Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal
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Holger Keil Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal Holger Keil Die Heinz Sielmann Stiftung ist schon seit vielen Jahren am Grünen Band aktiv. Mit dem 2009 bewilligten Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal er- reicht dieses Engagement einen neuen Höhepunkt. Im Falle einer erfolgreichen Umsetzung wird im Zentrum Deutschlands ein wichtiger Baustein zur Umsetzung des nationalen Biotopverbunds und zur Sicherung des Grünen Bandes gesetzt. Aber das Vorhaben steht noch am Anfang und muss sich besonderen Herausforderungen stellen. Zunächst wird in den kommenden Jahren ein Pflege- und Entwicklungsplan erarbeitet und mit der Region abgestimmt. Dieser bildet die Arbeitsgrundlage für die erst in der Förderphase II folgenden, naturschutzfachlichen Maßnahmen. Das mehr als dreihundert Quadratkilometer große Projektgebiet erstreckt sich zwischen Harz und Thüringer Wald in drei Bundesländer hinein. In diesem zum Großteil naturschutzfachlich schon sehr wertvollen Gebiet gilt es insbesondere, die Biotop- verbundfunktionen für Wälder, Halboffenlandschaften, Trockenlebensräume, Grün- land und beispielhaft auch Fließgewässer länderübergreifend zu sichern und zu entwickeln. Dabei wird man sich an herausragenden Leit- und Zielarten orientieren, wie z.B. Wildkatze, Raubwürger und Fischotter. 1 Heinz Sielmann Stiftung Grenze“ im Jahr 1988 an das heutige und Grünes Band Grüne Band geführt. Unter anderem filmte er im Eichsfeld nahe Duderstadt Als Grünes Band wird aktuell der Be- (Abb. 1). Der Film wurde am 21. März reich der ehemaligen innerdeutschen 1989 im Rahmen der Sendereihe „Ex- Grenze definiert, der die Grenzsiche- peditionen ins Tierreich“ in der ARD rungsanlagen der Deutschen Demo- erstausgestrahlt. kratischen Republik (DDR) zwischen dem Kolonnenweg (= Kontrollweg Professor Heinz Sielmann dokumen- der Grenzsicherungstruppen der DDR) tierte eine bemerkenswerte und im und der eigentlichen Grenzlinie zur Hinterland selten gewordene Arten- Bundesrepublik Deutschland – heute vielfalt an der Grenze und im grenz- meist Grenze zwischen den alten und nahen Umfeld. Am Ende entwickelte neuen Bundesländern – umfasste. er Wünsche bzw. Visionen eines ge- meinsamen Naturschutzprojekts „… Professor Heinz Sielmann selbst ha- von Ost und West ...“ und eines gro- ben die Dreharbeiten zur Filmdo- ßen Nationalparks „… von der Ostsee kumentation „Tiere im Schatten der bis zum Thüringer Wald!“. 52
Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal Abb. 1: Professor Heinz Sielmann 1988 bei Dreharbeiten an der innerdeutschen Grenze nahe Duderstadt. © Heinz Sielmann Stiftung Er konnte damals weder ahnen, dass • Kauf und Pacht von Grundstücken; seine Visionen schon ab Spätherbst • intensive Kooperation mit der 1989 mit Mauerfall und Grenzöffnung Stadt Duderstadt und der Verwal- erreichbar würden, noch dass sich die tungsgemeinschaft Lindenberg/ Zentrale der von ihm und seiner Frau Eichsfeld als Anrainerkommunen Inge gegründeten Heinz Sielmann sowie dem BUND Thüringen; Stiftung 1996 auf Gut Herbigshagen • Landschaftspflege (Entbuschung nahe Duderstadt niederlassen würde – sowie Unterstützung einer „Eichs- in Blickweite zum Grünen Band. felder Hüteschäferei“); • Fördern des Naturerlebens durch Seither ist die Heinz Sielmann Stiftung Ausweisung von Wanderwegen aktiv am Grünen Band im Eichsfeld inklusive Beschilderung und Na- tätig. Zwischenzeitlich wurde der acht turschutzinformationen vor Ort Kilometer lange Abschnitt zwischen Gut sowie durch Angebote zu geführ- Herbigshagen und dem Grenzlandmu- ten Exkursionen. seum Eichsfeld vom Freistaat Thüringen als Naturschutzgebiet „Grenzstreifen 2003 beschloss die Heinz Sielmann zwischen Teistungen und Ecklingerode“ Stiftung auf Grundlage einer Viel- ausgewiesen. Zum Engagement der Stif- zahl vorheriger Gespräche mit bun- tung zählen hier unter anderem: desweit federführenden Akteuren am Grünen Band ihr Engagement • Unterstützen und Begleiten vor- auszudehnen. Ausschlaggebend war bereitender wissenschaftlicher Ar- letztlich das Angebot des Bundes- beiten (Bestandserfassungen sowie amtes für Naturschutz zur möglichen Pflege- und Entwicklungskonzepte); Nutzung des Förderprogramms für 53
Holger Keil Naturschutzgroßprojekte des Bundes das weite, fruchtbare Eichsfelder Be- (chance.natur – Bundesförderung cken (Goldene Mark) bei Duderstadt Naturschutz, Bundesministerium für geprägt. Dort erheben sich auch ver- Umwelt, Naturschutz und Reaktor- einzelte Höhenzüge, wie zum Bei- sicherheit 1993). Nach mehrjähriger spiel das Ohmgebirge nördlich von Antragsphase wurde schließlich am Worbis, das am Birkenberg eine Höhe 4. September 2009 das Naturschutz- von 533 Metern erreicht. Das südliche großprojekt Grünes Band Eichsfeld- Obereichsfeld ist eine weniger furcht- Werratal bewilligt. bare und etwas rauere Mittelgebirgs- landschaft, die das Thüringer Becken nordwestlich begrenzt. Prägend sind 2 Biotopverbund zwischen Südharz, hier die imposanten, an den Rändern Eichsfeld und Nordosthessischem steil abfallenden Muschelkalktafeln, Bergland die auf der Gobert südwestlich von Heilbad Heiligenstadt eine Höhe von Das Grüne Band gilt mittlerweile nicht 543 Metern erreichen. nur als Deutschlands, sondern auch als Europas größtes Biotopverbund- Zu den ersten fachlichen Betrachtun- system. Der Biotopverbund im Sinne gen für die Abgrenzung eines Projekt- §§ 20, 21 BNatSchG wurde daher von gebietes, das zudem die Kriterien der den ersten Überlegungen an als über- Förderichtlinie für Naturschutzgroß- geordnete Zielsetzung für das Natur- projekte erfüllt (vgl. Bundesministe- schutzgroßprojekt in der Region des rium für Umwelt, Naturschutz und Eichsfelds definiert. Reaktorsicherheit 1993), wurde auf die Initiativskizze zur Entwicklung Das Eichsfeld ist eine katholisch ge- eines Netzes bundesweit bedeutsamer prägte, historische Kulturlandschaft Lebensraumkorridore (German Habi- im Zentrum der Bundesrepublik tat Corridor Network) von Reck et al. Deutschland. Es liegt im Dreilände- 2004 zurückgegriffen. Zusammenfas- reck Thüringen, Niedersachsen und send lassen sich die Lebensraumkor- Hessen. Im Norden wird es durch den ridore in der Projektregion zunächst Harz, im Osten durch das Thüringer grob wie folgt einordnen: Becken, im Süden durch die Werra bzw. das Nordosthessische Bergland 1. Bedeutung als Lebensraumkorridor (Kaufunger Wald, Hoher Meißner) und für Arten der Wälder und im Westen durch das Leinebergland Halboffenlandschaften: nahe Göttingen begrenzt. Die Lebensraumkorridore für Arten Das Eichsfeld, in dem unter anderem der Wälder und Halboffenlandschaf- die Quellgebiete von Unstrut und Lei- ten erstrecken sich in der Projekt- ne liegen, ist eine reich gegliederte region vor allem entlang der nord- und oftmals fein strukturierte Berg- westlichen Randhöhen des Thüringer und Hügellandschaft mit mehr oder Beckens mit dem Hainich und einer minder breiten Tälern. Es wird von nördlichen Waldachse in den Harz hi- der west-östlich verlaufenden Talsen- nein sowie entlang der Täler von Wer- ke von Leine und Wipper geteilt. Das ra und Leine mit den Muschelkalkhö- nördliche Untereichsfeld wird durch henzügen des Obereichsfelds. 54
Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal 2. Bedeutung als Lebensraumkor- Rhume und Eller südlich des Harzes ridor für Arten der trockenen als Ergänzungskorridor für Arten Landschaften: der Niederungen und Flusstäler mit Feucht- und Trockenlebensräumen. Bedeutsame Lebensraumkorridore für Arten der trockenen Landschaften in Für die Abgrenzung des Projektgebie- der Projektregion erstrecken sich vor tes waren folgende Vorüberlegungen allem entlang der europaweit bedeut- zu den Elementen bzw. Bestandteilen samen Zechstein-Karstlandschaft des des Biotopverbundsystems relevant: Südharzes, der Muschelkalk-Buntsand- stein geprägten Schichtstufenland- • Leit- oder Verbindungsachse ist schaft des Oberen Leinetals sowie den das Grüne Band (Abb. 2) in der überwiegend muschelkalkgeprägten, Projektregion mit entsprechend nördlichen Randhöhen des Thüringer wertvollen Kontakt- oder Aufwei- Beckens und des östlichen Werratals. tungsflächen. Funktional lässt es sich z.B. als bestehender oder zu 3. Korridore für Arten der Niederungen entwickelnder Wanderkorridor für und Flusstäler mit Feucht- und bedeutende Zielarten mit geeig- Trockenlebensräumen: neten Nahrungs- und Deckungs- möglichkeiten beschreiben. Ge- Abb. 2: Das Grüne Im Fokus des Abwägungsprozesses eignete Aufweitungsflächen sind Band als Leitachse des für das spätere Projektgebiet stand entlang des Grünen Bandes zu Biotopverbunds im lediglich beispielhaft das länderüber- prüfen und in das Projektgebiet Untereichsfeld nahe greifende Fließgewässersystem von mit einzubeziehen. Duderstadt. © Klaus Leidorf 55
Holger Keil • Dort wo die räumliche Verbin- innerhalb eines Suchraumes in dung zwischen größeren Lebens- das Projektgebiet mit einzubezie- raumkomplexen oder notwendi- hen. gen Teilhabitaten auf längerer Strecke unterbrochen ist, können Auf Grundlage dieser Erwägungen viele Zielarten diese Distanzen wurde ein Suchraum von fünf Kilo- überbrücken, wenn sie zwischen- metern rechts und links des Grünen durch wertvolle Deckungs- und Bandes definiert, wobei dieser im Nahrungsflächen finden. Über Norden am südlichen Harzrand und diese so genannten „Trittsteine“ im Süden durch eine mögliche An- bleiben einige Biotopverbund- bindung an den Hainich begrenzt funktionen möglich. Bedeutsame wurde. Für den Suchraum wurden Trittsteinbiotope mit einer Flä- in Zusammenarbeit mit den Fach- chengröße ab zwanzig Hektar sind behörden und -instituten der be- zu prüfen und in das Projektgebiet teiligten Bundesländer Thüringen, einzubeziehen. Niedersachsen und Hessen natur- • Von der Leitachse gehen immer schutzfachliche Daten gesammelt wieder Quervernetzungsachsen ab, und ausgewertet. Auf mehreren, die unter anderem weiter entfernt gemeinsamen Terminen mit Betei- liegende, wertvolle Kernflächen ligung des Bundesamtes für Natur- mit dem Grünen Band vernetzen. schutz wurden schließlich Start- und Diese Achsen sollen also nicht nur Endpunkt des Projektgebietes natur- Wander- und Ausbreitungspoten- räumlich festgelegt. Sie entsprechen ziale entlang des Grünen Bandes im Großen und Ganzen den vier im ermöglichen, sondern auch nach Erprobungs- und Entwicklungsvor- rechts und links tief in den Raum haben „Bestandsaufnahme Grünes ausstrahlen. Bedeutsame Querver- Band“ (Bund Naturschutz in Bayern netzungsachsen sind zu prüfen e.V. & Bund für Umwelt und Natur- und eine möglichst repräsentative schutz in Deutschland e.V. 2002) be- Auswahl in das Projektgebiet mit schriebenen Abschnitten: einzubeziehen. • Die Kernflächen sind wertvolle • Nr. 17: Mackenröder Wald (nur der Areale mit stabiler Habitatfunk- westliche Teil); tion für bedeutsame Zielarten • Nr. 18: Unteres Eichsfeld von mit großräumigen Lebensrau- Weilrode bis Freienhagen; mansprüchen. Diese Flächen sind • Nr. 19: Offenland zwischen Rohr- meist von landesweiter oder bun- berg und Lindewerra; desweiter Bedeutung für den Na- • Nr. 20: Offenland zwischen Linde- turschutz und hinsichtlich ihrer werra und Treffurt. Flächengröße, Ausprägung, Un- zerschnittenheit und Vollständig- Für eine konkretere Abgrenzung keit von Biotopkomplexen insge- möglicher Kerngebiete des Natur- samt wichtig für den nationalen schutzgroßprojektes wurden anhand Biotopverbund. Großflächige, der vordefinierten Bestandteile des naturschutzfachlich bereits sehr Biotopverbunds zudem folgende, re- wertvolle Bereiche ab einer Flä- levante Parameter zur Orientierung chengröße von 1.000 Hektar sind herausgefiltert: 56
Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal • Integration gemeldeter FFH-Ge- • Sicherung und Entwicklung des biete; großräumigen Wald-Biotopver- • sofern sinnvoll auch Integration bunds zwischen Harz, nordosthes- gemeldeter EG-Vogelschutzgebiete; sischem Bergland und Hainich • Integration vorhandener und zur mit herausragenden Funktionen Ausweisung geplanter Natur- für den Biotopverbund der bun- schutzgebiete; desweit bedeutsamen Zielarten • Gebietsabgrenzungen entlang ge- Wildkatze (Felis sylvestris) und eigneter und sinnvoller Nutzungs- Schwarzstorch (Ciconia nigra). bzw. Vegetationsgrenzen, z.B. • Sicherung des Biotopverbunds Wald-Offenlandgrenzen, unter für Waldlebensräume flachgrün- Berücksichtigung von Übergangs- diger Standorte, insbesondere der und Saumzonen; vorhandenen Kalk-Orchideen- • bebaute und besiedelte Bereiche Buchenwälder und Schlucht- und sind weitestgehend nicht mit ein- Blockschuttwälder mit ihrem cha- zubeziehen. rakteristischen Arteninventar. • Sicherung und Entwicklung des Zur Arrondierung ist das Projektgebiet Biotopverbunds für herausragen- stellenweise über diese Kerngebiete hi- de, waldgebundene Zielarten wie naus aufgeweitet worden. Die Abgren- Eibe (Taxus baccata), Frauenschuh zungen von Projektgebiet und Kern- (Cypripedium calceolus) und wei- gebieten sind nicht parzellenscharf tere Wald-Orchideenarten. vorgenommen worden und damit • Sicherung, Pflege und Entwick- noch nicht verbindlich. Diese Aufgabe lung des Grünland-Biotopver- ist als Prüfauftrag an den Pflege- und bunds im Projektgebiet. Entwicklungsplan delegiert. • Sicherung, Pflege und Entwick- lung des Biotopverbunds halb- Aus den vorhandenen, naturschutz- offener Lebensräume bzw. von fachlichen Daten der Kerngebiete las- Gehölz-Offenlandkomplexen. sen sich für das übergeordnete Leitziel • Sicherung, Pflege und Entwick- bereits weitere Biotopverbundziele lung des Agrotopverbunds mit ableiten, die ebenfalls im Pflege- und Schwerpunkt auf dem Erhalt sel- Entwicklungsplan noch zu prüfen und tener oder bedrohter Ackerbegleit- zu konkretisieren sind: flora und -fauna. • Biotopvernetzung kleinstruktu- • Sicherung, Pflege und Entwick- rierter, heterogener, landwirt- lung von rund 130 Kilometern schaftlich geprägter Lebensraum- des Grünen Bandes als Leitlinie komplexe mit Acker, Grünland, des landerübergreifenden Bio- Streuobstweisen, Hecken, Feldge- topverbundsystems zwischen hölzen und Wäldchen, auch hin- Harz und Hainich, auch hinsicht- sichtlich der Funktionen für den lich herausragender Funktionen Rotmilan (Milvus milvus) als Cha- für Charakterarten des Grünen rakterart des Eichsfelds. Bandes, wie Raubwürger (Lani- • Prüfung, Entwicklung und Siche- us excubitor), Neuntöter (Lanius rung der herausragenden Poten- collurio) und Braunkehlchen (Sa- ziale für die natürliche (Wieder-) xicola rubetra). Besiedlung des Fischotters (Lutra 57
Holger Keil © Heinz Sielmann Stiftung Abb. 3: Naturschutz lutra) im Rhume-Ellersystem als der strukturschwachen Region eine und Natur erleben bundesweit bedeutsame Zielart nicht unerhebliche Investition dar, am Grünen Band des Biotopverbunds. aus der sich weitere Wertschöpfung nahe Duderstadt. ergeben soll. Die Einbeziehung bzw. der enge Gedankenaustausch mit Ak- 3 Naturschutzgroßprojekt teuren des ländlichen Tourismus und Grünes Band Eichsfeld-Werratal der Bioenergie hat bereits begonnen. Für das Naturschutzgroßprojekt Das Projektgebiet erstreckt sich in die Grünes Band Eichsfeld-Werratal ist sechs Landkreise Nordhausen, Eichs- schon in der Phase der Antragstellung feld, Unstrut-Hainich-Kreis, Ostero- das Leitbild „Naturerbe bewahren – de am Harz, Göttingen und Werra- Naturerleben ermöglichen – Regiona- Meißner-Kreis hinein. Es hat aktuell le Wertschöpfung sichern“ formuliert eine Flächengröße von 31.300 Hektar. worden. Auch wenn keinerlei Maß- Innerhalb des Projektgebietes sind nahmen der Regionalentwicklung 18.500 Hektar als Kerngebiete abge- über das Förderprogramm finanziert grenzt. werden, bleibt letztlich doch folgen- der wichtige Ansatz bestehen: Mit Die Kerngebiete sind Rückzugsgebiet dem Naturschutzgroßprojekt ist nicht für mehr als 340 bundesweit gefähr- nur der klassische Naturschutz zu ver- dete oder bedrohte Tier- und Pflanzen- binden, sondern gleichzeitig das akti- arten. Sie werden zu etwa 70 % von ve Einbeziehen des Menschen und die seltenen und gefährdeten Lebensräu- Einladung zum Erleben der Natur im men geprägt. Dazu zählen vor allem Projektgebiet (Abb. 3). Darüber hinaus die ausgedehnten, naturnahen Laub- stellt das Naturschutzgroßprojekt in und Laubmischwäldern mit typischen 58
Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal Kalk-Orchideen-Buchenwäldern und aus dem Untereichsfeld kommen. Die- Hainsimsen-Buchenwäldern, aber ser Abschnitt ist insbesondere für die auch Trocken- und Halbtrockenrasen, Vernetzung der Wälder des Harzes mit Feucht- und Nasswiesen sowie natur- den südlich gelegenen Mittelgebirgs- nahe Flüssen und Bächen. Zahlreiche wäldern bis hin zum Thüringer Wald NATURA 2000-Gebiete und Natur- außerordentlich bedeutsam. Darüber schutzgebiete sind mit einbezogen. hinaus wird der mit dem Rhume-Eller- Eine flächendeckende Biotopkartierung system funktional in Verbindung ste- liegt jedoch derzeit noch nicht vor. hende, relativ isolierte Feuchtgebiets- komplex rund um den Seeburger See Das Projektgebiet ist naturräumlich in mit dem Grünen Band vernetzt. Natur- vier Abschnitte gegliedert (Abb. 4): räumlich grenzt sich dieser Abschnitt zwischen dem Südharzer Zechstein- 1. Südharz und Rhume-Ellersystem gürtel und dem Eichsfelder Becken mit seinen Randhöhen ab. Der nördlichste Abschnitt des Pro- jektgebiets umfasst das thüringisch- 2. Untereichsfeld und Ohmgebirge niedersächsische Grenzgebiet im südwestlichen Harzvorland und das Der Abschnitt umfasst das thürin- Fließgewässersystem der Rhume, de- gisch-niedersächsische Grenzgebiet ren zahlreiche Zuflüsse zum Teil auch im Bereich des Eichsfelder Beckens. Abb. 4: Übersicht über das Projektge- biet mit seinen vier Abschnitten. © Heinz Sielmann Stiftung 59
Holger Keil Neben der teils reich-strukturierten Thüringen die Grenze zwischen dem und teils wiederum großflächig acker- Unstrut-Hainich-Kreis und dem Wart- baulich genutzten Kulturlandschaft, burgkreis bildet. Naturräumlich zählt stellt das Ohmgebirge mit dem nörd- der Abschnitt zur Untereinheit Wer- lich vorgelagerten Sonnenstein das rabergland-Hörselberge der Thüringer prägende Element dar. Naturräumlich Muschelkalk-Platten und -Bergländer grenzt sich dieser Abschnitt durch das bzw. zur Untereinheit Unteres Werra- Rhume-Eller-Fließgewässersystem im tal des Osthessischen Berglandes. Norden und die Randhöhen des Eichs- felder Beckens im Süden und Westen Gemessen an den Förderkriterien für ab. Darüber hinaus zählt das Ohmge- Naturschutzgroßprojekte, gilt für das birge naturräumlich zur Untereinheit Grüne Band Eichsfeld-Werratal mit Ohmgebirge und Bleicheröder Berge seinen Kerngebieten: der Thüringer Muschelkalk-Platten und -Bergländer. • Repräsentanz aller charakteristi- schen und typischen Lebensräume 3. Leinetal des Landschaftsraums Eichsfeld- Werratal im Projektgebiet, unter Der kleinste Abschnitt des Projektge- Berücksichtigung der Qualität biets umfasst das thüringisch-nieder- ihrer abiotischen und biotischen sächsische Grenzgebiet entlang des Merkmale und ihrer europäischen, weiter südlich parallel zum Grünen bundes- und landesweiten Bedeu- Band verlaufenden oberen Leinetals tung für den Naturschutz sowie zwischen dem Eichsfelder Becken ihres besonderen Wertes für den und dem Werrabergland. Die südli- bundesweiten Biotopverbund. che Abschnittsgrenze stimmt in etwa • Großflächige Bemessung des Pro- mit der niedersächsisch-hessischen jektgebiets zur Bewahrung der Landesgrenze überein. Der Abschnitt Lebensraumansprüche vorkom- zählt naturräumlich überwiegend zur mender Tier- und Pflanzenarten Untereinheit Unteres Eichsfeld, in sowie insbesondere zur Sicherung kleinen Teilbereichen auch zur Leine- vorhandener Populationen der Ilme-Senke des Weser-Leineberglan- Zielarten des bundesweiten Bio- des. topverbunds einschließlich der Optimierung ihrer Lebensraum- 4. Obereichsfeld und Werratal korridore zwischen dem Harz und den südlicher gelegenen Mittelge- Der südlichste Abschnitt umfasst das birgsregionen. thüringisch-hessische Grenzgebiet im • Hohe Dichte an natürlichen und nördlichen Werra-Bergland. Zwischen naturnahen Lebensraumtypen im den Städten Witzenhausen und Tref- überwiegend von Wald, aber auch furt ziehen sich Buntsandstein- und von Offenland und Fließgewäs- Muschelkalk-Höhenzüge östlich ent- sern geprägten Projektgebiet. lang der Werra, die von ausgedehn- • Modellcharakter des Naturschutz- ten Laubwäldern geprägt sind. Das großprojekts, der nicht zuletzt Projektgebiet wird hier im Süden auch über Akzeptanz, Identifikati- durch das tief eingeschnittene Tal des on und Verankerung in der Region Heldrabaches begrenzt, der zudem in einen naturschutzfachlich optima- 60
Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal len und beispielhaften Schutz si- 4 Projektablauf, Ziele und cherstellen wird. förderfähige Maßnahmen • Gefährdung des Projektgebiets Die Förderphase I des Naturschutz- insbesondere des Grünen Ban- großprojekts ist zum 1. September des durch andere Landnutzungs- 2009 bewilligt worden. Es befindet interessen sowie zu erwartende sich daher aktuell noch in einem Beeinträchtigungen besonderer Frühstadium. Bis voraussichtlich Mit- Biotopverbundfunktionen, z.B. te 2012 wird ein detaillierter Pflege- durch Verlust wertvoller, pflege- und Entwicklungsplan mit der Region bedürftiger Offenlandbiotope oder abgestimmt sein und den Fördermit- durch Zerschneidungswirkung im telgebern vorgelegt. Er ist Grundlage Rahmen von Straßenneu- bzw. des Antrages auf Bewilligung der För- -ausbau. derphase II, für die derzeit eine acht- jährige Laufzeit vorgesehen ist. Das Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal weist darü- Die künftige Entwicklung der Kern- ber hinaus besondere Alleinstellungs- gebiete wird sich vorrangig an den merkmale auf: Ansprüchen der dort vorkommenden wildlebenden Tier- und Pflanzenar- 1. In der mehr als dreißigjährigen ten orientieren. Zusammenfassend Geschichte des erfolgreichen För- gilt für die Ziele: Im Projektgebiet ist derprogramms ist es das erste Na- das Grüne Band zu schützen und der turschutzgroßprojekt des Bundes überregionale, länderübergreifende mit gleichzeitiger Beteiligung von Biotopverbund zu entwickeln, wofür drei Bundesländern. herausragende Waldlebensräume er- 2. Es ist das erste Naturschutzgroß- halten, großflächig vorhandene Kul- projekt des Bundes mit dem Grü- turlandschaft gepflegt und naturnahe nen Band als zentralem natur- Fließgewässersysteme geschützt und schutzfachlichem Leitthema. entwickelt werden müssen. 3. Das Projektgebiet hat eine ein- zigartige, räumliche Lage im Maßnahmen der Förderphase I sind die Zentrum Deutschlands und in Erstellung des Pflege- und Entwick- der Mitte des Deutschen Grünen lungsplanes mit sozioökonomischer Bandes. „Schon eine rein topo- Analyse, die Externe Moderation, In- grafische Betrachtung verdeut- formations- und Öffentlichkeitsarbeit licht, dass hier ein Dreh- und An- sowie die für die Projektabwicklung gelpunkt für den Biotopverbund notwendigen Personal- und Sach- in Deutschland, wenn nicht sogar kosten. Förderfähige Maßnahmen in für den Biotopverbund in Europa der Förderphase II lassen sich aktuell liegt!“, so sinngemäß formuliert nur grob klassifizieren, weil hierzu von Dr. Uwe Riecken, Leiter der erst der Pflege- und Entwicklungs- Abteilung II 2 Biotopschutz und plan konkrete Aussagen treffen wird. Landschaftsökologie im Bundes- Hauptsächlich werden dies aber Maß- amt für Naturschutz am 4. No- nahmen zur Flächensicherung bzw. vember 2010 auf dem Dialogfo- -verfügbarkeit sein (vorrangig Flä- rum Biotopverbund in Bonn. chenkauf, aber auch langfristige Pacht 61
Holger Keil Abb. 5: Das Grüne Band ist im oberen Leinetal nur noch ein sehr schmaler Gehölz- streifen. 62 © Klaus Leidorf
Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt Grünes Band Eichsfeld-Werratal und Ausgleichszahlungen sind mög- die Gemeinschaft der Planungsbüros lich), Maßnahmen der Biotoppflege PAN (München) und WAGU (Kassel) (biotopersteinrichtende und -lenkende vergeben. Maßnahmen) sowie Effizienz- und Er- folgskontrollen. Gegenstände der umfangreichen Pla- nung werden die Erfassung und Be- Das Projekt basiert auf dem Freiwil- wertung des Ist-Zustands der Kern- ligkeitsprinzip, das heißt kein Fläche- gebiete (Lebensräume, Fauna, Flora), neigentümer kann zu Maßnahmen die Definition eines Soll-Zustands in- gezwungen werden bzw. jede natur- klusive konkretisierten Leitbildern und schutzfachliche Maßnahme (Flächen- Zielen sowie von erforderlichen Maß- sicherung, Biotoppflege) ist an vertrag- nahmen inklusive Kosten und Priori- liche Vereinbarungen gebunden. Sind täten sein. Bereits an der Leitbild- und wichtige Ziele des Vorhabens nicht zu Zielfindung sollen Akteure der Region verwirklichen, z.B. aufgrund mangeln- (Interessensvertreter der Eigentümer der Akzeptanz, kann das Projekt noch und Landnutzer, Naturschutzverbände vor Beginn der Förderphase II abgebro- etc.) mitwirken, wodurch ein Gemein- chen werden (Sollbruchstelle). sames Entwicklungskonzept entsteht. Die naturschutzfachlichen Maßnah- Die Gesamtkosten werden für die men werden im Vorfeld eines Votums Laufzeit von elf Jahren bisher auf ins- der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe gesamt 10,8 Millionen Euro beziffert. (PAG) ebenfalls mit Akteuren der Re- Davon trägt die Bundesrepublik 75 %, gion abgestimmt und erörtert. Um den die drei Bundesländer zusammen 15 Plan als Voraussetzung für die Förder- % und die Heinz Sielmann Stiftung phase II final genehmigen zu können, als Projektträger 10 %. sind zudem Aussagen zur Akzeptanz erforderlich. Die notwendigen Be- teiligungsprozesse werden von team 5 Pflege- und Entwicklungsplanung ewen (Darmstadt) moderiert. Für die notwendige Projekttransparenz wer- Der Pflege- und Entwicklungsplan den auch moderne Medien genutzt, mit sozioökonomischer Analyse wur- ausführliche Informationen gibt es seit de Anfang Mai 2010 nach Abschluss kurzem unter: www.naturschutzgros- einer EU-weiten Ausschreibung an sprojekt-eichsfeld-werratal.de. 63
StefanieKeil Holger Maack, Andra Ratkevica, Jörg Schmiedel, Asnate Ziemele Abschließend sollen beispielhaft eini- • Das Projekt steht bei der notwen- ge Thesen zu möglichen Handlungs- digen Beteiligung von drei Bun- ansätzen und besondern Herausforde- desländern und sechs Landkreisen rungen für das Naturschutzgroßprojekt vor einer anspruchsvollen Verwal- in den nächsten Jahren vorgestellt tungsaufgabe. Gleiches gilt für die werden: hochkomplexen Beteiligungspro- zesse zur Einbindung der vielen, • Das Projekt wird sich dem Biotop- weiteren Akteure. schutz, dem Artenschutz und dem Biotopverbund in den Kerngebie- • Das Projekt steht vor der beson- ten widmen, wobei sich Ziele und deren Herausforderung bei beab- Maßnahmen vordergründig an sichtigten Maßnahmen zum Teil Ziel- und Leitarten orientieren, die immer noch ungeklärte Eigen- dann wiederum Mitnahmeeffekte tumsverhältnisse vorzufinden. für viele, weitere Arten erzeugen. Angesichts des historischen Hin- tergrunds ist vor allem in Thürin- • Das Projekt wird Sonderfragestel- gen zudem immer mit der notwen- lungen beantworten, z.B. hinsicht- digen Sensibilität an Eigentümer lich vorhandener Urwaldrelikte, und Landnutzer heranzutreten. historischen Waldnutzungen und natürlicher Waldentwicklung auf • Das Projekt nimmt sich der be- geeigneten Flächen. sonderen Herausforderung an, die Akzeptanz bei Waldeigentümern • Das Projekt wird die Anforderun- und -nutzern zur Notwendigkeit gen an das Grüne Band auch als von ausreichend großen Flächen Erlebnisraum und historischem für die natürliche Waldentwick- Denkmal berücksichtigen. lung zu erhöhen. • Für das Projekt wird es eine He- rausforderung, das Grüne Band Literatur zwischen Harz und Hainich als durchgehende Leitachse eines Bund Naturschutz in Bayern e.V. & Bund für Umwelt und Natur- länderübergreifenden Biotopver- schutz in Deutschland e.V. (2002): EuE-Vorhaben „Bestands- aufnahme Grünes Band“, im Auftrag des Bundesamts für bunds zu entwickeln, insbesonde- Naturschutz, Nürnberg: 277 S. re dort, wo es mittlerweile unter- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- brochen ist oder eher als „Grüner heit (Hrsg.) (1993): Richtlinien zur Förderung der Errichtung Faden“ bezeichnet werden müsste und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung einschließlich (Abb. 5). der Förderung von Gewässerrandstreifen (Förderrichtlinien für Naturschutzgroßprojekte) vom 28. Juni 1993 (i. d. F. vom 15. • Das Projekt sieht eine Herausfor- September 1993 – BAnz. S. 6750 u. 9378), Bonn:16 S. derung darin, den Verlust von Ma- Reck, H.; Hänek, K.; Böttcher, M. & A. Winter (2004): Lebens- raumkorridore für Mensch und Tier. Abschlussbericht zur Er- gerrasen und artenreichem Grün- stellung eines bundesweit kohärenten Grobkonzepts (Initiativ- land in der Region abzumildern, skizze). Stand: Mai 2004. Zusammenarbeit von Universität wobei ein schlüssiges, dauerhaftes Kiel, Universität Kassel, Bundesamt für Naturschutz (BfN) und Deutscher Jagdschutzverband (DJV), Kiel, Kassel, Leipzig und und für die Partner der Landwirt- Bonn: 42 S. schaft auch attraktives Konzept gefunden werden muss. 64
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