Vereinssport & Corona: Optimistisch die Zukunft gestalten
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SPORT- UND VEREINSENTWICKLUNG Vereinssport & Corona: Optimistisch die Zukunft gestalten Radikale Aufwertung des Breitensports – gemeinsam die Krise meistern Die Mitgliederstatistik ist ausgewertet, Was hat der BSB Nord außerhalb die Entwicklungen der Mitglieder bis von finanziellen Maßnahmen ge- zum 01.01.2021 somit bekannt, gleich- tan, um seine Vereine und Verbän- zeitig hat die Corona-Pandemie das de in der Krise zu unterstützen? Land und damit den Sport nach wie Wie man sich vorstellen kann, nimmt vor voll im Griff. Zeit für eine umfas- die politische Lobbyarbeit großen sende Einschätzung der Lage. Dazu Raum ein. Vieles spielt sich dabei hin- sprach die Redaktion von Sport in BW ter den Kulissen ab. Wir nehmen Rück- mit Dr. Florian Dürr, Geschäftsbe- meldungen von Vereinen und Ver- reichsleiter Sport- und Vereinsentwick- bänden auf, stimmen uns mit den lung. Er hat von Anbeginn der Krise, Kolleg*innen in den anderen Sport- gemeinsam mit den BSB-Kolleg*in- bünde ab und speisen Rückmeldun- nen, insbesondere Thorsten Väth als gen i.d.R. über den LSV BW ins poli- BSB-Justitiar, Kerstin Häfele als Ge- tische System ein. Und sehr wichtig schäftsbereichsleiterin Finanzen und und ein positiver Effekt der Krise: Der Michael Titze als Geschäftsführer, de- Austausch mit unseren Sportkreisen ren Sichtweisen ebenfalls eingeflossen ist noch enger und regelmäßiger ge- sind, Vereine in Corona-Fragen bera- worden. Diese Abstimmung nach in- ten. nen, auch im Präsidium und Haupt- ausschuss funktioniert auch auf digi- SiBW: Starten wir mit etwas Positi- talem Wege hervorragend. So tragen vem: Bewirkt die Krise auch Gutes? wir als organisierter Sport insgesamt auf den unterschiedlichen Ebenen die FD: Das ist eine schöne Frage zum Anliegen an die Politik – von der Kom- Start und Ja, für mich zeigt die Krise Dr. Florian Dürr Foto: BSB mune bis hin zum Land und über den zum Einen, dass Vereine höchst robus- LSV bis auf Bundesebene, immerhin te und widerstandsfähige Strukturen haben, dürfen wir nicht jene aus haben wir mit Elvira Menzer-Haasis sind, die sich auch in Krisenzeiten an- dem Blick verlieren, denen es richtig die Sprecherin der Landessportbün- passungsfähig und kreativ zeigen und schlecht geht. de im Deutschen Olympischen Sport- zum Anderen wurden Innovationen bund (DOSB) als Präsidentin. Ob die durch die Krise angeschoben, wie der Was hat der BSB Nord getan, um (berechtigten) Interessen an den ent- Ausbau digitaler Kommunikations- die finanziellen Schäden gering zu sprechenden Stellen immer Gehör fin- möglichkeiten im Vorstand oder auch halten? den, steht auf einem anderen Blatt. mit den Mitgliedern. Wir haben zu Beginn der Krise alles in Um die Bedeutung des Sports in der unserer Macht Stehende getan, um Ist also alles gut? Gesellschaft und als kommunale Ak- Liquidität flächendeckend zu sichern teure zu verdeutlichen, arbeiten wir (lacht) Eine rhetorische Frage. Natür- sowohl bei Vereinen als auch bei Fach- auch intensiv daran, faktenbasierte lich nicht und man sollte auch sehr verbänden – bspw. durch Verschie- Grundlagen zu erarbeiten, die helfen, stark differenzieren. Es ist gerade ein bung der Beitragseinzüge, unbüro- diese wichtige, wenn auch nicht im- wesentliches Merkmal der Krise, dass kratische und flexiblere Zuschuss- und mer offensichtliche Aufgabe, zukünf- sie sehr asynchron „zuschlägt“, bei Nachweisverfahren (Übungsleiterzu- tig gut bewerkstelligen zu können. kompletten Branchen, auf der per- schüsse). Mit der Soforthilfe haben sönlichen Ebene, wie auch bei den wir gemeinsam mit der Landespolitik Mit Blickrichtung auf die eigenen Mit- Sportvereinen. Ausnahmslos alle lei- und unseren Partnern LSV BW, BSB gliedsorganisationen war uns schnell den darunter, Ihren Sport nicht in der Freiburg und WLSB einen sportspe- klar, dass wir mit der Geschwindig- gewohnten Form anbieten zu können. zifischen Rettungsschirm auf den Weg keit der Veränderungen und Verord- Bei der Frage nach den finanziellen gebracht, der bislang verhindert hat, nungen nur mithalten können, wenn Auswirkungen bspw. hängt es von dass Vereine rein aus Corona-beding- wir auf ein stets verfügbares Informa- der individuellen Einnahme- und Aus- ten Liquiditätsaspekten das Handtuch tionsmanagement, also mit Meldun- gaben-Struktur, von der/den Sport- werfen mussten. Die staatlichen Gel- gen, FAQ’s und Checklisten auf der arten und weiteren Faktoren wie der der betreffend, standen wir in einem Homepage unsere Vereine 24/7 mit Verberuflichung der Vereine ab, man permanenten Austausch mit den Mi- aktuellen Infos versorgen und das darf und kann nicht alle über einen nisterien, insbesondere dem für uns Ganze wird flankiert von individueller Kamm scheren und nur weil viele zuständigen Kultusministerium. Der Beratung. kleinere Vereine mit weiterfließenden Landespolitik gilt es dafür Dank zu Last not least hat unser Bildungsbe- Mitgliedseinnahmen kaum Probleme sagen. reich ganze Arbeit geleistet und un- 16 SPORT in BW 6 | 2021
SPORT- UND VEREINSENTWICKLUNG glaublich schnell viele Seminare auf digitale Formate umgestrickt, für die Sportpraxis ebenso wie im Vereins- management, im Bereich Integration oder bei der Sportjugend. Das Ganze wird auch so gut angenommen, dass wir davon Etliches beibehalten und in der Zukunft anbieten werden. Unter dem Strich blicken wir nicht nur auf Corona, sondern entwickeln uns auch inhaltlich weiter. So gesehen auch eine spannende Zeit. Schauen wir mal auf die Schatten- seiten: Wie beurteilst Du die Mit- gliederverluste? Dass die Sportvereine in Nordbaden, insbesondere durch fehlende Neu- eintritte bei den Kindern einen Rück- gang von rund 16 Prozent und über alle Kinder und Jugendlichen hinweg von über 6 Prozent hinnehmen muss- ten und der Rückgang damit deutlich Fotos: © LSB NRW / Andrea Bowinkelmann über dem allgemeinen Rückgang von gut 3 Prozent liegt, ist nicht weniger demie und für zukünftige pandemi- stoffwechselstörungen und Bluthoch- als dramatisch zu bezeichnen. sche Szenarien (auch wenn sich das druck, die als Risikofaktoren für schwe- niemand vorstellen mag) in einer re SARS-Cov-2-Verläufe gelten und Das war der Stand zu Beginn des Priorisierung des organisierten, ver- könnte andererseits auch die Immun- Jahres … einsgebundenen Sports insbesonde- antwort auf Infektionen bei COVID- re für alle Kinder und Jugendliche 19 verbessern. Die Beobachtungen, Richtig, und seit dem Erfassungszeit- niederschlagen, nicht nur für die un- dass sich nun wichtige Gesundheits- punkt der Mitgliedermeldung zum ter 14-Jährigen. parameter wie beispielsweise das 01.01.2020 herrschte noch lange Durchschnittsgewicht während der weitestgehend Stillstand und von ei- Auf der anderen Seite gilt es Infek- Pandemie in der gesamten Gesell- ner „Normalität“ sind wir auch im Mai tionen zu vermeiden, die u.a. auch schaft weiter verschlechtert haben, und voraussichtlich Juni noch weit Sportler*innen treffen können. zeigt, dass es allein über individuelles entfernt, auch wenn viele Vereine ver- Sporttreiben nicht gelingt für ausrei- suchen, jeden Lichtblick zu nutzen. Absolut. Corona ist eine schwerwie- chend Bewegung – insbesondere Es drohen ganze Jahrgänge in einer gende und gefährliche Krankheit, die auch bei weniger sportaffinen Men- ungesunden Art und Weise geprägt es zu bekämpfen gilt, zum Schutz al- schen – zu sorgen. Es fehlt der positi- zu werden, wovon namhafte Forscher ler Menschen, auch zum Schutz von ve soziale Gruppeneffekt des gemein- ausgehen – mit dem Sportinstitut am Sportlerinnen und Sportlern und allen samen Sporttreibens. KIT, unter der Leitung von Prof. Woll, in unterschiedlichen Funktionen En- haben wir hier in Karlsruhe diejenigen gagierten. Da gibt es auch keine zwei Aber zu Infektionen kann es auch Sportwissenschaftler vor Ort, die über Meinungen, aber wir müssen die Din- beim Sporttreiben kommen. das umfassendste Zahlenmaterial ver- ge zusammenbringen. Das geflügel- fügen und die Entwicklungen sowohl te Wort „Sport ist Teil der Lösung und Grundsätzlich schon, wobei wir ja in längeren Zeiträumen als auch wäh- nicht Teil des Problems“ ist ja keine nicht mehr am Anfang der Pandemie rend der Pandemie adäquat beurtei- hohle, inhaltsleere Phrase. stehen und überhaupt nichts wissen. len können. Man mag sich auch gar Es liegen inzwischen einige sportspe- nicht vorstellen, welche Auswirkun- Was steckt für Dich dahinter? zifische Studien vor, die zeigen, dass gen diese Entwicklung beispielsweise Da muss ich etwas ausholen. Zunächst im Freien kaum etwas passiert und auf die zukünftige Schwimmfähigkeit kann ausreichend Sport und Bewe- darauf haben vor Kurzem nachdrück- haben wird – um diese wichtige Kul- gung als eine Art Wundermedikament lich führende Aerosolforscher hinge- turfähigkeit war es bereits vor Coro- positiv auf die körperliche, mentale wiesen. Eins ist aber auch in Pande- na nicht gut bestellt. und seelische Gesundheit einwirken. mien extrem wichtig: der gesellschaft- Im Kontext von Infektionskrankhei- liche Fokus darf nie einzig auf einen Was bedarf es also Deiner Meinung ten ist eine höhere Fitness als Schutz- Aspekt von Gesundheit, gerade also nach? faktor zu sehen. Einerseits hat körper- der Abwesenheit einer Covid-19-Er- Wir benötigen nicht weniger als eine liche Aktivität ein hohes präventives krankung, gerichtet sein, schon gar radikale Aufwertung der Bedeutung Potenzial bei chronischen Krankhei- nicht über einen längeren Zeitraum. des Breitensports für die Gesellschaft ten, vermindert also lebensstilbezo- Vielmehr muss Gesundheit immer in auch und gerade in pandemischen gene Risikofaktoren wie Übergewicht, einem größeren Rahmen, wie oben Zeiten. Dies muss sich in dieser Pan- Fettstoffwechselstörungen, Zucker- skizziert, verstanden werden. Und SPORT in BW 6 | 2021 17
SPORT- UND VEREINSENTWICKLUNG dann kommt hinzu, dass wir es beim Vereinssport nicht mit unreguliertem freien Sporttreiben zu tun haben, sondern mit einem auch unter Pande- miebedingungen steuerbaren Sport- betrieb. So hat aktuell auch niemand ein Problem, wenn Duschen noch et- was geschlossen bleiben müssen und noch keine Zuschauer kommen dür- fen. Denn eine mögliche Ansteckungs- gefahr lauert eher außerhalb „des Platzes“ bzw. des Sporttreibens – und das lässt sich völlig unproblematisch eindämmen. Du siehst also kein Problem darin, Sportstätten im Freien zu öffnen? Grundsätzlich nicht, sofern das für den vereinsgebundenen Sport ge- schieht – wobei wir bei sehr ange- spannten Pandemielagen (temporär!) weitere Schutzmaßnahmen wie Be- schränkung von Gruppengrößen und Abstandsregelungen benötigen, denn selbstverständlich möchte niemand das mal an einem kleinen Beispiel und das, obwohl die Vereine im Eh- Mitglieder, Trainer*innen oder Funk- verdeutlichen: Der Blick auf den nächs- renamt alles darangesetzt haben, Hy- tionär*innen in Gefahr bringen. Al- ten Bolzplatz oder in manche Park- gienekonzepte zu erarbeiten und um- lerdings sollte es deutlich weniger oder Bewegungs-Anlage bei gutem zusetzen. Dies gepaart mit dem Wis- restriktiv als bislang gehandhabt wer- Wetter lässt einen – und das haben sen darum, dass im Außensport keine den. Wir müssen das Ganze doch uns viele Verbands- und Vereinsvertre- große Ansteckungsgefahr lauert, führt auch vor dem Hintergrund sehen, ter gespiegelt, bei aller Freude für die schon zu Frust. Aber das Verständnis, dass die meisten nach diesem Winter dort umhertollenden Kinder und Ju- dass diese Pandemie auch für die Po- ausgelaugt und pandemiemüde sind, gendlichen, gleichzeitig etwas ratlos litik eine unglaublich schwierige und wir aber weiterhin Alle zum Befolgen zurück. Wo ist der Sinn, wenn weit- so nicht dagewesene Situation dar- der Regeln benötigen und das funk- läufige Sportflächen in Vereins- oder stellt, ist ebenso vorhanden – tauschen tioniert nicht nur mit Restriktionen, es kommunaler Hand oder auch der öf- möchte niemand. braucht auch Lichtblicke. Wenn wir fentliche Raum für den Vereinssport- also ein kontrolliertes Setting wie den betrieb unter kontrollierten und ab- Kannst Du verdeutlichen an wel- vereinsgebundenen Freiluftsport ha- standswahrenden Maßnahmen chen Punkten sich der Frust fest- ben, der kaum ein Risiko darstellt, gesperrt werden, wenn sich dann der macht? dann besteht die große Gefahr, dass Bewegungs- und Begegnungsdrang Ich kann es zumindest versuchen. Ich wir durch eine weitestgehende Ver- auf die unkontrollierten und unkon- sehe da zwei Linien. Eine sich schlei- hinderung genau das Gegenteil des trollierbaren Flächen (oder schlimmer chend aufbauende Unzufriedenheit, Angestrebten erzeugen. Ich möchte noch in nicht einsehbare Innenräume) dass man als organisierter Sport zu verlagert? Das ist schon etwas absurd denjenigen gehört, die von Lock- und vielen Vereinen inzwischen auch downs und damit einhergehenden kaum noch vermittelbar. Beschränkungen stets betroffen war. Wir sprechen hier nicht über gering- Wenden sich Vereine und Verbände fügige Einschränkungen, sondern da- also ab von der Politik? rüber, dass Vereine ihrem Bestim- Ein klares Nein. Hier darf man jetzt mungszweck (weitestgehend) nicht nicht in der Bewertung über das Ziel nachgehen dürfen. Für den Sport ist hinausschießen. Es gibt nach wie vor auch der Begriff eines „Lockdown eine hohe Loyalität mit dem politi- light“ wie im November überhaupt schen System und eine ebenso große nicht angebracht. Es war und ist viel- Gewissenhaftigkeit bei der Umset- mehr ein partieller Lockdown, der zung der Vorgaben, das erfahren wir eben einige Branchen voll trifft und täglich in vielen Telefonaten. Aber andere nicht oder kaum. Dazu kommt, einzelne politische Entscheidungen dass manchmal der Eindruck entsteht, werden sehr wohl kritisch hinterfragt, dass nicht alle Maßnahmen ergriffen aber das ist ja auch nur recht und bil- werden, um diese Situation für die lig, schließlich gehört der Sport nach besonders Betroffenen so schnell wie wie vor mit zu den stark von Be- möglich zu beenden. So war es für schränkungen betroffenen Bereichen Viele schwer zu ertragen, wie man die 18 SPORT in BW 6 | 2021
SPORT- UND VEREINSENTWICKLUNG Osterferien nicht genutzt hat, um ent- quat zu antizipieren – das ist ein Ding erlebe ich auch alle Vereine und Ver- schlossen die Inzidenzen zu drücken der Unmöglichkeit und hier gab es bände nicht als undifferenzierte Laut- oder verpflichtende(!) Tests bei Prä- in der Vergangenheit auch von Sei- schreier. Wir stehen für unsere Belan- senzarbeit einzuführen. Denn die Ket- ten des Kultusministeriums stets Ge- ge ein, dazu gehört auch die Artiku- te ist ja klar: Wenn Inzidenzen steigen sprächsbereitschaft, um Nachzusteu- lation von Kritik, die wir, das ist unser und wir daran Beschränkungen kop- ern. Aber was meiner Ansicht nach Job, auch weitertragen, aber wir be- peln, benötigen wir am Ende noch besser sein könnte, ist die frühzeitige mühen uns dabei um Konstruktivität länger, um diese wieder nach unten Einbeziehung des organisierten Sports und ich glaube das gelingt uns auch zu bekommen – und es schauen im- in die konkrete Ausgestaltung von gut. Wir können die Zukunft nur ge- mer die gleichen in die Röhre. Es ist Regelungen, das wurde ja auch von meinsam gestalten. Politik und Sport zu befürchten, dass die daraus resul- Seiten des LSV und des DOSB deut- sowie Kommunen im partnerschaft- tierende soziale Ungleichheit zu ge- lich moniert, und insgesamt mehr Ver- lichen Dialog. Das ist ein Prozess, der fährlichen gesellschaftlichen Entwick- trauen in unsere gemeinnützigen Ver- nicht endet und den wir weiter inten- lungen führen kann. Es muss also im eine und Verbände, die loyal die sivieren werden. Sinne der Politik und der Gesellschaft Regeln mittragen. sein, diese Ungleichheiten abzubau- Und es bedarf einfach deutlich mehr Bevor wir zu den Chancen kommen: en, nicht nur, aber auch zum Wohle gesunden Pragmatismus, also den Was ist in der aktuellen Situation des Sports. Hier benötigen wir mehr Blick darauf, was bestimmte Entschei- Deine größte Sorge? Solidarität und Entschlossenheit. dungen bei den Betroffenen tatsäch- Wir befinden uns gerade in einer am- lich an Aufwand auslösen und die sich bivalenten Lage. Der Sommer steht Und die zweite Linie? daran anschließende Frage, ob man an und mit den Impfungen gibt es mit Regelungen etwas ermöglichen Das sind konkrete, der Sache nach eine berechtigte Hoffnung auf Rück- oder etwas verhindern möchte – auch schwer nachvollziehbaren Entschei- kehr in die so sehr gewünschte Nor- wenn eine Pandemie zur Vorsicht dungen, die – zumindest für den Lai- malität. Jeder hofft das. Aber Corona zwingt, wir brauchen mehr Mut zu en – ohne erkennbaren Bezug zu den wird nicht einfach verschwinden. Die Entscheidungen, die das Leben wie- zwischenzeitlich vorhandenen Erkennt- Erfahrung des letzten Jahres hat ge- der lebenswerter machen. nissen stehen, wie die nach wie vor zeigt, dass optimistische Prognosen sehr starke Einschränkung des kon- selten Realität wurden. Die Arglosig- Wie beurteilst Du das Pandemie- taktfreien oder -armen Sports im Frei- keit, die sich in Gesellschaft und Po- management insgesamt? en. Außerdem einzelne, teilweise klein litik, mithin bei uns allen, nach der erscheinende Entscheidungen, die Das steht mir und uns überhaupt ersten Welle während des Sommers das Leben unnötig und unglaublich nicht zu, darüber zu urteilen. Ich ha- bis zum Beginn des Herbstes 2020 schwer machen. Hierunter fällt jüngst be versucht ein differenziertes Bild der breit gemacht hat, war zum damali- beispielsweise der zunächst geforder- Gesamteindrücke, die bei uns auf- gen Zeitpunkt noch verständlich, darf te Nachweis eines öffentlich doku- schlagen, zu zeichnen und auch deut- sich jedoch nicht wiederholen. Wir mentierten Tests für „Anleitende“ von lich gemacht, dass die Größe der He- müssen also auch einen Plan B haben, Kleinstgruppen von bis zu fünf Kin- rausforderung von allen Akteuren so dass bei Nicht-Eintreten des Best- dern, während für Lehrer und Schü- gesehen wird. Wir sehen uns und so Case-Szenarios Handlungsoptionen ler ein einfacher Selbsttest ausreichend ist. Das wird als mangelndes Vertrau- en und auch mangelnde Wertschät- zung des ehrenamtlichen Engage- ments empfunden. Zum Glück ist es hier aber recht schnell gelungen, sei- tens der Landespolitik, eine pragma- tische Lösung zu entwickeln. Aber die Testpflicht, nun für die Teilneh- menden, bleibt ein Thema für das praktikable Lösungen her müssen – und so schnell es geht eine Rückkehr zum Sport ohne Organisationshürden. Wie könnte verhindert werden, dass es zu solch erschwerenden Re- gelungen bzw. Nachsteuerungs- notwendigkeiten kommt? Zunächst muss man sicher fair und realistisch bleiben. Da steckt kein bö- ser Wille dahinter, sondern entweder Übervorsicht oder mangelnde Basis- nähe auf Bundesebene. Es wird auch nicht gelingen, bei ausdifferenzierten Regeln immer alle in der Praxis auf- tretenden Umsetzungsprobleme adä- SPORT in BW 6 | 2021 19
SPORT- UND VEREINSENTWICKLUNG zur Verfügung stehen, falls die Pan- demie zu Beginn des Herbstes oder Winters (in Deutschland) nicht zu En- de ist. Die Erfahrung lehrte uns schmerzlich, dass es lange dauert, bis Entscheidungen korrigiert oder zu späte Entscheidungen nachgeholt sind. Wir sollten also zu einer Art von pandemiebezogener gesellschaftli- cher Resilienz kommen und wissen, wie wir im Fall des Falles schnell, ent- schlossen und unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Schutzmaßnah- men so reagieren, dass erneute Lock- Downs im Sport und darüber hinaus vermieden werden; sie dürfen nach der Bekämpfung der dritten Welle und eines in Schwung gekommenen ge- sellschaftlichen Lebens zum und nach dem Sommer 2021 keine Option mehr sein, sofern nicht völlig unerwartbare Umstände eintreten. … und wo siehst Du die größte Chance? me, dass viele Vereine trotz der wid- Zeit – ich empfehle die hervorragen- rigsten Umstände alles daransetzen, de und lesenswerte Festschrift, die Nach dem Tief kommt immer ein nach vorne zu blicken und im Rahmen auch online zur Verfügung steht. Der Hoch. In den letzten Wochen war des Möglichen Angebote unterbrei- Optimusmus überwiegt klar – der deutlich zu spüren, wie der Breiten- ten. Es ist beeindruckend und rührend Sport wird auch diese Krise als wich- sport in unterschiedlichen, auch gro- zugleich, zu sehen wie Vereine sogar tiger gesellschaftlicher Akteur über- ßen Medien aufgegriffen wurde. Er Testzentren in Kooperation mit Apo- stehen und meistern. Es ist aber ge- fehlt den Menschen zunehmend und theken betreiben, wie das bspw. bei nauso klar, dass wir dafür die ent- schmerzlich. Ich gehe fest davon aus, der TSG Seckenheim oder dem PSK sprechenden Rahmenbedingungen dass dieser Mangel, auch und gerade Karlsruhe der Fall ist, wie Schutzkon- und Unterstützung benötigen, in Form des Sports mit sozialer Begegnung, zepte auf höchstem Niveau ersonnen von Ermöglichungen, das wurde deut- dazu führen wird, dass es eine große werden, wie bspw. bei den Karlsruhe lich, aber auch durch kluge und be- Nachfrage nach Vereinssport geben Cougars oder der SG Hemsbach, wie herzte politische und kommunale Maß- wird. Ich bin auch deshalb so positiv kreativ Angebote umgestaltet oder in nahmen, um das Jahr 2021 nicht als gestimmt, weil ich täglich mitbekom- den virtuellen Raum verlegt werden weiteres Jahr der Pandemie, sondern – immerhin 15 Prozent betreiben am Ende doch noch als ein Sportjahr Sport inzwischen über Onlineange- verbuchen zu können – beispielge- bote von Vereinen, so Prof. Woll. Un- bend ist für mich, wie die Stadt Karls- bedingt erwähnenswert ist auch, dass ruhe hier mit frischen Impulsen vor- eine große Solidarität mit anderen, angeht. teils noch härter getroffenen Bran- chen und Menschen vorhanden ist, Mit Blick auf die so bedeutende und wovon viele Hilfsaktionen von Verei- für den Sport zentrale Zielgruppe der nen zeugen. Kinder und Jugendlichen, die unter dieser Pandemie besonders leiden Jetzt muss es noch gelingen, die Bü- und die zukünftig auch deren Folgen rokratie-Hürden weiter einzureißen mit zu bewältigen haben, möchte ich und ohne 25 kleinteilige Schrittchen abschließend an die Worte unseres zügig aus der Bewegungslosigkeit Präsidenten Martin Lenz erinnern: um durchzustarten und dann sehe ich die Zukunftsaussichten von Kindern durchaus, wie aus der Krise ein posi- und Jugendlichen positiv zu gestal- tiver Schwung entstehen kann. ten, besteht der entscheidende Drei- klang aus Kindergärten und Schulen Überwiegt nun der Optimismus sowie gleichzeitig aus dem Kinder- oder die Sorge vor der Zukunft? und Jugendsport in unseren Sportver- Im Sport sind wir Wettkämpfe und einen – in diesem Sinne richten wir Kämpfen gewöhnt und viele Vereine den Blick nach vorne und setzen alles gibt es nun seit über hundert Jahren, daran, dass der Vereinssport so schnell der BSB Nord feiert in diesen Tagen wie möglich seine positive Kraft ent- sein 75-jähriges Bestehen. Und es gab falten kann. nicht nur Zuckerschlecken in dieser Red 20 SPORT in BW 6 | 2021
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