid (2018) zu den Details dieser Reform. tern einer US-Kapitalgesellschaft: zum ei- 3 Vgl. PwC (2018); die Steuersätze liegen zwi- nen ein Präferenzregime (Foreign-Derived schen 0 % und 12 %. Die Steuerbasis der State Intangible Income, FDII) und zum anderen Income Tax ist meist das Federal Taxable Income, ein Abwehrregime (Global Intangible Low- das aber gewöhnlich vom jeweiligen Staat mo- difiziert und auf der Grundlage einer von diesem Taxed Income, GILTI). Die effektive Steuer- Staat gewählten Formel diesem Staat zugeordnet wird. Legt man einen Satz der State Income Tax von 6,0 % zugrunde, so erhält man eine Gewinnsteuer- belastung von (gerundet) 25,7 % [= 0,21 + (1 – 0,21) 4 Insbesondere die Kosten für den Wareneinsatz ·0,06]. Bei dem Bundeseinkommensteuersatz von (Cost of Goods Sold) bleiben abzugsfähig; liegt die 35 %, der vor der Reform in der Spitze galt, ergab Steuer auf den Gewinn der US-Kapitalgesellschaft sich eine vergleichbare Gewinnsteuerbelastung von unter der BEAT, so ist die höhere Steuer zu zahlen. 38,9 % [= 0,35 + (1 – 0,35) · 0,06].
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 9 belastung für FDII beträgt 13,1 % (16,4 % ab matisch ansteigen. Der US-Dollar wertete dem Jahr 2026); die Steuer auf GILTI greift, auf, die Realzinsen schossen in die Höhe, die wenn der ausländische Steuersatz 13,1 % Leistungsbilanzdefizite weiteten sich aus unterschreitet (16,4 % ab dem Jahr 2026). und viele lateinamerikanische Staaten ge- Die ökonomischen Auswirkungen für rieten durch den induzierten Kapitalabfluss die USA werden unterschiedlich einge- in Schwierigkeiten. Ähnliche Effekte deu- schätzt.5 Im Rahmen eines dynamischen ten sich auch infolge der aktuellen Steuer- numerischen Gleichgewichtsmodells mit reform an. 17 Regionen kommen Benzell/Kotlikoff/ Lagarda (2017) zu dem Ergebnis, dass die Wirtschaftsleistung in den USA zunimmt. 2.2 Steuersatzsenkungen in Sie schätzen, dass das BIP in den USA bis der OECD 2025 gegenüber einem Referenzpfad ohne Steuerreform um rund 4 % höher ausfallen Die markante Steuersatzsenkung in den wird, wobei eine Ursache erhebliche Kapi- USA fügt sich ein in das Bild sinkender Steu- talzuflüsse aus dem Ausland sind. Nach den ersätze in der OECD. Abbildung 1 zeigt für Berechnungen der Autoren ist der „Tax Cuts den Zeitraum 2001 bis 2020 sinkende Kör- and Jobs Act“ weitgehend aufkommens- perschaftsteuersätze (inkl. lokaler Steuern) neutral. Demgegenüber ist Furman (2017), einiger großer Mitgliedstaaten der OECD. der frühere Vorsitzende des Council of Eco- Italien hat im Jahr 2017 seinen Steuersatz nomic Advisers, wesentlich skeptischer. Er von 31,3 % auf 27,8 % gesenkt; das Verei- geht von vergleichsweise geringen Wachs- nigte Königreich wird im Jahr 2020 einen tumseffekten innerhalb des nächsten Jahr- Steuersatz von 17 % aufweisen; Frankreich zehnts aus, die langfristig wegen der durch plant für das Jahr 2020 (2022) eine Senkung die Steuerreform steigenden Staatsverschul- des Steuersatzes auf 28,9 % (25,8 %); die Nie- dung sogar negativ werden könnten.6 derlande wollen im Jahr 2021 den Steuer- Im Hinblick auf historische Erfahrungen satz von 25 % auf 21 % senken.7 Der durch- sind die wirtschaftlichen Effekte des von schnittliche Körperschaftsteuersatz der Mit- der Reagan-Regierung im Jahr 1981 einge- gliedstaaten der OECD wird im Jahr 2020 führten „Economic Recovery Tax Act“ inte- voraussichtlich bei 23,4 % liegen. Der Ab- ressant. Die damalige umfassende Steuerre- stand des deutschen Steuersatzes von 31 %8 form beinhaltete eine starke Verbesserung zum Steuersatz wichtiger Standorte für In- der steuerlichen Abschreibungsbedingun- vestitionen deutscher Unternehmen (insbe- gen bis hin zur Sofortabschreibung und eine sondere zu den USA) ist somit erheblich. erhebliche Senkung der Steuersätze auf Ein- kommen und Unternehmensgewinne. Dies löste zunächst eine fulminante wirtschaft- 7 Eine Reihe von weiteren Mitgliedstaaten der OECD hat im Jahr 2018 die Steuersätze gesenkt liche Erholung aus, ließ aber die staatli- (Belgien von 34 % auf 29,9 %, Luxemburg von chen Defizite in den folgenden Jahren dra- 27,1 % auf 26 %, Norwegen von 24 % auf 23 %, Schweden von 22 % auf 20 %) oder Steuersatzsen- kungen angekündigt (Australien von 30 % auf 25 % 5 Besonders deutlich wird das in dem Beitrag bis zum Jahr 2027, Belgien von 29,9 % auf 25,8 % von Barro/Furman (2018), in dem die Autoren die im Jahr 2020 und Griechenland von 29 % auf 26 % Ergebnisse ein und desselben Modells in getrenn- im Jahr 2019). ten Zusammenfassungen unterschiedlich interpre- 8 Die tarifliche Belastung von 31 % (gerundet) tieren. ergibt sich aus 15 % Körperschaftsteuer, 5,5 % Soli- 6 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung daritätszuschlag zur Körperschaftsteuer und (rund) der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2018), 15 % Gewerbesteuer (bei einem Hebesatz von S. 293 zu einem Überblick über Schätzungen zu 435 %). Die Hebesätze der Gewerbesteuer lagen den Auswirkungen des „Tax Cuts and Jobs Act“ auf im Jahr 2017 in großen Städten über 435 %, sodass das US-amerikanische BIP. auch höhere tarifliche Belastungen möglich sind.
Seite 10 Steuerpolitisches Umfeld Abbildung 1: Entwicklung der Körperschaftsteuersätze (inkl. lokaler Steuern) in ausgewählten Mitgliedstaaten der OECD 45% 40% Körperschaftsteuersatz (inkl. lokaler Steuern) 35% Deutschland Japan 30% Frankreich Italien USA 25% OECD-Durchschnitt Vereinigtes Königreich 20% 15% Entwicklung der Körperschaftsteuersätze (inkl. lokaler Steuern) der sechs größten OECD-Mitgliedstaaten. Der OECD-Durch- schnitt ist als ungewichteter Mittelwert über alle 35 OECD-Mitgliedstaaten berechnet (Stand der OECD-Mitgliedschaft: Januar 2018). Geplante Reformen des Körperschaftsteuersatzes bis 2020 sind abgebildet. Quellen: OECD.Stat: Tax Database, Table II.1 (http://stats.oecd.org, Zugriff: 30.04.2018), Statistisches Bundesamt: Statistik über den Realsteuervergleich (https://www.desta- tis.de, Zugriff: 30.04.2018).
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 11 3. Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik 3.1 Investitionswirkungen von der Bemessungsgrundlage einer Steuer der Gewinnsteuern beeinflusst, während die EATR wesentlich vom tariflichen Steuersatz bestimmt wird Fundamentale Faktoren, wie die Qualifi- (und gegen selbigen konvergiert, wenn die kation der Arbeitskräfte, die Infrastruktur, Profitabilität des betrachteten Projektes die Garantie der Eigentumsrechte und die sehr hoch ist, siehe Devereux/Griffith (2003) ökonomische Stabilität sind zentral bei der und Schreiber/Spengel/Lammersen (2002)). Wahl eines Standorts für Investitionen. Aber Da die EATR für Standortentscheidungen auch den Steuern kommt eine erhebliche relevant ist, hat der tarifliche Steuersatz eine Bedeutung zu. Ein Staat, der vergleichsweise wichtige Signalwirkung für Investoren.9 niedrige Gewinnsteuern aufweist, schafft Die empirische Steuerforschung lässt günstige Bedingungen für international kaum einen Zweifel, dass Gewinnsteuern mobile Investitionen. Denn internationale Einfluss auf internationale Standort- und Standort- und Investitionsentscheidungen Investitionsentscheidungen nehmen.10 Die hängen auch von der effektiven Gewinn- geschätzten Effekte sind über die Studien steuerlast eines Unternehmens ab, die über hinweg zwar nicht einheitlich, es findet sich den tariflichen Steuersatz der relevanten aber in fast allen Arbeiten ein statistisch Steuern (etwa Bundessteuern und lokale signifikanter und quantitativ relevanter Steuern) und deren Bemessungsgrundla- negativer Zusammenhang zwischen der gen bestimmt ist. Bei der Messung der steu- Gewinnsteuerbelastung und der gemes- erlichen Belastung von Investitionen wird senen Höhe der ausländischen Direktin- zwischen dem effektiven Grenzsteuersatz vestitionen. Eine Meta-Analyse von Feld/ (Effective Marginal Tax Rate, EMTR) und Heckemeyer (2011) findet, basierend auf 704 dem effektiven Durchschnittssteuersatz (Ef- Schätzungen in 45 Studien, für Direktinves- fective Average Tax Rate, EATR) unterschie- titionen eine durchschnittliche Semi-Elas- den. Die EMTR beeinflusst die Höhe der In- tizität von -2,55; danach reduziert also ein vestition an einem gegebenen Standort. Die EATR ist maßgeblich für die Wahl zwischen 9 Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat beim Bun- desministerium der Finanzen (1998) zur Bedeutung vorteilhaften Investitionsvorhaben, bei- der tariflichen Gewinnsteuersätze für die Standort- spielsweise für die Entscheidung, eine Di- und Investitionsentscheidungen der Unternehmen. rektinvestition in Deutschland oder in den 10 Vgl. Devereux/Griffith (2003); de Mooij/Eder- veen (2008); Feld/Heckemeyer (2011); Heckemeyer/ USA anzusiedeln. Die EMTR wird stärker Overesch (2012):
Seite 12 Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik Anstieg des relevanten Steuersatzes in ei- che Konsequenzen ein durch sinkende Ge- nem Staat um einen Prozentpunkt (etwa winnsteuersätze ausgelöster Anstieg der von 30 % auf 31 %) die ausländischen Direk- Investitionen in diesen Staaten für Investiti- tinvestitionen in diesem Staat um 2,55 %. onen in Deutschland hat. Die empirische Literatur zeigt hierbei, dass Sinkende Gewinnsteuersätze im Ausland insbesondere die EATR und die tariflichen vermindern die Attraktivität Deutschlands Steuersätze die Höhe ausländischer Direk- als Investitionsstandort im internationalen tinvestitionen maßgeblich beeinflussen. Die Vergleich. Für multinationale Unternehmen EMTR und steuerliche Abschreibungsre- ergibt sich somit ein Anreiz, Investitionen geln spielen im Vergleich dazu eine weni- im Ausland zu erweitern. Ist das weltweite ger bedeutende Rolle.11 Zudem findet sich Investitionsvolumen einer Unternehmung Evidenz, dass sich die Steuerreagibilität von fixiert, werden Investitionen vom Inland Direktinvestitionen zwischen Sektoren un- ins Ausland verschoben, und es besteht da- terscheidet und zudem davon abhängt, ob mit die berechtigte Sorge, dass insbesondere Investitionen neuen Kapitals (Greenfield In- die US-Steuerreform zu Lasten der Inves- vestment) oder Übernahmen bestehender titionen in Deutschland geht. Ist das welt- Unternehmen (Mergers & Acquisitions) be- weite Investitionsvolumen multinationa- trachtet werden.12 Overesch/Wamser (2009) ler Unternehmen hingegen variabel, kann ermitteln (auf der Grundlage von EATR) auch der gegenteilige Effekt eintreten: Sind eine Semi-Elastizität von -2,47 im verarbei- Investitionen an verschiedenen Unterneh- tenden Sektor; für den Dienstleistungssek- mensstandorten Komplemente, kann eine tor finden die Autoren eine deutlich gerin- Gewinnsteuersenkung und die dadurch gere Semi-Elastizität von -1,31. Hebous/Ruf/ induzierte Investitionsausweitung an ei- Weichenrieder (2011) zeigen, dass Greenfield nem Standort (im Kontext der US-Steuer- Investments deutlich höhere Steuerelastizi- reform also eine Investitionsausweitung in täten aufweisen als Mergers & Acqusitions. den USA) die Investitionen an einem ande- Greenfield Investments erhöhen zudem ren Standort (beispielsweise in Deutschland) den Kapitalstock einer Ökonomie plausib- auch erhöhen. ler Weise stärker als Mergers & Acquisitions. Darüber hinaus könnten US-Unterneh- Mit Blick auf die starke Absenkung der men Investitionen ihrer Tochtergesellschaf- Gewinnsteuerbelastung in den USA und ten in Deutschland ausweiten und diese In- sinkende Gewinnsteuersätze in anderen vestitionen mit Fremdkapital finanzieren. Mitgliedstaaten der OECD lässt sich somit Dadurch könnten sie der deutschen Ge- festhalten, dass mit einem steuerbeding- winnsteuer ausweichen und den niedrige- ten Anstieg der Investitionen insbesondere ren Steuersatz in den USA nutzen (sofern Sie in den USA, aber auch in anderen Mitglied- dabei in Deutschland auf keine steuerliche staaten der OECD, gerechnet werden muss. Restriktion für den Zinsabzug stoßen). Posi- Indes ist aus theoretischer Sicht unklar, wel- tive Investitionswirkungen in Deutschland können sich zudem auch daraus ergeben, 11 Vgl. Feld/Heckemeyer (2011). dass deutsche Unternehmen von positi- 12 Greenfield Investments sind Investitionen in ven Nachfrageeffekten der US-Steuerreform neues Kapital, während bei ausländischen Mergers & Acquisitions Teile des bestehenden Kapitalstocks profitieren. einer Ökonomie übernommen werden. Auch letz- tere können allerdings positive Wohlfahrtseffekte entfalten: Im Nachgang zu Unternehmensüber- nahmen können neue Kapitalinvestitionen getätigt oder über Synergien positive Produktivitätseffekte erzielt werden (siehe bspw. Calderon/Loayza/Ser- ven (2004)).
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 13 Die empirische Evidenz zu diesen theo- Das Zentrum für Europäische Wirt- retischen Zusammenhängen ist nicht klar.13 schaftsforschung (ZEW) hat eine quantita- Zwar darf als empirisch gesichert gelten, tive Analyse der zu erwartenden Investiti- dass die Besteuerung im Zielland ausländi- onseffekte der US-Steuerreform vorgelegt. scher Direktinvestitionen auf die Höhe die- Das ZEW schätzt mittels empirisch beleg- ser Direktinvestitionen wirkt. Jedoch ist ter Steuerelastizitäten auf der Grundlage nicht völlig klar, ob einer steuerinduzierten des Bestandes deutscher Direktinvestition Erhöhung der Investitionen in den USA eine in den USA und des Bestandes US-amerika- entsprechende Reduktion der heimischen nischer Direktinvestitionen in Deutschland Investitionen gegenübersteht. Es gibt gleich- zu erwartende Effekte für die entsprechen- wohl empirische Hinweise auf negative Ef- den Direktinvestitionen.17 Danach nehmen fekte für heimische Investitionen.14 Zudem deutsche Investitionen in den USA um 4.112 legen empirische Studien nahe, dass die US- Millionen Euro im verarbeitenden Sektor Steuerreform auch die Direktinvestitionen und um 18.098 Millionen Euro im Dienst- aus anderen Staaten nach Deutschland re- leistungssektor zu. Gemäß der obigen Argu- duziert, da Deutschland als Zielland an At- mentation kann nach dem aktuellen empi- traktivität relativ zu den USA verliert.15 rischen Erkenntnisstand erwartet werden, Das ifo Institut16 hat deutsche Unterneh- dass diese Investitionen zumindest teilweise men befragt, ob sie ihr Investitionsverhalten mit einem Investitionsabbau in Deutsch- in den USA oder in Deutschland aufgrund land einhergehen. Die ZEW-Studie schätzt der Steuerreform in den USA ändern wol- zudem, dass US-Investitionen in Deutsch- len. Danach planen 14 % der Unternehmen land im verarbeitenden Sektor um rund 713 ihre Investitionen in den USA zu erhöhen; Millionen Euro und im Dienstleistungssek- bei Unternehmen, die eine steuerliche Ent- tor um rund 2.950 Millionen Euro zuneh- lastung erwarten, steigt diese Zahl auf 31 %. men.18 Nur wenige Unternehmen geben an, ihre Die Umfrage des ifo Instituts berichtet Investitionen in den USA zu verringern. über Investitionspläne; es handelt sich um 17 % der Unternehmen, die ihre Investitio- qualitative Angaben der Unternehmen. Of- nen in den USA erhöhen wollen, planen, im fen ist, inwieweit diese Pläne in die Tat um- Gegenzug die Investitionen in Deutschland gesetzt werden. Im Gegensatz dazu nimmt zu senken; 14 % wollen sowohl in Deutsch- das ZEW eine quantitative Analyse vor, die land als auch in den USA mehr investieren. auf Steuerelastizitäten der Investitionen be- 2 % der befragten Unternehmen geben an, ruht. Gleichwohl könnte die Dynamik des wegen des FDII-Regimes geistiges Eigentum zukünftigen Investitionsgeschehens ange- in die USA zu verlagern. sichts der oben erörterten, theoretisch und 13 Vgl. Desai/Foley/Hines (2005). 14 Vgl. Egger/Loretz/Pfaffermayr/Winner (2009), 17 Vgl. Spengel/Heinemann/Olbert/Pfeiffer/ die bilaterale effektive Steuersätze benutzen und Schwab/Stutzenberger (2018), S. 28-34; die Schät- einen positiven Zusammenhang zwischen dem zungen beruhen auf Daten von Eurostat; verwendet Gewinnsteuersatz im Investorstaat und der Höhe werden effektive Durchschnittsteuersätze (EATR), ausländischer Direktinvestitionen finden, was na- die auf der jeweils für den Investor günstigsten Fi- helegt, dass Investitionen in Reaktion auf Steuer- nanzierung beruhen, und eine Semi-Elastizität von satzänderungen zwischen den Staaten verschoben -2,49 für das verarbeitende Gewerbe (Manufactu- werden. ring FDI) und von -1,31 für den Dienstleistungssek- tor (Business Services). 15 Vgl. Bénassy-Quéré/Fontagné/Lahrèche-Révil (2005), die zeigen, dass eine Senkung der Gewinn- 18 Hinzu kommen mögliche negative Effekte auf steuersätze in Drittstaaten negativ auf die Höhe die Höhe der Direktinvestitionen, die aus anderen der bilateralen ausländischen Direktinvestitionen Staaten nach Deutschland fließen. Diese Effekte zwischen Staaten wirkt. werden in der ZEW-Studie nicht explizit quantifi- ziert. 16 Vgl. Krolage/Wohlrabe (2018).
Seite 14 Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik empirisch nicht eindeutigen Zusammen- gerung durch steuerliche Begrenzungen des hänge zwischen Direktinvestitionen im Zinsabzugs erschwert ist. Ausland und deren Rückwirkungen auf hei- Vor allem in der Europäischen Union, mische Investitionen nur unvollkommen die auf dem BEPS-Projekt beruhende Maß- abgebildet sein. nahmen beschlossen hat, die sich ge- Hinzu kommt, dass multinationale Un- gen die internationale Gewinnverlagerung ternehmen bei der Wahl eines Standortes richten,19 ist nicht auszuschließen, dass da- für Investitionen auch auf die umfangrei- von betroffene Unternehmen die Verlage- chen Neuerungen im regulatorischen Um- rung von Gewinnen durch die Verlagerung feld reagieren dürften. Tatsächlich haben von Investitionen ersetzen.20 Deswegen mit der Umsetzung des im Jahr 2012 be- könnten die Investitionseffekte der Steuer- gonnenen BEPS-Projektes der OECD be- satzsenkung in den USA ausgeprägter sein, deutende Änderungen im internationalen als es die Umfrage des ifo Instituts und die Steuerrecht stattgefunden oder sind noch Berechnungen des ZEW erwarten lassen. zu erwarten. Wenn das BEPS-Projekt die in- Kommt es verstärkt zu Investitionsverlage- ternationale Gewinnverlagerung zukünf- rungen in das niedriger besteuernde Aus- tig wirksam einschränkt, sollte der tarifliche land, so geht nicht nur Steueraufkommen Gewinnsteuersatz weiter an Bedeutung für verloren. Darüber hinaus dürften das hei- die Investitionsentscheidung der Unterneh- mische Wirtschaftswachstum beeinträch- men gewinnen. tigt werden und zudem Arbeitsplätze verlo- Darauf deuten auch neuere empirische ren gehen. Studien hin. Egger/Merlo/Wamser (2014) zei- Man mag einwenden, dass die weitrei- gen, dass Möglichkeiten zur Gewinnverla- chenden Maßnahmen der US-Steuerreform gerung in Niedrigsteuerstaaten über Fir- angesichts der oben beschriebenen Haus- mengruppen hinweg stark variieren und haltsrisiken in den USA und der ungewissen dass die Investitionsentscheidung von Un- Wachstumseffekte mittelfristig wieder zu- ternehmen, die erfolgreich internationale rückgenommen werden könnten, was den Steuervermeidung über Gewinnverlage- Handlungsbedarf der deutschen Steuerpoli- rungen betreiben, nicht signifikant auf Än- tik weniger dringlich erscheinen ließe. Ver- derungen des Gewinnsteuersatzes reagiert. lässliche Aussagen lassen sich dazu natur- Sind Möglichkeiten zur internationalen Ge- gemäß nicht treffen. Gleichwohl ist kaum winnverlagerung eingeschränkt, zeigt sich damit zu rechnen, dass die USA die Frei- hingegen eine starke Reaktion der Investi- stellung von Ausschüttungen ausländischer tionsentscheidung auf die Steuersatzhöhe. Kapitalgesellschaften und die Senkung des Dobbins/Jacob (2016) finden, dass die Sen- Körperschaftsteuersatzes rückgängig ma- kung der Körperschaftsteuer im Rahmen chen werden.21 der Steuerreform des Jahres 2008 die In- vestitionen von Kapitalgesellschaften, die 19 Vgl. Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom nur begrenzten Zugang zu internationa- 12.7.2016, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates vom 29.5.2017. len Gewinnverlagerungsmöglichkeiten ha- 20 Vgl. Overesch (2009); Keen/Konrad (2013); Keen ben, stärker beeinflusst hat als Investitionen (2018); Bärsch/Olbert/Spengel (2018), S. 1823- von Kapitalgesellschaften, die über interna- 1824; Schreiber/von Hagen/Pönnighaus (2018), S. 241-243. tionale Gewinnverlagerungsmöglichkeiten 21 Vgl. Mintz (2018), S. 29, der nach einer ein- verfügen. Büttner/Overesch/Wamser (2018) gehenden Analyse der US-Steuerreform schreibt: zeigen, dass die Auslandsinvestitionen stär- ”And there are eventual changes in the political control of the Presidency and Congress at a later ker auf die tariflichen Steuersätze reagie- time, which could lead to significant shifts as this ren, wenn die internationale Gewinnverla- current reform received only Republican support.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 15 Eine abwartende Haltung der deutschen 3.2 Senkung des Satzes der Steuerpolitik ist deswegen nicht zu emp- Körperschaftsteuer fehlen. Fasst man diese Überlegungen zu- sammen, lässt sich eine Verbesserung der Vor dem Hintergrund der zunehmend stär- steuerlichen Standortattraktivität für in- keren Bedeutung des tariflichen Gewinn- ternational mobile Investitionen am wir- steuersatzes für die Investitionsentschei- kungsvollsten über eine Senkung des tarif- dung multinationaler Unternehmen und lichen Gewinnsteuersatzes, vor allem des angesichts weltweit sinkender Gewinnsteu- Satzes der Körperschaftsteuer, erreichen ersätze der Kapitalgesellschaften hat die (Abschnitt 3.2). Dies erfordert allerdings An- Senkung des Gewinnsteuersatzes deutscher passungen im System der Unternehmens- Kapitalgesellschaften die höchste steuer- besteuerung bei der Hinzurechnungsbe- politische Priorität. Mit Blick auf die Steu- steuerung (Abschnitt 3.3.1), der steuerlichen ersatzsenkung in den USA könnte der Satz Behandlung von Eigen- und Fremdfinanzie- der Körperschaftsteuer von 15 % auf 10 % rung der Kapitalgesellschaften (Abschnitt gesenkt werden. Es ergäbe sich dann eine 3.3.2) sowie der Besteuerung nicht entnom- tarifliche Gewinnsteuerbelastung von etwa mener Gewinne von Personenunterneh- 25 %,22 die in etwa der durchschnittlichen men (Abschnitt 3.3.3). Neben einer Senkung US-Steuerbelastung entspricht und die in des Satzes der Körperschaftsteuer kann eine der Nähe des im Jahr 2020 zu erwartenden Verbesserung der Standort- und Investiti- OECD-Durchschnitts von 23,4 % liegt. onsbedingungen zusätzlich über eine steu- Das steuerpolitische 10-Punkte-Akti- erliche Förderung von Investitionen in F&E onsprogramm des Bundesministeriums für (Abschnitt 3.4) und durch beschleunigte Ab- Wirtschaft und Energie sieht unter ande- schreibungen (Abschnitt 3.5) erzielt werden. rem vor, den Solidaritätszuschlag vollstän- All diese Maßnahmen sind allerdings mit dig abzubauen und bei unverändertem Mindereinnahmen verbunden, auf die im Körperschaftsteuersatz einen Teil der Ge- Abschnitt 4 eingegangen wird. Thematisiert werbesteuer auf die gezahlte Körperschaft- werden dort auch Verteilungswirkungen, steuer anzurechnen.23 Beide Maßnahmen die mit einer Senkung der Gewinnsteuerbe- sind grundsätzlich geeignet, die tarifliche lastung einhergehen könnten. Gewinnsteuerbelastung von Kapitalgesell- schaften zurückzuführen. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags reduziert beim derzeitigen Satz der Körperschaftsteuer von 15 % die tarifliche Belastung aber ledig- lich um moderate 0,83 %. Die Anrechnung der Gewerbesteuer wäre so auszugestalten, dass sie einer Senkung des Tarifs der Kör- perschaftsteuer äquivalent ist. Daher wäre (anders als derzeit bei der Anrechnung von Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer) 22 Bei einem Hebesatz der Gewerbesteuer von 400 % (435 %) erhält man einen Gewerbesteuersatz Nonetheless, many provisions, especially those von 14 % (15,23 %) und inklusive Solidaritätszu- related to corporate taxation, will likely stick espe- schlag eine Gewinnsteuerbelastung von 24,55 % cially the dividend exemption system and various (25,78 %). antitax avoidance rules.” 23 Vgl. Handelsblatt (11.10.2018).
Seite 16 Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik auch eine überperiodische Anrechnung der Gewerbesteuer vorzusehen, um sicherzu- stellen, dass in einzelnen Jahren aufgrund zu geringer Körperschaftsteuer nicht zur Anrechnung gebrachte Gewerbesteuer spä- ter anrechenbar bleibt. Gegenüber der An- rechnung von Gewerbesteuer ist allerdings die Senkung des tariflichen Satzes der Kör- perschaftsteuer der steuertechnisch einfa- chere Weg zu einer Senkung des Gewinn- steuersatzes und auch das klarere Signal für Investoren. Es kommt hinzu, dass die An- rechnung der Gewerbesteuer den Trend zu steigenden Hebesätzen bei der Gewerbe- steuer verstärken dürfte, so dass die effek- tive Entlastung der Gewinne am Ende ge- ringer ausfällt.24 Durch eine Senkung des tariflichen Ge- winnsteuersatzes der Kapitalgesellschaf- ten in Deutschland verändert sich die ef- fektive Steuerbelastung davon betroffener heimischer und grenzüberschreitender In- vestitionen. Abbildung 2 zeigt den effek- tiven Durchschnittsteuersatz (EATR) von heimischen Investitionen in Deutschland (Germany-Domestic) und in den USA (US- Domestic) sowie von deutschen Direktin- vestitionen in den USA (Germany-Out- bound) und von US Direktinvestitionen in Deutschland (Germany-Inbound); der ta- rifliche Gewinnsteuersatz (einschließlich lokaler Steuern) bezeichnet den Gewinn- steuersatz am Ort der Investition. Die Be- Finanzwirtschaft) durchgeführt und beruhen auf rechnungen unterstellen eine Kapitalge- dem Devereux/Griffith-Modell; zur Methodik vgl. sellschaft als Investor, Investitionen in ZEW (2018). Betrachtet wird eine Kapitalgesell- materielle und immaterielle Wirtschafts- schaft des verarbeitenden Gewerbes, die in fünf gleich gewichtete Klassen von Wirtschaftsgütern güter sowie Finanzanlagen und gemischte (Industriegebäude, Immaterialgüter, maschinelle Finanzierung der Investitionen mit Ei- Anlagen, Finanzanlagen, Umlaufvermögen) in- vestiert und die zu gleichen Anteilen mit einbe- genkapital und Fremdkapital. Bei grenz- haltenen Gewinnen, mit neuem Eigenkapital und überschreitenden Investitionen hält eine mit Fremdkapital finanziert ist. Die ökonomische Mutterkapitalgesellschaft die Anteile der in- Abschreibung erfolgt geometrisch degressiv (Ge- bäude 3,1 %, maschinelle Anlagen 17,5 %, Imma- vestierenden Kapitalgesellschaft.25 terialgüter 15,35 %). Die Rendite beträgt 20 %, der nominale Zinssatz beläuft sich bei einer Inflations- rate von 2 % auf 7,1 %, womit eine reale Verzinsung 24 Vgl. Büttner/Scheffler/von Schwerin (2014) zur von 5 % angenommen wird [0,071 = (1 + 0,05) · (1 Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkom- + 0,02) - 1]; persönliche Steuern sind vernachläs- mensteuer. sigt. Zu den tariflichen Steuersätzen vgl. Spengel/ 25 Die Berechnungen wurden am ZEW (Be- Heinemann/Olbert/Pfeiffer/Schwab/Stutzenberger reich Unternehmensbesteuerung und Öffentliche (2018), S.23, Tabelle 7.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 17 Abbildung 2: Tariflicher Gewinnsteuersatz und effektive Durchschnittsteuer- belastung (EATR) von Investitionen in Deutschland und in den USA nach geltendem Recht und nach einer Senkung des Satzes der Körperschaftsteuer auf 10 % in Deutschland; alle Zahlen in Prozent. Investition Tariflicher Gewinnsteuersatz EATR US-Domestic 26,3 26,0 Ohne Senkung des Steuersatzes Germany-Domestic 31,0 28,3 27,5 Germany-Outbound 26,3 26,7 (SF) 27,3 (BF) 28,5 (FF) 27,9 Germany-Inbound 31,0 28,6 (SF) 28,6 (BF) 26,4 (FF) US-Domestic 26,3 26,0 Mit Senkung des Steuersatzes Germany-Domestic 25,0 23,0 27,3 Germany-Outbound 26,3 27,3 (SF) 27,9 (BF) 26,9 (FF) 22,5 Germany-Inbound 25,0 22,5 (SF) 22,5 (BF) 22,4 (FF) Sämtliche Investitionen sind je zu einem Drittel durch einbehaltene Gewinne (SF), neues Eigenkapital (BF) oder Fremdkapital (FF) finanziert. EATR mit Klammerzusatz beruhen auf der dort angegebenen Finanzierung, EATR ohne Klammerzusatz beru- hen auf gemischter Finanzierung. Abbildung 2 lässt für rentable Investiti- schwindet fast völlig. Für deutsche Unter- onen in Deutschland (Germany-Domestic) nehmen, die in den USA investieren (Ger- erkennen, dass die Senkung des deutschen many-Outbound), sinkt die EATR aufgrund tariflichen Gewinnsteuersatzes von 31 % auf der Freistellung der Gewinne in Deutsch- 25 % die EATR von 28,3 % auf 23,0 % (gegen- land in geringem Umfang von 27,5 % auf über 26,0 % in den USA) erheblich verbes- 27,3 %; durch die Steuersatzsenkung ent- sert. Für US-Unternehmen, die in Deutsch- steht ein Anreiz zur Fremdfinanzierung. Der land investieren (Germany-Inbound), Vergleich einer Investition in Deutschland reduziert die Senkung des deutschen Ge- (Germany-Domestic, EATR = 23,0 %) mit der winnsteuersatzes aufgrund der Freistellung Investition eines deutschen Unternehmens der Gewinne in den USA die durchschnitt- in den USA (Germany-Outbound, EATR = liche EATR von 27,9 % auf 22,5 %; der ohne 27,3 %) zeigt, dass die Steuersatzsenkung die Steuersatzsenkung gegebene Anreiz zur den vorher bestehenden steuerlichen Anreiz Fremdfinanzierung in Deutschland ver- zugunsten der USA beseitigt.
Seite 18 Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik Zusammen genommen verringert die Angesichts weltweit sinkender Gewinn- Senkung des tariflichen Gewinnsteuersat- steuersätze hat ein Niedrigsteuersatz von zes auf 25 % die effektive Durchschnitt- 25 % zur Folge, dass ausländische be- steuerbelastung (EATR) von Investitionen herrschte Kapitalgesellschaften vermehrt in Deutschland erheblich, verbessert da- als niedrig besteuert im Sinne des Außen- durch die Position Deutschlands als Inves- steuergesetzes gelten. Soweit eine in der EU titionsstandort und reduziert die steuerli- oder im EWR ansässige Kapitalgesellschaft chen Anreize zur Investitionsverlagerung betroffen ist, kann zwar der Nachweis ge- ins Ausland. Die Senkung des tariflichen Ge- führt werden, dass diese Kapitalgesellschaft winnsteuersatzes ist somit eine sehr wir- einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätig- kungsvolle steuerpolitische Maßnahme im keit nachgeht, so dass eine Hinzurechnung internationalen Steuerwettbewerb. ausscheidet. Für außerhalb der EU oder des EWR ansässige Kapitalgesellschaften gilt dies aber nicht. Aufgrund der Steuersatzsen- 3.3 Ergänzende Maßnahmen kung in den USA können also insbesondere im System der Unter- US-Kapitalgesellschaften (und nach einem BREXIT auch im Vereinigten Königreich an- nehmensbesteuerung sässige Kapitalgesellschaften) in den An- wendungsbereich des Außensteuergesetzes Eine isolierte Senkung des Satzes der Kör- gelangen. In allen diesen Fällen ist dann zu perschaftsteuer würde allerdings zu Ver- prüfen, ob aktive Tätigkeiten im Sinne des werfungen im System der Unternehmens- Außensteuergesetzes vorliegen. besteuerung führen. Deshalb ist eine Reihe Die Hinzurechnungsbesteuerung muss von ergänzenden Maßnahmen angezeigt. den europäischen Anforderungen genü- Diese Maßnahmen sind zwar inhaltlich ver- gen und ist gegebenenfalls bis 31.12.2018 bunden, sie könnten aber zeitlich gestreckt anzupassen.26 Der Niedrigsteuersatz sollte ergriffen werden. so gewählt werden, dass die Belastung hin- zugerechneter ausländischer Gewinne der 3.3.1 Anpassung der Hinzu- Belastung in Deutschland erwirtschafte- rechnungsbesteuerung ter Gewinne gleicht. Bei einer Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 10 % wäre Der Anreiz, im niedriger besteuerten Aus- der Niedrigsteuersatz also auf 10 % zurück- land zu investieren, beruht wesentlich da- zuführen.27 Bei (weiterhin möglicher) An- rauf, dass Deutschland Gewinne, die aus- rechnung ausländischer Körperschaftsteuer ländische Kapitalgesellschaften erzielen, auf deutsche Körperschaftsteuer ist dann grundsätzlich nicht besteuert. Von diesem sichergestellt, dass es zu keinen Anrech- Grundsatz gibt es eine wichtige Ausnahme: Gewinne einer ausländischen Kapitalge- 26 Vgl. Art. 3, 7, 8 und 11 der Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7.2016, geändert sellschaft, die nicht aus aktiven Tätigkeiten durch Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates vom im Sinne des Aktivitätskatalogs des Außen- 29.5.2017. steuergesetzes stammen und die im Ausland 27 Schon der geltende Niedrigsteuersatz von 25 % übersteigt den derzeitigen Körperschaftsteu- einer Besteuerung von weniger als 25 % ersatz von 15 % und müsste daher gesenkt werden. (Niedrigsteuersatz) unterliegen, sind nach Aus der Sicht der Einkommensteuer besteht diese Notwendigkeit zwar nicht, da dort der Spitzensatz den Regelungen des Außensteuergesetzes des progressiven Tarifs weit über dem Niedrig- dem Einkommen des inländischen Eigentü- steuersatz liegt. Gleichwohl kommt es ohne die mers der ausländischen Kapitalgesellschaft Absenkung des Niedrigsteuersatzes nur für Kapi- talgesellschaften zu steuerlichen Überlastungen hinzuzurechnen und der deutschen Besteu- hinzugerechneter Gewinne. erung zu unterwerfen.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 19 nungsüberhängen kommt und unter Ein- das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung, bezug der Gewerbesteuer eine Belastung so beträgt bei einem Einkommensteuersatz erreicht wird, welche der Belastung inlän- von 42 % die entsprechende Steuerbelas- discher Gewinne von Kapitalgesellschaften tung 44,9 %.29 gleicht. Für eine solche Reduktion des An- Die Zweifachbelastung der Gewinne wendungsbereichs der Hinzurechnungsbe- von Kapitalgesellschaften und die progres- steuerung spricht auch die damit verbun- sive Einkommensbesteuerung der Gewinne dene Verringerung der Befolgungs- und von Einzelunternehmen und Personen- Erhebungskosten.28 gesellschaften benachteiligen regelmäßig die Beteiligungsfinanzierung gegenüber der 3.3.2 Eigen- und Fremdfinan- Fremdfinanzierung, wenn Zinsen steuerlich zierung der Kapitalgesell- abzugsfähig sind und beim Empfänger der Abgeltungsteuer von 25 % unterliegen. Zur schaften Herstellung von Finanzierungsneutralität Ziel der deutschen Steuerpolitik sollte es sind deswegen Eingriffe in die Strukturen nicht nur sein, die internationale Wettbe- erforderlich, welche die Steuerreform 2008 werbsfähigkeit Deutschlands als Investiti- im Bereich der Unternehmensbesteuerung onsstandort zu wahren, sondern auch steu- geschaffen hat. Profitieren würden davon erliche Verzerrungen der Finanzierung der vor allem junge Unternehmen, die stärker Unternehmen möglichst zu vermeiden. als andere Unternehmen von Eigenkapital Deswegen sind auch die Folgen einer Sen- abhängig sind. kung des Gewinnsteuersatzes der Kapitalge- Der Wissenschaftliche Beirat hat im Jahr sellschaften für die relative steuerliche Be- 2004 die Flat Tax und die Dual Income Tax lastung der Finanzierungswege zu beachten. (DIT) als grundlegende Reformoptionen ge- Bei einem Satz der Abgeltungsteuer von prüft.30 Der Sachverständigenrat (SVR) hat 25 % und einem Steuersatz von etwa 25 % zusammen mit dem ZEW und dem Max auf Gewinne der Kapitalgesellschaften nä- Planck Institut (MPI) für Steuerrecht und hern sich der Gewinnsteuersatz und der Öffentliche Finanzen im Jahr 2006 die DIT Steuersatz auf Zinsen weitgehend an. In- empfohlen.31 Die Vorschläge von SVR/MPI/ soweit sind dann Selbstfinanzierung und ZEW sind zwar teilweise in die Steuerreform Fremdfinanzierung der Kapitalgesellschaf- 2008 eingegangen. Die Einkommensteuer ten tariflich annähernd gleich belastet. Al- weist seither mit dem besonderen Steuer- lerdings kommt die Einkommensteuer auf satz für Kapitaleinkünfte und dem progres- Ausschüttungen und Gewinne aus der Ver- äußerung von Anteilen hinzu. Bei einem 29 Wird Abgeltungsteuer erhoben, gilt für die Gewinnsteuersatz von 25 % folgt eine Be- tarifliche Belastung (gerundet) 44,78 % [= 0,25 + lastung mit Gewinnsteuer, Abgeltungsteuer 0,25 · (1 + 0,055) · (1 – 0,25)]; werden Ausschüttun- gen und Veräußerungsgewinne teilweise von der und Solidaritätszuschlag von 44,8 %; kommt Einkommensteuer befreit (Teileinkünfteverfahren), so ergibt sich bei einem Steuersatz der Einkom- mensteuer von 42 % eine tarifliche Belastung von 28 Ein Beiratsmitglied hält es im Hinblick auf die (gerundet) 44,94 % [= 0,25 + 0,42 · (1 + 0,055) · 0,60 Hinzurechnungsbesteuerung für problematisch, · (1 – 0,25)]. wenn bereits ein ausländischer Steuersatz von zehn Prozent die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung 30 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesmi- unterbinden würde. Das Mitglied befürchtet die nisterium der Finanzen (2004). Gefahr umfangreicher neuer Steuervermeidungs- 31 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der strategien aufgrund einer solchen Absenkung. gesamtwirtschaftlichen Entwicklung/Max Planck Zudem wird nach Auffassung dieses Mitglieds Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und eine Mindestsicherung im Geiste des Artikels 7 der Steuerrecht (heute: Max Planck Institut für Steuer- Richtlinie 2016/1164 durch den Schwellenwert von recht und Öffentliche Finanzen)/Zentrum für Euro- 10 % nicht erreicht. päische Wirtschaftsforschung (2006).
Seite 20 Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik siven Steuertarif für alle anderen Einkünfte steuer von 44,31 % und 47,48 % (jeweils ein- (insbesondere die Arbeitseinkünfte) eine du- schließlich Solidaritätszuschlag) liegt, einen ale Struktur auf. Jedoch ist der Gesetzgeber starken Anreiz auslösen, Gewinne und an- den weitergehenden Vorschlägen von SVR/ dere Kapitaleinkommen in Kapitalgesell- MPI/ZEW zu einer finanzierungsneutralen schaften zu verlagern und dort möglichst Besteuerung nicht gefolgt. lange zu belassen, um vom niedrigen Ge- Tatsächlich würde eine konsequente winnsteuersatz zu profitieren und die Belas- Weiterentwicklung der bestehenden dualen tung mit Einkommensteuer in die Zukunft Struktur der Einkommensteuer eine subs- zu verschieben. An die Stelle der steuerli- tantielle Änderung bestehenden Rechts er- chen Begünstigung der Fremdfinanzierung fordern. Gewinne der Kapitalgesellschaften, durch den niedrigen Satz der Abgeltung- der Einzelunternehmen und der Personen- steuer träte dann die steuerliche Begüns- gesellschaften wären in Höhe der Normal- tigung der Selbstfinanzierung durch den verzinsung des Kapitals mit einem einheitli- niedrigen Satz für Gewinne der Kapitalge- chen Proportionalsteuersatz zu belasten, der sellschaften. dem Gewinnsteuersatz der Kapitalgesell- schaften gleicht. Die Normalverzinsung des 3.3.3 Besonderer Einkommen- Kapitals übersteigende Gewinne (ökonomi- steuersatz für nicht ent- sche Renten) wären bei Einzelunternehmen nommene Gewinne von und Personengesellschaften der progressi- ven Einkommensteuer zu unterwerfen, und Personenunternehmen bei Kapitalgesellschaften bliebe es insoweit bei der zweifachen Belastung. Einzelunternehmer und Gesellschafter von Ungeeignet zur Erreichung der Finan- Personengesellschaften können auf Antrag zierungsneutralität der Besteuerung ist die nicht entnommene Gewinne einem beson- schlichte Beseitigung der dualen Struk- deren Einkommensteuersatz unterwerfen tur der Einkommensteuer.32 Zwar wären (§ 34a EStG). Damit soll die Belastung der nach der Abschaffung der Abgeltungsteuer nicht entnommenen Gewinne an die Belas- Zinsen und Gewinne der Einzelunterneh- tung der einbehaltenen Gewinne von Kapi- mer und der Gesellschafter von Perso- talgesellschaften angeglichen werden. Hält nengesellschaften ohne Unterschied dem man an dem besonderen Einkommensteu- progressiven Tarif der Einkommensteuer ersatz für einbehaltene (begünstigte) Ge- unterworfen. Allerdings käme es dann zur winne fest, so ist dieser Einkommensteuer- ungemilderten zweifachen Besteuerung der satz an einen gesunkenen Gewinnsteuersatz ausgeschütteten Gewinne von Kapitalgesell- der Kapitalgesellschaft heranzuführen. schaften und der Gewinne aus der Veräuße- Der Einkommensteuersatz für einbehal- rung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. tene, begünstigte Gewinne beträgt derzeit Man könnte deswegen eine Ermäßigung 28,25 %. Für diese Gewinne ergibt sich aber der Einkommensteuer (mit einem beson- regelmäßig eine deutlich höhere tarifliche deren Steuersatz oder einer teilweisen Steu- Steuerbelastung, weil die auf den begünstig- erbefreiung) vorsehen. Jedoch würde ein ten Gewinn entfallenden Ertragsteuern aus Gewinnsteuersatz der Kapitalgesellschaf- dem voll versteuerten Einkommen zu leis- ten von 25 %, der deutlich unter den beiden ten sind.33 Zudem können (wie auch sonst) Proportionalsteuersätzen der Einkommen- 33 Vgl. Homburg (2007); der Teil des Gewinns B, der nach Steuern einbehalten werden kann, beträgt 32 Vgl. Schreiber/von Hagen/Pönnighaus (2018), S. 246-249.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland Seite 21 in einer Periode entstehende Überhänge an- Die steuerlichen Bedingungen für Inves- rechenbarer Gewerbesteuer in anderen Peri- titionen in F&E sind seit langem ein wich- oden nicht abgezogen werden, was ebenfalls tiger Bestandteil der steuerlichen Stand- die Steuerbelastung erhöht. Die im Ver- ortpolitik der Staaten. Die meisten Staaten gleich zu hohe Tarifbelastung sollte besei- fördern F&E Ausgaben steuerlich im Rah- tigt werden. Deswegen wäre so zu verfahren men von Sonderabschreibungen und Steu- wie bei Kapitalgesellschaften. Es sollte also ergutschriften: 2017 verfügten 30 von 35 möglich sein, auf Antrag den Steuersatz für Mitgliedstaaten der OECD und 21 von 28 begünstigte Gewinne für den gesamten Ge- Mitgliedstaaten der EU über entsprechende winn zu erhalten. Im Ergebnis müsste die Regelungen.36 Vor 25 Jahren waren es weni- tarifliche Einkommensteuerbelastung für ger als die Hälfte. In Europa hat zudem eine einbehaltene Gewinne dann auf 25 % (ein- Reihe von Staaten Patentbox-Regime einge- schließlich Solidaritätszuschlag) abgesenkt führt, die niedrige Steuersätze für Gewinne werden. aus der Verwertung von F&E anbieten.37 Der im Rahmen des BEPS-Projekts vereinbarte Nexus-Ansatz macht hierbei eine steuerli- 3.4 Steuerliche Förderung che Begünstigung davon abhängig, dass die von F&E F&E Aktivitäten in dem Staat stattfinden, der die Gewinne begünstigt. Neben der prioritären Senkung des tarif- Zudem haben die USA mit dem FDII-Re- lichen Gewinnsteuersatzes von Kapitalge- gime eine Regelung geschaffen, die in eine sellschaften kann auch eine selektive Sen- ähnliche Richtung weist. Hier müssen Ge- kung der Gewinnsteuerbelastung durch die winne aber nicht nachweislich Immaterial- gezielte Förderung international besonders gütern (wie Patenten, Marken, Know-how) mobiler Investitionen in Erwägung gezogen zuzuordnen sein. Vielmehr kommt es darauf werden (Smart Tax Competition). Empiri- an, ob das Gesamteinkommen der US-Kapi- sche Studien zeigen, dass neben Investiti- talgesellschaft (abzüglich Dividenden, Ein- onen im Produktions- und Servicebereich künften ausländischer Betriebstätten, GILTI auch F&E Aktivitäten international mobil und Subpart F Income) eine Verzinsung von sind.34 F&E Aktivitäten sind ökonomisch 10 % des Buchwertes der abschreibungsfä- von zentraler Bedeutung. Verschiedene Stu- higen materiellen Wirtschaftsgüter der US- dien weisen auf einen positiven Zusammen- Kapitalgesellschaft (Qualified Business As- hang zwischen lokaler Innovationsaktivität sets Investments, QBAI) übersteigt. 37,5 % und wirtschaftlichem Wachstum hin.35 des die Verzinsung der QBAI übersteigen- Deswegen kann mittels einer steuerlichen den, auf das Ausland entfallenden Gewinns F&E Förderung die Attraktivität des Stand- mindern das Einkommen, das der regulären orts Deutschland für Forschungs- und Ent- Steuer unterliegt. Von einem übersteigen- wicklungsinvestitionen gestärkt werden. den Gewinn sind somit 62,5 % zu versteu- ern. Legt man den US-Gewinnsteuersatz von 21 % zugrunde, so ergibt sich eine Steu- (sieht man von Gewerbesteuer ab, geht von 42 % erbelastung von 13,1 % (= 62,5 % · 21 %).38 Einkommensteuer aus und bezieht den Solidari- tätszuschlag ein) B = 1 – 0,298 · B – 0,4431 · (1 – B) und somit B = 0,6514; es ergibt sich die Steuerbe- 36 Vgl. OECD (2017). lastung von 34,86 % (1 – B = 0,3486). 37 Vgl. Evers/Miller/Spengel (2015). 34 Vgl. etwa Bloom/Griffith/van Reenen (2002); Bloom/Griffith (2001); Wilson (2009). 38 Ab dem Jahr 2026 ist das FDII zu 78,13 % (Abzug 21,87 %) steuerpflichtig, sodass sich dann 35 Vgl. etwa Aghion/Howitt (2009); Maradana// ein Steuersatz für das FDII von 16,41 % (= 0,21 · Pradhan/Dash/Gaurav/Jayakumar/Chatterjee 0,7813) ergibt. (2017).
Seite 22 Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik Die Gesamtsteuerbelastung des Gewinns 3.5 Beschleunigte nähert sich dieser Steuerbelastung mit zu- Abschreibung nehmenden, die Verzinsung der QBAI über- steigenden Gewinnen. Auch beschleunigte steuerliche Abschrei- Angesichts der bestehenden Regime zur bungen können grundsätzlich als Instru- steuerlichen Förderung von F&E Ausgaben, ment zur Verbesserung der Investitionsbe- den Patentboxen und des sehr weit reichen- dingungen erwogen werden. Die beschleu- den FDII-Regimes in den USA wäre eine nigte Abschreibung eines Wirtschaftsguts steuerliche Förderung von F&E in Deutsch- in der Steuerbilanz, die dem ökonomischen land geeignet, einer möglichen Abwande- Wertverlust dieses Wirtschaftsguts voraus- rung von F&E aus Deutschland entgegen- eilt, stellt eine Begünstigung mittels der zuwirken. Man könnte deswegen an eine steuerlichen Gewinnermittlung dar, die den Patentbox denken, die den Nexus-Anforde- Unternehmen Zinsvorteile und Liquiditäts- rungen der OECD entspricht und die einen vorteile bringt. Die Zinsvorteile sind beson- besonderen Steuersatz vorsieht, der sich am ders bedeutsam für die Kapitalkosten einer FDII-Steuersatz orientiert. Auch der Sach- Investition und deren effektiver Grenz- verständigenrat zur Begutachtung der ge- steuerbelastung (EMTR). Dagegen reagiert samtwirtschaftlichen Entwicklung hält eine die effektive Durchschnittsteuerbelastung Patentbox für ein geeignetes Instrument im (EATR) weniger stark auf beschleunigte Ab- internationalen Steuerwettbewerb.39 Durch schreibungen; die Reaktion der EATR ist eine solche Steuersatzreduktion könnten umso geringer, je profitabler eine Investi- insbesondere international mobile und pro- tion ist. Deswegen sind beschleunigte Ab- fitable F&E Investitionen attrahiert wer- schreibungen für internationale Investiti- den.40 Eine F&E Förderung, die an der Aus- onsverlagerungen, bei denen es regelmäßig gabenseite ansetzt, wäre geeignet, die F&E um hoch rentable Investitionen geht, weni- Ausgaben kreditbeschränkter mittlerer und ger wirksam. kleiner Unternehmen zu erhöhen, die in be- Die Verbesserung der Liquidität durch sonderem Maß von der Liquiditätswirkung eine beschleunigte steuerliche Abschrei- einer solchen Maßnahme profitieren wür- bung dürfte vor allem die Investitionsbe- den. dingungen der kleinen und mittleren Un- ternehmen verbessern, deren Zugang zum Kapitalmarkt beschränkt ist oder die eine zusätzliche Verschuldung vermeiden wollen und deren Investitionen deswegen vermehrt von der verfügbaren Liquidität abhängen. Bei weltweit sinkenden Gewinnsteuersät- zen trägt eine solche Maßnahme auch dazu bei, die effektive Steuerbelastung von über- wiegend im Ausland und überwiegend im Inland investierenden Unternehmen anzu- gleichen. Zwick/Mahon (2017) haben für US-ame- rikanische Kapitalgesellschaften die Wirk- samkeit von erhöhten Abschreibungen (Bo- 39 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der nus Depreciation) empirisch untersucht. gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2018), S. 307. Sie schätzen, dass in den untersuchten Zeit- 40 Vgl. etwa Ernst/Richter/Riedel (2014). räumen (2001 bis 2004 und 2008 bis 2010)
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