Ute Mager Das Verhältnis von Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation aus verfassungsrechtlicher Sicht
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ute Mager Das Verhältnis von Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation aus verfassungsrechtlicher Sicht* Seit den 1990er Jahren hat sich die Hochschulorganisation schung und Lehre sind frei.“ Von Hochschulen ist nicht in den Bundesländern unter dem Einfluss von New Public die Rede. Es gibt jedoch in dreizehn Landesverfassungen Management Konzepten und dem Schlagwort von der Bestimmungen, die sich explizit auf Hochschulen bezie- Stärkung der Hochschulautonomie erheblich ausdifferen- hen,2 von denen wiederum zehn das Recht der Selbst- ziert.1 Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger verwaltung im Rahmen der Gesetze garantieren. Drei Rechtsprechung den weiten Gestaltungsspielraum des Länder (Baden-Württemberg, Sachsen, Nordrhein- Gesetzgebers. Die Frage, der hier nachzugehen ist, lautet, Westfalen) sprechen von einer dem besonderen Charak- inwieweit das Verfassungsrecht, namentlich die Wissen- ter der Hochschulen entsprechenden Selbstverwaltung. schaftsfreiheit, Steuerung und Partizipation in der Hoch- Sechs Bundesländer (Bayern, Brandenburg, Hessen, schulorganisation determiniert. Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen) verankern explizit die Mitwirkung der Studierenden, zwei Bundesländer I. Definition der leitenden Begriffe nennen auch die Lehrenden und sonstige Mitglieder oder sprechen von der Beteiligung aller Mitglieder an Die Bearbeitung des Themas erfordert zunächst die drei der Selbstverwaltung (Brandenburg, Thüringen). In der Begriffe Steuerung, Freiheit und Partizipation zu definieren. überwiegenden Zahl der Landesverfassungen ist also Schon die Definition dieser drei leitenden Begriffe bleibt nicht Partizipation ausdrücklich Bestandteil der Selbstverwal- unbeeinflusst von rechtlichem Verständnis. Verfassungsrecht- tungsgarantie. lich ist in einem freiheitlichen Staat der Begriff der Freiheit Das Bundesverfassungsgericht hat aus der Freiheits- grundlegend und damit Ausgangspunkt für die Bestimmung garantie für Wissenschaft, Forschung und Lehre Maß- der Reichweite von Steuerung und Partizipation. stäbe für die Hochschulorganisation abgeleitet, die ange- Freiheit ist auch nach verfassungsrechtlichem Verständnis sichts der Tatsache, dass dem Wortlaut keinerlei organi- Selbstbestimmung. satorische Anweisungen zu entnehmen sind, von bemer- Steuerung ist dagegen Fremdbestimmung und bedarf des- kenswerter Argumentationskunst zeugen. Andererseits halb verfassungsrechtlich gesehen der Rechtfertigung. betont das Bundesverfassungsgericht den weiten Gestal- Partizipation schließlich lässt sich begreifen als die durch tungsspielraum des Gesetzgebers in organisatorischen Organisations- und damit Steuerungserfordernisse zur Mitbe- Fragen. Tatsächlich haben die Landesgesetzgeber den stimmung gewandelte Selbstbestimmung. Im Begriff der Par- Spielraum genutzt und sehr unterschiedliche organisato- tizipation verbinden sich also freiheitliche Selbstbestimmung rische Modelle im Spannungsfeld zwischen plural orga- und steuernde Fremdbestimmung. Dabei kann Partizipation nisierter Selbstverwaltung auf der einen Seite und hier- den Inhalt von Entscheidungen betreffen; sie kann sich aber archischer Leitung auf der anderen Seite verwirklicht, auch darauf beschränken, die Entscheidungsträger maßgeb- seit das Bundesrecht infolge des 4. Änderungsgesetzes lich mitzubestimmen. zum Hochschulrahmengesetz von 1999 bis auf § 37 keine Vorgaben mehr für die Hochschulorganisation enthält. II. Bestandsaufnahme der Rechtsgrundlagen 2. § 37 HRG 1. Verfassungsrecht Interessanterweise betrifft die einzige Vorgabe des Bun- Verfassungsrechtliche Grundlage ist zunächst Art. 5 desrechts für die Hochschulorganisation die Partizipati- Abs. 3 GG, der lapidar bestimmt: „Wissenschaft, For- on. § 37 HRG trägt die Überschrift „Allgemeine Grund- * Der Beitrag beruht auf dem Vortrag, den die Verfasserin am rung“, VVDStRL Bd 65 (2006), S. 238 ff. und S. 274 ff. mit weiteren 11.10.2018 im Rahmen der Tagung „Hochschulsteuerung und Nachweisen. S. auch Kahl, Hochschule und Staat, 2004, § 11. Wissenschaftsfreiheit“ des Vereins zur Förderung des deutschen & 2 Art. 20 BWVerf; Art. 138 BayVerf; Art. 32 BbgVerfg; Art. 34 internationalen Wissenschaftsrechts an der Universität Duisburg- BremVerf; Art. 60 HesVerf; Art. 16 MVVerf; Art. 5 NdsVerf; Art. Essen gehalten hat. 16 NRWVerf; Art. 39 RPVerf; Art. 33 SaarlVer; Art. 107 SächsVerf; 1 S. dazu die Vorträge von Hendler und Mager zum Thema „Die Art. 31 LSAVerf; Art. 28 ThürVerf. Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisie- Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197-9197
8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4 sätze der Mitwirkung“. In der Sache gibt die Vorschrift die Spricht man über die Organisation staatlicher Hoch- Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem schulen, ist zu berücksichtigen, dass diese im Wesentli- Jahre 1973 zur damaligen Einführung der Gruppenuniversi- chen vom Staat finanziert werden und dass ihnen insbe- tät durch das niedersächsische Hochschulgesetz wieder.3 Er sondere mit Ausbildung und Prüfung Aufgaben übertra- lautet: gen sind, für deren ordnungsgemäße Erfüllung der Staat „(1) Die Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hoch- im Interesse der Ausbildungs- und Berufswahlfreiheit schule ist Recht und Pflicht aller Mitglieder. Art und Um- der Studierenden und des Gemeinwohls die Verantwor- fang der Mitwirkung der einzelnen Mitgliedergruppen und tung trägt. In zahlreichen Landeshochschulgesetzen fin- innerhalb der Mitgliedergruppen bestimmen sich nach der det diese Pflichtenstellung der Hochschulen Ausdruck in Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit der Formulierung, dass die Hochschulen nicht nur Körper- der Mitglieder.4 Für die Vertretung in den nach Mitglieder- schaften des öffentlichen Rechts, sondern auch staatliche gruppen zusammengesetzten Gremien bilden die Hoch- Einrichtungen sind.6 Dementsprechend ist den Hochschu- schullehrerinnen und Hochschullehrer, die akademischen len Selbstverwaltung nicht unbegrenzt, sondern nur im Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Studierenden und Rahmen der Gesetze gewährt. die sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätz- Herkömmlich wurde zwischen staatlichen Angele- lich je eine Gruppe; alle Mitgliedergruppen müssen vertre- genheiten einerseits, Angelegenheiten der Hochschulen ten sein und wirken nach Maßgabe des Satzes 2 grundsätz- andererseits und Aufgaben, die ein Zusammenwirken lich stimmberechtigt an Entscheidungen mit. Das Landes- von Staat und Universität fordern, unterschieden. Nach recht regelt die mitgliedschaftsrechtliche Stellung der sons- dieser Gliederung gehören zu den staatlichen Angele- tigen an der Hochschule tätigen Personen. In nach genheiten insbesondere die Personal-, Wirtschafts-, Mitgliedergruppen zusammengesetzten Entscheidungsgre- Haushalts- und Finanzverwaltung. Das Zusammenwir- mien verfügen die Hochschullehrerinnen und Hochschul- ken betrifft unter anderem die Errichtung, Änderung lehrer bei der Entscheidung in Angelegenheiten, die die und Aufhebung von Fachbereichen und anderen wissen- Lehre mit Ausnahme der Bewertung der Lehre betreffen, schaftlichen Einrichtungen, die Ordnung des Studiums mindestens über die Hälfte der Stimmen, in Angelegenhei- und der Hochschulprüfungen, die im Zuge der Bologna- ten, die die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorha- Reform weitgehend externalisiert wurde – Stichwort Ak- ben oder die Berufung von Hochschullehrerinnen und kreditierung7 – sowie die Bestellung des Rektors.8 Für Hochschullehrern unmittelbar betreffen, über die Mehrheit die uneingeschränkte Selbstbestimmung der Hochschu- der Stimmen.“5 len verbleiben die Bereiche, die Forschung und Lehre Mit den Kriterien Qualifikation, Funktion, Verantwor- unmittelbar berühren. Hierzu zählen das Satzungsrecht tung und Betroffenheit enthält § 37 Abs. 1 S. 2 HRG die we- in akademischen Angelegenheiten, also insbesondere sentlichen verfassungsrechtlich fundierten Kriterien für die Promotions- und Habilitationsordnungen, die For- Partizipation. Diese Kriterien rechtfertigen die Bildung von schungs- und Lehrplanung sowie die Entscheidungen in Gruppen ebenso wie die vorgeschriebenen Mehrheiten. Promotions- und Habilitationsverfahren. Letztlich ist die Abgrenzung der Sphären nicht „naturgegeben“, son- 3. Kompetenzverteilung zwischen Hochschule und Staat dern Sache des Gesetzgebers, der dabei die Wissen- § 37 HRG bezieht sich allein auf die hochschulinterne schaftsfreiheit, die Ausbildungs-/Berufsfreiheit der Stu- Selbstverwaltung. Ein weiterer Akteur darf jedoch nicht dierenden und die aus der Trägerschaft folgende gesamt- vergessen werden: der Staat insbesondere in Gestalt des gesellschaftliche Verantwortung des Staates zu berück- Wissenschaftsministeriums. sichtigen hat.9 Die herkömmliche Sphärenabgrenzung 3 BVerfGE 35, 79 ff. S. 1 HSG Hessen; § 2 Abs. 1 S. 1 HSG M-V; § 2 Abs. 1 S. 1 HSG SL; 4 S. dazu BVerfGE 35, 79 (127, 131). § 2 Abs. 1 HSG Thüringen. 5 Vgl. zu § 37 Abs. 1 S. 2 – 5 den Leitsatz Nr. 8 a – c in BVerfGE 7 S. BVerfGE 141, 143 ff. und dazu Mager, Verfassungsrechtliche 35, 79 ff. § 37 Abs. 2 und 3 HRG lauten: „(2) Die Mitglieder eines Rahmenbedingungen der Akkreditierung, OdW 4 (2017), 237 ff. Gremiums werden, soweit sie dem Gremium nicht kraft Amtes mit weiteren Nachweisen. angehören, für eine bestimmte Amtszeit bestellt oder gewählt; sie 8 Vgl. § 60 HRG a.F. und dazu Kahl (Fn. 1), S. 72; Kersten, Alle sind an Weisungen nicht gebunden. Eine angemessene Vertre- Macht den Hochschulräten?, DVBl. 1999, 1704 (1706); Grupp, tung von Frauen und Männern ist anzustreben. Zur Stellung der Universitäten im Zeichen ihres Rückbaus, in: (3) Die Hochschulmitglieder dürfen wegen ihrer Tätigkeit in der FS Roellecke, 1997, 97 (103); Fehling, Neue Herausforderungen an Selbstverwaltung nicht benachteiligt werden.“ die Selbstverwaltung in Hochschule und Wissenschaft, Verw 35 6 Siehe z.B. § 8 Abs. 1 S. 1 HSG BW; § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 HSG Bay; (2002), 399 (408): Bereich der Kooperation dominiert. § 2 Abs. 1 S. 1 HSG Berlin; § 2 Abs. 1 S. 1 HSG Bremen; § 1 Abs. 1 9 Mager (Fn. 1), S. 282.
Mager· Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation 9 lässt sich aber als eine verfassungskonforme Konkreti- grundlegend gewordenen Urteil zu den Organisationsvor- sierung dieser Vorgaben auffassen. schriften des niedersächsischen Hochschulgesetzes entfaltet: Diese überkommene Kompetenzverteilung zwischen Der Staat hat „durch geeignete organisatorische Maß- Staat und Hochschulen haben die Landesgesetzgeber im nahmen dafür zu sorgen, dass das Grundrecht der freien Laufe der 1990er Jahre unter dem Motto „Stärkung der wissenschaftlichen Betätigung soweit unangetastet bleibt, Hochschulautonomie“ erheblich verändert. Insbesonde- wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Auf- re wurden bisher staatliche Aufgaben im Bereich der gaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grund- Personal-, Haushalts- und Wirtschaftsführung den rechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist …“12 Hochschulen übertragen. Gleichzeitig wurde der Hoch- Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bewegt sich schulrat als seiner Funktion nach neues Organ in die also zwischen der Pflicht, den Hochschulangehörigen ei- hochschulinterne Struktur aufgenommen,10 was nahe- nerseits freie wissenschaftliche Betätigung zu sichern, ande- legt, dass die Kompetenzen des Hochschulrats, abgese- rerseits die Funktionsfähigkeit der Hochschule und ihrer hen von einer Beratungsfunktion, nicht über diese bis- Organe zu gewährleisten. Damit wirken zum einen die her staatlichen Aufgaben hinausgehen sollten. Fest steht, sachlich identischen Grundrechtspositionen der an der dass die Frage der Partizipation innerhalb der Hoch- Hochschule tätigen Wissenschaftler gegenseitig begren- schulorganisation durch die Stärkung der Hochschulau- zend, zum anderen die Aufgaben der Hochschulen etwa in tonomie komplexer geworden ist, denn Stärkung der Ausbildung und Prüfung. Hochschulautonomie bedeutet keineswegs automatisch Stärkung der Wissenschaftsfreiheit. 2. BVerfGE 93, 85 ff. – NRW und BVerfGE 111, 333 ff. – Brandenburg 4. Präzisierung des Untersuchungsgegenstands In den folgenden Entscheidungen wird die Reichweite Dies zeigt auch die Rechtsprechung des Bundesverfas- der Wissenschaftsfreiheit unterschiedlich bestimmt. sungsgerichts zu Fragen der Hochschulorganisation. Diese Heißt es in Leitsatz 7 zum niedersächsischen Hochschul- Rechtsprechung betrifft im Schwerpunkt das Verhältnis gesetz noch, dass die Organisationsnormen den Hoch- zwischen den plural zusammengesetzten Selbstverwal- schulangehörigen, insbesondere den Hochschullehrern, tungsorganen – im Folgenden: repräsentative Selbstverwal- einen möglichst breiten Raum für freie wissenschaftliche tungsorgane – und den Leitungsorganen, dagegen nicht das Betätigung sichern sollen, ist in Leitsatz 1 der Bundesver- Verhältnis zwischen den verschiedenen Gruppen innerhalb fassungsgerichtsentscheidung zum Hochschulgesetz der repräsentativen Selbstverwaltungsorgane oder deren Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1995 zu lesen: Besetzung nach den Anforderungen des Repräsentations- „Solange gewährleistet ist, dass der Kernbereich wis- prinzips.11 Auf den von der Rechtsprechung vorgegebenen senschaftlicher Betätigung der Selbstbestimmung des ein- Schwerpunkt ist die folgende Analyse beschränkt. zelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleibt, hat der Gesetzgeber bei der Regelung der akademischen Selbst- III. Art. 5 Abs. 3 S.1 GG in der Rechtsprechung des verwaltung einen weiten Gestaltungsraum.“13 Bundesverfassungsgerichts In der Entscheidung zum brandenburgischen Hoch- schulgesetz von 2004 betonte das Gericht dann, dass das Wie alle Freiheitsrechte ist auch die Freiheit von Wissen- Recht der einzelnen Wissenschaftler auf wissenschafts- schaft, Forschung und Lehre zuallererst ein Abwehrrecht adäquate Organisation auf die Sicherung ihrer individu- gegenüber staatlichen Eingriffen. Daneben kommt Art. 5 ellen Möglichkeit zum Betreiben freier Forschung und Leh- Abs. 3 S. 1 GG jedoch ein objektivrechtlicher Gehalt zu, re begrenzt ist. Darüber hinaus soll der Organisationsge- der den Staat verpflichtet, in den Einrichtungen, die er halt der Wissenschaftsfreiheit allein dahin gehen, dass gerade zu dem Zweck schafft, Forschung und wissen- von den Organisationsregelungen, insbesondere von der schaftliche Lehre zu betreiben, die Eigengesetzlichkeit Kompetenzverteilung, keine strukturelle Gefährdung der der Wissenschaft zu schützen sowie durch Organisation, Wissenschaftsfreiheit ausgehe.14 Aus der positiven Verfahren und finanzielle Leistung zu fördern. Pflicht, eine wissenschaftsadäquate Organisation zu schaffen, ist negativ das Verbot geworden, eine Organi- 1. BVerfGE 35, 79 ff. – Niedersachsen sation zu schaffen, die Wissenschaft „strukturell“ beein- Diese Dimension der Wissenschaftsfreiheit hat das Bun- trächtigt. Dies ist nicht mehr als das Verbot an den Staat, desverfassungsgerichts zum ersten Mal 1973 in seinem nicht in Widerspruch mit sich selbst zu geraten, indem 10 S. dazu Hendler (Fn. 1), S. 251 ff.; Mager (Fn. 1), S. 298 ff. jeweils 12 BVerfGE 35, 79 (115 f.). S. auch Ls. 2. mit weiteren Nachweisen. 13 BVerfGE 93, 85 (95). Kursivsetzung durch Verfasserin. 11 Dazu insbesondere VerfGH BW, VBlBW 2017, 61 ff. 14 BVerfGE 111, 333 (355).
10 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4 er vermeintlich eine Einrichtung zum Betreiben freier genzug die direkten oder indirekten Mitwirkungs-, Ein- Wissenschaft gründet, ohne dass in ihr freie Wissen- fluss-, Informations- und Kontrollrechte der Kollegialor- schaft tatsächlich möglich ist.15 gane ausgestalten, …“19 Entscheidend für die Verfassungswidrigkeit der Re- 3. BVerfGE 127, 87 ff. – Hamburg gelungen des Hamburgischen Hochschulgesetzes über Eine Trendwende zeichnete sich in der Entscheidung die Kompetenzverteilung zwischen Dekanat und Fakul- zum Hamburgischen Hochschulgesetz aus dem Jahr tätsrat war letztlich, dass der Fakultätsrat nicht nur aller 2010 ab. Dort ist wiederum vom Schutz des Kernbereichs substanziellen Entscheidungsbefugnisse entledigt war, wissenschaftlicher Betätigung die Rede. Er wird unter sondern nicht einmal über die Möglichkeit der Abwahl Bezugnahme auf die vorherige Rechtsprechung definiert des Dekans mit Hochschullehrermehrheit verfügte. Das als die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beru- Gremium konnte nur mit einer ¾-Mehrheit dem Präsi- henden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen dium einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, das bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und für eine Abberufung auch noch der Zustimmung des Weitergabe. Weiter heißt es, dass den in der Wissenschaft Hochschulrats bedurfte. Der Fakultätsrat hatte weder Tätigen zum Schutz dieses Kernbereichs Teilhabe an den Einfluss auf den Struktur- und Entwicklungsplan, noch öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wis- auf Berufungsentscheidungen, noch auf die Ausrichtung senschaftsbetriebs zu gewähren ist. Die Teilhabe der Grund- freiwerdender Professuren oder die Mittelverteilung. Als rechtsträger an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs Dekan konnte vom Präsidium ein Externer bestimmt, sei erforderlich zum Schutz vor wissenschaftsinadäquaten allerdings nicht gegen den Willen des Fakultätsrats er- Entscheidungen. nannt werden. Informationsrechte waren nicht vorgese- „Die Garantie ist für jeden Wissenschaftler auf solche hen, nur ein nicht näher bestimmtes Kontrollrecht sowie hochschulorganisatorischen Entscheidungen beschränkt, die ein Recht, Stellungnahmen abzugeben. seine eigene Freiheit zu forschen und zu lehren, gefährden Das Gericht bewertet das Recht der Wahl und Ab- können.“16 wahl dabei ausdrücklich als Einfluss- und Kontrollin- Insoweit unterscheidet das Gericht zwischen Entschei- strument, welches Kompetenzerweiterungen des Lei- dungen, welche die Wissenschaftsfreiheit im Einzelfall ver- tungsorgans und den Entzug direkter Mitwirkungsrech- letzen und gegen die sich die betroffene Person im Einzelfall te bei wissenschaftsrelevanten Entscheidungen kompen- wehren kann, und Strukturen des hochschulorganisatori- sieren kann.20 schen Gesamtgefüges, die sich gefährdend auswirken kön- Eine Antwort auf die Frage, ob es Grenzen für die nen. Hierfür sei das Gesamtgefüge mit seinen unterschied- Kompensation des Entzugs von inhaltlichen Entschei- lichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten in den Blick zu dungsbefugnissen durch indirekte Einflussmöglichkei- nehmen.17 Nach Betonung des Gestaltungsspielraums des ten, also Wahl- und vor allem Abwahlbefugnisse, gibt, Gesetzgebers heißt es weiter: lässt sich der Entscheidung zum Hamburger Hochschul- „Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch organi- gesetz nicht entnehmen. satorische Regelungen verlangt, dass die Träger der Wissen- schaftsfreiheit durch ihre Vertreter in Hochschulorganen 4. BVerfGE 136, 338 ff. – Medizinische Hochschule Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit abwehren und Hannover ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der Wissen- Weiterführend, wenn auch nicht alles klärend, ist inso- schaftsfreiheit in die Universität einbringen können. Der weit die Entscheidung zu den Regelungen über die Medi- Gesetzgeber muss daher ein hinreichendes Niveau der Par- zinische Hochschule Hannover von 2014.21 tizipation der Grundrechtsträger gewährleisten.“18 In dieser Entscheidung betont das Gericht, dass die Dies sei im Wege einer Gesamtwürdigung zu ermit- mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Mitwirkung von teln, für die das Gericht die folgende je-desto-Formel Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im organi- aufstellt: satorischen Gesamtgefüge einer Hochschule sich auf alle „Je stärker der Gesetzgeber die Leitungsorgane mit wissenschaftsrelevanten Entscheidungen erstreckt. Kon- Kompetenzen ausstattet, desto stärker muss er im Ge- kretisierend heißt es weiter: 15 Mager, Freiheit von Forschung und Lehre, in: Isensee/Kirchhof 17 BVerfGE 127, 87 (116). (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd VII, 3. Aufl. 2009, § 166 18 BVerfGE 127, 87 (117). Rn. 40; kritisch auch Gärditz, Hochschulmanagement und Wis- 19 BVerfGE 127, 87 (117 f.). senschaftsadäquanz, NVwZ 2005, 407 (407, 409). 20 BVerfGE 127, 87 (129). 16 BVerfGE 127, 87 (116), Rn. 91. 21 BVerfGE 136, 338 ff.
Mager· Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation 11 „Dies sind nicht nur Entscheidungen über konkrete Neu ist das Aufscheinen einer inhaltlichen Grenze die- Forschungsvorhaben oder Lehrangebote, sondern auch ser Kompensationsmöglichkeit mit der Aussage: „Der Ge- über die Planung der weiteren Entwicklung einer Einrich- setzgeber ist zum organisatorischen Schutz der Wissen- tung sowie alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Ent- schaftsfreiheit vor Gefährdungen im Regelfall gehalten, ge- scheidungen über die Organisationsstruktur und den rade bei den Weichenstellungen, die Forschung und Lehre Haushalt (vgl. BVerfGE 35, 79 ; 61, 260 ; 127, 87 unmittelbar betreffen, ein Einvernehmen mit dem Vertre- ), denn das Grundrecht auf Wissenschaftsfrei- tungsorgan akademischer Selbstverwaltung zu fordern.“28 heit liefe leer, stünden nicht auch die organisatorischen Letztlich waren die Regelungen über die Medizinische Rahmenbedingungen und die Ressourcen zur Verfügung, die Hochschule Hannover verfassungswidrig, weil der Senat Voraussetzungen für die tatsächliche Inanspruchnahme dieser keinen Einfluss auf maßgebliche Entscheidungen über die Freiheit sind (vgl. BVerfGE 35, 79 ).“22 Entwicklungsplanung, Organisation und wissenschaftsre- Erneut wird aber auch der weite Gestaltungsspielraum des levante Verteilung von Haushaltsmitteln hatte, sich aber Gesetzgebers unterstrichen, „solange die wissenschaftlich Täti- auch nicht selbstbestimmt vom Leitungsorgan trennen gen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen hinreichend konnte. mitwirken können (vgl. BVerfGE 127, 87 ).“23 Als absolute Grenze jeder Fremdbestimmung, durch IV. Systematisierung repräsentative Selbstverwaltungs- wie durch Leitungsor- gane, nennt das Gericht die Angelegenheiten, die der In Orientierung an den dargestellten, nicht sehr scharfen Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht der Wis- unterliegen.24 Außerhalb dieses engen Bereichs indivi- senschaftsfreiheit entnommen hat, wird im Folgenden dueller Wissenschaftsfreiheit lehnt das Bundesverfas- ein Vorschlag zur Strukturierung hinsichtlich Ob und sungsgericht einen grundsätzlichen Vorrang plural zu- Wie der hochschulinternen Partizipation zwischen Frei- sammengesetzter Organe der Selbstverwaltung gegen- heit und Steuerung unterbreitet. Dabei sind vier Berei- über Leitungsorganen ab.25 Indem es die Qualitäten der che zu unterscheiden: jeweiligen Organe beschreibt – funktionaler Pluralismus der Selbstverwaltungsorgane versus straffe Entschei- –– der Bereich unzulässiger Steuerung und damit dungsfindung und dynamisches Agieren der Leitungsor- unbeschränkter Freiheit, gane –,26 legt es eine funktionsadäquate Aufgabenzuwei- –– der Bereich notwendig inhaltlicher Partizipation der sung nahe, ohne dies jedoch ausdrücklich auszuspre- repräsentativen Selbstverwaltungsorgane, chen. In Anknüpfung an die Brandenburg- und Ham- –– der Bereich der mittelbaren Partizipation der reprä- burg-Entscheidung heißt es: sentativen Selbstverwaltungsorgane durch maßgeb- „Die Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an lichen Einfluss auf die Wahl und Abwahl der Lei- Leitungsorgane darf jedoch nur in dem Maße erfolgen, tungsorgane und wie sie inhaltlich begrenzt und organisatorisch so abge- –– der Bereich, der keine Partizipation repräsentativer sichert sind, dass eine strukturelle Gefährdung der Wis- Selbstverwaltungsorgane erfordert. senschaft ausscheidet. [...] Je mehr, je grundlegender und je substantieller wissenschaftsrelevante personelle und 1. Die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit für jede Form sachliche Entscheidungsbefugnisse dem kollegialen der Fremdbestimmung Selbstverwaltungsorgan entzogen und einem Leitungs- Eine absolute Grenze zieht die Wissenschaftsfreiheit jeg- organ zugewiesen werden, desto stärker muss im Gegen- licher Fremdbestimmung für die Angelegenheiten, die zug die Mitwirkung des Selbstverwaltungsorgans an der der Selbstbestimmung der einzelnen Grundrechtsträger Bestellung und Abberufung dieses Leitungsorgans und unterliegen. Sie dürfen weder Vertretungsorganen noch an dessen Entscheidungen ausgestaltet sein.“27 Leitungsorganen zur Entscheidung zugewiesen wer- 22 BVerfGE 136, 338 Rn. 58. der Wissenschaft bestehenden Unterschiede in die Organisation 23 BVerfGE 136, 338 Rn. 59. sachverständig einzubringen (zum funktionalen Pluralismus 24 BVerfGE 136, 338 Rn. 59. BVerfGE 35, 79 ). Kleine Leitungsorgane sind demgegen- 25 So schon BVerfGE 111, 333 (356 f.). über auf straffe Entscheidungsfindung hin angelegt und können 26 BVerfGE 136, 338 Rn. 59: „So können Vertretungsorgane die in Distanz zu den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissen- verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmung auch der schaftlern dynamischer agieren.“ Organisation von Wissenschaft sichern und vor wissenschafts- 27 BVerfGE 136, 338 Rn. 60. gefährdenden Entscheidungen schützen, sofern sie pluralistisch 28 BVerfGE 136, 338 Rn. 76. zusammengesetzt sind und es so ermöglichen, die auch innerhalb
12 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4 den.29 Dies betrifft den Kernbereich individueller For- nen vorbehalten. Insoweit ist eine Verlagerung von Ent- schung und Lehre, namentlich die Selbstbestimmung scheidungsbefugnissen auf die Leitungsorgane und da- hinsichtlich der Auswahl des Forschungsgegenstands, mit auch eine Kompensation durch indirekte Einfluss- der Fragestellung in Bezug auf den Forschungsgegen- nahme ausgeschlossen. stand sowie in Bezug auf die Wahl der Methoden bei der In Bezug auf Aufgaben, die im Zusammenwirken von Behandlung des Forschungsgegenstands.30 Die Lehrfrei- Staat und Universität angesiedelt sind, kommt es auf die heit umfasst die Freiheit der Aufbereitung und Darbie- unmittelbare Bedeutung für Forschung und Lehre an. tung wissenschaftlicher Erkenntnisse einschließlich der Das Zusammenwirken betrifft – wie schon gesagt – die Wahl der Vermittlungsmethoden und Vermittlungsme- Ordnung des Studiums und der Hochschulprüfungen dien.31 Die Freiheit der Bestimmung von Zeit und Ort einschließlich Evaluationen, Berufungen, die Struktur- sind dagegen nicht Bestandteil der Lehrfreiheit, soweit und Entwicklungsplanung, die Errichtung, Änderung sie nicht ausnahmsweise von entscheidender Bedeutung und Aufhebung von Fachbereichen und anderen wissen- für den Vermittlungserfolg sind.32 schaftlichen Einrichtungen. Es handelt sich durchweg um Entscheidungen, die entweder inhaltliche Kompe- 2. Der Bereich notwendiger inhaltlicher Partizipation tenz erfordern, unmittelbar Forschung und Lehre betref- Die Antwort auf die Frage nach dem Vorbehalt inhalt- fen und/oder eine unmittelbare Betroffenheit des wis- licher Entscheidungsbefugnisse für die repräsentati- senschaftlichen Personals zur Folge haben, so dass inso- ven Selbstverwaltungsorgane findet ihren Ausgangs- weit zwar keine alleinige Zuständigkeit, aber eine maß- punkt darin, dass es jedenfalls nach Auffassung des gebliche inhaltliche Mitwirkung der repräsentativen Bundesverfassungsgerichts keinen grundsätzlichen Selbstverwaltungsorgane erforderlich ist, die je nach Ge- Vorrang der repräsentativen Selbstverwaltungsorgane genstand differenziert ausfallen oder auf maßgebliche vor den Leitungsorganen gibt.33 Von entscheidender Zwischenschritte beschränkt sein kann, wie etwa im Fall Bedeutung ist der Gesichtspunkt der funktionsad- von Berufungsverfahren. äquaten Aufgabenzuordnung Dieser Gesichtspunkt wird konkretisiert in dem Grundsatz, dass bei Wei- 3. Der Bereich mittelbarer Partizipation chenstellungen, die Forschung und Lehre unmittelbar Damit bleibt der Bereich der ehemals staatlichen Angelegen- betreffen, im Regelfall ein Einvernehmen mit dem heiten, die im Zuge der Universitätsreformen der 1990er Jahre repräsentativen Selbstverwaltungsorgan zu fordern auf die Hochschulen verlagert wurden. Hierbei handelt es sich sei.34 insbesondere um die Personal-, Wirtschafts-, Haushalts- und Meines Erachtens entspricht es einer wissen- Finanzverwaltung. Eine Zuordnung dieser Aufgaben zu den schaftsadäquaten Ausgestaltung der Hochschulorga- Leitungsorganen ist grundsätzlich funktionsgerecht. Insoweit nisation, sich auch im Hinblick auf die inneruniversi- ist zwar, etwa in Bezug auf den Wirtschafts- und Haushalts- täre Organisation an der Unterscheidung zwischen plan, Information und Möglichkeit zur Stellungnahme oder den universitären Angelegenheiten, den staatlichen die regelmäßige Abgabe von Rechenschaftsberichten gegen- Angelegenheiten und denen, die ein Zusammenwir- über den repräsentativen Selbstverwaltungsorganen zu for- ken von Staat und Universität fordern, zu orientieren. dern, nicht aber zwingend eine inhaltliche Mitbestimmung.35 Die ausschließlich universitären Angelegenheiten Ausnahmen können sich im Einzelfall ergeben, wenn ein sind gerade diejenigen, die Forschung und Lehre un- unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ressourcenentschei- mittelbar betreffen, namentlich die Forschungs- und dung und wissenschaftlicher Ausrichtung besteht.36 Im Übri- Lehrplanung, die Habilitations- und Promotionsord- gen ist zu bedenken, dass die inhaltliche Beteiligung an der nungen sowie die Entscheidungen in Promotions- und Struktur- und Entwicklungsplanung bereits Vorentscheidun- Habilitationsverfahren. Diese Entscheidungen sind auch gen auch über die Ressourcenverteilung enthält und auch des- inhaltlich den repräsentativen Selbstverwaltungsorga- halb die mittelbare Einflussnahme durch maßgebliche Beteili- 29 BVerfGE 127, 87 (118). 1. Senat, Beschluss vom 24.06.2014 – 1 BVR 3217/07 – Vb gegen 30 BVerfGE 35, 79 (113). organisatorische Hochschulausgestaltung erfolgreich, DVBl. 2014, 31 BVerfGE 35, 79 (113 f.) 1132 (1135) mit weiteren Nachweisen. 32 Kaufhold, Die Lehrfreiheit – ein verlorenes Grundrecht, 2006, 34 BVerfGE 136, 338 Rn. 76. S. 199; a. A. Fehling, in: BK zu Art. 5 Abs. 3 Rn. 88 mit weiteren 35 Zur fehlenden Tragfähigkeit des Arguments „ehemals staatliche Nachweisen. Angelegenheit“ für einen völligen Ausschluss von „der Mitwir- 33 BVerfGE 136, 338 Rn. 60. So schon BVerfGE 111, 333 (356 f.); kung des einzelnen Wissenschaftlers“, s. Groß (Fn. 33), S. 453. zustimmend Hendler (Fn. 1), S. 250; s. auch Groß, Kollegialprin- 36 Ein Einvernehmen des Senats in Bezug auf Grundsätze der Mit- zip und Hochschulselbstverwaltung, DÖV 2016, 449 (450) mit telverteilung schlägt Groß (Fn. 33), S. 453 vor. weiteren Nachweisen. Skeptisch Gärditz, Anmerkung zu BVerfG,
Mager· Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation 13 gung an der Bestellung und Abwahl der Leitungsorgane als bleiben die vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 5 hinreichende Kompensation angesehen werden kann. Diese Abs. 3 S. 1 GG abgeleiteten und in § 37 HRG aufgenom- Form der Partizipation setzt für ihre sachgerechte Ausübung menen Kriterien Qualifikation, Funktion, Verantwor- allerdings voraus, dass sie durch substanzielle Informations- tung und Betroffenheit. Sie lassen hinreichend Spiel- rechte flankiert wird. raum für verschiedene Organisationsmodelle zwischen hierarchischer Leitung und repräsentativ organisierter 4. Der partizipationsfreie Bereich Selbstverwaltung. Dies gilt auch, wenn die Regelung hin- Als eindeutig partizipationsfreier Bereich bleibt damit die lau- sichtlich Art und Weise der Partizipation sich, wie hier fende Verwaltung, etwa die laufende Personalverwaltung oder vorgeschlagen, an der herkömmlichen Kompetenzver- der Vollzug des Wirtschafts- und Haushaltsplans. Insoweit teilung zwischen Staat und Hochschulen orientiert. Ob bedarf es keiner Partizipation der repräsentativen Selbstver- und wie die Modelle in der Praxis funktionieren, hängt waltungsorgane, ggf. aber regelmäßiger Information. allerdings entscheidend von tatsächlichen Bedingungen ab. Sie bedürfen der sozialwissenschaftlichen Analyse.37 V. Fazit Ute Mager ist Professorin für Öffentliches Recht an der Die leitenden verfassungsrechtlichen Kriterien für eine Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. wissenschaftsadäquate Hochschulorganisation sind und 37 S. dazu Bieletzki, The Power of Collegiality. A Qualitative Analysis of University Presidents Leadership in Germany, 2018.
14 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4
Sie können auch lesen