Die Brücke schlagen zwischen Wissen-schaft und Praxis

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DIE BRÜCKE SCHLAGEN ZWISCHEN WISSENSCHAFT UND PRAXIS

Die Brücke schlagen zwischen Wissen-
schaft und Praxis
Wie das Fachreferat der Kantonspolizei Basel-Stadt die
Ressource «Forschung» für die Polizeiarbeit erschliesst
                                                                                       Yara Gut
                                                Leiterin Fachreferat, Kantonspolizei Basel-Stadt

Zusammenfassung
Die Polizeiarbeit ist in vielerlei Hinsicht komplexer      Wissenschaftler/-innen weltweit ähnliche Fragen,
geworden: Sie bewegt sich heute mehr denn je im            wenn sie die Polizei und ihre Aufgaben untersuchen:
Spannungsfeld zwischen dem laufenden gesellschaft-         Wie können Polizistinnen und Polizisten besser vor
lichen wie technologischen Wandel und der steten           Angriffen geschützt werden? Welche Konzepte gibt
Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Längst         es, um Kriminalität im öffentlichen Raum einzudäm-
überschreiten die täglichen strategischen und ope-         men? Und wo muss der Hebel zwischen Repression
rativen Herausforderungen das Zuständigkeitsgebiet         und Prävention angesetzt werden? Bei der Kantons-
Einzelner. Regelmässig ist die Polizeileitung deswe-       polizei Basel-Stadt schlägt das 2018 etablierte Fach-
gen auf ganzheitliche und innovative Lösungsansätze        referat hier die Brücke und denkt wissenschaftliche
und Konzepte angewiesen. Gleichzeitig stellen sich         Erkenntnisse in praxistaugliche Konzepte um.

Das 21. Jahrhundert hat die Rahmenbedingungen der          ausführend und mit interdisziplinärem Fachwissen
polizeilichen Aufgabenerfüllung grundlegend ver-           beratend zur Verfügung, erarbeitet strategische,
ändert: Entwicklungen wie die Digitalisierung, der         konzeptionelle und wissenschaftliche Entschei-
demografische Wandel oder die 24-Stunden-Gesell-           dungsgrundlagen, tätigt abteilungs-, behörden- und
schaft stellen die Polizei nicht nur im Einsatz, sondern   kantonsübergreifende Abklärungen und leistet allge-
auch als Arbeitgeberin und Organisation vor grosse         mein komplexe Führungsunterstützung – all dies mit
Herausforderungen. Dadurch wird die strategische           dem expliziten Gesamtauftrag, in den strategischen
Führung der Kantonspolizei Basel-Stadt zur deutlich        Entscheidungsprozess der Polizeileitung mehr Wis-
komplexeren Aufgabe.1 Täglich ist die Polizeilei-          senschaft und Wissenschaftlichkeit einzubringen.3
tung mit schwierigen Fragen konfrontiert – sei dies,           Angesiedelt in der Hauptabteilung «Kommando»
weil politische Vorstösse Stellungnahmen zu gesell-        entwickelte sich das Fachreferat schnell zu einem wich-
schaftlichen Debatten verlangen2 oder bedenkliche          tigen Ansprechpartner für die Polizeileitung: Innert
Entwicklungen wie die steigende Gewalt gegen Poli-         kurzer Zeit stieg der Bedarf an seinen Dienstleistungen
zistinnen und Polizisten griffige Strategien erfordern.    derart, dass heute neben der Leitung zwei Fachrefe-
Die Handhabung dieser und weiterer Sachkomplexe            rentinnen mit dem Themenschwerpunkt «Gewaltbe-
reicht regelmässig über die Zuständigkeiten einzelner
Organisationseinheiten hinaus und bedarf ganzheitli-       1   Für einen umfangreichen Überblick zu den aktuellen Herausfor-
cher Konzepte und innovativer Lösungen.                        derungen der Polizei vgl.: Berthel, Ralph: Think Tank Polizei (Teil
                                                               I), Statement für ein innovatives Polizeiinstrument. In: Die Polizei,
                                                               Heft 5, 2015, S. 126–127.
Fundierte Entscheide dank interdisziplinärer Per-          2   Wie unlängst im Zusammenhang mit der Aufhebung des allge-
                                                               meinen Bettelverbots, vgl. dazu etwa: https://www.srf.ch/news/re-
spektive                                                       gional/basel-baselland/hesch-mer-e-stutz-polizei-registriert-mehr-
Bei der Kantonspolizei Basel-Stadt nahm deswe-                 bettler-auf-basels-strassen (letzter Zugriff 13. Oktober 2020).
                                                           3   Für den Ausbau der Wissenschaftlichkeit im operativen Tagesge-
gen im Juli 2018 das Fachreferat seinen Betrieb auf.
                                                               schäft sorgen indes die Kolleginnen und Kollegen von der «Opera-
Es steht der Polizeileitung in Querschnittsthemen              tiven Lage».

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                kämpfung» sowie eine Fachreferentin mit dem Fokus           ermöglichen, schöpfen sie noch nicht das gesam-
                auf Menschenhandel tätig sind. Zusätzlich wird jeweils      te Potential der Polizeiforschung als Ressource für
                ein auf ein Jahr befristetes wissenschaftliches Praktikum   die Polizeiarbeit aus. Und dieses ist erheblich, zu-
                für Hochschulabsolventinnen und -absolventen ange-          mal sich mehrere wissenschaftliche Disziplinen in-
                boten. Die Zusammensetzung des Teams widerspiegelt          tensiv dem Forschungsobjekt «Polizei» und ihrem
                denn auch – zumindest zu einem Teil – die Fülle an          Aufgabengebiet widmen. So befassen sich etwa die
                Disziplinen, die sich für die Polizei als Forschungsob-     Kriminologie und die Kriminalistik mit Kriminali-
                jekt interessieren: Die Mitarbeitenden verfügen über        tätsphänomenen und deren Bekämpfung und liefern
                                           Fachwissen aus den Sozial-       regelmässig Erkenntnisse, die einen direkten Einfluss
  [Es] entsteht ein multiperspek- und Politikwissenschaften, der            auf die Polizeiarbeit haben können.4
 tivischer und interdisziplinärer Ethnologie, der Geschichte,                  Darüber hinaus beschäftigt sich etwa die Polizei-
     Bericht, auf dessen Basis die der Philosophie und der Reli-            wissenschaft mit Wesen und Wirkung der Polizei. In
Polizeileitung [...] eine fundierte gionswissenschaft. Um auch              den 1960er- und 1970er-Jahren vor allem in Europa
      Entscheidung treffen kann. die polizeiliche Perspektive               noch im Sinne einer wissenschaftlichen Polizeikritik
                                           und das operative Know-how       verstanden, widmet sich die vergleichsweise junge
                abzudecken, besteht eine enge Zusammenarbeit mit            Disziplin5 heute der systematischen Erforschung po-
                der Lageanalyse. Zusätzlich begleiten die Fachreferen-      lizeibezogener Phänomene und Fragestellungen.6
                tinnen regelmässig operative Einsätze.                      Dabei fördert sie Erkenntnisse zu Tage, die für Poli-
                    Aufträge nimmt das Fachreferat in erster Linie von      zeiorganisationen für ihre strategische und operative
                der Polizeileitung entgegen: In Grundlagenberichten         Ausrichtung von grosser Bedeutung sind.
                tragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sämt-              Dass die Forschung für die Polizei eine wichtige
                liche Informationen zusammen, die für die Fällung           Ressource ist – und vice versa – spiegelt sich auch
                strategischer Entscheide benötigt werden. Sollte die        in der zunehmenden Zusammenarbeit zwischen
                Kantonspolizei Basel-Stadt etwa erwägen, Bodycams           Polizeien und universitären Bildungseinrichtungen
                einzuführen, so wäre es Aufgabe des Fachreferats, die       wider. In der Schweiz zeugen etwa diverse Koope-
                möglichen Auswirkungen eines solchen Entscheids             rationen und Forschungsprojekte vom wachsenden,
                aufzuzeigen. Dies umfasst einerseits die Analyse der        gegenseitigen Interesse.7 Noch dürfte der Schulter-
                Standpunkte aller wichtigen Stakeholder: Begrüssen          schluss aber nicht hinreichend etabliert oder gar in-
                die Polizistinnen und Polizisten eine Einführung? Wie
                steht der Verband zu Bodycams? Welche politischen           4   Eines der wahrscheinlich berühmtesten Beispiele ist die Broken-
                                                                                Windows-Theorie von Wilson und Kelling, die das Fundament
                Positionen gibt es zum Thema? Und welche Beson-                 der Nulltoleranzstrategie der New Yorker Polizei bildete. Vgl. dazu
                derheiten müssen bei einer allfälligen Umsetzung                etwa: Kelling, George/Bratton, William: Declining Crime Rates:
                                                                                Insiders' Views of the New York City Story. In: Journal Of Crimi-
                beachtet werden? Gerade in der föderalen Schweiz                nal Law & Criminology, 88 (4), 1998, S. 1217–1232.
                hilft es ausserdem, die Lösungen und Erfahrungswerte        5   Zur (vornehmlich deutschen) Geschichte der Polizeiwissenschaft
                                                                                vgl. Kersten, Joachim: «Polizeiwissenschaft». Eine programmati-
                anderer kantonaler und städtischer Polizeikorps abzu-           sche Standortbestimmung. In: SIAK-Journal – Zeitschrift für Poli-
                fragen und ihre Anwendbarkeit im baselstädtischen               zeiwissenschaft und polizeiliche Praxis, 1, 2012, S. 6–8.
                                                                            6   Neidhardt, Klaus: Polizeiwissenschaft. In: Lange, Hans-Jürgen
                Kontext zu prüfen. Neben diesem Blick in die Praxis
                                                                                (Hrsg.): Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, VS Verlag für Sozial-
                prüft das Fachreferat ausserdem den Stand der For-              wissenschaften, 2006, S. 243.
                schung und ergänzt die Entscheidungsgrundlage um            7   Verschiedene Polizeikorps, allen voran die Stadtpolizei Zürich,
                                                                                pflegen den regelmässigen Austausch mit universitären Bildungs-
                relevante wissenschaftliche Erkenntnisse. So entsteht           institutionen. Bemerkenswert ist an dieser Stelle etwa die vom In-
                ein multiperspektivischer und interdisziplinärer Be-            stitut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hoch-
                                                                                schule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) durchgeführte
                richt, auf dessen Basis die Polizeileitung im Wissen            Evaluation des Pilotprojekts zum Einsatz von Bodycams bei der
                                                                                Stadtpolizei Zürich und der Transportpolizei. Vgl. dazu: Manzoni,
                um alle Fakten und möglichen Auswirkungen eine                  Patrik/Baier, Dirk: Evaluation des Pilotprojekts zum Einsatz von
                fundierte Entscheidung treffen kann.                            «Bodycams» bei der Stadtpolizei Zürich und der Transportpolizei,
                                                                                Institut für Delinquenz und Kriminalprävention, ZHAW, März
                                                                                2018. Das Schweizerische Polizei-Institut (SPI) fördert überdies
                  Polizei und Polizeiarbeit als begehrte Forschungs-            die angewandte Polizeiforschung hinsichtlich der Polizei, indem
                                                                                es die Arbeiten, die im Rahmen der höheren Fachprüfung verfasst
                  objekte                                                       werden, koordiniert sowie Personen, die akademisch zur Polizei
                                                                                forschen, unterstützt und regelmässig an Forschungsprojekten
                  Während diese Aufträge jeweils eine vertiefte Aus-
                                                                                teilnimmt. Siehe dazu: https://www.institut-police.ch/de/wissen/
                  einandersetzung mit spezifischen Themengebieten               angewandte-forschung (letzter Zugriff 9. Oktober 2020).

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stitutionalisiert sein. Dafür gibt es nachvollziehbare   So verfolgen verschiedene Dienststellen aktuelle
Gründe: Das Monitoring neuster wissenschaftlicher        Forschungsergebnisse ihrer jeweiligen Disziplin10
Erkenntnisse, die vertiefte Recherche zu und die         und diverse Mitarbeitende erarbeiten im Rahmen
Analyse von aktuellen (Kriminalitäts-)Phänomenen         von Weiterbildungen oder berufsbegleitenden Studi-
und Handlungsfeldern, das Erarbeiten von Konzep-         en wissenschaftliche Arbeiten. Mit dem neuen Aus-
ten zur Umsetzung in die Praxis – all dies nimmt         tauschformat werden die wissenschaftlich arbeiten-
viel Zeit in Anspruch. Zeit, die weder die strategi-     den Dienststellen vernetzt und internes Fachwissen
schen Entscheidungsträgerinnen und -träger noch          ausgetauscht. So sollen interdisziplinäre, bereichs-
die operativen Einsatzkräfte entbehren können und        übergreifende Projekte initiiert und gleichzeitig Vor-
sollen.                                                  schläge für den WIP aus allen teilnehmenden Or-
                                                         ganisationseinheiten eingebracht werden. Nachdem
Mehr Wissenschaft im Alltag dank innovativen             zu Beginn des Jahres eine Bedarfsanalyse durchge-
Instrumenten                                             führt wurde, fand die erste dieser Austauschsitzun-
Mit dem Projekt «Sophia» schliesst das Fachreferat       gen im November 2020 statt.
diese Lücke und bringt die Ressource «Forschung»
aktiv in die Polizeipraxis ein, indem der Polizeilei-    Forschungsprojekte für die Polizei
tung zu polizeirelevanten Themen regelmässig wis-        Trotz der Fülle an wissenschaftlicher Forschung
senschaftliche Erkenntnisse zur Verfügung gestellt       können längst nicht alle Fragen aus der Basler Po-
werden. Dabei kommen zwei neu geschaffene Ins-           lizeipraxis mit der bestehenden Literatur beantwor-
trumente zur Anwendung: der sogenannte «wissen-          tet werden. Nach dem Vorbild
schaftliche Input für die Polizeileitung» (WIP) sowie    ähnlicher Stellen in Deutsch- Langfristig soll das Projekt dazu
die organisationsübergreifende und systematische         land11 führt das Fachreferat des- beitragen, das Gewaltvorkommen
Vernetzung des vorhandenen, internen Fachwissens.        wegen auch eigene Untersu- in Basel-Stadt nicht nur besser zu
   Im Rahmen des WIP wird die Polizeileitung vier-       chungen durch, wie aktuell für verstehen, sondern auch wirksamer
mal jährlich über interessante Studien bzw. For-         die Themen Gewalt und Men- bekämpfen zu können.
schungsergebnisse zu polizeirelevanten Themen            schenhandel. Diese beiden De-
informiert. Dabei orientiert sich das Fachreferat an     liktsbereiche bilden gemeinsam mit Einbruchdieb-
dem, was beispielsweise Ralph Berthel, ehemaliger        stahl seit 2017 die regierungsrätlichen Schwerpunkte
Abteilungsleiter im Landeskriminalamt Sachsen und        bei der Kriminalitätsbekämpfung in Basel-Stadt. Im
Dozent an der Ruhr-Universität Bochum, 2015 als          Rahmen eigener Forschungsprojekte begleiten die
Kernaufgabe des innovativen Instruments «Think           Fachreferentinnen die Schwerpunktsetzung wissen-
Tank Polizei» skizzierte: Die Mitarbeiterinnen und       schaftlich und analysieren ausgewählte Teilaspekte.12
Mitarbeiter analysieren laufend gesellschaftliche,           Im Bereich der Gewaltbekämpfung ist dabei ins-
politische und wissenschaftliche Entwicklungen8,         besondere die kantonale Gewaltsituation von Inter-
prüfen ihre Relevanz für die polizeiliche Aufgaben-      esse. Seit mehreren Jahren rangiert die Stadt Basel auf
erfüllung und präsentieren diese anschliessend kurz      dem ersten Platz der Liste der gewalttätigsten Städ-
und prägnant der Polizeileitung.9 Durch die Ausar-
beitung konkreter Vorschläge bzw. Empfehlungen
                                                         8   Derzeit beobachtet werden etwa aktuelle Entwicklungen wie die
werden strategische Grundsatzentscheidungen auf              gewalttätigen Ausschreitungen in Frankfurt und Stuttgart oder
diese Weise nicht nur vorbereitet, sondern aktiv an-         auch die Schwierigkeiten, die sich bei der polizeilichen Durchset-
                                                             zung der Corona-Massnahmen für die Polizistinnen und Polizisten
geregt.                                                      ergeben.
   Um den Austausch und die Vernetzung nicht             9   Berthel, Ralph: Think Tank Polizei (Teil II), Statement für ein in-
                                                             novatives Polizeiinstrument. In: Die Polizei, Heft 6, 2015, S. 165.
nur vertikal, sondern auch horizontal zu stärken,
                                                         10 Als Beispiele seien etwa die Abteilungen «Recht», «Verkehrssicher-
führt das Fachreferat ausserdem zweimal jähr-               heit» oder der Psychologische Dienst genannt.
lich eine Sitzung mit sämtlichen wissenschaftlich        11 Für einen Überblick der verschiedenen polizeilichen Forschungs-
                                                            stellen (Stand 2012) in Deutschland vgl. Lorei, Clemens/Gross,
arbeitenden Organisationseinheiten der Kantons-             Hermann (Hrsg.): Polizei & Wissenschaft. Themenheft Polizei &
polizei Basel-Stadt durch. Denn bereits jetzt ist in        Forschung, Ausgabe 3, 2012.
                                                         12 Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt: Kriminalitätsbekämp-
der Kantonspolizei Basel-Stadt eine beachtliche
                                                            fung einschliesslich Strafverfolgung Festlegung der Schwerpunkte
Menge an wissenschaftlicher Expertise vorhanden:            2019–2021, Regierungsratsbeschluss vom 30. April 2019, S. 2–10.

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                 te der Schweiz.13 Die Fachreferentinnen gehen der        bei der Identifikation und der Bearbeitung von Men-
                 Frage nach, warum das so ist und führen u.a. eine Si-    schenhandelsfällen und unterzieht diese anschlie-
                 tuations-, eine Ursachen- sowie eine Massnahmen-         ssend einer qualitativen Inhaltsanalyse. So können
                 analyse durch. Das Ziel ist dabei, das baselstädtische   Herausforderungen im Ist-Zustand identifiziert und
                 Gewaltvorkommen aus verschiedenen Perspekti-             die nötigen Optimierungen vorgenommen werden.
                 ven zu beleuchten und auf Basis der so erlangten         In einem nächsten Schritt gilt es, die intern und ex-
                 Erkenntnisse Massnahmen zur zielgerichteten Ge-          tern vorhandenen Daten zu Menschenhandel (poli-
                 waltbekämpfung umzusetzen. Neben der vertieften          zeiliche Kriminalstatistik, Polizeirapporte, Statistiken
                 Analyse des Hellfelds anhand verschiedener Statis-       von NGOs) zusammenzutragen und so aufzuberei-
                 tiken14 sowie relevanter Polizeirapporte, führen die     ten, dass künftig Massnahmen evidenzbasiert ge-
                                          Fachreferentinnen Interviews    plant werden können.
Die Etablierung dieser angewand- mit Experten/-innen, prüfen                 Neben den oben aufgezeigten Hauptaufgaben
    ten Forschung von der Polizei verschiedene Möglichkeiten              führt das Fachreferat kleinere Auftragsrecherchen
 für die Polizei ist denn auch das für aussagekräftige Städte-            durch, koordiniert und redigiert die Beantwortung
                  langfristige Ziel. vergleiche, begleiten (rein          von politischen Vorstössen16 und berät intern Per-
                                          beobachtend) Polizeieinsätze    sonen bei der Entwicklung von Fragestellungen für
                 an sogenannten Hotspots und tragen Informationen         wissenschaftliche Arbeiten. Als Kontaktstelle für Uni-
                 zum subjektiven Kriminalitätsempfinden zusammen.         versitäten und Fachhochschulen nimmt es überdies
                 Dabei arbeiten sie eng mit den Spezialisten/-innen       externe Forschungsanfragen entgegen. Neu führt das
                 der Lage, den Statistischen Ämtern des Kantons und       Fachreferat ausserdem Evaluationen von Pilotprojek-
                 des Bundes sowie weiteren internen und externen          ten bzw. polizeilichen Massnahmen durch.
                 Fachstellen zusammen.
                     Auf Basis dieser Teilanalysen erarbeiten die Fach-   Ausblick
                 referentinnen in einem nächsten Schritt ein Gesamt-      Die Polizeiarbeit wird auch in 10 Jahren noch kom-
                 bild bzw. -modell der baselstädtischen Gewaltkrimi-      plex sein – oder gar komplexer werden. Deswegen
                 nalität und leiten daraus erste Anknüpfungspunkte        plant das Fachreferat bereits jetzt diverse Projekte, um
                 für die gezielte Bekämpfung und Massnahmenpla-           der Polizeileitung auch künftig mit ganzheitlichen Lö-
                 nung ab. Langfristig soll das Projekt dazu beitragen,    sungsansätzen bei der Bewältigung von alten und neu-
                 das Gewaltvorkommen in Basel-Stadt nicht nur bes-        en Herausforderungen zur Seite stehen zu können. So
                 ser zu verstehen, sondern auch wirksamer bekämp-         soll etwa eine Datenbank mit (polizei-)wissenschaftli-
                 fen zu können.                                           cher Literatur aufgebaut werden, die für alle Mitarbei-
                     Auch im Bereich «Menschenhandel» führt das           tenden der Kantonspolizei Basel-Stadt zugänglich ist.
                 Fachreferat derzeit ein Projekt durch. Der Men-          Je nach Forschungslücken, die in den Bereichen «Ge-
                 schenhandel ist ein klassisches Hol-Delikt, d. h. die    waltbekämpfung» und «Menschenhandel» erkannt
                 Strafverfolgungsbehörden müssen aktiv ermitteln,         werden, sind ausserdem weitere – gegebenenfalls
                 damit Fälle zutage gefördert werden. Hinzu kommt,        auch grössere – Forschungsvorhaben denkbar. Nicht
                 dass die Aussagebereitschaft der mutmasslichen           zuletzt gilt es, die Zusammenarbeit mit universitären
                 Opfer aus verschiedenen Gründen gering ist und           Bildungseinrichtungen weiter zu intensivieren.
                 sich die Ermittlungen aufgrund fehlender objektiver
                 Beweise äusserst komplex und aufwendig gestalten.        13 Bundesamt für Statistik: Polizeiliche Kriminalstatistik, Jahresbe-
                 Im Zuge der Schwerpunktsetzung 2017 wurde die               richt 2019 der polizeiliche registrierten Straftaten, Neuchâtel 2020,
                                                                             S. 19, aufrufbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/
                 Verfolgung von Menschenhandel intensiviert. Dabei           statistiken/kriminalitaet-strafrecht/polizei.assetdetail.11147486.
                                                                             html (letzter Zugriff 12. Oktober 2019).
                 wurde deutlich, dass die Vernetzung und Zusam-
                                                                          14 Relevant sind etwa neben der polizeilichen Kriminalstatistik auch
                 menarbeit zwischen den verschiedenen operativ               die Opferhilfestatistik und die Unfallstatistik der SUVA, die auch
                 tätigen Einheiten15 ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei      Daten zu Gewalt enthält.
                                                                          15 Darunter fallen u. a. die Kantons- und die Kriminalpolizei, die
                 der Bekämpfung von Menschenhandel ist. Deswe-               Staatsanwaltschaft, das Amt für Wirtschaft und Arbeit, das Migra-
                 gen erfasst eine Fachreferentin anhand von leitfa-          tionsamt sowie diverse NGOs.
                                                                          16 Sofern diese die eigenen Themen betreffen oder von gesamtbetrieb-
                 dengestützten Expertinnen- und Experteninterviews
                                                                             licher Bedeutung sind und nicht in das Aufgabengebiet einer ande-
                 systematisch sämtliche Schnittstellen und Prozesse          ren Dienststelle fallen.

       80                                                                                                                      format magazine no 10
DIE BRÜCKE SCHLAGEN ZWISCHEN WISSENSCHAFT UND PRAXIS

   Denn wie die bisherige Arbeit des Fachreferats                         Bundesamt für Statistik: Polizeiliche Kriminalstatistik, Jahresbe-
                                                                          richt 2019 der polizeiliche registrierten Straftaten, Neuchâtel 2020,
zeigt, ist der Nutzen intern betriebener Forschung                        aufrufbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/
enorm: Dank wissenschaftlicher Methoden und                               kriminalitaet-strafrecht/polizei.assetdetail.11147486.html (letzter
                                                                          Zugriff 12. Oktober 2019).
Ansätze werden Problemfelder mit ergebnisoffener
                                                                          Jarchow, Esther: Forschung als anerkannte Ressource der Polizei. In:
Praxisperspektive so untersucht, dass daraus weitere                      Frevel, Bernhard/Gross, Germann (Hrsg.): Empirische Polizeifor-
                                                                          schung XIX: Bologna und die Folgen für die Polizeiausbildung. Band
strategische und operative Schlüsse gezogen werden                        20, Frankfurt 2016.
können. Die Etablierung dieser angewandten For-                           Kelling, George/Bratton, William: Declining Crime Rates: Insiders'
                                                                          Views of the New York City Story. In: Journal Of Criminal Law &
schung von der Polizei für die Polizei ist denn auch
                                                                          Criminology, 88 (4), 1998, S. 1217–1232.
das langfristige Ziel, das es mittels der Brücke zwi-                     Kersten, Joachim: «Polizeiwissenschaft». Eine programmatische
schen Wissenschaft und Praxis zu erreichen gilt.17                        Standortbestimmung. In: SIAK-Journal – Zeitschrift für Polizeiwis-
                                                                          senschaft und polizeiliche Praxis, 1, 2012, S. 4–18.
                                                                          Lorei, Clemens/Gross, Hermann (Hrsg.): Polizei & Wissenschaft.
Verwendete Literatur
                                                                          Themenheft Polizei & Forschung, Ausgabe 3, 2012.
Berthel, Ralph: Think Tank Polizei (Teil I), Statement für ein innova-
                                                                          Manzoni, Patrik/Baier, Dirk: Evaluation des Pilotprojekts zum Einsatz
tives Polizeiinstrument. In: Die Polizei, Heft 5, 2015, S. 125–130.
                                                                          von «Bodycams» bei der Stadtpolizei Zürich und der Transportpolizei,
Berthel, Ralph: Think Tank Polizei (Teil II), Statement für ein in-       Institut für Delinquenz und Kriminalprävention, ZHAW, März 2018.
novatives Polizeiinstrument. In: Die Polizei, Heft 6, 2015, S. 159–165.
                                                                          Neidhardt, Klaus: Polizeiwissenschaft. In: Lange, Hans-Jürgen
                                                                          (Hrsg.): Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, VS Verlag für Sozialwis-
17 Jarchow, Esther: Forschung als anerkannte Ressource der Polizei.       senschaften, 2006, S. 243–247.
   In: Frevel, Bernhard/Gross, Hermann (Hrsg.): Empirische Polizei-       Regierungsrat des Kantons Basel Stadt: Kriminalitätsbekämp-
   forschung XIX: Bologna und die Folgen für die Polizeiausbildung.       fung einschliesslich Strafverfolgung Festlegung der Schwerpunkte
   Band 20, Frankfurt 2016.                                               2019–2021, Regierungsratsbeschluss vom 30. April 2019, S. 2–10.

Résumé
Jeter des ponts entre science et pratique                                 holistiques et des méthodes innovantes. À côté de
Le travail de la police est devenu à bon nombre                           cela, les scientifiques du monde entier se posent le
d’égards bien plus complexe. Aujourd’hui plus que                         même genre de questions dans leurs études sur la
jamais, la mission des forces de l’ordre consiste à ré-                   police et ses missions. Comment mieux protéger les
pondre à des exigences contradictoires, entre chan-                       policières et policiers face aux agressions ? Quels
gements sociétaux, technologiques et garantie per-                        sont les axes permettant d’endiguer la criminalité
manente de sécurité publique. Il y a longtemps que                        dans l’espace public ? Et où placer le curseur entre
les défis stratégiques et opérationnels au quotidien                      répression et prévention ? Le travail d’un comité
outrepassent le domaine de compétence de chaque                           d’expert·e·s institué en 2018 auprès de la Police can-
individu. Les organes dirigeants des polices sont                         tonale de Bâle-Ville a permis de bâtir ces ponts entre
ainsi régulièrement amenés à adopter des approches                        constats scientifiques et réalités pratiques.

Riassunto
Costruire un ponte tra scienza e pratica                                  novativi. Allo stesso tempo, anche il mondo scienti-
Il lavoro di polizia è diventato più complesso sotto                      fico si pone domande simili sulla polizia e sui relativi
molti punti di vista: oggi più che mai, ci si muove                       compiti: come proteggere meglio gli agenti di polizia
in equilibrio tra il costante cambiamento sociale e                       da possibili attacchi? Quali concetti si possono appli-
tecnologico, da una parte, e la necessità di garantire                    care per limitare la criminalità negli spazi pubblici? E
continuamente la sicurezza pubblica, dall’altra. Le                       qual è l’equilibrio giusto tra repressione e prevenzio-
sfide strategiche e operative giornaliere oltrepassano                    ne? La Polizia cantonale di Basilea-Città ha fondato
ormai la sfera di competenza dei singoli individui.                       nel 2018 un gruppo di esperti che, convertendo sco-
Gli organi dirigenti delle polizie fanno quindi rego-                     perte scientifiche in concetti applicabili nella pratica,
larmente ricorso a soluzioni e concetti globali e in-                     sta costruendo un ponte tra questi due ambiti.

format magazine no 10                                                                                                                             81
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