US-Steuerreform 2018 Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland - Stellungnahme 01/2019 - Bundesfinanzministerium

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Stellungnahme
                                                      01/2019

US-Steuerreform 2018
Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland
US-Steuerreform 2018
Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland

Wissenschaftlicher Beirat
beim Bundesministerium der Finanzen
Stellungnahme 01/2019
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland   Seite 3

Inhalt

			                                                                         Seite
Kurzfassung                                                                    5
1.    Überblick                                                                7
2.    Steuerpolitisches Umfeld                                                 8
2.1   Steuerreform in den USA                                                  8
2.2   Steuersatzsenkungen in der OECD                                          9

3.    Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik                         11
3.1   Investitionswirkungen der Gewinnsteuern                                11
3.2   Senkung des Satzes der Körperschaftsteuer                              15
3.3   Ergänzende Maßnahmen im System der Unternehmensbesteuerung             18
3.3.1 Anpassung der Hinzurechnungsbesteuerung                                18
3.3.2 Eigen- und Fremdfinanzierung der Kapitalgesellschaften                 19
3.3.3 Besonderer Einkommensteuersatz für nicht entnommene Gewinne von
      Personenunternehmen                                                    20
3.4   Steuerliche Förderung von F&E                                          21
3.5   Beschleunigte Abschreibung                                             22

4.    Aufkommens- und Verteilungswirkungen                                   24
5.    Zusammenfassung                                                        27
6.    Literaturverzeichnis                                                   29

Verzeichnis der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats                    34
Seite 4
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland   Seite 5

     Kurzfassung

Die Steuersätze für Gewinne der Kapital-         OECD-Durchschnitt liegen und in etwa
gesellschaften fallen weltweit. Im Jahr 2018     die durchschnittliche US-Steuerbelastung
haben die USA diesen Steuersatz von etwa         erreichen. Eine Abschaffung des
39 % auf etwa 26 % gesenkt. Der entspre-         Solidaritätszuschlags ist demgegenüber
chende Steuersatz in Deutschland hat sich        weniger geeignet, die steuerlichen
entgegen dem internationalen Trend seit          Standortbedingungen zu verbessern:
dem Jahr 2008 aufgrund der gestiegenen           Sie würde die Steuerbelastung
Gewerbesteuer im Bundesdurchschnitt von          von Kapitalgesellschaften auf
rund 30 % auf rund 31 % erhöht. Der mitt-        Unternehmensebene um lediglich
lerweile vergleichsweise hohe deutsche Ge-       0,83 Prozentpunkte reduzieren.
winnsteuersatz schafft Anreize, Investitio-    Eine Senkung des Körperschaftsteuersat-
nen und Gewinne in Staaten mit niedrige-       zes erfordert Anpassungen im System der
ren Gewinnsteuern zu verlagern.                Unternehmensbesteuerung:
    Um einer Verlagerung von Investitionen
und Gewinnen in andere Staaten entgegen-       • Bei der Hinzurechnungsbesteuerung
zuwirken, schlägt der Wissenschaftliche Bei-     sollte der Steuersatz, der eine niedrige
rat folgende Maßnahme vor:                       Besteuerung im Ausland anzeigt, dem
                                                 Satz der Körperschaftsteuer gleichen.
• Der tarifliche Satz der Körperschaftsteuer
  sollte von zurzeit 15 % auf 10 %             • Die Abgeltungsteuer sollte beibehalten
  gesenkt werden. Bei unverändertem              werden, um nicht starke Anreize zum
  Solidaritätszuschlag und gegebenen             Einbehalt von Gewinnen zu schaffen.
  gewerbesteuerlichen Regelungen
  ergibt sich dann eine tarifliche             • Der Einkommensteuersatz für
  Gewinnsteuerbelastung der                      nicht entnommene Gewinne von
  Kapitalgesellschaften von rund 25 %.           Personenunternehmen sollte auf 25 %
  Damit würde Deutschland nur noch               gesenkt werden.
  knapp über dem für 2020 zu erwartenden
Seite 6   Kurzfassung

                        • Die steuerliche Förderung von
                          Investitionen in Forschung und
                          Entwicklung (F&E) würde Deutschland
                          als Standort für F&E attraktiver machen.

                        • Eine beschleunigte steuerliche
                          Abschreibung würde die
                          Investitionsbedingungen aller
                          Unternehmen in Deutschland verbessern.

                            Die Umsetzung dieser Vorschläge besei-
                        tigt nicht die grundlegenden Probleme der
                        deutschen Unternehmensbesteuerung. Die
                        Senkung des Satzes der Körperschaftsteuer
                        verstärkt das Gewicht der Gewerbesteuer.
                        Die Gewerbesteuer ist aber eine anerkannt
                        problematische Steuer. Im internationalen
                        Steuerwettbewerb ist eine umfassende Re-
                        form der Unternehmensbesteuerung not-
                        wendig, die weitgehende Investitions-, Fi-
                        nanzierungs- und Rechtsformneutralität
                        gewährleistet. Dazu hat der Wissenschaft-
                        liche Beirat schon mit seinem Gutachten
                        (2004) zur Flat Tax und zur Dualen Einkom-
                        mensteuer geeignete Alternativen geprüft.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland   Seite 7

     1. Überblick

Die Steuersätze für Gewinne der Kapital-       verbessern. Da Deutschland im Jahr 2020
gesellschaften fallen weltweit. Im Jahr 2018   den höchsten Steuersatz für Gewinne der
haben die USA diesen Steuersatz von etwa       Kapitalgesellschaften in der OECD aufwei-
39  % auf etwa 26 % gesenkt. Der entspre-      sen wird – vorausgesetzt die für die beiden
chende Steuersatz in Deutschland hat sich      kommenden Jahre von anderen Staaten
entgegen dem internationalen Trend seit        angekündigten oder bereits beschlosse-
dem Jahr 2008 aufgrund der gestiegenen         nen Steuerreformen treten in Kraft – ist die
Gewerbesteuer im Bundesdurchschnitt von        wichtigste Maßnahme eine deutliche Ab-
rund 30 % auf rund 31 % erhöht. Der mitt-      senkung dieses Steuersatzes.
lerweile vergleichsweise hohe deutsche Ge-
winnsteuersatz schafft Anreize, Investitio-
nen und Gewinne in Staaten mit niedrige-
ren Gewinnsteuern zu verlagern. Basierend
auf einem Maßnahme-Paket der OECD hat
die Europäische Union eine Richtlinie zur
Bekämpfung internationaler Gewinnverla-
gerungen beschlossen. Wenn diese Maßnah-
men greifen und es deswegen für Unterneh-
men schwieriger wird, Gewinne zu verla-
gern, nimmt der Anreiz für diese Unterneh-
men zu, stattdessen vermehrt Investitionen
in Staaten mit niedrigen Gewinnsteuern zu
verlagern. Es ist nicht auszuschließen, dass
dies zu Lasten der Investitionen in Deutsch-
land gehen würde. Der Wissenschaftliche
Beirat empfiehlt deswegen, die steuerlichen
Investitionsbedingungen in Deutschland zu
Seite 8   Steuerpolitisches Umfeld

                               2. Steuerpolitisches Umfeld

                         2.1 Steuerreform in den USA                            Gleichzeitig werden aber eine Beschrän-
                                                                                kung für den Zinsabzug eingeführt (Zins-
                                                                                schranke von 30 % des EBITDA, ab dem Jahr
                         Zum 1. Januar 2018 trat in den USA der „Tax            2022 von 30 % des EBIT) und der (nunmehr)
                         Cuts and Jobs Act“1 in Kraft. Die Reform2 ist          zeitlich unbegrenzte Verlustvortrag betrags-
                         umfangreich. Zu ihren zentralen Elemen-                mäßig begrenzt (auf 80 % des zu versteuern-
                         ten gehört die Absenkung des Steuersatzes              den Einkommens).
                         des Bundes (Federal Corporate Tax Rate)                    Die USA geben zudem als einer der we-
                         für Gewinne der Kapitalgesellschaften von              nigen verbliebenen Staaten die Besteue-
                         35 % auf 21 %. Dieser Bundessteuersatz er-             rung ausgeschütteter, im Ausland erzielter
                         höht sich noch um Steuern der Bundesstaa-              Gewinne von Kapitalgesellschaften auf und
                         ten (State Income Taxes), die als Ausgaben             gehen stattdessen zu der international ver-
                         bei der Bundessteuer abzugsfähig sind. Im              breiteten Freistellung dieser Gewinne über.
                         Durchschnitt ergibt sich daraus eine tarifli-          Gegen die internationale Gewinnverlage-
                         che Steuerbelastung des Gewinns von etwa               rung richtet sich die Base Erosion Anti-Ab-
                         26 %.3 Zusätzlich entlastend wirkt die So-             use Tax (BEAT). Besteuert wird hier der Ge-
                         fortabschreibung bestimmter materieller                winn zuzüglich bestimmter Zahlungen an
                         Wirtschaftsgüter, die bis zum Jahr 2022 er-            ausländische verbundene Unternehmen;
                         worben werden.                                         der Steuersatz der BEAT beträgt 5 % im Jahr
                                                                                2018, 10 % ab dem Jahr 2019 und steigt ab
                         1 Vgl. 115th Congress of the United States of          dem Jahr 2026 auf 12,5 %.4 Bemerkenswert
                         America (2017).                                        sind zwei neue Steuerregime für im Ausland
                         2 Vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche          erwirtschaftete Gewinne aus Immaterialgü-
                         Dienste (2018) oder Gsödl/Schmid (2018) zu den
                         Details dieser Reform.                                 tern einer US-Kapitalgesellschaft: zum ei-
                         3 Vgl. PwC (2018); die Steuersätze liegen zwi-         nen ein Präferenzregime (Foreign-Derived
                         schen 0 % und 12 %. Die Steuerbasis der State          Intangible Income, FDII) und zum anderen
                         Income Tax ist meist das Federal Taxable Income,
                                                                                ein Abwehrregime (Global Intangible Low-
                         das aber gewöhnlich vom jeweiligen Staat mo-
                         difiziert und auf der Grundlage einer von diesem       Taxed Income, GILTI). Die effektive Steuer-
                         Staat gewählten Formel diesem Staat zugeordnet
                         wird. Legt man einen Satz der State Income Tax von
                         6,0 % zugrunde, so erhält man eine Gewinnsteuer-
                         belastung von (gerundet) 25,7 % [= 0,21 + (1 – 0,21)   4 Insbesondere die Kosten für den Wareneinsatz
                         ·0,06]. Bei dem Bundeseinkommensteuersatz von          (Cost of Goods Sold) bleiben abzugsfähig; liegt die
                         35 %, der vor der Reform in der Spitze galt, ergab     Steuer auf den Gewinn der US-Kapitalgesellschaft
                         sich eine vergleichbare Gewinnsteuerbelastung von      unter der BEAT, so ist die höhere Steuer zu zahlen.
                         38,9 % [= 0,35 + (1 – 0,35) · 0,06].
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland               Seite 9

belastung für FDII beträgt 13,1 % (16,4 % ab       matisch ansteigen. Der US-Dollar wertete
dem Jahr 2026); die Steuer auf GILTI greift,       auf, die Realzinsen schossen in die Höhe, die
wenn der ausländische Steuersatz 13,1 %            Leistungsbilanzdefizite weiteten sich aus
unterschreitet (16,4 % ab dem Jahr 2026).          und viele lateinamerikanische Staaten ge-
    Die ökonomischen Auswirkungen für              rieten durch den induzierten Kapitalabfluss
die USA werden unterschiedlich einge-              in Schwierigkeiten. Ähnliche Effekte deu-
schätzt.5 Im Rahmen eines dynamischen              ten sich auch infolge der aktuellen Steuer-
numerischen Gleichgewichtsmodells mit              reform an.
17 Regionen kommen Benzell/Kotlikoff/
Lagarda (2017) zu dem Ergebnis, dass die
Wirtschaftsleistung in den USA zunimmt.
                                                   2.2 Steuersatzsenkungen in
Sie schätzen, dass das BIP in den USA bis              der OECD
2025 gegenüber einem Referenzpfad ohne
Steuerreform um rund 4 % höher ausfallen           Die markante Steuersatzsenkung in den
wird, wobei eine Ursache erhebliche Kapi-          USA fügt sich ein in das Bild sinkender Steu-
talzuflüsse aus dem Ausland sind. Nach den         ersätze in der OECD. Abbildung 1 zeigt für
Berechnungen der Autoren ist der „Tax Cuts         den Zeitraum 2001 bis 2020 sinkende Kör-
and Jobs Act“ weitgehend aufkommens-               perschaftsteuersätze (inkl. lokaler Steuern)
neutral. Demgegenüber ist Furman (2017),           einiger großer Mitgliedstaaten der OECD.
der frühere Vorsitzende des Council of Eco-        Italien hat im Jahr 2017 seinen Steuersatz
nomic Advisers, wesentlich skeptischer. Er         von 31,3 % auf 27,8 % gesenkt; das Verei-
geht von vergleichsweise geringen Wachs-           nigte Königreich wird im Jahr 2020 einen
tumseffekten innerhalb des nächsten Jahr-          Steuersatz von 17 % aufweisen; Frankreich
zehnts aus, die langfristig wegen der durch        plant für das Jahr 2020 (2022) eine Senkung
die Steuerreform steigenden Staatsverschul-        des Steuersatzes auf 28,9 % (25,8 %); die Nie-
dung sogar negativ werden könnten.6                derlande wollen im Jahr 2021 den Steuer-
    Im Hinblick auf historische Erfahrungen        satz von 25 % auf 21 % senken.7 Der durch-
sind die wirtschaftlichen Effekte des von          schnittliche Körperschaftsteuersatz der Mit-
der Reagan-Regierung im Jahr 1981 einge-           gliedstaaten der OECD wird im Jahr 2020
führten „Economic Recovery Tax Act“ inte-          voraussichtlich bei 23,4 % liegen. Der Ab-
ressant. Die damalige umfassende Steuerre-         stand des deutschen Steuersatzes von 31 %8
form beinhaltete eine starke Verbesserung          zum Steuersatz wichtiger Standorte für In-
der steuerlichen Abschreibungsbedingun-            vestitionen deutscher Unternehmen (insbe-
gen bis hin zur Sofortabschreibung und eine        sondere zu den USA) ist somit erheblich.
erhebliche Senkung der Steuersätze auf Ein-
kommen und Unternehmensgewinne. Dies
löste zunächst eine fulminante wirtschaft-         7 Eine Reihe von weiteren Mitgliedstaaten der
                                                   OECD hat im Jahr 2018 die Steuersätze gesenkt
liche Erholung aus, ließ aber die staatli-         (Belgien von 34 % auf 29,9 %, Luxemburg von
chen Defizite in den folgenden Jahren dra-         27,1 % auf 26 %, Norwegen von 24 % auf 23 %,
                                                   Schweden von 22 % auf 20 %) oder Steuersatzsen-
                                                   kungen angekündigt (Australien von 30 % auf 25 %
5 Besonders deutlich wird das in dem Beitrag       bis zum Jahr 2027, Belgien von 29,9 % auf 25,8 %
von Barro/Furman (2018), in dem die Autoren die    im Jahr 2020 und Griechenland von 29 % auf 26 %
Ergebnisse ein und desselben Modells in getrenn-   im Jahr 2019).
ten Zusammenfassungen unterschiedlich interpre-    8 Die tarifliche Belastung von 31 % (gerundet)
tieren.                                            ergibt sich aus 15 % Körperschaftsteuer, 5,5 % Soli-
6 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung        daritätszuschlag zur Körperschaftsteuer und (rund)
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2018),     15 % Gewerbesteuer (bei einem Hebesatz von
S. 293 zu einem Überblick über Schätzungen zu      435 %). Die Hebesätze der Gewerbesteuer lagen
den Auswirkungen des „Tax Cuts and Jobs Act“ auf   im Jahr 2017 in großen Städten über 435 %, sodass
das US-amerikanische BIP.                          auch höhere tarifliche Belastungen möglich sind.
Seite 10     Steuerpolitisches Umfeld

           Abbildung 1:                                              Entwicklung der Körperschaftsteuersätze (inkl. lokaler
                                                                     Steuern) in ausgewählten Mitgliedstaaten der OECD

                                                               45%

                                                               40%
              Körperschaftsteuersatz (inkl. lokaler Steuern)

                                                               35%
                                                                                                                        Deutschland
                                                                                                                        Japan

                                                               30%                                                      Frankreich
                                                                                                                        Italien
                                                                                                                        USA
                                                               25%                                                      OECD-Durchschnitt
                                                                                                                        Vereinigtes Königreich

                                                               20%

                                                               15%

           Entwicklung der Körperschaftsteuersätze (inkl. lokaler Steuern) der sechs größten OECD-Mitgliedstaaten. Der OECD-Durch-
           schnitt ist als ungewichteter Mittelwert über alle 35 OECD-Mitgliedstaaten berechnet (Stand der OECD-Mitgliedschaft: Januar
           2018). Geplante Reformen des Körperschaftsteuersatzes bis 2020 sind abgebildet. Quellen: OECD.Stat: Tax Database, Table II.1
           (http://stats.oecd.org, Zugriff: 30.04.2018), Statistisches Bundesamt: Statistik über den Realsteuervergleich (https://www.desta-
           tis.de, Zugriff: 30.04.2018).
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland   Seite 11

     3. Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik

3.1 Investitionswirkungen 		                   von der Bemessungsgrundlage einer Steuer
    der Gewinnsteuern                          beeinflusst, während die EATR wesentlich
                                               vom tariflichen Steuersatz bestimmt wird
Fundamentale Faktoren, wie die Qualifi-        (und gegen selbigen konvergiert, wenn die
kation der Arbeitskräfte, die Infrastruktur,   Profitabilität des betrachteten Projektes
die Garantie der Eigentumsrechte und die       sehr hoch ist, siehe Devereux/Griffith (2003)
ökonomische Stabilität sind zentral bei der    und Schreiber/Spengel/Lammersen (2002)).
Wahl eines Standorts für Investitionen. Aber   Da die EATR für Standortentscheidungen
auch den Steuern kommt eine erhebliche         relevant ist, hat der tarifliche Steuersatz eine
Bedeutung zu. Ein Staat, der vergleichsweise   wichtige Signalwirkung für Investoren.9
niedrige Gewinnsteuern aufweist, schafft           Die empirische Steuerforschung lässt
günstige Bedingungen für international         kaum einen Zweifel, dass Gewinnsteuern
mobile Investitionen. Denn internationale      Einfluss auf internationale Standort- und
Standort- und Investitionsentscheidungen       Investitionsentscheidungen nehmen.10 Die
hängen auch von der effektiven Gewinn-         geschätzten Effekte sind über die Studien
steuerlast eines Unternehmens ab, die über     hinweg zwar nicht einheitlich, es findet sich
den tariflichen Steuersatz der relevanten      aber in fast allen Arbeiten ein statistisch
Steuern (etwa Bundessteuern und lokale         signifikanter und quantitativ relevanter
Steuern) und deren Bemessungsgrundla-          negativer Zusammenhang zwischen der
gen bestimmt ist. Bei der Messung der steu-    Gewinnsteuerbelastung und der gemes-
erlichen Belastung von Investitionen wird      senen Höhe der ausländischen Direktin-
zwischen dem effektiven Grenzsteuersatz        vestitionen. Eine Meta-Analyse von Feld/
(Effective Marginal Tax Rate, EMTR) und        Heckemeyer (2011) findet, basierend auf 704
dem effektiven Durchschnittssteuersatz (Ef-    Schätzungen in 45 Studien, für Direktinves-
fective Average Tax Rate, EATR) unterschie-    titionen eine durchschnittliche Semi-Elas-
den. Die EMTR beeinflusst die Höhe der In-     tizität von -2,55; danach reduziert also ein
vestition an einem gegebenen Standort. Die
EATR ist maßgeblich für die Wahl zwischen      9 Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat beim Bun-
                                               desministerium der Finanzen (1998) zur Bedeutung
vorteilhaften Investitionsvorhaben, bei-       der tariflichen Gewinnsteuersätze für die Standort-
spielsweise für die Entscheidung, eine Di-     und Investitionsentscheidungen der Unternehmen.
rektinvestition in Deutschland oder in den     10 Vgl. Devereux/Griffith (2003); de Mooij/Eder-
                                               veen (2008); Feld/Heckemeyer (2011); Heckemeyer/
USA anzusiedeln. Die EMTR wird stärker
                                               Overesch (2012):
Seite 12   Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik

                         Anstieg des relevanten Steuersatzes in ei-         che Konsequenzen ein durch sinkende Ge-
                         nem Staat um einen Prozentpunkt (etwa              winnsteuersätze ausgelöster Anstieg der
                         von 30 % auf 31 %) die ausländischen Direk-        Investitionen in diesen Staaten für Investiti-
                         tinvestitionen in diesem Staat um 2,55 %.          onen in Deutschland hat.
                         Die empirische Literatur zeigt hierbei, dass           Sinkende Gewinnsteuersätze im Ausland
                         insbesondere die EATR und die tariflichen          vermindern die Attraktivität Deutschlands
                         Steuersätze die Höhe ausländischer Direk-          als Investitionsstandort im internationalen
                         tinvestitionen maßgeblich beeinflussen. Die        Vergleich. Für multinationale Unternehmen
                         EMTR und steuerliche Abschreibungsre-              ergibt sich somit ein Anreiz, Investitionen
                         geln spielen im Vergleich dazu eine weni-          im Ausland zu erweitern. Ist das weltweite
                         ger bedeutende Rolle.11 Zudem findet sich          Investitionsvolumen einer Unternehmung
                         Evidenz, dass sich die Steuerreagibilität von      fixiert, werden Investitionen vom Inland
                         Direktinvestitionen zwischen Sektoren un-          ins Ausland verschoben, und es besteht da-
                         terscheidet und zudem davon abhängt, ob            mit die berechtigte Sorge, dass insbesondere
                         Investitionen neuen Kapitals (Greenfield In-       die US-Steuerreform zu Lasten der Inves-
                         vestment) oder Übernahmen bestehender              titionen in Deutschland geht. Ist das welt-
                         Unternehmen (Mergers & Acquisitions) be-           weite Investitionsvolumen multinationa-
                         trachtet werden.12 Overesch/Wamser (2009)          ler Unternehmen hingegen variabel, kann
                         ermitteln (auf der Grundlage von EATR)             auch der gegenteilige Effekt eintreten: Sind
                         eine Semi-Elastizität von -2,47 im verarbei-       Investitionen an verschiedenen Unterneh-
                         tenden Sektor; für den Dienstleistungssek-         mensstandorten Komplemente, kann eine
                         tor finden die Autoren eine deutlich gerin-        Gewinnsteuersenkung und die dadurch
                         gere Semi-Elastizität von -1,31. Hebous/Ruf/       induzierte Investitionsausweitung an ei-
                         Weichenrieder (2011) zeigen, dass Greenfield       nem Standort (im Kontext der US-Steuer-
                         Investments deutlich höhere Steuerelastizi-        reform also eine Investitionsausweitung in
                         täten aufweisen als Mergers & Acqusitions.         den USA) die Investitionen an einem ande-
                         Greenfield Investments erhöhen zudem               ren Standort (beispielsweise in Deutschland)
                         den Kapitalstock einer Ökonomie plausib-           auch erhöhen.
                         ler Weise stärker als Mergers & Acquisitions.          Darüber hinaus könnten US-Unterneh-
                             Mit Blick auf die starke Absenkung der         men Investitionen ihrer Tochtergesellschaf-
                         Gewinnsteuerbelastung in den USA und               ten in Deutschland ausweiten und diese In-
                         sinkende Gewinnsteuersätze in anderen              vestitionen mit Fremdkapital finanzieren.
                         Mitgliedstaaten der OECD lässt sich somit          Dadurch könnten sie der deutschen Ge-
                         festhalten, dass mit einem steuerbeding-           winnsteuer ausweichen und den niedrige-
                         ten Anstieg der Investitionen insbesondere         ren Steuersatz in den USA nutzen (sofern Sie
                         in den USA, aber auch in anderen Mitglied-         dabei in Deutschland auf keine steuerliche
                         staaten der OECD, gerechnet werden muss.           Restriktion für den Zinsabzug stoßen). Posi-
                         Indes ist aus theoretischer Sicht unklar, wel-     tive Investitionswirkungen in Deutschland
                                                                            können sich zudem auch daraus ergeben,
                         11 Vgl. Feld/Heckemeyer (2011).                    dass deutsche Unternehmen von positi-
                         12 Greenfield Investments sind Investitionen in ven Nachfrageeffekten der US-Steuerreform
                         neues Kapital, während bei ausländischen Mergers
                         & Acquisitions Teile des bestehenden Kapitalstocks profitieren.
                         einer Ökonomie übernommen werden. Auch letz-
                         tere können allerdings positive Wohlfahrtseffekte
                         entfalten: Im Nachgang zu Unternehmensüber-
                         nahmen können neue Kapitalinvestitionen getätigt
                         oder über Synergien positive Produktivitätseffekte
                         erzielt werden (siehe bspw. Calderon/Loayza/Ser-
                         ven (2004)).
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland      Seite 13

    Die empirische Evidenz zu diesen theo-               Das Zentrum für Europäische Wirt-
retischen Zusammenhängen ist nicht klar.13           schaftsforschung (ZEW) hat eine quantita-
Zwar darf als empirisch gesichert gelten,            tive Analyse der zu erwartenden Investiti-
dass die Besteuerung im Zielland ausländi-           onseffekte der US-Steuerreform vorgelegt.
scher Direktinvestitionen auf die Höhe die-          Das ZEW schätzt mittels empirisch beleg-
ser Direktinvestitionen wirkt. Jedoch ist            ter Steuerelastizitäten auf der Grundlage
nicht völlig klar, ob einer steuerinduzierten        des Bestandes deutscher Direktinvestition
Erhöhung der Investitionen in den USA eine           in den USA und des Bestandes US-amerika-
entsprechende Reduktion der heimischen               nischer Direktinvestitionen in Deutschland
Investitionen gegenübersteht. Es gibt gleich-        zu erwartende Effekte für die entsprechen-
wohl empirische Hinweise auf negative Ef-            den Direktinvestitionen.17 Danach nehmen
fekte für heimische Investitionen.14 Zudem           deutsche Investitionen in den USA um 4.112
legen empirische Studien nahe, dass die US-          Millionen Euro im verarbeitenden Sektor
Steuerreform auch die Direktinvestitionen            und um 18.098 Millionen Euro im Dienst-
aus anderen Staaten nach Deutschland re-             leistungssektor zu. Gemäß der obigen Argu-
duziert, da Deutschland als Zielland an At-          mentation kann nach dem aktuellen empi-
traktivität relativ zu den USA verliert.15           rischen Erkenntnisstand erwartet werden,
    Das ifo Institut16 hat deutsche Unterneh-        dass diese Investitionen zumindest teilweise
men befragt, ob sie ihr Investitionsverhalten        mit einem Investitionsabbau in Deutsch-
in den USA oder in Deutschland aufgrund              land einhergehen. Die ZEW-Studie schätzt
der Steuerreform in den USA ändern wol-              zudem, dass US-Investitionen in Deutsch-
len. Danach planen 14 % der Unternehmen              land im verarbeitenden Sektor um rund 713
ihre Investitionen in den USA zu erhöhen;            Millionen Euro und im Dienstleistungssek-
bei Unternehmen, die eine steuerliche Ent-           tor um rund 2.950 Millionen Euro zuneh-
lastung erwarten, steigt diese Zahl auf 31 %.        men.18
Nur wenige Unternehmen geben an, ihre                    Die Umfrage des ifo Instituts berichtet
Investitionen in den USA zu verringern.              über Investitionspläne; es handelt sich um
17 % der Unternehmen, die ihre Investitio-           qualitative Angaben der Unternehmen. Of-
nen in den USA erhöhen wollen, planen, im            fen ist, inwieweit diese Pläne in die Tat um-
Gegenzug die Investitionen in Deutschland            gesetzt werden. Im Gegensatz dazu nimmt
zu senken; 14 % wollen sowohl in Deutsch-            das ZEW eine quantitative Analyse vor, die
land als auch in den USA mehr investieren.           auf Steuerelastizitäten der Investitionen be-
2 % der befragten Unternehmen geben an,              ruht. Gleichwohl könnte die Dynamik des
wegen des FDII-Regimes geistiges Eigentum            zukünftigen Investitionsgeschehens ange-
in die USA zu verlagern.                             sichts der oben erörterten, theoretisch und

13 Vgl. Desai/Foley/Hines (2005).
14 Vgl. Egger/Loretz/Pfaffermayr/Winner (2009),      17 Vgl.        Spengel/Heinemann/Olbert/Pfeiffer/
die bilaterale effektive Steuersätze benutzen und    Schwab/Stutzenberger (2018), S. 28-34; die Schät-
einen positiven Zusammenhang zwischen dem            zungen beruhen auf Daten von Eurostat; verwendet
Gewinnsteuersatz im Investorstaat und der Höhe       werden effektive Durchschnittsteuersätze (EATR),
ausländischer Direktinvestitionen finden, was na-    die auf der jeweils für den Investor günstigsten Fi-
helegt, dass Investitionen in Reaktion auf Steuer-   nanzierung beruhen, und eine Semi-Elastizität von
satzänderungen zwischen den Staaten verschoben       -2,49 für das verarbeitende Gewerbe (Manufactu-
werden.                                              ring FDI) und von -1,31 für den Dienstleistungssek-
                                                     tor (Business Services).
15 Vgl. Bénassy-Quéré/Fontagné/Lahrèche-Révil
(2005), die zeigen, dass eine Senkung der Gewinn-    18 Hinzu kommen mögliche negative Effekte auf
steuersätze in Drittstaaten negativ auf die Höhe     die Höhe der Direktinvestitionen, die aus anderen
der bilateralen ausländischen Direktinvestitionen    Staaten nach Deutschland fließen. Diese Effekte
zwischen Staaten wirkt.                              werden in der ZEW-Studie nicht explizit quantifi-
                                                     ziert.
16 Vgl. Krolage/Wohlrabe (2018).
Seite 14   Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik

                         empirisch nicht eindeutigen Zusammen-            gerung durch steuerliche Begrenzungen des
                         hänge zwischen Direktinvestitionen im            Zinsabzugs erschwert ist.
                         Ausland und deren Rückwirkungen auf hei-             Vor allem in der Europäischen Union,
                         mische Investitionen nur unvollkommen            die auf dem BEPS-Projekt beruhende Maß-
                         abgebildet sein.                                 nahmen beschlossen hat, die sich ge-
                             Hinzu kommt, dass multinationale Un-         gen die internationale Gewinnverlagerung
                         ternehmen bei der Wahl eines Standortes          richten,19 ist nicht auszuschließen, dass da-
                         für Investitionen auch auf die umfangrei-        von betroffene Unternehmen die Verlage-
                         chen Neuerungen im regulatorischen Um-           rung von Gewinnen durch die Verlagerung
                         feld reagieren dürften. Tatsächlich haben        von Investitionen ersetzen.20 Deswegen
                         mit der Umsetzung des im Jahr 2012 be-           könnten die Investitionseffekte der Steuer-
                         gonnenen BEPS-Projektes der OECD be-             satzsenkung in den USA ausgeprägter sein,
                         deutende Änderungen im internationalen           als es die Umfrage des ifo Instituts und die
                         Steuerrecht stattgefunden oder sind noch         Berechnungen des ZEW erwarten lassen.
                         zu erwarten. Wenn das BEPS-Projekt die in-       Kommt es verstärkt zu Investitionsverlage-
                         ternationale Gewinnverlagerung zukünf-           rungen in das niedriger besteuernde Aus-
                         tig wirksam einschränkt, sollte der tarifliche   land, so geht nicht nur Steueraufkommen
                         Gewinnsteuersatz weiter an Bedeutung für         verloren. Darüber hinaus dürften das hei-
                         die Investitionsentscheidung der Unterneh-       mische Wirtschaftswachstum beeinträch-
                         men gewinnen.                                    tigt werden und zudem Arbeitsplätze verlo-
                             Darauf deuten auch neuere empirische         ren gehen.
                         Studien hin. Egger/Merlo/Wamser (2014) zei-          Man mag einwenden, dass die weitrei-
                         gen, dass Möglichkeiten zur Gewinnverla-         chenden Maßnahmen der US-Steuerreform
                         gerung in Niedrigsteuerstaaten über Fir-         angesichts der oben beschriebenen Haus-
                         mengruppen hinweg stark variieren und            haltsrisiken in den USA und der ungewissen
                         dass die Investitionsentscheidung von Un-        Wachstumseffekte mittelfristig wieder zu-
                         ternehmen, die erfolgreich internationale        rückgenommen werden könnten, was den
                         Steuervermeidung über Gewinnverlage-             Handlungsbedarf der deutschen Steuerpoli-
                         rungen betreiben, nicht signifikant auf Än-      tik weniger dringlich erscheinen ließe. Ver-
                         derungen des Gewinnsteuersatzes reagiert.        lässliche Aussagen lassen sich dazu natur-
                         Sind Möglichkeiten zur internationalen Ge-       gemäß nicht treffen. Gleichwohl ist kaum
                         winnverlagerung eingeschränkt, zeigt sich        damit zu rechnen, dass die USA die Frei-
                         hingegen eine starke Reaktion der Investi-       stellung von Ausschüttungen ausländischer
                         tionsentscheidung auf die Steuersatzhöhe.        Kapitalgesellschaften und die Senkung des
                         Dobbins/Jacob (2016) finden, dass die Sen-       Körperschaftsteuersatzes rückgängig ma-
                         kung der Körperschaftsteuer im Rahmen            chen werden.21
                         der Steuerreform des Jahres 2008 die In-
                         vestitionen von Kapitalgesellschaften, die       19 Vgl. Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom
                         nur begrenzten Zugang zu internationa-           12.7.2016, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU)
                                                                          2017/952 des Rates vom 29.5.2017.
                         len Gewinnverlagerungsmöglichkeiten ha-
                                                                          20 Vgl. Overesch (2009); Keen/Konrad (2013); Keen
                         ben, stärker beeinflusst hat als Investitionen   (2018); Bärsch/Olbert/Spengel (2018), S. 1823-
                         von Kapitalgesellschaften, die über interna-     1824; Schreiber/von Hagen/Pönnighaus (2018),
                                                                          S. 241-243.
                         tionale Gewinnverlagerungsmöglichkeiten
                                                                          21 Vgl. Mintz (2018), S. 29, der nach einer ein-
                         verfügen. Büttner/Overesch/Wamser (2018)         gehenden Analyse der US-Steuerreform schreibt:
                         zeigen, dass die Auslandsinvestitionen stär-     ”And there are eventual changes in the political
                                                                          control of the Presidency and Congress at a later
                         ker auf die tariflichen Steuersätze reagie-
                                                                          time, which could lead to significant shifts as this
                         ren, wenn die internationale Gewinnverla-        current reform received only Republican support.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland    Seite 15

    Eine abwartende Haltung der deutschen                3.2 Senkung des Satzes der
Steuerpolitik ist deswegen nicht zu emp-
                                                             Körperschaftsteuer
fehlen.
    Fasst man diese Überlegungen zu-
sammen, lässt sich eine Verbesserung der                 Vor dem Hintergrund der zunehmend stär-
steuerlichen Standortattraktivität für in-               keren Bedeutung des tariflichen Gewinn-
ternational mobile Investitionen am wir-                 steuersatzes für die Investitionsentschei-
kungsvollsten über eine Senkung des tarif-               dung multinationaler Unternehmen und
lichen Gewinnsteuersatzes, vor allem des                 angesichts weltweit sinkender Gewinnsteu-
Satzes der Körperschaftsteuer, erreichen                 ersätze der Kapitalgesellschaften hat die
(Abschnitt 3.2). Dies erfordert allerdings An-           Senkung des Gewinnsteuersatzes deutscher
passungen im System der Unternehmens-                    Kapitalgesellschaften die höchste steuer-
besteuerung bei der Hinzurechnungsbe-                    politische Priorität. Mit Blick auf die Steu-
steuerung (Abschnitt 3.3.1), der steuerlichen            ersatzsenkung in den USA könnte der Satz
Behandlung von Eigen- und Fremdfinanzie-                 der Körperschaftsteuer von 15 % auf 10 %
rung der Kapitalgesellschaften (Abschnitt                gesenkt werden. Es ergäbe sich dann eine
3.3.2) sowie der Besteuerung nicht entnom-               tarifliche Gewinnsteuerbelastung von etwa
mener Gewinne von Personenunterneh-                      25 %,22 die in etwa der durchschnittlichen
men (Abschnitt 3.3.3). Neben einer Senkung               US-Steuerbelastung entspricht und die in
des Satzes der Körperschaftsteuer kann eine              der Nähe des im Jahr 2020 zu erwartenden
Verbesserung der Standort- und Investiti-                OECD-Durchschnitts von 23,4 % liegt.
onsbedingungen zusätzlich über eine steu-                    Das steuerpolitische 10-Punkte-Akti-
erliche Förderung von Investitionen in F&E               onsprogramm des Bundesministeriums für
(Abschnitt 3.4) und durch beschleunigte Ab-              Wirtschaft und Energie sieht unter ande-
schreibungen (Abschnitt 3.5) erzielt werden.             rem vor, den Solidaritätszuschlag vollstän-
All diese Maßnahmen sind allerdings mit                  dig abzubauen und bei unverändertem
Mindereinnahmen verbunden, auf die im                    Körperschaftsteuersatz einen Teil der Ge-
Abschnitt 4 eingegangen wird. Thematisiert               werbesteuer auf die gezahlte Körperschaft-
werden dort auch Verteilungswirkungen,                   steuer anzurechnen.23 Beide Maßnahmen
die mit einer Senkung der Gewinnsteuerbe-                sind grundsätzlich geeignet, die tarifliche
lastung einhergehen könnten.                             Gewinnsteuerbelastung von Kapitalgesell-
                                                         schaften zurückzuführen. Die Abschaffung
                                                         des Solidaritätszuschlags reduziert beim
                                                         derzeitigen Satz der Körperschaftsteuer
                                                         von 15 % die tarifliche Belastung aber ledig-
                                                         lich um moderate 0,83 %. Die Anrechnung
                                                         der Gewerbesteuer wäre so auszugestalten,
                                                         dass sie einer Senkung des Tarifs der Kör-
                                                         perschaftsteuer äquivalent ist. Daher wäre
                                                         (anders als derzeit bei der Anrechnung von
                                                         Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer)

                                                         22 Bei einem Hebesatz der Gewerbesteuer von
                                                         400 % (435 %) erhält man einen Gewerbesteuersatz
Nonetheless, many provisions, especially those           von 14 % (15,23 %) und inklusive Solidaritätszu-
related to corporate taxation, will likely stick espe-   schlag eine Gewinnsteuerbelastung von 24,55 %
cially the dividend exemption system and various         (25,78 %).
antitax avoidance rules.”                                23 Vgl. Handelsblatt (11.10.2018).
Seite 16   Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik

                         auch eine überperiodische Anrechnung der
                         Gewerbesteuer vorzusehen, um sicherzu-
                         stellen, dass in einzelnen Jahren aufgrund
                         zu geringer Körperschaftsteuer nicht zur
                         Anrechnung gebrachte Gewerbesteuer spä-
                         ter anrechenbar bleibt. Gegenüber der An-
                         rechnung von Gewerbesteuer ist allerdings
                         die Senkung des tariflichen Satzes der Kör-
                         perschaftsteuer der steuertechnisch einfa-
                         chere Weg zu einer Senkung des Gewinn-
                         steuersatzes und auch das klarere Signal für
                         Investoren. Es kommt hinzu, dass die An-
                         rechnung der Gewerbesteuer den Trend zu
                         steigenden Hebesätzen bei der Gewerbe-
                         steuer verstärken dürfte, so dass die effek-
                         tive Entlastung der Gewinne am Ende ge-
                         ringer ausfällt.24
                             Durch eine Senkung des tariflichen Ge-
                         winnsteuersatzes der Kapitalgesellschaf-
                         ten in Deutschland verändert sich die ef-
                         fektive Steuerbelastung davon betroffener
                         heimischer und grenzüberschreitender In-
                         vestitionen. Abbildung 2 zeigt den effek-
                         tiven Durchschnittsteuersatz (EATR) von
                         heimischen Investitionen in Deutschland
                         (Germany-Domestic) und in den USA (US-
                         Domestic) sowie von deutschen Direktin-
                         vestitionen in den USA (Germany-Out-
                         bound) und von US Direktinvestitionen in
                         Deutschland (Germany-Inbound); der ta-
                         rifliche Gewinnsteuersatz (einschließlich
                         lokaler Steuern) bezeichnet den Gewinn-
                         steuersatz am Ort der Investition. Die Be-
                                                                             Finanzwirtschaft) durchgeführt und beruhen auf
                         rechnungen unterstellen eine Kapitalge-             dem Devereux/Griffith-Modell; zur Methodik vgl.
                         sellschaft als Investor, Investitionen in           ZEW (2018). Betrachtet wird eine Kapitalgesell-
                         materielle und immaterielle Wirtschafts-            schaft des verarbeitenden Gewerbes, die in fünf
                                                                             gleich gewichtete Klassen von Wirtschaftsgütern
                         güter sowie Finanzanlagen und gemischte             (Industriegebäude, Immaterialgüter, maschinelle
                         Finanzierung der Investitionen mit Ei-              Anlagen, Finanzanlagen, Umlaufvermögen) in-
                                                                             vestiert und die zu gleichen Anteilen mit einbe-
                         genkapital und Fremdkapital. Bei grenz-             haltenen Gewinnen, mit neuem Eigenkapital und
                         überschreitenden Investitionen hält eine            mit Fremdkapital finanziert ist. Die ökonomische
                         Mutterkapitalgesellschaft die Anteile der in-       Abschreibung erfolgt geometrisch degressiv (Ge-
                                                                             bäude 3,1 %, maschinelle Anlagen 17,5 %, Imma-
                         vestierenden Kapitalgesellschaft.25                 terialgüter 15,35 %). Die Rendite beträgt 20 %, der
                                                                             nominale Zinssatz beläuft sich bei einer Inflations-
                                                                             rate von 2 % auf 7,1 %, womit eine reale Verzinsung
                         24 Vgl. Büttner/Scheffler/von Schwerin (2014) zur   von 5 % angenommen wird [0,071 = (1 + 0,05) · (1
                         Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkom-        + 0,02) - 1]; persönliche Steuern sind vernachläs-
                         mensteuer.                                          sigt. Zu den tariflichen Steuersätzen vgl. Spengel/
                         25 Die Berechnungen wurden am ZEW (Be-              Heinemann/Olbert/Pfeiffer/Schwab/Stutzenberger
                         reich Unternehmensbesteuerung und Öffentliche       (2018), S.23, Tabelle 7.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland                Seite 17

Abbildung 2:                  Tariflicher Gewinnsteuersatz und effektive Durchschnittsteuer-
                              belastung (EATR) von Investitionen in Deutschland und in den USA
                              nach geltendem Recht und nach einer Senkung des Satzes der
                              Körperschaftsteuer auf 10 % in Deutschland; alle Zahlen in Prozent.

                     Investition                   Tariflicher Gewinnsteuersatz                      EATR

                     US-Domestic                                26,3                                  26,0
  Ohne Senkung des
    Steuersatzes

                     Germany-Domestic                           31,0                                  28,3

                                                                                                   27,5
                     Germany-Outbound                           26,3
                                                                                       26,7 (SF) 27,3 (BF) 28,5 (FF)
                                                                                                   27,9
                     Germany-Inbound                            31,0
                                                                                       28,6 (SF) 28,6 (BF) 26,4 (FF)

                     US-Domestic                                26,3                                  26,0
  Mit Senkung des
   Steuersatzes

                     Germany-Domestic                           25,0                                  23,0

                                                                                                   27,3
                     Germany-Outbound                           26,3
                                                                                       27,3 (SF) 27,9 (BF) 26,9 (FF)
                                                                                                   22,5
                     Germany-Inbound                            25,0
                                                                                       22,5 (SF) 22,5 (BF) 22,4 (FF)

Sämtliche Investitionen sind je zu einem Drittel durch einbehaltene Gewinne (SF), neues Eigenkapital (BF) oder Fremdkapital
(FF) finanziert. EATR mit Klammerzusatz beruhen auf der dort angegebenen Finanzierung, EATR ohne Klammerzusatz beru-
hen auf gemischter Finanzierung.

    Abbildung 2 lässt für rentable Investiti-        schwindet fast völlig. Für deutsche Unter-
onen in Deutschland (Germany-Domestic)               nehmen, die in den USA investieren (Ger-
erkennen, dass die Senkung des deutschen             many-Outbound), sinkt die EATR aufgrund
tariflichen Gewinnsteuersatzes von 31 % auf          der Freistellung der Gewinne in Deutsch-
25 % die EATR von 28,3 % auf 23,0 % (gegen-          land in geringem Umfang von 27,5 % auf
über 26,0 % in den USA) erheblich verbes-            27,3 %; durch die Steuersatzsenkung ent-
sert. Für US-Unternehmen, die in Deutsch-            steht ein Anreiz zur Fremdfinanzierung. Der
land investieren (Germany-Inbound),                  Vergleich einer Investition in Deutschland
reduziert die Senkung des deutschen Ge-              (Germany-Domestic, EATR = 23,0 %) mit der
winnsteuersatzes aufgrund der Freistellung           Investition eines deutschen Unternehmens
der Gewinne in den USA die durchschnitt-             in den USA (Germany-Outbound, EATR =
liche EATR von 27,9 % auf 22,5 %; der ohne           27,3 %) zeigt, dass die Steuersatzsenkung
die Steuersatzsenkung gegebene Anreiz zur            den vorher bestehenden steuerlichen Anreiz
Fremdfinanzierung in Deutschland ver-                zugunsten der USA beseitigt.
Seite 18   Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik

                             Zusammen genommen verringert die                Angesichts weltweit sinkender Gewinn-
                         Senkung des tariflichen Gewinnsteuersat-        steuersätze hat ein Niedrigsteuersatz von
                         zes auf 25 % die effektive Durchschnitt-        25 % zur Folge, dass ausländische be-
                         steuerbelastung (EATR) von Investitionen        herrschte Kapitalgesellschaften vermehrt
                         in Deutschland erheblich, verbessert da-        als niedrig besteuert im Sinne des Außen-
                         durch die Position Deutschlands als Inves-      steuergesetzes gelten. Soweit eine in der EU
                         titionsstandort und reduziert die steuerli-     oder im EWR ansässige Kapitalgesellschaft
                         chen Anreize zur Investitionsverlagerung        betroffen ist, kann zwar der Nachweis ge-
                         ins Ausland. Die Senkung des tariflichen Ge-    führt werden, dass diese Kapitalgesellschaft
                         winnsteuersatzes ist somit eine sehr wir-       einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätig-
                         kungsvolle steuerpolitische Maßnahme im         keit nachgeht, so dass eine Hinzurechnung
                         internationalen Steuerwettbewerb.               ausscheidet. Für außerhalb der EU oder des
                                                                         EWR ansässige Kapitalgesellschaften gilt
                                                                         dies aber nicht. Aufgrund der Steuersatzsen-
                         3.3 Ergänzende Maßnahmen                        kung in den USA können also insbesondere
                             im System der Unter-                        US-Kapitalgesellschaften (und nach einem
                                                                         BREXIT auch im Vereinigten Königreich an-
                             nehmensbesteuerung                          sässige Kapitalgesellschaften) in den An-
                                                                         wendungsbereich des Außensteuergesetzes
                         Eine isolierte Senkung des Satzes der Kör-      gelangen. In allen diesen Fällen ist dann zu
                         perschaftsteuer würde allerdings zu Ver-        prüfen, ob aktive Tätigkeiten im Sinne des
                         werfungen im System der Unternehmens-           Außensteuergesetzes vorliegen.
                         besteuerung führen. Deshalb ist eine Reihe          Die Hinzurechnungsbesteuerung muss
                         von ergänzenden Maßnahmen angezeigt.            den europäischen Anforderungen genü-
                         Diese Maßnahmen sind zwar inhaltlich ver-       gen und ist gegebenenfalls bis 31.12.2018
                         bunden, sie könnten aber zeitlich gestreckt     anzupassen.26 Der Niedrigsteuersatz sollte
                         ergriffen werden.                               so gewählt werden, dass die Belastung hin-
                                                                         zugerechneter ausländischer Gewinne der
                         3.3.1 Anpassung der Hinzu-                      Belastung in Deutschland erwirtschafte-
                               rechnungsbesteuerung                      ter Gewinne gleicht. Bei einer Senkung des
                                                                         Körperschaftsteuersatzes auf 10 % wäre
                         Der Anreiz, im niedriger besteuerten Aus-       der Niedrigsteuersatz also auf 10 % zurück-
                         land zu investieren, beruht wesentlich da-      zuführen.27 Bei (weiterhin möglicher) An-
                         rauf, dass Deutschland Gewinne, die aus-        rechnung ausländischer Körperschaftsteuer
                         ländische Kapitalgesellschaften erzielen,       auf deutsche Körperschaftsteuer ist dann
                         grundsätzlich nicht besteuert. Von diesem       sichergestellt, dass es zu keinen Anrech-
                         Grundsatz gibt es eine wichtige Ausnahme:
                         Gewinne einer ausländischen Kapitalge-          26 Vgl. Art. 3, 7, 8 und 11 der Richtlinie (EU)
                                                                         2016/1164 des Rates vom 12.7.2016, geändert
                         sellschaft, die nicht aus aktiven Tätigkeiten   durch Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates vom
                         im Sinne des Aktivitätskatalogs des Außen-      29.5.2017.
                         steuergesetzes stammen und die im Ausland       27 Schon der geltende Niedrigsteuersatz von
                                                                         25 % übersteigt den derzeitigen Körperschaftsteu-
                         einer Besteuerung von weniger als 25 %          ersatz von 15 % und müsste daher gesenkt werden.
                         (Niedrigsteuersatz) unterliegen, sind nach      Aus der Sicht der Einkommensteuer besteht diese
                                                                         Notwendigkeit zwar nicht, da dort der Spitzensatz
                         den Regelungen des Außensteuergesetzes
                                                                         des progressiven Tarifs weit über dem Niedrig-
                         dem Einkommen des inländischen Eigentü-         steuersatz liegt. Gleichwohl kommt es ohne die
                         mers der ausländischen Kapitalgesellschaft      Absenkung des Niedrigsteuersatzes nur für Kapi-
                                                                         talgesellschaften zu steuerlichen Überlastungen
                         hinzuzurechnen und der deutschen Besteu-        hinzugerechneter Gewinne.
                         erung zu unterwerfen.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland        Seite 19

nungsüberhängen kommt und unter Ein-                 das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung,
bezug der Gewerbesteuer eine Belastung               so beträgt bei einem Einkommensteuersatz
erreicht wird, welche der Belastung inlän-           von 42 % die entsprechende Steuerbelas-
discher Gewinne von Kapitalgesellschaften            tung 44,9 %.29
gleicht. Für eine solche Reduktion des An-               Die Zweifachbelastung der Gewinne
wendungsbereichs der Hinzurechnungsbe-               von Kapitalgesellschaften und die progres-
steuerung spricht auch die damit verbun-             sive Einkommensbesteuerung der Gewinne
dene Verringerung der Befolgungs- und                von Einzelunternehmen und Personen-
Erhebungskosten.28                                   gesellschaften benachteiligen regelmäßig
                                                     die Beteiligungsfinanzierung gegenüber der
3.3.2 Eigen- und Fremdfinan-                         Fremdfinanzierung, wenn Zinsen steuerlich
      zierung der Kapitalgesell-                     abzugsfähig sind und beim Empfänger der
                                                     Abgeltungsteuer von 25 % unterliegen. Zur
      schaften
                                                     Herstellung von Finanzierungsneutralität
Ziel der deutschen Steuerpolitik sollte es           sind deswegen Eingriffe in die Strukturen
nicht nur sein, die internationale Wettbe-           erforderlich, welche die Steuerreform 2008
werbsfähigkeit Deutschlands als Investiti-           im Bereich der Unternehmensbesteuerung
onsstandort zu wahren, sondern auch steu-            geschaffen hat. Profitieren würden davon
erliche Verzerrungen der Finanzierung der            vor allem junge Unternehmen, die stärker
Unternehmen möglichst zu vermeiden.                  als andere Unternehmen von Eigenkapital
Deswegen sind auch die Folgen einer Sen-             abhängig sind.
kung des Gewinnsteuersatzes der Kapitalge-               Der Wissenschaftliche Beirat hat im Jahr
sellschaften für die relative steuerliche Be-        2004 die Flat Tax und die Dual Income Tax
lastung der Finanzierungswege zu beachten.           (DIT) als grundlegende Reformoptionen ge-
    Bei einem Satz der Abgeltungsteuer von           prüft.30 Der Sachverständigenrat (SVR) hat
25 % und einem Steuersatz von etwa 25 %              zusammen mit dem ZEW und dem Max
auf Gewinne der Kapitalgesellschaften nä-            Planck Institut (MPI) für Steuerrecht und
hern sich der Gewinnsteuersatz und der               Öffentliche Finanzen im Jahr 2006 die DIT
Steuersatz auf Zinsen weitgehend an. In-             empfohlen.31 Die Vorschläge von SVR/MPI/
soweit sind dann Selbstfinanzierung und              ZEW sind zwar teilweise in die Steuerreform
Fremdfinanzierung der Kapitalgesellschaf-            2008 eingegangen. Die Einkommensteuer
ten tariflich annähernd gleich belastet. Al-         weist seither mit dem besonderen Steuer-
lerdings kommt die Einkommensteuer auf               satz für Kapitaleinkünfte und dem progres-
Ausschüttungen und Gewinne aus der Ver-
äußerung von Anteilen hinzu. Bei einem
                                                     29 Wird Abgeltungsteuer erhoben, gilt für die
Gewinnsteuersatz von 25 % folgt eine Be-             tarifliche Belastung (gerundet) 44,78 % [= 0,25 +
lastung mit Gewinnsteuer, Abgeltungsteuer            0,25 · (1 + 0,055) · (1 – 0,25)]; werden Ausschüttun-
                                                     gen und Veräußerungsgewinne teilweise von der
und Solidaritätszuschlag von 44,8 %; kommt           Einkommensteuer befreit (Teileinkünfteverfahren),
                                                     so ergibt sich bei einem Steuersatz der Einkom-
                                                     mensteuer von 42 % eine tarifliche Belastung von
28 Ein Beiratsmitglied hält es im Hinblick auf die   (gerundet) 44,94 % [= 0,25 + 0,42 · (1 + 0,055) · 0,60
Hinzurechnungsbesteuerung für problematisch,         · (1 – 0,25)].
wenn bereits ein ausländischer Steuersatz von zehn
Prozent die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung       30 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesmi-
unterbinden würde. Das Mitglied befürchtet die       nisterium der Finanzen (2004).
Gefahr umfangreicher neuer Steuervermeidungs-        31 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der
strategien aufgrund einer solchen Absenkung.         gesamtwirtschaftlichen Entwicklung/Max Planck
Zudem wird nach Auffassung dieses Mitglieds          Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und
eine Mindestsicherung im Geiste des Artikels 7 der   Steuerrecht (heute: Max Planck Institut für Steuer-
Richtlinie 2016/1164 durch den Schwellenwert von     recht und Öffentliche Finanzen)/Zentrum für Euro-
10 % nicht erreicht.                                 päische Wirtschaftsforschung (2006).
Seite 20   Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik

                         siven Steuertarif für alle anderen Einkünfte     steuer von 44,31 % und 47,48 % (jeweils ein-
                         (insbesondere die Arbeitseinkünfte) eine du-     schließlich Solidaritätszuschlag) liegt, einen
                         ale Struktur auf. Jedoch ist der Gesetzgeber     starken Anreiz auslösen, Gewinne und an-
                         den weitergehenden Vorschlägen von SVR/          dere Kapitaleinkommen in Kapitalgesell-
                         MPI/ZEW zu einer finanzierungsneutralen          schaften zu verlagern und dort möglichst
                         Besteuerung nicht gefolgt.                       lange zu belassen, um vom niedrigen Ge-
                             Tatsächlich würde eine konsequente           winnsteuersatz zu profitieren und die Belas-
                         Weiterentwicklung der bestehenden dualen         tung mit Einkommensteuer in die Zukunft
                         Struktur der Einkommensteuer eine subs-          zu verschieben. An die Stelle der steuerli-
                         tantielle Änderung bestehenden Rechts er-        chen Begünstigung der Fremdfinanzierung
                         fordern. Gewinne der Kapitalgesellschaften,      durch den niedrigen Satz der Abgeltung-
                         der Einzelunternehmen und der Personen-          steuer träte dann die steuerliche Begüns-
                         gesellschaften wären in Höhe der Normal-         tigung der Selbstfinanzierung durch den
                         verzinsung des Kapitals mit einem einheitli-     niedrigen Satz für Gewinne der Kapitalge-
                         chen Proportionalsteuersatz zu belasten, der     sellschaften.
                         dem Gewinnsteuersatz der Kapitalgesell-
                         schaften gleicht. Die Normalverzinsung des       3.3.3 Besonderer Einkommen-
                         Kapitals übersteigende Gewinne (ökonomi-               steuersatz für nicht ent-
                         sche Renten) wären bei Einzelunternehmen
                                                                                nommene Gewinne von
                         und Personengesellschaften der progressi-
                         ven Einkommensteuer zu unterwerfen, und
                                                                                Personenunternehmen
                         bei Kapitalgesellschaften bliebe es insoweit
                         bei der zweifachen Belastung.                    Einzelunternehmer und Gesellschafter von
                             Ungeeignet zur Erreichung der Finan-         Personengesellschaften können auf Antrag
                         zierungsneutralität der Besteuerung ist die      nicht entnommene Gewinne einem beson-
                         schlichte Beseitigung der dualen Struk-          deren Einkommensteuersatz unterwerfen
                         tur der Einkommensteuer.32 Zwar wären            (§ 34a EStG). Damit soll die Belastung der
                         nach der Abschaffung der Abgeltungsteuer         nicht entnommenen Gewinne an die Belas-
                         Zinsen und Gewinne der Einzelunterneh-           tung der einbehaltenen Gewinne von Kapi-
                         mer und der Gesellschafter von Perso-            talgesellschaften angeglichen werden. Hält
                         nengesellschaften ohne Unterschied dem           man an dem besonderen Einkommensteu-
                         progressiven Tarif der Einkommensteuer           ersatz für einbehaltene (begünstigte) Ge-
                         unterworfen. Allerdings käme es dann zur         winne fest, so ist dieser Einkommensteuer-
                         ungemilderten zweifachen Besteuerung der         satz an einen gesunkenen Gewinnsteuersatz
                         ausgeschütteten Gewinne von Kapitalgesell-       der Kapitalgesellschaft heranzuführen.
                         schaften und der Gewinne aus der Veräuße-            Der Einkommensteuersatz für einbehal-
                         rung von Anteilen an Kapitalgesellschaften.      tene, begünstigte Gewinne beträgt derzeit
                         Man könnte deswegen eine Ermäßigung              28,25 %. Für diese Gewinne ergibt sich aber
                         der Einkommensteuer (mit einem beson-            regelmäßig eine deutlich höhere tarifliche
                         deren Steuersatz oder einer teilweisen Steu-     Steuerbelastung, weil die auf den begünstig-
                         erbefreiung) vorsehen. Jedoch würde ein          ten Gewinn entfallenden Ertragsteuern aus
                         Gewinnsteuersatz der Kapitalgesellschaf-         dem voll versteuerten Einkommen zu leis-
                         ten von 25 %, der deutlich unter den beiden      ten sind.33 Zudem können (wie auch sonst)
                         Proportionalsteuersätzen der Einkommen-
                                                                          33 Vgl. Homburg (2007); der Teil des Gewinns B,
                                                                          der nach Steuern einbehalten werden kann, beträgt
                         32 Vgl. Schreiber/von Hagen/Pönnighaus (2018),
                         S. 246-249.
Stellungnahme zur US-Steuerreform 2018: Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland     Seite 21

in einer Periode entstehende Überhänge an-                   Die steuerlichen Bedingungen für Inves-
rechenbarer Gewerbesteuer in anderen Peri-               titionen in F&E sind seit langem ein wich-
oden nicht abgezogen werden, was ebenfalls               tiger Bestandteil der steuerlichen Stand-
die Steuerbelastung erhöht. Die im Ver-                  ortpolitik der Staaten. Die meisten Staaten
gleich zu hohe Tarifbelastung sollte besei-              fördern F&E Ausgaben steuerlich im Rah-
tigt werden. Deswegen wäre so zu verfahren               men von Sonderabschreibungen und Steu-
wie bei Kapitalgesellschaften. Es sollte also            ergutschriften: 2017 verfügten 30 von 35
möglich sein, auf Antrag den Steuersatz für              Mitgliedstaaten der OECD und 21 von 28
begünstigte Gewinne für den gesamten Ge-                 Mitgliedstaaten der EU über entsprechende
winn zu erhalten. Im Ergebnis müsste die                 Regelungen.36 Vor 25 Jahren waren es weni-
tarifliche Einkommensteuerbelastung für                  ger als die Hälfte. In Europa hat zudem eine
einbehaltene Gewinne dann auf 25 % (ein-                 Reihe von Staaten Patentbox-Regime einge-
schließlich Solidaritätszuschlag) abgesenkt              führt, die niedrige Steuersätze für Gewinne
werden.                                                  aus der Verwertung von F&E anbieten.37 Der
                                                         im Rahmen des BEPS-Projekts vereinbarte
                                                         Nexus-Ansatz macht hierbei eine steuerli-
3.4 Steuerliche Förderung 		                             che Begünstigung davon abhängig, dass die
    von F&E                                              F&E Aktivitäten in dem Staat stattfinden,
                                                         der die Gewinne begünstigt.
Neben der prioritären Senkung des tarif-                     Zudem haben die USA mit dem FDII-Re-
lichen Gewinnsteuersatzes von Kapitalge-                 gime eine Regelung geschaffen, die in eine
sellschaften kann auch eine selektive Sen-               ähnliche Richtung weist. Hier müssen Ge-
kung der Gewinnsteuerbelastung durch die                 winne aber nicht nachweislich Immaterial-
gezielte Förderung international besonders               gütern (wie Patenten, Marken, Know-how)
mobiler Investitionen in Erwägung gezogen                zuzuordnen sein. Vielmehr kommt es darauf
werden (Smart Tax Competition). Empiri-                  an, ob das Gesamteinkommen der US-Kapi-
sche Studien zeigen, dass neben Investiti-               talgesellschaft (abzüglich Dividenden, Ein-
onen im Produktions- und Servicebereich                  künften ausländischer Betriebstätten, GILTI
auch F&E Aktivitäten international mobil                 und Subpart F Income) eine Verzinsung von
sind.34 F&E Aktivitäten sind ökonomisch                  10 % des Buchwertes der abschreibungsfä-
von zentraler Bedeutung. Verschiedene Stu-               higen materiellen Wirtschaftsgüter der US-
dien weisen auf einen positiven Zusammen-                Kapitalgesellschaft (Qualified Business As-
hang zwischen lokaler Innovationsaktivität               sets Investments, QBAI) übersteigt. 37,5 %
und wirtschaftlichem Wachstum hin.35                     des die Verzinsung der QBAI übersteigen-
Deswegen kann mittels einer steuerlichen                 den, auf das Ausland entfallenden Gewinns
F&E Förderung die Attraktivität des Stand-               mindern das Einkommen, das der regulären
orts Deutschland für Forschungs- und Ent-                Steuer unterliegt. Von einem übersteigen-
wicklungsinvestitionen gestärkt werden.                  den Gewinn sind somit 62,5 % zu versteu-
                                                         ern. Legt man den US-Gewinnsteuersatz
                                                         von 21 % zugrunde, so ergibt sich eine Steu-
(sieht man von Gewerbesteuer ab, geht von 42 %
                                                         erbelastung von 13,1 % (= 62,5 % · 21 %).38
Einkommensteuer aus und bezieht den Solidari-
tätszuschlag ein) B = 1 – 0,298 · B – 0,4431 · (1 – B)
und somit B = 0,6514; es ergibt sich die Steuerbe-
                                                         36 Vgl. OECD (2017).
lastung von 34,86 % (1 – B = 0,3486).
                                                         37 Vgl. Evers/Miller/Spengel (2015).
34 Vgl. etwa Bloom/Griffith/van Reenen (2002);
Bloom/Griffith (2001); Wilson (2009).                    38 Ab dem Jahr 2026 ist das FDII zu 78,13 %
                                                         (Abzug 21,87 %) steuerpflichtig, sodass sich dann
35 Vgl. etwa Aghion/Howitt (2009); Maradana//
                                                         ein Steuersatz für das FDII von 16,41 % (= 0,21 ·
Pradhan/Dash/Gaurav/Jayakumar/Chatterjee
                                                         0,7813) ergibt.
(2017).
Seite 22   Handlungsbedarf für die deutsche Steuerpolitik

                         Die Gesamtsteuerbelastung des Gewinns            3.5 Beschleunigte
                         nähert sich dieser Steuerbelastung mit zu-
                                                                              Abschreibung
                         nehmenden, die Verzinsung der QBAI über-
                         steigenden Gewinnen.                               Auch beschleunigte steuerliche Abschrei-
                             Angesichts der bestehenden Regime zur          bungen können grundsätzlich als Instru-
                         steuerlichen Förderung von F&E Ausgaben,           ment zur Verbesserung der Investitionsbe-
                         den Patentboxen und des sehr weit reichen-         dingungen erwogen werden. Die beschleu-
                         den FDII-Regimes in den USA wäre eine              nigte Abschreibung eines Wirtschaftsguts
                         steuerliche Förderung von F&E in Deutsch-          in der Steuerbilanz, die dem ökonomischen
                         land geeignet, einer möglichen Abwande-            Wertverlust dieses Wirtschaftsguts voraus-
                         rung von F&E aus Deutschland entgegen-             eilt, stellt eine Begünstigung mittels der
                         zuwirken. Man könnte deswegen an eine              steuerlichen Gewinnermittlung dar, die den
                         Patentbox denken, die den Nexus-Anforde-           Unternehmen Zinsvorteile und Liquiditäts-
                         rungen der OECD entspricht und die einen           vorteile bringt. Die Zinsvorteile sind beson-
                         besonderen Steuersatz vorsieht, der sich am        ders bedeutsam für die Kapitalkosten einer
                         FDII-Steuersatz orientiert. Auch der Sach-         Investition und deren effektiver Grenz-
                         verständigenrat zur Begutachtung der ge-           steuerbelastung (EMTR). Dagegen reagiert
                         samtwirtschaftlichen Entwicklung hält eine         die effektive Durchschnittsteuerbelastung
                         Patentbox für ein geeignetes Instrument im         (EATR) weniger stark auf beschleunigte Ab-
                         internationalen Steuerwettbewerb.39 Durch          schreibungen; die Reaktion der EATR ist
                         eine solche Steuersatzreduktion könnten            umso geringer, je profitabler eine Investi-
                         insbesondere international mobile und pro-         tion ist. Deswegen sind beschleunigte Ab-
                         fitable F&E Investitionen attrahiert wer-          schreibungen für internationale Investiti-
                         den.40 Eine F&E Förderung, die an der Aus-         onsverlagerungen, bei denen es regelmäßig
                         gabenseite ansetzt, wäre geeignet, die F&E         um hoch rentable Investitionen geht, weni-
                         Ausgaben kreditbeschränkter mittlerer und          ger wirksam.
                         kleiner Unternehmen zu erhöhen, die in be-             Die Verbesserung der Liquidität durch
                         sonderem Maß von der Liquiditätswirkung            eine beschleunigte steuerliche Abschrei-
                         einer solchen Maßnahme profitieren wür-            bung dürfte vor allem die Investitionsbe-
                         den.                                               dingungen der kleinen und mittleren Un-
                                                                            ternehmen verbessern, deren Zugang zum
                                                                            Kapitalmarkt beschränkt ist oder die eine
                                                                            zusätzliche Verschuldung vermeiden wollen
                                                                            und deren Investitionen deswegen vermehrt
                                                                            von der verfügbaren Liquidität abhängen.
                                                                            Bei weltweit sinkenden Gewinnsteuersät-
                                                                            zen trägt eine solche Maßnahme auch dazu
                                                                            bei, die effektive Steuerbelastung von über-
                                                                            wiegend im Ausland und überwiegend im
                                                                            Inland investierenden Unternehmen anzu-
                                                                            gleichen.
                                                                                Zwick/Mahon (2017) haben für US-ame-
                                                                            rikanische Kapitalgesellschaften die Wirk-
                                                                            samkeit von erhöhten Abschreibungen (Bo-
                         39 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der nus Depreciation) empirisch untersucht.
                         gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2018), S. 307. Sie schätzen, dass in den untersuchten Zeit-
                         40 Vgl. etwa Ernst/Richter/Riedel (2014).          räumen (2001 bis 2004 und 2008 bis 2010)
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